Interoperable Sensor- und Dateninfrastruktur für das Echtzeitmonitoring von Wasserbauwerken 1
Interoperable Sensor- und Dateninfrastruktur für das Echt-zeitmonitoring von Wasserbauwerken
Ralf Becker, Stefan Herle und Jörg Blankenbach
Zusammenfassung
Ein sensorgestütztes Monitoring, z. B. von Wasserbauwerken, erfordert eine geeignete
Sensor- und Dateninfrastruktur. Auf der Basis von Konzepten des Internet-of-Things
(IoT) ist es heute möglich, skalierbare und interoperable Monitoringsysteme für die Echt-
zeitüberwachung zu realisieren. Dazu gehören insbesondere neuartige IoT-Protokolle,
die einen push-basierten Datenaustausch ermöglichen, sowie die dienstebasierte Da-
tenverwaltung und -bereitstellung. Im BMBF-Projekt „EarlyDike“ wurden entsprechende
Konzepte umgesetzt und insbesondere um die Verarbeitung raumbezogener Daten er-
weitert.
1 Einleitung
Ingenieurbauwerke bedürfen in der Regel einer regelmäßigen Überwachung, um sicher-
heitsrelevante Veränderungen des Bauwerks (z. B. Schäden oder Deformationen) früh-
zeitig erkennen zu können. Unter Überwachung, auch als Monitoring bezeichnet, ist da-
bei sowohl die systematische Erfassung der Veränderungen des überwachten Objektes
als auch die Interpretation der Ergebnisse zu verstehen (vgl. u. a. Heunecke et al. 2013).
Grundsätzlich kann die Überwachung entweder durch den menschlichen Beobachter,
bspw. durch eine visuelle Inspektion im Rahmen einer Begehung, und/oder automatisiert
unter Zuhilfenahme von Sensoren erfolgen. Letztgenanntes weist eine Reihe von Vor-
teilen auf, da der Einsatz von Sensorik a) ein kontinuierliches Monitoring und mit räum-
lich verteilten Sensoren b) auch eine flächenhafte Überwachung ermöglicht, die zudem
c) in Echtzeit realisiert werden kann. Gleichzeitig ergeben sich durch das sensorge-
stützte Echtzeitmonitoring jedoch auch Herausforderungen, wie die Skalierbarkeit des
Gesamtsystems vor dem Hintergrund des Umganges mit (parallelen) Sensordatenströ-
men sowie der interoperablen Sensordatenintegration und Verknüpfung mit weiteren
existierenden Datenbeständen.
Im vorliegenden Beitrag wird eine Sensor- und Geodateninfrastruktur (Sensor and Spa-
tial Data Infrastructure, SSDI) für das Echtzeitmonitoring vorgestellt, die auf Technolo-
gien des Internets der Dinge (Internet-of-Things, IoT) sowie standardisierten Geodaten-
schnittstellen aufbaut, wodurch eine hochskalierbare und interoperable Monitoringum-
gebung realisierbar wird. Die Entwicklungen der SSDI erfolgen im Rahmen des vom
BMBF geförderten Projektes „EarlyDike“, welches die Entwicklung eines sensor- und
risikobasierten Frühwarnsystems für Seedeiche zum Ziel hat. Dazu werden mit Hilfe von
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vernetzten Sensorknoten Daten am und im Deich erhoben, in Echtzeit versendet und
zusammen mit anderen Datenbeständen (z. B. Pegeldaten) ausgewertet sowie in einem
zentralen Webportal gebündelt.
2 Echtzeitmonitoring
Zur Umsetzung eines echtzeitfähigen Bauwerksmonitorings ist es erforderlich, das Ob-
jekt ständig und mitunter mit hoher Frequenz zu überwachen. Dies kann nur durch den
Einsatz eines Monitoringsystems gelingen, bei dem vor Ort installierte Sensoren die er-
hobenen Messdaten bzw. Ereignisse unmittelbar an eine Auswertestelle übermitteln, in
der die Daten automatisiert analysiert werden. Zur Umsetzung eines derartigen Monito-
ringsystems können heute die Konzepte des IoT herangezogen werden. Das IoT be-
zeichnet dabei die Idee, beliebige Gegenstände, ob physische oder virtuelle, zu vernet-
zen, um über das Internet Daten auszutauschen (Latvakoski et al. 2014).
Die Umsetzung jeder IoT-Anwendung basiert dabei auf einer ähnlichen Architektur, die
aus vier Schichten, nämlich den IoT-Geräten, den Technologien zur intermaschinellen
Kommunikation (Machine-to-Machine, M2M), der Verwaltung der Informationen sowie
der/den Softwareanwendung(en) zur Steuerung, Analyse und Visualisierung besteht
(Abbildung 1).
Abb. 1: Architektur von IoT-Systemen (angelehnt an: Herle et al. 2018)
IoT-Geräte können dabei beliebige vernetzbare Gegenstände (z. B. Haushaltsgeräte im
Smart Home), Sensoren (z. B. Temperatur-, Druck- oder Feuchtesensoren im Bauwerk)
oder Aktuatoren (z. B. elektrische Regler oder Servomotoren im Fahrzeug) sein. Für das
Bauwerksmonitoring sind insbesondere Sensoren bzw. Geosensoren von Interesse. Un-
ter Geosensor werden dabei solche Sensoren verstanden, die raumbezogene Phäno-
mene bzw. georeferenzierte Daten mit Ort und Zeit erfassen. Häufig werden zudem meh-
rere Messfühler an einen sogenannten Sensorknoten bzw. Geosensorknoten, einem au-
tonomen, netzwerkfähigen (zumeist) miniaturisierten Computer, adaptiert, der die Daten
Interoperable Sensor- und Dateninfrastruktur für das Echtzeitmonitoring von Wasserbauwerken 3
aller Sensoren (gleichzeitig) sammelt. Als Hardware-Plattformen für den Aufbau von IoT-
Sensorknoten existieren mittlerweile zahlreiche Lösungen. Neben professionellen Sen-
sorplattformen sind insbesondere die low-cost Lösungen auf Grundlage der Arduino-
Plattform1 oder des Raspberry Pi2 sehr verbreitet.
Für die Vernetzung der Sensorknoten und den Echtzeit-Datenaustausch werden Kom-
munikationstechnologien und -protokolle benötigt. Im IoT spielen insbesondere draht-
lose Technologien eine große Rolle, die eine sehr flexible und, je nach Anzahl der zu
vernetzenden Geräte, auch kostengünstige Lösung für den Aufbau von skalierbaren
(Geo-)Sensornetzwerken darstellen. Beispiele für die drahtlose Vernetzung der Geräte
sind Funkprotokolle wie ZigBee, Bluetooth Low Energy (BTLE) oder 6LowPAN (vgl. z. B.
Sauter 2015). Die Verbindung zum Internet erfolgt dabei zumeist über eine Datensenke
(Gateway), in der die Daten aller Sensoren des Netzwerks gesammelt werden, und die
entweder drahtgebunden über Ethernet oder drahtlos mittels WiFi, LTE oder Satellit mit
dem Internet verbunden sind (vgl. z. B. Sauter 2015). Als Applikationsprotokolle des IoTs
sind grundsätzlich alle Anwendungsprotokolle des Internets denkbar, aber nicht unbe-
dingt optimal geeignet. Das bekannte Hypertext Transfer Protokoll (HTTP) des World
Wide Webs (WWW) beispielsweise ist ein anfragebasiertes Protokoll, d. h. HTTP basiert
auf der clientseitigen, expliziten Anforderung der Information (Pull-Prinzip) von einem
(Web)Server. Eine unmittelbare, unaufgeforderte Datenübertragung (Push-Prinzip), wie
es bei instantaner Übertragung von Sensordaten i. d. R. sinnvoll ist, ist somit zunächst
nicht gegeben. Alternativen stellen daher Push-basierte Protokolle wie das Message
Queuing Telemetry Transport (MQTT)-Protokoll dar, bei dem die Daten ereignisbasiert
an eine zentrale Vermittlungsstelle, den sogenannten Broker, verschickt werden. Die
potenziellen Datenkonsumenten können sich beim Broker themenbasiert durch Angabe
eines sogenannten Topics registrieren und erhalten die abonnierten Daten in nahezu
Echtzeit direkt von der Vermittlungsstelle. Das Protokoll ist zudem sehr leichtgewichtig
und deshalb auch für ressourcenarme Geräte (z. B. Arduino Sensorknoten) geeignet
(OASIS 2014).
3 Interoperabilität
Für ein ganzheitliches Monitoring sind neben den Sensordaten häufig zusätzliche Daten
aus verschiedensten weiteren (externen) Quellen erforderlich. Diese müssen zusam-
mengeführt und gemeinsam verarbeitet werden. Grundvoraussetzung hierfür ist eine
größtmögliche Interoperabilität, d. h. der nahtlose Austausch von Daten zwischen ver-
schiedenen Systemen bzw. unterschiedlicher Quellen. Eine Möglichkeit zur Realisierung
von Interoperabilität ist die Verwendung von Standards. Neben den De-jure-Standards
1 https://www.arduino.cc/
2 https://www.raspberrypi.org/
4 R. Becker, S. Herle und J. Blankenbach
der nationalen oder internationalen Normungsorganisationen (z. B. DIN, CEN oder ISO)
kommen hier ebenso De-facto-Standards in Frage. Im Bereich der raumbezogenen In-
formationsverarbeitung werden insbesondere die Standards des gemeinnützigen Open
Geospatial Consortiums (OGC) verwendet. Darunter fallen u. a. auch die Spezifikationen
des Sensor Web Enablement (SWE) (OGC 2018) für den interoperablen Umgang mit
Sensordaten. Die wichtigsten SWE-Standards sind hierbei das Austauschformat „Ob-
servation & Measurement“ (O&M 2.0) zur Beschreibung von Sensorbeobachtungen und
deren Eigenschaften, die „Sensor Model Language“ (SensorML 2.0) zur Beschreibung
der Sensoren und der „Sensor Oberservation Service“ (SOS) als standardisierter Dienst
für den Sensordatenaustausch.
4 MQTT und GeoMQTT
Auch das bereits erwähnte Protokoll MQTT ist ein Industriestandard und kann Interope-
rabilität gewährleisten. Beim MQTT erhalten Nachrichten bzw. Daten einen Namen (To-
pic) in einer (durch Verwendung von Vorwärtsschrägstrichen „/“) hierarchischen Struktur,
z. B. Raum/217/Temperatur. Durch Nutzung der Platzhalter „+“ bzw. „#“ können bei-
spielsweise alle Räume (z. B. Raum/+/Temperatur) bzw. alle Sensoren eines Raumes
(z. B. Raum/217/#) gefiltert werden.
Die Eigenentwicklung GeoMQTT erweitert das MQTT-Protokoll um eine raum-zeitliche
Komponente (Herle & Blankenbach 2016). Zusätzlich zu dem aus MQTT bekannten To-
pic-Namen werden ein Zeitstempel oder Zeitintervall und eine Geometrie eingeführt. Da-
mit können Daten oder Ereignisse zeitliche und/oder räumliche Metadaten erhalten. Die
Abonnements durch den Datenkonsumenten können neben den Topic-Filter mit zeitli-
chen und/oder räumlichen Filtern gestellt werden. Mittels eines Zeitintervalls, spezifiziert
in ISO8601 oder UNIX-Zeit, und einer Intervall-Intervall- oder Zeitpunkt-Intervall-Relation
kann ein zeitlicher Filter gesetzt werden. Zusätzlich definiert eine Geometrie und eine
räumliche Relation nach OGC’s Simple Feature Access (Herring 2011) den räumlichen
Filter. Die Geometrie kann mit verschiedenen Formaten wie Well-Known Text (WKT)
(Herring 2011), GeoJSON (IETF 2016) oder Geometry Markup Language (GML) (OGC
2018b) und in unterschiedlichen räumlichen Bezugssystemen enkodiert werden. Nur
wenn alle drei Filterarten eines Abonnements durch die Metadaten der Nachricht vom
Broker positiv evaluiert werden, wird die Nachricht entsprechend an Konsumenten wei-
tergeleitet. So können die Nachrichten nach Relevanz räumlich und zeitlich eingegrenzt
werden.
5 Sensor- und Geodateninfrastruktur
Geodateninfrastrukturen (GDI) dienen zur Bereitstellung und zum Austausch von (ins-
besondere öffentlichen) Geodaten über das WWW. Durch die Verwendung von Stan-
dards wird auch bei einer GDI die Interoperabilität gewährleistet. Derzeit werden weltweit
Interoperable Sensor- und Dateninfrastruktur für das Echtzeitmonitoring von Wasserbauwerken 5
Geodateninfrastrukturen auf unterschiedlichen Ebenen, von kommunal bis global, auf-
gebaut. Beispielhaft genannt seien die Geodateninfrastruktur Deutschland (GDI-DE)3 als
gemeinsames Vorhaben von Bund, Ländern und Kommunen in Deutschland und im Be-
reich der Küste die Marine Dateninfrastruktur Deutschland (MDI-DE)4. Auf EU-Ebene
wurde die „Schaffung der Geodateninfrastruktur in der Europäischen Gemeinschaft für
die Zwecke der gemeinschaftlichen Umweltpolitik sowie anderer politischer Maßnahmen
oder sonstiger Tätigkeiten, die Auswirkungen auf die Umwelt haben können“ durch die
INSPIRE-Richtlinie (INSPIRE 2007) vorangetrieben. Durch Ergänzung um raumbezo-
gene Sensordaten wird eine GDI zur Sensor- und Geodateninfrastruktur (Sensor and
Spatial Data Infrastructure, SSDI). Wesentlicher Bestandteil ist dabei die Einbindung von
Geosensoren bzw. Geosensornetzwerken und deren webbasierter Anbindung an die
GDI. Für das Auffinden, Visualisieren sowie den zentralen Zugriff auf Sensor- und Geoin-
formationen einer SSDI wird – wie bei jeder GDI – i. d. R. ein webbasiertes Portal (Geo-
portal) als Benutzerschnittstelle bereitgestellt, auf das mit einem Webbrowser zugegrif-
fen werden kann.
6 Anwendungsbeispiel EarlyDike
Im Rahmen des durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ge-
förderten Projektes „EarlyDike“ wurde eine SSDI als Grundlage für die Implementierung
eines sensor- und risikobasierten Frühwarnsystems für Küstendeiche aufgebaut (Abbil-
dung 2).
Abb. 2: Architektur der SSDI für das Deich-Monitoring (angelehnt an: Herle et al. 2016)
3 http://www.geoportal.de/DE/GDI-DE/gdi-de.html?lang=de
4 http://projekt.mdi-de.org/
6 R. Becker, S. Herle und J. Blankenbach
Ein Projektbestandteil ist die Detektion von Veränderungen in der inneren Struktur von
Deichbauwerken. Hierfür wurden vom Projektpartner ITA (Institut für Textiltechnik der
RWTH Aachen) neuartige smarte Geotextilsensoren entwickelt (Quadflieg et al. 2013)
und in ein Sensornetzwerk zur Erfassung verschiedener Parameter am/im Deich inte-
griert. Die Messdaten werden mittels des GeoMQTT-Protokolls an die zentrale Verteil-
stelle, den Geo Event Bus (GeoMQTT Broker), übermittelt. Auch die in Simulationen von
weiteren Projektpartnern (Institut und Lehrstuhl für Wasserbau und Wasserwirtschaft der
RWTH Aachen, Forschungsinstitut Wasser und Umwelt der Universität Siegen, Institut
für Wasserbau der TU Hamburg) errechneten Daten werden mittels des Protokolls an
den Broker gesendet. Alle Daten werden unter Nutzung des SOS-Standards in die Da-
tenbank eingespeist. Die Daten sind damit über HTTP-Anfragen im SOS-Standard ver-
fügbar und werden gemeinsam mit Daten Dritter in einem GeoPortal gebündelt. Abbil-
dung 3 zeigt beispielhaft das GeoPortal des „EarlyDike“-Projektes.
Abb. 3: Prototyp des EarlyDike Geoportals
Eigene Geodienste werden zudem für die Visualisierung der Simulationsergebnisse,
d. h. insbesondere Kartendienste als OGC Web Map Service (WMS), aufgesetzt und
vom Projektpartner BAW (Bundesanstalt für Wasserbau) in die MDI-DE eingebunden.
7 Fazit
Für eine effiziente, echtzeitfähige Überwachung von Wasserbauwerken werden Daten
unterschiedlicher Quellen benötigt. Neben den durch Sensoren vor Ort erfassten Daten
können dies auch von Dritten bereitgestellte Daten sein. Sie alle müssen in einer geeig-
neten Sensor- und Geodateninfrastruktur möglichst aktuell und zu mindestens partiell in
Echtzeit zusammengeführt werden, was eine hohe Skalierbarkeit und Interoperabilität
voraussetzt. Für die Gewährleistung von Interoperabilität beim Datenaustausch können
Standards, z. B. Geodatenstandards des OGC, verwendet werden. Die Skalierbarkeit
Interoperable Sensor- und Dateninfrastruktur für das Echtzeitmonitoring von Wasserbauwerken 7
und Echtzeitfähigkeit, z. B. bei der Übermittlung der Sensordaten, kann durch Verwen-
dung neuartiger push-basierter Protokolle des IoT gewährleistet werden; mit der Eigen-
entwicklung GeoMQTT ist dabei auch eine zeitliche und/oder räumliche Filterung mög-
lich.
8 Danksagung
Die Autoren bedanken sich bei den Projektpartnern im Verbundprojekt EarlyDike sowie
für die Förderung des Forschungsvorhabens durch das Bundesministerium für Bildung
und Forschung (BMBF) im Rahmen des Programms Geotechnologien (Förderkennzei-
chen: 03G0847A).
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Anschrift der Verfasser
Dr.-Ing. Ralf Becker
Stefan Herle, M.Sc.
Prof. Dr.-Ing. Jörg Blankenbach
{ralf.becker | herle | blankenbach}@gia.rwth-aachen.de
Geodätisches Institut und Lehrstuhl für Bauinformatik & Geoinformationssysteme der
RWTH Aachen University
Mies-van-der-Rohe-Str. 1
52074 Aachen
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