Chancengleichheit in der digitalen Zukunft?!Zum Erwerb von Medienkompetenz bei sozial benachteiligten Jugendlichen
Katharina Maierl, Christina Ortner, Dagmar Strohmeier, Tanja Jadin, Petra GradingerFachhochschule OÖ, Research Center Hagenberg und Linz
“Coming Soon – The Future of Work, Education & Living”Track 3: Lebenswelten – Soziale Ungerechtigkeiten, Palais Kaufmännischer Verein Linz, am 19. September 2019
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Bildquelle: cszar http://www.flickr.com/photos/51035610542@N01/877883608/#/
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„It’s no longer a matter of going online,
but being online“(Carvalho et al. 2015: 102)
Wir leben in Zeiten tiefgreifender Mediatisierung.(Couldry/Hepp 2013, Hepp/Krotz 2014)
Kinder wachsen in digitalisierten Welten auf!
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„Klar ist, dass das ‚WWW‘ heutzutage genauso wichtig ist wie das ‚ABC‘.“
Landeshauptmann Stelzerin der Agenda digitale Bildung OÖ
Ein kompetenter Umgang mit digitalen Medien ist längst zu einer Schlüsselkompetenz geworden.
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Ein genauerer Blick auf diese Zielgruppe
ist nötig!
Internationale Studien deuten darauf hin, dass digitale Kompetenzen bei Kindern aus sozial benachteiligten Familien schwächer ausgeprägt sind (z.B. Sonck et. al. 2011).
“It is precisely those who grow up under difficult conditions who are in danger of falling
further to the edge.”(Paus-Hasebrink et al. 2014)
Welche Bedeutung haben dabei Schule, Familie und Peers?
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Welche Kompetenzen liegen bei benachteiligten Jugendlichen vor?
Welche fehlen?
Wie eignen sich diese Jugendlichen digitale
Kompetenzen an?
Welche Rolle spielen unterschiedliche Dimensionen
sozialer Lage dabei?
Auf welche Weise können diese Jugendlichen unterstützt werden?
Forschungsprojekt an der FH OÖ
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Titel: Chancengleichheit in der digitalen Zukunft? Zur Entwicklung von Medienkompetenz bei sozial benachteiligten Jugendlichen
Zielgruppe: Jugendliche im Alter von 11 bis 17 Jahren aus Familien miterschwerten sozio-ökonomischen Bedingungen
Zielsetzung: Erkenntnisse über Medienkompetenz in dieser Gruppe generierenWissensbasis zur Unterstützung dieser Jugendlichen schaffen
Fördergeber: Land Oberösterreich (Basisfinanzierung)
Laufzeit: Oktober 2018 bis September 2020
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Fachhochschule OberösterreichProjektleitung: Christina Ortner
Research Center HagenbergStudiengang Kommunikation, Wissen, Medien
Christina Ortner, Tanja Jadin,Katharina Maierl, Magdalena Heinzl
Research Center LinzStudiengang Soziale Arbeit
Dagmar StrohmeierPetra Gradinger
Durchführende InstitutionProjektpartner Zusammenarbeit
JugendnetzwerkeSafer Internet.at
Masterstudiengang Sucht- und
Gewaltprävention
Mixed-Method Studie
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Schritt 1:Forschungsstand
Schritt 2:Theoretische Rahmung
Schritt 3:Quantitative Teilstudie
Schritt 4:Qualitative Teilstudie
Aufarbeitung bestehender Studien
Erarbeitung theoretischer Konzepte und Modelle
Quantitative Befragungin Neuen Mittelschulen
Qualitative Interviews in benachteiligten Familien
in der ersten und letzten Projektphase
in der ersten und letzten Projektphase
von Projektbeginn bis Herbst 2019
von Frühjahr 2019 bis Projektende
Um ein vielschichtiges Bild zu erhalten, kombiniert das empirische Design Zugänge aus der quantitativen und qualitativen Sozialforschung.
wird derzeit ausgewertet
Erhebung läuft derzeit
Medienkompetenzbegriffe
Englischer Sprachraum− media literacy− digital literacy− ICT or computer literacy− digital or online competences− digital/ ICT or online skills, e-skills− online knowledge or fluency− ....
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Deutscher Sprachraum− Medienkompetenz− digitale Medienkompetenz− digitale Kompetenz− Online-Kompetenz− Internet-Kompetenz− digitale Fertigkeiten− ...
Medienkompetenz nach Baacke
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Medienkritik Medienkunde Mediennutzung Mediengestaltung
analytisch(gesellschaftliche Prozesse)
informativ(klassische Wissensbestände)
rezeptiv-anwendend innovativ
reflexiv(individuelles Handeln)
instrumentell-qualifikatorisch
(Bedienung von Geräten)
interaktiv, anbietend kreativ
ethisch(Sozialverantwortung)
Medienkompetenz ist „die Fähigkeit, in die Welt aneignender Weise auch alle Arten von Medien für das Kommunikations- und Handlungsrepertoire von Menschen einzusetzen.“ (Baacke 1996: 119)
Soziale Benachteiligung
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Soziale Benachteiligung wird als multidimensionales Konstrukt konzeptionalisiert, das durch die soziale Lage (Hradil 2008) der Familie bestimmt wird.
Niedrige soziale Lage ergibt sich u.a.durch folgende Faktoren:
− Niedriger Bildungsstand− Schwierige finanzielle Situation− Alleinerziehender Elternteil− Großfamilien− Migrationshintergrund
Diese Faktoren treten häufig in
Kombination auf!
Literaturanalyse nach Cooper (1988)
− Formulierung des Problems> Welche Unterschiede gibt es?> Wie kommt es zu den Unterschieden?> Welche Faktoren sind besonders wichtig?
− Suche einschlägiger Studien> Fokus auf deutschsprachigen Raum> Einbezug länderübergreifender Studien> Erscheinungsjahr ab 2000> Keyword-Recherche/Schneeballmethode
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− Auswahl der Studien> Relevanz für die Forschungsfrage> Konkrete empirische Befunde> öffentlich zugänglich, publiziert> Transparenz hinsichtlich Methode
− Vergleichende Analyse> Tabelle mit zentralen Ergebnissen> Gruppierung mittels Mind Map> Auswertung entlang zentraler Kategorien
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Unterstützung durch Eltern
Zugang und Nutzung
Fertigkeiten und
Kompetenzen
Selbsteinschätzung von Kompetenzen
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− Niedrig gebildete Jugendliche schätzen ihre Internetkompetenzenlaut DIVIS (2018) als geringer ein.
− In den Studien von Sonck et al. 2011 und Zhang/Livingstone 2019 findetsich dieser Unterschied nicht.
− Der finanzielle Hintergrund, gemessen am Einkommen der Eltern, spielt lautZhang/Livingstone 2019 keine Rolle.
− Heranwachsende mit alleinerziehenden Eltern schätzen ihre digitalenFähigkeiten sogar als besser ein (Zhang/Livingstone 2019).
Fragt man nicht allgemein nach Internetkompetenzen sondern nach konkreten Fertigkeiten, so zeigen sich durchgängig Bildungsunterschiede!(Livingstone et al. 2011, Mascheroni & Olfasson 2014, Sonck et al. 2011)
Tendenz:Niedrige Gebildete
schätzen ihre Kompetenzen als
geringer ein.
Befunde zu Teilkompetenzen
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Umgang mit Online Risiken
Niedrig gebildete Jugendliche...
... denken weniger darüber nach, wie sie sich in Social Media selbst schützen können.
... nehmen seltener Privatsphäreeinstellungen in Sozialen Netzwerken vor.
... sprechen im Internet eher über Privates.
... sind eher bereit sich mit Personen zu treffen, die sie online kennen gelernt haben.
Studien: Mascheroni/Olafssson 2014, Schmidt et al. 2009
Umgang mit Online Quellen
Niedrig gebildete Jugendliche...
... schätzen die Glaubwürdigkeit von SocialMedia höher ein.
... beurteilen die Informationsqualität von Online Communities als besser.
... stehen traditionellen Medien kritischer gegenüber.
Studien: Behrens et al. 2014, Ikrath 2016, Institut für Jugendkulturforschung 2017, mpfs 2018
Aber: Sie berichten nicht häufiger von negativen Erfahrungen!
(Livingstone et al. 2011, Mascheroni /Olafssson 2014)
Jugendliche mit niedriger Bildung fällt es schwerer sich in Sozialen Medien authentisch zu präsentieren.(Ikrath 2016)
Erfahrung durch intensive NutzungEs gibt einen Zusammenhang zwischen der Einschätzung des eigenen Könnens und dem Ausmaß und der Vielfalt der Nutzung (Livingstone et al. 2011).
− Der Zusammenhang zwischen dem sozio-ökonomischen Status und dem Ausmaß der Nutzung digitaler Medien ist unklar.
− Vor allem Studien älteren Datums deuten auf eine geringere Nutzung bei schlechter gestellten Heranwachsenden hin (Hasebrink et al. 2009, Livingstone et al. 2005).
− Neuere Studien können keine Unterschiede mehr feststellen (Zhang & Livingstone 2005).− Die Ergebnisse von Ikrath (2016) und der JIM-Studie (mpfs 2018) deuten sogar auf eine leicht
höhere Nutzung bei niedrig Gebildeten hin.− Beim Zugang zu digitalen Geräten gibt es kaum mehr Unterschiede (Education Group 2017,
Education Group 2018, mpfs 2018).
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Aber: Jugendliche mit niedriger Bildung nutzen digitale Medien weniger vielfältig, wenigerinformations- und stärker unterhaltungsorientiert und seltener zu Lernzwecken.
(Iske et al. 2007, Livingstone et al. 2005, mpfs 2018, Sonck et al. 2011)
Eltern mit niedrigem sozio-ökonomischen Status……nutzen das Internet seltener....schätzen ihre digitalen Fertigkeiten geringer ein.…probieren seltener neue Geräte aus.
…fühlen sich weniger in der Lage ihren Kindern im Internet zu helfen.…leiten die Nutzung ihrer Kinder weniger stark an.…unterstützen sie seltener beim Lernen mit digitalen Medien.
...sprechen seltener mit ihren Kindern über Medien.
...wissen weniger gut über die Online-Aktivitäten ihrer Kinder Bescheid.
…informieren sich seltener über Online-Risiken.…sehen diesbezüglich weniger Informationsbedarf.
Ihre Kinder sind häufiger der Ansicht, sie wissen mehr als ihre Eltern.
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Solange die Kinder klein sind, haben sie geringeres Interesse
an Informationen zur Förderung von Medienkompetenz.
Dieser Unterschied löst sich im Jugendalter auf.
Studien: Education Group 2017, Education Group 2018, Hasebrink et al. 2009, Ikrath 2016, Livingstone et al. 2011, Mascheroni/Olafsson2014, Sonck et al. 2011, Zhang/Livingstone 2019)
Forschungsdefizite− Bislang keine empirischen Studien explizit zu dieser Frage− Fragmentarisches, teils widersprüchliches Bild an Einzelbefunden− Mangelnder Vergleichbarkeit und Aktualität der Studien− Übertragbarkeit auf die heutige Situation in Österreich kaum abschätzbar− Fokus auf Bildung - Vernachlässigung anderer Formen von Benachteiligung− Kaum Hinweise darauf, worauf die Unterschiede zurück zu führen sind
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Quantitative und qualitative Erhebungen im Projekt „Chancengleichheit in der digitalen Zukunft“
Literatur IAgenda digitale Bildung OÖ. (2017). Zugriff am 19.04.18 unter:
https://www.edugroup.at/fileadmin/DAM/Dateien/Innovation/News/Digitale_Bildung_-_Agenda_OOE.pdf
Baacke, D. (1996). Medienkompetenz–Begrifflichkeit und sozialer Wandel. In A. Von Rein (Hrsg.), Medienkompetenz als Schlüsselbegriff, 112-124. Bonn: Deutsches Institut für Erwachsenenbildung (DIE).
Behrens, P., Calmbach, M., Schleer, C., Klingler, W., & Rathgeb, T. (2014). Mediennutzung und Medienkompetenz in jungen Lebenswelten. Media Perspektiven, 2014(4), 195-218.
Carvalho, J./ Francisco, R./ Revals, A.P. (2015): Family functioning and information and communication technologies: How do they relate? A literature review. In: Computers and Human Behaviour, 45, p. 99-108.
Cooper H. (1988) Organizing knowledge syntheses: A taxonomy of literature reviews. Knowledge, Technology & Policy, 1:104-126.
Couldry, N., & Hepp, A. (2013). Conceptualizing mediatization: Contexts, traditions, arguments. Communication Theory, 23(3), 191-202.
DIVSI (2018). Euphorie war gestern. Die „Generation Internet“ zwischen Glück und Abhängigkeit. Eine Grundlagenstudie des SINUS-Instituts Heidelberg im Auftrag des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI). Zugriff am 07.06.2019 unter https://www.divsi.de/wp-content/uploads/2018/11/DIVSI-U25-Studie-euphorie.pdf
Education Group (2017). 5. OÖ Jugend-Medien-Studie 2017. Medienverhalten der Jugendlichen aus dem Blickwinkel der Eltern. Zugriff am 07.06.2018 unter https://www.edugroup.at/fileadmin/DAM/Innovation/Forschung/Dateien/Charts_Eltern_2017.pdf
Education Group (2018). 6. OÖ Kinder-Medien-Studie 2018. Medienverhalten bei Kindern – Zielgruppe Eltern. Zugriff am 07.06.2019 unter https://www.edugroup.at/fileadmin/DAM/Innovation/Forschung/Dateien/Charts_Eltern_2018.pdf
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Literatur IIHasebrink, U., Livingstone, S., Haddon, L., & Olafsson, K. (2009). Comparing children’s online opportunities and risks across Europe:
Cross-national comparisons for EU Kids Online. EU Kids Online.
Hepp, A. & Krotz, F. (2014). Mediatized Worlds ‐ Understanding Everyday Mediatization. In A. Hepp & F. Krotz (Eds.), Mediatized Worlds. Culture and Society in a Media Age (pp. 1‐15) Houndmills, Basingstoke: Palgrave MacMillan.
Hradil, S. (2008). Soziale Ungleichheit, soziale Schichtung und Mobilität. In H. Korte & B. Schäfers (Hrsg.), Einführung in die Hauptbegriffe der Soziologie (S. 211-234). Opladen: Leske+Budrich.
Ikrath P. (2016) Digitale Kompetenzen für eine digitalisierte Lebenswelt - Eine Jugendstudie der AK Wien, durchgeführt vom Institut fürJugendkulturforschung (Kurzbericht). Zugriff am 04.01.2019 unter https://www.arbeiterkammer.at/infopool/wien/Digitale_Kompetenzen_Kurzbericht.pdf
Institut für Jugendkulturforschung. (2017) Gerüchte im Netz. Zugriff am 13.04.19 unter https://jugendkultur.at/jugendliche-verunsichert-durch-fake-news/
Iske, S., Klein, A., Kutscher, N., & Otto, H. U. (2007). Virtuelle Ungleichheit und informelle Bildung. Eine empirische Analyse der Internetnutzung Jugendlicher und ihre Bedeutung für Bildung und gesellschaftliche Teilhabe. In Grenzenlose Cyberwelt? (pp. 65-91). VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Livingstone, S., Haddon, L., Görzig, A., & Ólafsson, K. (2011). Risks and safety on the internet. The perspective of European children. Full findings and policy implications from the EU Kids Online survey of, 9-16.
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Literatur IIIMascheroni, G., & Olafsson, K. (2014). Net Children Go Mobile. Risks and opportunities. Second edition. Full Findings Report. Zugriff am
18.06.2019 unter http://eprints.lse.ac.uk/55798/1/Net_Children_Go_Mobile_Risks_and_Opportunities_Full_Findings_Report.pdf
mpfs (2018). JIM-Studie 2018. Jugend, Information, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger. Zugriff am 07.06.2019 unter https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/2018/Studie/JIM_2018_Gesamt.pdf
Paus-Hasebrink, I., Sinner, P., & Prochazka, F. (2014). Children’s online experiences in socially disadvantaged families: European evidence and policy recommendations. Zugriff am 03.02.2019 unter: http://eprints.lse.ac.uk/57878/1/EU_Kids_Online_Disadvantaged_children.pdf
Schmidt, J. H., Hasebrink, U., & Paus-Hasebrink, I. (2011). Heranwachsen mit dem Social Web: Zur Rolle von Web 2.0-Angeboten im Alltag von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, 2., unveränd. Aufl. Berlin: Vistas.
Sonck, N., Livingstone, S., Kuiper, E., & de Haan, J. (2011). Digital literacy and safety skills EU Kids Online. United Kingdom: London School of Economics & Political Science, 5.
Zhang, D., & Livingstone, S. (2019): Inequalities in how parents support their children’s development with digital technologies. Parenting for a Digutal Future: Survey Report 4. Zugriff am 25.05.19 unter http://www.lse.ac.uk/media-and-communications/assets/documents/research/preparing-for-a-digital-future/P4DF-Report-4.pdf
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