Didaktisches Kolloquium Mathematik Institut für Didaktik der Mathematik und
Elementarmathematik der TU Braunschweig 13. 12. 2011
Geometrisches Wissen in der Grundschule – Der Weg zu einer
experimentellen Studie
Renate Rasch, Universität Koblenz-Landau Campus Landau [email protected]
1
Geometrisches Wissen in der Grundschule
• 1 Eigene Befunde – Untersuchungsanlass
• 2 Klassische Untersuchungen - theoretischer Hintergrund
• 3 Beziehungshaltiges Wissen - Kernideen
• 4 Geometrie zwischen Instruktion und Eigenaktivität – experimentelle Studie
2
1 Eigene Befunde
Figurenkenntnis – betrachtet über die Grundschuljahre 2003
aktualisiert 2010/2011
3
5
Begriffe, die Kinder in diesem Zusammenhang nennen: Viereck, Quadrat, Rechteck, Dreieck, Kreis, Halbkreis, Würfel
Zeichne Dreiecke, Vierecke, Kreise und Würfel. Kl. 1/Schulanfang
7
2% der Kinder unserer Untersuchung (n=100) repräsentierten Würfel durch eine perspektivische Darstellung, die anderen wählten mit Selbstverständlichkeit die Flächen, um Würfel zu repräsentieren.
• Auftrag für Klasse 2, 3 und 4
Zeichne Flächen und Körper, die du kennst.
8
-Begriffe -Eigenschaften -Zusammenhänge -Darstellungen
Was lernen sie?
10
Zeichne Flächen und Körper, die du kennst. (Kl. 4)
Schülerin mit weniger guten Voraussetzungen in Mathematik am Ende der Grundschule:
• Wir betreiben früh eine rechtwinklige Geometrie ohne die dafür notwendigen Eigenschaften.
• Wir vernachlässigen Figuren, die wichtige Träger für geometrisches Verstehen sind, z. B. das Dreieck.
• Begriffe, die man für eine Geometriesprache braucht, vermitteln wir nicht bzw. nur halbherzig, z. B. Winkel.
• Geometrisches Wissen wächst im Zusammenhang mit den Darstellungsfähigkeiten. Wir führen die Kinder zu spät an das Zeichnen (die Zeichengeräte) heran.
• Wir nutzen kaum die besonderen Möglichkeiten dynamischer Geometriesoftware in der Grundschule. (Quelle: z. B. Markus Reiter. Grundschulunterricht, Heft 1/2012. Oldenbourg; Beiträge zum Mathematikunterricht 2011. Springer)
• Wir fördern besonders leistungsfähige Kinder nicht ausreichend. • …
16
Eine ToDo-Liste?
• Die Untersuchungen von Dina van Hiele-Geldorf und Pierre van Hiele (1957) haben ihre Relevanz bis heute behalten und bilden die Grundlage für zahlreiche Untersuchungen (Clements et al. 1996; Reimann 2010; Szinger 2006) und die Entwicklung von Curricula und Standards in der Geometrie (Common Core Standards 2009).
24
• Level 0: Visualization
• Level 1: Analysis
• Level 2: Abstraction
• Level 3: Deduction
• Level 4: Rigor
Pierre van Hiele beschrieb, dass seine Kinder Stufen erreichten, die sich durch markante Punkte beschreiben ließen und auf der Grundlage solcher markanten Punkte konnte er Niveaustufen identifizieren.
25
Wie Kinder lernen, Geometrie zu verstehen Pierre und Dina van Hiele (1957) Fünf Denkebenen der Entwicklung geometrischen Denkens
Level 1
Die Objekte des Denkens sind die
Figuren (classes of shapes), die das Kind bezüglich ihrer Eigenschaften betrachten kann.
Level 2
Die Schüler verstehen, dass
Eigenschaften miteinander in Beziehung stehen und eine bestimmte Sorte Merkmale andere Eigenschaften hervorruft.
26
„Sie gehen davon aus, dass ein Quadrat kein Rechteck ist.“
„Sie erkennen, dass alle Quadrate Rechtecke, aber nicht alle Rechtecke Quadrate sind .“
• „Ein Kind muss genügend Erfahrungen zu geometrischen Ideen erwerben können (classroom or otherwise), um ein höheres Entwicklungsstadium zu erreichen. …“
27
• Ziele einer experimentellen Studie:
– Inhalte der Grundschulgeometrie so aufbereiten, dass Grundschulkinder auch in der Geometrie Zusammenhänge sehen, artikulieren und nutzen, sich zwischen Level 1 und 2 bewegen lernen
– Niveaustufen genauer beschreiben
28
• Geometrie 1: Faltwinkel (Gerade, Strecke, Strahl, sich schneidende Geraden, Winkel, rechter Winkel, Rechteck, rechteckige Körper, senkrechte Linien, parallele Linien, Parallelogramm)
• Geometrie 2: Achsenkreuz (sich senkrecht schneiden, senkrecht zueinander, rechte Winkel, Quadrat, Drachenviereck, Raute, Kreis)
• Geometrie 3: Dreiecke (beliebige Dreiecke mit spitzen und stumpfen Ecken (Winkeln); Dreiecke mit zwei gleichlangen Seiten; Dreiecke mit drei gleichlangen Seiten)
• Geometrie 4: Streifengeometrie (parallele Kanten; Trapez, symmetrisches Trapez; Parallelogramm; Rechteck; Quadrat)
• Geometrie 5: Kreise (Halbkreis, Viertelkreis – Faltwinkel , Dreiviertelkreis, Vierviertelkreis; Quadrat, halbes Quadrat – rechtwinkliges Dreieck; Achteck; Kegel)
• Geometrie 6: Dreiecke im Quadrat ( gleichschenklig, rechtwinklig, zusammengesetzte Figuren, Geometriedreieck, halbe rechte Winkel, parallele Linien, rechtwinklige Dreiecke im Kreis)
• Geometrie 7: Gleichseitige Dreiecke ( Linien im Dreieck; Symmetrien, Beziehungen zu Trapez, Raute, Sechseck, Würfel, Parkettieren, Tetraeder,
platonische Körper)
• Geometrie 1: Faltwinkel (Gerade, Strecke, Strahl, sich schneidende Geraden, Winkel, rechter Winkel, Rechteck, rechteckige Körper, senkrechte Linien, parallele Linien, Parallelogramm)
31
36
1 Erinnern/Reflektieren
2 Wissen aufnehmen
3 Anwenden/Erproben
4 Austauschen/Besprechen
Unterrichtsstrukturen
39
Klassenstufe 1 (Auswahl)
• Zeichne und schneide Dreiecke mit zwei gleichlangen Seiten.
• Lege mit 4 Dreiecken aus dem Quadrat verschiedene Vierecke und ein großes Dreieck. Klebe die Figuren auf.
• Falte ein Achsenkreuz und setze Quadrate und Kreise darauf.
• Zeichne oder falte Drachenvierecke und klebe sie auf.
• Falte und schneide Vierecke aus dem Papierquadrat und schreibe die Namen dazu.
• Zeichne mit dem Dreieck aus dem Papierquadrat. Schreibe die Namen der Figuren daran.
• Zeichne mit dem Papierdreieck senkrechte und parallele Linien. Ergänze einzelne Figuren zu Rechtecken.
Instruktion
Offene Aufgabe
• Falte aus einem Kreis das Ziffernblatt einer Uhr und setze Figuren darauf.
• Nimm dir eine Figur und finde heraus, wie viele Symmetrielinien diese Figur hat: keine, eine, zwei, drei, vier, mehr als vier. Zeichne die Symmetrielinien ein.
40
• Finde Figuren im und mit dem Kreis. Zeichne und falte.
• Arbeite mit Streifen. Finde Quadrate, Rechtecke, Parallelogramme und Trapeze. Schreibe die Namen der Figuren daran.
• Zeichne parallele Linien, die sich schneiden. Du findest Parallelogramme. Lege zwei Streifen aufeinander, du findest Parallelogramme. • Zeichne senkrechte und
parallele Linien mit dem Geometriedreieck. Finde Rechtecke und skizziere Muster.
Klassenstufe 2 (Auswahl erstes Halbjahr)
Offene Aufgabe
Instruktion
43
5. Geometriestunde, Kl. 1
Lege mit 4 Dreiecken aus dem Quadrat verschiedene Vierecke und klebe sie auf.
• Stunde 9: (16.06.2011):
Zeichne mit dem Dreieck aus dem Papierquadrat. Schreibe die Namen der Figuren dazu.
• Stunde 10 (24.06.2011):
Zeichne mit dem Papierdreieck senkrechte und parallele Linien. Ergänze einzelne Figuren zu Rechtecken.
44
• Welche Denkprozesse bewältigen sie, welche nicht?
• Welche Darstellungsfähigkeiten lassen sich früh entwickeln, welche nicht?
• Welche Fachbegriffe können sie verinnerlichen, welche nicht?
• Wann können erste Zusammenhänge bewusst genutzt werden? Welche sind das?
• Wie differenzierend müssen wir vorgehen?
46
Wie kann sich geometrisches Wissen entwickeln, wenn es ausreichend Anregungen gibt?
Was ist in einer bestimmten Jahrgangsstufe möglich – welches Lernangebot muss man Kindern demzufolge machen?
48
• Level 0: Visualization
• Level 1: Analysis
• Level 2: Abstraction
Bisherige Ergebnisse: -Jahrgangsstufe 1: erreichte Level 0, aber auf der Grundlage der Kenntnis zahlreicher geometrischer Formen -Jahrgangsstufe 2 (?): bewegt sich auf Level 0 (anspruchsvolle Formen können besser verinnerlicht werden, weitere Formen kommen dazu), vielfach schon auf Level 1 (Träger sind die rechten Winkel und die parallelen Seiten); erste Ansätze für Level 2 erkennbar: „Drei Symmetrieachsen beim gleichseitigen Dreieck, das ist wie beim Quadrat mit vier.“
Top Related