GemeinGüter – Wohlstand durch teilenSilke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes
Heinrich-Böll-Stiftung Schumannstraße 8, 10117 Berlin www.boell.deISBN 978-3-86928-020-2
Sie sind die großen Unbekannten. Und doch leben wir alle von ihnen. Durch sie vor allem existiert unser Gemeinwesen. Die Rede ist von den Gemeingütern. Von Luft und Wasser, von Wissen, Soft-ware und sozialen Räumen. Und von vielen anderen Dingen, die unser tägliches Leben und Wirtschaften ermöglichen. Doch viele dieser Gemeingüter sind bedroht – sie werden dem Gemeinwesen entzogen, kommerzialisiert, unwiederbringlich zerstört. Stattdes-sen müssten sie kultiviert und erweitert werden.
Wir brauchen ein neues Bewusstsein für die Bedeutung dieser « uns gemeinen Sachen ». Denn ohne sie gibt es keinen Wohlstand und kein Wohlergehen. Gemeingüter brauchen Menschen, die sich für sie stark machen, die sich für sie verantwortlich fühlen. Zahl-reiche Probleme der Gegenwart erwiesen sich als lösbar, wenn wir all unsere verfügbare Energie und Kreativität auf das richten, was unseren Reichtum begründet, was funktioniert und den Menschen hilft, ihre Potenziale zu entfalten. Dieser Report will diese Dinge wie die « Gemeine Peer-Produktion » ins öffentliche Licht rücken.
Wasser Internet Photosynthese Moore Wald
Luft Wiesen Gesundheit Weiden Frequenz-Spek-
trum Periodensystem Gene Boden Eis Elek-
trizität Feuer Bildung Heide Artenvielfalt
Licht Meereswellen Bodenschätze Kultur
Meeresboden Energieträger UV-Strahlung
Ozonschicht Riffe Software Kulturtechni-
ken Lesen Schreiben Algorithmen Sprache
Stille Märchen Wissen Musik Tänze Traditio-
nen MarktPlätze Parks Wikipedia Landschaf-
ten Zeit soziale Netze Kochrezepte Gezeiten
Wasser Internet Photosynthese Moore Wald
Luft Wiesen Gesundheit Weiden Frequenz-Spek-
trum Periodensystem Gene Boden Eis Elek-
trizität Feuer Bildung Heide Artenvielfalt
Licht- und Meereswellen Bodenschätze Kul-
tur Meeresboden Energieträger UV-Strahlung
Ozonschicht Riffe Software Kulturtechni-
ken (Lesen Schreiben Algorithmen Sprache
Stille Märchen Wissen Musik Tänze Traditio-
nen (Markt-)Plätze Parks Wikipedia Landschaf-
ten Zeit soziale Netze Kochrezepte Gezeiten
1
Inhalt
vorwort 3
Über dIesen report und seInen GeGenstand 4
Zum auftakt 5
GemeInGÜter, Commons, allmende — was Ist das? 6
bausteIne eIner GemeInGÜter arChItektur 11
wIe wIrken GemeInGÜter? 13
exkurs: dIe traGödIe der « traGIk der allmende » 16
exkurs: ICh und dIe anderen 21
wem Gehören GemeInGÜter? 22
GemeInGÜter stärken: Ideen, InItIatIven, InstItutIonen 30
GrundZÜGe eIner GemeInen peer-produktIon 41
Zum sChluss: eIne vIsIon 44
lInks 46
autoren 48
GemeinGüter–Wohlstanddurchteilen
einreportvonsilkehelfrich,rainerKuhlen,Wolfgangsachsundchristiansiefkes
herausgegebenvonderheinrich-Böll-stiftung
BY sa
Gestaltung: blotto,Berlindruck: agit-druck,Berlin
allehauptüberschriftenimheft:«letstrace»vonJamesKilfigerhttp://openfontlibrary.org
isBn978–3–86928–020–2
Bestelladresse:heinrich-Böll-stiftungschumannstraße8,10117Berlin
t +493028534-0F +493028534-109e [email protected]
www.boell.de
vorWort 3
vorwort
«eineGesellschaftohneGemeingüteristwieeinhimmelohnesonne.»
derBlickrichtetsichindieZukunft.dochdieWiederentdeckungderGemeingüter beschäftigt vielewissenschaftlichedisziplinenschonseitetwa30Jahren.auchdiesozialenBewegungenhabensieentdeckt:derenProtagonistensuchennachalternativenzuunserem zerstörerischen Wirtschaftsmodell und bringen denschutzderGemeingüterwiederindiegesellschaftlichediskussionunddiepolitischeauseinandersetzungein.sodringendasthemaunddasnachdenkenüberdenWertderGemeingüterzunehmendauchinspolitischeFeuilletonundindieöffentlicheWahrnehmungvor.auchdervorliegendereportwilldazueinenBeitragleisten.er erklärt den Facettenreichtum des Begriffs und beschreibt,inwelch vielfältigerWeisedieGemeingüter zu einemleben inFreiheitbeitragenkönnen.eineneubewertungderGemeingüterermöglichtes,dasdominierendeWirtschaftsmodellvomKopfaufdieFüßezustellen.ZahlreicheProblemederGegenwarterweisensichnämlichalslösbar,wennwirdieverfügbarenenergienaufalldasrichten,wasfunktioniertunddenmenschenhilft,ihrePoten-zialezuentfalten.derreportwilldiesedingemitvielenBeispie-leninslichtrücken.ereröffneteineneuePerspektiveaufFra-gen,diejedeGenerationaufsneuebeantwortenmuss.undnichtseltenbedarfeslediglicheinesPerspektivwechselsalsschlüsselzuinnovativenideenundlösungen.dieheinrich-Böll-stiftungbeschäftigtsichseiteinigenJahren
mit demthemaGemeingüter.so geht dieserreport letztlichauchaufimpulseeinigerunsererauslandsbüroszurück,vorallemaberaufdie fruchtbareKooperation,die im interdisziplinärenpolitischensalon«Zeitfürallmende»denkerinnenunddenkerausverschiedenendisziplinenfüreinigeZeitzusammenführte.meindankgilt allenautorendiesesWerks, vor allemaber
silkehelfrichfürihrbesonderesengagement.ichwünscheeineinspirierendelektüre.
Berlin,imdezember2009
Barbaraunmüßigvorstandderheinrich-Böll-stiftung
üBerdiesenrePortundseinenGeGenstand4
Über dIesen report und seInen GeGenstand
Wassichinaltertraditionres communes nannte–dieunsgemeinensachen–,wurdezugunstendervommarktorganisiertenres privataeunddervomstaatbereitgestell-tenres publicaewennnichtvergessen,sodochverdrängt.als«niemandssachen»,res nullius,wurdensiebehandelt.luftundWassersindprominenteBeispielefürGemein-güter,dietrotzihrerBedeutungvielfachdasschicksalder«niemandssachen»teilen,jenerdingealso,umdiesichniemandkümmert.dassdieskatastrophaleFolgenfürunsallehat,trittheuteüberallzutage.dabeisinddieres communes,imenglischen:«commons»,oderGemeingüter,wie
wirsieimdeutschenvorläufignennenwollen,keineswegs«herrenlos».siekönnenunddürfennichtfürbeliebigeZweckegenutztodergarzerstörtwerden.Fürsiekönnenrechtereklamiertwerden,vonunsallen.Gemeingütersinddiedinge,dieunsnähren,dieunserlauben,miteinanderzukommunizierenundunsfortzubewegen,dieunsins-pirierenundanortebindenunddiewir–nichtzuletzt–alsmüllschluckerfürunsereabgaseundabwässerbenötigen.derklassischeeigentumsbegriff,derinersterliniealsdasrechtdeseinzelnen
verstandenwird,bekommtdurchdieBesinnungaufeingemeinschaftlichesrechtandenGemeingüterneineneuedimension.
WelcheKonsequenzenhates,wennGrundundBodenalsGemeingüterbegriffen ◆
werden?Wieverändertsichderöffentlicheraum,wennernichtmehrdurchWerbung, ◆
lärm,autosoderParkhäuserbeliebigprivatisiertwerdendarf?Wiewärees,wenndiefreienutzungvonWissenundKulturgüterndieregelund ◆
derenkommerziellenutzungdieausnahmewäre?WelcheregelnundinstitutionensindfürdensinnvollenumgangmitGemeingü- ◆
terngut?
dieseFragensindwedertheoretischnochinihrenpraktisch-politischen,sozialenundökonomischenKonsequenzenausdiskutiert.WirversuchenindiesemreportdasPotenzialderGemeingüterauszuloten,wenn
sie angemessen undnachhaltig genutztwerden.Wir ergründen,was ihreexistenzbedroht.Wirschauen,welcheregelnsichinwelchensituationenbewährthabenundwelcheneuzuentwickelnsind.aufdenfolgendenseitenteilenwirmitihnenunsereüberlegungenundGeschichten.Gemeingütersindnichtallegleich,sowenigwiedieinstitutionellenGewänder,die
wirbrauchen,umdievorhandenenressourceningesicherteGemeingüterzuverwan-deln.dieverleihungdesnobelpreisesfürWirtschaft2009andiecommons-theoreti-kerinelinorostromhatderdiskussiondieserFragenweltweitBeachtungverschafft.anregendsindauchdietheoretischenansätzedesÖkonomenYochaiBenklerundseinvorschlag einer «commons-based peer production», also einer «Gemeingüterwirt-schaftdurchGleichgestellte»bzw.einer«GemeinenPeer-Produktion».Gemeingütermüssengestärktwerden,jenseitsundinergänzungvonmarktund
staat.dabei ist jeder aufgefordert, seineverantwortung alsmitbesitzer der «unsgemeinen sachen» wahrzunehmen und somit Freiheit undGemeinschaftlichkeit zugewinnen.Gemeingüterbrauchenmenschen,nichtalleinmärkteundstaatlicheFür-sorgeoderregulierung.derreichtum,derdurchdieGemeingütergegebenist,mussinallenräumen,indenenwirleben,neuundfairverteiltwerden.dieautorinunddieautorensindvielenmenschendankbarfürdiesolidarisch-kri-
tischeunterstützungunddiekreativeBegleitung–insbesonderechristianeGrefe,Jillscherneck,oliverWilling,JacquesPaysanundtonischilling.
silkehelfrich,rainerKuhlen,Wolfgangsachs,christiansiefkes
«etquidemnaturaliiurecommuniasuntomniumhaec:aeretaquaprofluensetmareetperhoclitoramaris.»
«unddurchnaturgegebenesrechtsindinWahrheitdiefolgendenGüterallengemein:dieluft,dasfließendeWasserunddasmeerund–ausdemselbenGrund–dieKüstendesmeeres.»Justinian(535n.c.)
ZumauFtaKt 5
Zum auftakt
GemeingütersinddasgutgehüteteGeheimnisunseresWohlergehens.Jederbegegnetihnenalletage,trifftsieanvielenortenundnutztsieständiginWirtschaft,Fami-lie,PolitikundFreizeit.siegehören zuden für selbstverständlichgehaltenenvor-aussetzungendessozialenundwirtschaftlichenlebensundbleibendochweitgehendunsichtbar.stattdessenistdieaufmerksamkeitderÖffentlichkeitaufihrejüngerenGeschwister gerichtet: auf die privatenGüter,wie sie von denFertigungshallen zudeneinkaufszentrenunddenKonsumentenströmen,undaufdieöffentlichenGüter,wiesieBürgermeisterundministerpräsidentenlandauf,landabplanenundeinweihen.dasWirtschaftsdenkenistvorallemaufdasaufundniederderanhäufungprivaterGüterfixiert.danebenbleibtnuraufmerksamkeitfürdieebbeundFlutindenstaats-kassen,ausdenenöffentlicheGüterbezahltwerden.GemeingüteraberfristeninderdebatteüberdasWohlergehenunsererGesellschafteinschattendasein–unddochsindsieunabdingbar.
Die Unternehmen brauchen Gemeingüter, um produzieren zu können. Wir alle brauchen sie zum (Über-)Leben.
imoktober2009erhieltmitelinorostromdieweltweitrenommiertestecommons-ForscherindenWirtschaftsnobelpreis.es istdieehrungeineslebenswerks.«lin»ostromhatgemeinsammitmehrerenGenerationenvonstudierendenundForschen-densystematischdieWeltdurchkämmt.siehatuntersucht,wieesmenschengelingt,mitgemeinsamgenutztendingensoumzugehen,dassalleihreBedürfnissebefriedi-genkönnen.auchdieGenerationenvonmorgen.WiekaumeinandererweißostromumdieKreativitätunddieKommunikationsfähigkeitdermenschenbeiderlösungvonProblemen,dieihrlebenunmittelbarbetreffen.Wennmansielässt!mit demnobelpreisostroms rücken dieGemeingüter für einenmoment in den
mittelpunktderaufmerksamkeit.dasisteinehervorragendenachricht.aberauchinfolgederKrisen,diedieWelterschüttern,kehrtdasnachdenkenüberGemeingüterindieÖffentlichkeitzurück.docheskannnichtbeimnachdenkenbleiben.
Das Prinzip der Gemeingüterökonomie: Alle haben den gleichen Einfluss, können sich gleichberechtigt einbringen. Das Prinzip der Kapitalgesellschaften: Das Geld entscheidet. Mehr Geld = mehr Einfluss.
EINFLUSS
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GEMEINGÜTER-ÖKONOMIE
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KAPITAL-GESELLSCHAFT
elinorostromlehrtPolitik-wissenschaftanderindianauniversityinBloomington.imJahr2009bekamsiealsersteFraudenWirtschaftsnobel-preiszugesprochen.ostrombeschäftigtsichinihrerForschungmitWasserversor-gung,Fischerei,holzeinschlag,dernutzungvonWeidelandoderJagdrevieren.dabeiistsieeineGrenzgängerin:ostromarbeitetanderschnittstellezwischensozial-undWirt-schaftswissenschaft–undbereichertsobeidedisziplinen.ihrschlüsselwerkistdasBuchDie Verfassung der Allmende.Foto:oliviermorin,aFP/GettYimaGes
GemeinGüter,commons,allmende—Wasistdas?6
Das Gleichnis Der lieGestühle
einschiffgehtaufKreuzfahrtvonhafenzuhafen.aufdemoberdeckgibteslie-gestühle,allerdingsdreimalweniger,alsesPassagiereanBordgibt.indeners-tentagenaufFahrtwechselndieliegestühlefortwährendihreBesitzer.sobaldjemandaufsteht,giltderliegestuhlalsfrei;handtücheroderandereBelegsym-bolewerdennichtanerkannt.daswareinezweckmäßigeordnung,dasbegrenzteGebrauchsgut«liegestuhl»wurdenichtknapp.dochnachderausfahrtauseinemhafen,indemeinemengeneuerPassagiereanBordgekommenist,brichtdie-seordnungzusammen.dieneuankömmlinge,untereinanderbekannt,verhaltensichanders.siebringendieliegestühleansichunderhebenfortandauerhaftenBesitzanspruch.diemehrheitderanderenPassagierehatnunmehrdasnachse-hen.Knappheitregiert,streitistandertagesordnung.unddiemeistenGästeanBordsindschlechterdranalszuvor.
nachheinrichPopitz,Phänomene der Macht,tübingen1986
«carnivalcruise»Foto:FlicKr-nutZerJoshBousel
dieGeschichteisteinGleichnisvomverlustanGemeingüterndurchmachtmissbrauch.dieliegestühlestehenzunächstzurverfügung.dochihrangebotistbegrenztunddienachfragegroß;deshalborientiertsichdieGemeinschaftderPassagierezunächstanderregeleinerfreien,aberkurzfristigennutzung.sobaldfreilicheineGruppesichanmaßt, dieliegestühleals exklusivenBesitz inBeschlag zunehmen, funktioniertdiesesstückgeteiltenWohlstandsnichtmehr,undZwistbrichtaus.esherrschteineeinseitigeBereicherungvor,undschließlichhaltensichauchdieausgeschlossenenankeineregelmehr.dabeispielteskeinerolle,obdieBeschlagnahmederliegestühledurchdiemacht derellenbogen, durchdeneinsatz vonGeld seitensderreedereioderdurcheineanordnungdesKapitänserfolgt–fürdiemeistenPassagieregehtdieFahrtnununtereinbußeihrerreisequalitätweiter.dasGleichnislässtsichaufvielesbeziehen:Bildung,Wasser,land,dieatmosphä-
re.sowiediereisequalitätfürallemitdereinseitigenverfügungüberdieliegestühleverloren geht, leidet unserelebensqualität,wennnicht faire undnachhaltigenut-zungsrechteanjenendingenausgehandeltwerden,dieniemandemalleinzustehen.sokomplexundkonfliktreichsolcheaushandlungsprozesseauchsind,siekönnennurimmiteinanderstattimGegeneinanderzutragfähigenlösungenführen.
GemeInGÜter , Commons, allmende — was Ist das?
GemeinGüter,commons,allmende—Wasistdas? 7
GemeinGüter, commons, allmenDe – was ist Das?
NATUR SOZIALES KULTUR DIGITALERRAUM
Dinge, die gemeinsam genutzt werden, sind das innere Gerüst einer gelingenden Gesellschaft.
inderNatursindallemenschenaufWasser,Wälder,Boden,Fischgründe,artenviel-falt,landschaft,luft,atmosphäremitsamtdendamitverbundenenlebensprozes-senangewiesen.Jedermenschhateinenanspruchaufteilhabeandennaturgütern,unabhängigvomPrivateigentumanihnen.
imSozialen sindPlätze,ParksundöffentlicheGärten,Feierabend,sonntagundFeri-en,aberauchmitfahrgelegenheiten,digitalenetzeodersport-undFreizeittreffseinevoraussetzungdafür,dasssozialbeziehungenflorierenkönnen.WiralleprofitierenvonräumenundZeiten,dieungerichteteundunprogrammierteBegegnungenermög-lichen.sozialeGemeingüterkönnenvielfachvondenbetroffenenGemeinschaftenundBürgerinitiativenselbergepflegtwerden.sie reichenaberauch indenöffentlichenBereichhinein,indemdieöffentlichedaseinsvorsorgeeinewichtigerollespielt.sol-lenkomplexeleistungenwieGesundheitsversorgung,mitbestimmungundeinstabilesFinanzsystemfürallegesichertwerden,sindinnovativeherangehensweisenjenseitsvonmarktundstaaterforderlich.
inderKulturliegtesaufderhand,dasssprache,erinnerung,GebräucheundWissenfürjeglichematerielleundnicht-materiellehervorbringungunabdingbarsind.sowiewirnatürlicheGemeingüterfürdasüberlebenbrauchen,sindkulturelleGemeingüternot-wendigfürunserkreativestun.letztlichstützenwirunsinGeistundGeschickaufdievorleistungenzurückliegenderGenerationen.ingleicherWeisemüssendieleistungenderGegenwartankommendeGenerationenfreizugänglichweitergegebenwerden.
imdigitalen RaumfunktionierenProduktionundaustauschumsobesser,jewenigerderZugangzudenobjektenunddatenbeständenbehindertwird.FürdienavigationindervirtuellenWeltundfüreinekreativekulturelleentwicklungistesunabdingbar,dasssoftware-codessowiederreichtumderhochgeladenentexte,töne,BilderundFilmenichthintereigentumsansprüchenverschlossenwerden.
Plaza statt shoPPinG mall
aufderzentralenPlazahidalgoincoyoacán,mexicocity,wimmeltdasleben.diecafés sind voll, touristen undeinheimische lassen sich von Farben,Gerüchen undKlängenverführen.Wermag,kannverweilenundimschattenderBäumeaufeinerParkbankdemtreibenzuschauen.mankommtgernundimmerwieder.solcheplazasgehörenzumreizvielerlateinamerikanischerstädte.dennamen
teilensiemitanderenplazas,vernachlässigtenöffentlichenortenoderüberdimensi-onierteneinkaufspassagen.inderhauptstadtelsalvadorsbeispielsweisegeltendiezahllosenshoppingmallsals«einzigsichereFlaniermeile».elternsindberuhigt,ihrefast erwachsenenKinderdortundnicht imheruntergekommenenstadtzentrumzuwissen.dochhier,inden«malls»,patrouilliertderprivateWachdienst,nichtdiePoli-zei.hierherrschthausrechtstattBürgerrecht.
GemeinGüter,commons,allmende—Wasistdas?8
auchimZentrumsansalvadorsgibtesPlätzezumverweilen.diestadtverwal-tunghateinProgrammaufgelegt,umsiemitParkbänkenundtelefonhäuschenzuverschönern,dochmitdemFeierabendderinformellenhändlerverschwindetimweni-genminutenauchdasöffentlicheleben.andenlauenabenden,dieinsansalvadorzeitighereinbrechen,sinddiesePlätzeunbelebt.mankommtseltenundnochseltenerwieder.in einer repräsentativenumfrage des sozialwissenschaftlichen Forschungsinsti-
tutsFlacsovon2006antworten90ProzentderBefragtenaufdieFrage,obdasstadtzentrumvonsansalvadorfürsieeinenhistorisch-kulturellenWerthätte,mit«Ja».rund80Prozentmeintengar:«Ja,dasistunserPlatz.ergehörtdeneinwoh-nernvonsansalvador».aufdieFrageaber,obsiedasZentrumauchbesuchten,umsichdortzutreffen,antwortenrund60Prozent:«selten,undwenn,dannnur,wennichdortvorbeikomme.»Gut70ProzentwürdenalteGebäudeabreißenundsiedurchParkhäuser ersetzen. die verloren gegangeneBindung zum eigenen ort siehtmandemstadtzentrumsansalvadorsan.siewirdzerriebenzwischenvernachlässigung,investoreninteressenodersachzwängenderKommunalverwaltungen.
aberauchindermitteBerlinswerdenParksaufgelöstundstraßenzügeumgelegt,um«PlätzedesKonsums»zuerweitern.WerhatdieBürgergefragt,denendiestraßenundPlätzegehören?
Städtische Gemeingüter sind Orte voller Leben, an denen gewachsene Muster sichtbar werden, wie die berühmten Berliner Kieze, die Menschen selbst gestalten können und für die sie einzutreten bereit sind. Die Neuentdeckung des Gemeinguts öffentlicher Raum, kann die Städte wieder lebenswert machen.
zur Geschichte Des beGriffs GemeinGüter
dieideederGemeingüteristvieleJahrhundertealt.angesichtsihrerverdrängungausdemöffentlichenBewusstseinistesaufschlussreich,sichzuerinnern,dassvorrund1500JahrenimspätrömischencodexJustinianumeinetypologiedereigentumsfor-menformuliertwordenwar,diedemheutigenpopulärenverständnisvoneigentumanKomplexitätüberlegenist.vierBereichewurdendaunterschieden,dieGegenstandvoneigentumwerdenkönnen. ◆ Res nulliuswarenjenedinge,welchekeineneigentümerhattenunddeshalbvonjedermannnachBeliebenbehandeltwerdenkonnten.
«siehabendasParadiesgepflastertundeinenParkplatzdarausgemacht.»Jonimitchell,1970
einPlatzohneleben,Berlin-mitteFoto:FlicKr-nutZerteoruiZ
GemeinGüter,commons,allmende—Wasistdas? 9
◆ Res privataehingegenumfasstenjenedinge,welchesichimeigentumvoneinzel-nenoderFamilienbefanden.unterdie ◆ res publicaewurdendiedingegezählt,welchevomstaatfürdenöffent-lichenGebraucherrichtetwerden,wieetwastraßenoderöffentlicheGebäude.
unddieletzteKategorieweistaufunserthemahin:als ◆ res communesgaltenjenenaturgüter,diegemeinsameseigentumallermen-schensind,wiedieluft,dieFließgewässerunddasmeer.
DIEGEMEINGÜTER
NATUR LUFT WASSER PHOTOSYNTHESE MUTTERERDE ELEKTROMAGNETISCHE WELLEN DNS MINERALIEN TIERE PFLANZEN ANTIBIOTIKA OZEANE FISCHGRÜNDE AQUIFER STILLE FEUCHTGEBIETE WÄLDER FLÜSSE SEEN SONNENENERGIE WINDENERGIE SAMEN
KULTUR SPRACHE PHILOSOPHIE PHYSIK MUSIKINSTRUMENTE KLASSISCHE
MUSIK JAZZ BALLETT HIP-HOP ASTRONOMIE ELEKTRONIK INTERNET FREQUENZBEREICHE
MEDIZIN BIOLOGIE RELIGION MATHEMATIK CHEMIE OPEN SOURCE SOFTWARE
GEMEINSCHAFT STRASSEN SPIELPLÄTZE KALENDER UNIVERSITÄTEN BIBLIOTHEKEN SOZIALVERSICHERUNG GESETZE BILANZIERUNGSRICHTLINIEN KAPITALMÄRKTE MUSEEN POLITISCHE INSTITUTIONEN GELD AGRARMÄRKTE FLOHMÄRKTE CRAIGSLIST FEIERTAGE
* GRUND- ODER MINERALWASSER ENTHALTENDE ERDSCHICHT
NATUR LUFT WASSER PHOTOSYNTHESE MUTTERERDE ELEKTROMAGNETISCHE WELLEN DNS
MINERALIEN TIERE PFLANZEN ANTIBIOTIKA OZEANE FISCHGRÜNDE AQUIFER* STILLE
FEUCHTGEBIETE WÄLDER FLÜSSE SEEN SONNENENERGIE WINDENERGIE SAMEN
GEMEINSCHAFT STRASSEN SPIELPLÄTZE KALENDER UNIVERSITÄTEN
BIBLIOTHEKEN SOZIALVERSICHERUNG GESETZE BILANZIERUNGSRICHTLINIEN KAPITALMÄRKTE
MUSEEN POLITISCHE INSTITUTIONEN GELD AGRARMÄRKTE FLOHMÄRKTE CRAIGSLIST FEIERTAGE
dieseunterscheidungensindallesanderealsüberholt;siehelfennochheute,zueinerdifferenziertenWahrnehmung dereigentumsformen in derGesellschaft zu finden.dochdieFragenachdemWesenderGemeingütergehtweitüberdieeigentumsfragehinaus.dieres communesmüssenheutegroßzügigerverstandenwerden.sogehörenetwa
jenedingedazu,diediemenschenalskollektiveKulturleistunghervorbringen.oderjene,diesieindendigitalenWeltengemeinsamschaffen.
diedreiZuflüssezumstromderGemeingüter.GraFiKnachPeterBarnes
Gut zu wissen
Gemeingüter sind keine öffentlichen Güter, aber einige Gemeingüter teilenbestimmteeigenschaftenmitöffentlichenGütern.soistesschwierig,jemandenvondernutzungmancherGemeingüterwiederPhotosynthese,derWikipediaoderderalgorithmenauszuschließen.dasselbegiltfüröffentlicheGüter.FürandereGemeingüterwieWasserundBodengiltesnicht.einwesentlicherunterschiedzudenklassischenGütereinteilungenbestehtdarin,dassGemeingüterererbtsind:siesindentwederGabendernaturundwurdenalssolchegepflegt,odersiewur-denvonnichtimmereindeutigidentifizierbarenPersonenundGruppenhergestelltundweitergegeben.daskanneinhistorischlangerProzesssein(Kulturlandschaf-ten, sprache) oder ein sehr kurzer (Wikipedia, Freie software). Gemeingüterentstehen auch dadurch, dass sie von einzelnenmenschen hergestellt und zumGemeingut bestimmtwurden (wie dieseitenbeschreibungssprache des internethtml und das internetprotokoll http oder objekte unter einer freien lizenz).KeinPolitiker,keinstaathatdarüberbefunden.überdieherstellungöffentlicherGüterwirdhingegenmeistinstaatlichenins-
titutionenentschieden.dagehtesumdieversorgungmitstraßen,umdaslichteinesleuchtturmsoderumdieFrage,mitwelchenmittelnöffentlichesicherheitherstellbarist.undesgehtumdaseinsvorsorgeundinfrastruktur.
Öffentliche Güter bedürfen einer starken Rolle des Staates. Gemeingüter bedürfen vor allem mündiger Bürger. In einer Kultur der Gemeingüter leben heißt, das Leben in die eigene Hand nehmen.
selbstredendsindGemeingüterbzw.diemitihnenverbundenenrechtedermen-schenoftauchaufdenschutzdesstaatesangewiesen.sosinddieBewahrung
GemeinGüter,commons,allmende—Wasistdas?10
undFörderungglobalerGemeingüterkaumohnezwischenstaatlichevereinbarun-genzuerreichen.Gemeingütersinddanngerechtundnachhaltigverwaltet,wenngeteiltwird,
wasallenbegrenztzurverfügungsteht,undwennallenZugangzudendingenoffensteht,dieinFüllevorhandensind.Wennmeerundluftraumsoparzelliertwürdenwiedasland,müsste sich
jederstaathinreichendvielezusammenhängendemeeresgrundstückesichernunddiese als «Wasserstraßen» ausweisen, um den eigenenschiffen freie Fahrt zugewähren.nurwohlhabendenländerngelängedies.auf«fremden»Wasserstra-ßenmüsstenmautgebührenentrichtetwerden,undaußerhalbderWasserstraßendürftensichschiffeohneGenehmigungnichtbewegen.Fischernbliebennursee-grundstücke,die ihnenselbstgehören; fürtaucherundWassersportlergäbeeskeineBetätigungsmöglichkeiten,außerindafürabgetrenntenexklusivenlagen.
Das Meer ist Gemeingut. Alle haben das Recht, es zu befahren. Mobilität wäre ohne Gemeingüter nicht denkbar.
ZurwirtschaftlichennutzungbeanspruchendiemeistenstaatenexklusivrechtefürgroßeFlächenvorihrerKüste,währendschiffeüberallungehindertpassie-renkönnen,sofernsieinfriedlicherabsichtunterwegssind.dieParzellierungderoffenenseeistbislangunterblieben.dasselbegiltfürdenluftraum.imJahre1954klagteeinKanadiergegendas
überfliegenseinesGrundstücks.seinerargumentationzufolgegehörezueinemGrundstückauchdieerdedarunter–biszumerdmittelpunkt–unddieluftdar-über–unendlichweitbisinsall.Flugzeugemüsstendemnachseineerlaubnisein-holen,bevorsie«seine»luftdurchquerten.dochderrichterurteilte,dassluftundWeltraumnichteigentumsfähigsind,sondernzurKategoriederres omnium communisgehören.
Sie sind ein gemeinsames Erbe der Menschheit.
Lesetipp silkehelfrich;heinrich-Böll-stiftung(hrsg.):Wem gehört die Welt? Zur Wiederentdeckung der Gemeingüter,2.auflage,münchen2009
«oceanandreef»Foto:FlicKr-nutZeraliWest44
BausteineeinerGemeinGüterarchiteKtur 11
bausteIne eIner GemeInGÜter arChItektur
Gemeingüter fügen sich zusammenausdreiGrundbausteinen: denBaustoffen, denmenschensowiedenregelnundnormen,dieesermöglichen,alleKomponentenzuverbinden.
FUNDAMENT=
RESSOURCEN
MENSCHEN=
COMMUNITIES
RAHMEN=
REGELN
Der erste Baustein ist materiell.erbeziehtsichaufdieressourcenselbst:dasWas-ser,denBoden,dengenetischenunddensoftwarecode,dasWissen,diealgorithmenundkulturelletechniken; ebensoaufdieZeit,überdiewirverfügen,undnatürlichdieatmosphäre.alldassind«Gemeinressourcen»oder«allmenderessourcen»(engl.«commonpoolresources»).Jedermenschhatdasgleicherecht,siezunutzen.
Der zweite Baustein ist sozial.erverweistaufdiemenschen,diedieseressourceninanspruchnehmen.dieideederGemeingüter istohnedieBindungankonkrethan-delndemenschen inbestimmtensozialenumgebungennichtdenkbar.Wissenkannvonmenschengenutztwerden,z.B.umeinediagnosezustellenoderumzuheilen.Kulturtechniken können genutzt werden, um neues zu produzieren. die Gemein-schaft(«community»)oderallejenemenschen,diegemeinsameineressourcenutzen,machenressourcenzuGemeingütern.
Der dritte Baustein ist regulativ.erumfasstdieregelnundnormen,dieimumgangmitGemeingüterngelten.allerdingsisteseinunterschied,obdienutzungvonBytesundinformationengeregeltwerdenmussoderjenenatürlicherressourcenwieWas-serundWald.derumgangmitalldiesendingennimmtunterschiedlicheFormenan.dochgemeinsamistihnen,dasssievonjedernutzergemeinschaftweitgehendselbstbestimmtwerdensollten.dasgelingtnur,wenneineGruppevonmenscheneingemein-samesverständnisvomumgangmiteinerressourceentwickelt.denkomplexensozi-alenProzessdahinterbezeichnetderhistorikerPeterlinebaughals«commoning».inderWissenschaftwirddasalsinstitutionalisierungderGemeingüteraufgefasst.ausdiesem«commoning»ergebensichdieinoftkonfliktreichenProzessenauszuhandeln-denregelnundnormen.
REGELN+
NORMEN
GEMEIN-GÜTERRESSOURCEN
GEMEIN-SCHAFTEN
«thereisnocommons,withoutcommoning.»(«esgibtkeineGemeingüterohnegemeinsamestun.»)PeterlineBauGh
BausteineeinerGemeinGüterarchiteKtur12
in vielenGegenden derstadtBoston in denusagibt es einWinterritual.sobaldderersteschneefällt,werdenKisten,mülltonnenundstühlenachdraußengetragen.stühle sollen«schützen»,waseinigeBewohnerals«ihr»stückstraßebetrachten.elinorostromsagtdazu:«dasisteincommons!»Warum?invielenviertelnBos-tonsbestehteinigkeitdarüber,dass,werimmereinenParkplatzvomschneebefreit,berechtigtist,dortzuparkenbisderschneeschmilzt.mitdenstühlensignalisierendieBewohnerihrtemporäresnutzungsrechtdesvomschneebefreitenParkplatzes.hier–wieschonaufdemKreuzfahrtschiffmitdenliegestühlen–gibteseineeinfachelösung: vorübergehende nutzungsrechte statt schranken- und zeitlose verfügung.auchumeinfachelösungenwirdhäufiglangegerungen.
ParkenimwinterlichenBostonFoto:FlicKr-nutZerandWat
WieWirKenGemeinGüter? 13
wIe wIrken GemeInGÜter?
GemeinGüter schaffen lebensqualität
GemeingütersindQuellenvonWertundWerten–undzwaraußerhalboderinergän-zungzumärkten.esistfürmenscheninvielfacherWeisevonvorteil,wennsienebendenleistungen desmarktes und desstaates auch aufGemeingüter zurückgreifenkönnen.dasistoffensichtlich,wo–wieinzahllosendörfernimsüdenderWelt–gemein-
schaftlich genutzte naturgüter wieWeideland,Wasser, seen,Wälder, Felder undsaatgutdieBasisfürdenlebensunterhaltbilden.GemeinschaftsrechtesicherneinenunentgeltlichenZugangzuüberlebenswichtigenressourcen,dermitdermünzevonKooperationundsolidaritätbezahltwird.sobalddieleistungendieserressourcen–nahrung,Futter,Baumaterial,medizin,WärmeundWerkstoff–mitGeldgekauftwerdenmüssen,rutschendiemenscheninselend,daesihnenanKaufkraftfehlt.
Gemeingüter gestatten es den Armen, über die Runden zu kommen. Sie machen den Unterschied aus zwischen einer Existenz im Elend und einem Leben in Würde.
Ähnlichverhältessichinstädten.auchhiererweisensichdieGemeingüteralsver-mögensbestand,ausdemdingegeschöpftwerden,diesonstnurdurchdenKaufvonreise-,unterhaltungs-oderGastronomieleistungenverfügbarwären.sosind(spiel-)Plätze,höfeundParkanlagenZonendererholung,ortederGeselligkeitundBühnenderselbstdarstellung.Jedermenschhateinrechtaufsie,unddiePolitikistimmerdaran zu erinnern, dass sie uns nicht genommenwerden dürfen.GemeinschaftlichkönnensiegegenmöglicheKommerzialisierungverteidigtwerden.dochnichtselten–unddasistdiewirkliche«tragikderallmende»(siehes.16–trittdieBildungnicht-monetärerWertedurchGemeingütererst insBewusstsein,wenn jeneGemeingüterbereitsimverschwindenbegriffensind.soistzumBeispielstädtischedichteeinstückreichtum,dersichofterstnach
seinemverlusterschließt.KurzeWegeerlaubensparsamkeit,indemeinkäufezuFußerledigtwerdenkönnenoderKinderkeinentransportzurschulebrauchen.räumli-chenähestimuliertvernetzungundZusammenarbeit,etwafürselbstverwalteteKin-derkrippen,nachbarschaftshilfeodergemeinsamenGartenbau.injedemdieserFällelässtsichdieGleichungskizzieren:
KOOPERATIONSCHÖPFUNG
VON WERTENOHNE GELD
GEMEIN-RESSOURCEN
GEMEIN-SCHAFTEN
«sieundihreFamiliesindwohlhabender,alssiedenken.siehabenteilandenGemein-gütern.»harrietBarloW,onthecommons
WieWirKenGemeinGüter?14
GemeinGüter ermöGlichen teilhabe
«Gemeinschaftsgärten–dasist50%Gartenarbeitund100%lokalepolitischeorga-nisation»,meintKarllinn.linnistimpulsgeberdernordamerikanischenBewegungcommunityGarden.auchindeutschlanderlebenGemeinschaftsgärteneinerenais-sance.Besondersbemerkenswertistdieentwicklungder«interkulturellenGärten»,davonexistiereninzwischenfast100in55städten.Weitere50sindimentstehen.diemeistvonvereinengetragenenBürgerinitiativennutzenbrachliegendeGrundstü-ckefürdeneigenanbauvonlebensmittelnundalsortsozialerintegrationvonmig-rantinnenundmigranten.Gemeinsamhackendundgrabend,gewinnensieimwahrs-tensinnedesWortesneuenBodenunterdenFüßen.interkulturelleGärtensindortedernachbarschaftlichkeitunddesinterkulturellenaustauschs.dieBeteiligtenteilenraumundZeit,sietauschenWissenausundschlichtenKonflikte.siesindproduktivundkönnendabei auf starrehierarchischestrukturen verzichten.nachbarschafts-gärten,Klein-,Kraut-undGuerilla-Gärten:überallblühtdielustanurbanerland-wirtschaft.soentsteheninnerstädtischeoasen,indenenauchinnovationgedeiht.imhannoveranerstadtteilsahlkampbeispielsweiselebenmehrerehundertFamilienausunterschiedlichennationen.nebenarbeitslosigkeit prägen Jugendgewalt unddro-genmissbrauchdashochhausbebauteQuartier.dieerwachsenensindoftisoliertundnehmen,jenseitsihrerethnischennetzwerke,kaumamgesellschaftlichenlebenteil.dochinsahlkampverwandeltensieindenletztenJahrendiedächervontiefgaragenzukleinenGartenparadiesen.
urbanelandwirtschaftisteinwichtigeselementkünftigerstadtentwicklung.nochvorhandene innerstädtische Gartenbau- und landwirtschaftsbetriebe werden nichtlängerals«überreste»vorindustriellerZeitengelten,sondernalsBausteinederstadt-gestaltungvonmorgen.«hierwirdvorweggenommen,wasdiekünftigeentwicklungim großen stil erfordert: nachhaltige lebensstile und neue Wohlstandsmodelle»,schreibtdiestiftunginterkultur,diebundesweiteKoordinierungsstelledesnetzwerksinterkulturelleGärten.
Dabei geht es um Lebens- und Gestaltungsformen, die das Leben in immer komplexer und anonymer werdenden Städten lebenswert machen. Werden neue Gemeingüter geschaffen, müssen für sie aber neue Umgangsregeln und verbindliche Vereinbarungen zu deren Einhaltung gefunden werden.
BalticstreetcommunityGarden,BrooklynnYFoto:FlicKr-nutZerFlatBushGardener
WieWirKenGemeinGüter? 15
GemeinGüter bieten Plattformen für Kreativität unD KooPeration
dassKooperationenormproduktivseinkann, istaltbekannt. inderdigitalenWeltkonnten sich ganz neue kooperative Formen entwickeln. dank elektronischer ver-netzungsindz.B.tausendevonmenschen inderlage,andererstellungvonfrei-enBetriebssystemenoderanderenfreiensoftwareprogrammenmitzuwirken.inderWissenschaftsindkollaborative,globalverteilteundselbstorganisiertearbeitsfor-menselbstverständlichgeworden,ebensoimelearning.Kreativitätbekommtimdigi-talenZeitaltereineneue,überindividuelleBedeutung.oftstelltsichheraus,dassenthusiasmusundgesammelteKompetenzderhobby-
istendemKenntnisstandderexperten,z.B.ausdenkommerziellensoftware-Firmenodermedienunternehmen, innichtsnachstehen, ihnnicht seltensogarübertreffen.vierKöpfedenkenmehralszwei.indenimmerzahlreicherenanwendungenimWeb2.0wietwitter,WikisundBlogswirdmitneuenFormenderZusammenarbeitunddesteilensvonWissenexperimentiert.dasinternethatdasPotenzial,Plattformenfürkollaborativeintelligenzunddezentraleneinfallsreichtumzuentwickelnundfürallebereitzuhalten.nichtnursoftware,sondernauchProjektederForschung,Film-odertonproduktionenoderganzelexikaentstehenausdenBeiträgeneinervielzahlvonPersonen.«onlinecommunities»sindinderlage,überbreiteBeteiligunghochwerti-geProdukteunddiensteherzustellen,dieauchmonetärenWerthabenkönnten.
Entscheidend für diese Ökonomie des Teilens und der Beteiligung ist, dass alles für alle frei zugänglich ist. So ist garantiert, dass daran weiter gearbeitet wird, und was daraus entsteht, das sind neue Gemeingüter.
DIGITALERESSOURCEN
KOOPERATION
OFFENE FORMATE
+STANDARDS
FREIER AUSTAUSCH
+ WEITERENT-WICKLUNG
GEMEINGÜTER IN ELEKTRONISCHEN
UMGEBUNGEN
infastallenGesellschaftenmischensichWettbewerb,Planungundsolidarität.dochdie relativenanteile verschieben sich imlaufederGeschichte.deraustauschvonWaren über denmarkt stellt – so allumfassend und selbstverständlich er für unsgeworden ist– lediglicheineFormderGüterversorgungdar.mindestenszweiwei-tere tretenandieseitedesmarktes:diestaatlichorganisierteProduktionunddieProduktionundverteilunginGemeinschaften.WährendaufdemmarktdasPrinzipdesWettbewerbsherrschtundderstaatdasPrinzipderPlanungnutzt,stehtindenGemeinschaftendieGegenseitigkeitimvordergrund.Zeitenundräumesindgeschrumpft,indenenvertrauen,wechselseitigeanerken-
nungundengagementfürgemeinsameZieledentonangeben.Zugleichdeutetman-chesdaraufhin,dasssichgegenwärtigdiesuchenacheinerneuenBalancezwischenFreiheit und Bindung immer weiter ausbreitet. das Bedürfnis nach Gemeinschaft-lichkeitundfreierKooperationscheintsichnebendemWunschnachungebundenheiterneutGeltungzuverschaffen.diesemBedürfniskommteinestärkungderGemein-güterentgegen.soerfordertetwadiegemeinsameBewirtschaftungvonFischgrün-denanderkanadischenatlantikküsteeinausgeklügeltessystemderKooperation,wieauchdiekollektiveWeiterentwicklungvonoffenzugänglichenWissensquelleninderGemeingüter-Wirtschaft(«Peer-Produktion»)vomengagementfürgemeinsamePro-jektelebt.
Die Lösung der gegenwärtigen Probleme besteht nicht darin, dass sich der Staat zurücknimmt, um dem Markt Platz zu schaffen, sondern dass er vortritt, um den Gemeinschaften die Rechte an ihren Gemeingütern zu sichern.
«WarumsingtFigaro,warumschreibtmozartmusik,dieFigarosingt,warumerfindenwiralleneueWorte?Weilwireskönnen.homoludenstriffhomofaber.diesozialeBedingungglobalerverbin-dungen,diewirdasinternetnennen,ermöglichtunsallen,kreativzuseinaufeineneueundnieerträumteWeise.Wennwirnurnichtdas‹eigentum›dazwischenfunkenlassen.»eBenmoGlen,deranar-chismustriumPhiert
ExkursexKurs:dietraGÖdieder«traGiKderallmende»16
exkurs: dIe traGödIe der « traGIk der allmende »
derus-amerikanischeBiologeGarretthardinsetzte1968einemachtvolle metapher in die Welt. im renommierten Wissen-schaftsmagazin Science veröffentlichte er den aufsatz «thetragedyofthecommons»(«dietragikderallmende»).hardinsBildvonderWeide,aufdiealleherdenbesitzerihreschafetrei-ben,hatKarrieregemacht.nachhardintutjederherdenbesit-zerangesichtsdersichbietendenGelegenheit,sichanderWeideschadloszuhalten,dasselbe:erfügtseinerweidendenherdeeinschafhinzu,dannnocheinsundnocheinsusw.demeinzelnenscheint der augenblickliche Gewinn schnell fassbar. ein sattesschafmehr,einanteilmehr,einvorteilmehr.dieKostenaberwerden für ihn erst allmählich spürbar, denn siewerdendurchallegeteiltundindieZukunftverschoben.hardinwarüberzeugt,dassdiesedynamikunvermeidlichsei.siewirkesolange,bisdieWeideüberweidetistundniemandesschafmehrernährt.Garretthardinbeschreibtdiesalsunvermeidlichesschicksal;die«tragikderallmende»seitechnischnichtlösbarunderfordereangesichtssteigenderBevölkerungszahlendrastischemaßnahmen.einnie-derschmetterndesFazit.das Bild der übernutzten allmendeweide wurde seit den
1970er Jahren unkritisch auf zahlreiche situationen kollekti-verressourcenbewirtschaftungübertragen.eshielteinzugindie sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen lehrbücher undprägtedasdenkenganzerstudentengenerationen.dabeiwuchsdievorstellungder«tragikderallmende»zueinemunausrott-barenmythos.daran änderte auch derKommentar desÖko-nomenParthadasguptawenig.dasguptameintzummaßgeb-lichen abschnitt des hardinschen essays: es sei «schwierigeinePassagevergleichbarerlängeundBerühmtheitzufinden,diesovieleFehlerenthält»(Parthadasgupta,The control of Resources,oxford1982).erstdiezahlreichenForschungenausdemumfeld derWirtschaftsnobelpreisträgerinelinor ostromhabendieGrobschlächtigkeitdes«tragik»-argumentserkennenlassen.hardin hat dazu beigetragen, der engen Perspektive vom
menschenalshomo oeconomicus,alsbloßernutzenmaximie-rer,nahrungzugeben.schon1954hattescottGordonange-
«dererste,welchereinstücklandumzäunte,sichindensinnkommenließzusagen:diesistmein,undeinfältigeleuteantraf,dieesihmglaubten,derwarderwahrestifterderbürgerlichenGesellschaft.»Jean-JacQuesrousseau
ExkursexKurs:dietraGÖdieder«traGiKderallmende» 17
sichtsderdrohendenüberfischungdermeeredasniemandslandmitdem«eigentumaller»gleichgesetzt.dersatz«Jedermannseigentum istniemandeseigentum»erlangteBerühmtheit.sofolgte einKurzschluss demanderen.dietragik derallmendeseizwangsläufig,solangealleZugangzuihrhaben,solangesiejedermannsunddamitniemandeseigentumsind.hardinsahsichJahrespäterzuKorrekturenveranlasstund
bezeichnetenunseinenessaygenaueralseineanalyseder«tra-gikderunverwaltetenGemeingüter».tatsächlichbeschrieberinseinemursprünglichenessayeinesituationdesungehinder-tenZugangszuland,dasniemandemgehört.erverwechselteGemeingütermitniemandsland.
Doch Gemeingüter sind kein Niemandsland. Sie entstehen aus der Fähigkeit der Nutzergemeinschaften, Zugangs- und Nutzungsregel festzulegen, die allen dienen. Niemandem zugehörig zu sein ist untypisch für die Allmende.
Zudemginghardinoffenbardavonaus,dassdieherdenbesitzernichtmiteinanderreden.abermenschen,dienatürlicheressour-cengemeinsambewirtschaften,tauschensichständigaus.
Gemeingüter entstehen und entfalten sich aus der Kommunikation in lebendigen sozialen Netzen.
schließlichnahmhardinan,dassmenschenvorwiegendfürdenverkaufundmitentsprechenderGewinnerwartungproduzieren.
«dorfangerGroßarmschlag»Foto:KonradlacKerBecK,WiKimediacommons
«Fürhardinistdieallmendeeinschlaraffenland,dasleergefressenwird.FürseineKritikerehereingemeinsamesPicknick,zudemjederwasbeiträgtundwosichjederinmaßenbedient.»BernhardPÖtter,lemondediPlomatiQue,auGust2009,s.10
ExkursexKurs:dietraGÖdieder«traGiKderallmende»18
stattdessenbenötigenwirdieFüllederGemeingütervorallemfürunsselbst.istdasgesichert,musseinekommerziellenutzungnichtausgeschlossensein.die sogenannte «tragik derallmende» ist immer eine tra-
gikdermenschlichenGemeinschaft–einversagen,vernünftigeregeln für denumgangmit denGemeingütern zu entwickelnunddurchzusetzen.
Nirgends wird das deutlicher als dort, wo es tatsächlich ungeregelten Zugang zu natürlichen Ressourcen gibt oder wo die Kooperation innerhalb der Gemeinschaft aus verschiedenen Gründen nicht existiert. Die dramatische Übernutzung der Atmosphäre und die drohende Ausrottung der weltweiten Fischbestände offenbaren das bisherige Scheitern zahlloser Versuche, uns als Weltgemeinschaft miteinander auf sinnvolle Regeln zu verständigen. Das muss und kann anders sein.
WieWirKenGemeinGüter? 19
GemeinGüter ermöGlichen es, Gemeinsam mehr unD besseres zu erreichen
im Jahre 1991 hatte der finnische informatikstudent linus torvalds die idee, einBetriebssystemzuschreiben,alsoeinesoftware,diedenrechnersteuert.ZunächstwolltetorvaldsnurfehlendeFunktionenfürseinenneuerworbenenrechnernachrüs-ten,dochnachmonatelangerBasteleimerkteer,dass«sein»systemauchanderennützlichwerdenkönnte.«icharbeiteaneinem(freien)Betriebssystem(nureinhob-by…)»–schrieblinustorvaldsiminternet.erbatumrückmeldungenundfragte,welcheeigenschaftensichdieanderenvoneinemsolchensystemwünschten.Wochenspäterstellteerdiesoftwareinsnetz.dasermöglichtejedem,torvaldscodeherun-terzuladen,zuverwendenundbeientsprechendenProgrammierkenntnissendeneige-nenBedürfnissenanzupassen.dieankündigungstießaufgewaltigesinteresse,denndiedamaligenBetriebssys-
temekonntenentwederwenig(wiedos),odersiewarenteuer.ZudemwurdensievonFirmenentwickelt,aufdiedienutzerkeineneinflusshatten.dasvorgehenvonlinustorvaldswareinesensation.ermachtealleQuelltexteöffentlichzugänglich,batdienutzerexplizitumrückmeldungenundmitarbeitundstelltedieergebnisseallenzurverfügung.esdauertenurzweiJahre,bisüberhundertleutelinustorvalds’sys-temmitentwickelten,dasinanlehnunganseinenschöpfer«linux»getauftwurde.damalshattedasvonrichardstallmaninitiierteGnu-Projekt(siehes.39f.)bereitsvielefreieBetriebssystemkomponentenentwickelt.durchdieKombinationmitdemvontorvaldsgeschriebenenKernentstandeinpraktischnutzbaresundkomplettfreiesBetriebssystem:Gnu/linux.diefreielizenzGnuGPl(GeneralPubliclicense)sorg-tedafür,dieFreiheitunddamitdenGemeingutcharakterdessystemszuschützen.
heutegehörtlinuxnebenWindowsundmacoszudendreiamweitestenverbreite-tensystemen.eswirdmillionenfachverwendet.nochbeliebteralsbeiPrivatanwen-dernistlinuxbeiFirmen,dieesinsbesonderefürservereinsetzen,diedauerhaftundzuverlässiglaufenmüssen.auchwodieleistungsanforderungenbesondershochsind,wirddasfreieBetriebssystemgerneeingesetzt.solaufenetwa90Prozentder500schnellstensupercomputerunterlinux.dererfolgvonlinuxbasiertnichtnurdarauf,dassdiesoftwareselbstGemeingut
ist,erbasiertvorallemaufdercommunity,diehinterseinerentwicklungsteht.dieoffene,dezentraleundscheinbarchaotischeartundWeise,indertorvaldsundmit-streiterzusammenarbeiten,istals«Basar»-modellindiesoftware-Geschichteeinge-gangen–imGegensatzzumhierarchischen,sorgfältiggeplanten«Kathedralenstil»,dernichtnurdenBaumittelalterlicherKathedralen,sondernaucheinenGroßteilderinFirmenentwickeltensoftwareprägte.
die Beteiligung an Projekten für Freie software wird oft mit der 90–9–1-regelbeschrieben:90Prozentnutzendassystemnur,etwa9ProzenttragengelegentlichzurWeiterentwicklungbei, undnur1Prozentbeteiligt sich regelmäßigund inten-siv.deraufstiegmanchernutzerzusporadischenoderauchintensivenmitentwick-lernerfolgtper«selbstauswahl»–esgibtkeineBeteiligungsverpflichtung,aberauchwenighindernisse. Jeder sucht sich selbstaus, obundwie viel er tunmöchte.oftbeginntBeteiligungdamit,dassjemandeinen«bug»meldet–etwas,dasnichtrichtigfunktioniert;eventuellschreibterdanacheinen«patch»,einen«softwareflicken»,umdenFehlerzubeheben,oderertestetdassystemunddokumentiertdieProbleme–undschonwirdzurWeiterentwicklungdesGemeingutsbeigetragen.erfahrenereBeteiligtebegutachtendensoentstandenencode.sieentscheiden,ob
erinssystemaufgenommenwerdenkann,ohneBisherigeszuzerstören,oderobkor-rigiertwerdenmuss.Beilinuxgibtesungefährhundertdiesersogenannten«main-tainer».sieübernehmenverantwortungfürbestimmteteilsystemeundsorgendafür,dassallesläuft.Jelängerundintensiverjemandmitarbeitet,destounproblematischerwerden seine Änderungen von den zuständigen maintainern übernommen. selbstmaintainerzuseinbedeutetzwarmehrverantwortungundeinflussaufdieweitereentwicklungdesProjekts,aberesbringtkeinemachtüberandere.vielmehrsinddiemaintainerstetsaufdiefreiwilligenBeiträgederanderenangewiesen.
«tux»derlinux-PinguinvonlarrYeWinG
linustorvaldslinusmaG.com
dererfolgvonlinuxbasiertnichtnurdarauf,dassdiesoftwareselbstGemeingutist,erbasiertvorallemaufdercommunity,diehinterseinerentwicklungsteht.
WieWirKenGemeinGüter?20
derlinux-communityistesgelungen,einenfreienundoffenenstildersoftware-entwicklungzufinden,dermitwenigenFormalitäten(richtlinien)undohneBefehls-strukturenauskommt.siehatdabeidasfürdieklassischesoftware-entwicklunggel-tende«BrookscheGesetz»widerlegt,dasseinevergrößerungdesteamsübereinenbestimmtenPunkthinausdieentwicklungdersoftwareverlangsamt,daderKommu-nikationsaufwandüberproportionalansteigt.FürdieentwicklungimBasar-stilgilt:
« Unter der Voraussetzung, dass der Entwicklungskoordinator ein Medium zur Verfügung hat, dass wenigstens so gut ist wie das Internet, und dieser Koordinator weiß, wie man ohne Zwang führt, werden viele Köpfe zwangsläufig besser arbeiten als nur einer. » (Eric Raymond)
Lesetipp ericraymond:Die Kathedrale und der Basar.http://gnuwin.epfl.ch/articles/de/Kathedrale/
GemeinGüter sichern Den sozialen zusammenhalt
auchamBeispieldergrößtenunszurverfügungstehendenallmenderessource,dererdatmosphäre,wirdindiesenJahrenderZusammenhangvonmateriellemGutundGemeinschaftsbildungaugenfällig:umdieatmosphärevoneinemniemandslandzueinemGemeinschaftsgutzumachen,sinddienationendererdegezwungen,sicheinstückweit alsWeltgemeinschaft zukonstituieren.WeilGemeingüter «Kümmerer»brauchen,diefürderengedeihlichenutzungsorgetragen,begründensieneueFor-menderZusammenarbeit.mitanderenWorten:
Gemeingüter halten den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft lebendig, und liefern damit auch einen fundamentalen Beitrag zum Funktionieren von Markt und Staat.
Gut zu wissen
nichtallesistGemeingut,abervieleskannGemeingutwerden.Gemeingüterkennzeichnet…
dasseineressource,gleichobWasseroderWissen,dauerhaftgemeinsam ◆
genutztwird,stattsiezuverbrauchenoderanderenvorzuenthalten
dasssicheineidentifizierbareGruppeumdieentsprechenderessourceküm- ◆
mertundsiepflegt,stattsiederFreibeutereizuüberlassen
dassdieseGruppesichaufangemesseneundtransparenteregelnverständigt, ◆
stattregellosigkeitzuakzeptieren
dassderumgangmitdenressourcenweitgehendselbstorganisiertist,statt ◆
fremdbestimmtzusein
dassallenutzermitgestaltenundmitbestimmenkönnen,stattsichimmernur ◆
vertretenzulassen
dassdernutzensichverteilt,stattsichzukonzentrieren ◆
ExkursexKurs:ichunddieanderen 21
exkurs: ICh und dIe anderen
«dieFreiheitdeseinenendetdort,wodieFreiheitdesanderenbeginnt.»dieseideeunterstellt,dasswiralsindividuumisoliertsind; dasswir inKonfliktmit den interessen anderer geraten,wennwirunsereinteressen(oderdievonFamilienundFreunden)verfolgen.dochdieFreiheitderanderenistnichtunbedingtdasendeunsererFreiheit.sieistvielmehrderenBedingung.Gemeingütersindnichtstatisch.siesindinständigerverän-
derungbegriffenundgebenauskunftdarüber,wieeineGrup-pevonmenschennutztundreproduziert,wasniemandemalseinzelperson zusteht. die vielfalt und vitalität der Gemein-güter sagt deshalb viel über unsereGesellschaft. ohne aktivemenschen,diesorgefürdieGemeingüter tragen,gibteskeinGemeingut. täglich benötigte ressourcen würden verbraucht,künstlichverknapptoderzumniemandsland.
Wer sich für Gemeingüter einsetzt, nutzt nicht nur sich selbst, sondern zugleich den anderen. Wer die Gemeingüter schädigt, schadet auch sich selbst.
sichaufKostenandererzuentfalten,stelltsichalsillusionheraus,denndieentfaltungdeseinzelnenistBedingungfürdieentfal-tungallerundumgekehrt.individuellentfaltenwiruns,indemwirdingetun,diefürunsundanderenützlichseinkönnen.ichkannnurvorankommen,wennauchdieanderenvorankommen.dasunterscheidetdieselbstentfaltungvonderselbstverwirklichung.dieeinenschreibenfreiesoftwareundmachenfreiemusik,dieanderenengagierensichinderumweltbewegung,füreineninter-kulturellen Garten oder öffentliche räume, die Gemeingüternchancenbieten.Wasimmerdereinzelnetut,erwirdmehrundBessereserreichen,wennsichauchanderebeteiligen.
Lesetipp stefanmertenundstefanmeretz:Freie Software und Freie Gesellschaft ,opensourceJahrbuch2005,s.293–309.www.opentheory.org/ox _osjahrbuch _2005/ text.phtml
WemGehÖrenGemeinGüter?22
wem Gehören GemeInGÜter?
wem Gehört Der himmel? wem Die stille? wem Das lanD?
Jedermensch–inGegenwartundZukunft–hatdasgleicherecht,alldaszunutzen,wasniemandemindividuellzuschreibbarist.darauserwächstdienotwendigkeit,die-sedingeinunverminderteroderbessererQualitätweiterzugeben.
Verantwortung für Gemeingüter rührt auch aus der Verantwortung für eine erträgliche Zukunft. Dafür, dass auch andere in der Zukunft gut leben können.
dieKontrolleüberdenumgangmitWasserundWald,softwarecodeundsaatgut,urbanen räumen und Kulturtechniken obliegt der Gesellschaft, denn Gemeingüterbleibenunsnurdannalssolcheerhalten,wennesgelingt,diesenumgangtransparentundiminteressederallgemeinheitzugestalten.
Staat oder private Akteure sind nur (vorübergehende) Treuhänder oder Sachwalter der Gemeingüter.
Wemdabeiwelcherollezukommt,wird–jenachpolitischereinstellung–sehrunter-schiedlichbeantwortet.WereinenBelegdafürsucht,dassderstaatnichtimGemein-interesseverwaltet,wasallenzusteht,wirdihnfinden.sicherfindeterauchBeispiele,wosichderstaatalsgutertreuhändererweist.Werprivate,ammarktorientierteakteurefürdiePlünderungderGemeinressourcenoderfürungerechteZugangsbe-schränkungenverantwortlichmacht,kannungezählteBeispielenennen.modelle,beidenensichmarktakteurealstreuhänderderGemeingüterbewähren,sindeherselten;aberesgibtsie,zumBeispielbeimWald.Werschließlichdenmenschenselbstver-antwortunggibt,wirdebensoGeschichtendesscheiternsunddeserfolgshinzufügenkönnen.
Sicherung der Gemeingüter ist eine immerwährende Herausforderung, für die es kein Patentrezept gibt.
Der neue Griff nach lanD
1,3millionenhektarmadagassischesFarmlandwolltedassüdkoreanischeunterneh-mendaewoologisticsaufJahrzehntepachten.KoreabrauchtGetreide.aufderafri-kanischeninselwardieempörunggroß.sieschürtejeneunruhen,dieimFrühjahr2009eineregierungskriseauslösten.amendeerloschdasProjektmitdemsturzdesregierungschefsmarcravalomanana.dochmitdennachrichtenausmadagas-karwurdedeutlich:dieserangriffaufeinederexistenziellenGemeinressourcen,denBoden,war alles andere als eineinzelfall.unternehmen undregierungenchinas,Japans,malaysias, saudi-arabiens, Kuwaits oder Ägyptens sind auf «großer ein-kaufstour»,umsichriesigeagrarflächenzusichern.Geplantoderschonbesiegeltsei-enlandkäufevonugandabisBrasilien,vonPakistanbiszurukraine,recherchiertedienichtregierungsorganisationGrain.auch imsudan,womillionenhungern,hatnördlichvonKhartumdiesaudische
Firmaadcofür95millionenus-dollarmehrals10.000hektarlandgepachtet,umWeizenundGemüsefürdieeigeneBevölkerunganzupflanzen.das Wort vom neuen Kolonialismus macht die runde. es sind besonders die
regierungenderschwellenländer,diedenKonkurrenzkampfumlandschüren.ihreBevölkerungenwachsen,immermehrmenschenkonsumierenimmermehrveredeltelebensmittelwieFleischundmilch.Zudembestehtdiesorge,dassniederschlagsar-meGebieteimeigenenlandwegendesKlimawandelsnochmehraustrocknen.auchdieagrarspritproduktionmeintimmerneueFlächenbeanspruchenzudürfen.WeltweitgehteindramatischerstrukturwandelinderverfügungüberdenBoden
unter unseren Füßen vonstatten. dieswird von der rasanten technologischenent-wicklungangetrieben.diesynthetischeBiologieversprichteineWelt,inderdieinderlandwirtschaftgewonneneGlukoseextrahiert,fermentiertundzuhochwertigenroh-
«allemenschensindursprünglich[…]imrecht-mäßigenBesitzdesBodens,[…]siehabeneinrecht,dazusein,wohinsiedienatur[…]gesetzthat.dieserBesitz[…]istgemein-samerBesitz,wegendereinheitallerPlätzeaufdererdfläche,alsKugelfläche[…].»immanuelKant
«esgibtBeispielefürerfolg-reichesunderfolglosesressourcenmanagementvonregierungen,kommunalenvereinigungen,Kooperativen,Freiwilligenorganisationen,Privatpersonenoderunter-nehmen.»elinorostrom
WemGehÖrenGemeinGüter? 23
stoffen fürdiepharmazeutischeundchemische industrie verarbeitetwerdenkann.sich selbst vermehrende synthetische mikroben (lebende chemiefabriken) werdenkünftigeineenormemengeBiomasseverbrauchen,diebishernichtverwertetwurdeoderdenGemeinschaftenzurverfügungstand.siewerdendarausProdukteerzeugen,vondenenandereprofitieren.dieeinhegung(«enclosure»)derGemeingütererreichtdamiteineneuedimension.
Für den ideologisch unverdächtigen immanuel Kant ist der Boden gemeinsamerBesitz.dochwasbedeuteteskonkret,denBodendenGemeingüternzuzurechnen?esistinunsererGesellschaftkaumvorstellbar,dassGrundundBodennurzurvorüber-gehendennutzunginBesitzgenommenwerdensoll–undsomitquasizumGebrauchlizenziertwird.dennochdarfdieserGedankekeintabusein,dennrichtigbleibt:
Grund und Boden sind in ihrer Verfügbarkeit begrenzt; die Nutzungsrechte Einzelnder finden in den Nutzungsrechten aller «ursprünglich rechtmäßigen Besitzer» ihre Begrenzung.
Lesetipp christophstrawe:Das Ringen um ein modernes Bodenrecht.www.sozialimpulse.de/pdf-dateien/Bodenrecht.pdf
ein nachhaltiger, fairer und kreativer umgangmit Gemeingütern entscheidet sichnichtalleinanderFragedereigentumsrechte.entscheidend ist,vonwemundwieeigentumsrechte,vorallemZugangs-undnutzungsrechte,konkretausgestaltetwer-den.Werdefiniertdiespielregeln?Werdefiniertdieseregelnso,dasssieFairnessundverantwortung aus sich selbst heraus erzeugen?Wer kontrolliert ihreeinhal-tung?WassinddieBedingungendafür,dassGemeingüterauchmorgennochinFüllezurverfügungstehen?einPatentrezeptgibtesnicht,dochesgibtGrundsätze,dieeinlebentragen,indemGemeingütergedeihen.eineinfacherGrundsatzleitetsichausunserennutzungsrechtenab:
Exklusive, andere vollkommen ausschließende private Eigentumsrechte an Gemeingütern darf es nicht geben.
Der schutz Der micKey mouse
inKongressundsenatderusagabesversuche,denschutzdesurheberrechtsfürunaufhebbarzuerklären.derindenusasehrbekannteentertainerundspäterePoli-tikersalvatorePhillip«sonny»Bonowollte–daraufverwiesseineWitwe,dieseinenKongresssitzübernommenhatte–die«unendliche»Gültigkeitimcopyrightactver-ankertsehen,aberdaswarausverfassungsrechtlichenGründenunmöglich.dieWit-webrachtedahereinenvorschlagdesFilmindustrielobbyistenJackvalentiinsspiel.
madagaskarFoto:FlicKr-nutZerlucleGaY
«selbsteineganzeGesell-schaft,einenation,jaallegleichzeitigenGesellschaftenzusammengenommen,sindnichteigentümerdererde.siesindnurihreBesitzer,ihrenutznießer,undhabensiealsbonipatresfamilias[guteFamilienväter]dennachfol-gendenGenerationenverbes-sertzuhinterlassen.»Karlmarx:dasKaPital,Band3
WemGehÖrenGemeinGüter?24
dieser hatte, sicher ironisch, denKompromissvorschlag unterbreitet, dasurheber-rechtkönne«fürimmerminuseinentag»gelten(«foreverlessoneday»).dersenathatdiesemGesetzentwurfvon1997nichtzugestimmt.allerdingsverabschiedeteer1998einGesetz,durchdasdieverschiedenenlaufzeitendescopyright-schutzesumjeweils20Jahreverlängertwurden.indenmeistenFällenbedeutetedasfortan70Jahrecopyright,beivonunternehmengeschaffenenWerkensogarbiszu120Jahre.ZuehrendesverstorbenenentertainersheißtdiesesGesetz«sonnyBonocopyrighttermextensionact», in derÖffentlichkeit kritisch etikettiert als «mickey-mouse-schutzgesetz».
doch nicht nur die interessen derWaltdisneycorp. standen auf demspiel, auchdierechteanWerkenvonernesthemingwayoderandermusikvonGeorgeundiraGershwinbliebensofür20weitereJahredenrechteverwerternerhalten.ericeldred,dereinefreizugänglicheonline-Bibliothekaufbauenwollte,legtegegendasGesetzverfassungsbeschwerdeein.seinargument:esverstoßegegendas«rechtderfreienrede».dochderobersteGerichtshofschlosssichderBeschwerdenichtan.eldredverlor.«derobersteGerichtshoffälltgegendiemächtigeninteressenkeinurteil»–sospäterderanwalteldredsundGründervoncreativecommons,lawrencelessig.
dieGeschichtedes«mickeymouseProtectionact»kannverallgemeinertwerden:diePolitikhatindenletztenJahrenvorzugsweisedieindividuellenrechtederurhebersowiediekommerziellenrechtederWissensindustriegestärkt.BeruhtabernichtdererfolgWaltdisneysinhohemmaßedarauf,dassdisneyausdemschatzdermärchenundsagenundausinzwischengemeinfreienliterarischenvorlagenschöpfte?disneyhat,wieandereauch,dieausgangsfigurenwieschneewittchen,diekleinemeerjung-frau,PeterPanoderaliceimWunderlandzuneuemlebenerweckt.erhatsiever-ändert,«remixed»,undmitneuemversehen.mitdemergebnisverdientdisneyGeld.derkommerzielleerfolgberuhtalsoauchaufdemrückgriff auf eingemeinsameskulturelleserbe.darausentstehteine«rückgabepflicht»andieallgemeinheit.odersollenexklusiveverwertungsrechteandem,wasausunsererKulturentstandenist,wirklichbiszu120Jahre–alsoweitüberdentodderKreativenhinaus–beanspruchtwerdendürfen?disney könnte stattdessendonaldduck odermickeymouse in dieGemeinfreiheitentlassen,dieinvestitionensindvielfacheingespielt.
Eine Gesellschaft braucht Vertrauen in die unendliche Kreativität, neue Figuren und Geschichten zu erschaffen. Kreative sind auf die Möglichkeit angewiesen, aus der Fülle der kulturellen Allmende frei zu schöpfen. Unsere Kultur ist ein unerschöpfliches Reservoir an Geschichten, Bildern, Musik und vielem mehr – wenn der Zugang zu diesen Gütern nicht verschüttet oder verknappt wird. Kultur ist darauf angewiesen, dass man wieder « einzahlt » und nicht unbillig – « für immer minus eins » – auf privaten Rechten an Kulturgütern beharrt.
«disneyinfinitecopyright»-symbolWiKimediacommons
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egal,obdiedingematerielleroderimmateriellernatursind,obsiedernatürlichen,kulturellenodersozialensphärezugehören–umübernutzungundunternutzungzuvermeiden,istjedeeigentumsformanzweiBedingungenzumessen:Zumeinenmussbeijedernutzunggewährleistetsein,dassGemeingüternichtin ◆
ihremBestandzerstörtoderverbrauchtwerden.Zumanderenmussgewährleistetsein,dassniemand,deranspruchsberechtigt ◆
oderaufdiejeweiligenGemeingüterangewiesenist,vonZugangundnutzungausgeschlossenwird.
Lesetipp Manifest Gemeingüter stärken. Jetzt!www.boell.de/demokratie/demokratie–7144.html
«Wennichweitersehenkonnte,sodeshalb,weilichaufdenschulternvonriesenstand.»isaacneWtonineinemBrieFanroBerthooKe
Gut zu wissen
GemeineiGentum ist etwas anDeres als GemeinGut (« commons »)
GemeineigentumisteineFormkollektiveneigentums.imunterschiedzumPri-vateigentumgehörendinge,diesichinGemeineigentumbefinden,nichteinerein-zigen, sondernmehrerenPersonen.das könnenGenossenschaften,erbgemein-schaften,aberauchaktiengesellschaftensein.WiebeimPrivateigentumwerdenbeimGemeineigentummenschen(dienichteigentümer)vonZugangundnutzungeinersacheausgeschlossen;imunterschiedzueinersituation,inderniemandvomZugangausgeschlossenwird.diesebezeichnetmanals«openaccess»-regime.
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wie KnaPP wirD, was nicht KnaPP ist: ein stuDentenbericht zum moDernen urheberrecht
ichhabeiminternetfüreinehausarbeitüberGemeingüterrecherchiertundwur-defündig.unkompliziertkonnteichmireinigetexteherunterladen,sowiegeeig-netePassageninmeineentwürfeeinarbeiten.Bisichaufeineninteressantentextaufmerksamwurde,derkostenpflichtig istbzw.nur ineinerBibliothek,diedierechtedafürerworbenhat,eingesehenwerdendarf.«KeinProblem»,denkeich,dieuniversitätsbibliothekhängtamnetz,somitauchihrKatalog.undtatsäch-lich – der imnetz nachgewieseneartikelwird vomBibliothekskatalog als «inelektronischerFormvorhanden»ausgewiesen.dochbeimversuch,diesenherun-terzuladen,kommtdieFehlermeldung.«diesearbeitistnurindenräumenderBibliothekeinsehbar.»ichstutze.Wiesodenndas?ichfahrealsomitdemBuseineknappestundeindiestaatsbibliothekundfragemichzudenonline-lese-plätzendurch.dortbekommeichüberdenonline-Katalogdiegewünschtearbeitnachgewiesen.WiedereinemeldungaufdemBildschirm:«dergewünschtesam-melbandartikelwirdmomentanvoneinemanderenBenutzereingesehen.dieBib-liothekhatjedochnureinensammelbandkäuflicherworbenunddarfnachdemPrinzipderBestandsakzessorietätzeitgleichnursovieleartikelfürdienutzungelektronischfreigeben,wiesierechteandergekauftenvorlagehat.eineaus-nahmevondieserregelsehenwirinihremFallnicht.»ichstutzeschonwieder.
«Bestandakzessorietät»habeichzwarnichtverstanden,aberwasdarausfolgensoll,schon.ichmusswarten!Warumeigentlich?hatteichnichtneulichineinemseminargelernt,dasselektronischeressourcennicht-rivalisierendimGebrauchseien?meinGebrauchbeeinträchtigtnichtdeneinesanderen.Wasesbedeutet,dasssolchedinge–wiedielektüreeinestextes–entgegendertheorienundochverknapptundausschließbargemachtwerden,wirdmirschlagartigbewusst.nunja,einKaffeeistimmergut…nachdemKaffeeendlichfreiehand!derarti-kelistallerdingsrechtlang,alsowillichihnfüreinespäteregründlichelektüreaufmeinenusB-stickschreiben.«saveas»–ichstutzezumdritten.diesesmalbesagtdiemeldung,dassdertextnichtgespeichertwerdenkann.notgedrungenbeginneichdentextzulesen.dannwillichwissen,anwelcherstellesichdiefürmichzentralenBegriffe«commons»oder«Gemeingut»befinden.ergebnis:«Kei-neFundstelle».merkwürdig,esistdocheinFachtext!ichtesteeinalltagswort.«Keine Fundstelle». die suchfunktion im volltext funktioniert nicht. entnervtbeschließeich,nureinenwichtigensatz,denichalsZitatnutzenmöchte,indenZwischenspeicherzukopierenundinmeinenstickzuladen.auchhierFehlanzei-ge.schließlichfindeichdenentscheidendenhinweis:«dasisteindrm-geschütz-
dieöffentlicheBibliothekalsFaradayscherKäfig.Foto:FlicKr-nutZerslaBmaGaZine
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tesPdF,allerechtegehörendemverlag.siekönnenihnnuraufdemBildschirmlesen.siedürfensichnotizenmachen.»einesolchetechnischeschutzmaßnahmehatteichineineröffentlichenBibliotheknichterwartet.Fürmichhießdas:ent-wederverbringeichdienächstenzweistundenamBildschirmundexzerpiere,wieesjahrhundertelanginderGutenberg-Weltususwar.oder:ichverlassedenlese-saalundbeschließe,diegewünschtearbeitfürunwichtigzuerklären.diedrittemöglichkeit,denartikelzuhauseonlinebeimanbietendenverlagfür30eurozukaufen,verwerfeich,zumalichdamitnureinelizenzfürmeinenpersönlichenGebrauchaufmeinempersönlichenrechnererwerbenwürde.achja,derschutzüberdigitalrightsmanagement(drm)seiinmeinemeigeneninteresse,sagtdiemeldung.ichhabeaufdenartikelverzichtet,dochichwolltezumindestwissen,warum
dasallessoist.urheberrechtundcopyrighthatteichbislangmitdemstreitumdienutzungvonmusik,videos,spielenundunterhaltungsliteraturinverbindunggebracht.aberForschung,lehreundstudium?icherinnertemichanart.5desGrundgesetzes.
Artikel 5 des Grundgesetzes: (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern
und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. […]
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. […]
eine öffentliche Bibliothek, die die anschaffung der dort verfügbaren Werkebezahlthat,istallgemeinzugänglich–aberungehindertenZuganghatteichnicht.undhatteichauchdasmitderWissenschaftsfreiheitmissverstanden?alsichmei-nenProfessordaraufanspreche,erfahreich,dassdierechteimGrundgesetzunddieexplizitineinemGesetzformuliertenrechteunddereneinschränkungenganzverschiedenedingeseien.meinFallseiüberdasurheberrechtgeregelt,unddiesesschützevorallemdenurheberbzw.denjenigen,derdierechtevomurheberzumZweckederPublikationundverwertungübernommenhat.sicherlichgäbeesimöffentlicheninteresseaucheinschränkungendieserumfassendenurheber-bzw.verwerterrechte,sokönnemandurchausdienutzungelektronischermaterialienüberdieBibliothekenauchohneerlaubnisderrechteinhaberermöglichen.WennderGesetzgeberdassoverfügt!Warumgeschahesdannnicht?meinProfessorwiesmichauf§52bdesurheberrechtsgesetzeshin,derdiese«WiedergabevonWerkenanelektronischenleseplätzeninBibliotheken[…]»regelt.dorthabeichalldasalsGesetzesnormgefunden,wasmichgehinderthat,inderBibliotheksozuarbeiten,wieichdasiminternetgewohntbin.ehrlichgesagt,ichversteheesnicht.WarumverabschiedenunsereParlamentariereinGesetz,dassesstudentenundProfessorenschwerermacht,anWissenundinformationenzukommenalsimGutenberg-Zeitalter?ZumaldieProduktiondiesesWissensinderregelmitöffentlichenmittelngeschieht.ichfinde,dasisteineverfassungsklagewert.einethesefürmeinehausarbeitstehtjedenfallsfest:
Was öffentlich war oder öffentlich finanziert ist, muss öffentlich zugänglich bleiben.
«einegutausgebauteWissens-allmendeistfürdasdenken,aberauchfürdasProduzierenoderheilensowichtigwiedieluftzumatmen.»attac-Basistext15–Wissensallmende
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KrieG GeGen Die fische
WirschreibendasJahr2048.dieglobalenthunfischbeständewarenvor40Jahrenkollabiert,ebensowieeindrittelallerkommerziellgenutztenFischar-ten.Fischfanglohntesichnichtmehr.dieGrundschleppnetzfischerei–einesogrobeFangmethode,alswürdemanWälderabholzen,umdesWildeshabhaftzuwerden–hattezudemdiemeeresbödenfürJahrhundertegeschädigt.dieFischerundFischereipolitikerwarenzwarseitden1990erJahrenalarmiert,docheinumsteuernscheiterteeinumsanderemalanderKurzsichtigkeitderakteure.inzwischenistweltweitderKollapsallerkommerziellnutzbarenFisch-beständeeingetreten,wievonexpertenimJahr2006vorausgesagt.diemeerewerdenvonQuallendominiert,diekeinenatürlichenFeindemehr
haben.dertourismusandenKüstenkämpftezweiJahrzehntelangumsüber-leben.inden2030ernkamerzumerliegen.millionenFischersowiemenschenim fischverarbeitenden Gewerbe und in den Küstenorten haben ihre arbeitverloren. die sozialen spannungen in diesen regionen nehmen zu. intensivbewirtschafteteaquakulturen–ursprünglichalsalternativegedacht–hatteninwenigenJahrzehntenganzeKüstenstreifenverödet.dieBödensindbelas-testvomKotderZuchtfischeundvonantibiotika,siesindversalztundnutzlos.umdieverbliebenenFischgründe,inbiszu3000meterntiefe,konkurrierenzweiinternationaleKonzernemitihrenhightechtrawlern.ihrmonopolaufdieseltenundteuergewordenendelikatessenwirdeinzigvonbewaffneten,illega-lenschiffenbedroht.dieseschiffewurdenaufdemhöhepunktderKrisevonPiratengekapert, justalsdieuneinen letztenverzweifeltenversuchunter-nahm,die rücksichtslosehochseefischereivordenKüstenderentwicklungs-ländereinzudämmenunddieglobaleFangmengezuverringern.dieFolgenfürdiemenschensinddramatisch.soistderzeitdieGrundversorgungmiteiweißeinessechstelsderWeltbevölkerungakutgefährdet.hungerrevolten sindandertagesordnung,immermehrmenschenfliehen.derKrieggegendieFischewurdezumKrieggegendiemenschen.
FischereifahrzeugFoto:FlicKr-nutZermaritimus
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buntes leben im meer unD an lanD
WirschreibendasJahr2048.dieFischereipolitikerlebte2012,demJahrderreformderGemeinsamenFischereipolitikdereu,einespektakuläreWende.es gelang, innerhalb eines Jahrzehnts die globalenFangmengen von damals90millionentonnenzuhalbieren.dabeiwurdendieQuotenempfehlungendesinternationalenrateszurerforschungdermeere(ices)regelmäßigunterbo-ten, dennderglobaleraubzuggegendieFischehatteschlagzeilengemachtund die Bevölkerung entsetzt. Politikern, die für ein «Weiter so» standen,drohte ein massiver verlust ihres ansehens. die verbraucher boykottiertennahezu alle Produkte, die nicht das siegel des marine stewardship coun-cil trugen.diehälftederFangfahrzeuge–etwa6000schiffe–wurdestill-gelegt, der treibstoffverbrauch der verbleibendenFlotte drastisch reduziert.WerderGrundschleppnetzfischereiüberführtwurde,verlorseineBetriebsge-nehmigung.dievergabederverfügbarenFangquotenverbandsichfortanmitstrengen Kriterien zur Fangqualität. vorzug erhielten FischereiunternehmenundKooperativen,dienatürlichereproduktionszyklenberücksichtigten,wenigBeifangnachweisenkonntenundProduktfrischegarantierten.auchdieanzahlundsicherheitderarbeitsplätze,eingeringerenergieverbrauchunddiestär-kungkommunitärerstrukturendurchdiereinvestitionvonGewinnenspieltein der Quotenvergabe eine rolle. die Fischpiraterie ist dank internationalerKooperation eingedämmt.maritime schutzgebiete sichern die KinderstubenderFische.endeder2020erJahrewarendie letzten industriellenaquakul-turenverschwunden.esfolgteeinBoominnovativeraquakulturtechnik–mitgeschlossenenKreisläufen,solarversorgungundfischmehlfreiemFutter.auchintouristenregionenkommtnurfrischer,einheimischerFischaufdentischderrestaurants.dasgehörtzumgutenton.WoBeständegefährdetsind,bestehtverkaufsverbot.FischerwerdeninsbesondereinfangarmenZeiteninnachhal-tigenFangmethodengeschult.siewerdenfürPflegeleistungenhonoriertoderinderumrüstungderhightech-Flotteneingesetzt.indenentwicklungsländernsindKüstenfischereiundnachhaltigeFischzuchtwiederzueinerlangfristigenPerspektivegeworden.dermigrationsdrucksinkt.
aufgenommeninmadagaskarvonJonathontalBot,Worldresourcesinstitute
GemeinGüterstÄrKen:ideen,initiativen,institutionen30
Gut zu wissen
es Gibt Kein PatentrezePt
einesinnvolleBewirtschaftungvonGemeingüternhängtvonvielenFaktorenab: Vom Charakter der Ressourcen: ◆ dinge,derenQualitätsichdurchdenGebrauchmindert–wieWasser,Waldunddieatmosphäre–brauchenZugangsbe-schränkungen.dinge,diesichdurchdienutzungvielermenschenmehren–wiesprache,Wissenundtraditionen–entfaltensicherstdurchfreienZugang(openaccess). Von der territorialen Bindung und Größe: ◆ esisteinunterschied,obwirvonlokalen,regionalenoderglobalensystemenreden.Fürdendorfbrunnenistdiedorfgemeinschaftzuständig.FürdasWassereinzugsgebietdieanrainerunddieentsprechendenregionalenundüberregionalenBehörden,fürdenglo-balenWasserhaushaltunddasKlimadieWeltgemeinschaftundinternationaleorganisationen.GlobalenatürlicheGemeingütergibtesnurwenige,dochsiesindfürdas
überlebendermenschheitbesonderswichtig:dieozeane,dasKlima,derglobaleWasserhaushalt,diebio-genetischevielfaltdererde.diedamitver-bundenenProblemesindsokomplex,weildirekteKommunikation,vertrau-ensbildungundverlässlichkeitaufinternationalerebeneungleichmühsamerherstellbarsindalsineinerdorfgemeinschaft.abersiesinddochunabding-bar.leichterscheinenglobalekulturelleGemeingüterhandhabbar,vorallemdasWisseninBildungundWissenschaft,weildieProduktion,dieverbrei-tungunddienutzungvonWissenohnehininternationalorganisiertsind.dasbegründetunteranderemdenweltweitenerfolgvonopenaccess(siehenächsteseite). Von den Erfahrungen und Verdiensten der Menschen: ◆ sostehenetwadenindi-genenGemeinschaftenimamazonas,dieüberJahrhundertedieurwälderalsglobalesGemeinguterhaltenhaben,besonderenutzungsrechtezu. Von den historischen, kulturellen und natürlichen Bedingungen: ◆ Wosichaktiveundlebendige(staats-)Bürgerschaftentfaltenkonnte,dawerdenanderecommons-institutionenhervorgebrachtalsinGegenden,woumdenrespektelementarermenschenrechtegerungenwerdenmuss–sowieesindürrege-bietenandereBewirtschaftungsformenfürdenumgangmitWassergibtalsinregenreichenGebieten.
GemeInGÜter stärken : Ideen , In I t IatIven , InstI tutIonen
dort,woimmermehrmenschenumWasserundland,FischgründeundWaldkon-kurrieren,kannsichnichtjederwieimschlaraffenlandverhalten.WieabergelingtKooperation?Wiekannhonoriertwerden,dassmenschen in ihremhandelnandieanderenundanmorgendenken?Gemeingüterforschunghateineantwortdarauf.siezeigt:menschentendierendazu,Gemeinressourcenzuübernutzen,wennsiesichnichtkennen.dagegen sindGruppen,die regelmäßigmiteinanderkommunizieren, inderlage,fastoptimaleergebnisseinderressourcenbewirtschaftungzuerzielen.dasdilemmakann vermiedenwerden, indemvertrauen aufgebautwird.es ist
derschwierigste,aberzuverlässigsteWeg,umzugewährleisten,dassdieeigeneein-schränkungvomGegenüberhonoriertwird.
Gemeingüter schützen, schaffen und erweitern muss einträglich sein und mehr Reputation bringen als eine geradlinige Karriere oder ein gefülltes Bankkonto.
GemeinGüterstÄrKen:ideen,initiativen,institutionen 31
oPen access – Die bereicherunG Durch GemeinGüter folGt einem einfachen PrinziP
openaccesswird inderWissenschaft zunehmendrealität.einmeilensteindieserentwicklungwardieBerlinererklärungvon2004.siebeschreibtdiebeidenvoraus-setzungen,dieopen-access-veröffentlichungenerfüllenmüssen:
«1.dieurheber und dierechteinhaber solcherveröffentlichungengewähren allennutzernunwiderruflichdasfreie,weltweiteZugangsrecht[…]underlaubenihnen,dieseveröffentlichungeninjedembeliebigendigitalenmediumundfürjedenverant-wortbarenZweckzukopieren, zunutzen, zuverbreiten, zuübertragenundöffent-lichwiederzugebensowieBearbeitungendavonzuerstellenundzuverbreiten,soferndieurheberschaftkorrektangegebenwird.WeiterhinkannvondiesenBeiträgeneinegeringeanzahlvonausdruckenzumprivatenGebrauchangefertigtwerden.
2.einevollständigeFassungderveröffentlichungsowieallerergänzendenmateri-alien, einschließlich einerKopie der oben erläutertenrechte,wird in einemgeeig-netenelektronischenstandardformat inmindestenseinemonline-archivhinterlegt(unddamitveröffentlicht),dasgeeignetetechnischestandards(wiedieopen-archive-regeln)verwendetunddasvoneinerwissenschaftlicheneinrichtung,einerwissen-schaftlichenGesellschaft,eineröffentlicheninstitutionodereineranderenetabliertenorganisationindemBestrebenbetriebenundgepflegtwird,denoffenenZugang,dieuneingeschränkteverbreitung,dieinteroperabilitätunddielangfristigearchivierungzuermöglichen.»
das war und ist revolutionär. die Wissensproduzenten, die in der Wissenschaftzugleichauchnutzersind,habenangesichtsüberzogenerPreisefürwissenschaftlicheZeitschriftenzurselbsthilfegegriffenundderWeltdesPublizierensneueregelnundeineneuerealitätgegeben.durchopenaccesswirdeinGroßteildesWissens,dassichbislangdieverlagswirtschaftrechtmäßigüberverträgeangeeignethat,direktindasreservoirderGemeingüterüberführt.durch open access entstehen keine res nullius, sondern res communes (siehe
s.8f.).dieregelung ist klar und einfach:diestifter des publiziertenWissens, dieurheber,werdeninihrenPersönlichkeitsrechtenandenWerkennichteingeschränkt.aberjedeundjederdarfopen-access-Werkefreinutzenundweiterentwickeln.
http://oa.mpg.de/openaccess-berlin/Berliner_erklaerung _
dt _version _07–2006.pdf
Von der Existenz und Verlässlichkeit der Institutionen: ◆ staatlicheinstitutionenkönnentreuhänder,streitschlichterundKooperationspartnersowieinter-essenvertreteraufinternationalerebenesein.nurwennsiedemokratischlegitimiert,transparentundvondenmenschenanerkanntsind,sindsieindieserFunktiondurchsetzungsfähig.Korrupteoderfragilestaaten,aberauchregierungenundinstitutionen,diekurzfristigenwirtschaftlicheninteressenPrioritäteinräumen,werdenwenignützen. Vom Stand der technologischen Entwicklung: ◆ dietechnikermöglichtneuedimensionenderentfaltungderGemeingüter,aberauchneuedimensionenderverknappung.Wasbislangschnellknappwurde–etwadieverfügbarkeitdeselektromagnetischenspektrums–istdurchdiedigitalisierungvielfältigernutzbargeworden.einoffenesspektrumistmöglich!umgekehrtwirddurchneuetechnologienkünstlichverknappt,was,ohnedieQualitätderressourcezumindern,allenzurverfügungstehenkann:sowiefrüherstacheldrahtundmauerndaslandeinzäunten,wirdheutemitKopierschutzmechanismenein«digitalerZaun»umWissen,ideenundKulturgezogen.
Das Management der Gemeingüter ist ein komplexer sozialer Prozess, der andere Ansprüche stellt, als die Regelung des Verhältnisses zwischen Staat und Bürger, Käufer und Verkäufer.
GemeinGüterstÄrKen:ideen,initiativen,institutionen32
Weiterersprengstoffentstehtdadurch,dassdieBerlinererklärungzuopenaccessnicht auf wissenschaftliche Publikationen beschränkt ist, sondern alle kulturelleninhalteeinbezieht.dasbedeutetkeineswegs,dassKreative,dieaufeinkommenausihrenWerken angewiesen sind, alles freigeben sollen. GroßeWissenschaftsorgani-sationenwie diedeutscheForschungsgemeinschaft (dFG)haben zurecht auf denunterschied zwischenWerkenhingewiesen, die in öffentlicherumgebung odermitöffentlicherFinanzierungentstandensind,undWerkenvonfreischaffendenKünstlernundJournalisten.dochauchletzterewerdenauslotenmüssen,ob sienichtbesserfahren,wennsiediePotenzialedesinternetnutzen,stattweiterhinaufdieimregel-fallgeringenanteiligeneinnahmenausdenkommerziellenverwertungsmodellenzuvertrauen.
Open Access ist ein Nutzen stiftendes Paradigma für die Gemeingüter in elektronischen Räumen. Es muss gestaltet werden.
ZudenPersönlichkeitsrechtenderurhebergehören:dasrechtaufanerkennung/nennungderautorschaft ◆
dasrechtzuentscheiden,ob,wannundwieveröffentlichtwird ◆
dasrechtaufschutzvorentstellungdesWerks ◆
soüberzeugendderGedanke–umdiekonkreteumsetzungmussgerungenwerden:WerkommtfürdieKostenauf,dieauchbeiopenaccessentstehen?dürfenwissen-schaftlicheinstitutionenihreautorenverpflichten,Werke,diemitöffentlichenmit-telnunterstütztwurden,parallelodermitgeringerZeitverzögerungzurPublikationaufdemmarkt ineinöffentliches«repository»zustellen?sollesüberhauptnochkommerziellePublikationenwissenschaftlicherWerkegeben, derenentstehungdieÖffentlichkeitimGrundeerstermöglichthat?ParadigmenwechselsindschwierigeGeburten.aberdieideedesopenaccesskann
nichtmehramerwachsenwerdengehindertwerden.dasWissenderWeltwirdinsehrüberschaubarerZeitfreiverfügbarsein.Wissenwirdzudem,wasesimmerseinsoll-te:Gemeingut.openaccessmussnichtausschließen,dassdieGesellschaftauchdiekommerzi-
elleverwertungdiesesWissenserlaubt.nurwürdenjetztnichtmehrkommerziellerechteverwerterderGesellschaftnutzungslizenzenerteilen,sondernumgekehrt–dieGesellschaft erteilt den kommerziellen verwertern beschränkte nutzungslizenzen.Freilich gebunden an das bewährte «riparian principle» aus demWasserrecht:esmussimmernochgenugfüralleanrainerverfügbarsein.inFragenvonWissen,soft-wareundKultursindwiralle«anrainer».
Das riParian-PrinziP
nachdiesemPrinzipdarf,werlandbesitzt,aufdemsicheineWasserquelleodereinanderesWasserreservoirbefindet, dienutzungsrechtederanderenanrainernichteinschränken.solltenichtgenugWasserfüralleverfügbarsein,werdendienutzungsrechteinderregelanteilig(jenachlandbesitz)aufgeteilt.dieseWas-sernutzungsrechtekönnennichtallein,sondernnurinverbindungmitdemdazu-gehörigenlandveräußertwerden.undWasserdarfnichtausdementsprechendenWassereinzugsgebietexportiertwerden.dasPrinzipstammtausdemenglischencommonslaw.inKanada,australienundimostenderusaistesteildermoder-nenGesetzgebung.
«riverdochart»Foto:macieKleW,WiKimediacommons
GemeinGüterstÄrKen:ideen,initiativen,institutionen 33
es ist an derWirtschaft, das Paradox derGemeingüter aufzulösen: Je freier undnachhaltigersiebleiben,destomehrkanndamitauchwirtschaftlicherGewinnerzieltwerden. in der Geschichte sind institutionelleübereinkünfte durchaus nicht unbe-kannt,denGebrauchdernaturumdesGemeinwohlwillenszubegrenzen:viehdurftenurnachbestimmtenregelnundZyklenaufdieWeide,holzeinschlagwurdedurchdieobrigkeitbeschränkt,undamoberlauf vonFlüssenwarverschmutzungunter-sagt.auchheute existieren solcheregeln, aber angesichts derGlobalisierung sindsieungleichumfassenderundkomplexer.dasGemeinwohlverlangt,denstoffwechselzwischenmenschheitundBiosphäresozubegrenzenundneuzuordnen,dasswederdienaturökonomieheruntergewirtschaftetwird,nochsozialeKonfliktesichverschär-fen.dabeigehtesimPrinzipumdreiherausforderungen:
dieentnahmevonrohstoffenaufeinemerneuerbarenniveauzustabilisierenund ◆
emissionenaufeinemunschädlichenniveauzuhaltendenumfangdervonmenschengenutztenlandflächeaufeinemfürdieanderen ◆
lebewesenzuträglichenniveauzubelassendieverhältnisseineinerWeiseneuzuordnen,dassnichteinzelneBevölkerungs- ◆
gruppenaufKostenandererleben
umdieBeziehungendermenschenzurnaturzuregeln,gibtesbislangkeineneinheit-lichentypusvoninstitutionen.auchbeidenpolitischeninstitutionenhatdienatur–sowieandereGemeingüter–keineneigenenFürsprecher.
Gemeingüter haben weder Sitz noch Stimme in den Gremien der Willensbildung und Entscheidung.
Gewiss, es gibt nationales und internationales umweltrecht, doch geht dabei dieregelsetzunggewöhnlichausdemoftungleichenKampfzwischeninteressengruppenhervor.esdominierenkurzfristigeinteressenderheutigenGeneration.daheristnichtüberraschend,dassderschutzderÖkosystemeeinumsanderemaldasnachsehenhat.hiergewinntdasnachdenkenübereinenneuentypunabhängigerGemeingut-vertretungenanGewicht.
Neue und innovative Institutionen für Gemeingüter sind notwendigerweise so divers wie die Gemeingüter selbst.
derus-amerikanischeautorundunternehmerPeterBarneshatdieeinrichtungvon«commonstrusts»vorgeschlagen,alsovontreuhandorganisationen,denendiesorgefürdaslangfristigeWohlergehenderGemeingüteraufgetragenist.dieseorganisa-tionenhabendieaufgabe, treuhänderisch fürheutigeundzukünftigeGenerationennutzungsgrenzenfürnatürlicheGemeingüterzubestimmen,nutzungslizenzengegenGeldauszugebenunddieeinnahmendenBürgern,auchzukünftigenGenerationen,alsdenkollektivenBesitzernzugutekommenzulassen.damitgewinntdasGemein-schaftseigentumeinestärkererechtsposition.eszubeanspruchenkosteteinenPreiswiejeglicheBeanspruchungfremderleistungoderfremdenBesitzes.denkbarsindtreuhand-institutionen für das management von Fisch- oder Waldbeständen, vonBoden,saatgut,Grundwasserundmetallen,undfürco2undandereschadstoffemis-sionen.denkbarsindsieauchaufregionaler,nationalerundglobalerebene.mitinsti-tutionenwieeinermeeres-treuhand,einersaatgut-treuhand,einerBoden-treuhand,einerKlima-treuhandodergareinerreklame-treuhandkönntenleitplankenfürdieKapitalakkumulationeingezogenwerden.diehegemoniedesKapitalsüberdienaturwäregebrochen.
GemeinGüterstÄrKen:ideen,initiativen,institutionen34
Klima-treuhanD oDer Der himmel ist für alle Da
demtreuhand-Gedankenamnächstenkommtdasmodelleinessky-trust,einerKli-ma-treuhand.derGrundgedankediesesvorschlages,derzunächstfürdieusaentwi-ckeltwurde,erklärtalleBürgerinnenundBürgerzumiteigentümernderatmosphäre,genauer:jenesteils,derdenusazusteht,gemessenanihrerBevölkerung.ZunächstwirddieobergrenzederBelastungdurchco2-emissionenfestgelegt.dasrechtdernutzungwird in quantitativeneinheiten versteigert.anteile kostenumsomehr, jestärker dieverschmutzungsrechte begrenztwerdenmüssen, und zwar solange dieatmosphäredurch immermehrmenschenund immerhöhereenergetischeansprü-chebelastetwird.durchdieseemissionskostensteigendiePreisevonProduktenunddienstleistungen.Gleichzeitigentstehenhoheerträge.siewerden,nachabzugdesfürdenerhaltdesGemeinguteserforderlichenanteils,analleBürgerinnenundBür-gergleichmäßigverteilt.
EMITTENTEN
SKY TRUST
BÜRGER-INNEN
+BÜRGER
Wervielkonsumiert,autofährt,fliegt,zahltalsomehr,alsererhält;wermäßigkon-sumiertundenergiespart,bekommtzurück,wasermehrausgebenmusste,oderstehtsogarbesserdaalsbislang.dersky-trusthatdamitaucheinesozialeKomponente.armeundGeringverdienendeerhalteneinenvorteil,weilsiewenigenergieverbrau-chen.luxusoderunbedachterKonsumdagegenwirderheblichbelastet.soversuchtdasmodelldessky-trusteinGemeingutzuschützen,indemesdieatmosphäreentlas-tetundzugleichdiedamitverbundenenverteilungskonflikteausgleicht.Gemeingüterfallennichtvomhimmel.siekönnenimmerwiederneugeschaffen
underweitertwerden.aufdenfolgendenseitenwerdennebenderKlima-treuhandweitere ideen vorgestellt, deren umsetzbarkeit vom Gestaltungswillen der Gesell-schaftabhängt.überintelligentesteuerungderGemeingüterkannmanerstdannsinnvollreden,
wennGemeingüteralssolchewahrgenommenundbenanntwerden.dochmitGemein-güternverhältessichwiemitmangelndenFremdsprachenkenntnissen:Wirwerdenunsihrererstbewusst,wennwirspüren,wiesehrwiraufsieangewiesensind,nämlichwennunsereideenundmittelversagen,unsereeigenenGemeingüterdurchdasaus-weichenaufdieGemeingüteranderermenschendurchGeldodermachtzuersetzen.
Lesetipp Wuppertalinstitut:Zukunftsfähiges Deutschland in einer globa-lisierten Welt,Frankfurt2008,s.285f.PeterBarnes:Kapitalismus 3.0 Ein Leitfaden zur Wiederaneig-nung der Gemeinschaftsgüter,hamburg2008
GemeinGüterstÄrKen:ideen,initiativen,institutionen 35
reKlame braucht Grenzen
Werbung stört und zerstört.sieproduziertlärmundmüll.die«dunkleseitedesüberflusskapitalismus» (Peter Barnes) flutet unsere Briefkästen und unsere vor-stellungen. dafür zahlenwir zunächstmit aufmerksamkeit, sodann an derKasse,währenddieGesellschaftfürdiewerbeverursachtenumwelt-undsozialkostenauf-kommt. «nochkeinediktaturwar so gut gelauntwie diese»,meint der Journalisthannorauterberg.«Wirwerdenbestückt,beduftet,bespamtundbeschallt,einwah-rer«anschlagaufdiesinne.»us-amerikanischeKinderhabenbiszumaltervon fünfJahren imdurchschnitt
100000Fernsehwerbeanzeigengesehen.Jährlich landen33kgWerbewurfsendun-genineinemdurchschnittlichendeutschenBriefkasten.vondortwandertdergrößteteil direkt indiemülltonne.dieherstellungderWerbesendungenverschlingtJahrfürJahr2,7millionenBäume,1,157millionenkWhstromund4,62milliardenliterWasser, ohnenützliches für dasleben zu produzieren.dochWerbung verbrauchtnichtnurnatürlicheressourcen,siegräbtsichauchinunserementalenFreiräume.inZeitschriftenkannsieübersehenwerden,imFernsehenweggezappt,deswegenistinzwischen jedernurdenkbareöffentlicheortzumWerbeträgermutiert.Gebäude,Plätzeundganzelandschaftendienenalsanzeigetafel.Kommunenundinstitutio-nenallercouleurverkaufenihresymbolträchtigstenorteandieWerbeindustrie–umklammeKassenzufüllenoderProjektezufinanzieren.damitkönnenWerbeeinnah-menzwarfürgemeinnützigeZweckeverwendetwerden,demanschlagaufdiesin-neundderKommerzialisierungdesöffentlichenraumsentkommenwirabernicht.einzelnewehrensichmitrobinsonlisten,spam-Filtern,tv-Werbeblockernoderdemschlichten«keineWerbungbitte».mancheländerverbietenWerbungwährenddesKinderprogramms.dieus-BundesstaatenarkansasundmainediskutierenGesetzes-vorlagenzurBesteuerungvonWerbemaßnahmen.Großstädtewiemoskau,ParisundsãoPaulogehenmitverbotengegendie«optischeverschmutzung»durchGroßwer-betafelnvor.dasistgutso,dennunsereaufmerksamkeitgehörtuns.umdenanreizzurver-
müllungunsererlebensräumeundmußestundenzusenken,sollderjenigezurKassegebetenwerden,dersiezuWerbezweckennutzenwill.JemehrWerbung,destoteurerfürdiewerbendenunternehmen.
treuhänderischeorganisationenkönntenobergrenzenfürdiezulässige«Gesamtstör-menge»festlegenundwerbewilligenunternehmenhandelbareWerbegenehmigungenverkaufen.unserepsychischenKostenfändensoihrendirektenniederschlagindenBilanzenderWerbeagenturen.dieideeisteinfach:WenigerWerbung–mehrseelen-frieden–mehrGeldfürwerbefreiesenderunddieBelebungwerbefreieröffentlicherräume.
Lesetipp hannorauterberg:Werbung und Öffentlichkeit – Du kannst uns nicht entkommen!dieZeit,47/2008
«unseregeistigeumweltisteinGemeingutwiedieluftunddasWasser.WirmüssensievormissliebigemZugriffschützen.»Kallelasn
«Billboard»Foto:FlicKr-nutZersimonscott
GemeinGüterstÄrKen:ideen,initiativen,institutionen36
walDKaffee – eine Kleine revolution
«Kaffas Wälder bluten!» mesfin tekele stammt aus dem süden Äthiopiens, dortbeherbergenmächtigeurwaldriesennochimmereinartenreichesParadies.dochdieBilanz desForstwirts ist bitter:allein zwischen1980 und2000 seien43ProzentdesgrünenBandesverschwunden.seitherhabesichdieZerstörungimBongaForestvermutlichehernochbeschleunigt,meinenexperten.unddabeiistderdschungelvonKaffaeinerderletztenÄthiopiens:nochinden1970erJahrenlagen40Prozentdeslandesuntereinerdichtenvegetationsdecke–heutesindesnochrundzweiProzent.siesindnichtnurihrerschönheitundmannigfaltigkeitwegensokostbar;dieWäl-
dersindaucheineexistenzielleressourcefürallesleben,allesWirtschafteninderregion.mehrnoch:überdenewigenKreislaufausWasserspeicherungundverduns-tungkühlensiedas lokaleKlima.siespeisendie fruchtbarenÄckerdessüdwestli-chenhochlandesmitFeuchtigkeitundnährenausdenmoorenundFeuchtgebieteninihrertiefedenGojeb-Fluss,derindieafrikanischelebensaderomomündet.Ganzzuschweigendavon,wievielKohlenstoffdieüppigePflanzenweltundderWaldbodenbinden.
Diese Wildnis zu erhalten, ist eine Überlebensfrage, nicht nur für die indigenen Völker und Bauern, die in und von ihr leben. Sie ist ein lokales wie globales Gemeingut, für das auch die Weltgemeinschaft Verantwortung trägt.
KaffasBäumefallen,weilunternehmerPlatzfürPlantagenfreimachenwollen.siewerden aber auch gerodet, weil Familienwachsen oder zuwandern undackerlandbrauchen.Werwollteihnenihrenüberlebenswillenvorwerfen?dabeiwirdmitdemWaldzugleicheineunmittelbarwichtigelebensquellefürdiemenscheninderregionzerstört.sieessenseineFrüchte,sienutzenheilkräuter,honigundholz.dieFrageinKaffa–wieimKongo,inindonesienoderimamazonas–lautet:Wie
kannmanallengerechtwerden;menschen,menschheitundWald?Weil sich die Natur, die Kulturen und rechtlichen Bedingungen überall unterscheiden, können die Lösungen nur vielfältig sein.
im Kaffa-Forest von Bonga haben «Geo schützt den regenwald» und ein kleinesunternehmennamens«originalFood»begonnen,denBauerndendoppeltenPreisfüreineinzigartigesProduktzubezahlen:Waldkaffee.dennKaffaistdieursprungsre-gionderedlenBohne,hierimWaldwächsterwildundinimmenserartenvielfalt.anderabnahmedergesammeltenJahreserntezueinemfestensatzkönnendieFarmernichtnurbesserverdienen,sieentwickelnzugleicheingrößeresinteresseamWald-schutz.dennnunwirdderdschungelnichtmehrdurchraubbauzureinkommensquel-le,sonderndurchmöglichstlangfristigenutzung.esgenerierteineinkommen,dasinderabgelegenenKaffa-regionmittlerweile6600Kleinbauernmit ihrenmeist sehrgroßenFamilieneinauskommenermöglicht.umdievermarktungdesKaffeesauchlangfristigtragbarzugestalten,habensichWaldbewohnerunddorfgemeinschaftenzuWaldnutzer-organisationen zusammengeschlossen.sie stecken, oft unteranlei-tunginternationalerorganisationen,einGebietabundlegengemeinsamrechteundregelnundeinenmanagementplanfest.«Participatoryforestmanagement»isteinklassischesGemeingut-verfahren.
Entscheidungsprozesse und Sanktionen bei Konflikten müssen von den Betroffenen selbst bestimmt werden – das ist vielerorts eine kleine Revolution. In Kaffa ist den Bauern diese kleine Revolution bisher gelungen.
WildkaffeeisteinewichtigeeinkommensquelleinKaffa,ÄthiopienFotos:naBu/s.Bender-KaPhenGst
GemeinGüterstÄrKen:ideen,initiativen,institutionen 37
enerGie in unsere hänDe
alssichdiehamburgerGrünen(Gal)nachderlandtagswahlanfang2008entschie-den,mitdercdudieregierungzubilden,versichertensieihrerBasis:mitunswirdeskeinneuessteinkohlekraftwerkgeben!dochwenigemonatespäterwarklar:dierechtslage ließ nur die Genehmigung zu, dasWahlversprechen musste gebrochenwerden.dieumweltsenatorinanjahajdukundihremitarbeiternahmendienieder-lage als ansporn: sie beschlossen, ein eigenes energieversorgungsunternehmen zugründenundzumprivatenenergielieferantenvattenfallinKonkurrenzzutreten.sowerdendieverhältnissewiedervomKopfaufdieFüßegestellt.unterdemdachdesBetriebshamburgWasser,derinkommunalemBesitzist,sollendieseneuenstadt-werkeausschließlichstromaus erneuerbarenenergienanbieten.WenndieBürgeremsigÖkostromnachfragen,kannderKohlestrompotenziellandenranddesmark-tesgedrängtwerden.dieinitiatorenwarensichdersympathienderBürgergewiss,denninnerhalbvondreiJahrenhatteeineunmissverständlichemehrheitperPlebiszitvetogegenPrivatisierungeneinesKrankenhauses,derhamburgerWasserwerkeundeinesteilsderberuflichenBildungeingelegt.
nichtnurinderhansestadterlebenöffentlicheversorgungsunternehmeneinerenais-sance.derimpulskommtausderGesellschaft:KoalitionenausBürgern,organisati-onenundoftauchoppositionsparteienzogenimmerwiedergegendieabsichtihrerstadtregierungen zuFelde, kommunaleseigentumumkurzfristigervorteilewillenzuverkaufen.Fast90ProzentderstimmberechtigtenverhindertenbeieinemBür-gerbegehreninleipzig,dassteilederstadtwerkeandenfranzösischenKonzernGazdeFranceverkauftwurden.auchinQuedlinburg,meißen,FreiburgundzahlreichenbayerischenGemeindenwurdenstädtischeWohnungen,sparkassenoderstadtwerkeverteidigt.diebreiteunterstützungfürdierekommunalisierungderenergieerzeugungoder
gardieübernahmederselbeninBürgerhand,wieimniedersächsischenBioenergiedorfJühnde,imbaden-württembergischensuppingenoderbeidenFreiburgerGenossen-schaftlernvon«energieinBürgerhand»zeigen:vielemenschenwollenmehralseineöffentlicheverwaltungihrerenergieproduktion.siewollenPrioritätenundPreisge-staltungmitbestimmen.miteinemüberzeugendenenergiesparkonzept,effizienterKraft-Wärme-Kopplung
undderumstellungauflokalverfügbareerneuerbareenergienkanndieenergiepro-duktionheuteanjeneGemeinschaftenrückgebundenwerden,diestromundWärmeverbrauchen.radikaldezentral.
Wenn Energie wieder zum Gemeingut wird, dann bedeutet das: weniger Abhängigkeit von den Energiegiganten und mehr Möglichkeiten, nachhaltig zu wirtschaften.
Lesetipps JohnByrneetal:Relocation energy into the social commons. Bulletin of Science, Technology & Society,volume29,number2,april2009,s.81–94.www.energie-in-buergerhand.dewww.bioenergiedorf.de
BioenergiedorfJühndeWWW.BioenerGiedorF.de
GemeinGüterstÄrKen:ideen,initiativen,institutionen38
KommuniKation selbstorGanisiert
derZugangzumtelefonnetzoder internetgelingtnormalerweise so:manschließteinenvertragmiteinertelefongesellschaftodereinemProviderundbekommtZuganggewährt.Frühergabesnureinenanbieter,diestaatlicheBundespost.heutegibteseinehandvoll großer und allerhand kleinereKonkurrenten. viel geändert hat sichdadurchnicht–dernutzeristlediglichKunde.inzwischenhatdietechnikalternativeneröffnet.Wlanstelltschnelledrahtlose
verbindungenzwischencomputernher.dietechnikistauskeinemlaptopmehrweg-zudenken.Wlan-router,dieFunksignaleandiecomputerinihrerumgebungüber-tragenkönnen, sindgünstigzuhaben.mitderverbreitungvonWlanentstandenschonbaldfreieFunknetze:netzevonmenschen,dieihrenWlan-routernichtnurdazubenutzen,kabellosimeigenenGartenzusurfen,sondernauchdazu,alleninihrerumgebungfreienZugangzuminternetzugewähren.FreieFunknetzeermöglichenzudemdirekteKommunikationzwischenallenbetei-
ligtenrechnern.sokönnenauchdortKommunikationsstrukturenaufgebautwerden,wogarkeininternetzugangexistiert–z.B.inländlichenGebietenvonentwicklungs-ländern.die«100-dollar-laptops»des«onelaptopPerchild»-Projekts,dasmög-lichstvielenKinderneinenlaptopalslern-undKommunikationswerkzeugzurverfü-gungstellenwill,sinddadurchinderlage,sichmitallenrechnerninFunkreichweitezueinemspontanennetzwerkzusammenzuschließen.Jederweitererechnervergrö-ßertdiereichweitedesnetzwerks,daallecomputer,dieperFunkerreichbarsind,wiederumteildesnetzwerkswerdenkönnen.WoherkömmlicheKommunikationska-nälefehlenoderzuteuersind,istdaseineattraktivealternative.dasnetzwerknutztallen,undalletragenihrenteildazubei.nochbeliebteralse-mailundanderecomputerbasiertemedienistdasgutealte
telefon–aberauchdafürmussdienötigeinfrastrukturvorhandensein.dasvillagetelcoProjectunddasFreetelephonyProjectarbeitengemeinsamdaran,freiehard-wareundsoftware fürdenkostengünstigenBetrieb lokalertelefonnetzezuentwi-ckeln.dieideeist,gerademenscheninentwicklungsländern,dievonkommerziellenKommunikationsmedienoftausgeschlossensind,alternativenzuerschließen.überallarbeitenmenschenandiesenundanderenideen.dieergebnisseihrerarbeit–freiesoftwareundBauplänefürfreiehardware–teilensiemitunsallen.
Links ZumthemaFreifunk:http://start.freifunk.netonelaptopPerchild:www.olpc-deutschland.devillagetelco:www.villagetelco.orgFreetelephonyProject:www.rowetel.com/ucasterisk
D4t – ein aiDsmeDiKament aus öffentlichen labors
der Wirkstoff d4t wurde in den 1960er Jahren am detroit institute of cancerresearch(usa)aufdersuchenacheinemKrebsmedikamententwickelt.alsinden1980erJahrenaidsausbrach,beganndiefieberhaftesuchenachgeeignetenmedi-kamentenzurtherapiederhiv-infektion.anderYaleuniversitätbesannmansichdesd4tund führtemitFinanzierungderusnational institutesofhealthweitereuntersuchungendurch.1986meldetedieYaleuniversitätd4tzuraids-Behandlungzum Patent an. Für die weitere Produktentwicklung erhielt das Pharmaunterneh-menBristol-myerssquibb(Bms)eineexklusivlizenzundbrachtedasmedikamentschließlich1994als«Zerit»aufdenmarkt.dieuniversitäterhieltalsPatentinhabereineGewinnbeteiligung.Baldwurdedeutlich,dassaidsvorallemfürdassüdlicheafrikazueinerKatastro-
pheungeahntenausmaßeswurde.dieKostenfürmedikamentewarenjedochsohoch,dassdiehilfsorganisationensiekaumtragenkonnten,geschweigedenndieBetrof-fenenselbst.deshalbfragtedieorganisationÄrzteohneGrenzen(msF)imFebruar2001 bei deruniversität an, obman bereit sei, eine freiwilligelizenz auf d4t zu
Foto:FlicKr-nutZersuttonhoo
Foto:WiKimediacommons-nutZerPÖllÖ
GemeinGüterstÄrKen:ideen,initiativen,institutionen 39
vergeben,umherstellungundimportgünstigerGenerikanachsüdafrikazuermögli-chen.dieuniversitätsleitungverwiesaufdievertraglicheBindungandieexklusivli-zenzfürBmsundlehnteab.diesereaktionführtezuunmutanderuniversität.stu-dierendeundWissenschaftlerempörtensich,wie–auskommerziellenGründen–einlebensrettendesmedikamentimBesitzderuniversitätdenBedürftigenvorenthaltenwerdenkönne.esgabunterschriftenaktionen,Presseberichteundöffentlichedebat-ten.imJuni2001lenktederlizenznehmerBmseinundunterschriebeinenverzichtaufseineexklusivenrechte inafrika.dieswareinwichtigerBeitragfürdieenormePreissenkungderaidstherapie.
freie lizenzen unD Das coPyleft-PrinziP
WerproprietäresoftwareanFreundeoderBekannteweitergibt,machtsichstrafbar.dennwerdastut,hateineKopieerzeugt,unddaserzeugenvonKopienistlauturhe-berrecht verboten.diesoftware in irgendeinerWeise zu verändern, ist auchnichtmöglich;dafürbräuchtemandenQuelltext,dieversiondesProgrammcodes,dienichtnurmaschinen,sondernauchmenschenverstehen.aberderQuelltextwirdnormaler-weisenichtmitgeliefert.dochselbstwemesgelänge,diesoftwarezuverändern,derdürftedieverbesserteversionnurpersönlichnutzen–sieanandereweiterzugeben,istschließlichverboten.richardstallman,ein«hacker»(alsoeinbegnadeterProgrammierer)derersten
stunde,leuchtetedasnichtein.erwolltedennutzernseinersoftwarediegenanntenmöglichkeiteneinräumen,underselbstwolltenursoftwareverwenden,dieihmundanderendiesemöglichkeitengibt.stallmanprägtedenBegriff«Freiesoftware»fürsoftware,dieallihrennutzernfolgendeFreiheitengewährt:
Freiheit 0 ◆ dieFreiheit,dasProgrammfürjedenZweckeinsetzenzudürfen.(informatikerhabendieseltsameGewohnheit,von0stattvon1beginnendzuzählen.) Freiheit 1 ◆ dieFreiheit,untersuchenzudürfen,wiedasProgrammfunktioniert,undesdeneigenenBedürfnissenanzupassen. Freiheit 2 ◆ dieFreiheit,dasProgrammanandereweiterzugebenundKopienfüranderemachenzudürfen. Freiheit 3 ◆ dieFreiheit,dasProgrammverbessernzudürfenunddieseverbesse-rungenzumallgemeinenWohlzugänglichzumachen.
Freiheiten1und3setzendabeidenZugangzumQuellcodevoraus.undFreiheiten2und3siehtdasurheberrechtnichtvor,sofernmannichtdieexpliziteZustimmungdesurhebers(autors)dersoftwareeingeholthat.stallmanschriebdahereinelizenz,dieerdenvonihmgeschriebenenProgrammenbeilegtunddieallennutzerndieviergenanntenFreiheiteneinräumt.Wirmüssenalsonichtmehrdieerlaubnisdesurhe-berseinholen,wirhabensieschon.dochstallmanerkannte schnell,dassdievierFreiheitennichtausreichen,denn
jeder,dereinProgrammverändertodererweitertundindiesererweitertenFormwei-tergibt,wirdzummitautordersoftware.somitmüsstendienutzernunauchdes-senerlaubnis einholen, umdie veränderteFassungbearbeitenundweitergeben zukönnen.hättederneueautordieerlaubnisverweigert,wäreesumdieFreiheitdernutzererneutschlechtbestellt.umsicherzustellen,dassalleversionen,dieaufseinersoftwarebasierten,freiblieben,nahmstallmaninseinelizenz–dieGNU General Public License (kurzGPl)–einPrinzipauf,daser«copyleft»nannte.dascopy-leftdrehtdieursprünglicheintentiondescopyrights(bzw.desurheberrechts)um.Währenddasurheberrechtnormalerweisedieautorenzunichtsverpflichtetunddennutzernfastnichtserlaubt,machtdascopyleftdasGegenteil:eserlaubtdennutzernsehrviel,indemesihnendiegenanntenvierFreiheitengewährt,undverpflichtetallekünftigenautoren,dennutzernihrereigenenverbessertenversionendieselbenrech-teeinzuräumen,wiejene,diesieselbstgenossenhaben.
Quelle:BuKoPharma-Kam-pagne,med4all:medizinischeForschung–derallgemeinheitverpflichtet,nr.1/2009s.8/9,gekürzt
GemeinGüterstÄrKen:ideen,initiativen,institutionen40
dieautorenerhaltenalsodieFreiheit,dasProgrammzuverändernunddieseverän-derungenzuveröffentlichen(Freiheit3)nurunterderBedingung,dasssiedieverän-derteFassungebenfallsunterGPlveröffentlichenundgleichzeitigdennutzerndenZugangzumQuellcodeermöglichen,dennohneQuellcodeisteinveränderndesPro-grammsnichtmöglich.
Die Freiheit der unter GPL veröffentlichten Software ist damit für alle Zeiten und für alle Weiterentwicklungen gesichert.
diese idee der umkehrung der intentionen des copyrights (das Basis aller freienlizenzen ist)zumcopyleftwarsehrerfolgreich.dieGPlistheutedieammeistengenutztelizenzfürFreiesoftware.siewirdfüretwazweidrittelallerFreiensoft-wareprogrammegenutzt.Was fürsoftware funktioniert, kann auch für andereWerkewie texte,Bilder,
musiksinnvollsein–daswardieideedes Creative-Commons-Projekts (kurzcc),dasfürsolcheWerkeeineganzeFamilievonlizenzenentworfenhat,ausdenensichjederautordiejenigeaussuchenkann,dieseinenBedürfnissenambestenentspricht.dabeimussmansichentscheiden,obeinemdascopyleft-Prinzip,hier«sharealike»genannt,wichtig istodernichtundobmankommerziellenutzungenerlaubenoderverbietenwill.esgibtzudemdieoption,veränderungendesWerksganzzuuntersa-gen.dahergewährennichtallecc-lizenzendievierFreiheiteninvollemumfangundfür beliebigeZwecke; zumindest die nichtkommerzielleWeitergabe ist aber immererlaubt.dasistdierichtigerichtung.
Lesetipps Wikipedia-artikelzucopyleft,creativecommons,Freiesoftware,GnuGeneralPubliclicense,richardstallmanGnu-Projekt:diedefinitionFreiersoftware:www.gnu.org/philosophy/free-sw.de.html
creativecommons«attributionsharealike»
GrundZüGeeinerGemeinenPeer-ProduKtion 41
GrundZÜGe eIner GemeInen peer-produktIon
WasheutenochalsschwächederGemeingütererscheinenmag,könntesichinnichtallzufernerZukunftalsihrestärkeerweisen:Geldspielteinenachgeordneterolle.Was Gemeingüter auszeichnet, ist die Zusammenarbeit zum Gedeih des geteiltenBesitzes,nichtKonkurrenzumderindividuellenBereicherungwillen.Gewöhnlichsindmonetäreanreizehöchstensamrandewichtig,wichtigersindmotivewiegemein-samernutzen,Kompetenzerfahrung,Geselligkeit oderreputation.die sphäre derGemeingüteristindiesemsinneeinwaren-freierraum.
Es handelt sich um eine Ökonomie des Teilens und der Beteiligung, nicht der Akkumulation und Ausgrenzung.
ohne eine solche Ökonomie des teilens ist eine wachstumsbefriedete Wirtschaftundenkbar.dennleistungen,dieausGemeinsinn,interesseandersacheodersoli-daritäterbrachtwerden,schaffendiemöglichkeit,BedürfnissemiteinemgeringerenGeldeinsatzverwirklichenzukönnen.sowiedasWerkderWikipediaunerschwinglichwürde,wennallenBeiträgerneinhonorarbezahltwerdenmüsste,soerbringenaucheindutzendälteremenschenineinemco-housing-Projektuntereinandersorgeleis-tungen,welchedieöffentlichePflegefinanzierungüberfordernwürden.mitanderenWorten:WasindieGemeingutsphäreeingebrachtwird–vielerortsalssozialkapitalbezeichnet–,istgenaubesehen«geldeffizient».PereinheitanleistungistwenigeraufwandanGeldkapitalerforderlich.GenaudiesistzentralfüreinWirtschaftssys-tem,dasohneWirtschaftswachstumauskommenmuss,aberdennochfunktionierensoll.
Weil Geldeffizienz in diesem Sinne als Säule für eine Postwachstumsökonomie gelten kann, ist eine Neuerfindung der Gemeingüter Voraussetzung für eine zukunftsfähige Wirtschaftsordnung im 21. Jahrhundert.
Zweifellosisteshöchstfahrlässig,weiterhinaufeinsteigendesvolkseinkommenzusetzen.dasGegenteilzutun,nämlichaufwirtschaftlichestabilitätundKonsumbe-schränkungzusetzen,hatmehrvernunftfürsich.dieGründedafürsindausreichendbekannt:Klimachaos,schwindendeÖl-undGasreserven,wachsendeschuldenbergeund verstärkteressourcenansprüchean verschiedenenortenderWelt.esgenügt,daraufhinzuweisen,dass esbald– vielerorts schon jetzt–nichtmehrumWachs-tum,sondernumzivilisiertesüberlebengeht.daraufsindwederdieökonomischePra-xisnochdieökonomischetheorie vorbereitet.sie stehen ratlosvorderFrage,wiedielebensumständeverbessertwerdenkönnten,auchwennderKuchennichtmehrwächst.umWirtschaftsformennachvornezubringen,dieeingedeihlichesbzw.aus-kömmlichesWirtschaftenermöglichen,istdiestabilisierungeinervielfältigenarchi-tekturderGemeingüterelementar.als erster erkanntewohlderus-amerikanischeÖkonomYochaiBenkler,dass eineProduktions- und Wirtschaftsweise, die auf Gemeingütern aufbaut, sich von her-kömmlichenvorstellungenvonProduktionbeträchtlichunterscheidet.Benklerpräg-te denBegriff «commons-based peer production», denman aufdeutsch etwamit«GemeinePeer-Produktion»wiedergebenkann.eineGemeinePeer-ProduktionfindetimGegensatzzurProduktionfürdenmarkt
nichtfürdenverkauf,sondernfürdiedirektenutzungstatt.Peer-ProjektehabeneingemeinsamesZiel–softwareherstellen,musikmachen,einenGartenpflegen–,undalleteilnehmerinnenundteilnehmertragenaufdieeineoderandereWeiseetwaszudiesemZielbei.undzwarmeistensnicht,umGeldzuverdienen,sondernweilsiedieZieledesPro-jektsteilenundwollen,dasseserfolgreichist–odereinfachweilsiegerntun,wassietun.einesolcheGemeinePeer-ProduktionerzeugtneueGemeingüteroderpflegtundver-bessertdievorhandenen.hierarchischeBefehlsstrukturensinddiesenPeer-Projektenweitgehendfremd.dasheißtkeineswegs,dasssieunstrukturiertwären(oftgibtesetwamaintaineroderadministratoren,dieeinProjektaufKurshaltenundentschei-den,obBeiträgeintegriertoderzurückgewiesenwerden),aberniemandkannanderenbefehlen,waszutunist.derumgangmitdiesenGüternistnichtregellos.dieregeln
GrundZüGeeinerGemeinenPeer-ProduKtion42
entstehen aus dem Konsens der «Peers». in dieser Gemeingüterwirtschaft durchGleichgestelltegibteskeinenZwangundkeineBefehle.esbestehtfreiwilligeKoope-rationzwischenGleichberechtigten.Jederwirdauseigenemantriebinitiativ.main-tainerkönnennurdieBeteiligtendavonüberzeugen,dasseinebestimmteaktivitätsinnvollist.diesführtzueinemmaximumanFreiheitfüralleBeteiligten.
eineGemeine Peer-Produktion findet immer imrahmen von «communities», alsoGemeinschaften,statt,indenensichmenschenmitgemeinsameninteressenodernuraufgrundvonnachbarschaftzusammenfinden.WiedasBeispiellinuxzeigt,könnendieseräumeundGemeinschaftendurchausauchglobalgefasstsein.dievirtuellenWeltenmachenmöglich,dassneue,territorialunabhängigeFormenvonGemeinschaftentstehen.
In offenen, niemals abgeschlossenen Prozessen entwickeln die Gemeinschaften die Regeln, Organisations- und Institutionalisierungsformen, die der Erreichung ihrer Ziele am besten entsprechen.
einBeispieldafür,wieinnovativundproduktiveinesolcheGemeingüterwirtschaftseinkann,liefertdiedynamikderinternetinnovationnachdemdot-com-crashimmärz2000.damalswurdedasvorläufigeendedertechnologischenentwicklungimnetzvorausgesagt,dennmitdemcrashgingdasKapitalverloren.aufdennächsteninno-vationsschubmüssemanlangewarten,sodievoraussagenderexpertendermarkt-wirtschaft.dochdasistnichtpassiert.stattdessenentstandeninrasantemtempodieinnovationendesWeb2.0.indemmoment,alsdiefinanziellenmittelknappwurden,hatsichdieentwicklungdesinternetsnichtverlangsamt,sondernbeschleunigt.dasistnichtparadox,sondernbestätigtdasinnovationspotenzialderGemeingüterundgemeinsamerFormenderPeer-Produktion.inden1970erJahrengabesinKalifornieneinenaufstrebendensektorfürerneu-
erbareenergien.doch«start-ups»,diesichindiesemBereichengagierten,wurdenaufgekauft, als ineffizient definiert und klassischenBetriebsstrukturen einverleibt.dasbrachteinvestitionenundinnovationenfürerneuerbareenergienoderalternativeantriebsformenimautomobilsektorzumerliegen.derGrundisteinfach:materielleProduktionbasiertvorallemaufWissen,Konzepten,ideenunddesigns.Wersichdie-seaneignetundwegschließt,sichertsichmacht.dendringendbenötigteninnovationsschubfürerneuerbareenergienhatesvor30
Jahrennichtgegeben,weildiedesignsproprietärwaren;nurdie«eigentümer»konn-tensienutzen.dasergebnisisteineKatastrophefürsKlimaundeineKatastrophefürdiemenschheit.
YochaiBenklerFoto:FlicKr-nutZerJoi
GrundZüGeeinerGemeinenPeer-ProduKtion 43
Wer Ökologie und Ökonomie verbinden will, braucht offene designs.mobilität,energieversorgung,KommunikationundGebrauchsgütervonmorgenbrauchenoffe-nenZugangzudenBauplänen.ZwarhatsichdieGemeinePeer-ProduktionvoralleminderWissens-undsoft-
wareproduktionentwickelt,dochihrePrinzipiensindauchaufdieherstellungmateri-ellerGüterübertragbar.dasbedeutet:
«dasProblemzuerkennenistnichtsoschwer.WirlebenineinerGesellschaft,dieoffenbardavonausgeht,naturseiimüberflussda.soproduzierenwir,undsoentsorgenwir.aberdasisteinPseudo-überfluss,esgibtihnnicht.WährendinderimmateriellenWelttat-sächlichüberflussherrscht,dochderwirdkünstlicheinge-zäunt.»michelBauWens
WissenundnatürlicheressourcensindGemeingüter,diegrundsätzlichallen ◆
zustehen.Zuihrernutzunggibtesregeln,dieFairnessgewährleisten.dieProduktionphysikalischerGüterbasiertauffreiendesigns(Bauplänen), ◆
diejederweiterentwickelnunddeneigenenBedürfnissenanpassenkann.diephysischeProduktionistdezentralorganisiert,siefindetzumeistortsnah ◆
statt.dieProduktionistnutzen-undnutzerorientiert:eswirdproduziertfürdas ◆
leben!dasengagementderBeteiligtenerfolgt–wiebeiFreiersoftware–per ◆
«selbstauswahl»:mansuchtsichaus,wieundwomansichbeteiligenmöch-te.dieserforderteinhohesmaßanabstimmung,bringtaberauchmehrZufriedenheit.Peer-Produktionbasiertaufeinschluss,nichtaufausschluss.Zwargibtes ◆
regeln,diesichdieGemeinschaftenselbergebenundandiesichjederhaltenmuss,aberdieeinstiegshürdensindgering.Beteiligungwirdleichtgemacht.
Das Prinzip ist: Ich tue etwas für die anderen, und die anderen tun etwas für mich.
WährendindermarktwirtschaftdieGemeingüter–obwohllebenswichtig–nahezuunsichtbargewordensind,solltesichdasverhältnisineinerGemeingüterwirtschaftumkehren:märkte, wie sie heute in derWarenwirtschaft organisiert sind, spielenkünftigeinegeringererolle,währenddieGemeingüter,diecommons,unddieoffenenGemeinschaftendercommonersimmittelpunktdeslebensstehen.dafürmusseinneuesverständnisvonmarktundeinneuesverständnisvonWirtschaftenentwickeltwerden,beidemGemeingüternicht inersterlinieGegenstandprivateraneignungsind,sondernzumvorteilallergenutzt,bewahrtundweiterentwickeltwerden.
Lesetipps YochaiBenkler:The Wealth of Networks.YaleuniversityPress,newhaven2006.http://cyber.law.harvard.edu /wealth_of _networkschristiansiefkes:Beitragen statt tauschenaGsPaKBücher,neu-ulm2008.www.peerconomy.org
44
Eine Vision
einevision
Zum sChluss: eIne vIsIon
Wirbrauchenveränderung,und
wirkennendierichtung.viele
menschensindbereitsunterwegs.
dieserreportzeigt:dieideeder
Gemeingüterkanndieunterschied-
lichenBewegungenzusammen-
bringen.dasistihrestärke.
sieerlaubt,dievielfaltderprak-
tischenansätzeundProjektezu
einergemeinsamenstrategiezu
bündeln,ohneaufweltanschauli-
chevielfaltzuverzichten.
«KonservativeerfreutdasBewahrendeundGemein-schaftlicheandencommons,liberaleerfreutdiestaats-ferneunddienichtvölligemarktinkompatibilität,anar-chistendieselbstorganisation,sozialistenundKommunistendergemeinsamkontrollierteBesitz.»BenniBÄrmann
Eine Vision
45einevision
Wirkönnenunsereenergien,institutionenundtalentedirektaufdieGemeingüterundderenKernrichten:dievielfaltdeslebens.
WirkönnenjedesProjekt,jedeideeundjedewirtschaftlicheaktivitätdaraufbefragen,obsiemehrfürdieGemeinschaften,dieGesellschaftunddieumwelttut,alssieihnennimmt.
Wirkönnenprimärjenehandlungenanerkennenundmateriellfördern,dieallgemeinverfügbaresgenerieren,pflegenundvermehren.
Wirkönnendiemultipleundfai-reteilhabeandenGabendiesererdeunddengemeinschaftlichenleistungenvonvergangenheitundGegenwartzuminstitutionalisier-tennormalfallwerdenlassen.
Wirkönnentransparente,partizi-pativeundfreieentscheidungsver-fahren,Kommunikationsformenundtechnologienanwendenundfüralleverbessern.
Wirkönnendievorzeichenumkeh-ren:indemwirunsGrenzensetzenundnatürlicheressourcennachhaltignutzen,abermitideenverschwenderischumgehen.sokommtbeideszuunszurück.
WirkönnenintelligenteWegefinden,dasvorankommenallerzufördern,stattunsnuraufdasindividuellevoran-kommenzukonzentrieren.
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1 .
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l Inks deutsChspraChIG
Aufruf des Weltsozialforums zur Wiedergewinnung der GemeingüterFünfsprachigeinternetseite,dieimergebnisdes9.WeltsozialforumsvomJanuar2009inBélemdoPara(Brasilien)entstand.deraufrufisteineeinladungzurdebatteundunterzeichnung.
http://bienscommuns.org
CommonsblogFundsachenvonderallmendewiese–weltweit!
www.commonsblog.de
Creative Commonsentwickeltmusterlizenzverträge,mitderenhilfeurheber/innenihrenschöpfungenauchFreiheitenmitgebenkönnen:«mancherechtevorbehalten»statt«allerechtevorbehalten».
http://de.creativecommons.org/index.php
GNUdasGnu-Projektwurde1984ausdertaufegehoben,umeinkomplettes,unix-artigesBetriebssystemzuentwickeln,dasFreiesoftwareist.esbasiertaufdemlinux-Kernel.
www.gnu.org/home.de.html
iRights.infosindPrivatkopiererverbrecher?machtsichstrafbar,wereinecdoderdvdkopiert?dasinformationsangebotzumurheberrechtinderdigitalenWelthilftbeiderorientierung.
www.irights.info/index.php?id=58
Keimform.deaufdersuchenachdemneuenimalten:kollektivesBlogzuemanzipatorischenProjekten,themen,theorien,ausführlichediskussionenzuGemeingüterwirtschaft.
www.keimform.de
Max Planck Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgüternwww.mpg.de/instituteProjekteEinrichtungen/ institutsauswahl/recht _ gemeinschaftsgueter/index.html
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l Inks enGl IsChspraChIG
Center for Genetics and Societynichtregierungsorganisation,diesichdemverantwortlichenumgangmitdemhumangenetischenerbewidmet.
http://geneticsandsociety.org
Barcelona Charter for Innovation, Creativity and Access to Knowledgestatementzahlreicherinternationaler«commoners»gegeneinerückwärtsgewandtenetzpolitikundfüreinegemeingüterbasierteKulturpolitik.
http://fcforum.net
ETC Groupnichtregierungsorganisation,Kanada,mexikoundGroßbritannien.Forschung,vernetzung,lobbyarbeitzumenschenrechten,nachhaltigeentwicklungderkulturellenundbiologischendiversität.KritischeBeobachtungneuertechnologien.
www.etcgroup.org/en
Free Software Foundation EuropestiftungzurFörderungvonFreiersoftwareineuropa.
www.fsfeurope.org
IASCinternationalassociationforthestudyofthecommons.
www.indiana.edu/~iascp
International Journal on the CommonsWissenschaftsjournalfüreinbesseresverständnisdercommonsundderenmanagement.eineinitiativederiasc.alleartikelonlineverfügbar.
www.thecommonsjournal.org/index.php/ijc
Knowledge Ecology International (KEI)nichtregierungsorganisation,usa;Forschung,Öffentlichkeitsarbeitundmonitoringbzgl.ZugangzuWissenundtechnologieindermedizin.
www.keionline.org
On the CommonsFacettenreiches,interdisziplinäresBlogrundumdieGemeingüterinPolitik,Wirtschaftundalltag.
www.onthecommons.org
P2P FoundationWebsitezuPeer-to-Peer-technologie,Peer-to-Peer-ProduktionundderPeer-to-Peer-Gesellschaft.
www.p2pfoundation.net / The _ Foundation _ for _ P2P _ Alternatives
48 autoren
autoren
silKe helfrich
Bis1989studiumromanischersprachen–FranzösischundPortugiesisch–inleipzig,seitBeginnder1990erJahreentwicklungspolitischengagiert.indenJahren1999–2007Büroleiterinderheinrich-Böll-stiftungfürmittelamerika,mexiko,Kuba.lebtundarbeitetderzeitalsfreiePublizistininJenaundbetreibtseit2007eindeutsch-sprachigesBlogzumthemaGemeingüter:www.commonsblog.de
« In der Auseinandersetzung mit Gemeingütern liegt ein Schlüssel zum Verständnis der gesellschaftlichen Verhältnisse. Jede Gesellschaft muss zu jeder Zeit diesen Begriff für sich neu bestimmen. »
Prof. Dr. rainer Kuhlen
Forschungs- und lehrschwerpunkte: information retrieval, informationsmarkt,informationsethik,-politikund-recht;kollaborativesWissensmanagementime-lear-ning,commons-theorien.seit1980lehrstuhlfürinformationswissenschaft,univer-sitätKonstanz;mitglieddesFachausschusses«Kommunikationundinformation»derdeutschenunesco-Kommission(duK);deutscherunescochair incommunica-tions(orBicom);vorsitzenderdesvereinsnethicse.v.(informationsethikimnetz);sprecherdesaktionsbündnisses«urheberrechtfürBildungundWissenschaft»;sach-verständiger für verschiedene Bundestagsausschüsse und enquete-Kommissionen;mitglied zahlreicher Beiräte/Kommissionen in deutschland (für BmBF und dFG),Österreich,derschweizundindereu.
« Die Anerkennung der sozialen, politischen und ökonomischen Bedeutung der Gemeingüter hebt die Debatte um Ökologie und Nachhaltigkeit auf eine neue, zukunftsweisende Stufe. »
Prof. Dr. wolfGanG sachs
hat theologie, soziologie und Geschichte studiert. seit 1993Wissenschaftler amWuppertalinstitutfürKlima,umwelt,energieGmbh.JährlichGastdozentamschu-macher college, england, sowiehonorarprofessor an deruniversität Kassel.mit-glieddesclubofrome.Zahlreicheveröffentlichungenimin-undauslandzuumwelt,Globalisierung,neueWohlstandsmodelle,zuletztleitenderautordervonBund,eedundBrotfürdieWeltherausgegebenenstudiedesWuppertalinstitutsZukunftsfähi-ges Deutschland in einer globalisierten Welt,Frankfurt2008.
« Wie sollen wir ‹commons› im Deutschen nennen? Gemeingüter? Allmende? Gemeinheit? Wo kein Name, da keine Wahrnehmung, das ist die Tragik der Commons im deutschen Sprachraum. »
Dr. christian siefKes
studiumderinformatikundPhilosophie.lebtalsfreiberuflichersoftware-entwicklerundautorinBerlin.KoautordesGemeinschaftsblogskeimform.dezumemanzipatori-schenPotenzialvonFreiersoftwareundanderenFormenvonGemeingüterwirtschaft;veröffentlichungenu.a.Beitragen statt tauschen,neu-ulm2008.
« Eine auf Gemeingütern basierte Produktionsweise hat das Potenzial, wesentliche Begrenztheiten und Probleme der heutigen Gesellschaft zu überwinden, ohne dabei hinter ihre positiven Errungenschaften zurückzufallen. »
Wasser Internet Photosynthese Moore Wald
Luft Wiesen Gesundheit Weiden Frequenz-Spek-
trum Periodensystem Gene Boden Eis Elek-
trizität Feuer Bildung Heide Artenvielfalt
Licht Meereswellen Bodenschätze Kultur
Meeresboden Energieträger UV-Strahlung
Ozonschicht Riffe Software Kulturtechni-
ken Lesen Schreiben Algorithmen Sprache
Stille Märchen Wissen Musik Tänze Traditio-
nen MarktPlätze Parks Wikipedia Landschaf-
ten Zeit soziale Netze Kochrezepte Gezeiten
Wasser Internet Photosynthese Moore Wald
Luft Wiesen Gesundheit Weiden Frequenz-Spek-
trum Periodensystem Gene Boden Eis Elek-
trizität Feuer Bildung Heide Artenvielfalt
Licht- und Meereswellen Bodenschätze Kul-
tur Meeresboden Energieträger UV-Strahlung
Ozonschicht Riffe Software Kulturtechni-
ken (Lesen Schreiben Algorithmen Sprache
Stille Märchen Wissen Musik Tänze Traditio-
nen (Markt-)Plätze Parks Wikipedia Landschaf-
ten Zeit soziale Netze Kochrezepte Gezeiten
GemeinGüter – Wohlstand durch teilenSilke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes
Heinrich-Böll-Stiftung Schumannstraße 8, 10117 Berlin www.boell.deISBN 978-3-86928-020-2
Sie sind die großen Unbekannten. Und doch leben wir alle von ihnen. Durch sie vor allem existiert unser Gemeinwesen. Die Rede ist von den Gemeingütern. Von Luft und Wasser, von Wissen, Soft-ware und sozialen Räumen. Und von vielen anderen Dingen, die unser tägliches Leben und Wirtschaften ermöglichen. Doch viele dieser Gemeingüter sind bedroht – sie werden dem Gemeinwesen entzogen, kommerzialisiert, unwiederbringlich zerstört. Stattdes-sen müssten sie kultiviert und erweitert werden.
Wir brauchen ein neues Bewusstsein für die Bedeutung dieser « uns gemeinen Sachen ». Denn ohne sie gibt es keinen Wohlstand und kein Wohlergehen. Gemeingüter brauchen Menschen, die sich für sie stark machen, die sich für sie verantwortlich fühlen. Zahl-reiche Probleme der Gegenwart erwiesen sich als lösbar, wenn wir all unsere verfügbare Energie und Kreativität auf das richten, was unseren Reichtum begründet, was funktioniert und den Menschen hilft, ihre Potenziale zu entfalten. Dieser Report will diese Dinge wie die « Gemeine Peer-Produktion » ins öffentliche Licht rücken.
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