Bunte Ausnahme bei den Brummis
Das Geschäft mit Lastwagen istfest in der Hand von Männern.Auf den Führungsebenen sind
Manager in dunklen Anzügen und Krawatten fast unter sich. Daniela Gerdtom Markotten ist eine bunte Ausnahme bei den Brummis. Die DaimlerManagerin mag die etwas hemdsärmeligenUmgangsformen in der LkwSparte, diestets gepaart seien mit großem Teamgeist. „Wenn ich mit LkwKollegen zutun hatte, war das immer sehr pragmatisch, nach dem Motto: Wir müsseneine Lösung finden. Das hat mir gut gefallen“, erzählt die Managerin. Nun sollsie für die LkwSparte den Weg in die digitale Zukunft frei machen und attraktive neue Geschäftschancen erschließen. Seit April vergangenenJahres leitet die ITExpertin in der TruckSparte den neuen Bereich Digital Solutions& Services.
Daniela Gerd tomMarkotten stammt aus Ostwestfalen und ist imLaufe ihres Studiums und ihrer Karriere viel in der Welt und in den verschiedenen Sparten des Stuttgarter Autokonzerns herumgekommen: Sie hat inKarlsruhe Wirtschaftsingenieur studiert, dort gemerkt, „dass mir Informatik sehr viel Spaß macht“, und in Freiburg promoviert. Während des Studiums verbrachte sie einAuslandssemester in Costa Rica, die Diplomarbeit schrieb sie bei einemdeutschchinesischen Joint Venture. Esging dabei um die Optimierung von Prozessen. „Da habe ich auch kulturell vielgelernt“, berichtet die 42jährige Managerin.
Als Trainee bei DaimlerChryslerarbeitete sie in Japan im Einkauf bei derdamaligen Konzerntochter MitsubishiMotors und in der Produktionsplanungbei Chrysler in Auburn Hills. Darauffolgten verschiedene ITProjekte anverschiedenen Standorten, ein Wechselins Marketing, wo der Internetauftrittvon Daimler entwickelt wurde.
Ab Ende 2014 leitete sie schließlichdas LkwAuftragszentrum in Wörth, wogeplant wird, wann welches Fahrzeug produziert werden muss, damit es derKunde genau dann bekommt, wenn eres braucht. Zu diesem Bereich gehörteauch die DaimlerTochter Fleetboard,
die telematikgestützte Internetdienste anbietet. „Ich hatte den Eindruck, dass man aus dieser Telematiklösung viel mehr machen könnte“, sagt die DaimlerManagerin.
So entstand schließlich der neueBereich Digital Solutions & Services. Fleetboard bildet mit heute etwa 250Mitarbeitern den Kern des neuen Bereichs. Fleetboard stellt Daten rund umFahrer, Fuhrpark und Auftragsabwicklung bereit, mit denen der Einsatz derLastwagen optimiert und die Kosten gesenkt werden können. Die neue Digitalchefin der TruckSparte hat nun damitbegonnen, ein Team von zunächst40 Mitarbeitern aufzubauen, das neuedigitale Dienstleistungen rund um den
Lkw entwickelt. Dievon Fleetboard gesammelten Daten sollendie Basis für neueS e r v i c e a n g e b o t esein. Im MercedesLkw seien 400 Sensoren verbaut, sagtGerd tom Markot
ten. Die Analyse der Datenströmekönne beispielsweise Hinweise darauf geben, dass ein Schaden droht.Mit einer kleinen vorsorglichen Wartung könne dann vermiedenwerden, dass der Lastwagen liegenbleibe und hohe Reparaturkosten fällig werden. Kostenvorteilebringe auch eine Internetplattform, über die Transporte vermittelt werden. Die Spedition könneso bei der Routenplanung Empfehlungen erhalten, wo zusätzliche Ladung aufgenommen werden kann. Zudem entwickeltDaimler einen App Store für Lkws.
So wurde etwa gemeinsam mitdem Kipperhersteller Dauteleine sogenannte SchüttkegelApp entwickelt, mit deren Hilfe der Fahrer schon vor dem Abladen über die Rückfahrkameraerkennen kann, wie viel Platz erfür sein Schüttgut benötigt. Dieserleichtert das Rangieren undmacht es überflüssig, dass etwa Kies anschließend umständlichmit Baumaschinen oder mit Schaufeln umgeschichtet werden muss. Daniela Gerd tomMarkotten hat ein ehrgeiziges
Ziel: „Wir wollen das Transport und Logistikgeschäft zusammen mit unseren Kunden revolutionieren.“ Anderssei die sich abzeichnende Marktentwicklung nicht zu bewältigen. Bis 2050werde sich der Transportmarkt verdreifachen. „Wir müssen effizienterwerden, um dieses Transportvolumenbewältigen zu können. Dafür ist die Digitalisierung der Schlüssel“, schwärmtdie DaimlerManagerin.
Ob aus dem Digitalbereich derTruckSparte in einigen Jahren einerichtige Tochtergesellschaft mit einigen Tausend Mitarbeitern werdenkann, lässt sie offen: „Schauen wir mal. Wir machen uns jetzt auf den Weg. Mit jeder neuen Idee werden wir wachsen“,meint die Digitalchefin. hap
Es tut sich was im Land
Es tut sich was im Land im Hinblick aufdie Rolle der Frauen im Berufsleben.Als Präsidentin des Statistischen Lan
desamts BadenWürttemberg kann Carmina Brenner das mit Zahlen untermauern:„Aus dem Mikrozensus wissen wir, dassheute rund 72 Prozent der Frauen erwerbstätig sind. 1991 lag die Quote bei knapp60 Prozent.“
Auch bei Frauen mit Kindern hat sichetwas bewegt. Aber: „Das Plus geht überwiegend auf den großen Zuwachs im Bereich Teilzeitarbeit zurück“, sagt Brenner.Teilzeitarbeit gilt nicht gerade als karrierefördernd. Laut Mikrozensus arbeiteten 2012 in BadenWürttemberg 48,8 Prozent der Frauen, aber nur zehnProzent der Männer nichtin Vollzeit.
Die frühere CDULandtagsabgeordnete aus demWahlkreis Freudenstadtund ehemalige Wirtschaftssprecherin derLandtagsfraktion ihrerPartei hat Positives zu vermelden: Die Qualifikation der erwerbstätigen Frauen wird immer besser. In der Altersgruppe der 30 bis unter 35Jährigenhaben 28,9 Prozent eine Hoch oder Fachhochschulreife. „Damit haben sie die Männer mit 28,4 Prozent überholt.“ Das gilt übrigens auch für die Meister oder Technikerausbildung.
Bei der Besetzung von Führungspositionen sind Frauen jedoch kaum vorangekommen. Sie stellen 28 Prozent derFührungskräfte in BadenWürttemberg.„In Deutschland insgesamt haben Frauen schon 30 Prozent erreicht.“
Aus den Verdiensterhebungen des Landesamts über 60 Branchen geht ferner hervor, dass Frauen über alle Altersgruppenhinweg im Durchschnitt 26 Prozent weniger verdienen als Männer. Das ändert sich
mit der besser werdenden Qualifikation der Frauen nicht zwangsläufig . „Die Branche bestimmt dasGehalt. Ebenso wie der Umfangder Beschäftigung und andere Faktoren der Erwerbsbiografie“,weiß Brenner. Frauen weisen da mehr Lücken auf, weil sie wegender Kindererziehung oft vorübergehend ausscheiden, häufiger alsMänner Elternzeit nehmen oderspäter Teilzeit arbeiten. „DieseJahre fehlen im Erwerbslebenund können kaum mehr aufgeholt werden“, sagt sie.Außerdem gibt es noch immer ty
pische Frauenund Männerberufe. „Den größten Frauenanteilmit 81 Prozentgab es 2015 nachdem Mikrozensus bei den medizinischen undnichtmedizini
schen Gesundheitsberufen.“ Und die sind schlechter bezahltals die meisten männerdominierten Branchen, weiß Brenner,die Betriebs und Volkswirtschaft sowie Germanistik in Tübingen und in den USA studiert hat. Trotz Girls’ Days und ähnlicher Aktionen „gibt esda unterm Strich wenig Veränderungen“.
Das zeigt sich auch bei den Selbstständigen. Der Anteil der Frauen, die in einemfreien Beruf arbeiten, wuchs zwischen2005 und 2015 von 28 auf 32 Prozent.Weibliche Gründer (ohne freie Berufe) sind„stark in allen Dienstleistungsbereichenund im Gesundheits und Sozialwesen vertreten“, stellt Brenner fest.
Nach Ansicht der gebürtigen Horberinist das Thema Beruf und Familie „eine
Daueraufgabe. BadenWürttemberg ist danicht Trendsetter, folgt aber einem Trendin den hochspezialisierten Industrienationen. Die vielen Projekte unserer Familienforschung im Statistischen Landesamt zeigen dies.“ Da seien „natürlich“ auch dieMänner gefragt. „In Deutschland arbeitenbisher nur fünf Prozent der im Management tätigen Männer in Teilzeit, in Großbritannien sind es acht Prozent, in den Niederlanden zwölf Prozent“, zitiert sie ausdem „Familienreport Väter“. bl
Potenzial der GründerinnenLangsam, aberbeharrlich erobernFrauen die Chefetagen
Welches Potenzial in Frauenals Gründerinnen steckt, zeigtnicht nur das Beispiel der Vor
zeigeunternehmerin Saskia Biskup. Dasvon ihr im Umfeld der Universität Tübingen gegründete BiotechUnternehmenCegat, das Genomanalysen zur gezielteren Behandlung von Erbkrankheitenoder Krebs erstellt, gewann jüngst denbadenwürttembergischen Landespreisals erfolgreichstes junges Unternehmen,bekam 2011 den deutschen Gründerpreisfür das beste deutsche StartupUnternehmen, wurde 2013 zum Entrepreneurdes Jahres gewählt und holte 2014 denWomen Innovation Price der EU. „Dieeinzige Chance, unseren Vorsprung zunutzen, war eine private Finanzierung“,sagt sie.
Um die Universitäten Heidelberg,Karlsruhe, Freiburg und Tübingen entstehen immer wieder MedizintechnikGründungen. Auch da sind Frauen dabei. Ein Beispiel ist der Gewinner desCyberOne Hightech Awards BadenWürttemberg, demzentralen BusinessplanWettbewerb derHightechBranchen.Die Biologin AndreaHoffmeister und dieBetriebswirtin Barbara Eberbach gehörenzum Team um denBiochemiker Florian Kreppel, dasTeil der Abteilung Gentherapie desUniversitätsklinikums Ulm ist, abereine Ausgründung plant. Ihr BiotechSpinoff AdOLytics nutzt die Prinzipien der Natur zur Krebsbekämpfung und setzt Viren ein, um bösartige Krebszellen zu infizieren und zuzerstören. Für diesen nebenwir
kungsarmen Therapieansatz bekam dasTeam den Preis.
Die Tourismusmanagerin Laura Kutteraus Backnang hat mit ihrer Schwester die„Tour de sens“ gegründet. Blinde, Sehbehinderte und Sehende, oft im Seniorenalter, reisen zusammen in Städte, Berglandschaften, zum Wandern oder ans Meer,„um das Trentino zu riechen, Andalusien zu hören, Nordspanien zu fühlen oder Portugal zu schmecken“. Das Angebot hat Preise wie den Touristikpreis bei der CMT inStuttgart oder eine Auszeichnung für beispielhafte Inklusionspraxis erhalten.
Zu den vielen älteren Gründern im Landgehört Ramona Damske. Mit 50 Jahren wardie ehemalige „SchleckerFrau“ 2012 eineSpätgründerin. Im Baiersbronner OrtsteilMitteltal führt sie den früheren SchleckerMarkt mit neuem Konzept weiter. Mit großem Erfolg. Zwar bestellen auch ältereKunden viel übers Internet, viel wichtiger für sie ist aber häufig der Einkauf als Mög
lichkeit zur Kommunikation. Wenn der nächste Laden weit entfernt ist und mankein Auto mehr hat, wird das schwierig.Einkaufsmöglichkeiten am Ort sind dahervon zentraler Bedeutung. Und die bietetRamona Damske. Vielen betagten Kunden liefert sie die Waren sogar nach Hause.
Die gelernte Arzthelferin Betül Celikhat 2015 in Stuttgart den interkulturellenPflegedienst Ikra gegründet. Die türkischstämmige Deutsche wendet sich an diewachsende Zahl von Pflegebedürftigen aus anderen Kulturen. Gleichzeitig demonstriert sie, welches Potenzial Migrantenoder Deutsche mit Migrationshintergrundangesichts der demografischen Entwicklung hierzulande haben: „Das Marktpotenzial ist riesig“, sagt die 31Jährige. „Um abertürkische, griechische und italienische Kunden zu erreichen, muss man die Sprache der Pflegebedürftigen sprechen.“
Auch Tahmina Rothgangel setzt auf Interkulturalität. Sie leitet drei Krippen undeinen Kindergarten in Stuttgart, ein zweiter folgt bald. Während ihrer Ausbildung
zur Erzieherin träumte dieheute 36jährige Muttereiner Tochter von einembilingualen Konzept, beidem die Kleinen spielerisch an Deutsch oder Englisch als Zweitsprache herangeführt werden sollten.Gedacht, getan. 2010 eröff
nete sie in Stuttgart die erste bilingualeKindertagesstätte. Rothgangels Kindervilla GmbH setzt auf ein Konzept, bei dem dieKinder mit gelernten Pädagogen, NativeSpeakern, auf spielerische Weise und in Verbindung mit kreativen Ansätzen zweisprachig erzogen werden. Jede Gruppewird von drei Pädagogen und einer Assistentin betreut. Zu elternfreundlichen Öffnungszeiten zwischen 7.30 und 18.30 Uhrlernen die Kleinen mit neuen Medien wie Tablets, bekommen Klavier oder Ballettunterricht oder gehen zum Schwimmen. Die Eltern schätzen auch, dass es nur wenige Schließtage gibt. Bei Bedarf wird eineSamstagsbetreuung angeboten, im Kindergarten wird unterschieden zwischen Kindergarten und Vorschulkindern. Eine guteVerpflegung mit Mahlzeiten aus der eigenen Küche rundet das Angebot ab. Ihr Mann arbeitet nebenberuflich mit. Zusammen mit einer Buchhalterin sowie dem pädagogischen und dem Reinigungspersonal beschäftigt die Erzieherin und Geschäftsführerin 50 Mitarbeiter.
„Angebote wie diese gibt es in Stuttgartwenige. Das war eine echte Marktlücke“, sagt die im afghanischen Kabul geborene Frau. Rothgangel träumt nun von derEinrichtung einer zweisprachigenGrundschule. Ihre Schützlinge werden jaälter. bl
Carmina Brenner ist Präsidentin des Statistischen Landesamtes BadenWürttemberg.
Traum von einer besseren Welt
Als Antje von Dewitz 1998 in dasUnternehmen ihres Vaters einstieg,war sie schwanger. Inzwischen hat
sie vier Kinder. Sie war immer berufstätig.2009 übernahm sie sogar die Führung des Tettnanger OutdoorSportartikelHerstellers Vaude. „Ich habe nie ohne Kinder gearbeitet“, sagt die studierte Kulturwirtin und promovierte Ökonomin. Die quirligeManagerin kennt daher das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf aus eigener Erfahrung. Bei einem Frauenanteil von60 Prozent war Familie immer ein Themain der Firma. Mangels Betreuungsmöglichkeiten setzten früher viele Mitarbeiterinnen nach der Geburt jahrelang aus. Dazutrugen in der Provinz auch Vorbehalte bei.„Rabenmütter“ hatten kein gutes Image.
Schon früh richtete man bei Vaude einKinderhaus ein, in dem heute Kinder vonsechs Monaten bis zu zehn Jahren betreutwerden. Doch von Dewitz hält nichtsvon Einzelmaßnahmen, sie setzt auf Ganzheitlichkeit. Als Anhängerin der Gemeinwohlökonomie (GWÖ) sollten nachihrer Ansicht Unternehmen nicht nur nach ökonomischen, sondern auchnach gesellschaftlichenund ökologischen Kriterien bewertet werden. Dassdies nicht nur graue Theorie ist, zeigt die schier unermessliche Zahl von Auszeichnungen, diedas Unternehmen erhalten hat – für Nachhaltigkeit, Umweltfreundlichkeit, sozialesEngagement und Familienfreundlichkeit.Wichtig sind von Dewitz die Auszeichnungals „Deutschlands nachhaltigste Marke“(2015) sowie der DNWEPreis für Unternehmensethik und der Family Award fürdie familienfreundlichste Unternehmenskultur von der Unternehmensberatung A.T. Kearney.
Die 44Jährige legt großen Wert darauf,das Engagement selbst vorzuleben. Ihre eigenen vier Kinder besuchten das 2001 eröffnete Kinderhaus. Mitarbeiter könnenflexibel Teilzeit arbeiten, zwischen 15 und95 Prozent. Elternzeiten werden von fast allen Männern wahrgenommen, oft deutlich länger als die üblichen zwei Monate.Von Dewitz’ Lebensgefährte ist seit mehre
ren Jahren Hausmann und hat gerade dasWohnhaus komplett renoviert. Das Engagement geht aber noch viel weiter. 2008 hatVaude den Betrieb des FamilienFreibadesam Firmensitz im Tettnanger OrtsteilObereisenbach übernommen, in Kooperation mit der Stadt und dem örtlichen Förderverein. Damit konnte die Schließung verhindert werden. „Das Bädle ist ein wichtiger Treffpunkt für die Familien“, sagt sie. „Ein Unternehmen mit vielen Mitarbeitern, einer Produktion und zentralen Logistik bedeutet für einen kleinen Ort jaauch eine Belastung. Wir wollten dafüretwas zurückgeben.“
Der „Erfolg“ gibt von Dewitz recht.Vaude ist nicht nur wirtschaftlich sehrerfolgreich. Das Unternehmen ist auch einattraktiver Arbeitgeber, der seine Mitarbeiter bei der Vereinbarung von Berufund Familie unterstützt. So ist eswohl kein Zufall, dass die Mitarbeiter überdurchschnittlich viele Kin
der bekommen. 50Prozent der 500Mitarbeiter sindregelmäßig in Teilzeit. Das Interessevon außen an Vaude ist riesig. VieleUnternehmen holen sich Rat. „Wirhaben eine eigeneFachkraft, die nur
Führungen macht“, berichtet sie.„Sogar Tagungen werden hier, inder Nähe des Bodensees, durchgeführt.“ Von Dewitz verschweigtaber nicht, dass die Organisation des Ganzen „wirklich anstrengend und aufwendig ist“ – undauch Geld kostet.
Schließlich steht auch Vaudeim Wettbewerb. Natürlich gebees auch Zielkonflikte, etwa zwischen Ökologie und Ökonomie. Insgesamt aber zahle sich dasVertrauen in die Mitarbeiteraus. „Wir bemühen uns, eineArbeitskultur zu schaffen, inder jeder Mensch sein Potenzialausschöpfen kann. Dann, wenn man nicht in ein Schema gezwängt wird, können sich
Kreativität und Eigenverantwortung entfalten.“ Fehlzeiten und Fluktuation seiensehr gering. Und auch um gutes Personal müsse sie sich nicht sorgen.
Antje von Dewitz macht deutlich, dassauch Vaude viel von den Mitarbeitern verlangt, vor allem Flexibilität, Leistungsbereitschaft und Entscheidungsfreude. „Entscheidungen ruhen bei uns auf vielenSchultern. Ich bin überzeugt, dass sie umsobesser sind, je vielfältiger die Mitwirkenden sind – Frauen und Männer, Ältere undJüngere, verschiedene Nationalitäten.“Mit einer Quote von 40 Prozent sind Frauen bei Vaude in Führungspositionen gutvertreten. Gesamtgesellschaftlich hält sieaber eine Mindestquote für notwendig.„Sonst bewegt sich zu wenig.“ bl
Managerinnen Obwohl Frauen eher in Sozialberufen dominieren, stehen sie zunehmend auch inanderen Branchen ihren Mann und mischen Männerdomänen auf – sei es als Gründerin mit genialenIdeen, als Retterin von Familientraditionen, als visionäre ITManagerin, als forsche Forscherin oder beispielsweise als zupackende Entwicklungshelferin.
DaimlerManagerin Daniela Gerd tom Markotten leitet den neuen Bereich Digital Solutions &Services in der TruckSparte.
Antje von Dewitz ist Geschäftsführerin des OutdoorSportartikelHerstellers Vaude.
„Irgendjemand sollte hier helfen“
Während des Balkankriegesgründete Suzana Lipovacdie Hilfsorganisation Kinder
berg. Als Geschäftsführerin managt sieheute weltweit Hilfsprojekte und berätMilitär und Politik. Als Gewinn verbucht sie ein Lächeln, einen Händedruck, ein Dankeschön. Wenn sie vonMillionen redet, heißt die Währungseinheit nicht Dollar, sondern Patienten.Und wie die Risiken in ihrem Business aussehen, zeigt ein Blick auf den wackligen Büroschrank im ehemaligen Stuttgarter Waisenhaus: Obendrauf liegenein Stahlhelm und eine Tüte mit derAufschrift „kugelsichere Weste“.
Suzana Lipovac trug auch schonKostüm und Pumps bei der Arbeit. Damals, als die in Stuttgart geborene Tochter bosnischer Kroatennach Abitur und Ausbildung zur Europasekretärin die erste Stufeauf der Karriereleitererklommen hatte: AlsAssistentin der Verkaufsleitung beimWeltkonzern Unileverstand ihr die Berufswelt offen. Wäre danicht der Sommerurlaub 1992 gewesen,in dem es Suzana Lipovac ins ehemaligeJugoslawien zog. Seit drei Jahren tobtedort der Krieg und die Nachrichtenvon Verwandten klangen besorgniserregend. „Ich hatte das Gefühl, irgendjemand sollte hier helfen“, erinnert sichdie drahtige, dunkelhaarige Frau mit den wachen Augen.
Als sich herumsprach, was Suzanaplante, schleppten Nachbarn undFreunde tütenweise Hilfsgüter an. Damit reiste die junge Frau in ein Flüchtlingslager, in dem bosnische MuslimeZuflucht gesucht hatten. Sie verteiltedie Spenden, sprach mit Helfern und Opfern, hörte zu und packte an.
Zurück im Firmenalltag fühlte sichalles sehr merkwürdig an. „Mich interessierte nicht mehr, was die Kollegen erzählten“, erinnert sich die heute48Jährige. Als ein Kunde sie noch leicht vorwurfsvoll mit „Endlich sindSie wieder da, es geht um Leben undTod“ begrüßte, kam sie ins Grübeln –denn es ging nur um eine termingerechte Warenlieferung. Nur Wochen späterwaren Konzern und Karriere Geschichte, Suzana Lipovac zog in ihr altes Kinderzimmer in Stuttgart, schrieb sich an der Uni ein und legte los. Unbedarft,aber nicht ungeschickt: Als die elterliche Garage von Hilfsgütern überquoll,
schwatzte Lipovac der Caritas einenalten Lastwagen ab und fuhr den robusten 7,5Tonner höchstselbst ins Kriegsgebiet. Dort geriet sie prompt zwischendie Fronten und saß monatelang fest.Während sie vom ständigen Granatfeuer, vom Leid der Menschen und denHürden für die Helfer erzählt, skizziert sie an der Wandtafel die damalige Lage:Die Stadt Gradacac, Fluss, Front, Versorgungskorridor. Und sie mittendrin,ohne Kontakt zu irgendwem. „Meine Eltern sind fast wahnsinnig geworden.“Irgendwann gelang die Heimkehr –doch nur, um mehr Hilfe zu organisieren. Suzana Lipovac brachte kriegsversehrte Kinder zur Behandlung nachDeutschland und tonnenweise Hilfsgüter auf den Balkan, unterstützt von
einer Handvoll engagierter Mitstreiter imVerein Kinderberg.
Dessen Struktur warund blieb einfach. Auchheute, wo Kinderbergauf mehreren Kontinenten Projekte unterhält und neue – wie
demnächst im Irak – aufbaut, besteht die ganze Organisation aus einer Geschäftsführerin und sechs Projektbetreuern und Verwaltungsmitarbeitern.Diese bauen vor Ort Teams mit lokalenMitarbeitern auf und unterstützen sie,bis sie selbstständig funktionieren. InAfghanistan waren es 125 Gesundheitsstationen mit mehr als 500 Mitarbeitern und fast sechs Millionen Patienten,die Suzana Lipovac binnen acht Jahren aufbaute. Doch warum gerade der kleine Kinderbergund nicht eine große Hilfsorganisation? „In die White Areas wollte niemand.Sie sind abgelegen und gefährlich. Dort gibt es keine Polizei und keine Infrastruktur“, sagt Lipovac, „nur große Not.“Also ging sie hin. Mitgesprächsbereiten Taliban arrangierte siesich, indem sie jedenbehandelte, der umHilfe bat. Mit derBundeswehr kooperierte sie zumSchutz und fürfunktionierendeHilfe bei Logistikund medizinischer Versor
gung, wie schon Jahre zuvor im Kosovo.Seit 2010 lehrt die Kinderberg
Gründerin an der Führungsakademieder Bundeswehr und berät deren Zentrum für ZivilMilitärische Zusammenarbeit. Auch das gehört zum Job, dochmanchmal ist der Entwicklungshelferinder Managementanteil zu groß. „Wennich nur noch mit Ministerien, Militärsund Stakeholdern zu tun habe und keine Zeit habe, mit Helfern und Patientenzu reden, nervt das“, sagt Lipovac. Einesder Erfolgsgeheimnisse von Kinderbergist sicher, dass immer alle nah am Menschen geblieben sind. Natürlich hat sichdie Gründerin über die Jahre weitergebildet in Sachen Evaluation, Organisationsentwicklung oder Coaching.Doch wenn das Team ein neues Projektplant, kommt ein frisches Papier aufdas Flipchart, eine Karte an die Tafelund eine Kiste Plastikfiguren zumProjektModellBau auf den Tisch.„Kein Computer kann eine gekühlteImpfkette von Deutschland bis in denArm eines afghanischen Kindes planen“, verteidigt Lipovac das Vorgehen, bei dem Menschenverstand undErfahrung vor Theorie und Technologie rangieren.
Aufhören war nur kurz ein Thema, als auf dem Balkan Frieden eingekehrt und eine Familie gegründetwar. Doch dann kamen der neueKrieg in Afghanistan, die Tsunamiin Südostasien und das Flüchtlingselend auf der Balkanroute – unweitvon Suzana Lipovacs erstem humanitären Einsatz. Und immer wieder
war da das Gefühl, „jemand sollte helfen“. bb
Saskia Biskup ist Gründerin und geschäftsführende
Gesellschafterin der Tübinger Cegat GmbH.
Suzana Lipovac ist Gründerin und Geschäftsführerin der Hilfsorganisation Kinderberg.
Foto
s: D
aim
ler,
Foto
lia/r
a2 s
tud
io, J
ens
Sta
inga
esse
r, Li
chtg
ut/
Max
Ko
vale
nko
, Mic
hae
l Tri
pp
el, p
riva
t
,,Die einzige Chance,den Vorsprung zu nutzen, war eine private Finanzierung.’’Saskia Biskup,Gründerin Cegat GmbH
„In afghanischen White Areas gibt es keine Polizei und keine Infrastruktur, nur große Not.“ Suzana Lipovac,Geschäftsführerin Kinderberg
„Wir machen unsjetzt auf den Weg.Mit jeder neuen Idee werden wir wachsen.“Daniela Gerd tom Markotten,Leiterin Solutions & Services
„Wir bemühen uns,eine Arbeitskulturzu schaffen, in derjeder sein Potenzial ausschöpfen kann.“Antje von Dewitz,Geschäftsführerin Vaude
„Das Plus geht überwiegend auf den Zuwachs im Bereich Teilzeitarbeit zurück.“Carmina Brenner,Präsidentin des Statistischen Landesamtes BadenWürttemberg
4 Wirtschaft in Baden-Württemberg 5Wirtschaft in Baden-WürttembergNr. 1 | Februar 2017Stuttgarter Zeitung | Stuttgarter Nachrichten
Top Related