Kapitel 4
Geometrische Abbildungen
Kapitel 4
Geometrische Abbildungen
Kapitel 4 © Beutelspacher
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InhaltInhalt
4.1 Kongruenzabbildungen
4.2 Spiegelungen
4.3 Alle Kongruenzabbildungen
4.1 Kongruenzabbildungen
4.2 Spiegelungen
4.3 Alle Kongruenzabbildungen
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4.1 Kongruenzabbildungen4.1 Kongruenzabbildungen
Wir betrachten Abbildungen der Punktmenge in sich. Dabei hat
jeder Punkt einen Bildpunkt (P).
Wenn klar ist, was ist, schreiben wir auch einfach P‘ statt (P).
Definition. Eine Abbildung der Punktmenge der Ebene in sich
heißt Kongruenzabbildung (auch Bewegung oder Isometrie ),
wenn für je zwei Punkte P, Q gilt:
(P)(Q) = PQ (oder einfach P‘Q‘ = PQ).
In Worten: Eine Kongruenzabbildung ist eine Abbildung, die den
Abstand je zweier Punkte erhält.
Wir betrachten Abbildungen der Punktmenge in sich. Dabei hat
jeder Punkt einen Bildpunkt (P).
Wenn klar ist, was ist, schreiben wir auch einfach P‘ statt (P).
Definition. Eine Abbildung der Punktmenge der Ebene in sich
heißt Kongruenzabbildung (auch Bewegung oder Isometrie ),
wenn für je zwei Punkte P, Q gilt:
(P)(Q) = PQ (oder einfach P‘Q‘ = PQ).
In Worten: Eine Kongruenzabbildung ist eine Abbildung, die den
Abstand je zweier Punkte erhält.
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BeispieleBeispiele
Beispiele: Drehungen, Verschiebungen, Spiegelungen (an einer
Geraden), Punktspiegelung, ... sind Kongruenzabbildungen.
Keine Kongruenzabbildung ist:
– zentrische Streckung,
– nur ein Punkt wird (echt) bewegt,
– nur die vier Ecken eines Quadrats werden (echt) bewegt,
– nur das Innere eines Quadrats wird (echt) bewegt,
– ...
Ziel: Wir wollen alle Kongruenzabbildungen kennenlernen!
Beispiele: Drehungen, Verschiebungen, Spiegelungen (an einer
Geraden), Punktspiegelung, ... sind Kongruenzabbildungen.
Keine Kongruenzabbildung ist:
– zentrische Streckung,
– nur ein Punkt wird (echt) bewegt,
– nur die vier Ecken eines Quadrats werden (echt) bewegt,
– nur das Innere eines Quadrats wird (echt) bewegt,
– ...
Ziel: Wir wollen alle Kongruenzabbildungen kennenlernen!
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Eigenschaften einer KongruenzabbildungEigenschaften einer Kongruenzabbildung
In der Definition einer Kongruenzabbildung haben wir nur sehr wenig
gefordert; zum Beispiel nicht, dass eine Kongruenzabbildung
– eine bijektive Abbildung ist,
– die Zwischenbeziehung erhält,
– Strecken auf Strecken abbildet,
– Halbgeraden auf Halbgeraden abbildet,
– Geraden auf Geraden abbildet,
– Winkel auf Winkel abbildet,
– Winkel auf Winkel desselben Maßes abbildet,
– ...
Aber: Diese Eigenschaften gelten! Wir werden sie beweisen!
In der Definition einer Kongruenzabbildung haben wir nur sehr wenig
gefordert; zum Beispiel nicht, dass eine Kongruenzabbildung
– eine bijektive Abbildung ist,
– die Zwischenbeziehung erhält,
– Strecken auf Strecken abbildet,
– Halbgeraden auf Halbgeraden abbildet,
– Geraden auf Geraden abbildet,
– Winkel auf Winkel abbildet,
– Winkel auf Winkel desselben Maßes abbildet,
– ...
Aber: Diese Eigenschaften gelten! Wir werden sie beweisen!
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Kongruenzabbildungen sind bijektivKongruenzabbildungen sind bijektiv
4.1.1 Hilfssatz. Jede Kongruenzabbildung ist eine bijektive Abbildung.
Beweis. Sei eine beliebige Kongruenzabbildung.
ist injektiv: Seien P, Q Punkte mit (P) = (Q). Dann ist
0 = (P)(Q) = PQ. Also muss PQ = 0 sein. D.h. P = Q.
ist surjektiv: Sei Y ein beliebiger Punkt. Wir müssen zeigen, dass
Y ein Urbild hat. Dazu brauchen wir einen raffinierten Trick!
Es gibt zwei Punkte P und Q so, dass ihre Bilder P' und Q'
nicht auf einer gemeinsamen Geraden mit Y liegen. (Sei PQR
ein Dreieck. Dann ist auch P'Q'R' ein Dreieck, und Y liegt nicht
auf allen drei Geraden PQ, QR, RP. O.B.d.A. nicht auf P'Q'.)
4.1.1 Hilfssatz. Jede Kongruenzabbildung ist eine bijektive Abbildung.
Beweis. Sei eine beliebige Kongruenzabbildung.
ist injektiv: Seien P, Q Punkte mit (P) = (Q). Dann ist
0 = (P)(Q) = PQ. Also muss PQ = 0 sein. D.h. P = Q.
ist surjektiv: Sei Y ein beliebiger Punkt. Wir müssen zeigen, dass
Y ein Urbild hat. Dazu brauchen wir einen raffinierten Trick!
Es gibt zwei Punkte P und Q so, dass ihre Bilder P' und Q'
nicht auf einer gemeinsamen Geraden mit Y liegen. (Sei PQR
ein Dreieck. Dann ist auch P'Q'R' ein Dreieck, und Y liegt nicht
auf allen drei Geraden PQ, QR, RP. O.B.d.A. nicht auf P'Q'.)
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Beweis, 2. TeilBeweis, 2. Teil
Sei p := YP' und q = YQ'. Dann gibt es außer Y noch genau
einen Punkt Y* mit der Eigenschaft Y*P' = p und Y*Q' = q.
Also gibt es genau zwei Punkte X und X*, die von P den Abstand
p und von Q den Abstand q haben.
Worauf werden X und X* unter abgebildet? Da eine
Kongruenzabbildung ist, gilt: (X)(P) = XP = p.
Entsprechend folgt: (X)(Q) = XQ = q.
Also muss (X) = Y oder (X) = Y* sein. Entsprechendes gilt für
das Bild von X*.
Da injektiv ist, können nicht X und X* auf Y* abgebildet
werden. Also muss einer dieser Punkte auf Y abgebildet werden.
Sei p := YP' und q = YQ'. Dann gibt es außer Y noch genau
einen Punkt Y* mit der Eigenschaft Y*P' = p und Y*Q' = q.
Also gibt es genau zwei Punkte X und X*, die von P den Abstand
p und von Q den Abstand q haben.
Worauf werden X und X* unter abgebildet? Da eine
Kongruenzabbildung ist, gilt: (X)(P) = XP = p.
Entsprechend folgt: (X)(Q) = XQ = q.
Also muss (X) = Y oder (X) = Y* sein. Entsprechendes gilt für
das Bild von X*.
Da injektiv ist, können nicht X und X* auf Y* abgebildet
werden. Also muss einer dieser Punkte auf Y abgebildet werden.
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Hintereinanderausführung von KongruenzabbildungenHintereinanderausführung von Kongruenzabbildungen
4.1.2 Satz. (a) Die Hintereinanderausführung (Verkettung) von zwei
Kongruenzabbildungen ist wieder eine Kongruenzabbildungen. In
Formeln: Wenn und Kongruenzabbildungen sind, so ist auch
eine Kongruenzabbildung.
(b) Die zu einer Kongruenzabbildung inverse Abbildung ist wieder
eine Kongruenzabbildung. In Worten: Wenn eine
Kongruenzabbildung ist, so ist auch –1 eine Kongruenzabbildung.
Beispiel: Die Verkettung von zwei Spiegelungen ist eine
Kongruenzabbildung.
4.1.2 Satz. (a) Die Hintereinanderausführung (Verkettung) von zwei
Kongruenzabbildungen ist wieder eine Kongruenzabbildungen. In
Formeln: Wenn und Kongruenzabbildungen sind, so ist auch
eine Kongruenzabbildung.
(b) Die zu einer Kongruenzabbildung inverse Abbildung ist wieder
eine Kongruenzabbildung. In Worten: Wenn eine
Kongruenzabbildung ist, so ist auch –1 eine Kongruenzabbildung.
Beispiel: Die Verkettung von zwei Spiegelungen ist eine
Kongruenzabbildung.
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BeweisBeweis
Beweis. (a) Zu zeigen: Wenn und Kongruenzabbildungen
sind, dann ist auch die Abbildung (“erst , dann ”) eine
Kongruenzabbildung. Für je zwei Punkte P und Q gilt:
(P) (Q) = (P))(Q)) = (P)Q) = PQ.
Also ist eine Kongruenzabbildung.
(b) Wir betrachten zwei beliebige Punkte P und Q. Wir bezeichnen
mit P* und Q* die Urbilder von P und Q unter . Dann gilt
–1(P)–1(Q) = P*Q* = P*)(Q*) = PQ.
Also ist –1 eine Kongruenzabbildung.
Beweis. (a) Zu zeigen: Wenn und Kongruenzabbildungen
sind, dann ist auch die Abbildung (“erst , dann ”) eine
Kongruenzabbildung. Für je zwei Punkte P und Q gilt:
(P) (Q) = (P))(Q)) = (P)Q) = PQ.
Also ist eine Kongruenzabbildung.
(b) Wir betrachten zwei beliebige Punkte P und Q. Wir bezeichnen
mit P* und Q* die Urbilder von P und Q unter . Dann gilt
–1(P)–1(Q) = P*Q* = P*)(Q*) = PQ.
Also ist –1 eine Kongruenzabbildung.
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Kongruenzabbildungen erhalten ZwischenbeziehungKongruenzabbildungen erhalten Zwischenbeziehung
4.1.3 Hilfssatz. Jede Kongruenzabbildung erhält die
Zwischenbeziehung.
Beweis. Sei eine Kongruenzabbildung.
Sei Z ein Punkt zwischen P und Q. Es ist zu zeigen,
dass dann auch (Z) zwischen (P) und (Q) liegt.
Dies folgt so: Da Z zwischen P und Q liegt, folgt
PZ + ZQ = PQ, also auch
(P)(Z) + (Z(Q) = PZ + ZQ = PQ = (P(Q).
Dies bedeutet, dass (Z) zwischen (P) und (Q) liegt.
4.1.3 Hilfssatz. Jede Kongruenzabbildung erhält die
Zwischenbeziehung.
Beweis. Sei eine Kongruenzabbildung.
Sei Z ein Punkt zwischen P und Q. Es ist zu zeigen,
dass dann auch (Z) zwischen (P) und (Q) liegt.
Dies folgt so: Da Z zwischen P und Q liegt, folgt
PZ + ZQ = PQ, also auch
(P)(Z) + (Z(Q) = PZ + ZQ = PQ = (P(Q).
Dies bedeutet, dass (Z) zwischen (P) und (Q) liegt.
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Kongruenzabbildungen erhalten allesKongruenzabbildungen erhalten alles
4.1.4 Korollar. Jede Kongruenzabbildung führt Strecken in Strecken,
kollineare Punkte in kollineare Punkte, Strahlen in Strahlen, Geraden
in Geraden, Halbebenen in Halbebenen und Winkel in Winkel über.
Beweis. Sei eine Kongruenzabbildung. Wir zeigen einige der
Aussagen.
1. Strecken. Sei PQ eine Strecke, also
PQ = {Z Z liegt zwischen P und Q}.
Aufgrund von 4.1.3 folgt
(PQ) = {(Z) Z liegt zwischen P und Q}
= {(Z) (Z) liegt zwischen (P) und (Q)} = (P)(Q).
Also bildet die Strecke PQ auf die Strecke (P)(Q) ab.
4.1.4 Korollar. Jede Kongruenzabbildung führt Strecken in Strecken,
kollineare Punkte in kollineare Punkte, Strahlen in Strahlen, Geraden
in Geraden, Halbebenen in Halbebenen und Winkel in Winkel über.
Beweis. Sei eine Kongruenzabbildung. Wir zeigen einige der
Aussagen.
1. Strecken. Sei PQ eine Strecke, also
PQ = {Z Z liegt zwischen P und Q}.
Aufgrund von 4.1.3 folgt
(PQ) = {(Z) Z liegt zwischen P und Q}
= {(Z) (Z) liegt zwischen (P) und (Q)} = (P)(Q).
Also bildet die Strecke PQ auf die Strecke (P)(Q) ab.
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Fortsetzung des BeweisesFortsetzung des Beweises
2. „kollinear“. Seien P, Q, R drei kollineare Punkte. Dann liegt einer,
sagen wir: Q, zwischen den beiden andern.
Nach dem schon Bewiesenen liegt dann das Bild von Q zwischen
den Bildern von P und R. Insbesondere liegen die Bilder (P),
(Q), (R) auf einer gemeinsamen Geraden.
3. Geraden. Sei g = PQ eine Gerade. Behauptung: Das Bild jedes
Punktes R von g liegt auf der Geraden (P)(Q). (Da P, Q und
R kollinear sind, sind auch (P), (Q) und (Z) kollinear.
Insbesondere liegt (Z) auf der Geraden (P)(Q).)
Wir halten fest: (PQ) = (P)(Q) für je zwei Punkte P, Q.
2. „kollinear“. Seien P, Q, R drei kollineare Punkte. Dann liegt einer,
sagen wir: Q, zwischen den beiden andern.
Nach dem schon Bewiesenen liegt dann das Bild von Q zwischen
den Bildern von P und R. Insbesondere liegen die Bilder (P),
(Q), (R) auf einer gemeinsamen Geraden.
3. Geraden. Sei g = PQ eine Gerade. Behauptung: Das Bild jedes
Punktes R von g liegt auf der Geraden (P)(Q). (Da P, Q und
R kollinear sind, sind auch (P), (Q) und (Z) kollinear.
Insbesondere liegt (Z) auf der Geraden (P)(Q).)
Wir halten fest: (PQ) = (P)(Q) für je zwei Punkte P, Q.
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Kongruenzabbildungen erhalten WinkelmaßeKongruenzabbildungen erhalten Winkelmaße
4.1.5 Satz. Sei eine Kongruenzabbildung.
Dann führt jeden Winkeln in einen Winkel mit dem gleichen Maß
(also einen kongruenten Winkel) über.
Beweis. Sei ASB ein Winkel.
Wir betrachten die Dreiecke ASB und A)(S)(B).
Da eine Kongruenzabbildung ist, sind entsprechende Seiten
dieser Dreiecke kongruent.
Nach SSS sind also auch entsprechende Winkel dieser Dreiecke
kongruent.
Insbesondere sind ASB und A)(S)(B) kongruent.
4.1.5 Satz. Sei eine Kongruenzabbildung.
Dann führt jeden Winkeln in einen Winkel mit dem gleichen Maß
(also einen kongruenten Winkel) über.
Beweis. Sei ASB ein Winkel.
Wir betrachten die Dreiecke ASB und A)(S)(B).
Da eine Kongruenzabbildung ist, sind entsprechende Seiten
dieser Dreiecke kongruent.
Nach SSS sind also auch entsprechende Winkel dieser Dreiecke
kongruent.
Insbesondere sind ASB und A)(S)(B) kongruent.
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4.2 Spiegelungen4.2 Spiegelungen
Definition. Eine Spiegelung an einer Geraden g ist eine Abbildung
= g der Punkte der Ebene in sich, die wie folgt definiert ist:
g(P) = P, falls P auf g liegt
g(P) = P’, falls P nicht auf g liegt; dabei ist P’ so
bestimmt, dass g das Mittellot von P und P’ ist.
Konstruktion des Bildes eines Punktes P g einer Spiegelung g:
Fälle das Lot h von P auf g.
Suche denjenigen Punkt P’ auf h, der von g denselben Abstand
wie P hat, aber auf der P gegenüberliegenden Seite von g liegt.
Definition. Eine Spiegelung an einer Geraden g ist eine Abbildung
= g der Punkte der Ebene in sich, die wie folgt definiert ist:
g(P) = P, falls P auf g liegt
g(P) = P’, falls P nicht auf g liegt; dabei ist P’ so
bestimmt, dass g das Mittellot von P und P’ ist.
Konstruktion des Bildes eines Punktes P g einer Spiegelung g:
Fälle das Lot h von P auf g.
Suche denjenigen Punkt P’ auf h, der von g denselben Abstand
wie P hat, aber auf der P gegenüberliegenden Seite von g liegt.
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Spiegelungen sind selbstinversSpiegelungen sind selbstinvers
4.2.1 Hilfssatz. Jede Spiegelung ist zu sich selbst invers;
das heißt –1 = .
Mit anderen Worten: Wenn man eine Spiegelung zwei mal
hintereinander ausführt, ergibt sich die Identität.
Man sagt dazu auch, eine Spiegelung hat “Ordnung 2”.
Der Beweis folgt direkt aus der Definition.
4.2.1 Hilfssatz. Jede Spiegelung ist zu sich selbst invers;
das heißt –1 = .
Mit anderen Worten: Wenn man eine Spiegelung zwei mal
hintereinander ausführt, ergibt sich die Identität.
Man sagt dazu auch, eine Spiegelung hat “Ordnung 2”.
Der Beweis folgt direkt aus der Definition.
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Spiegelungen sind KongruenzabbildungenSpiegelungen sind Kongruenzabbildungen
4.2.2 Satz. Jede Spiegelung ist eine Kongruenzabbildung.
Daraus folgt: Jede Spiegelung erhält Strecken, Geraden,
Winkelmaße, ...
Beweis. Sei = g eine Spiegelung an der Geraden g.
Seien P und Q zwei beliebige Punkte, und P’, Q’ ihre Bilder.
Wir haben zu zeigen: PQ = P’Q’.
1. Fall: P, Q g. Dann ist P’ = P und Q’= Q. Also gilt
PQ = P’Q’.
4.2.2 Satz. Jede Spiegelung ist eine Kongruenzabbildung.
Daraus folgt: Jede Spiegelung erhält Strecken, Geraden,
Winkelmaße, ...
Beweis. Sei = g eine Spiegelung an der Geraden g.
Seien P und Q zwei beliebige Punkte, und P’, Q’ ihre Bilder.
Wir haben zu zeigen: PQ = P’Q’.
1. Fall: P, Q g. Dann ist P’ = P und Q’= Q. Also gilt
PQ = P’Q’.
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Beweis, 2., 3., 4., FallBeweis, 2., 3., 4., Fall
2. Fall: h = PQ steht senkrecht auf g. Dann ist h das Lot durch P
bzw. Q auf g. Nach Def. von ist dann P’, Q’ h, und es folgt
P’S = PS und Q’S = QS.
wobei S = g h ist. Es folgt PQ = P’Q’.
3. Fall: PQ parallel zu g. Dann ist PQQ'P' ein Rechteck; also ist
PQ = P'Q', da im Rechteck gegenüberliegende Seiten gleich lang
sind.
4. Fall: P g, Q g. Dann liegt P auf dem Mittellot g von Q und
Q'. Nach dem Mittellotsatz gilt also
PQ = PQ' = P'Q' .
2. Fall: h = PQ steht senkrecht auf g. Dann ist h das Lot durch P
bzw. Q auf g. Nach Def. von ist dann P’, Q’ h, und es folgt
P’S = PS und Q’S = QS.
wobei S = g h ist. Es folgt PQ = P’Q’.
3. Fall: PQ parallel zu g. Dann ist PQQ'P' ein Rechteck; also ist
PQ = P'Q', da im Rechteck gegenüberliegende Seiten gleich lang
sind.
4. Fall: P g, Q g. Dann liegt P auf dem Mittellot g von Q und
Q'. Nach dem Mittellotsatz gilt also
PQ = PQ' = P'Q' .
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Beweis, 5. FallBeweis, 5. Fall
5. Fall. P, Q g, PQ ist nicht senkrecht und nicht parallel zu g.
Sei S = PQ g. Nach Fall 4 ist dann PS= P'S, QS = Q'S.Ferner ist PQ = SQ– SP. Wenn S, P' und Q' auf einer gemeinsamen Geraden liegen, ist
entsprechend P'Q'= SQ'– SP'; also folgte PQ = P'Q'. Es bleibt zu zeigen, dass P', Q' und S kollinear sind.
Sei X der Mittelpunkt von P, P' und Y der von Q, Q‘. Dann ist g
= XY. Die folgenden Winkel sind kongruent:
XSP', XSP (SWS); XSP, YSQ; YSQ, YSQ' (SWS).
Also sind XSP' und YSQ' kongruent. Daraus folgt nach dem
Geodreicksaxiom, dass S, P' und Q' kollinear sind.
5. Fall. P, Q g, PQ ist nicht senkrecht und nicht parallel zu g.
Sei S = PQ g. Nach Fall 4 ist dann PS= P'S, QS = Q'S.Ferner ist PQ = SQ– SP. Wenn S, P' und Q' auf einer gemeinsamen Geraden liegen, ist
entsprechend P'Q'= SQ'– SP'; also folgte PQ = P'Q'. Es bleibt zu zeigen, dass P', Q' und S kollinear sind.
Sei X der Mittelpunkt von P, P' und Y der von Q, Q‘. Dann ist g
= XY. Die folgenden Winkel sind kongruent:
XSP', XSP (SWS); XSP, YSQ; YSQ, YSQ' (SWS).
Also sind XSP' und YSQ' kongruent. Daraus folgt nach dem
Geodreicksaxiom, dass S, P' und Q' kollinear sind.
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Februar 2004Seite 19
4.3 Klassifikation aller Kongruenzabbildungen4.3 Klassifikation aller Kongruenzabbildungen
• Ziel: Wir wollen alle Kongruenzabbildungen übersichtlich
beschreiben!
• Methode: Wir unterschieden die Kongruenzabbildungen bezüglich
ihrer „Fixpunkte“.
Definition. Ein Fixpunkt einer Kongruenzabbildung
ist ein Punkt P mit (P) = P.
• Zum Beispiel ist bei einer Spiegelung an der Achse g jeder Punkt
auf g ein Fixpunkt, während alle anderen Punkte keine Fixpunkte
sind.
• Ziel: Wir wollen alle Kongruenzabbildungen übersichtlich
beschreiben!
• Methode: Wir unterschieden die Kongruenzabbildungen bezüglich
ihrer „Fixpunkte“.
Definition. Ein Fixpunkt einer Kongruenzabbildung
ist ein Punkt P mit (P) = P.
• Zum Beispiel ist bei einer Spiegelung an der Achse g jeder Punkt
auf g ein Fixpunkt, während alle anderen Punkte keine Fixpunkte
sind.
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Februar 2004Seite 20
Zwei FixpunkteZwei Fixpunkte
4.3.1 Haupthilfssatz. Wenn eine Kongruenzabbildung
zwei verschiedene Fixpunkte P und Q hat,
dann ist jeder Punkt der Geraden PQ ein Fixpunkt.
Beweis. Sei X ein beliebiger Punkt der Geraden PQ.
Sei X‘ = (X). Zu zeigen: X‘ = X.
Dann hat X‘ den Abstand XP von P. Also gibt es für X‘ zwei
Möglichkeiten: Entweder ist X‘ = X oder X‘ liegt auf der anderen
Seite von P.
Aber X‘ hat den Abstand XQ von Q. Also muss X‘ = X sein.
4.3.1 Haupthilfssatz. Wenn eine Kongruenzabbildung
zwei verschiedene Fixpunkte P und Q hat,
dann ist jeder Punkt der Geraden PQ ein Fixpunkt.
Beweis. Sei X ein beliebiger Punkt der Geraden PQ.
Sei X‘ = (X). Zu zeigen: X‘ = X.
Dann hat X‘ den Abstand XP von P. Also gibt es für X‘ zwei
Möglichkeiten: Entweder ist X‘ = X oder X‘ liegt auf der anderen
Seite von P.
Aber X‘ hat den Abstand XQ von Q. Also muss X‘ = X sein.
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Februar 2004Seite 21
StrategieStrategie
Methode: Wir gehen bei der Klassifikation schrittweise vor.
Sei eine Kongruenzabbildung.
• Wenn drei nichtkollineare Fixpunkte hat, ist die Identität.
Also brauchen wir nur noch Kongruenzabbildungen mit kollinearen
Fixpunkten zu betrachten!
• Wenn (mindestens) zwei (kollineare) Fixpunkte hat, ist eine
Spiegelung.
• Wenn genau einen Fixpunkt hat, ist ein Produkt von genau
zwei Spiegelungen.
• Wenn keinen Fixpunkt hat, ist ein Produkt von zwei oder drei
Spiegelungen.
Methode: Wir gehen bei der Klassifikation schrittweise vor.
Sei eine Kongruenzabbildung.
• Wenn drei nichtkollineare Fixpunkte hat, ist die Identität.
Also brauchen wir nur noch Kongruenzabbildungen mit kollinearen
Fixpunkten zu betrachten!
• Wenn (mindestens) zwei (kollineare) Fixpunkte hat, ist eine
Spiegelung.
• Wenn genau einen Fixpunkt hat, ist ein Produkt von genau
zwei Spiegelungen.
• Wenn keinen Fixpunkt hat, ist ein Produkt von zwei oder drei
Spiegelungen.
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Februar 2004Seite 22
Drei (nichtkollineare) Fixpunkte ...Drei (nichtkollineare) Fixpunkte ...
4.3.2 Satz. Wenn eine Kongruenzabbildung drei nichtkollineare
Fixpunkte hat, dann ist = id.
Mit anderen Worten: Es gibt keine Kongruenzabbildung id, die
drei Fixpunkte hat, die nicht auf einer Geraden liegen.
Beweis. Zu zeigen: Jeder Punkt ist ein Fixpunkt!
Seien P, Q, R drei nichtkollineare Fixpunkte.
Nach 4.3.1 ist dann jeder Punkt auf den Geraden PQ, QR, RP ein
Fixpunkt.
Dann liegt jeder Punkt X auf einer Geraden g mit mindestens zwei
Fixpunkten. Wieder nach 4.3.1 ist jeder Punkt auf g ein Fixpunkt.
Also ist X ein Fixpunkt.
4.3.2 Satz. Wenn eine Kongruenzabbildung drei nichtkollineare
Fixpunkte hat, dann ist = id.
Mit anderen Worten: Es gibt keine Kongruenzabbildung id, die
drei Fixpunkte hat, die nicht auf einer Geraden liegen.
Beweis. Zu zeigen: Jeder Punkt ist ein Fixpunkt!
Seien P, Q, R drei nichtkollineare Fixpunkte.
Nach 4.3.1 ist dann jeder Punkt auf den Geraden PQ, QR, RP ein
Fixpunkt.
Dann liegt jeder Punkt X auf einer Geraden g mit mindestens zwei
Fixpunkten. Wieder nach 4.3.1 ist jeder Punkt auf g ein Fixpunkt.
Also ist X ein Fixpunkt.
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Februar 2004Seite 23
Kollineare FixpunkteKollineare Fixpunkte
4.3.3 Satz. Wenn eine Kongruenzabbildung id mindestens
zwei Fixpunkte besitzt, dann ist eine Spiegelung.
Beweis. Wegen id liegen nach 4.3.2 alle Fixpunkte auf einer
Geraden g. Nach 4.3.1 ist dann jeder Punkt von g ein Fixpunkt.
Sei P ein Punkt außerhalb von g, und sei P‘ sein Bild. Zeige: (1) Die Spiegelung = g mit Achse g führt P in P‘ über.
(2) Die Verkettung hat als Fixpunkte alle Punkte auf g und
(mindestens) den Punkt P.
(3) Es folgt = id. Und also ist = –1 = eine Spiegelung.
Details: Übungsaufgabe.
4.3.3 Satz. Wenn eine Kongruenzabbildung id mindestens
zwei Fixpunkte besitzt, dann ist eine Spiegelung.
Beweis. Wegen id liegen nach 4.3.2 alle Fixpunkte auf einer
Geraden g. Nach 4.3.1 ist dann jeder Punkt von g ein Fixpunkt.
Sei P ein Punkt außerhalb von g, und sei P‘ sein Bild. Zeige: (1) Die Spiegelung = g mit Achse g führt P in P‘ über.
(2) Die Verkettung hat als Fixpunkte alle Punkte auf g und
(mindestens) den Punkt P.
(3) Es folgt = id. Und also ist = –1 = eine Spiegelung.
Details: Übungsaufgabe.
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Februar 2004Seite 24
Nur ein FixpunktNur ein Fixpunkt
4.3.4 Satz. Wenn eine Kongruenzabbildung genau einen Fixpunkt
hat, dann ist sie ein Produkt von genau zwei Spiegelungen.
Beweis. Sei P der (einzige) Fixpunkt der Konguenzabbildung .
Sei Q ≠ P ein Punkt, und sei Q' = (Q). Dann gilt PQ'= PQ.
Sei die Spiegelung an der Winkelhalbierenden von QPQ’. Dann
ist eine Kongruenzabbildung, die P und Q als Fixpunkte hat.
Also ist eine Kongruenzabbildung mit zwei Fixpunkten P und Q.
Nach 4.3.2 und 4.3.3 gibt es zwei Möglichkeiten:
1. = id. Dann ist = –1 = eine Spiegelung: Widerspruch!
2. = , die Spiegelung an PQ. Dann ist = –1 = ein Produkt
von zwei Spiegelungen.
4.3.4 Satz. Wenn eine Kongruenzabbildung genau einen Fixpunkt
hat, dann ist sie ein Produkt von genau zwei Spiegelungen.
Beweis. Sei P der (einzige) Fixpunkt der Konguenzabbildung .
Sei Q ≠ P ein Punkt, und sei Q' = (Q). Dann gilt PQ'= PQ.
Sei die Spiegelung an der Winkelhalbierenden von QPQ’. Dann
ist eine Kongruenzabbildung, die P und Q als Fixpunkte hat.
Also ist eine Kongruenzabbildung mit zwei Fixpunkten P und Q.
Nach 4.3.2 und 4.3.3 gibt es zwei Möglichkeiten:
1. = id. Dann ist = –1 = eine Spiegelung: Widerspruch!
2. = , die Spiegelung an PQ. Dann ist = –1 = ein Produkt
von zwei Spiegelungen.
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Februar 2004Seite 25
Gar kein FixpunktGar kein Fixpunkt
4.3.5 Satz. Jede Kongruenzabbildung ohne Fixpunkt ist Produkt von
höchstens drei Spiegelungen.
Beweis. Sei P ein beliebiger Punkt, und sei P’ = (P).
Mit Hilfe einer Spiegelung kann man P' auf P abbilden.
Dann ist eine Kongruenzabbildung mit mindestens einem
Fixpunkt, also nach 4.3.2. 4.3.3, 4.3.4 ein Produkt von höchstens
zwei Spiegelungen.
Also ist ein Produkt von höchstens drei Spiegelungen.
4.3.6 Hauptsatz. Jede Kongruenzabbildung läßt sich als Produkt
von höchstens drei Spiegelungen darstellen.
4.3.5 Satz. Jede Kongruenzabbildung ohne Fixpunkt ist Produkt von
höchstens drei Spiegelungen.
Beweis. Sei P ein beliebiger Punkt, und sei P’ = (P).
Mit Hilfe einer Spiegelung kann man P' auf P abbilden.
Dann ist eine Kongruenzabbildung mit mindestens einem
Fixpunkt, also nach 4.3.2. 4.3.3, 4.3.4 ein Produkt von höchstens
zwei Spiegelungen.
Also ist ein Produkt von höchstens drei Spiegelungen.
4.3.6 Hauptsatz. Jede Kongruenzabbildung läßt sich als Produkt
von höchstens drei Spiegelungen darstellen.
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Februar 2004Seite 26
Verschiebungen (Translationen)Verschiebungen (Translationen)
Definition. Eine Verschiebung bildet jeden Punkt so ab, dass er in
eine bestimmte Richtung (Verschieberichtung) um eine bestimmte
Strecke der Länge d abgebildet („verschoben“) wird.
Jede Verschiebung ist eine Kongruenzabbildung (ohne Beweis).
4.3.7 Satz. Jede Verschiebung ist ein Produkt von zwei
Spiegelungen, deren Achsen parallel sind.
Beweis. Sei g eine Gerade senkrecht zur Verschieberichtung. Jeder Punkt mit Abstand d/2 von g wird auch durch = g auf
(P) abgebildet (u.u.). Also ist eine Kongruenzabbildung, deren
Fixpunkte eine Gerade bilden, also eine Spiegelung.
Also ist Produkt von zwei Spiegelungen.
Definition. Eine Verschiebung bildet jeden Punkt so ab, dass er in
eine bestimmte Richtung (Verschieberichtung) um eine bestimmte
Strecke der Länge d abgebildet („verschoben“) wird.
Jede Verschiebung ist eine Kongruenzabbildung (ohne Beweis).
4.3.7 Satz. Jede Verschiebung ist ein Produkt von zwei
Spiegelungen, deren Achsen parallel sind.
Beweis. Sei g eine Gerade senkrecht zur Verschieberichtung. Jeder Punkt mit Abstand d/2 von g wird auch durch = g auf
(P) abgebildet (u.u.). Also ist eine Kongruenzabbildung, deren
Fixpunkte eine Gerade bilden, also eine Spiegelung.
Also ist Produkt von zwei Spiegelungen.
Kapitel 4 © Beutelspacher
Februar 2004Seite 27
Drehungen (Rotationen)Drehungen (Rotationen)
Definition. Eine Drehung bildet jeden Punkt so ab, dass er auf dem
Kreis um das Zentrum Z um einen gewissen Winkel abgebildet
(„gedreht“) wird.
Jede Drehung ist eine Kongruenzabbildung (ohne Beweis).
4.3.8 Satz. Jede Drehung ist ein Produkt von zwei Spiegelungen,
deren Achsen durch das Zentrum gehen.
Beweis. Sei g eine Gerade durch das Zentrum Z. Die Punkte P einer Geraden durch Z werden durch = g auf
(P) abgebildet (u.u.). Also ist eine Kongruenzabbildung, deren
Fixpunkte eine Gerade bilden, also eine Spiegelung.
Also ist Produkt von zwei Spiegelungen.
Definition. Eine Drehung bildet jeden Punkt so ab, dass er auf dem
Kreis um das Zentrum Z um einen gewissen Winkel abgebildet
(„gedreht“) wird.
Jede Drehung ist eine Kongruenzabbildung (ohne Beweis).
4.3.8 Satz. Jede Drehung ist ein Produkt von zwei Spiegelungen,
deren Achsen durch das Zentrum gehen.
Beweis. Sei g eine Gerade durch das Zentrum Z. Die Punkte P einer Geraden durch Z werden durch = g auf
(P) abgebildet (u.u.). Also ist eine Kongruenzabbildung, deren
Fixpunkte eine Gerade bilden, also eine Spiegelung.
Also ist Produkt von zwei Spiegelungen.
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