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Bayerische Landesausstellung 2011 GÖTTERDÄMMERUNG – KÖNIG LUDWIG II. UND SEINE ZEIT Neues Schloss Herrenchiemsee 14. Mai – 16. Oktober 2011

Ludwig II. – ein König im 19. Jahrhundert

Unterrichtseinheit im Fach Geschichte (ab 8./9. Jahrgangsstufe) Kurzinformation Themen Ludwig II. als König im 19. Jahrhundert, Mythos Ludwig II. Zielgruppe Sek. I ab 8. Jahrgangsstufe, Sek. II Zeitraum variabel – mindestens zwei Unterrichtsstunden plus Besuch der

Bayerischen Landesausstellung auf Herrenchiemsee Didaktisch-methodischer Kommentar Die Unterrichtseinheit dient als Vor- und Nachbereitung des Besuchs der Bayerischen Landesausstellung. Sie kann eingebettet werden in eine Sequenz zur Geschichte des 19. Jahrhunderts (Einigungskriege und Reichsgründung, Gesellschaft im 19. Jahrhundert, technische Entwicklungen im 19. Jahrhundert). Im Rahmen der Vorbereitung des Ausstellungsbesuchs beschäftigen sich die Schüler mit Ludwig II. und seiner Zeit. Es wird ein kritischer Blick auf einen König in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geworfen, dessen Wünsche und Vorstellungen an der Realität scheiterten. Beim Ausstellungsbesuch werden diese Themen vertieft. Das persönliche Schicksal König Ludwigs II. wird nachvollziehbar und durch die Objekte und Inszenierungen lebendig. Die Ausstellung wird gleichzeitig aber auch als Inszenierung von Geschichte erfahrbar und zeigt, wie die Sicht auf Ludwig II. von der jeweiligen Perspektive abhängt. In der Nachbereitung stehen die Rezeption der Figur Ludwig II. und der Mythos im Mittelpunkt. Lernziele

• Die Schülerinnen und Schüler setzen sich mit dem populärsten bayerischen König auseinander.

• Sie ordnen ihn in den historischen Kontext des 19. Jahrhunderts ein. • Sie untersuchen Wirkungsbereiche Ludwigs II. aus verschiedenen Blickwinkeln. • Sie vertiefen ihre Eindrücke und sammeln weitere Informationen beim Besuch der

Bayerischen Landesausstellung. • Sie erleben die Präsentation von Geschichte durch das Medium Ausstellung. • Sie untersuchen den Mythos Ludwig II. und erkennen, dass sich bei der Mythologisierung

die Figur von ihrem historischen Kontext löst.

Übersicht über die Unterrichtseinheit

Verlaufsplanung der Unterrichtsstunden

Material

Literaturhinweise

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Bayerische Landesausstellung 2011 GÖTTERDÄMMERUNG – KÖNIG LUDWIG II. UND SEINE ZEIT Neues Schloss Herrenchiemsee 14. Mai – 16. Oktober 2011

König Ludwig II. und seine Zeit Übersicht über die Unterrichtseinheit

VORBEREITUNG AUSSTELLUNGSBESUCH NACHBEREITUNG

1./2. Unterrichtsstunde

Vorwissen zu Ludwig II.

Wiederholung geschichtlicher Eckdaten

(Aktivierung von Vor- und Grundwissen)

Gruppenarbeit Leitfragen:

Welche Rolle spielte Ludwig II. bei den großen Umbrüchen seiner Zeit?

Welche Spielräume hatte Ludwig II. als König in Bayern im 19. Jahrhundert?

Wie erfüllte Ludwig II. die Erwartungen, die an einen Monarchen im 19. Jahrhundert gestellt wurden.

Bewertung Ludwigs II. als König im 19. Jahrhundert

Zusammentragen der Ergebnisse, Erstellung des TA

Faszination Ludwig II.

Sammlung von Fragen für den Ausstellungsbesuch.

Führung (60-70 Minuten) Ausstellung in 5 Abteilungen:

1. Wie Ludwig König wurde 2. Wie der König Krieg führen

musste und einen Kaiser über sich gesetzt bekam

3. Wie Ludwig seine Gegenwelten schuf

4. Wie Ludwigs Königreich modern wurde

5. Wie Ludwig starb und ein Mythos wurde

Alternative: Programm mit dem Schüleraudioguide (ca. 90 Minuten) (s. dazu die Informationen auf der Homepage) 1. Einführung in das Leben Ludwigs II. und seine Zeit 2. Selbstständige Erschließung der Ausstellung in Kleingruppen mit dem Schüleraudioguide. 3. Auswertung und Diskussion der Ergebnisse nach dem Rundgang.

3. Unterrichtsstunde

Auswertung des Ausstellungsbesuchs. Bewertung Ludwigs II. aus verschiedenen Perspektiven Herausarbeiten der Facetten des Mythos Ludwig II.

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Stunde 1 - 2: Vorbereitung des Ausstellungsbesuchs Unterrichtsschritt Lerninhalt / Lernziel Sozial- /

Aktionsform Medien / Materialien

Einstieg

Wer kennt diesen Mann? Zunächst wird nur die Silhouette Ludwigs II. gezeigt. Vermutlich erkennen bereits jetzt einige der Schüler das Bild des berühmtesten bayerischen Königs. Vorwissen wird an der Tafel gesammelt. Zu erwarten sind die Namen der Schlösser, besonders Neuschwanstein und das Rätseln um den Tod. Evtl. wird vom „Märchenkönig“ gesprochen, den „Traumschlössern“, nächtlichen Schlittenfahrten und einem rätselhaften Lebenswandel. Schon hier kann deutlich werden, dass die Figur Ludwig II. durch die Mythenbildung losgelöst steht von ihrem historischen Kontext.

LSG Folie:

Gemälde von Ferdinand von Piloty d.J.: König Ludwig II. von Bayern, 1886

Wiederholung

(je nach Wissensstand der Schüler)

Die Regierungszeit Ludwigs II. fiel in eine Zeit der politischen und gesellschaftlichen Umbrüche. Durch die Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871 verlor Bayern seine Unabhängigkeit und wurde Teil eines neuen Nationalstaates. Zudem wurde Bayern zunehmend von der Industrialisierung erfasst. Ausbau der Verkehrsstrecken, vor allem der Eisenbahn, technische Erfindungen schufen für Bayern neue wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten. Dieser Wandel führte auch zu einer Veränderung in der Gesellschaft wie dem Aufstieg des Bürgertums, der Landflucht und Urbanisierung, oder der Entstehung der Arbeiterschaft.

Vor der Beschäftigung mit Ludwig II. sollten die wichtigsten geschichtlichen Ereignisse wiederholt werden. Dies kann mit Hilfe von Kartenarbeit stattfinden oder anhand eines zu erstellenden Zeitstrahl. So lassen sich später die Ergebnisse zu Ludwig II. in ihren Kontext einordnen.

TA / Plakate / Kurzreferate

Karten

Tabelle für die Erstellung eines Zeitstrahls

(Download bei Unterrichtsmaterial www.hdbg.de/ludwig/ ludwigii_lehrerinfos. php ) )

Erarbeitung Gruppenarbeit

In fünf Gruppen erarbeiten die Schüler verschiedene Themenbereiche, die für das Verständnis Ludwigs II. und seiner Rolle als König von Bayern von Interesse sind. Dabei werden die Vorstellungen Ludwigs II. und die Erwartungen seiner Zeitgenossen kritisch einander gegenübergestellt:

1. Ludwig II. zwischen absolutistischer und konstitutioneller Monarchie

2. Die Rolle des Königs bei der Gründung des Deutschen Kaiserreichs

3. Ludwig II. und Richard Wagner

4. Ludwig II. und die Erwartungen der Öffentlichkeit an den Monarchen

5. Die Schlösser Ludwigs II.

Leitfragen

Welche Rolle spielte König Ludwig II. angesichts der großen Umbrüche seiner Zeit? Welche Stellung nahm er in der Verfassung des Königsreichs Bayern ein? Welche Spielräume hatte er? Und wie erfüllte er die Erwartungen, die an ihn gestellt wurden?

Arbeitsblätter 1-5

Auswertung

Erstellung des Tafelbilds Bewertung Ludwigs II. und Ausblick auf sein weiteres Schicksal

TA

LSG

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Entwicklungen von Fragestellungen

Poltisch und persönlich scheint Ludwig II. gescheitert. Seine rückwärtsgewandte Vorstellung einer absolutistischen Herrschaft und die zukunftgerichtete Utopie eines Kunstkönigtums ließen sich nur mehr als große Illusion in den Schlossbauten umsetzen, in die er sich zunehmend zurückzog. Der Fall dieser Figur scheint tief. Vom jungen, schönen und vielbewunderten König zum einsamen, unverstandenen, kranken Monarchen. Doch betrachtet man die große Wirkung und Faszination, die von dem bayerischen König bis heute ausgeht, stellt sich die Frage, welche Perspektiven der Bewertung es noch gibt. Die Schüler formulieren Themen- und Fragestellungen, die sie in die Ausstellung mitnehmen: Worin besteht die große Faszination Ludwigs II.?

Rechercheauftrag für zuhause und in der Ausstellung

(In der Ausstellung gibt es in jeder Abteilung eine Mythos-Station).

Die Schüler suchen Formen der Rezeption von Ludwig II.

Die Ergebnisse sollen in der Stunde nach dem Ausstellungsbesuch präsentiert werden.

Gruppen:

- Verfilmungen

- Literarische Werke bzw. Schriftsteller, die sich mit Ludwig II. beschäftigt haben

- Gemälde bzw. Künstler, die sich mit Ludwig II. beschäftigt haben

- Werbeartikel, die Ludwig II. zeigen

- Orte, an denen das Porträt Ludwigs II. zu sehen ist

Ausstellungsbesuch: Neues Schloss Herrenchiemsee Stunde 3: Nachbereitung des Ausstellungsbesuchs Unterrichtsschritt Lerninhalt / Lernziel Sozial- /

Aktionsform Medien / Materialien

Einstieg Foto-Postkarten von Ludwig II. zu verschiedenen Lebensphasen werden ausgelegt. Fotografie als neues Medium der Repräsentation des Herrschers. Welche Bilder Ludwigs II. werden gezeigt, welche Erwartungen an den Kronprinz / den König kommen zum Ausdruck?

Die Schüler wählen sich ein Bild aus, das für sie einen wesentlichen Aspekt ausdrückt oder verschweigt. Sie stellen ihre Karte vor und begründen ihre Wahl.

Dabei kann auch der Ausstellungsbesuch reflektiert werden:

Was haben die Schüler über dieses offizielle Bild hinaus in der Ausstellung erfahren?

Welche Vorstellung von Ludwig II. hat die Ausstellung vermittelt?

Welche Mittel wurden dabei eingesetzt?

Inwiefern ist auch die Ausstellung eine Inszenierung von Geschichte?

Bildvorlagen

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Erarbeitung

Formen der Rezeption von Ludwig II.

Eine weitere Auswahl von historischen Postkarten zeigt verschiedene Überformungen derselben Porträts Ludwigs II. Motive und Themen lassen sich analysieren.

Die Schüler präsentieren anschließend ihre Ergebnisse zum Rechercheauftrag (Verfilmungen, literarische Werke, Werbeartikel, usw.)

Zahlreiche Filme wurden über das Leben des bayerischen Königs gedreht, Künstler wie Andy Warhol, Richard Lindner, Salvador Dali und Schriftsteller wie Paul Verlaine, Karl May, Thomas und Klaus Mann beschäftigten sich mit der Figur. Selbst ein japanischer Manga widmet sich dem Bayernkönig. Sein Porträt findet sich in vielen bayerischen Gasthäusern, auf Postkarten, Souvenirs. Millionen von Menschen besuchen jährlich die Schlösser Ludwigs II. Auch die Werbung setzt ihn für unterschiedlichste Produkte ein, ob Bier oder andere Nahrungsmittel, Immobilienfirmen oder Lifestyle-Artikel.

LSG

Präsentation der Schüler

Bildvorlagen, Film- Literaturliste, Besucherstatistik der Ludwig-Schlösser

(Download bei Unterrichtsmaterial „Mythos Ludwig II.“ www.hdbg.de/ludwig/ ludwigii_lehrerinfos. php )

Auswertung Gemeinsam wird verglichen, welche unterschiedlichen Interpretationen der Figur vorgenommen wurden.

Ludwig II. wird in der Erinnerung zum letzten „wahren“ König Bayerns, zum Stellvertreter bayerischer Unabhängigkeit, zum Werbeschild für den Tourismus, zum Künstlerkönig, der Illusions-Welten schuf, zum Filmkönig, dessen Leben auch 2011 wieder neu verfilmt werden soll, zum Naturschützer, der die Berge liebte und dessen Kauf die Insel Herrenwörth vor dem Abholzen bewahrte, zum Pop-König oder einer Ikone der Homosexuellenbewegung.

Wie ist diese Vielfalt der Figur zu erklären?

Wie nur wenige Figuren eignet sich Ludwig II. als Projektionsfläche für sehr unterschiedliche, teilweise sogar widersprüchliche Ansichten und Beurteilungen. Je nach Standpunkt wird seine Geschichte vom historischen Gesamtkontext gelöst und auf wenige Facetten und Bilder reduziert.

Dabei spielen immer wiederkehrende Elemente eine Rolle: Glamour, jugendliche Schönheit, ein kometenhafter Aufstieg und der plötzliche, rätselhafte Tod.

LSG

Ausblick Starkult und Mythenbildung Die Moderne ist gekennzeichnet durch Starkult und Mythenbildung. Parallelen können gezogen werden zu Prominenten des 20. Jahrhunderts, beispielsweise zu Marilyn Monroe, Elvis Presley, Lady Di oder für die Schüler sicherlich noch präsent: Michael Jackson Die Schlagzeilen zu den Todesfällen zeigen auch, wie sehr sich die Erzählmuster gleichen.

Zeitungsseiten

(Download bei Unterrichtsmaterial „Mythos Ludwig II.“ www.hdbg.de/ludwig/ ludwigii_lehrerinfos. php )

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Folienvorlage: nach Ferdinand Piloty d. J.: König Ludwig II. von Bayern, 1886

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Gruppe

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Bayerische Landesausstellung 2011 GÖTTERDÄMMERUNG. LUDWIG II. UND SEINE ZEIT Schloss Herrenchiemsee 14. Mai – 16. Oktober 2011

Ludwig II. zwischen absoluter und konstitutioneller Monarchie M1 Die Auffassung Ludwigs II. vom Königtum a) Ludwig II., gerade einmal 18 Jahre alt, trat seine Regierung mit den besten Vorsätzen an. In einem Brief an seine ehemalige Erzieherin Frau von Leonrod schrieb er am 17. März 1864:

„Der liebe Gott wird mir […] sicher seinen Beistand in meinem schweren Berufe nicht versagen; ich bringe ein Herz mit auf den Thron, das in väterlicher Liebe für sein Volk schlägt, für seine Wohlfahrt erglüht; - davon können alle Bayern überzeugt sein! Was immer in meinen Kräften steht, will ich tun, um mein Volk zu beglücken; sein Wohl, sein Friede seien allein die Bedingnisse zu meinem eigenen Heil und Frieden!“ [zit. nach Hacker, Rupert: Ludwig II. von Bayern in Augenzeugenberichten, 2. Aufl., München 1980, S. 45]

b) Fünf Jahre später schrieb er am 30. August 1869 über seine Auffassung von Herrschaft:

„Er [der König] hat seine Krone von Gott und muss in seinem Handeln ganz uneingeschränkt sein. Ihm soll nicht bloß die exekutive Gewalt, sondern auch die legislative zukommen. [...] Je umfangreicher die Macht des Königs ist, desto mehr ist er im Stande, zum Wohle seines Volkes zu wirken.“ [zit. nach Botzenhart, Christof: „Ein Schattenkönig ohne Macht will ich nicht sein“. Die Regierungstätigkeit König Ludwigs II. von Bayern, München 2004, S. 52]

M2 Die Verfassung von 1818 Die Grundlage für die Herrschaft bildete die Verfassung für das Königreich Bayern von 1818.

Titel II . Von dem Könige und der Thronfolge § 1 Der König ist das Oberhaupt des Staates, vereinigt in sich alle Rechte der Staatsgewalt und übt sie unter den von Ihm gegebenen in der gegenwärtigen Verfassungs-Urkunde festgesetzten Bestimmungen aus. Seine Person ist heilig und unverletzlich. Folgenden Eid musste der König nach Titel X, § 1 zu Beginn seiner Herrschaft schwören: „Ich schwöre nach der Verfassung und den Gesetzen des Reiches zu regieren, so wahr mir Gott helfe und sein heiliges Evangelium.“

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M 3 Die Einstellung Ludwigs II. zum Parlamentarismus

„Wenn es wirklich so kommen wird, wie es den Anschein hat, dass das Volk beständig in das sich mischt, was meines Königlichen Amtes ist, so danke ich jedenfalls ab; sorgen Sie dafür, dass das bekannt werde. Die Krone soll für das Volkes Heil sorgen, nicht aber ihre geheiligten Rechte mit meuterischen, aller Unterwürfigkeit, allen Gehorsams baren Untertanen teilen [...]. Entweder herrsche Ich oder das Volk, zusammen tun wir nicht gut.“ [Schreiben Ludwigs II. an Kabinettsekretär Eisenhart, wohl Ende 1870, GHA KA 424, zit. nach: Botzenhart, Christof: „Ein Schattenkönig ohne Macht will ich nicht sein“. Die Regierungstätigkeit König Ludwigs II. von Bayern, München 2004, S. 101]

Aufgaben:

1. Fasse zusammen, welche Vorstellung von Herrschaft Ludwig II. in M 1 äußert. 2. Erarbeite aus M2, inwiefern die Wunschvorstellungen von König Ludwig II. eingeschränkt wurden. 3. Nimm mit Hilfe des Verfassungsschemas Stellung zu der Aussage in M 3, das Volk könne sich zu sehr

einmischen. Berücksichtige dafür auch das Wahlrecht und die Zusammensetzung des Landtags. 4. Überlege, inwiefern Ludwigs II. Einstellung, die in M3 deutlich wird, noch „zeitgemäß“ ist.

Berücksichtige dabei auch die liberalen Forderungen, die nach 1848 zu einer verstärkten Mitbe-stimmung von Volksvertretern geführt hatten.

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Bayerische Landesausstellung 2011 GÖTTERDÄMMERUNG. LUDWIG II. UND SEINE ZEIT Schloss Herrenchiemsee 14. Mai – 16. Oktober 2011

Die Rolle des bayerischen Königs bei der Gründung des Deutschen Kaiserreichs M1 Der Kaiserbrief Der Krieg gegen Frankreich 1870 hatte die deutsche Nationalbewegung neu entfacht. Otto von Bismarck, der preußische Ministerpräsident, nutzte die Stimmung, um den Zusammenschluss der süddeutschen Staaten mit dem norddeutschen Bund voranzutreiben. Der bayerische König sollte als zweitmächtigster der Bundesfürsten gewonnen werden, um dem preußischen König Wilhelm I. die Kaiserkrone anzubieten. Eine Initiative aus dem Parlament wie 1848 galt es zu vermeiden, war doch das Reich als ein Bund der Fürsten konzipiert. Bismarck setzte einen entsprechenden Briefentwurf auf, den Ludwig II. schließlich mit Änderungen des bayerischen Außenministers am 30. November abschrieb und unterzeichnete. Oberstallmeister Graf von Holnstein, der zwischen Bismarck und Ludwig II. verhandelt hatte, reiste in höchster Eile nach Versailles, wo der sogenannte „Kaiserbrief“ dem preußischen König übergeben wurde. Am 1. Januar trat die Verfassung des Deutschen Kaiserreichs in Kraft. Damit war der deutsche Nationalstaat begründet. M2 Brief von König Ludwig II. an seinen Bruder Otto, 25.11.1870 „Lieber Otto! […] Ich erlebte mittlerweile recht viel Trauriges! Selbst der bayerische, monarchische Bray [Otto Graf von Bray-Steinburg, bayerischer Außenminister und Ministerratsvorsitzender] beschwor mich […] so bald als möglich jenem König die deutsche Kaiserkrone anzubieten, da sonst die anderen Fürsten oder gar der Reichstag es tun würde. Könnte Bayern allein, frei vom Bunde stehen, dann wäre es gleichgültig, da dies aber geradezu eine politische Unmöglichkeit wäre, da Volk und Armee sich dagegen stemmen würden und die Krone mithin allen Halt im Lande verlöre, so ist es, so schauderhaft und entsetzlich es immerhin bleibt, ein Akt von politischer Klugheit, ja von Notwendigkeit im Interesse der Krone und des Landes, wenn der König von Bayern jenes Anerbieten stellt […].“ [Doeberl, Michael: Bayern und die Bismarcksche Reichsgründung, München 1925., S. 311 f.] Der Historiker Ludwig Hüttl schreibt: „Ludwig II. befand sich in Zugzwang […] und schwankte zwischen Wollen und Nichtwollen, Nachgiebigkeit und altem Familienstolz. […] In der Tat standen negative Auswirkungen zu befürchten, falls Bayern den Wünschen Bismarcks in der Kaiserfrage nicht nachkam. […] In der Tat gab es am Berliner Hof in der Umgebung Wilhelms und in militärischen Kreisen Stimmen, die mit Bayern nicht so rücksichtsvoll, wie Bismarck es tat, verfahren, sondern unumstößliche Tatsachen, wenn nötig, mit militärischem Nachdruck schaffen wollten.“ [Hüttl, Ludwig: Ludwig II.,König von Bayern, München 1986, S. 183] M3 Sonderrechte

Bismarck hatte im Vorfeld der Reichsgründung mit Bayern, Württemberg, Baden und Hessen getrennt verhandelt. Kein anderer Fürst erhielt so viele Sonderrechte wie Ludwig II. So betrieb Bayern eigene diplomatische Vertretungen im Ausland, das Oberkommando über das Heer wurde nur im Kriegsfall dem Kaiser unterstellt, und Bayern unterhielt eine eigene Post- und Bahnverwaltung. Bis heute ist die Frage umstritten, ob beim Kaiserbrief auch Bestechung im Spiel war. Der große Geldbedarf des Königs war Bismarck bekannt; sofortige Zusagen schien er aber nicht gemacht zu haben. Jedoch flossen später über Jahre bis zum Tod des Königs im Geheimen erhebliche Zahlungen aus dem so genannten Welfenfonds an Ludwig II.

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M4 Ein neues Königreich für Ludwig II. Nach 1871 hegte Ludwig II. immer wieder die Befürchtung, Bayern könnten noch mehr Rechte genommen werden. Er dachte daran, Bayern ganz zu verlassen und sich ein neues Königreich zu suchen. Wie ernst es Ludwig II. damit war, muss offen bleiben, doch 1874 wurde für die Kanarischen Inseln sogar eine Verfassung erarbeitet:

A. Fundamentalsätze der Verfassung für das Kanarische Inselreich I

Das Gesamtterritorium der Kanarischen Inseln, soweit König Ludwig II. von Bayern durch Kauf, Vertrag, Schenkung oder Erbschaft in den Besitz desselben gelangt, bildet einen souveränen, monarchischen Staat

nach den Bestimmungen gegenwärtiger Verfassung und führt den Namen … II

Seiner Beherrschungsform nach bildet dieses Inselreich eine Erbmonarchie.

III Der König dieses Reichs ist unbeschränkter Alleinherrscher. In Ihm als absoluten Monarchen ruht die Macht

über Leben und Eigentum seiner Untertanen. Aufgaben:

1. Fasse zusammen, welche Rolle der „Kaiserbrief“ bei der Reichsgründung spielte. Überlege, warum der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck so viel Wert darauf legte, dass der bayerische König Ludwig II. einen solchen Brief schrieb.

2. Vergleiche in M2, wie Ludwig II. tatsächlich der Gründung des Deutschen Kaiserreichs gegenüberstand und aus welchen Motiven er den Brief unterschrieb.

3. Bewerte mit Hilfe von M3 die Entscheidung Ludwigs II. den Kaiserbrief zu unterzeichnen. Überlege, ob es 1870/1871 eine realistische Alternative für Bayern zum Beitritt in das Deutsche Kaiserreich gegeben hätte.

4. Beschreibe die Postkarte von 1900 und formuliere ihre Aussage. Welche Rolle spielen die Sonderrechte für das Selbstverständnis Bayerns.

5. Arbeite aus M4 den herrschaftlichen Anspruch König Ludwigs II. heraus und nimm Stellung zu diesen

Postkarte um 1900

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Plänen. Überlege auch, ob diese Vorstellungen realistisch und zeitgemäß waren. Bayerische Landesausstellung 2011 GÖTTERDÄMMERUNG. LUDWIG II. UND SEINE ZEIT Schloss Herrenchiemsee 14. Mai – 16. Oktober 2011

König Ludwig II. und Richard Wagner M1 Die Verehrung Wagners Richard Wagner gehört heute zu den bekanntesten deutschen Komponisten. Seinen Erfolg hatte er vor allem der Förderung durch den bayerischen König Ludwig II. zu verdanken. Mit 15 Jahren hörte Kronprinz Ludwig zum ersten Mal Wagners Oper „Lohengrin“ und war begeistert. Mit 18 Jahren wurde Ludwig König und holte den 51jährigen Richard Wagner, der auf der Flucht vor seinen Gläubigern war, nach München. In einem Brief von 1864 schreibt Ludwig II.:

„Unbewußt waren Sie der einzige Quell meiner Freuden von meinem zarten Jünglingsalter an, mein Freund, der mir wie keiner zum Herzen sprach, mein bester Lehrer und Erzieher. – Ich will Ihnen alles nach Kräften vergelten!“ [zit. nach: Hacker, Rupert: Ludwig II. von Bayern in Augenzeugenberichten, 2. Aufl., München 1980, S. 65]

M2 Die Bedeutung der Kunst Der junge König war überzeugt, dass die Kunst, vor allem das Theater und die Oper, ein Schlüssel zur Verbesserung der Gesellschaft. In einem Brief an Wagner schreibt er am 8.11.1864:

„das Münchner Publikum durch Vorführung ernsterer bedeutenderer Werke, wie des Shakespeares, Calderon, Mozart, Gluck, Weber, in eine gehobene, gesammelte Stimmung zu versetzen, es nach und nach jenen gemeinen, frivolen Tendenzstücken entwöhnen zu helfen und es so vorzubereiten auf die Wunder Ihrer Werke und ihm das Verständniß zu erleichtern, in dem ich ihm zuerst Werke anderer bedeutender Männer vorführe, denn von dem Ernste der Kunst muß alles erfüllt werden.“ [zit. nach: Heißerer, Dirk: Ludwig II. Reinbek bei Hamburg 2003, S. 35]

und am 2. Mai 1865:

„Die Schranken der Gewohnheit müssen wir durchbrechen, die Gesetze der gemeinen, egoistischen Welt einstürzen, das Ideal wird und muß in das Leben treten!“ [Nägele, Verena: Parsifals Mission. Der Einfluss Richard Wagners auf Ludwig II. und seine Politik. Köln 1995, S. 91]

M3 Pläne für München

Die bayerische Hauptstadt München wollte Ludwig II. zu dem bedeutenden Zentrum des Theaterlebens machen. Er ließ Wagners Werke am Münchner Hof- und Nationaltheater aufführen – mit neuen Bühnenbildern, bedeutenden Schauspielern und Musikern, die in der Musikschule nach den Vorstellungen Wagners ausgebildet wurden. Für Wagners Festspiele plante der bayerische König noch einen weiteren Theaterbau in München. In den Isarauen hätte in der Vorstellung Ludwig II. das in seiner Zeit größte Theater Europas seinen Platz finden sollen.

Modell des geplanten Festspielhauses in München

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M4Die Wagner-Affäre, 1865 Wagner, der ein Revolutionär von 1848 war, versuchte, den König auch politisch zu beeinflussen. Als er Ludwig II. dazu bringen wollte, seine Minister zu entlassen, drohten diese dem König mit ihrem Rücktritt:

„Eure Majestät stehen an einem verhängnisvollen Scheidewege und haben zu wählen zwischen der Liebe und Verehrung ihres treuen Volkes und der Freundschaft Richard Wagners. Dieser Mann, der wagt, zu behaupten, die in Treue erprobten Männer im kgl. Kabinette genössen nicht die mindeste Achtung im bayerischen Volke, ist vielmehr seinerseits verachtet von allen Schichten des Volkes, […] nicht bloß der Adel und Klerus denkt so, sondern auch der ehrenwerte Bürgerstand und die Arbeiter, die im Schweiße ihres Angesichts mühsam ihr Brot erwerben, während arrogante Fremdlinge von kgl. Freigiebigkeit schwelgen und zum Danke dafür das bayerische Volk und seine Zustände schmähen und höhnen“. [Außenminister von der Pfordten am 1.12.1865 an Ludwig Ludwig II., zit. nach Petzet, Detta und Michael: Die Richard Wagner-Bühne König Ludwigs II. München 1970, S. 74]

Karikaturen dieser Art verschärften den öffentlichen Druck. Münchner Punsch, 10. Dezember 1865 Ein neuer Orpheus Der alte Orpheus setzte Felsbrocken in Bewegung, der neue lockte Metallstücke an. Und noch dazu nach einer unendlichen Melodie!

Wagner musste München schließlich verlassen. Mit der Unterstützung Ludwigs II. konnte das geplante Festspielhaus ab 1874 in Bayreuth realisiert werden. 1876 wurde es mit der Aufführung von „Der Ring des Nibelungen“ eingeweiht. Bis heute sind die jährlichen Festspiele in Bayreuth ein kulturelles und gesellschaftliches Ereignis. AUFGABEN:

1. Fasse zusammen, welche Bedeutung Richard Wagner für Kronprinz Ludwig hatte (M1). 2. Es heißt, Ludwig II. wollte ein „Königreich der Künste“ schaffen. Überlegt anhand von M2 und M3, was

damit gemeint war. Nimm Stellung, inwieweit die Vorstellung Ludwigs II. von der Wirkung der Kunst auf die Gesellschaft realistisch war.

3. Erarbeite aus M4, aus welchen Gründen die Öffentlichkeit so gegen den Komponisten des Königs aufgebracht war.

4. Nimm aus heutiger Sicht Stellung, ob bzw. inwiefern Ludwig II. mit seinen Idealen gescheitert ist.

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Ludwig II. und die Erwartungen der Öffentlichkeit an den Monarchen M 1 Die Rolle der Monarchen im 19. Jahrhundert „Sie repräsentierten die Staatspersönlichkeit des Königreichs Bayern. An ihrer Person hing die Loyalität der Staatsbürger. Sie stellten das integrative Potential dar, das den Zusammenhalt der Landesteile und sogar der gesellschaftlichen Gruppen garantierte. […] Die Monarchie verfügte über ein großes Instrumentarium von symbolischen Akten, Zeremonien und Formeln, die dazu dienten, die Rolle des Königs als Inhabers der Staatsgewalt im öffentlichen Bewusstsein zu erhalten: von der Thronrede bei der Eröffnung des Landtags bis zur Auffahrt der königlichen Familie beim Oktoberfest, von den Militärparaden und Manövern bis zu den Königsreisen durch das Land, von den Hofbällen bis zur Verleihung von Ehrenrängen und Orden für Verdienst aller Art. Der König, der sich diesen Aufgaben entzog, schwächte nicht nur seine eigene Stellung, sondern auch die Bedeutung der Dynastie.“ [Glaser, Hubert: Ludwig II. und Ludwig III. Kontraste und Kontinuitäten, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 59 (1996), 1-14] M 2 Öffentliche Auftritte 1864 wurde Ludwig II. überraschend König. Er war zu diesem Zeitpunkt 18 Jahre alt. Voller Eifer packte er seine neuen Aufgaben an, doch schon bald reduzierte Ludwig II. seine öffentlichen Auftritte und Audienzen. Die Zeitgenossin Luise von Kobell berichtet:

„Einer offiziellen Hoftafel oder einem Hofballe unterzog sich Ludwig II. meistens nur aus Pflicht, selten aus Vergnügen. War ihm ein Gast nicht sympathisch, so ließ er große Blumensträuße auf die Tafeln stellen, damit der Betreffende vor Rosen und Kamelien kaum zu sehen war. Besuche Allerhöchster Herrschaften, selbst wenn er sie verehrte und ihnen anhänglich war, suchte er abzuwenden.“

Im September 1865 schrieb Ludwig II. an seinen Freund Richard Wagner:

„Ach, wie nichtig ist die Welt! – Wie elend, wie gemein so viele Menschen! Ihr Leben dreht sich im engen Kreise der flachen Alltäglichkeit. – Ach, hätte ich die Welt hinter mir!“

„Hier verlebe ich unruhige Tage; ich werde am Sonntage auf einige Tage mich wieder hinaufflüchten in die heilige Ruhe der Natur, in die reine Luft der Berge; dort werde ich endlich wieder aufatmen können nach den Mühen bewegter Tage, lästiger Besuche; dort oben in wonniger Einsamkeit, auf Bergeshöhen, werde ich die mir so nötige Ruhe finden …“ [zit nach: Hacker, Rupert: Ludwig II. von Bayern in Augenzeugenberichten, 2. Aufl., München 1980, S. 219]

M 3 Die Verlobung Im Januar 1867 verlobte sich Ludwig II. mit seiner Großcousine Sophie, Herzogin von Bayern. Sie war die jüngere Schwester der österreichischen Kaiserin Elisabeth. Die Hochzeit wurde im Laufe des Jahres mehrfach verschoben. Am 7. Oktober 1867 löste Ludwig II. die Verlobung auf. In sein Tagebuch notiert er: „Sophie abgeschrieben. Das düstere Bild verweht; nach Freiheit verlange ich, nach Freiheit dürstet mich, nach Aufleben von qualvollem Alp.“ [zit nach: Hacker, Rupert: Ludwig II. von Bayern in Augenzeugenberichten, 2. Aufl., München 1980, S. 146]

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Über die Reaktion in München berichtete der österreichische Geschäftsträger Zwierzina nach Wien: „Seit heute früh […] ist die Nachricht in der Stadt ziemlich verbreitet und ruft eine ungewöhnliche Aufregung hervor; man findet das Ereignis als ein in der bayerischen Geschichte noch nicht dagewesenes unerhört; das Benehmen des Königs, schon lang streng beurteilt, unterliegt der bedauerlichsten Deutung, die Lage der Prinzessin begegnet allgemeiner inniger Teilnahme.“ [zit nach: Hacker, Rupert: Ludwig II. von Bayern in Augenzeugenberichten, 2. Aufl., München 1980, S. 147] Heute wird von den Historikern die Homosexualität Ludwigs II. kaum mehr angezweifelt. Zur Zeit Ludwigs galt sie allerdings als schwere Sünde und wurde von der Gesellschaft geächtet. Wie weit der König seine Neigungen auslebte, bleibt ein Streitthema. Sicher ist, dass er sich nach Liebe und Nähe sehnte, gleichzeitig aber große Schuldgefühle empfand. M 4 Das Bild in der Öffentlichkeit Seit 1875 war der König nicht mehr öffentlich aufgetreten. Er lebte zurückgezogen auf seinen Schlössern. Zwar unterzeichnete er noch gewissenhaft seine Akten, doch die ungewöhnliche Regierungsweise und die wachsende Schuldenkrise Ludwigs II. führte dazu, dass ab 1885 die Presse verstärkt berichtete. Aufgaben: 1. Fasse zusammen, welche Rolle einem Monarchen im 19. Jahrhundert zukam (M1). Überlege, welche

konkreten Erwartungen das Volk an den König stellte. 2. Erarbeite aus M2, wie sich das Verhalten Ludwigs II. entwickelte. 3. Erkläre, was zur Auflösung der Verlobung Ludwigs II. mit Sophie führte. Nimm Stellung zur Reaktion der

Öffentlichkeit. Berücksichtige dabei neben den persönlichen Motiven Ludwigs II. auch die öffentliche Erwartung an einen Monarchen.

4. Stelle aus M4 zusammen, worüber in den Zeitungsartikeln berichtet wurde und formuliere passende Schlagzeilen.

5. Beurteile das Verhalten des Königs einmal aus persönlicher, einmal aus politischer Perspektive (M1-M4). Überlege, inwiefern die Vernachlässigung der Repräsentation Ludwig II. gefährlich werden konnte.

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Gruppe

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Bayerische Landesausstellung 2011 GÖTTERDÄMMERUNG. LUDWIG II. UND SEINE ZEIT Schloss Herrenchiemsee 14. Mai – 16. Oktober 2011

Die Schlösser Ludwigs II. – Schaffung von Gegenwelten M 1 Neuschwanstein Linderhof Herrenchiemsee Ludwig II. in einem Brief an seinen Hofsekretär Düfflipp am 12. 01. 1869

„Gott gebe, dass recht bald das herrliche Unternehmen [Schloss Herrenchiemsee] begonnen werden kann, mir liegt sehr viel daran, ich habe hier leider den ganzen Tag nichts als Verdrießlichkeiten zu erleben. Deßhalb will ich mich durch Schaffung solcher Paradiese dafür entschädigen, wo mich kein Erdenleid erreichen soll.“ [zit. nach: Evers, Hans Gerhard: Ludwig II. von Bayern. Theaterfürst-König-Bauherr. Gedanken zum Selbstverständnis. München 1986, S. 221]

Ludwig II. zu seinen Plänen für Schloss Neuschwanstein in einem Brief an Richard Wagner am 13. 05.1868

„Ich habe die Absicht, die alte Burgruine Hohenschwangau bei der Pöllatschlucht neu aufbauen zu lassen im echten Styl der alten deutschen Ritterburgen […]; der Punkt ist einer der schönsten, die zu finden sind, heilig und unnahbar, ein würdiger Tempel für den göttlichen Freund [Wagner], durch den einzig Heil und wahrer Segen der Welt erblühte.“ [zit. nach: Evers, Hans Gerhard: Ludwig II. von Bayern. Theaterfürst-König-Bauherr. Gedanken zum Selbstverständnis. München 1986, S. 184]

Bei den Schlössern Linderhof und Herrenchiemsee knüpfte Ludwig II. an Vorbilder des französischen Hofs des 17. und 18. Jahrhunderts an. Das Schloss Versailles war das Vorbild für Ludwigs Schloss Herrenchiemsee. In einem Brief an Hofsekretär Düfflipp schrieb er am 17.12.1868:

„es soll gewissermaßen ein Tempel des Ruhmes werden, worin ich das Andenken an König Ludwig XIV feiern will; deßhalb dürfen diese Räume nicht kleinlich ausfallen, eine bloß scheinbare Größe […] reicht nicht aus, den Charakter der Herrlichkeit jener Epoche zu veranschaulichen;“ [zit. nach: Evers, Hans Gerhard: Ludwig II. von Bayern. Theaterfürst-König-Bauherr. Gedanken zum Selbstverständnis. München 1986, S. 219.

Zwei Tage vor seinem Tod verabschiedete sich Ludwig II. von seinem Schlossdiener Sticherl in Neuschwanstein:

„Sticherl, leben sie wohl, bewahren sie diese Räume als Heiligtum, lassen sie es nicht profanieren [verweltlichen] von Neugierigen, denn ich habe darin die bittersten Stunden meines Lebens durchgelebt.“ [zit. nach: Schweiggert, Alfons: Die letzten Tage im Leben von König Ludwig II., St. Ottilien, 2003, S. 96]

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Übrigens plante Ludwig II. weitere Schlossprojekte wie die Königsburg Falkenstein, einen byzantinischen und chinesischen Palast. Diese Vorhaben konnte er aber nicht mehr in die Realität umsetzen. M 2 Die Schuldenkrise Die Schlossbauten finanzierte Ludwig II. aus seiner Privatkasse. Ab 1885 forderte er aber auch von seinen Ministern und den Abgeordneten des Landtags, eine Lösung für die immer wachsenden Schulden zu finden. Nachdem sich Ludwig II. aber auf keine Sparpläne einließ, lehnten diese jede weitere Unterstützung ab.

„Passe recht auf und besorge es gut. Sprich eingehend mit Ziegler [Kabinettssekretär]. Sage ihm, daß die jetzigen Minister wegmüssen; sie haben sich bei Mir unmöglich gemacht [...] Sind die Kammern verstockt, dann auflösen, andere her und das Volk sehr bearbeiten schnell aber! […] Sage ihm, dass die Bauten die Hauptlebensfreude sind, dass ich, seit alles schändlich stockt, ganz unglücklich bin, an Abdanken, Selbsttödtung stets denke, dass der Zustand aufhören muß […].“ [Handschreiben von Ludwig II. an Marstallfourier Hesselschwerdt, 11. Mai 1886, zit. nach von Böhm, Gottfried: Ludwig II. König von Bayern. Sein Leben und seine Zeit, Berlin, 1924, S. 624ff.]

M 3 Die Schlösser als Gegenstand des ärztlichen Gutachtens über den Geisteszustand des Königs In einem ärztlichen Gutachten über den Geisteszustand Ludwigs II. von 1886 wurden schließlich Argumente gesammelt, um Ludwig II. für regierungsunfähig zu erklären. Zu den Schlössern heißt es:

„Die überwuchernde krankhafte Phantasie trat durch Erscheinungen zu Tage, wie … die auserlesene Pracht der Schlösser der beabsichtigten und ausgeführten Bauten, die überaus prunkvolle innere Einrichtung, die blaue Grotte von Capri, der Gedanke und Versuch der Herstellung einer Flugmaschine über den Alpsee, eines von Pfauen gezogenen Wagens, und jener seltsame Kultus, welcher mit verschiedenen Gegenständen getrieben wurde.“ [zit. nach Wöbking, Wilhelm: Der Tod König Ludwigs II. von Bayern. Eine Dokumentation, Rosenheim 1986.]

Aufgaben:

1. In seinen Schlössern sollten vergangene Herrschaftsformen und Sinnbilder „wahren Königtums“ wieder

lebendig werden, wie sie es im 19. Jahrhundert nicht mehr gab. Belege diese Aussage mit Hilfe von M1. 2. Schlossbauten dienten bis ins 19. Jahrhundert der Repräsentation. In der Regel waren sie ein Ort für

Hoffeste und Audienzen. Bisweilen konnte auch das Volk in ausgewählte Räume blicken oder im Schlossgarten spazieren gehen. Überlege, inwiefern Ludwigs II. Äußerungen im Widerspruch dazu stehen.

3. Zeige an M2, welchen Stellenwert die Schlösser in Ludwigs II. Leben einnahmen. Überlege, inwiefern

seine Privatschulden hier auch zu einer politischen Frage geworden sind. 4. Fasse zusammen, wie die Schlösserprojekte im ärztlichen Gutachten von 1886 beurteilt wurden (M3) und

nimm aus heutiger Sicht Stellung dazu.

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Tafelbild

Ludwig II. und seine Zeit

Wünsche / Vorstellungen Gottesgnadentum absolutistische Herrschaft souveränes Königreich Kunstkönigtum Verbesserung der Gesellschaft durch Kunst Persönliche Freiheit, Selbstbestimmung

Politische und gesellschaftliche Wirklichkeit König gebunden an Verfassung von 1818 Einschränkung der Herrschaft durch Volksvertretung, Ministerverantwortung 1871 Gründung des Deutschen Kaiserreichs Eingliederung Bayerns, allerdings Sonderrechte Förderung Richard Wagners, Scheitern der Pläne für München Erwartungen der Öffentlichkeit: Repräsentation, Interesse für Staatsgeschäfte, Sicherung der Dynastie durch Heirat

Rückzug aus der Öffentlichkeit Schlösser als Gegenwelten

Ab 1884/85 Königskrise: Schulden, öffentliche Kritik 1886 Entmachtung und Entmündigung des Königs

13. Juni 1886 überraschender Tod Ludwigs II.

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Hintergrundinformation zum Tafelbild Als Ludwig 1864 König wurde, waren die Hoffnungen und Erwartungen an den jungen, schönen König groß. Doch die Vorstellungen Ludwigs II. und die politischen und gesellschaftlichen Wirklichkeiten ließen sich schwer vereinbaren. Ludwig II. verklärte eine absolutistische Herrschaft, die es mit der Verfassung von 1818 und den weiteren Reformen seit 1848 so nicht mehr gab. So hatte der Landtag das Budgetrecht. Zwar waren die Minister vom Vertrauen des Königs abhängig, doch seit 1848 zeichneten sie jede Regierungsanordnung des Königs gegen, was ihnen mehr Mitsprache sicherte. Dass der König sich gegen die Politiker nur bedingt behaupten konnte, zeigt beispielsweise die Wagner-Affäre. Wollte Ludwig II. mit der Förderung Wagners München zu einer Kunstmetropole machen, musste Wagner schließlich auf Druck der Minister und der Öffentlichkeit München verlassen. Auch den Kriegen 1866 und 1870/71 konnte Ludwig II. sich nicht entziehen. Die Gründung des Deutschen Kaiserreichs, die mit der Aufgabe der Souveränität Bayerns einherging, empfand er als schwere Niederlage. Seit 1875 trat Ludwig II. nicht mehr öffentlich auf. Über die Jahre wandelte sich auch das Bild des Königs. Die Gewichtszunahme, der Ausfall der meisten seiner Zähne, starke Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit quälten ihn. Ludwig kommunizierte nur noch über Vertraute und Diener. Auch sonst schien seine Lebensweise immer rätselhafter. So stand der König erst abends gegen 20.00 Uhr auf und ging morgens um 05.00 Uhr wieder ins Bett. Doch die Regierungsgeschäfte erfüllte Ludwig gewissenhaft. Bis zuletzt las er Akten und leistete seine Unterschrift. Sein wichtigster Lebensinhalt war aber das Bauen. Die Schlösser spiegelten Vorstellungen von „wahrem“ Königtum wider (Neuschwanstein als mittelalterliche Ritterburg, Herrenchiemsee als Denkmal für Ludwig XIV. Geplant waren darüber hinaus mit Falkenstein eine Königsburg, sowie ein chinesisches und ein byzantinisches Schloss). Die Baustellen, aber auch Separatvorstellungen im Theater und Geschenke hatten Unsummen verschlungen. Am Ende war Ludwig II. hoch verschuldet. Für die einen war Ludwig II. ein Träumer und Idealist, für andere ein Monarch, der seine Pflichten vernachlässigte. Neben der Vernachlässigung der Repräsentationspflichten hatte Ludwig II. auch eine weitere wesentliche monarchische Pflicht nicht erfüllt: er heiratete nie und zeugte keinen Erbfolger. Seit 1885 wurden in der Presse zunehmend kritische Artikel veröffentlicht. Manche glaubten sogar an eine gezielte Kampagne, die die Entmachtung vorbereiten sollte. Der letzte Akt der Königstragödie begann im Jahre 1884. Die massive Verschuldung des Königs löste einen Prozess aus, der im Juni 1886 zu Ludwigs Entmündigung führte. In einem ärztlichen Gutachten wurde festgestellt, dass er regierungsunfähig sei. Sein Onkel Prinz Luitpold übernahm die Regentschaft. Ludwig wurde gefangen gesetzt und nach Schloss Berg am Starnberger See gebracht. Wenige Tage später, am 13. Juni 1886 ging er mit seinem Arzt, Professor von Gudden, am Ufer des Sees spazieren. Ab 20 Uhr wurden die beiden gesucht und schließlich tot im Starnberger See aufgefunden. Bis heute ist es nicht endgültig geklärt, ob Ludwig II. sich das Leben nahm und zuvor seinen Arzt umbrachte hatte oder ob es ein Unfall war. Manche sind auch davon überzeugt, dass Ludwig II. ermordet wurde.