144 Neurobiologie
Langzeitgedächtnis Gedanken
Gefühle
Handlungen
sensorischeVerarbeitung:
Auge
Ohr
Nase
Hand
ArbeitsgedächtnisReize
3
2
1
Kurzzeitgedächtnis
Modellvorstellungen zum Gedächtnis
Als Gedächtnis bezeichnet man die Fähig‑ keit des Gehirns, Informationen aufzuneh‑ men, zu speichern und wieder abzurufen. Informationen werden jedoch niemals so wiedergegeben wie sie aufgenommen wurden, da sie mit bereits vorhandenen Informationen verknüpft werden. Das Gedächtnis ist im Gehirn verortet. Durch bildgebende Verfahren können Vorgänge während des Lernvorgangs einzelnen Gehirnabschnitten zugeordnet werden.
Die komplexen Funktionen und Zusam‑menhänge dieser einzelnen Erkenntnisse werden mit Modellvorstellungen erklärt, welche die Daten zu einem sinnvollen vereinfachten Erklärungsmuster zusam‑menführen. Es gibt daher je nach Frage‑stellung zu verschiedenen Zusammen‑hängen unterschiedliche Modelle. Diese gehen von mehreren Speichern aus, denen unterschiedliche Funktionen zugeord‑
net werden. Je nach Forschungsansatz unterscheidet man z. B. zeitbezogene oder inhaltsbezogene Modelle.
Zeitbezogenes GedächtnismodellDie verschiedenen Speicher werden bei der Abspeicherung unterschiedlichen Zeitfaktoren zugeordnet (Abb. 2): – Das sensorische Gedächtnis (Ultrakurzzeit‑gedächtnis) speichert die in Form von Reizen aufgenommenen Informatio‑nen nur innerhalb der verschiedenen Sinnesorgane (1). Die Reize führen zu Erregungen, die eine halbe bis mehrere Sekunden zur Verarbeitung bereitge‑stellt werden.
– Im Arbeitsgedächtnis, das aus zeitlicher Sicht auch dem Kurzzeitgedächtnis zu‑geordnet wird, bleiben die Informatio‑nen ca. 10 Sekunden bis einige Minuten. Je nach Interessenlage und Stimmung werden die Informationen bewertet und erhalten mit den bereits gespeicherten Informationen eine Bedeutung (2). Die Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses bleibt jedoch nur auf wenige Informati‑onseinheiten beschränkt. Lernuntersu‑chungen zu der Lernkapazität zeigten, dass 7 plus / minus 2 als Begriffe oder Zahlen gespeichert werden können, der Rest geht verloren. Die neuen Informati‑onen werden mit bereits gespeicherten verknüpft. Neue Informationen werden besonders dann weitergeleitet, wenn Assoziationen dazu vorhanden sind. Werden diese Informationen im Arbeits‑gedächtnis nicht mit Inhalten aus dem Langzeitgedächtnis verknüpft (assoziiert) oder wird man abgelenkt, sind sie für immer verloren.
1 Gedächtnisleistung
2 ZeitbezogenesGedächtnismodell
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Dichte-anomalie
Eis
Langzeitgedächtnis
episodisches Gedächtnis perzeptuelles Gedächtnis Wissensgedächnis
0 °C
Arbeitsgedächtnis
1
2
3
Damit eine im Arbeitsgedächtnis abge‑speicherte Information ins Langzeitge‑dächtnis vordringen kann, muss sie also gefestigt werden, d. h. mit Assoziationen verknüpft oder so lange wiederholt werden, bis eine kritische Schwelle zum Langzeitgedächtnis überschritten ist.
Die neue Information wird im Langzeit‑ gedächtnis dauerhaft verankert. Erinnern wir uns nicht mehr an hier gespeicherte Informationen, kann dies daran liegen, dass sie von anderen Informationen überlagert werden oder der Vorgang des Abrufens gehemmt wird. Gleichzeitig werden sie mit Emotionen verbunden. Der Lernprozess und auch das Abrufen der ge‑speicherten Informationen ist immer an Emotionen gebunden. Diese spielen eine Rolle bei der Einschätzung der Bedeutung‑von aufgenommenen Reizen (3).
Inhaltsbezogenes GedächtnismodellDie verschiedenen Speicher (Abb. 3) werden unterschiedlichen inhaltlichen Strukturen zugeordnet: – Im episodischen Gedächtnis sind alle von uns bewusst erlebten Lebensepisoden gespeichert: der erste Kuss, der Tod eines Freundes, die Ferien oder ein schö‑ner Kinoabend. Es ermöglicht uns den Blick in unsere Vergangenheit auf der Zeitebene und ordnet hierbei das Erlebte Räumen und Orten zu. Informationen werden in das episodische Gedächtnis erst dann eingespeichert, wenn sie im perzeptuellen und Wissensgedächtnis bereits verarbeitet wurden (Abb. 3).
– Das Wissensgedächtnis beinhaltet Fakten, wie das Schul‑ und Allgemeinwissen. Hier werden bewusst Informationen gespeichert. Diese haben im Gegensatz zu den Informationen im episodischen Gedächtnis keinen Bezug zu unserem Raum‑ Zeitgefühl. Sie werden ohne Kontextbezug als reine Wissensfakten abgelegt.
– Das perzeptuelle Gedächtnis ermöglicht uns das bewusste Erkennen von Ge‑genständen oder der Umgebung durch Einordnung in eine Familiarität, wie Fahrzeuge als Auto erkennen, weil man schon viele Autos gesehen hat. Verän‑derte Strukturen lassen sich mit diesem Gedächtnis gut und effizient zuordnen.
Dadurch sind wir in der Orientierung flexibel. Ein Wiedererkennen und eine Orientierung wäre ohne perzeptuelles Gedächtnis nicht möglich. Diese Zusam‑menhänge wurden mit unvollständigen Darstellungen an Testpersonen unter‑sucht (s. Randspalte).
– Im unbewussten Bereich ist das prozedu‑rale Gedächtnis angesiedelt. Hier werden Fertigkeiten gespeichert. Diese können rein motorischer Natur sein wie das Radfahren oder aber komplexere Struk‑turen beinhalten, wie sie z. B. für die Tätigkeit des Schreibens und Autofah‑rens notwendig sind. Viele Handlungen und Tätigkeiten des täglichen Lebens sind hier eingespeichert, ohne dass sie uns noch bewusst werden.
– Beim Priming werden unbewusst bereits bekannte Strukturen anhand von ihren Teilen zusammengesetzt. Man hört das Geräusch eines Helikopters und ohne ihn zu sehen, haben wir sein Bild im Kopf. Man kennt nach den ersten Noten eines Liedes die ganze Melodie, ein herabgefallenes Laubblatt wird einem Baum zugeordnet. Im Gegensatz zum perzeptuellen Gedächtnis, liegen hier keine bewussten Vorgänge vor.
A1 $ ErstellenSieeineMind-MapinderSiedieTeiledesinhaltsbezogenenGedächt-nismodellsbewusstemundunbewusstemLernenzuordnen.
3 InhaltlichesGedächtnismodell
BildeinerLokomotive
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184 Ökologie
Konkurrenz ist eine Wechselbeziehung, in der ein Organismus eine Ressource verbraucht die dadurch anderen Orga-nismen nicht mehr zur Verfügung steht. Begrenzte Ressourcen spielen hierbei eine besondere Rolle. Konkurrenz kann sowohl intraspezifisch zwischen Individuen einer Art als auch interspezifisch zwischen Individuen verschiedener Arten auftreten. Die interspezifische Konkurrenz kann zur Reduktion der Abundanz, der Fruchtbar-keit und der Überlebenswahrscheinlich-keit einer Art führen.
Territorien bei Austernfischern
Austernfischer sind Vögel, die an der Nord‑seeküste auch im Bereich des Watten‑meers leben. Ihre Lebenserwartung liegt bei ca. 35 Jahren. Ihre Nistplätze bauen sie im Bereich des Strands oder der dahinter liegenden Wiesen. Die Gelegegröße liegt bei 4 bis 7 Eiern. Austernfischer ernäh‑ren sich von kleinen Muscheln, Krebsen, Schnecken und Würmern, die sie im Gezei‑tenbereich finden (Abb. 3).
Die Nistplätze sind besonders umkämpfte Reviere (Territorien). Ab dem vierten Lebensjahr können Austernfischer mit dem Brüten beginnen. Die Bedeutung ver‑schiedener Territorien für Austernfischer wurde an der niederländischen Küste über mehrere Jahre wissenschaftlich unter‑sucht. Bei den Untersuchungen stellte man fest, dass bei den Austernfischern sowohl Nistterritorien als auch Nahrungs‑territorien existieren. Diese Territorien verteidigen sie ihr Leben lang.
Ein Teil der Austernfischerpärchen ver‑teidigt sowohl ein Nistterritorium in den Salzwiesen weiter im Inland und ein Nah‑rungsterritorium im Watt. Diese wurden in der Untersuchung als Springer bezeichnet, da sie die Nahrung für die Jungvögel ständig zwischen den weiter auseinander liegenden Territorien transportieren müs‑sen. Die Jungvögel können den Eltern erst ins Watt folgen, wenn sie flügge sind. Bei einem anderen Teil der Austernfischer‑pärchen liegen die beiden Territorien
nebeneinander in der Nähe des Watts. Diese Pärchen wurden als Ansässige be‑zeichnet (Abb. 2). Das Gelege befindet sich in direkter Nähe zum Nahrungsterritorium. Die etwas größeren Küken können den Eltern die kurze Strecke zum Watt folgen. Hier werden sie direkt gefüttert oder er‑lernen Techniken, um das Futter zu suchen und Muscheln und Schnecken zu öffnen.
Gemessen wurde bei den Untersuchungen der Bruterfolg in den Monaten Mai und Juni in einem bestimmten Küstenbereich (Abb. 4). Gleichzeitig wurde die Zeit gemessen, welche die einzelnen Pärchen für den Flug zur Fütterung der Jungvögel benötigten und die Menge des Futters, welche den Jungvögeln gebracht wurde (Abb. 5).
A1 0 Beschreiben Sie die Abb. 2 und erklären Sie mithilfe des Textes den Unterschied zwischen den Springern und den Ansässigen.
A2 $ Beschreiben Sie Abb. 4 und 5 und erklären Sie die Ergebnisse der Unter‑suchungen.
A3 . Erläutern Sie anhand der Springer und der Ansässigen die biologische Bedeutung der Verteidigung von Territorien unter dem Aspekt der Konkurrenz.
MaterialIntraspezifische und interspezifische Konkurrenz
S161045455_G184_04Ingrid Schobel
1,0
0,8
0,6
0,2
0,4
0Mai
Ansässige
Springer
JuniZeitpunkt der Beendigung der ersten Brut
flüg
ge Ju
nge
pro
Paar
S161045455_G184_05Ingrid Schobel
12
10
8
4
2
6
010000 2000 3000 4000
Ansässige
Springer
im Flug verbrachte Zeit (s)gebr
acht
es F
utte
r (g
Tro
cken
gew
icht
)
2 KüstengebietmitNist-undNahrungsterritorien
1 Austernfischer
3 AusternfischermitJungvögel
4 MessungenzumBruterfolg
5 MessungenzurFuttermenge
S161045455_G184_02Ingrid Schobel
NahrungsterritoriumSpringer
NistplatzNahrungsterritoriumAnsässige
NistplatzSpringer
0 50 100 m
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185
Seepocken sind Zwitter, die nur einen Fortpflanzungserfolg aufweisen, wenn sie dicht nebeneinander auf dem Untergrund festsitzen. Der ausgestülpte Penis kann dann in die Mantelhöhle des benachbar‑ten Tieres eindringen und die Eier befruch‑ten. Die Larven schlüpfen aus den Eiern und verlassen die Gehäuse der Elterntiere. Sie schweben im Wasser und verbreiten sich in der Umgebung. Größere Individuen haben mehr Nachkommen als kleinere. Ab einem bestimmten Alter benötigen sie einen festen Untergrund, an dem die Strömung nicht zu groß ist. Die Larve wächst mit ihrem Kopf auf dem Unter‑grund fest und entwickelt sich zur adulten Seepocke. Hierzu scheidet sie Kalkplatten ab, die ein kegelförmiges Gehäuse bilden. Zwei Platten bilden einen Deckel, mit dem die Seepocken sich gegen Austrocknung schützen.
Wissenschaftliche Untersuchungen an der atlantischen Felsküste beschäftigten sich mit der Besiedlung von zwei Seepocken‑arten: der Sternseepocke (Chthamalusstellatus) und der gemeinen Seepocke (Balanusbalanoides). Beide Arten sind auf dem Untergrund aufzufinden. Man findet sie jedoch in verschiedenen Höhen der Gezeitenzone (Abb. 8).
Dies hängt mit unterschiedlichen Empfind‑ lichkeiten gegen das Austrocknen zusam‑men.
Die Höhenlage wurde durch die mittleren Wasserstände der verschiedenen Gezeiten (Tide) festgelegt: — MHWS: mittlerer Hochwasserstand bei
Springtide— MNWS: mittlerer Niedrigwasserstand
bei Springtide— MW: mittlerer Wasserstand
Tide sind die Gezeiten mit Ebbe und Flut. Bei der Springtide fallen durch eine beson‑dere Stellung von Sonne, Erde und Mond die Unterschiede zwischen Ebbe und Flut intensiver aus.
Die Untersuchungen wurden durch Kartie‑rungen der Larven von Sternseepocken er‑gänzt, die sich an den Felsen festsetzten. Diese wurden besonders in der Zone der gemeinen Seepocken ausgezählt. Hierbei wurde an mehreren Stellen unabhängig von der Höhe der Kontakt zu den gemei‑nen Seepocken künstlich unterbunden.
Die Ergebnisse zeigten, dass bei diesen Exemplaren die Höhenbeschränkung der Sternseepocken nicht vorhanden war. Die Überflutungsdauer kann daher keine Rolle spielen. Beobachtungen in diesen Bereichen zeigten, dass die gemeine Seepocke die jungen Sternseepocken überwuchert oder zerdrückt. Sternsee‑pocken, die trotzdem überlebten, blieben kleiner als die übrigen Individuen, was sich auf die Fruchtbarkeit auswirkt.
A4 0 Beschreiben Sie die verschiedenen Messergebnisse in Abb. 8.
A5 $ Fassen Sie die Untersuchungen und deren Ergebnisse in einem zusam‑menfassenden Bericht zusammen.
A6 . Erläutern Sie anhand der Unter‑ suchungen, ob unterschiedliche Umweltbedingungen zu der Trennung der beiden Arten führen oder ob die interspezifische Konkurrenz die aus‑schlaggebende Rolle spielt.8 SeepockenverteilunginderGezeitenzonederFelsküste
S161045455_G185_08Ingrid Schobel
gemeine Seepocke Sternseepocke
MHWS
MNWSadulteTiere
Larven
Verteilung Verteilungrelative Auswirkungendieser Faktoren
relative Auswirkungendieser Faktoren
adulteTiere
LarvenAus-trocknung
intraspezifischeKonkurrenz
Aus-trocknung
intraspezifischeKonkurrenz mitder gemeinen
Seepocke
MW
Seepocken haben Territorien
Seepocken gehören zu den Krebsen. Sie sind sessile Tiere, die mit dem Untergrund fest verwachsen sind. Sie können daher als adulte Tiere ihren Standort nicht mehr wechseln (Abb. 6). Die Ernährung erfolgt während der Flut, indem die mit feinen Borsten besetzten Beine eine Fangreuse bilden, mit denen sie Plankton aus dem Wasser filtern (Abb. 7).
6 SeepockeimGehäuse
7 NahrungsaufnahmederSeepocke
8 GezeitenzoneanderFelsenküste
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201
S161045455_G201_01Ingrid Schobel
1
2
3
S161045455_G201_03Ingrid Schobel
aggregativ
regelmäßig
zufällig
Individuen breiten sich aus und entfernen sich dadurch voneinander. Die Ausbreitung kann passiv, z. B. durch Windverteilung bei Samen oder aktiv z. B. durch Tierwanderungen erfolgen. Dies führt zu einer Verteilung der Individuen innerhalb einer Population. Die Anzahl der Individuen in einer Population und deren Verteilung spielen eine wichtige Rolle bei Freilanduntersuchungen, z. B. bei Lebenszyklusstrategien oder Sukzessionen. Die beobachteten räumlichen Verteilungsmuster der Individuen in ihrem Lebensraum bezeichnet man als Dispersion. Man unterscheidet drei Haupttypen, die jedoch ineinander übergehen können: die zufällige, die regelmäßige und die aggregative (geklumpte) Verteilung (Abb. 2).
Verschiedene PerspektivenDie Verteilungsmuster sind durch die relative Lage der einzelnen Individuen zueinander definiert. Bei verschiedenen Beobachtungsmaßstäben kann es jedoch variieren. Betrachtet man Blattlauspopulationen großräumig, sind sie auf Bäume im Wald aggregiert. Betrachten wir die Population auf den Blättern eines Baumes, erscheint die Verteilung eher zufällig. Bei der Untersuchung der Populationsdichte in einer Population spielen diese Zusammenhänge eine große Rolle für die jeweiligen naturwissenschaftlichen Fragestellungen.
Dispersion — Verteilungsmuster in Populationen
2 DispersionvonIndividuen
1 IndividuenaufeinerbestimmtenFläche
Flächenraster zum AuszählenUnter der Individuendichte einer Population wird die Zahl der Individuen pro Fläche angegeben. Man kann diese ermitteln, indem ein Flächenraster auf das zu untersuchende Gebiet aufgelegt wird. In dieses werden die gefundenen Individuen eingetragen (Abb. 1). Die roten Punkte stellen einzelne Individuen dar. Im Quadrat 1 sind es fünf Individuen, in Quadrat 2 sind es zwei und in Quadrat 3 ist kein Individuum vorhanden. Gründe für unterschiedliche Anzahlen können in vielen Faktoren liegen, wie z. B. in der Nachkommensrate, der Sterberate oder der Ein und Auswanderung einzelner Individuen.
A1 $ Untersuchen Sie auf dem Schulhof während der Pause in einem festgelegten Raster die Anzahl der verschiedenen Individuen und ordnen Sie sie begründet einem Disperionstypus zu.
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200 Ökologie
Jährlich gibt es in Deutschland mehrere Hundert Waldbrände. Der größte Teil ist auf menschliche Einflüsse zurückzuführen. Selten sind Blitzeinschläge verantwortlich. Bereits nach zwei Jahren sind die Flächen wieder stark besiedelt.
NeubesiedlungDurch einen Waldbrand werden viele Samen des Bodens zerstört. Sameneintrag von außerhalb spielt bei der Sekundärbesiedlung eines Waldes häufig eine große Rolle. Aus diesem Grund unterscheidet sich die Pioniervegetation meist von der ursprünglichen Waldvegetation. Als eine der ersten Pflanzen nach einem Brand findet man das Waldweidenröschen. Wie alle Pionierarten kann sich das Waldweidenröschen schnell ausbreiten. Eine einzige Pflanze produziert in Kapseln mehrere 10 000 Samen, die aufgrund kleiner Härchen gut vom Wind verbreitet werden können. Zudem kann sich die Pflanze vegetativ über die Wurzeln ausbreiten.
Die starke Ausbreitung ist aber nur von kurzer Dauer. Im weiteren Verlauf dominieren konkurrenzstärkere, langsamer wachsende Sträucher und Bäume, die den Boden beschatten.
NachkommenanzahlOrganismenarten, die ihre Biomasse überwiegend in Fortpflanzungsprodukte investieren, die deshalb viele Nachkommen haben, dafür aber weniger Energie in Dauerhaftigkeit investieren, bezeichnet man als rStrategen (engl. r = rate). Sie sind durch Kurzlebigkeit gekennzeichnet. Die
Sterblichkeit ist in jeder Altersphase hoch. Ihre Populationen weisen hohe Wachstumsraten auf und sie schwanken häufig. Dagegen gibt es Lebewesen, die ihre Biomasse in die Sicherung der eigenen Existenz investieren. Diese sind häufig konkurrenzstärker und langlebig. Die Populationsgröße solcher Arten bewegt sich nahe an der durch die Ressourcen begrenzten Kapazitätsgrenz K: sie werden deshalb KStrategen genannt. Die einem Lebewesen zur Verfügung stehende Energie ist begrenzt. Sie wird artspezifisch unterschiedlich investiert. Die optimale Strategie zum Überleben von Populationen hängt wesentlich von der Konstanz der Lebensbedingungen ab. So beherbergt ein See mit seinen gleichbleibenden Lebensbedingungen überwiegend KStrategen wie Fische. Eine Pfütze dagegen existiert nur kurze Zeit; sie wird von rStrategen wie Einzellern und Wasserflöhen besiedelt.
K- und r-Lebenszyklusstrategie
1 WaldnachBrand 2 Neubesiedelung2JahrenachWaldbrand
3 Merkmalevonr-undK-Strategen
r-Strategie K-Strategie
Lebensdauer kurz lang
Zeit bis zur ersten Reproduktion
kurz lang
Zahl der Nachkommen viele wenige
Elterliche Fürsorge keine häufig sehr ausgeprägt
Entwicklung schnell langsam
Masse gering hoch
Sterblichkeitsrate hoch niedrig
Umweltbedingungen wechselhaft konstant
Populationsgröße variabel < K nahe bei K
Waldweidenröschen
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215
tungsintensitäten einen höheren Kohlen-stoffdioxid-Gewinn für die Glucosesynthe-se erzielen als Sonnenpflanzen. Dies wird durch den unterschiedlichen Blattaufbau ermöglicht: Blätter von Schattenpflanzen haben ein großes Schwammgewebe. Das Palisadengewebe der Schattenblätter ist einschichtig und besteht aus Zellen mit einer niedrigeren Chloroplastenanzahl. Die Sonnenblätter haben hingegen viele Palisadenzellen. Beinahe sämtliche Zellen im Blattgewebe sind als Palisadengewebe ausgebildet. Blätter von Sonnenpflanzen haben eine große Menge an Proteinen im Calvinzyklus für die Synthesereaktion. Sie haben jedoch kleinere Lichtsammelkom-plexe pro Fotosynthesesystem. Die Anzahl der Granastapel in den Chloroplasten ist bei den Schattenpflanzen stärker ausge-prägt als bei den Sonnenpflanzen und der Lichtkompensationspunkt ist geringer, bei dem sie noch eine Kohlenstoffdioxid aufnehmen können.
A1 $ BeschreibenSieAbb.2underläuternSie,weshalbaufWaldlichtungenstick-stoffliebendePflanzenverstärktauftreten.
A2 $ BeschreibenSieAbb.5underläuternSiedieMesswerteimJahresverlauf.
A3 0 ErstellenSieeineTabelleundgebenSiedieUnterschiedezwischenSonnenpflan-zenundSchattenpflanzenan.
Pflanzenteilen speichern sie energiereiche Reservestoffe für das nächste Frühjahr. Zu den Frühblühern gehören z. B. das Busch-windröschen oder der Bärlauch.
Energiespeicher für Frühblüher Buschwindröschen sind krautige Pflan-zen die bis zu 25 cm groß werden und im Frühsommer bereits absterben. Sie besit-zen ein unterirdische Speicher- und Über-dauerungsorgan, das Rhizom (Abb. 4). An diesem sitzen Überdauerungsknospen die im Frühjahr zur neuen Pflanze auswach-sen. Der Bärlauch ist eine Zwiebelpflanze. In der Zwiebel werden ähnlich wie im Rhizom die Reservestoffe für das nächste Jahr gespeichert. Auch beim Bärlauch sterben die oberirdischen Pflanzenteile bereits im Frühsommer ab. Während der lichtreichen Zeit im Wald betreiben die Frühblüher intensiv Fotosynthese. Ein Teil der Fotosyntheseprodukte wird als Spei-cherstoffe in den Rhizomen und Zwiebeln gespeichert.
Licht- und Schattenpflanzen Laubblätter sind für die optimale Licht-absorption gut angepasst. Die linsenför-migen Epidermiszellen fokussieren das Licht auf die darunterliegenden Palisa-den- oder Schwammgewebezellen. Das nicht absorbierte Licht wird an den Zellen des Schwammgewebes gestreut und hat durch den verlängerten Lichtweg eine verbesserte Absorption. Schattenpflanzen können schon bei niedrigeren Belich-
4 Buschwindröschen—Rhizom
Rhizom
Bärlauch
S161045455_G184_02Ingrid Schobel
40Bestrahlungsintensität (ly/Tag)
150
150
200
200
250
250
300
300
350
350
400
400
450
450
35
30
25
20
15
50 50
100
10
5
0Winter Frühling Sommer Herbst Winter
Höh
e üb
er d
em W
aldb
oden
(in
m)
5 BestrahlungsintensitätinverschiedenenHöhen
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214 Ökologie
Licht ist nicht nur als Energiequelle bei der Fotosynthese ein entscheidender Faktor, sondern z. B. auch als abiotischer Faktor bei der Erwärmung in Ökosyste-men oder bei der Steuerung der Jahres-rhythmik.
Waldlichtungen Die meisten einheimischen Wälder sind in eine Baum-, Strauch- und Krautschicht unterteilt, die jeweils durch unterschied-liche Lichtverhältnisse charakterisiert ist. Zusätzlich findet man in einem Wald Lichtungen, die durch das Absterben von Bäumen oder Windbruch entstanden sind. Die erhöhte Lichtintensität in den Wald-lichtungen führt zu einer Erwärmung des Bodens. Die Aktivität von Bodenorganis-
men ist abhängig von der Temperatur des Bodens. Bei dem Abbau der abgestorbenen organischen Substanz auf dem Waldboden, dem Humus werden Stickstoffverbindun- gen freigesetzt. Diese führen zu einem verstärkten Wachstum Stickstoff lieben- der Pflanzen. Häufig auftretende Pflanzen in den Lichtungen sind entsprechend Stickstoff liebender Kräuter wie z. B. das schmalblättrige Weidenröschen (Abb. 1) oder der rote Fingerhut.
Frühblüher Der jahreszeitliche Klimarhythmus be-dingt in den Laubwäldern Mitteleuropas eine typische Abfolge unterschiedlicher Lichtverhältnisse. Im Frühjahr beginnt die Belaubung, die im Herbst endet. Diese Ver-änderung der Belaubung in den einzelnen Schichten des Waldes führt im Jahresver-lauf zu unterschiedlichen Lichtwerten in den verschiedenen Schichten und am Waldboden (Abb. 5). Die Belichtungsinten-sitäten sind in Langley angegeben. 1 Ly entspricht 11,6 kWh/mm2. Im Frühjahr ist mit 50 Ly ein Teil der Belichtung bis zum Waldboden messbar. Dieser Wert sinkt schnell mit der zunehmenden Laubent-wicklung in den Baumkronen und ist nur noch in anderen Höhen messbar. Bereits im Vorfrühling vor der Blattentfaltung der Bäume blühen in der Krautschicht die Frühblüher. Im Sommer findet man hauptsächlich noch Schattenpflanzen, die oberirdischen Pflanzenteile der Früh-blüher sterben ab. In den unterirdischen
Licht und Schatten im Wald
S161045455_G214_02Ingrid Schobel
((Was bedeutet die Kurve?? Sollte evtl. noch benannt werden, oder??))
5 °C 8 °C 10 °C 20 °CBodentemperatur
4 Wochen
3 Wochen
2 Wochen
1 Woche
Um
wan
dlun
gsze
it v
on H
umus
(rel
. Wer
te)
1 SchmalblättrigesWeidenröschen 2 ZersetzungvonHumus
3 Frühblüher(Buschwindröschen)imWald
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263
2Wechselbeziehungen
Die Waldkiefer wächst an vielen Stand-orten und ist eine der meist verbreiteten Baumarten Deutschlands. Der Grund liegt darin, dass sie tolerant gegenüber vielen Böden und Klimaten ist. Mit ihrer Pfahlwurzel dringt sie zu tiefer liegenden Wasserschichten vor.
A3 $ Beschreiben Sie vergleichend die Häufigkeitsverteilung der Waldkiefer in Abhängigkeit vom Faktor Boden-feuchte in Versuchsbeeten und an natürlichen Standorten nach Abb. 7 und Abb. 8.
A4 $ Erklären Sie mit Bezug auf die Abbildungen die Begriffe ökologische Toleranz und ökologische Potenz und deuten Sie die Befunde unter diesen Aspekten.
3Laubwald
In unseren Breiten hat der Laubwald zu jeder Jahreszeit ein anderes Gesicht. Der Ökologe bezeichnet das jeweilige Erschei-nungsbild der Biozönose als deren Aspekt.
7 Waldkiefer
12 Blütenzeitdiagramm in krautreichen Rotbuchenwald
8 Häufigkeit im Versuchsbeet
10 Jahresgang im Buchenwald
9 Häufigkeit am natürlichen Standort
11 Waldmeister
A5 0 Beschreiben Sie den Frühjahrs-, Sommer- und Herbstaspekt im Buchenwald.
A6 $ Erläutern Sie mögliche Zusammen- hänge der dargestellten abiotischen und biotischen Faktoren im Jahreslauf.
Scharbockskraut
Buschwindröschen
Goldstern
Hohler Lerchensporn
Wald-Bingelkraut
Waldmeister
Bärlauch
Einblütiges Perlgras
Waldziest
Gewöhnliches Hexenkraut
Erklärung: Auftreten der Pflanze Blütezeit
JAN FEB MRZ APR MAI JUN JUL AUG SEP OKT NOV DEZ
trocken frisch feucht feucht-nass nass0
50
100
rela
tive
Häu
figk
eit
in %
Jahreslauf
Lichtintensität Kronenschicht
Lichtintensität Krautschicht
CO2-Assimilation der Sonnenblätter
Laub-fall
Laubent-faltung
J F M A M J J A S O N D
Jahresgang der Lichtintensität im Buchenwaldund CO2-Assimilation der Sonnenblätter
0
100
50
rela
tive
Ein
heit
en in
%
trocken frisch feucht feucht-nass nass0
50
100re
lati
ve H
äufi
gkei
t in
%
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262 Ökologie
1Wechselbeziehungen
Der Wissenschaftler Timothy Wootton führte Experimente in der Gezeitenzone an der Nordwestküste der USA durch. Mit-hilfe von 10 m2 großen Drahtnetzen hielt er Beringsmöven und Braunmantel-Austern-fischer aus den Gebieten fern, in denen er Veränderungen in der Zusammenset-zung der Schneckenarten im Felsenwatt untersuchen wollte. In den untersuchten Gebieten findet man auf dem felsigen Untergrund verschiedene Napfschnecken-arten, wie Lottia pelta, Lottia strigatella, Lottia digitalis sowie große Flächen mit En-tenmuscheln und Miesmuscheln. Auf dem Untergrund wachsen zudem verschiedene festsitzende Algenarten.
Viele Untersuchungen zur Veränderung der Individuenzahl in diesen Gebieten zeigten folgende Zusammenhänge:1. Die beiden oben genannten Vogelarten
ernähren sich hauptsächlich von Enten-muscheln und Lottia pelta.
2. Miesmuscheln bilden auf freien Flächen große zusammenhängende Muschel-bänke.
3. Lottia digitalis hält sich hauptsächlich auf Entenmuscheln auf.
4. Napfschnecken weiden Algen.5. Lottia pelta lebt auf Miesmuscheln.6. Lottia strigatella lebt in einer starken
Konkurrenzsituation zu den beiden anderen Arten.
7. Muscheln filtrieren kleine Algen und frei schwimmende Nährstoffe.
A1 $ Erklären Sie anhand der Daten in der Abbildung 5 die Veränderungen, die durch das Fernhalten der Berings-möwen und Braunmantel-Austern- fischer zustande kommen.
A2 . Erörtern Sie, weshalb während des Experimentes die Anzahl von Lottia pelta nicht zunimmt, obwohl sie von den Seevögeln als Beute bevorzugt werden. Benutzen Sie hierzu auch die untersuchten Zusammenhänge (1—7) zwischen den einzelnen Lebewesen.
ÜbungenÖkologie
1 Entenmuscheln
2 Austernfischer
3 Napfschnecken 4 Festsitzende Alge
5 Miesmuschel
6 Felswattbiozönose
L. digitalis
Vögel anwesend Vögel abwesend
400
200
0
Anz
ahl d
er N
apfs
chne
cken
pro
m2
L. pelta L. strigatella L. digitalis L. pelta L. strigatella
Entenmuscheln
75
0
25
50
Bed
ecku
ngin
%B
edec
kung
in %
Miesmuscheln Entenmuscheln Miesmuscheln
8
4
0festsitzende Algenarten festsitzende Algenarten
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