Ein Unternehmen der Verlagsgruppe
© Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG Stand: 01/2017
Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht
Auszug aus den Originalunterlagen
Bitte beachten Sie: Wir haben uns bemüht, typische und für die Gesamtunterlage repräsentative Auszüge aus den Lehrgangsunterlagen auszuwählen. Sie stellen aber natürlich nur einen verschwindend kleinen Teil der Unterrichtsmaterialien dar und sind nicht fortlaufend.
Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG Stand 04/2016
Fachanwalt
für Internationales Wirtschaftsrecht
Ausbildungsleitfaden
Fachliche Leitung:
RA Prof. Dr. Stephan R. Göthel, LL.M. (Cornell),
Pier 11, Hamburg, und BSP Business School, Berlin
und
Prof. Dr. Marc-Philippe Weller,
Institut für Handels- und Wirtschaftsrecht, Universität Freiburg
Dozenten:
RA Dr. Eike Bicker, Frankfurt; RA Dr. Henrik Lay, Hamburg;
Prof. Dr. Renate Dendorfer-Ditges, LL.M., MBA, Bonn; RA Dr. Andrés Martin-Ehlers, Frankfurt;
RA Prof. Dr. Olaf Müller-Michaels, Düsseldorf; RA RiLG Dr. Carl Friedrich Nordmeier, Wiesbaden;
Prof. Dr. Ulrich Voß, Würzburg
Ein Unternehmen der
Verlagsgruppe
In Kooperation mit
Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG Stand 10/2015
Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht 2015/2016 - Ausbildungsleitfaden
Inhalt
I. Einleitung ............................................................................................................................. 3
II. Anleitung zum Fernstudium .................................................................................................. 4
III. Gliederung des Lehrstoffes und Leseanleitung für die Literatur ........................................ 6
1. Kollisionsrecht (IPR) der vertraglichen und außervertraglichen
Schuldverhältnisse .............................................................................................................. 7
2. Internationales Zivilprozeßrecht .............................................................................. 11
3. International vereinheitlichtes Handelsrecht .......................................................... 19
4. Grundzüge des Internationalen Steuerrechts .......................................................... 25
6. Europäisches Beihilfen- und Wettbewerbsrecht ..................................................... 29
7. International vereinheitlichtes Gesellschaftsrecht .................................................. 34
IV. Ausbildungsschwerpunkte ................................................................................................... 42
VI. Lernzielkontrollen .............................................................................................................. 42
VII. Teilnehmererklärung ......................................................................................................... 43
Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 3
I. Einleitung
Ziel der Ausbildung zum Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht ist, die
Kursteilnehmer zu befähigen, den gesamten Stoff des Pflichtfaches und der
Schwerpunktbereichsausbildung im Internationalen Wirtschaftsrecht zu kennen und
anwenden zu können.
Das Internationale Wirtschaftsrecht ist kein einheitliches Rechtsgebiet, sondern bildet
vielmehr die begriffliche Klammer für internationale Aspekte verschiedenster
Rechtsbereiche. Üblicherweise haben Juristen weder sämtliche dieser Bereiche
einschließlich der internationalen Fragestellungen im Studium kennengelernt, noch sind
praktisch tätige Rechtsanwälte in all diesen Bereichen tätig. Daher setzt dieser
Ausbildungskurs keine spezifischen Kenntnisse in den behandelten Rechtsgebieten voraus.
Dieser Ausbildungsleitfaden (ALF) stellt die Arbeits- & Lernanleitung insbesondere für den
Fernstudienteil des Lehrgangs dar. Er soll die Teilnehmer gezielt und sicher durch den Stoff
des Kurses führen. Der Lern- und Arbeitsaufwand für die Durcharbeitung der
Unterrichtsmaterialien des Fernkurses ist mindestens mit 120 Zeitstunden anzusetzen.
Als Grundlage für das Kursprogramm sind Skripten sowie Auszüge aus Lehrbüchern zur
Verfügung gestellt.
Der nachfolgende Leitfaden führt die Teilnehmer mit einem präzisen Leseprogramm durch
den gesamten Lehrstoff. Zusätzlich werden praxisorientierte Vertiefungen über
weiterführende Literatur gegeben.
Vertiefende Literatur steht Ihnen über Ihren Zugang im Downloadbereich auf der Homepage
der Fachseminare von Fürstenberg sowie über das Otto Schmidt-Verlagsmodul
Internationales Wirtschaftsrecht powered by juris zur Verfügung.
Zusätzlich werden in diesem Ausbildungsleitfaden zu jedem Teilabschnitt zur Ergänzung
geeignete Aufsatzliteratur und die wesentlichen höchstrichterlichen Entscheidungen
beigefügt. Die ausgewählten Entscheidungen sollten den Kursteilnehmern am Ende des
Kurses bekannt sein.
Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 4
II. Anleitung zum Fernstudium
Wie in jeder juristischen Ausbildung gilt auch in dieser Fortbildung, dass zitierte Paragraphen
gleichzeitig mit gelesen werden sollten. Im den verschiedenen Bereichen des Internationalen
Wirtschaftsrechts ist die Zahl der Vorschriften hoch und nur deren konsequente
Heranziehung ermöglicht es dem Lernenden, Verzahnungen und Überschneidungen zu
erkennen und zu beherrschen. Wer bei der Lektüre einen PC mit Internetzugang zur
Verfügung hat, kann die aktuellen Vorschriften auch unter www.gesetze-im-internet.de oder
unter www.bmas.de (Rubrik Gesetze) einsehen.
Da die Rechtsprechung im Internationalen Wirtschaftsrecht einen hohen Stellenwert hat,
sind Kernsätze bedeutender aktueller Entscheidungen bereits in den Lehrtexten enthalten.
Dies sollte nicht davon abhalten, die angegebenen Leitentscheidungen und die ihnen
zugrundeliegenden Sachverhalte selbst nachzulesen. Urteile des Bundesgerichtshofs, die ab
Januar 2000 veröffentlich worden sind, erhalten Sie kostenlos auch über
www.bundesgerichtshof.de.
Damit Sie prüfen können, ob Sie das Gelesene auch verstanden haben, stellen wir zu den
jeweiligen Kapiteln Wiederholungsfragen zur Verfügung. Diese dienen der
Verständniskontrolle und der Vertiefung des zuvor Gelesenen. Die Lösungen zu den
Wiederholungsfragen ergeben sich jeweils aus der Passage des Skripts, in der der
angesprochene Problemkreis behandelt wird.
Die Präsenzveranstaltungen dienen der Erläuterung und Vertiefung des schriftlichen
Studienmaterials; sie ermöglichen den Teilnehmern, Fragen einzubringen und sich mit dem
Dozenten auszutauschen. Zu den Präsenzeinheiten erhalten Sie weitere Unterlagen
(Foliensätze, Fallbeispiele…), die der fachanwaltsspezifischen Praxisausbildung dienen.
Da das schriftliche Lehrmaterial die hauptsächliche Lerngrundlage ist, unterscheidet sich Ihre
Lernsituation sehr von einem dozentengeleiteten Unterricht: Es gibt keinen Stundenplan mit
von außen festgesetzten Zeiten, keinen Unterrichtsraum und keine Unterrichtsorganisation.
Es gibt auch keinen allgegenwärtigen Lehrer oder Dozenten, der das Wissen vermittelt und
Ihren Lernprozess steuert. Sie müssen deshalb ein hohes Maß an Eigeninitiative und
Selbstdisziplin entfalten und vieles von dem selbst in die Hand nehmen, was sonst von der
lehrenden Institution bereitgestellt wird. Um Ihnen die Organisation des selbstgesteuerten
Lernens zu erleichtern, haben wir im Folgenden einige Ratschläge zusammengestellt, die auf
langjährigen Erfahrungen mit dem Fernstudium basieren.
1. Schritt: Planungen
Für das Durcharbeiten der Kurseinheiten benötigen Sie freie Stunden Lernzeit, die im
Alltagsablauf untergebracht werden müssen. Planen Sie die Lernzeit fest im Kalender
Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 5
ein. Wenn Sie immer wieder neu entscheiden müssen, ob und wann Sie lernen, verlieren
Sie schnell den Anschluss. Die Zeiten sollten auch so gelegt sein, dass Sie nicht durch
berufliche oder andere Tätigkeiten erschöpft sind.
2. Schritt: Lernstrategien
Ihre anfängliche Hauptbeschäftigung besteht im Lesen. Damit Sie das Gelesene auch
verstehen und behalten können, bedarf es einiger Vorkehrungen, denn Wissen prägt sich
nur ein, wenn Sie aktiv lernen. Aktiv zu lernen bedeutet vor allem auch, sich das Wissen
so anzueignen, dass man es nicht bloß wiedergeben, sondern damit umgehen kann. Die
folgenden Lernstrategien können Ihnen, unabhängig von Ihrem persönlichen Lernstil, bei
der aktiven und selbstständigen Textbearbeitung helfen:
Das Studienmaterial liegt zwar in einer didaktisch bestmöglich aufbereiteten Form
vor. Sie sollten es trotzdem nicht wie einen Roman von vorn bis hinten durchlesen,
sondern zunächst nur abschnittsweise vorgehen und dabei darüber wachen, dass Sie
das Gelesene auch verstanden haben.
Eine Hilfe ist das Unterstreichen oder Markieren wichtiger Begriffe und Sätze, sowie
das Vermerken von Kommentaren, Hinweisen und Fragen am Rand des Textes.
Beantworten Sie die Wiederholungsfragen!
Aktivieren Sie Ihr Vorwissen! Häufig haben Sie zu verschiedenen Lehrinhalten bereits
Kenntnisse. Notieren Sie sich dieses Wissen und prüfen Sie, wie es zu dem Gelesenen
passt.
Notieren Sie sich Fragen und Verständnisschwierigkeiten, die Sie in den
Präsenzveranstaltungen mit dem Dozenten diskutieren möchten.
Beziehen Sie das Gelesene, sofern möglich, auf praktische Fälle aus Ihrem Alltag und
fertigen Sie eine Beschreibung an.
Halten Sie Ihre Konzentration aufrecht. Wenn Sie merken, dass sich Leerlauf einstellt,
machen Sie Pause. Erzwungenes Lernen drückt auf die Motivation und bringt keinen
Fortschritt. Lassen Sie sich während des Lernens nicht durch andere Schwierigkeiten
und Probleme beeinflussen.
Lassen Sie Ihre Motivation nicht erlahmen. Es ist ein lohnenswertes Ziel, das Sie
anstreben. Wenn es Schwierigkeiten gibt, nutzen Sie die Interaktionsmöglichkeiten in
den Präsenzveranstaltungen und untereinander.
Und nun: Viel Erfolg!
Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 6
III. Gliederung des Lehrstoffes und Leseanleitung für die Literatur
Die nachstehende Übersicht beinhaltet die Gliederung des Kursprogramms. Die jeweils
relevanten Teile sollten sinnvollerweise vor dem mündlichen Kurs durchgearbeitet sein, um
dem Dozenten vertiefende Nachfragen stellen zu können.
Grundlage sind die jeweiligen Skripten sowie sonstige genannte Literatur. Darüber hinaus
finden Sie in den nachfolgenden Abschnitten zur Selbstkontrolle die
Lernziele
Wichtige Leitentscheidungen
Ergänzende Literatur
Wiederholungsfragen
Praxishinweise
Diese zu den jeweiligen Lerneinheiten komplementär gestalteten Hinweise dienen der
punktuellen Vertiefung und Wiederholung des Lehrstoffes.
Für 20 Seiten Lesestoff wird 1 Stunde konzentriertes Lesen des Lehrtextes vorausgesetzt. In
der Regel sollte schließlich mindestens eine der angegebenen Leitentscheidungen gelesen
worden sein.
Der zeitliche Umfang für die erstmalige Erarbeitung des Lesestoffes ist mit insgesamt
mindestens 120 Stunden anzusetzen.
Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 7
1. Kollisionsrecht (IPR) der vertraglichen und außervertraglichen Schuldverhältnisse
Lehrinhalte
Nachfolgend werden die Lehrinhalte anhand des Skriptes zeitlich aufgeschlüsselt. Der
zeitliche Umfang für die erstmalige Erarbeitung des Lesestoffes ist mit mindestens
3 Stunden anzusetzen.
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Lerneinheiten
Kollisionsrecht der
Schuldverhältnisse
Lesestoff Zeitbedarf
(in h)
1. Verständnis, Aufgabe und Quellen
des Internationalen Privatrechts
Skript IPR S. 1 f. 0,25
2. Kollisionsnormen Skript IPR S. 3 ff. O,5
3. Anknüpfungspunkte des IPR Skript IPR S. 6 ff. 0,5
4. Besondere Instrumente des IPR Skript IPR S. 9 ff. 1,25
5. Die Formwirksamkeit von
Rechtsgeschäften im
internationalen Rechtsverkehr
Skript IPR S. 47 ff. 0,25
6. Vollmachten im internationalen
Rechtsverkehr
Skript IPR S. 49 ff. 0,25
Der Zeitaufwand für das erstmalige Durcharbeiten des Lehrbuchs zum
Individualarbeitsrecht ist – nach vorstehender Gliederung - mit mindestens 45 Stunden
anzusetzen. Für die Vertiefung von Einzelfragen anhand der Wiederholungsfragen, der
Leitentscheidungen, vertiefender (Sekundär-)Literatur und der Praxishinweise
aufgeführten Rechtsprechung und Literatur) sollten – nach individueller
Schwerpunktsetzung mindestens weitere 20-30 Stunden einkalkuliert werden.
Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 8
Literatur: Bar von/Mankowski, Internationales Privatrecht I, 2. Aufl. 2003; von
Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, 10. Aufl. 2013; Kegel/Schurig, Internationales
Privatrecht, 9. Aufl. 2004; Reithmann//Martiny, Internationales Vertragsrecht, 7. Aufl. 2010;
Spickhoff, Zwingendes Recht und Internationales Privatrecht, Jura 2007, 407-414;
Rechtsprechungsübersichten zu Leitentscheidungen (unbedingt empfehlenswert):
Kohler/Seyr/Puffer-Marette, Unionsrecht und Privatrecht. Zur Rechtsprechung des EuGH im Jahr 2012, ZEuP 2013, S. 323-352 ,
Kohler/Seyr/Puffer-Marette, Unionsrecht und Privatrecht – Zur Rechtsprechung des EuGH im Jahr 2011, ZEuP 2014, 116-154,
Kas/Micklitz, Rechtsprechungsübersicht zum Europäischen Vertrags- und Deliktsrecht (2008-2013) – Teil I, EWS 2014, 314-334,
Kas/Micklitz, Rechtsprechungsübersicht zum Europäischen Vertrags- und Deliktsrecht (2008-2013) – Teil II, EWS 2013, 353-380.
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(1) Verständnis, Aufgabe und Quellen des Internationalen Privatrechts
Lernziele: Grundlegendes Verständnis des IPR, insbesondere der Aufgabe und der
„Weichenstellungen“ des IPR sowie der zu beachtenden Rechtsquellen. Methodische
Herausforderungen erkennen (Komplexität und Rechtsquellenvielfalt)
Wiederholungsfragen:
1. Welche Aufgabe hat das IPR?
2. Welche Rechtsquellen sind in welcher Reihenfolge zu prüfen?
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(2) Kollisionsnormen
Lernziele: Erkenntnis der Funktion des Internationale Privatrechts, das lediglich
Kollisionsnormen und keine Sachnormen enthält und der Unterscheidung in einseitige und
allseitige Kollisionsnormen
Wiederholungsfragen:
1. Definition der Kollisionsnorm?
2. Was unterscheidet einseitige und allseitige Kollisionsnormen?
Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 10
8. Was versteht man unter einem „Einzelstatut“ im IPR?
9. Was versteht man unter dem ordre public im IPR und wie hoch ist seine tatsächliche Bedeutung?
10. Wo findet sich eine Regelung zu der Behandlung von „Eingriffsnormen“
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(5) Die Formwirksamkeit von Rechtsgeschäften im internationalen
Rechtsverkehr
Lernziele: Auffinden der einschlägigen Normen des IPR, die für die Formwirksamkeit von
Rechtsgeschäften im internationalen Rechtsverkehr von Bedeutung sind
Wiederholungsfragen:
1. Wo finden sich die einschlägigen Normen des IPR, die für die Formwirksamkeit von Rechtsgeschäften im internationalen Rechtsverkehr von Bedeutung sind?
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(6) Vollmachten im internationalen Rechtsverkehr
Lernziele: Bestimmung des Vollmachtstatuts und Erkenntnis seiner besonderen Bedeutung
im internationalen Rechtsverkehr
Wiederholungsfragen:
1. Wo finden sich einschlägige Normen des IPR, die für das Vollmachtstatut von Bedeutung sind?
2. Wie weit ist der Anwendungsbereich des Vollmachtstatuts?
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Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 11
2. Internationales Zivilprozeßrecht
Lehrinhalte
Nachfolgend werden die Lehrinhalte anhand des Skriptes zeitlich aufgeschlüsselt. Der
zeitliche Umfang für die erstmalige Erarbeitung des Lesestoffes ist mit mindestens 15
Stunden anzusetzen. Für die Vertiefung von Einzelfragen anhand der
Wiederholungsfragen, der Leitentscheidungen, vertiefender (Sekundär-)Literatur und der
im Skriptum dargestellten Praxishinweise sowie der dort aufgeführten Rechtsprechung
und Literatur) sollten – nach individueller Schwerpunktsetzung mindestens weitere 10
Stunden einkalkuliert werden.
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Lerneinheiten
Internationales Zivilprozeßrecht Lesestoff
Zeitbedarf
(in h)
1. Grundzüge Skript IZPR Teil A 1
2. Internationale Zuständigkeit Skript IZPR Teil B 3,5
3. Koordination von Parallelverfahren Skript IZPR Teil B
1
4. Anerkennung und Vollstreckung Skript IZPR Teil B 2
5. Zustellung Skript IZPR Teil C 2
6. Besondere Verfahren Skript IZPR Teil D 2
7. Beweisaufnahme Skript IZPR Teil E 2
8. Verfahren vor europäischen
Gerichten
Skript IZPR Teil F 1
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Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 12
(1) Grundzüge
Lernziele: Den Gegenstand des IZPR kennenlernen; seine wichtigsten Quellen und ihr
Verhältnis kennen; die autonome Auslegung des sekundären Unionsrechts beherrschen
Leitentscheidungen (unbedingt empfehlenswert):
EuGH, Urt. v. 9 3.1978, Rs. 106/77, Staatliche Finanzverwaltung ./. SPA Simmenthal, NJW
1978, 1741
Literatur:
Junker, IZPR, § 1
Schack, IZVR, § 3
Schroeder, Die Auslegung des EU-Rechts, JuS 2004, 180
Wiederholungsfragen:
3. Welche Rechtsquellen sind im IZVR von Relevanz? In welchem Verhältnis stehen sie zueinander?
4. Was versteht man unter dem lex fori-Grundsatz?
5. Was ist bei der Auslegung von Unionsrecht zu beachten?
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(2) Internationale Zuständigkeit
Lernziele: Den sachlichen und räumlich-persönlichen Anwendungsbereich der EuGVVO
erschließen (insbesondere Auslandsbezug, Beklagtenwohnsitz); die Struktur der EuGVVO im
internationalen Zuständigkeitsrecht beherrschen; Kenntnis ausschließlicher Zuständigkeiten;
Beherrschung der Voraussetzungen und Wirkungen einer Gerichtsstandsvereinbarung
(formelle und materielle Voraussetzungen); rügelose Einlassung; Grundstrukturen der
Schwächerenschutzregime und deren Anwendungsbereiche (Versicherungssachen,
Verbraucherverträge, Individualarbeitsverträge); Direktklage gegen den Versicherer;
„Ausrichten“ der Tätigkeit des Unternehmers; besondere Zuständigkeit aus Vertrag und
Delikt; vertraglicher Erfüllungsort (autonomer Erfüllungsort und Erfüllungsort nach lex
causae); deliktischer Schadenseintrittsort nach dem Ubiquitätsprinzip; Modifikation bei
Streudelikten, insbesondere im Internet; Streitgenossenschaft und Widerklage;
Wohnsitzzuständigkeit (Wohnsitzdefinitionen der EuGVVO); Prinzip der Doppelfunktionalität
im deutschen Recht
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Leitentscheidungen (unbedingt empfehlenswert):
EuGH, Urt. v. 12.5.2011, Rs. C-144/10, Berliner Verkehrsbetriebe [BVG], Anstalt des
öffentlichen Rechts ./. JPMorgan Chase Bank NA, Frankfurt a. M. Branch, EuZW 2011, 477,
Tz. 23-47
EuGH, Urt. v. 13.12.2007, Rs. C-463/06, FBTO ./. Jack Odenbreit, NJW 2008, 819
EuGH, Urt. v. 7.12.2010, Rs. C-585/08 und C-144/09, Peter Pammer ./. Reederei Karl Schlüter
GmbH & Co. KG und Hotel Alpenhof GesmbH ./. Oliver Heller, NJW 2011, 505
EuGH, Urt. v. 25.2.2010, Rs. C-381/08, Car Trim GmbH ./. KeySafety Systems Srl, NJW 2010,
1059
EuGH, Urt. v. 25.10.2011, Rs. C-509/09, eDateAdvertising GmbH ./. X und Martinez ./. MGN
Limited, EuZW 2011, 962
Literatur:
Junker, IZPR, § 5, §6, §§ 8-11, §§ 13-16
Schack, IZVR, § 8 I und III, § 9
Wiederholungsfragen:
1. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit die EuGVVO anwendbar ist?
2. Was ist der Unterschied zwischen einer Gerichtsstandsvereinbarung und einer Erfüllungsortsvereinbarung nach der EuGVVO? Welcher Zusammenhang besteht?
3. Bis zu welchem Zeitpunkt muss das Fehlen der internationalen Zuständigkeit nach Art. 24 EuGVVO gerügt werden, damit keine rügelose Einlassung vorliegt?
4. Was ist das Grundkonzept der Sonderregime für Versicherungssachen (Art. 8
EuGVVO), Verbrauchersachen (Art. 15 EuGVVO) und Individualarbeitssachen (Art. 18
EuGVVO)?
5. Was versteht man unter „Ausrichten“ i.S.v. Art. 15 Abs. 1 lit. c), 2. Alt. EuGVVO?
6. Worum handelt es sich bei der Tessili-Regel und der De Bloos-Regel?
7. Wo kann eine Klage aus unerlaubter Handlung nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO erhoben werden?
8. Wo liegt der Wohnsitz einer juristischen Person nach EuGVVO?
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(3) Koordination von Parallelverfahren
Lernziele: Verfahrenskoordination nach dem Prioritätsprinzip; Bestimmung der Partei- und
Streitgegenstandsidentität (insbesondere Kernpunkttheorie); Torpedoklagen; im
Zusammenhang stehende Verfahren.
Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 15
Wiederholungsfragen:
1. Was ist ein „Exequatur“?
2. Welche Anerkennungshindernisse kennt die EuGVVO?
3. Werden diese Anerkennungshindernisse im Rahmen der Vollstreckbarerklärung geprüft?
4. Was ist für die Vollstreckungsgegenklage bei der Vollstreckung in Deutschland zu beachten, wenn aus einem nach EuGVVO für vollstreckbar erklärten Titel vollstreckt wird?
5. Was versteht man unter dem „Spiegelbildprinzip“ des § 328 Nr. 1 ZPO?
6. Wann ist die Gegenseitigkeit i.S.v. § 328 Nr. 5 ZPO verbürgt?
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(5) Zustellung
Lernziele: Anwendungsbereich der EuZVO; System der Übermittlungs- und Empfangsstellen;
Grundsatz der Dezentralisierung; Sprache des zuzustellenden Schriftstücks (Amtssprache des
Empfangslands oder Sprache, die der Empfänger versteht); Übersetzung von Anlagen;
Annahmeverweigerungsrecht des Empfängers; verschiedene Zustellungswege (insbesondere
direkte Zustellung per Post); Zustellungsbevollmächtigte nach § 184 ZPO; fehlender
Zustellungsnachweis; Systematik des § 183 ZPO; Bedeutung der ZRHO
Leitentscheidungen (unbedingt empfehlenswert):
EuGH, Urt. v. 8.5.2008, C-14/07, Ingenieurbüro M. Weiss und Partner GbR ./. IHK Berlin, NJW
2008, 1721
BGH, Urt. v. 2.2.2011 – VIII ZR 190/10, NJW 2011, 1885
Literatur:
Junker, IZPR, § 25
Schack, IZVR, § 13
Ahrens, NJW 2008, 2817
Wiederholungsfragen:
1. Auf welchem Grundkonzept basiert die EuZVO?
2. Was ist eine „Übermittlungsstelle“?
3. Was ist Voraussetzung, dass ein Empfänger eine Sprache i.S.v. Art. 8 Abs. 1 EuZVO „versteht“?
4. Unter welchen Umständen müssen für die Zustellung nach EuZVO Übersetzungen von Anlagen beigefügt werden?
Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 16
5. Gestattet die EuZVO die Zustellung mit internationalem Rückschein?
6. Was versteht man unter dem „diplomatischen oder konsularischen Weg“ der Zustellung?
7. Darf im Anwendungsbereich der EuZVO die Benennung eines Zustellungsbevollmächtigen angeordnet werden?
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(6) Besondere Verfahren
Lernziele: Grundstrukturen der EuVTVO, EuMVVO und EuGFVO; Bestätigung einer
Entscheidung nach EuVTVO; Begriff der unbestrittenen Forderung; zu beachtende
verfahrensrechtliche Mindeststandards; Bestätigungsverfahren; Verhältnis von
Bestätigungsverfahren nach EuVTVO und Vollstreckbarerklärungsverfahren nach EuGVVO;
Anwendungsbereich des europäischen Mahnverfahrens; Erfordernis der bezifferten, fälligen
Geldforderung; Verfahrensdurchführung; Erlass des europäischen Zahlungsbefehls und
dessen Vollstreckung; Anfechtung des europäischen Zahlungsbefehls; Anwendungsbereich
des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen; Grundzüge des formalisierten
Verfahrens (insbesondere Anforderungen an die Klageschrift, Beweiserhebung und Fristen);
Vollstreckung und Rechtsmittel
Leitentscheidungen (unbedingt empfehlenswert):
EuGH, Urt. v. 5.12.2013, Rs. C-508/12 Walter Vapenik ./. Josef Thurner, EuZW 2014, 147
Literatur:
Junker, IZPR, § 31
Linke/Hau, IZVR, § 7 IV-VI
Hau, Das neue europäische Verfahren zur Beitreibung geringfügiger Forderungen, JuS 2008, 1056 Hess/Bittmann, Die Verordnungen zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens und eines Europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen - ein substantieller Integrationsschritt im Europäischen Zivilprozessrecht, IPRax 2008, 305
Wiederholungsfragen:
1. Wer bestätigt einen nationalen Titel als Europäischen Vollstreckungstitel?
2. Was ist im Unternehmer-Verbraucher-Verhältnis bei der Bestätigung eines Titels als Europäischer Vollstreckungstitel zu beachten?
3. Verdrängt das europäische Mahnverfahren mitgliedstaatliche Mahnverfahren?
4. Was ist ein Europäischer Zahlungsbefehl?
5. Welche Forderungen können im Verfahren nach der EuGFVO geltend gemacht werden?
Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 17
6. Welche Rechtsbehelfe stehen gegen eine Entscheidung im Verfahren nach der EuGFVO zur Verfügung?
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(7) Beweisaufnahme
Lernziele: Unterscheidung zwischen aktiver und passiver Rechtshilfe; Anwendungsbereich
der EuBVO (insbesondere Begriff der Beweisaufnahme); Problem der Berührung von
Hoheitsrechten; Ladung von Zeugen ohne Zwangsmittelandrohung; Erhebung von
Befundtatsachen durch Sachverständige; Ersuchen um Beweisaufnahme; Beteiligungsrechte
des ersuchenden Gerichts und der Parteien; auf die Beweisaufnahme anwendbares
Prozessrecht (Unterscheidung nach aktiver und passiver Rechtshilfe); Kosten;
Anwendungsbereich des HBÜ; Beweiserhebung nach § 363 ZPO.
Leitentscheidungen (unbedingt empfehlenswert):
EuGH, Urt. v. 17. 2. 2011, C-283/09, Artur Werynski ./. Mediatel 4B spólka z o. o., EuZW
2011, 261
EuGH, Urt. v. 21.2.2013, C-332/11, ProRail BV ./. Xpedys NV u. a., EuZW 2013, 313
Literatur:
Junker, IZPR, § 26
Linke/Hau, IZVR, § 9
Wiederholungsfragen:
1. Was versteht man unter einem Akt der Beweisaufnahme i.S.d. EuBVO?
2. Darf ein Gericht einen Sachverständigen beauftragen, ein Wertgutachten über eine in einem anderen Mitgliedstaat belegene Immobilie, wenn der Sachverständige hierzu die Immobilie besichtigen muss?
3. Was ist der Unterschied zwischen aktiver und passiver Rechtshilfe?
4. Wovon hängt ab, ob die Parteien bei einer Zeugenvernehmung in einem anderen EU-Mitgliedstaat anwesend sein dürfen?
5. Welche Bedeutung haben die Zentralstellen in der EuBVO?
6. Kann eine Partei, der durch das Gericht die Vorlage einer Urkunde aufgegeben wurde, gegen diese Verpflichtung einwenden, dass sich die Urkunde im Ausland befindet?
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Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 18
(8) Verfahren vor den europäischen Gerichten
Lernziele: Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV; Vorlagerecht- und
Vorlagepflicht (Instanzgericht und letztinstanzliches Gericht); Ausnahmen von der
Vorlagepflicht (acte éclairé und acte clair); Grundzüge des Verfahrensablaufs vor dem EuGH;
Aufbau eines EuGH-Urteils; weiterer Verfahrensgang vor nationalem Gericht;
Vertragsverletzungsverfahren im Überblick; Nichtigkeits- und Untätigkeitsklage vor dem EuG
in Grundzügen
Leitentscheidungen (unbedingt empfehlenswert):
EuGH, Urt. v. 6.10.1982, Rs. 283/81, Srl C.I.L.F.I.T. und Lanificio di Gavardo S.p.a. ./. Ministero
della Sanita, NJW 1983, 1257
EuGH, Urt. v. 12. 7. 2012, Rs. C-378/10, Vale Epitesi kft, NJW 2012, 2715,
Literatur:
Gräfin von Brühl/Wienhues, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 39
Dittert, Die neue Verfahrensordnung des EuGH, EuZW 2013, 726
Wiederholungsfragen:
1. Was ist der Unterschied zwischen EuGH und EuG?
2. Unter welchen Voraussetzungen ist ein Vorabentscheidungsverfahren zulässig?
3. Was versteht man unter einem „acte clair“?
4. Welche Aufgabe hat der Generalanwalt im Verfahren vor dem EuGH?
5. Welche Wirkung entfaltet ein EuGH-Urteil im Vorabentscheidungsverfahren?
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Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 19
3. International vereinheitlichtes Handelsrecht
Lehrinhalte
Nachfolgend werden die Lehrinhalte anhand des Skriptes zeitlich aufgeschlüsselt. Der
zeitliche Umfang für die erstmalige Erarbeitung des Lesestoffes ist mit mindestens 10
Stunden anzusetzen.
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Lerneinheiten
International vereinheitlichtes
Handelsrecht
Lesestoff Zeitbedarf
(in h)
1. Handelsrecht im internationalen
Sinne
Skript S. 1 ff. 0,5
2. UN-Kaufrecht – CISG Skript S. 3 ff. 6
3. Gemeinsames Europäisches
Kaufrecht
Skript S. 126 ff.
1,25
4. UNIDROIT-Grundregeln für
internationale Handelsverträge
Skript S. 133 ff. 1
5. UNIDROIT –
Factoringübereinkommen
Skript S. 177 ff. 0,75
6. Internationales Transportrecht Skript S. 187 ff. 0,5
7. INCOTERMS 2010 Skript S. 193 ff. 1,5
8. CMR Skript S. 195 ff. 0,5
Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 36
(1) Internationales und europäisches Gesellschaftsrecht und
Unternehmensinsolvenzrecht
Lernziele:
- Bestimmung des auf eine in- oder ausländische Gesellschaft anwendbaren Rechts,
- Abgrenzung und Anknüpfung des Gesellschafts-, Delikts- und Insolvenzstatuts
- Beurteilung der internationalen Anwendbarkeit von Haftungsfiguren, z.B. der
Existenzvernichtungs- oder Insolvenzverschleppungshaftung
- Beurteilung der Europarechtskonformität einer Anwendung inländischer Regelungen
auf Auslandsgesellschaften
- Beurteilung, ob Gesellschaften durch eine „Flucht ins Ausland“ die inländische
Mitbestimmung umgehen können.
- Skizzierung des Ablaufs einer grenzüberschreitenden Satzungssitzverlegung
(Rechtsformwechsel)
- Ermittlung der internationalen Zuständigkeit und des anwendbaren Rechts bei
Unternehmensinsolvenzen
Leitentscheidungen (unbedingt empfehlenswert):
- EuGH, 22.2.1979, Rs. 133/78 – Gourdain./.Nadler
- EuGH, 27.9.1988, Rs. 81/87 – Daily Mail
- EuGH, 9.3.1999, Rs. 212/97 – Centros
- EuGH, 5.11.2002, Rs. C-208/00 – Überseering
- EuGH, 30.9.2003, Rs. C-167/01 – Inspire Art
- EuGH, 16.12.2008, Rs. C-210/06 – Cartesio
- EuGH, 29.11.2008, Rs. C-371/10 – National Grid Indus
- EuGH,12.7.2012, Rs. C-378/10 – Vale
- BGH NJW 2009, 289 – Trabrennbahn
Literatur zur Vertiefung und Ergänzung:
- Weller, Internationale Zuständigkeit für mitgliedschaftsbezogene Klagen nach der
Brüssel I-VO, in: ZGR 2012, 606 – 630
- Weller, Höchstmandatszahl für Aufsichtsräte – Anrechnung von Board-
Mitgliedschaften in Auslandsgesellschaften?, in: Board – Zeitschrift für Aufsichtsräte
2011, 148 – 151
- Weller, Unternehmensmobilität im Binnenmarkt, in: Festschrift für Uwe Blaurock
(2013), S. 497 – 526
- Weller/Schulz, Zur Anwendbarkeit des § 64 GmbHG auf Auslandsgesellschaften, IPRax
2014, Heft 4 (im Erscheinen).
Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 37
Wiederholungsfragen:
1. Eine Schweizer AG und eine englische Limited verlegen jeweils ihren Verwaltungssitz nach Deutschland. Was sind die jeweiligen rechtlichen Konsequenzen?
2. Ein Großunternehmen in der Rechtsform einer deutschen AG mit mehr als 3000 Arbeitnehmern am Standort Düsseldorf möchte dem deutschen MitbestG 1976 entgehen. Gibt es diesbezügliche rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten?
3. Eine in Köln im Handelsregister eingetragene GmbH gerät in finanzielle Schieflage und möchte zu Sanierungszwecken vom englischen Sanierungsregime profitieren. Ist dies möglich?
4. Ein im Inland produzierendes Unternehmen in der Rechtsform einer englischen Limited, deren directors in Jena agieren, fällt in die Insolvenz.
a. Wo ist das Insolvenzverfahren zu eröffnen?
b. Der Insolvenzverwalter möchte die Gesellschafter der Limited aus Existenzvernichtungshaftung in Anspruch nehmen. Ist dies kollisionsrechtlich und europarechtlich möglich?
5. Eine EU-Auslandsgesellschaft möchte ihren Satzungssitz nach Deutschland verlegen und sich in eine deutsche GmbH umwandeln. Welche Bestimmungen sind einschlägig und welche Schritte sind zu unternehmen?
---------------------------------------------------------------------------------------------------------
Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 38
7.2 Internationaler Unternehmenskauf
Lehrinhalte
Nachfolgend werden die Lehrinhalte anhand diverser Lehrbücher zeitlich aufgeschlüsselt.
Der zeitliche Umfang für die erstmalige Erarbeitung des Lesestoffes ist mit mindestens
15 Stunden anzusetzen. Für die Vertiefung des Stoffs anhand der Leitentscheidungen,
vertiefender Sekundärliteratur, der Wiederholungsfragen und der Praxishinweise sollten –
nach individueller Schwerpunktsetzung mindestens weitere 10-20 Stunden einkalkuliert
werden.
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auf
Lerneinheiten
Internationaler Unternehmenskauf,
SE, EWIV, EPG
Lesestoff Zeitbedarf
(in h)
1. Grenzüberschreitender
Unternehmenskauf
Wetzler, in: Hölters, Handbuch
Unternehmenskauf, 8. Auflage 2015,
Teil XV, S. 1409-1480
6
2. Unternehmenskaufvertrag nach
anglo-amerikanischem Muster
Duys/Henrich, in: Hölters, Handbuch
Unternehmenskauf, 8. Auflage 2015,
Teil XVI, S. 1481-1522
3
3. SE Habersack/Verse, Europäisches
Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2011,
S. 424-453
4
4. EWIV Habersack/Verse, Europäisches
Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2011,
S. 407-423
1,5
5. SPE Habersack/Verse, Europäisches
Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2011,
S. 518-524
0,5
---------------------------------------------------------------------------------------------------------
Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 39
(1) Internationaler Unternehmenskauf
Lernziele: Die Rahmenbedingungen des internationalen Privatrechts und des internationalen
Zivilprozessrechts für grenzüberschreitende Transaktionen kennen lernen, die damit
zusammenhängenden Formfragen beantworten können, Schranken für den
Beteiligungserwerb durch ausländische Investoren kennen; die Gliederung, den typischen
Inhalt und häufige Streitpunkte bei Unternehmenskaufverträgen nach anglo-
amerikanischem Muster identifizieren; mit einem Muster Share Purchase and Transfer
Agreement arbeiten.
Leitentscheidungen (unbedingt empfehlenswert):
BGH, GmbHR 2014, 248-251 (Auslandsbeurkundung von
Unternehmenskaufverträgen).
Literatur:
Hensel/Pohl, Das novellierte Außenwirtschaftsrecht in internationalen
Unternehmenstransaktionen, AG 2013, 849-863.
Hippeli, Genehmigung von Auslandsdirektinvestitionen seitens chinesischer
Staatskonzerne, AG 2014, 267-275.
Krasauskaite/Schwarz, Rechtswahlklauseln in Unternehmenskaufverträgen nach
Einführung des Gerichts- und Notarkostengesetzes, DZWIR 2014, 51-59.
Land, Rechtsfragen des internationalen Unternehmenskaufs, BB 2013, 2697-2706.
Link, Formerfordernisse des § 15 GmbHG bei internationalen Transaktionen, BB
2014, 579-585.
Schweitzer, Private Legal Transplants in Negotiated Deals, ECFR 2007, 79-125.
Schuberth/von der Höh, Zehn Jahre „deutsche SE – Eine Bestandsaufnahme, AG 2014,
439-444
Wiederholungsfragen:
1. Nach welcher Rechtsordnung sind Unternehmenskaufverträge und die zu ihrer Durchführung erforderlichen Maßnahmen zu beurteilen?
2. Wo und nach welchen Regeln können Streitigkeiten bei internationalen Unternehmenskaufverträgen entschieden werden? Welche Besonderheiten gelten für die Vollstreckung solcher Entscheidungen?
3. Welche besonderen Formvorschriften sind bei internationalen Unternehmenskaufverträgen zu beachten?
4. Welche Möglichkeiten hat das Bundesministerium für Wirtschaft beim Erwerb von Beteiligungen ausländischer Investoren an deutschen Unternehmen?
5. Welche Vertragsklauseln und Gestaltungsvarianten finden sich in Unternehmenskaufverträgen, die zwar dem deutschen Recht unterliegen, aber nach anglo-amerikanischem Muster gestaltet sind?
Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 40
6. Was versteht man unter den Begriffen Closing, Conditions to Closing, Representations and Warranties, Indemnification, Indemnities und Covenants?
Praxishinweise:
Muster Share Purchase and Transfer Agreement, Duys/Henrich, in: Hölters, Handbuch
Unternehmenskauf, 7. Auflage 2010, Anhang A, S. 1455-1498
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(2) SE, EWIV und SPE
Lernziele: Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Gründung, Organisationsverfassung,
Leitung (dualistisches oder monistisches System), Mitbestimmung und Konzernierung einer
SE kennen lernen; Verhältnis zum nationalen Recht durchschauen; Grundzüge der
Rechtsformen EWIV und SPE sowie aktuelle Entwicklungen der europäischen
Gesellschaftsformen kennen lernen.
Leitentscheidungen (unbedingt empfehlenswert):
LG München I, AG 2011, 801-804 (Konzernrecht der SE).
Literatur:
Lanfermann/Maul, Maßnahmenpaket der Europäischen Kommission zum
Gesellschaftsrecht und Corporate Governance, BB 2014, 1283-1294.
Louven/Ernst, Praxisrelevante Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Umwandlung
einer Aktiengesellschaft in eine Europäische Aktiengesellschaft (SE), BB 2014, 323-
330.
Rauscher/Loose, Schwerpunktbereich: Kapitalgesellschaften in der Bearbeitung
auslandsrechtlicher Fälle, JuS 2013, 683-687.
Roesener, Das Warten auf Aktion: Der Aktionsplan zum Europäischen
Gesellschaftsrecht und die Societas Privata Europaea, NZG 2013, 241-244.
Stöber, Die Gründung einer Holding-SE, AG 2013, 110-120.
Teichmann, Europäische GmbH am Scheideweg: Supranationale Rechtsform oder
harmonisierte Einpersonengesellschaft?, ZRP 2013, 169-172.
Verse/Wiersch, Die Entwicklung des europäischen Gesellschaftsrechts im Jahr 2013,
EuZW 2014, 375-383.
Wiederholungsfragen:
1. Welche Gründungsformen gibt es bei der SE?
2. Wodurch unterscheiden sich monistisches und dualistisches System bei der Leitung der SE?
Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 41
3. Wie ist das Thema Mitbestimmung bei der SE geregelt?
4. Was ist bei der Einbindung einer SE in einen Konzern zu beachten?
5. Was sind die wesentlichen Merkmale der EWIV und der SPE?
6. Was sind die wichtigsten aktuellen Entwicklungen im europäischen Gesellschaftsrecht?
Praxishinweise:
Beispiel für Satzung einer dualistischen SE: Satzung der E.ON SE.
Beispiel für Satzung einer monistischen SE: Satzung der Puma SE.
Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 42
IV. Ausbildungsschwerpunkte
In den vorstehenden Ausbildungsanleitungen haben wir den umfangreichen Stoff des
internationalen Wirtschaftsrechts zu strukturieren versucht. Aus den Tabellen können Sie
ersehen, wie die einzelnen Ausbildungsinhalte im Gesamtgefüge der Fachanwaltsausbildung
einzuordnen sind.
Die nachfolgend genannten Ausbildungsschwerpunkte der Fachanwaltsausbildung sind die
von der Bundesrechtsanwaltskammer als für die tägliche Praxis besonders wichtig
eingeschätzten Bereiche des internationalen Wirtschaftsrechts. Die Schwerpunkte liegen
gemäß den Vorgaben des Curriculums in den Bereichen
1. International vereinheitlichtes Handelsrecht
2. Europäisches Beihilfen- und Wettbewerbsrecht
3. International vereinheitlichtes Gesellschaftsrecht
VI. Lernzielkontrollen
Begleitende Lernzielkontrollen sind obligatorisch.
Häuslich zu bearbeiten sind mehrere Klausuraufgaben, die den gesamten Pflichtstoff
des Eigenstudiums (Fernstudienteil des Lehrgangs) abdecken.
Vier von sechs Klausuren müssen „mit Erfolg“ bestanden werden, damit der
Teilnehmer später zu den lehrgangsabschließenden schriftlichen Leistungskontrollen
gemäß § 4 a FAO zugelassen wird.
Einzelne nicht bestandene Klausuren können wiederholt werden.
Die Lernzielkontrollen sind dem Teilnehmer über den passwortgeschützten Zugang zu
„Skripten online & Community“ zugänglich. Sie werden korrigiert und benotet. Die ebenfalls
online zur Verfügung stehenden Musterlösungen ermöglichen die Kontrolle des Lernerfolgs.
Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 43
VII. Teilnehmererklärung
Voraussetzung für die spätere Erteilung des Lehrgangstestats über die erfolgreiche
Teilnahme am Fachanwaltslehrgang gem. § 6 FAO ist – neben der durch Anwesenheitslisten
kontrollierten Präsenz im Präsenzunterricht – die persönliche Versicherung des Teilnehmers,
dass er während des Fernkurses im Eigenstudium insgesamt mehr als 90 Zeitstunden für
die Erarbeitung des vorgegebenen Stoffs anhand der Skripten sowie für individuelle
Nacharbeit und Vertiefung aufgewendet hat. Diese Erklärung des Teilnehmers ist
unverzichtbarer Bestandteil der Fachanwaltsausbildung und Gegenstand des
Unterrichtsvertrages.
Ein Unternehmen der in Kooperation mit:Verlagsgruppe
Fachanwalt für
Internationales WirtschaftsrechtIWR 1 – Kollisionsrecht (IPR)
der vertraglichen und außervertraglichen Schuldverhältnisse
Prof. Dr. Ulrich Voß, Rechtsanwalt, Würzburg
Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG Stand04/2016
- 1 -
Vorwort:
In diesem Skript werden die Grundzüge des Internationale Privatrechts dargestellt. Die Beispiele sind bewusst teilweise aus dem Bereich des Internationalen Erbrechts gewählt, insbesondere weil dieses die Systematik, die Entwicklung zum Einheitsrecht, aber auch die Probleme des IPR besonders gut wiederspiegelt. Hierbei werden viele Probleme nur entsprechend dem Ergebnis der h.M. dargestellt; auf eine Darstellung von Meinungsstreitigkeiten wird hier bewusst verzichtet. Bei der Lösung von Fällen mit Auslandsbezug ist auch das (möglicherweise einschlägige) ausländische Recht im Einzelfall jeweils zu prüfen. Im Anhang sind die Gliederungen der Rom I- und II-VO abgedruckt. Als Exkurs wird wegen seiner besonderen Aktualität die für Erbfälle ab 17.8.2015 geltende EU-ErbVO mit ersten Problembereichen vorgestellt. Dieser Exkurs wird aber nicht Gegenstand des Präsenskurses und der Klausuren sein. Andererseits gibt es wichtige Schnittstellen zwischen dem Internationalen Erbrecht und dem Internationalen Gesellschaftsrecht, bei denen geklärt werden muss, ob und inwieweit das Erbstatut und/oder das Gesellschaftsstatut gilt. Die Lösung solcher Fallkon-stellationen setzt daher Kenntnisse des Internationalen Erbrechts voraus. Wegen der besonderen Komplexität des betroffenen Rechtsgebiets und dessen teilweise dynamische Entwicklung sowie der häufig fehlenden letztinstanzlichen Rechtsprechung kann weder vom Veranstalter noch vom Referenten eine Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der im Skriptum enthaltenen Ausführungen und Formulierungsbeispiele übernommen werden. Um Verständnis wird gebeten.
- 2 -
Internationales Privatrecht
Inhaltsübersicht I. Aufgabe und Quellen des (deutschen) Internationalen Privatrechts ..... 2 1. Aufgabe des Internationalen Privatrechts/Auslandsbezug ..................... 2 2. Quellen des Internationalen Privatrechts .............................................. 4 II. Kollisionsnormen ............................................................................... 7 1. Definition der Kollisionsnorm ............................................................. 7 2. Allseitige Kollisionsnormen.................................................................. 8 3. Einseitige Kollisionsnormen ................................................................ 8 III. Anwendungsergebnis der Kollisionsnormen ....................................... 8 IV. Anknüpfungspunkte .......................................................................... 10 1. Staatsangehörigkeit............................................................................ 11 2. Gewöhnlicher Aufenthalt ................................................................... 12 3. Besondere Fallgruppen ...................................................................... 13 a) Mehrstaatler mit deutscher Staatsangehörigkeit................................. 13 b) Mehrstaatler ohne deutsche Staatsangehörigkeit................................ 13 4. Rechtswahl ........................................................................................ 13 5. Interlokales Privatrecht ...................................................................... 15 a) Interlokales Privatrecht im autonomen IPR, Art. 4 Abs. 3 EGBGB..………. 15 b) Interlokales Privatrecht nach Art. 22 Rom I-VO,
Art. 25 Rom II- VO .............................................................................. 16 6. Interpersonales Privatrecht................................................................. 16 V. Besondere Instrumente des IPR .......................................................... 17 1. Statut ................................................................................................. 17 2. Vorfragen ........................................................................................... 18 3. Qualifikation ....................................................................................... 19 4. Anpassung oder Angleichung .............................................................. 20 5. Gesamt- oder Sachrechtsverweisung.................................................... 22 6. Folgen von Gesamtverweisungen: Annahme, Rück- oder Weiterverweisung ............................................. 23 a) Annahme der Verweisung …................................................................. 23 b) Rückverweisung durch das ausländische IPR ...…………….………………..……. 25 c) Teilweise Rückverweisung …….............................................................. 27 d) Weiterverweisung (und mögliche teilweise Rückverweisung) durch das ausländische IPR ………........................................................... 28 e) Qualifikationsverweisung .................................................................... 31 f) Rückverweisung aufgrund funktioneller Nachlassspaltung……………….…… 32 g) Internationaler Entscheidungsdissens .................................................. 33
- 3 - 7. Vorrangiges Erbstatut …….................................................................... 34 8. Ordre public ....................................................................................... 36 9. Eingriffsnormen .................................................................................. 37 VI. Die Formwirksamkeit von Rechtsgeschäften im internationalen Rechtsverkehr ……………………….................................... 39 VII. Vollmachten im internationalen Rechtsverkehr .................................. 41 1. Bestimmung des Vollmachtstatuts ..................................................... 41 a) Staatsverträge ................................................................................... 41 b) Unmittelbar anwendbare EU Vorschriften .......................................... 41 c) EGBGB ............................................................................................... 42 d) Richter- oder Gewohnheitsrecht ......................................................... 42 2. Anwendungsbereich des Vollmachtstatuts .......................................... 43 3. Praktische Hinweise ............................................................................ 44 VIII. Exkurs (für Interessierte, kein Prüfungsstoff): Die neue EU-ErbVO......................................................................................... 47 Anhang 1: Rom I-VO (Gliederung) .................................................................... 72 Anhang 2: Rom II-VO (Gliederung) .................................................................... 73
[1]
Das Internationale Privatrecht (IPR)
Ausgewählte Literatur: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in
Zivil- und Handelssachen, Loseblatt, 2015; Jayme/Hausmann,
Internationales Privat- und Verfahrensrecht, 17. Aufl. 2014; von
Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, 10. Aufl. 2013; Reithmann,
Formerfordernisse bei Verträgen über Beteiligungen an ausländischen
Gesellschaften und über Grundstücke im Ausland, NZG 2005, 873;
Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 8. Aufl. 2015.
Zeitschriften: EuZW, EWS, IHR, IPRax, RabelsZ, RIW, ZEuP.
Das Internationale Privatrecht legt fest, welches Sachrecht einer Rechtsordnung in einem konkreten Sachverhalt zur Anwendung kommt.
Das IPR bestimmt nur das maßgebliche (deutsche oder ggf. ausländische)
Sachrecht, aber nicht selbst die materiellen Voraussetzungen für die Lösung
eines Falles, also wer gegen wen unter welchen Voraussetzungen einen
Anspruch hat.
!Das Internationale Privatrecht verweist lediglich auf die zur Entscheidung berufene Rechtsordnung, ohne selbst die Sachentscheidung zu treffen!
Dieses „Internationale Privatrecht“ ist ein Teil des nationalen Rechts, also
des deutschen Privatrechts. Jede Rechtsordnung hat daher ihr eigenes
Internationales Privatrecht.
Es gibt also ein deutsches Internationales Privatrecht, ein österreichisches
Internationale Privatrecht, ein schweizer Internationale Privatrecht, ein
brasilianisches Internationales Privatrecht etc. Diese nationalen IPR sind
(nur) in Teilbereichen vereinheitlicht („harmonisiert“).
[2] Das deutsche Internationale Privatrecht umfasst etwa das Internationale
Wirtschaftsrecht (u.a. das Internationale Vertragsrecht), das Internationale
Gesellschaftsrecht, das Internationale Deliktsrecht, das Internationale
Familienrecht, das Internationale Erbrecht usw.
Teilbereiche des IPR sind insbesondere im Bereich der EU „harmonisiert“,
etwa die „vertraglichen Schuldverhältnisse“ durch die „Rom I-VO“, die
„außervertraglichen Schuldverhältnisse“ durch die „Rom II-VO“ oder das
Erbrecht durch die EU-ErbVO.
Teilbereiche sind auch durch bilaterale Verträge vereinheitlicht (z.B. Deutsch-
schweizerischer Vertrag über die Schadensdeckung bei Verkehrsunfällen
vom 30.5.1969).
Teilweise ist die Rechtsvereinheitlichung aber auch weiter fortgeschritten,
wie etwa bei Kaufverträgen über bewegliche Sachen, die nicht erkennbar für
den privaten Gebrauch bestimmt sind, durch das Übereinkommen der
Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom
11.04.1980 – (Wiener) UN-Kaufrecht - convention on contracts for the
international sale of goods - CISG.
I. Aufgabe und Quellen des (deutschen) Internationalen Privatrechts
1. Aufgabe des Internationalen Privatrechts/Auslandsbezug
a) Die Aufgabe des Internationalen Privatrechts ist in Art. 3 Abs. 1 Satz
1 EGBGB definiert:
Das IPR bestimmt danach (nur), welches Sachrecht einer
Rechtsordnung in einem konkreten Einzelfall, bei dem ein Sachverhalt
mit Auslandsberührung vorliegt, zur Anwendung kommen soll
(Kollisionsrecht).
[3]
! Ein deutscher Richter wendet bei einem Auslandsbezug im Grundsatz deutsches Verfahrensrecht an und das deutsche IPR an, aber nicht unbedingt deutsches materielles Recht.
Bei Sachverhalten mit Auslandsbezug ist es nämlich keineswegs
selbstverständlich, dass ein deutscher Richter deutsches Sachrecht
anwendet, etwa einen Kaufvertrag nach deutschem Kaufvertragsrecht
beurteilt. Ob er das BGB/HGB anwenden darf, prüft ein deutscher
Richter nach den Vorschriften des deutschen IPR und er kann etwa
auch zu dem Ergebnis kommen, dass er den Fall nach dem (ebenfalls)
betroffenen ausländischen Kaufrecht zu beurteilen hat (vgl. etwa Art. 4
Abs. 1 lit. a) Rom I-VO).
Ein ausländischer Richter prüft nach den Vorschriften seines IPR,
welches Sachrecht einer Rechtsordnung berufen ist und kann zu dem
gleichen Ergebnis kommen, kann aber auch den gleichen Fall nach
deutschem Kaufrecht (oder einem Drittrecht) beurteilen.
! Es ist aber auch denkbar, dass ein inländischer Richter einen Fall nach ausländischem Sachrecht und der ausländische Richter diesen Fall nach deutschem Sachrecht entscheiden würde!
b) Der erforderliche Auslandsbezug kann sich insbesondere aus
folgenden Umständen ergeben:
- Ex- und Importe
- Niederlassungen, Zweigniederlassung, Agenturen im Ausland
- ein Vertragspartner hat „Wohnsitz“ oder „gewöhnlichen“ oder
„schlichten“ Aufenthalt im Ausland,
- in Deutschland lebende Ausländer,
- Ehen mit mindestens einem ausländischen Ehepartner in
Deutschland,
Rom I-VO
Kapitel I: Anwendungsbereich Art. 1 - 2
Anwendungsbereich Art. 1 Rom I-VO Universelle Anwendung Art. 2 Rom I-VO
Kapitel II: Einheitliche Kollisionsnormen Art. 3 – 18
Freie Rechtswahl Art. 3 Rom I-VO Mangels Rechtswahl anwendbares Recht Art. 4 Rom I-VO Beförderungsverträge Art. 5 Rom I-VO Verbraucherverträge Art. 6 Rom I-VO Versicherungsverträge Art. 7 Rom I-VO Individualarbeitsverträge Art. 8 Rom I-VO Eingriffsnormen Art. 9 Rom I-VO Einigung + materielle Wirksamkeit des Vertrags oder einzelner Bestimmungen Art.
10 Rom I-VO Form Art. 11 Rom I-VO Geltungsbereich des anwendbaren Rechts Art. 12 Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit Art. 13 (Art. 1 Abs. 2 lit. a) Rom I-VO Übertragung der Forderung Art. 14 Rom I-VO Gesetzlicher Forderungsübergang Art. 15 Gesamtschuldnerausgleich Art. 16 Rom I-VO Aufrechnung Art. 17 Rom I-VO Beweis Art. 18 Rom I-VO
Kap III: Sonstige Vorschriften Art. 19 – 28
Gewöhnlicher Aufenthalt Art. 19 Rom I-VO Ausschluss der Rück- und Weiterverweisung Art. 20 Rom I-VO Ordre public im Staat des angerufenen Gerichts Art. 21 Rom I-VO Staaten ohne einheitliche Rechtsordnung Art. 22 Rom I-VO Verhältnis zu anderen Gemeinschaftsrechts-akten Art. 23 Rom I-VO Beziehung zum Übereinkommen von Rom Art. 24 Rom I-VO Verhältnis zu bestehenden internationalen Abkommen Art. 25 Rom I-VO Verzeichnis der Übereinkommen Art. 26 Überprüfungsklausel Art. 27 Rom I-VO Zeitliche Anwendbarkeit Art. 28 Rom I-VO
Kapitel IV: Schlussbestimmungen Art. 29
Inkrafttreten und Anwendbarkeit Art. 29
Rom II-VO
Kapitel I: Anwendungsbereich, Art. 1 - 3 Anwendungsbereich Art. 1 Außervertragliche Schuldverhältnisse Art. 2 Universelle Anwendung Art. 3
Kapitel II: Unerlaubte Handlung, Art. 4 – 9 Allgemeine Kollisionsnorm Art. 4 Produkthaftung Art. 5 Rom II-VO Unlauterer Wettbewerb… Art. 6 Rom II-VO Umweltschädigung Art. 7 Rom II-VO Verletzung von Rechten des geistigen Eigen-tums Art. 8 Rom II-VO Arbeitskampfmaßnahmen Art. 9 Rom II-VO
Kapitel III, Ungerechtfertigte Bereicherung, GoA und c.i.c., Art. 10 – 13 Ungerechtfertigte Bereicherung Art. 10 Geschäftsführung ohne Auftrag Art. 11 Verschulden bei Vertragsverhandlungen Art. 12 Rom II-VO
Kapitel IV, Freie Rechtswahl, Art. 14
Kapitel V, Gemeinsame Vorschriften, Art. 15 -22 Geltungsbereich des anzuwendenden Rechts Art. 15 Rom II-VO Eingriffsnormen Art. 16 Rom II-VO Sicherheits- und Verhaltensregeln Art. 17 Direktklage gegen den Versicherer des Haftenden Art. 18 Rom II-VO Eingriffsnormen Art. 16 Rom II-VO Sicherheits- und Verhaltensregeln Art. 17 Direktklage gegen den Versicherer des Haftenden Art. 18 Rom II-VO Gesetzlicher Forderungsübergang Art. 19 Gesamtschuldnerausgleich Art. 20 Rom II-VO Form Art. 21 Rom II-VO Beweis Art. 22 Rom II-VO
Kapitel VI, Sonstige Vorschriften, Art. 23 – 28 Gewöhnlicher Aufenthalt Art. 23 Rom II-VO Ausschluss der Rück- und Weiterverweisung Art. 24 Staaten ohne einheitliche Rechtsordnung Art. 25 Rom II-VO Ordre public im Staat des angerufenen Gerichts Art. 26 Rom II-VO Verhältnis zu anderen Gemeinschaftsrechts-akten Art. 27 Rom II-VO Verhältnis zu bestehenden internationalen Übereinkommen Art. 28 Rom II-VO
Kapitel VII, Schlussbestimmungen, Art. 29-32
Verzeichnis der Übereinkommen Art. 29 Überprüfungsklausel Art. 30 Rom II-VO Zeitliche Anwendbarkeit Art. 31 Rom II-VO Zeitpunkt des Beginns der Anwendung Art. 32 Rom II-VO
Prof. Dr. Renate Dendorfer-Ditges 1 von 51
FACHANWALT FÜR INTERNATIONALES
WIRTSCHAFTSRECHT
RECHTSVERGLEICHUNG
BESONDERHEITEN INTERNATIONALER VERTRAGSGESTAL-
TUNG UNTER EINBEZIEHUNG AUSGEWÄHLTER BEISPIELE
DES US-AMERIKANISCHEN RECHTS
U.S. RESTATEMENT OF CONFLICTS OF LAW
Prof. Dr. Renate Dendorfer-Ditges LL.M. (Illinois) MBA (Maastricht)
Rechtsanwältin Bonn/München * Attorney-at-Law New York
Fachanwältin Handels-/Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht
Professorin DHBW Ravensburg
Honorarprofessorin EBS Universität für Wirtschaft und Recht
Stand: März 2016
Prof. Dr. Renate Dendorfer-Ditges 2 von 51
Inhaltsverzeichnis
I. Einführung ............................................................................................................. 4
II. Rechtsvergleichung in Grundzügen ..................................................................... 5
1. Abgrenzung und Ziele ............................................................................................. 5
2. Methode der Rechtsvergleichung ............................................................................ 7
3. Rechtskreislehre ...................................................................................................... 8
3.1 Common Law - Civil Law ............................................................................. 8
3.2 Hybride Rechtssysteme .................................................................................. 9
3.3 Weitere Rechtskreise ..................................................................................... 9
4. Unterschiede der Rechtskreise .............................................................................. 10
5. Ausblick ................................................................................................................. 11
III. Besonderheiten internationaler Vertragsgestaltung unter besonderen
Berücksichtigung des US-amerikanischen Rechts ........................................... 13
1. Zustandekommen von Verträgen .......................................................................... 13
1.1 Aufbau und Struktur eines Austauschvertrages im Civil Law- oder im
Common Law-System ........................................................................................... 14
1.1.1 Umfang von Common Law-Verträgen ............................................... 16
1.1.2 Bezeichnung der Parteien ................................................................... 17
1.1.3 Definitionen und Präambel ................................................................. 17
1.1.4 Vertragstypologie ............................................................................... 18
1.2 Vertragssprache .............................................................................................. 18
1.2.1 One meaning – one word: Unklarheit der Wortbedeutung ................. 19
1.2.2 False Friends: Unklarheit durch falsche Übersetzung ........................ 20
1.2.3 Countable and non-countable Information ......................................... 21
1.2.4 Avoid Direct Speech and Gender-related wording ............................ 21
1.2.5 One Idea – One Sentence, oder: Choose Plain Language .................. 21
1.3 Angebot (offer) und Annahme (acceptance) .................................................. 23
1.3.1 Consideration ...................................................................................... 24
1.3.2 Mailbox Rule ...................................................................................... 25
1.3.3 Widerruf (Revocation) ........................................................................ 26
2. Formerfordernisse (Statute of Frauds) .................................................................. 27
3. Auslegungsregeln und Auslegungsmethoden........................................................ 28
3.1 Allgemeine Auslegungsregeln ..................................................................... 28
3.2 Parol Evidence Rule ..................................................................................... 29
4. Performance Provisions ......................................................................................... 29
4.1 Warranties .................................................................................................... 30
4.2 Limitations of Liability ................................................................................ 31
4.3 Indemnification Clauses ............................................................................... 31
4.4 Liquidated Damage Clauses ........................................................................ 32
Prof. Dr. Renate Dendorfer-Ditges 3 von 51
4.5 Term and Termination Provisions ............................................................... 33
5. Boilerplate Provisions ........................................................................................... 33
5.1 Entire Agreement ......................................................................................... 34
5.2 Severability Clause ...................................................................................... 34
5.3 Assignment .................................................................................................. 34
5.4 Governing Law/Choice of Law ................................................................... 35
5.5 Notice ........................................................................................................... 35
5.6 Force Majeure .............................................................................................. 36
5.7 Amendments ................................................................................................ 36
5.8 Waiver/No Waiver ....................................................................................... 37
5.9 Survival ........................................................................................................ 37
5.10 Captions and Headings................................................................................ 37
5.11 Jurisdiction/Venue ....................................................................................... 37
IV. U.S. Restatement of Conflicts of Law ........................................................... 39
1. Statutory Law ........................................................................................................ 39
2. Richterrecht ........................................................................................................... 40
3. Rechtsveröffentlichungen ...................................................................................... 40
4. Gerichtsorganisation .............................................................................................. 41
4.1 Quellen des Civil Procedure ........................................................................ 42
4.2 Gerichtssystem und Subject Matter Jurisdiction .......................................... 42
4.2.1 Ausschließliche Zuständigkeit der federal courts .............................. 43
4.2.2 Konkurrierende Zuständigkeit der federal courts .............................. 43
4.2.3 Supplemental Jurisdiction .................................................................. 44
4.2.4 Removal .............................................................................................. 44
4.3 Internationale Zuständigkeit ........................................................................ 44
4.5 Örtliche Zuständigkeit ................................................................................. 46
4.6 Forum non conveniens ................................................................................. 46
5. US-amerikanisches IPR (Conflict of Laws) .......................................................... 47
5.1 Allgemeine Grundsätze des Restatement Second of Conflicts of Laws ...... 48
5.2 Anwendbares Recht im vertraglichen Kontext ............................................ 48
5.2.1 Subjektive Anknüpfung durch Rechtswahl ........................................ 49
5.2.2 Objektive Anknüpfung ....................................................................... 50
5.2.3 Geltungsbereich .................................................................................. 51
Prof. Dr. Renate Dendorfer-Ditges 4 von 51
I. Einführung
Literatur: Assmann/Bungert, Handbuch des US-Amerikanischen Handels-, Gesellschafts- und
Wirtschaftsrechts, Band 1, München 2001; Bernstorff, Vertragsgestaltung im Auslandsgeschäft,
5. Auflage, Frankfurt am Main 2002; Brand, Grundfragen der Rechtsvergleichung, JuS 2003, S.
1082 ff.; Coing, Aufgaben der Rechtsvergleichung in unserer Zeit, NJW 1981, S. 2601 ff.; Daig-
neault, Drafting International Agreements in Legal English, 2. Auflage, München 2009; Espen-
schied, Contract Drafting, ABA Publishing 2010; Hay, US-Amerikanisches Recht, 6. Auflage,
München 2015; Hay, International Versus Interstate Conflicts Law in the U.S., RabelsZU 35
(1971), S. 429 ff.; Haase, Einführung in die Methodik der Rechtsvergleichung, JA 2005, S. 232
ff.; Kötz, Alte und neuen Aufgaben der Rechtsvergleichung, JZ 2002, S. 257 ff.; Lundmark, Um-
gang mit Präjudizienrecht, JuS 2000, S. 546 ff.; Nodoushani, Liquidated Damages im amerikani-
schen Recht, VersR 2005, S. 1623 ff.; Puppe, Kleine Schule des juristischen Denkens, 3. Auflage,
Göttingen 2014; Perillo/Calamari, Contracts, 6th edition, St. Paul 2009; Reimann, Einführung in
das US-amerikanische Privatrecht, 2. Auflage, München 2004; Rösler, Großbritannien im Span-
nungsfeld europäischer Rechtskulturen, ZVglRWiss 100 (2001), S. 448 ff.; Schack, Einführung in
das US-Amerikanische Zivilprozessrecht, 4. Auflage, München 2011; Schwintowski, Einführung
in die Rechtsvergleichung, JA 1991, S. 241 ff.; Symeonides, Choice of Law in the American
Courts in 2015: Twenty-Ninth Annual Survey, 64 American Journal of Comparative Law (2016),
S. 1 ff.; Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, 3. Auflage, Tübingen 1996;
_________________________________________________________
Der Anspruch dieser Moduleinheit ist umfassend, soll es doch um die Grundsätze interna-
tionaler – somit Rechtskreise und Länder übergreifender – Vertragsgestaltung gehen. Um
diese Aufgabe im Hinblick auf den zeitlichen Umfang der Moduleinheit überschaubar zu
gestalten, konzentrieren sich die nachfolgenden theoretischen Ausführungen, praktischen
Hinweise und die Beispiele auf internationale Verträge mit US-amerikanischen Unter-
nehmen.
Eine entsprechende Konzentration im Sinne eines Überblicks haben die Kapitel zur
Rechtsvergleichung und zu dem US-amerikanischen Conflicts of laws-System erfahren.
Für die Anwendung in der Praxis ist ein Rückgriff auf die einschlägige Literatur und eine
weitergehende Recherchearbeit zu maßgeblicher Rechtsprechung daher unabdingbar.
Prof. Dr. Renate Dendorfer-Ditges 5 von 51
II. Rechtsvergleichung in Grundzügen
Seit dem 19. Jahrhundert ist es üblich, die Beziehungen zwischen den verschiedenen
Rechtssystemen der Welt und ihr Verhältnis zueinander als „Rechtsvergleichung“ zu
bezeichnen.1 Abstrakt definiert wird Rechtsvergleichung definiert als empirische, die
Gesetzmäßigkeiten des Soziallebens erforschende Wissenschaft vom Recht als allge-
meine Kulturerscheinung.2
Die nachfolgenden Ausführungen folgen weniger der vorstehenden Definition, sondern
eher einem praktisch-beschreibenden Ansatz rechtsvergleichender Grundsätze, unter
ausschließlicher Bezugnahme auf die Zivilrechtsvergleichung.
1. Abgrenzung und Ziele
Abzugrenzen ist die Rechtsvergleichung von weiteren Disziplinen, insbesondere von
dem Internationalen Privatrecht (IPR).3 Letzteres ist das nationale Kollisionsrecht für
Sachverhalte mit Auslandsbezug. Um die Unterschiede selbst, die zwischen den in Be-
zug genommenen Rechtsordnungen bestehen, kümmert sich das IPR hingegen nicht.
Maßgebliche Systembegriffe des IPR erschließen sich jedoch nur rechtsvergleichend.
Das beginnt bereits bei der Subsumtion des Sachverhalts unter eine Kollisionsnorm, und
bei der Frage, wie deren Begriffe auszulegen sind.4 Bereits nach älterer BGH-Recht-
sprechung sind „die Vorschriften des ausländischen Rechts nach ihrem Sinn zu erfas-
sen, in ihrer Bedeutung vom Standpunkt des ausländischen Rechts zu würdigen und mit
den Einrichtungen der deutschen Rechtsordnung zu vergleichen”.5 Nur so lassen sich
Rechtsinstitute wie der englische trust, die amerikanische consideration, die islamische
Morgengabe,6 oder das französische und polnische Registerpfandrecht fassen. Auch
Fragen des ordre public sind ohne Rechtsvergleichung nicht zu handhaben.7
1 Brand, JuS 2003, S. 1082, 1083.
2 Haase, JA 2005, S. 232, 233.
3 Haase, JA 2005, S. 232, 233.
4 Brand, JuS 2003, S. 1082, 1083.
5 BGH NJW 1967, S. 1177.
6 OLG Düsseldorf, Beck LSK 1998, 360377.
7 Brand, JuS 2003, S. 1082, 1083.
Prof. Dr. Renate Dendorfer-Ditges 18 von 51
1.1.4 Vertragstypologie
Das US-amerikanische Recht kennt zwar unterschiedliche Vertragstypen wie Kauf,
Miete, Werkvertrag, Dienstvertrag usw. Es gibt aber – vom Kaufrecht des UCC abgese-
hen – keine detaillierten Regelungen zu den einzelnen Vertragstypen. Die US-Gerichte
wenden bei komplexen Verträgen den sog. „pre-dominant purpose“-Test an, um festzu-
stellen, auf welchem Vertragstypus das Schwergewicht liegt. Sofern dieses Schwerge-
wicht beim Kauf liegt, wird UCC Art. 2 für den gesamten Vertrag angewandt.43
1.2 Vertragssprache
Internationale Verträge sind überwiegend in englischer Sprache abgefasst. Englisch als
Vertragssprache hat den Vorteil, beim Handel vieler Produkte ohnehin vereinbart zu
werden. Zudem ist es die nationaler Sprache vieler weltweit wichtiger Handelsnationen
(Australien, Neuseeland, USA, Kanada, England, Singapur usw.). Internationale Finan-
zierungen werden in Englisch vereinbart, auch standardisierte Richtlinien der UNO so-
wie ihrer Ausschüsse (insbesondere UNCITRAL), der Internationalen Handelskammer
(ICC, z. B. die Incoterms) oder sonstiger Organisationen (z. B. WTO) werden in engli-
scher Sprache herausgegeben.
In englischer Sprache abgefasste Verträge werden in den meisten Staaten als wirksam
akzeptiert. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass nicht nur in Deutschland die Ge-
richtssprache diejenigen des Landes ist, sondern dies auch für andere Staaten gilt, so z.
B. in Israel44
oder in den Golfstaaten45
. Das bedeutet für die Prozessführung erhöhten
Aufwand durch notwendige Übersetzungen. Inwieweit die häufig verbreitete Praxis der
Abfassung zweisprachiger Vertragstexte dem entgegenwirken kann, hängt von der
Sorgfalt der Übersetzung in den jeweiligen Vertragstexten ab. Auch muss darauf geach-
43
Vgl. Neilson Business Equipment Center Inc. v. Italo v. Monteleone, 534 A. 2d 1172 (Del. Supr. 1987); Ble-
si-Evans Co. v. Western Mechanical Service, Inc., 72 U.C.C. Rep. Serv. 2d (Callaghan) 115 (W.D.S.D.
2010). 44
Aufgrund eigener Erfahrung der Verfasserin in einem deutsch-israelischen Rechtsstreit vor einem Gericht in
Tel Aviv. 45
Z. B. Art. 4 Civil Procedure Code United Arabic Emirates (UAE), Law No. 11 of 1992 “the court language
is Arabic”.
Prof. Dr. Renate Dendorfer-Ditges 19 von 51
tet werden, dass die jeweilige Landes- und Gerichtssprache dann auch als die maßgebli-
che Sprachfassung vereinbart wird.
Dabei ist gerade bei Anwendung einer Fremdsprache die sorgfältige Formulierung der
Vertragsklauseln zur Vermeidung von Missverständnissen oder auslegungsbedürftigen
Wortfolgen von hervorzuhebender Bedeutung. Nachfolgend sollen einige Formulie-
rungs“fallen“ aufgezeigt werden:
1.2.1 One meaning – one word: Unklarheit der Wortbedeutung
Es ist auf die Bedeutung der genutzten Wörter zu achten, auch darauf, dass British Eng-
lish und American English unterschiedliche Wortbedeutungen umfassen. Grundsätzlich
ist daher zu entscheiden, ob für die Vertragserstellung British English oder American
English genutzt werden soll.
Einige Beispiele:
The American asks for the check and pays with a bill while the British asks for the bill
and pays with a cheque.
ABC may not license the software to any other company located in the Territory.
Does the word “located” mean:
- Organized under the laws of the States included within the Territory?
- Having any size or kind of office in the Territory?
- Headquartered within the Territory?
- Who sells or distributes in the Territory?46
The word “sanction” can either mean “to approve” or “to penalize”.
The word “residence” can refer to a house, a second home, or domicile.
“Days” can mean working days or calendar days.
Writing of dates can be misleading:
05.09.2016 can mean
- for British contracts: 05 September 2016
- for American contracts: 09 May 2016
It is better to write: September 05, 2016 in American contracts and 5 September 2016
in British contracts.
The wording: The parties executed this agreement.
46
Espenschied, S. 89.
Prof. Dr. Renate Dendorfer-Ditges 20 von 51
can mean that the contract has been signed but also that the contract has been per-
formed. Therefore it is better to write:
The parties performed according to the terms of the agreement.
Provisos, like provided that, provided, however can have the meaning:47
- a condition: The prevailing view seems to be that a proviso is generally used in a
contract to introduce a clause that states a condition;48
- a duty: Some American courts have held that a proviso always implies a condition
unless subsequent words change it to be a covenant;
- a limitation: Provisos are sometimes interpreted to limit the scope of the preceding
phrase or sentence;
- an exception: Provisos are sometimes interpreted to carve an exception to the
scope of the preceding phrase or sentence;
- an additional requirement: Provisos are sometimes interpreted to add new re-
quirements to the scope of the preceding phrase or sentence.
The word “shall” should only be used to impose a duty on a named party. If the word
“shall” can be replaced with “has a duty to” and it imposes a direct duty on a specific
party to the agreement, it is probably being used correctly.49
1.2.2 False Friends: Unklarheit durch falsche Übersetzung
False Friends sind Wörter, welche ein Gegenstück in einer anderen Sprache haben, je-
doch mit unterschiedlicher Bedeutung:
Englisches Wort Falsche deutsche Über-
setzung
Richtige Übersetzung
Actual Aktuell In fact, e.g. actual moneys
received
Eventually Eventuell Finally, e.g. Something will
eventually happen
Minutes Minuten Protocol of a meeting, e.g.
minutes of a meeting
Notice Notiz Message
Paragraph Paragraf Part of a text
Objective Objektiv Goal
47
Espenschied, S. 116 ff. 48
Vgl. Western Publishing Co., Inc. v. Mindgames, Inc., 995 F. Supp 949, 954-955 (E.D. Wis. 1998); aff’d,
218 F. 3d 652 (7th
Cir. 2000). 49
Espenschied, S. 136 ff.
Prof. Dr. Renate Dendorfer-Ditges 21 von 51
1.2.3 Countable and non-countable Information
Die meisten englischen Wörter sind countable words. Non-countable words können
nur im Singular benutzt werden. Information ist beispielsweise ein non-countable noun,
welches nur im Singular existiert. Oder: document (countable noun) und documentation
(non-countable). Also: many documents, but much documentation. Amount ist nur im
Zusammenhang mit uncountable words zu nutzen, number nur mit countable words.
Countable Non-countable
number amount
many much
few little
fewer less
acres land
information
document documentation
1.2.4 Avoid Direct Speech and Gender-related wording
Gender-related words: she, he, his, her; sowie we, us, you und our.
In Wirtschaftsverträgen sollte “gender-related wording” vermieden werden. „the com-
pany“ ist neutral. Wenn ein Vertrag eine konkrete Person meint, dann sollte der ent-
sprechende abstrakte Begriff genutzt werden, z. B. „Licensor“ oder ein gender-neutral
wording, e.g. „spokesperson“ oder it.
1.2.5 One Idea – One Sentence, oder: Choose Plain Language
Die Fragen der Interpunktion sind in englischsprachigen Verträgen immer heikel.50
Die
generelle Regel lautet: When in doubt, do without.“ Schlangensätze” führen zudem zu
Missverständnissen und einer Nichtlesbarkeit der Verträge. Dennoch ist zu prüfen, ob
ein fehlendes Komma evtl. den Sinn des Satzes verändert, so beispielsweise:
Eats, shoots and leaves (Cowboy in a saloon)
50
Daigneault, S. 25.
Prof. Dr. Renate Dendorfer-Ditges 22 von 51
oder
Eats shoots and leaves (Panda bear).
Zu berücksichtigen ist auch:
- ₤ 2,000 = two thousand pounds, however: ₤ 2.000 is two pounds with three decimal
points.
- Point with numbers, dot in the internet und full stop or period at the end of a sentence.
1.2.6 Use strong and active Verbs
Schwache Formulierungen sind zu vermeiden, wie z. B.
Take into consideration: to consider
Be influential on to influence
To make an argument to argue
Makes a decision decides
Gives permit to permits to
1.2.7 Case-sensitive: Capital or small letters
Wie gemeinhin bekannt, werden englische Wörter in Kleinbuchstaben geschrieben. Es
gibt davon Ausnahmen, die bei der Vertragsgestaltung zu berücksichtigen sind:
Definitions
Eine Definition beginnt regelmäßig mit: means or shall mean, gefolgt bei einer Auflis-
tung von verschiedenen Punkten, teilweise beschrieben mit including without limitati-
on und but excluding51
, zum Beispiel:
“Intellectual Property” means: (i) Patent Rights; (ii) trademarks, service marks, trade
names, brand names, certification marks, designs, logos and slogans, commercial symbols,
business name registrations, domain names, trade dress and other indications of origin and
general intangibles of like nature, the goodwill associated with the foregoing, and registra-
tions in any domestic or foreign jurisdiction of, and applications in any such jurisdiction to
register, the foregoing, including without limitation any extension, modification, or renew-
al of any such registration or application; (iii) research and development data, formulae,
ideas, know-how, research, analysis, experiments, proprietary processes and procedures,
algorithms, models and methodologies, technical information, technologies, techniques,
51
Daigneault, S. 86.
Prof. Dr. Renate Dendorfer-Ditges 23 von 51
innovations, creations, concepts, designs, industrial designs, procedures, trade secrets and
confidential information, and rights in any domestic or foreign jurisdiction to limit the use
or disclosure thereof by any person; (iv) writings and other works of authorship of any type
(including without limitation patterns, drawings, data, the content contained on any web
site), whether copyrightable or not, in any such jurisdiction, and any copyrights and moral
rights therein (“Copyrights”); (v) computer software (whether in source code or object
code form), databases, compilations, and data; and (vi) registrations or applications for
registration of copyrights in any domestic or foreign jurisdiction, and any renewals or ex-
tensions thereof; and (vii) any similar intellectual property or proprietary rights.
Wörter, die mit Großbuchstaben geschrieben sind, werden in Common Law-Ver-
trägen Bezug zu einer Definition haben. Zu dem obigen Beispiel: Patent Rights must
be referred to under (i) and Copyrights is defined in (iv).
Mit Großbuchstaben beginnen stets Wochentage und Monate sowie Personen- oder
Ländernamen. Gleiches gilt für Abkürzungen, wie z. B. Ltd., Inc. oder No.
Limitations and exclusions
In US-Verträgen sind Ausschlussklauseln für Haftung oder Garantieklauseln stets
vollständig in Großbuchstaben abzufassen, um deren Transparenz- und Warnfunktion
gerecht zu werden.
Headlines
Es gibt für Überschriften nur wenige Regeln.52
Das erste Wort muss mit einem Groß-
buchstaben beginnen; alle weiteren wichtigen Wörter sollen mit einem Großbuchsta-
ben beginnen. Kleinbuchstaben sollen genutzt werden für is, are, by und of. Oft wird
in Verträgen explizit erwähnt, dass die Überschriften für die Vertragsauslegung keine
Bedeutung haben sollen:
The section headings used in this Agreement are inserted for convenience and identifi-
cation only and are not to be used in any manner to interpret this Agreement.
1.3 Angebot (offer) und Annahme (acceptance)
Nach deutschem Recht ist derjenige, der ein Vertragsangebot abgibt, an seine Erklärung
gebunden, wenn er sich verbindlich verpflichten will und der Adressat des Angebots
52
Daigneault, S. 28.
INTERNATIONALES SCHIEDSVERFAHRENSRECHT
ÜBERSICHT UND VERGLEICH INTERNATIONALE SCHIEDSORDNUNGEN
Bitte beachten Sie, dass die nachfolgende Übersicht keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt und
eine Eigenrecherche im konkreten Einzelfall nicht ersetzen kann.
Prof. Dr. Renate Dendorfer-Ditges LL.M. (Illinois) MBA (Maastricht)
Rechtsanwältin Bonn/München * Attorney-at-Law New York
Professorin DHBW Ravensburg
Honorarprofessorin EBS Universität für Wirtschaft und Recht
Stand: Juni 2016
DIS
UNICTRAL LCIA IDRP SIAC ICC SCC
Gebühren Verwaltungsgebühr:
350 € -40.000€
(Streitwert: 1€ -
10.000.000€)
Keine Institution
Anmeldegebühr:
£ 1.750
Anmeldegebühr:
US$ 750 -US$
11.000 (Streitwert:
US$ <75.000- US$
>10.000.000)
Verwaltungsgebühr:
S$ 3.8000 -$S
95.000/ zzgl.
2.200% - 0.031%
auf den Übertrag an
50.000€ (Streitwert
$S <50.000 - $S
100.000.000)
Verwaltungsgebühr:
US$ 3.000 -US$
99.215 (Streitwert:
US$ <50.000 -US$
100.000.000)
Verwaltungsgebü
hr: 2.000€ -
53.600€
(Streitwert:
<25.000€ -
>75.000.000€)
Honorar
Schiedsgericht /
Sekretariat der
Organisation
1.560€ -129.450€/
zzgl. 2%- 0.05% auf
den Übertrag ab
50.000€ (Streitwert:
<6.000€ -
100.000.000€)
Stundenhonorar des
Sekretariats: £ 150-
£250
Gebühr für
fehlerhafte
Anmeldung: US$
500
Schiedsrichterhono-
rarS$ 6.250 - $S
605.000 (Streitwert
$S <50.000 -$S
>500.000.000)
Schiedsrichter
setzen ihr Honorar
individuell fest
Nicht erstattbare
Anmeldegebühr:
2.000€ (Wird der
Verwaltungsgebü
hr angerechnet)
Stundenhonorar des
Schiedsgerichts
(seiner Richter):
max. £ 450
Schiedsrichter
setzen ihr Honorar
individuell fest
Schiedsrichterho
norar: 4.500€ -
140.500€
(Streitwert:
<25.000€ -
100.000.000€)
Emergency
Arbitrator:
Anmeldegebühr: £
8.000/
Schiedsrichterhonor
ar£ 20.000
Beginn des
Verfahrens/ Erster
Kontakt
Schiedsklage wird
an das Sekretariat
gesendet.
Einleitungserklä-
rung wird an den
Beklagten gesendet.
Einleitungserklä-
rung wird an den
Registerführer
(Registrar) gesendet.
Einleitungserklä-
rung wird an den
Verfahrensver-
walter
(Administrator) gesendet.
Schiedsklage wird
an das Sekretariat
gesendet.
Das Schiedsverfahren beginnt mit dem Zugang der Schiedsklage bzw. der Erklärung zur Einleitung eines Schiedsverfahrens.
in Kooperation mit:
Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht
Internationales Zivilprozessrecht
Dr. Carl Friedrich Nordmeier Richter am Landgericht, zzt. Hessisches Ministerium der Justiz
Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG Stand 04/2016
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Inhaltsverzeichnis
A. Grundzüge des Internationalen Zivilprozessrechts (IZPR) ............................................... 1
Abgrenzung zu Nebengebieten ...................................................................................................................... 1
Quellen des IZPR ............................................................................................................................................ 2
Insbesondere: Europäisch-autonome Auslegung ........................................................................................... 3
B. Zuständigkeit, Rechtshängigkeit, Anerkennung und Vollstreckung ................................. 5
EuGVVO ......................................................................................................................................................... 5
1. Überblick ............................................................................................................................................ 5
2. Anwendungsbereich der EuGVVO ....................................................................................................... 6
3. Internationale Zuständigkeit ............................................................................................................... 7
a) Prüfungsfolge ...................................................................................................................................... 7
b) Ausschließliche Gerichtsstände (Art. 24 EuGVVO) .............................................................................. 7
c) Gerichtsstandsvereinbarungen (Art. 25 EuGVVO) .............................................................................. 8
d) Rügelose Einlassung (Art. 26 EuGVVO) .............................................................................................. 13
e) Sonderregime für Versicherungssachen (Art. 10 EuGVVO), Verbrauchersachen (Art. 17 EuGVVO) und Individualarbeitssachen (Art. 20 EuGVVO) ................................................................................. 14
f) Besondere Gerichtsstände (Art. 7-9 EuGVVO) .................................................................................. 19
g) Wohnsitz (Art. 4 Abs. 1 EuGVVO) ...................................................................................................... 23
4. Koordination von Parallelverfahren (Art. 29-34 EuGVVO) ................................................................. 24
a) Verfahren mit identischem Streitgegenstand (Art. 29 EuGVVO) ...................................................... 24
b) Im Zusammenhang stehende Verfahren (Art. 30 EuGVVO) .............................................................. 26
c) Verfahren vor drittstaatlichen Gerichten (Art. 33-34 EuGVVO) ........................................................ 26
5. Anerkennung und Vollstreckung ....................................................................................................... 26
a) Allgemeines ....................................................................................................................................... 26
b) Anerkennung ..................................................................................................................................... 27
c) Vollstreckung ..................................................................................................................................... 29
Völkerrechtliche Übereinkommen ............................................................................................................... 30
Insbesondere: Revidiertes Lugano-Übereinkommen ................................................................................... 31
Nationales Recht ......................................................................................................................................... 31
1. Internationale Zuständigkeit: Doppelfunktionalität .......................................................................... 31
2. Anerkennung und Vollstreckung ....................................................................................................... 32
a) AVAG ................................................................................................................................................. 32
b) §§ 328, 722 f. ZPO ............................................................................................................................. 33
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C. Zustellung ................................................................................................................... 36
EuZVO VO (EG) 1393/2007 ........................................................................................................................... 36
1. Anwendungsbereich ......................................................................................................................... 36
a) Notwendigkeit der Zustellung im EU-Ausland ................................................................................... 36
b) Anschrift des Zustellungsempfängers ............................................................................................... 37
2. Grundkonzept der EuZVO ................................................................................................................. 37
3. Sprache des zuzustellenden Schriftstücks und Annahmeverweigerung ............................................ 38
a) Amtssprache des Empfangsmitgliedstaates ...................................................................................... 39
b) Sprache, die der Empfänger versteht ................................................................................................ 39
c) Anlagen .............................................................................................................................................. 40
d) Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts .................................................................................. 40
4. Durchführung der Zustellung – Formen der Zustellung ..................................................................... 41
5. Zustellung durch Übermittlungs- und Empfangsstellen ..................................................................... 42
6. Direkte Postzustellung ...................................................................................................................... 42
a) Vorbereitung der Übermittlung ........................................................................................................ 43
b) Belehrung nach Art. 8 EuZVO ............................................................................................................ 43
c) Keine Einschränkungen der direkten Postzustellung ........................................................................ 43
7. Weitere Zustellungsarten ................................................................................................................. 43
a) Diplomatischer oder konsularischer Weg ......................................................................................... 43
b) Diplomatische oder konsularische Vertreter .................................................................................... 44
c) Zustellung im Parteibetrieb ............................................................................................................... 44
8. Sonderproblem: kein Zustellungsbevollmächtigter nach § 184 ZPO .................................................. 45
9. Sonderproblem: Fehlender Zustellungsnachweis .............................................................................. 45
Nationales Auslandszustellungsrecht (§ 183 ZPO) ....................................................................................... 46
Praxishinweis: ZRHO .................................................................................................................................... 46
D. Besondere Verfahren zur beschleunigten Titelerlangung ............................................. 47
Einführung ................................................................................................................................................... 47
1. Nomenklatur .................................................................................................................................... 48
2. Grundkonzept ................................................................................................................................... 48
Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen nach der VO (EG) 805/2004 ..................... 48
1. Voraussetzungen des Bestätigungsverfahrens .................................................................................. 49
a) Unbestrittene Forderung................................................................................................................... 49
b) Vollstreckbarkeit und Beachtung der internationalen Zuständigkeit ............................................... 49
c) Beachtung verfahrensrechtlicher Mindeststandards ........................................................................ 49
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2. Verfahren und Entscheidung ............................................................................................................. 50
3. Wirkung der Bestätigungsentscheidung ............................................................................................ 51
Europäisches Mahnverfahren nach der VO (EG) 1896/2006 ........................................................................ 52
1. Anwendungsbereich der EuMVVO .................................................................................................... 52
2. Voraussetzungen für den Erlass des Europäischen Zahlungsbefehls ................................................. 53
3. Entscheidung und Anfechtung .......................................................................................................... 54
4. Wirkung und Vollstreckung in anderen Mitgliedstaaten ................................................................... 54
Europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen nach der VO (EG) 861/2007 .................................... 55
1. Anwendungsbereich der EuGFVO ..................................................................................................... 56
2. Zuständigkeit und Verfahrenseinleitung ........................................................................................... 56
3. Verfahrensablauf .............................................................................................................................. 57
4. Vollstreckung und Rechtsmittel ........................................................................................................ 58
a) Vollstreckung ..................................................................................................................................... 58
b) Rechtsmittel ...................................................................................................................................... 59
E. Beweisaufnahme ........................................................................................................ 60
EuBVO (VO (EG) 1206/2001) ........................................................................................................................ 60
1. Anwendungsbereich ......................................................................................................................... 60
2. Grundkonzept ................................................................................................................................... 62
3. Ablauf des Rechtshilfeverfahrens ..................................................................................................... 62
a) Aktive Rechtshilfe .............................................................................................................................. 62
b) Passive Rechtshilfe ............................................................................................................................ 64
4. Bedeutung der Zentralstellen ........................................................................................................... 66
5. Auf die Beweisaufnahme anwendbares Recht .................................................................................. 66
6. Kosten .............................................................................................................................................. 67
§ 363 ZPO .................................................................................................................................................... 67
1. Zeugenbeweis ................................................................................................................................... 67
2. Sachverständigenbeweis .................................................................................................................. 68
3. Urkundenbeweis............................................................................................................................... 68
4. Augenscheinsbeweis ......................................................................................................................... 68
F. Verfahren vor Europäischen Gerichten ........................................................................ 69
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Vorlageverfahren (Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV) ....................................................... 69
1. Grundstruktur ................................................................................................................................... 69
2. Voraussetzungen .............................................................................................................................. 70
3. Verfahren vor dem EuGH .................................................................................................................. 71
4. EuGH-Urteil ....................................................................................................................................... 72
5. Weiterer Verfahrensgang vor dem nationalen Gericht ..................................................................... 73
a) Bindungswirkung des Urteils ............................................................................................................. 73
b) Keine Einschränkung der Dispositionsfreiheit der Parteien .............................................................. 73
c) Kosten ................................................................................................................................................ 73
Klageverfahren vor dem EuGH und dem EuG ............................................................................................... 74
1. Vertragsverletzungsverfahren .......................................................................................................... 74
2. Nichtigkeits- und Untätigkeitsklage .................................................................................................. 75 Literatur: Textsammlung: Jayme/Hausmann, Internationales Privat- und Verfahrensrecht, 17. Aufl. 2014 A. Lehrbücher Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010 Junker, Internationales Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2012 Linke/Hau, Internationales Zivilverfahrensrecht, 5. Aufl. 2011 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 6. Aufl. 2014 B. Handbücher und Kommentare Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2. Aufl. 2010 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl. 2014 Geimer/Schütze (Hrsg.), Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Loseblatt, Stand: 47. EL 2014 dies., Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl. 2011 Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl. 2011 Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl. 2013 Rauscher (Hrsg.), Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht (EuZPR und EuIPR), mehrbändiger Kommentar Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 2009 Stein/Jonas, Band 10, EuGVVO, 22. Aufl. 2011 Die wichtigsten Verordnungen werden zudem kommentiert von Geimer im Anhang von Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, sowie in Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl. 2015 und im Münchener Kommentar zur ZPO, Band 3, 4. Aufl. 2013.
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A. Grundzüge des Internationalen Zivilprozessrechts (IZPR)
Das Internationale Zivilverfahrensrecht regelt das Verfahren vor staatlichen Gerichten in Fällen mit
internationalen Bezügen. Im Kern geht es darum, wie sich die Internationalität auf die
Verfahrensgestaltung des Gerichts und auf die prozessuale Stellung der Parteien auswirkt. Diese
Frage lässt sich für jedwede prozessuale Situation stellen. Sie wird aber in einigen Konstellationen
besonders virulent. Es sind hier zu nennen:
die internationale Zuständigkeit, d.h. die Frage, inwiefern die Gerichte eines Staates dafür
zuständig sind über den infrage stehenden Streit zu erkennen.
die Zustellung von Schriftstücken an Verfahrensbeteiligte, die im Gerichtsstaat keine
zustellungsfähige Anschrift haben.
die Vornahme von Beweisaufnahmehandlungen, falls das Beweismittel in einem anderen Staat
als dem des Gerichtsstaates belegen ist.
die Koordination von Parallelverfahren, die vor den Gerichten verschiedener Staaten anhängig
sind.
die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen, die in einem anderen Staat als dem
Gerichtsstaat ergangen sind.
Die Gesamtheit der prozessualen Regelungen, welche solche Fragen beantworten, bildet den
Gegenstand des internationalen Zivilverfahrensrechts. Anders als im Internationalen Privatrecht
kommt im Internationalen Zivilverfahrensrecht prinzipiell kein fremdes Recht zur Anwendung.
Vielmehr wendet ein Gericht stets sein eigenes Verfahrensrecht und damit auch sein eigenes
Internationales Zivilverfahrensrecht an (sog. lex fori-Grundsatz).
Hinweis
Aus diesem Grundsatz resultieren erhebliche anwaltliche Gestaltungsmöglichkeiten. Er ist jedoch auch eine nicht zu
unterschätzende Fehlerquelle. Weist beispielsweise ein Sachverhalt Beziehungen zu Deutschland, Australien und
Brasilien auf, muss, wenn ein gerichtliches Vorgehen erwogen wird, für jeden Staat getrennt geprüft werden,
inwiefern die internationale Zuständigkeit der jeweiligen Gerichte besteht.
Abgrenzung zu Nebengebieten
Als Nebengebiete des Internationalen Zivilverfahrensrechts sind in wirtschaftsrechtlichen Fällen das
Internationale Privatrecht, das Internationale Insolvenzrecht und das Internationale Schiedsrecht von
herausgehobener Bedeutung.
Das Internationale Privatrecht bestimmt dasjenige staatliche Sachrecht, welches auf einen
Lebenssachverhalt anwendbar ist. Es bedient sich zu diesem Zweck gewisser Merkmale
(Anknüpfungspunkte), welche dem betreffenden Sachverhalt das ihm am nächsten stehende Recht
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zuordnen. Anders als das Internationale Zivilverfahrensrecht führt das internationale Privatrecht
häufig zur Anwendung von Rechtsnormen, die nicht dem Recht des Gerichtsstaates entspringen.
Beispiel
Die in Indonesien ansässige A Ltd. produziert für die in Deutschland ansässige B GmbH Computer. Diese werden von
einem Seefrachtunternehmen, welches durch die B GmbH beauftragt und bezahlt wird, in Indonesien abgeholt und
nach Deutschland transportiert. Entsteht zwischen den beiden Unternehmen Streit wegen der Lieferung
mangelhafter Rechner, ist die Frage, ob die B-GmbH die A. Limited vor deutschen Gerichten verklagen kann (d.h., ob
deutsche Gerichte international zuständig sind), eine solche des Internationalen Zivilverfahrensrechts. Welches
Sachrecht (deutsches, indonesisches oder das eines dritten Staates) deutsche Gerichte, wenn sie angerufen würden,
zur Anwendung brächten, ist ein Problem des Internationalen Privatrechts.
Das Internationale Insolvenzrecht regelt die gemeinschaftliche Befriedigung sämtlicher Gläubiger
eines Schuldners in Sachverhalten mit grenzüberschreitenden Bezügen. Von besonderer Bedeutung
sind Konstellationen, in welchen Vermögen des Schuldners in verschiedenen Staaten belegen ist. Im
europäischen Rechtsraum existiert eine eigene Insolvenzverordnung (EU-InsVO),1 welche vor allem
unterbinden soll, dass in jedem Mitgliedstaat ein eigenes Insolvenzverfahren durchgeführt wird.
Das internationale Schiedsverfahrensrecht hat vor allem im internationalen Wirtschaftsrecht
herausragende Bedeutung. Schiedsgerichte sind im Grundsatz gerade nicht den staatlichen
Bestimmungen des Internationalen Zivilverfahrensrechts unterworfen. Sie folgen ihren eigenen
Schiedsverfahrensordnungen, welche wesentlich weitgehender als staatlich gesetzte Normen
parteidisponibel sind. Zudem kann es im Interesse der Parteien liegen, Streitigkeiten diskret – d.h.
unter Ausschluss der Öffentlichkeit, welche vor staatlichen Gerichten in aller Regel zu wahren ist –
und durch eine von ihnen als neutral angesehene Instanz beilegen zu lassen. Die Zuständigkeit eines
Schiedsgerichts wird durch Parteivereinbarung (Schiedsklausel) begründet. Mangelt es hieran, sind
staatliche Gerichte zur Streitentscheidung berufen.
Quellen des IZPR
Für die zutreffende Erfassung einer internationalzivilprozessualen Fragestellung ist die Einschlägigkeit
verschiedener Gesetzesquellen zu beachten. In Deutschland existiert insbesondere kein
Internationales Zivilprozessrechtsgesetzbuch. Vielmehr sind die relevanten Bestimmungen auf
verschiedene Rechtsakte verteilt. In einem ersten Schritt ist aus Perspektive eines deutschen
Gerichts wie folgt zu differenzieren:
(1) EU-Recht, insbesondere unionale Verordnungen
(2) Völkerrechtliche Abkommen
(3) Autonomes innerstaatliches Recht
1 Verordnung (EG) 1346/2000 des Rates v. 29.5.2000 über Insolvenzverfahren, ABl. EG 2000 L 160, S. 1.
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Die EuZVO regelt nicht, ob eine grenzüberschreitende Zustellung zu erfolgen hat, sondern setzt die
Notwendigkeit einer solchen Zustellung voraus. Weder enthält die Verordnung Bestimmungen
darüber, ob ein Schriftstück überhaupt der Zustellung bedarf, noch finden sich Regelungen über
Zustellungsadressaten.
Daher ist zunächst zu prüfen, ob eine Zustellung auch im Inland erfolgen kann. Dies beurteilt sich
unter Umständen nicht nach deutschem, sondern nach ausländischem Recht. Da Fälle, in denen eine
Zustellung im europäischen Ausland erforderlich sein kann, einen grenzüberschreitenden Bezug
aufweisen, sind die Bestimmungen des internationalen Privatrechts – unabhängig davon, ob es sich
um vom unionalen oder nationalen Gesetzgeber erlassene IPR-Normen handelt – zu beachten.
Beispiel
Die Frage, ob eine Gesellschaft ausländischen Rechts durch eine im Inland ansässige Person mit der Folge vertreten
wird, dass die Zustellung an diese bewirkt werden kann, wird nach dem Gesellschaftsstatut entschieden. Eine in
London registrierte „private limited company“ englischen Rechts wird beispielsweise – vorbehaltlich abweichender
Regelungen im Gesellschaftsvertrag – durch ihren director vertreten. Verfügt dieser über eine zustellungsfähige
Adresse im Inland, bedarf es der Zustellung in London nach der EuZVO nicht. Die Verordnung enthält auch keine
zusätzlichen Regelungen für eine solche Inlandszustellung.
Bedarf ein Schriftstück der Zustellung und hat der Zustellungsempfänger seinen gewöhnlichen
Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat, ist nach den Vorschriften der EuZVO zuzustellen. Eine
sog. fiktive Inlandszustellung – etwa durch Belassen des Schriftstücks in der Akte, wenn kein
inländischer Zustellungsbevollmächtigter benannt wird – ist unzulässig.100
b) Anschrift des Zustellungsempfängers
Als weitere Anwendungsvoraussetzung der EuZVO muss die Anschrift des Zustellungsempfängers
bekannt sein (vgl. Art. 1 Abs. 2 EuZVO). Sollte die Anschrift unbekannt sein, regeln die nationalen
Prozessrechte die Konsequenzen. In Deutschland ist an eine öffentliche Zustellung nach § 185 Nr. 1
oder Nr. 3 ZPO zu denken. Die unbekannte Anschrift ist von der unzutreffenden Anschrift zu
unterscheiden. Wurde eine unzutreffende Anschrift angegeben, ist der Partei, welche die Zustellung
begehrt, aufzugeben, die korrekte Anschrift mitzuteilen.
2. Grundkonzept der EuZVO
Die EuZVO beruht auf der Grundidee, dass die Zustellung von Schriftstücken im Rechtsverkehr
zwischen den Mitgliedstaaten so zügig wie möglich vonstattengehen soll, ohne dass die
Zuverlässigkeit, mit der das zuzustellende Schriftstück den Adressaten erreicht, beeinträchtigt wird.
Die Beschleunigung grenzüberschreitender Zustellungen soll hauptsächlich durch Standardisierung
100
EuGH, Urt. v. 19. 12. 2012, C-325/11, Krystyna Alder u. a. ./. Sabina Orłowska u. a., NJW 2013, 443.
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und Dezentralisierung erreicht werden.101 Obgleich die Verordnung verschiedene Zustellungsformen
kennt, geht sie vom Grundsatz der unmittelbaren Übermittlung zwischen einer dezentralen
Übermittlungsstelle und einer dezentralen Empfangsstelle aus (Art. 4 Abs. 1 EuZVO). Die
Kommunikation erfolgt durch standardisierte Formblätter.
Unter der Übermittlungsstelle wird diejenige staatliche Stelle des Absenderstaates verstanden,
welche um die Übermittlung ersucht. Als Empfangsstelle wird diejenige staatliche Stelle des
Empfängerstaates bezeichnet, die für die Entgegennahme und Ausführung der ersuchten
Zustellungen zuständig ist. In Deutschland ist Übermittlungsstelle für gerichtliche Schriftstücke nach
der Ausführungsvorschrift des § 1069 Abs. 1 Nr. 1 ZPO dasjenige Gericht, das die Zustellung betreibt.
Empfangsstelle ist gemäß § 1069 Abs. 2 S. 1 ZPO dasjenige Amtsgericht, in dessen Bezirk das
Schriftstück zugestellt werden soll.102
Hinweis:
Der im Internet verfügbare Europäische Gerichtsatlas für Zivilsachen103
enthält eine Datenbank der Übermittlungs-
und Empfangsstellen. Durch die Angabe des Zielortes lässt sich die zuständige Empfangsstelle ermitteln. Wird
beispielsweise die Zustellung einer Klageschrift in einem anderen Mitgliedstaat begehrt, empfiehlt es sich, bereits in
der Klageschrift selbst auf die zuständige Empfangsstelle hinzuweisen.
Es existiert zudem in jedem Mitgliedstaat eine Zentralstelle, die Auskünfte erteilen und bei
auftretenden Übermittlungsschwierigkeiten eingeschaltet werden kann (siehe Art. 3 EuZVO).
3. Sprache des zuzustellenden Schriftstücks und Annahmeverweigerung
Besondere Aufmerksamkeit sollte bei Zustellungen in einem anderen Mitgliedstaat der Frage
gewidmet werden, ob das zuzustellende Schriftstück eventuell einer Übersetzung bedarf. Art. 8 Abs.
1 EuZVO räumt dem Empfänger die Möglichkeit ein, die Annahme des zuzustellenden Schriftstücks zu
verweigern, wenn es nicht in einer Amtssprache des Empfangsmitgliedsstaates oder in einer
Sprache, die er (der Empfänger) versteht, übermittelt wird.
Hinweis:
Die Frage, ob eine Übersetzung der Klageschrift gefertigt werden soll, liegt in der Hand des Klägers. Der sichere Weg
ist stets die Übersetzung in die Amtssprache des Empfangsmitgliedstaates, weil hier die Möglichkeit des Beklagten
zur Zurückweisung minimal ist.104
Andererseits lassen sich Kosten vermeiden, wenn auf die Übersetzung verzichtet
wird. In diesem Fall muss jedoch sichergestellt sein, dass der Zustellungsempfänger die deutsche Sprache versteht.
101
Vgl. Hess, EuZPR, § 8 Rn. 13. 102
§ 1069 Abs. 2 S. 1 ZPO gestattet es den Bundesländern durch Rechtsverordnung, ein Amtsgericht als Empfangsstelle für die Gerichtsbezirke mehrerer Amtsgerichte zu bestimmen. Hiervon haben beispielsweise Hamburg und Nordrhein-Westfalen Gebrauch gemacht.
103 http://ec.europa.eu/justice_home/judicialatlascivil/html/ds_information_de.htm.
104 Der Beklagte könnte in diesem Fall höchstens einwenden, dass die Übersetzung so mangelhaft ist, dass sie der Verständlichkeit entbehrt.
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Im Umkehrschluss folgt, dass eine Übersetzung nicht stets erforderlich105 ist und demnach das
Gericht eine Übersetzung der Klageschrift nicht allein aufgrund des Umstandes verlangen kann, dass
in einem anderen EU-Mitgliedstaat zugestellt werden soll.
a) Amtssprache des Empfangsmitgliedstaates
Die Amtssprache des Empfangsmitgliedstaates ist regelmäßig einfach zu ermitteln. Bestehen
mehrerer Amtssprachen, die sämtlich oder teilweise regional begrenzt sind, kommt es auf die
Amtssprache(n) am Ort der Zustellung an.
b) Sprache, die der Empfänger versteht
Rechtliche Unsicherheiten bestehen hinsichtlich der Frage, unter welchen Umständen eine Person
eine Sprache im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchstabe a) EuZVO „versteht“.106 Der EuGH hat in der
Grundlagenentscheidung Weiss und Partner107 einige wichtige Anhaltspunkte gegeben, jedoch keine
trennscharfe, subsumtionsfähige Definition erarbeitet. Erforderlich ist eine Wertung im Einzelfall.
Die bloße Behauptung des Zustellungsempfängers, er verstehe die betreffende Sprache nicht, kann
nicht genügen; sie muss anhand objektiver Indizien überprüft werden.108
Hinsichtlich des notwendigen Sprachniveaus ist erforderlich, dass der Empfänger aufgrund seiner
Sprachkenntnisse das ihm zugestellte Schriftstück verstehen und sich im gerichtlichen Verfahren
gegen die in dem Schriftstück erhobenen Vorwürfe verteidigen kann.
Für natürliche Personen können entsprechende berufliche Qualifikationen ein Indiz für hinreichende
Sprachkenntnisse bilden. Die Sprache, in der die Parteien kommuniziert haben – zu denken ist bei
Vertragsverhandlungen etwa an die Verhandlungssprache – gibt ebenfalls einen Anhaltspunkt.
Selbiges gilt für eine vertraglich vereinbarte Sprachenklausel, wenn diese die Leistungserbringung in
einer bestimmten Sprache vorsieht.109
Bei juristischen Personen existieren weitergehende Rechtsunsicherheiten. Da eine juristische Person
per se keine Sprache „verstehen“ kann, muss entschieden werden, auf die Sprachfähigkeiten welcher
natürlichen Personen abzustellen ist. In Betracht kommen beispielsweise die Angehörigen der
satzungs- bzw. gesetzesmäßigen Verwaltungsorgane oder die Mitarbeiter der mit dem konkreten
Vorgang befassten Abteilung.110 Auch die Amtssprache des Landes, nach dessen Recht die juristische
105
Vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 19.3.2013 - 3 O 142/12, BeckRS 2013, 06712. 106
Näher Sujecki, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 30 Rn. 106. 107
EuGH, Urt. v. 8.5.2008, C-14/07, Ingenieurbüro M. Weiss und Partner GbR ./. IHK Berlin, NJW 2008, 1721. 108
LG Düsseldorf, Urt. v. 12.1.2010 – 4b O 286/08, BeckRS 2011, 03329. 109
Im Vertrag, welcher der Entscheidung des EuGH, Urt. v. 8.5.2008, C-14/07, Ingenieurbüro M. Weiss und Partner GbR ./. IHK Berlin, NJW 2008, 1721, zu Grunde lag, fand sich folgende Klausel: „ Die Leistungen sind in deutscher Sprache zu erbringen. Der Schriftverkehr zwischen (der IHK Berlin) und (dem Büro Grimshaw) und den Behörden und öffentlichen Institutionen ist in deutscher Sprache abzufassen.“ Dennoch vermochte der EuGH hierin keine widerlegbare Vermutung erblicken, dass die Parteien die deutsche Sprache im Sinne des Art. 8 Abs. 1 lit. a) EuZVO verstanden. Er maß der Klausel vielmehr nur indizielle Wirkung bei.
110 Vgl. OLG Frankfurt am Main, Hinw.-Beschl. v. 1.7.2014 – 6 U 104/14, GRUR-RR 2015, 183, 184.
Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht
Internationales Zivilprozessrecht
Dr. Carl Friedrich Nordmeier
Landgericht Wiesbaden, zzt. Hessisches Ministerium der Justiz
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Fall (nach EuGH, EuZW 2011, 477 – Berliner Verkehrsbetriebe)
Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) hatten bei JP Morgan Chase (JPM) einen Swap-Vertrag geschlossen, nach dem BVG gegen Zahlung einer Prämie an JPM Beträge von bis zu 220 Mio. USD zu zahlen hatte, falls Zahlungen an bestimmte oder von bestimmten Drittgesellschaften eingestellt würden. Der Vertrag enthält eine Gerichtsstandsklausel zugunsten englischer Gerichte. JPM vertritt die Ansicht, die bedingungsgemäße Zahlungseinstellung sei eingetreten und nimmt BVG vor dem High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Commercial Court), auf Zahlung in Anspruch.
BVG wendet ein, der Vertrag sei unter anderem deswegen nichtig, weil sie bei seinem Abschluss ultra vires (außerhalb ihres Aufgaben- und Wirkungskreises) gehandelt habe und die Beschlüsse ihrer Organe, die zum Abschluss dieser Vereinbarung geführt hätten, deshalb nichtig seien. Nach Art. 24 Nr. 2 EuGVVO seien deshalb die Berliner Gerichte ausschließlich zuständig.
Ist die Rechtsansicht der BVG richtig?
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Gerichtsstandsvereinbarungen I
• Zuständigkeit eines mitgliedstaatlichen Gerichts vereinbart
• Wohnsitz der Parteien irrelevant: auch für Parteien ohne Wohnsitz in
Mitgliedstaat
• Vermutung der ausschließlichen Zuständigkeit, Art. 25 Abs. 1 S. 2 EuGVVO
• Prüfung der materiellen Wirksamkeit nach dem Recht des gewählten Gerichts, Art. 25 Abs. 1 S. 1, 2. Hs. EuGVVO (einschließlich IPR, ErwG 20) -> Problem der Abgrenzung formelle und materielle Wirksamkeit
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Gerichtsstandsvereinbarungen II
• Form: schriftlich (elektronisch), mündlich mit schriftlicher
Bestätigung, Parteibrauch, Handelsbrauch
• Art. 31 Abs. 2 und 3 EuGVVO: spätere Anrufung des vereinbarten Gerichts führt zur Aussetzung des Verfahrens vor nicht vereinbartem Gericht unter Art. 27 EuGVVO a.F. umgekehrt: als zuständig vereinbartes, aber später angerufenes Gericht hat auszusetzen
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Rügelose Einlassung
• nicht bei ausschließlichen Zuständigkeiten, Art. 26 Abs. 1 S. 2 EuGVVO
• Begriff der Einlassung: europäisch-autonom – erste schriftliche Reaktion im
Verfahren
Nichteinlassung ist keine rügelose Einlassung
• Hilfsweiser Vortrag zulässig
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Rügelose Einlassung II
Neufassung EuGVVO: Belehrung, Art. 26 Abs. 2 EuGVVO Betrifft die Sonderregime Versicherung / Verbraucher / Arbeitnehmer Verstoß: - Rüge bleibt erhalten - Anerkennungshindernis, Art. 45 Abs. 1 lit. e) i. EuGVVO (i.E. str., näher Nordmeier/Schichmann, GPR 2015, 199)
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Sonderregime
- Versicherungssachen
- Verbrauchersachen
- Individualarbeitsverträge
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Sonderregime II
Prozessualer Schwächerenschutz aufgrund typisierter Betrachtung
Schutzmechanismus:
- Schwächere Partei erhält privilegierten Gerichtsstand (z.B. Klägergerichtsstand)
- Stärkere Partei wird auf Gerichtsstand am Wohnsitz der schwächeren Partei beschränkt
- Gerichtsstandsvereinbarungen nur eingeschränkt zulässig (Absicherung des Schutzregime)
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Fall (nach EuGH, EuZW 2009, 855 – Vorarlberger GebietsKK)
Auf einer deutschen Autobahn kommt es zu einem Auffahrunfall an einem Stauende. Der in Österreich wohnhafte A ist Fahrer und Halter des am Stauende stehenden Fahrzeugs. Das auffahrende Fahrzeug wird von B geführt, der auch dessen Halter ist. Haftpflichtversicherer des B ist die deutsche X-AG. A erleidet eine Zerrung der Halswirbelsäule. Er kehrt nach Österreich zurück und nimmt dort eine Heilbehandlung in Anspruch, welche von der Y-Krankenkasse bezahlt werden. Diese macht gegen die X-AG Erstattung der Heilbehandlungskosten aus übergegangenem Recht geltend. Nachdem die X-AG dies ablehnt, klagt Y in Österreich vor den Gerichten am Wohnsitz des A auf Zahlung.
Sind die Gerichte am Wohnsitz des A international zuständig?
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Fall (nach EuGH, NJW 2011, 505 – Pammer und Hotel Alpenhof)
Der in Deutschland lebende Tourist T bucht bei dem österreichischen Skihotel H mehrere Übernachtungen. T wurde auf das Hotel über dessen Website aufmerksam. Seine Buchung und deren Bestätigung erfolgten per E-Mail, da auf der Website des Hotels eine E-Mail-Adresse angegeben war. Bei der Abreise weigert sich T im Hinblick auf diverse von ihm behauptete Mängel der Beherbergungsleistung, den Aufenthalt zu bezahlen.
H klagt vor den österreichischen Gerichten am Ort, an welchem das Hotel belegen ist, auf Zahlung. T wendet ein, er sei Verbraucher und könne nur in Deutschland verklagt werden.
Sind die österreichischen Gerichte internationale und örtlich zuständig?
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Vertragsgerichtsstand
Art. 7 Nr. 1 EuGVVO: Erfüllungsort Autonom nach anwendbarem Recht Kauf bew. Sachen sämtliche sonstige Dienstleistungen Verträge Beispiel Versendungskauf: vorrangig Vertragsbestimmungen (ohne Bezugnahme auf anwendbares Recht); ansonsten Erlangung der Verfügungsgewalt durch Käufer (EuGH, NJW 2010, 1059, 1061 – Car Trimm)
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Fall 2 (nach EuGH, EuZW 2014, 469 – Weber)
Frau M, die in Mailand wohnt, ist Eigentümerin eines in München belegenen Grundstücks. An dem Grundstück hat Frau I ein dingliches Vorkaufsrecht. Frau M verkauft das Grundstück an die Z GbR. Frau I übt das Vorkaufsrecht aus; Frau M lässt ihr das Grundstück auf, bewilligt jedoch noch nicht die Eintragung im Grundbuch.
Die Z GbR verklagt die beiden Frauen in Mailand mit dem Antrag festzustellen, dass Frau I das dingliche Vorkaufsrecht nicht wirksam ausgeübt hat und deshalb der Kaufvertrag zwischen der Z GbR und Frau M weiterhin gültig sei.
Zeitlich später klagt Frau I in München gegen Frau M auf Bewilligung der Eigentumseintragung.
Ist das Münchener Verfahren nach Art. 29 Abs. 1 EuGVVO auszusetzen?
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Parallelprozesse bei Gerichtsstandsvereinbarung
Neufassung EuGVVO:
Art. 31 Abs. 2 EuGVVO: bei ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarung hat prorogiertes Gericht Vorrang, unabhängig von Abfolge der Anrufung der Gerichte
Durchbrechung des Prioritätsprinzips)
• Einschränkung herkömmlicher „Torpedo“-Klagen
• Problem des „inversen Torpedos“: Behauptung einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung vor später angerufenem Gericht
© Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG Stand 01/2016
in Kooperation mit:
Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht
Grundzüge des Internationalen Steuerrechts
Dr. Henrik Lay Rechtsanwalt / Steuerberater / Fachanwalt für Steuerrecht
AHB Rechtsanwälte Steuerberater
Neuer Wall 59 20354 Hamburg
T +49 (0) 40 88 88 56 33 E [email protected]
© Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG Stand 01/2016
Inhaltsverzeichnis
Einleitung............................................................................................................................................. 3 Rechtsquellen ...................................................................................................................................... 3
1. Unilaterale Regelungen ........................................................................................................... 3 2. Völkerrecht .............................................................................................................................. 3 3. Europarecht ............................................................................................................................. 4
Steuerpflicht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ................................................................... 5 1. Grundbegriffe .......................................................................................................................... 5
a) Unbeschränkte Steuerpflicht ............................................................................................... 5 b) Erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht (§ 1 Abs. 2 EStG).................................................. 5 c) Fiktive unbeschränkte Einkommenssteuerpflicht auf Antrag (§ 1 Abs. 3 EStG) ................. 6 d) Fiktive unbeschränkte Einkommensteuerpflicht bei EU, EWR-Familienangehörigen (§ 1a EStG) ............................................................................................................................................ 6 e) Beschränkte Steuerpflicht ................................................................................................... 6
2. Doppelbesteuerung ................................................................................................................. 8 a) Begriff .................................................................................................................................. 8 b) Ursachen .............................................................................................................................. 8 c) Maßnahmen zur Vermeidung ............................................................................................. 8
3. Struktur von Doppelbesteuerungsabkommen ...................................................................... 11 4. Minderbesteuerung ............................................................................................................... 13
a) Außensteuergesetz (AStG) ................................................................................................ 14 b) Weitere unilaterale Regelungen........................................................................................ 16 c) DBA-Recht .......................................................................................................................... 17
5. Inbound Aktivitäten von Steuerausländern .......................................................................... 17 a) Grundsatz .......................................................................................................................... 17 b) Isolierende Betrachtungsweise (§ 49 Abs. 2 EStG) ............................................................ 17 c) Gewerbliche Einkünfte (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. a EStG) ........................................................ 18 d) Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. e EStG) .......... 19 e) Gewerbliche Veräußerungsgewinne bzw. V&V bei inländischen Immobilien (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f EStG) .......................................................................................................................... 20 f) Einkünfte aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit (§ 49 Abs. 1 Nr. und 4 EStG) 20 g) Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG) .................................................. 21 h) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG) .............................. 22 i) Sonstige Einkünfte (§ 49 Abs. 1 Nr. 7 bis 9 EStG) .............................................................. 22
Steuerpflicht bei grenzüberschreitenden Erbfällen .......................................................................... 23
© Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 8 Stand 01/2016
2. Doppelbesteuerung
a) Begriff
Doppelbesteuerung liegt vor, wenn
vergleichbare Steuern
in mehreren Staaten
von demselben Steuerpflichtigen
für denselben Steuergegenstand und
für denselben Zeitraum erhoben werden.
Doppelbesteuerung ist in der Regel eine Zweifachbelastung, aber auch eine Drei- oder
Mehrfachbelastung unterfällt dem Begriff der Doppelbesteuerung.
b) Ursachen
Ebenso wie die Bundesrepublik Deutschland begnügen sich auch andere Staaten in der Regel nicht
damit, direkte Steuern von Steuerinländern zu erheben. Vielmehr werden auch Steuerausländer
besteuert, sofern ein inländischer Anknüpfungspunkt für eine Besteuerung gegeben ist. Die
Doppelbesteuerung beruht dann darauf, dass Steuerpflichtige entweder in zwei Staaten gleichzeitig
ansässig sind, oder Einkunftsquellen besitzen, die in anderen Staaten als dem Ansässigkeitsstaat
belegen sind. In beiden Fällen kann jeder betroffene Staat seinen eigenen Steueranspruch gegenüber
dem Steuerpflichtigen geltend machen. Dies lässt sich anhand folgender Beispiele verdeutlichen:
Beispiel 1
D ist einziger Geschäftsführer der L S.à r.l. mit Sitz in Luxemburg. Er arbeitet und wohnt ausschließlich in Hamburg.
Die L S.à r.l. ist in Luxemburg aufgrund ihres Satzungssitzes unbeschränkt steuerpflichtig. Zugleich ist sie in
Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig, da sich der Ort der Geschäftsleitung in Hamburg befindet.
Beispiel 2
D ist zudem Eigentümer eines Ferienhauses in Dänemark, das er vermietet. Mit den Mieteinkünften unterliegt D in
Dänemark der beschränkten Steuerpflicht. Deutschland greift auf die Mieteinkünfte auf Grundlage des
Welteinkommensprinzips zu.
c) Maßnahmen zur Vermeidung
Prinzipiell existieren folgende Methoden, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden:
Anrechnungsmethode: Im Rahmen der Anrechnungsmethode werden die in- und ausländischen
Einkünfte gem. dem Welteinkommensprinzip zusammengerechnet und der Besteuerung
zugrunde gelegt, wobei aber die im Ausland gezahlte Steuer entweder vollständig oder teilweise
© Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 9 Stand 01/2016
auf die inländische Steuer angerechnet wird. Ziel der Anrechnung ist es, dass sich die
Gesamtsteuerbelastung unabhängig von der Herkunft der Einkünfte zumindest nach dem
inländischen Steuerniveau richtet. Die Anrechnungsmethode steht damit für die sog.
Kapitalexportneutralität, die Wettbewerbsneutralität gegenüber inländischen Unternehmen
herstellen soll.
Freistellungsmethode: Im Rahmen der Freistellungsmethode verzichtet entweder der
Ansässigkeitsstaat oder der Quellenstaat auf eine Besteuerung. Verzichtet der Ansässigkeitsstaat
erfolgt dies teilweise mit und teilweise ohne sog. Progressionsvorbehalt. Für ausländische
Einkunftsteile bleibt es beim Verzicht durch den Ansässigkeitsstaat im Grundsatz bei dem
ausländischen Steuerniveau. Die Freistellungsmethode steht in diesem Fall für die sog.
Kapitalimportneutralität, die die Wettbewerbsneutralität im Ausland gegenüber den
ausländischen Unternehmen sicherstellt.
Abzugsmethode: Im Rahmen der Abzugsmethode können ausländische Steuern direkt von der
steuerlichen Bemessungsgrundlage abgezogen werden. Im Ausland gezahlte Steuern mindern
daher nicht direkt die inländische Steuer und werden dementsprechend nicht in voller Höhe
berücksichtigt.
Pauschalierungsmethode/Erlassmethode: Im Rahmen dieser Methoden werden die auf
ausländische Einkünfte entfallende Steuer ganz oder teilweise erlassen oder in einem
Pauschbetrag festgesetzt. Diese Methoden finden nur im Fall des Nichtbestehens eines DBAs
Anwendung.
Die beiden wichtigsten Methoden in der Praxis sind die Anrechnungs- und die Freistellungsmethode.
Während die Freistellungsmethode regelmäßig auf Grund von DBA Anwendung findet (vgl. Art. 23A
OECD-MA), ist die Anrechnungsmethode sowohl in vielen DBA (vgl. Art. 23B OECD-MA) als auch im
innerstaatlichen Recht (§ 34c EStG) verankert.
aa. Freistellungsmethode
Welchem Staat das Besteuerungsrecht zusteht, richtet sich nach der Einkunftsart, wobei dem
Quellenstaat das Besteuerungsrecht insbesondere bei einer besonders starken Bindung zugestanden
wird. Dabei handelt es sich z.B. um Einkünfte aus:
unbeweglichem Vermögen im Ausland,
im Ausland gelegenen Betriebsstätten,
im Ausland ausgeübter unselbständiger Tätigkeit (wobei aber die sog. 183-Tage-Regelung und
ggf. Besonderheiten für Grenzgänger zu beachten sind).
Allerdings sind in einzelnen DBA natürlich auch abweichende Regelungen enthalten. Die in der
Bundesrepublik Deutschland nach den DBA steuerfreien Einkünfte sind nach deutschem Steuerrecht
zu ermitteln. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um positive oder negative Einkünfte handelt. Auch
Verluste werden bei Anwendung der Freistellungsmethode im Inland nicht berücksichtigt. Allerdings
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können sich Auswirkungen im Rahmen des sog (positiven oder negativen) Progressionsvorbehalts
ergeben. Unter bestimmten Voraussetzungen ist hiernach der Steuersatz auf die inländischen
Einkünfte so zu ermitteln, als ob die ausländischen Einkünfte berücksichtigt würden.
Die Auswirkungen des Progressionsvorbehaltes verdeutlichen die folgenden Beispiele (aus
Vereinfachungsgründen ohne Solidaritätszuschlag):
Beispiel 1
Zu versteuerndes Einkommen (zvE) 2014: EUR 60.000
Steuerfreie DBA Einkünfte: EUR 10.010
Für Steuersatz maßgebliches Einkommen: EUR 70.010
ESt auf € 70.010 (lt. Grundtabelle): EUR 21.165
durchschnittlicher Steuersatz: 21.165/70.010 = 30,24 %
Anwendung des Steuersatzes auf zvE: EUR 60.000 x 30,24% = EUR 18.141
Steuer ohne Progressionsvorbehalt (lt. Grundtabelle): EUR 16.961
Mehrbelastung: EUR 1.180
Beispiel 2
zvE 2014: EUR 60.000
Steuerfreie DBA Einkünfte: EUR ./. 10.000
Für Steuersatz maßgebliches Einkommen: EUR 50.000
ESt auf € 50.000 (lt. Grundtabelle): EUR 12.780
durchschnittlicher Steuersatz: 12.780/50.000 = 25,56%
Anwendung des Steuersatzes auf zvE: EUR 60.000 x 25,56% = EUR 15.336
Steuer ohne Progressionsvorbehalt (lt. Grundtabelle): EUR 16.961
Wenigerbelastung: EUR 1.625
ab. Anrechnungsmethode
Gemäß § 34c Abs. 1 EStG können unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Personen, die mit ihren
aus einem ausländischen Staat stammenden Einkünften dort zu einer der deutschen
Einkommensteuer entsprechenden Steuer herangezogen wurden, die festgesetzte und gezahlte,
keinem Ermäßigungsanspruch mehr unterliegende ausländische Steuer auf die deutsche
Einkommensteuer anrechnen, die auf die ausländischen Einkünfte entfällt. Diese unilaterale Regelung
entspricht regelmäßig der auch in DBAs vorgesehenen Anwendung der Anrechnungsmethode.
Voraussetzung für die Anrechnung ist, dass die ausländische Steuer der deutschen Einkommensteuer
entspricht. Darüber hinaus muss die Steuer festgesetzt sein und darf keinem Ermäßigungsanspruch
mehr unterliegen.
Compliance - Grundzüge der Korruptions-, Betrugs- und
Geldwäschebekämpfung im internationalen Rechtsverkehr
RA Eric Mayer / Partner Pohlmann & Company
München, Samstag, 6. Februar 2016
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Grundlagen der Compliance
c) Einzelne Compliance-Maßnahmen
und ihre Ermessensspielräume
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Compliance-Maßnahmen und ihre Ermessenspielräume
Mindestanforderungen an Compliance-Maßnahmen im Unternehmen
Grundsätzlich werden der Geschäftsleitung in der Ausgestaltung ihres Compliance Systems weite
Ermessensspielräume zugestanden.
Nach derzeitigem Stand nimmt die Rechtsprechung und die h.A. in der juristischen Literatur bei folgenden
Maßnahmen eine „Ermessensreduzierung auf Null“ an (Compliance-Mindestanforderungen):
(1) Compliance-Risikoanalyse Ist zugleich „angemessene Informationsgrundlage“ für jede weitere Organisationsentscheidung
nach der Business Judgement Rule
(2) Tone form the top
(3) Klare Zuordnung der Verantwortlichkeiten
(4) Compliance Reporting und Berichtlinie nach oben Vorstand und AR muss veranlassen, über Compliance regelmäßig informiert zu werden.
(5) Wirksamkeitskontrolle Vorstand hat die Pflicht, das CMS regelmäßig und nicht nur anlassbezogen zu überwachen sowie
dessen Wirksamkeit zu kontrollieren
(6) Umfassende Aufarbeitung von Compliance-Verstößen
(7) Sanktionierung von Fehlverhalten
Reaktion
Sanktion
Prävention
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Compliance-Risikoanalyse (1/4)
Compliance-Risikoanalyse als Grundlage für:
Erkennen rechtlicher Risiken, die überwacht werden müssen
Entscheidung, ob und in welchem Umfang ein Compliance Management System einzurichten ist
Angemessene Informationen für unternehmerische Entscheidungen (Business Judgement Rule)
Ermessensreduzierung auf null
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Compliance-Risikoanalyse (2/4)
Brutto-Risiko vs. Netto-Risiko
Brutto-Risiko
Netto-Risiko
Implementierte
Prozesse &
Kontrollen
1 Compliance
Risikoanalyse 2
Compliance
Health-Check
"Risk Appetite"
"GAP-Analyse"
Identifikation der Brutto-Compliance-
Risiken in den Fokusbereichen:
Anti-Korruption
Wettbewerbs- und Kartellrecht
ggf. Geldwäsche
Prüfung der Angemessenheit und des Implementierungs-grads von
Kontrollen & Monitoring-Prozessen
Ableitung des Netto-Compliance-Risikos
GAP-Analyse je Risikoausprägung ermöglicht Priorisierung der
Handlungsempfehlungen und Ableitung eines strukturierten
Maßnahmenplans
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Compliance-Risikoanalyse (3/4)
GELDWÄSCHE
Geschäftsaktivitäten in Embargo-
/Risikoländer
Zahlungsmodalitäten
WETTBEWERB (HORIZONTAL)
Wettbewerberkontakte
Anzahl Marktteilnehmer
Innovationsgrad
WETTBEWERB (VERTIKAL)
Exklusivvereinbarungen
Preisbindung
MARKTMISSBRAUCH
Marktanteil
Marktzutrittsschranken
Konstanz der Marktanteile
AKTIVE KORRUPTION
Regionale Struktur
Kundenstruktur
Geschäftspartner
Gifts & Hospitalities
Regulierung
Incentivierung
Verfahren in der Vergangenheit
PASSIVE KORRUPTION
Einkaufsregion
Beauftragungsart
Einkaufsorganisation
Incentivierung
Jeder Fokusbereich verfügt über eine Vielzahl von Risikoausprägungen, die zur Ermittlung des quantitativen und
qualitativen Compliance-Bruttorisikos herangezogen werden:
Anti-Korruption Wettbewerbs- und
Kartellrecht Geldwäsche (optional)
Fokusbereiche
Ein Unternehmen der in Kooperation mit:Verlagsgruppe
Fachanwalt für
Internationales WirtschaftsrechtIWR 3 – Europäisches Beihilfen- & Wettbewerbsrecht
Erstellt von Dr. Andreas von Bonin LL.M., Rechtsanwalt, Brüssel
Wird fortgeführt von Dr. Andrés Martin Ehlers LL.M., Rechtsanwalt
Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG Stand 08/2014
BRU5659117/23
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Skript zum Europäischen Beihilfen- und Wettbewerbsrecht für den Fachanwalts-Lehrgang Internationales Wirtschaftsrecht
Dr. Andreas von Bonin LL.M. Brüssel, im Juni 2014
InhaltsverzeichnisInhaltsverzeichnisInhaltsverzeichnisInhaltsverzeichnis
A. EINLEITUNG .............................................................................................................................. 3
B. DAS KARTELLVERBOT (ART. 101 AEUV) ..................................................................................... 4
I. EINFÜHRUNG............................................................................................................................ 4 II. TATBESTAND DES ART. 101 ABS. 1 AEUV....................................................................................... 5
1. Überblick .......................................................................................................................... 5 2. Verhältnis zum nationalen Recht....................................................................................... 6 3. Unternehmensbegriff ....................................................................................................... 6 4. Vereinbarungen, Beschlüsse und abgestimmte Verhaltensweisen ................................... 10 5. Wettbewerbsbeschränkung ............................................................................................ 13 6. Bezwecken oder Bewirken .............................................................................................. 19 7. Tatbestandsrestriktionen ................................................................................................ 22 8. Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung.................................................................... 25 9. Zwischenstaatlichkeitsklausel ......................................................................................... 27 10. Relevanter Markt ........................................................................................................... 28
III. AUSNAHMEN VOM KARTELLVERBOT ............................................................................................. 33 1. Art. 101 Abs. 3 AEUV ...................................................................................................... 33 2. Unmittelbare Anwendbarkeit.......................................................................................... 33 3. Gruppenfreistellungsverordnungen ................................................................................. 34 4. Freistellung im Einzelfall nach Art. 101 Abs. 3 AEUV ........................................................ 38
IV. FOLGEN DES VERSTOßES GEGEN DAS KARTELLVERBOT ....................................................................... 40 1. Nichtigkeit der Vereinbarung .......................................................................................... 40 2. Entscheidungsbefugnisse der Kommission ....................................................................... 41 3. Verpflichtungszusagen, Art. 9 VO 1/2003; Vergleichsverfahren, VO 622/2008,
„settlements“ .......................................................................................................................... 44 4. Kronzeugenregelung....................................................................................................... 45 5. Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche ......................................................................... 48 6. Ermittlungsbefugnisse, Art. 18 ff. VO 1/2003 .................................................................. 49 7. Feststellung der Nichtanwendbarkeit, Art. 10 VO 1/2003 ................................................ 51 8. Zuständigkeit, Art. 4 ff. VO 1/2003 .................................................................................. 52
C. DAS MISSBRAUCHSVERBOT (ART. 102 AEUV) ......................................................................... 54
I. ÜBERBLICK ............................................................................................................................. 54 II. MARKTBEHERRSCHENDE STELLUNG .............................................................................................. 56
1. Grundlagen .................................................................................................................... 56 2. Kriterien für die Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung ................................... 57 3. Kollektive Marktbeherrschung ........................................................................................ 60
III. BEHERRSCHUNG EINES WESENTLICHEN TEILS DES BINNENMARKTS ........................................................ 61 IV. MISSBRÄUCHLICHES AUSNUTZEN ................................................................................................. 62
1. Grundlagen .................................................................................................................... 62 2. Erscheinungsformen ....................................................................................................... 63
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V. BEEINTRÄCHTIGUNG DES HANDELS............................................................................................... 86 VI. RECHTFERTIGUNG .................................................................................................................... 87 VII. RECHTSFOLGEN EINES VERSTOßES GEGEN ART. 102 AEUV ........................................................... 90 VIII. ART. 106 ABS. 1 AEUV ....................................................................................................... 91
1. Öffentliche Unternehmen ............................................................................................... 91 2. Unternehmen mit besonderen oder ausschließlichen Rechten ......................................... 91 3. Rechtfertigung nach Art. 106 Abs. 2 AEUV ...................................................................... 91
D. DIE EUROPÄISCHE ZUSAMMENSCHLUSSKONTROLLE .............................................................. 92
I. EINFÜHRUNG EUROPÄISCHE ZUSAMMENSCHLUSSKONTROLLE .............................................................. 92 1. Sinn und Zweck ............................................................................................................... 92 2. Überblick über das Verfahren der europäischen Zusammenschlusskontrolle .................... 93 3. Rechtliche Grundlagen .................................................................................................... 94
II. PRÜFUNGSSCHEMA .................................................................................................................. 96 III. ANWENDBARKEIT DER EU-ZUSAMMENSCHLUSSKONTROLLE ............................................................... 96
1. Anwendbarkeit EU-Recht – Verhältnis zu nationalem Recht............................................. 96 2. Anwendbarkeit EU-Recht – Verhältnis zu außereuropäischen Jurisdiktionen .................... 97 3. Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung (Prüfungsschritt 1)..................... 97 4. Möglichkeit der Verweisung ......................................................................................... 107
IV. VEREINBARKEIT DES ZUSAMMENSCHLUSSES MIT DEM GEMEINSAMEN MARKT (PRÜFUNGSSCHRITT 2) ......... 108 1. Rechtsquellen und ausführliches Prüfungsschema ......................................................... 109 2. Marktabgrenzung......................................................................................................... 110 3. SIEC-Test ...................................................................................................................... 110 4. Zusammenschlusskontrolle bei Gemeinschaftsunternehmen ......................................... 124
V. ZUSAGEN, AUFLAGEN, BEDINGUNGEN ........................................................................................ 127 VI. ENTSCHEIDUNG ..................................................................................................................... 128
E. EU-WEITE REGELN FÜR STAATLICHE BEIHILFEN ..................................................................... 131
I. EINFÜHRUNG........................................................................................................................ 131 1. Ziel des EU-Beihilfenrechts ............................................................................................ 131 2. Mandantenberatung im Bereich des EU-Beihilferechts .................................................. 132
II. DAS MATERIELLE EU BEIHILFENRECHT ......................................................................................... 135 1. Art. 107 Abs. 1 AEUV .................................................................................................... 135 2. Tatbestandsausschluss nach Altmark ............................................................................ 148 3. Folge der Altmark-Rechtsprechung/Art. 106 Abs. 2 AEUV .............................................. 155 4. Entwurf der Kommission Mitteilung 2014 ..................................................................... 162 5. Rechtfertigende Ausnahmen von Art. 107 Abs. 1 AEUV ................................................. 163
III. VERFAHRENSRECHT ................................................................................................................ 174 IV. RÜCKFORDERUNG GEMEINSCHAFTSWIDRIGER BEIHILFEN.................................................................. 176
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A. Einleitung
Das vorliegende Skript zum Europäischen Beihilfen- und Wettbewerbsrecht dient der Erarbeitung des im Rahmen des Fachanwaltslehrgangs zum Fachanwalt für Internati-onales Wirtschaftsrecht vorgesehenen Stoffs. Ziel der Darstellung ist, dem bereits ju-ristisch versierten Leser einen Einblick in die spezielle Materie des europäischen Kar-tell- und Wettbewerbsrechts zu geben.
Dieses ist in den Artikeln 101 ff. des AEUV geregelt und stellt einen der am Inten-sivsten „vergemeinschafteten“ Bereiche des EU-Rechts dar.
Zum Europäischen Wettbewerbsrecht gehören das klassische Kartellverbot des Art. 101 AEUV, das Missbrauchsverbot des Art. 102 AEUV, das den Missbrauch ei-ner marktbeherrschenden Stellung verbietet (beide Vorschriften werden auch im Sprachgebrauch der EU-Kommission als „Antitrust“ bezeichnet) und das Beihilfen-verbot des Art. 107 AEUV. Die Europäische Fusionskontrolle, die neben den Anti-trust-Vorschriften einen wesentlichen Bestandteil des klassischen Kartellrechtsin-strumentariums darstellt, ist nicht direkt im AEUV, sondern sekundärrechtlich in der Europäischen Fusionskontrollverordnung (FKVO) geregelt.
Das Europäische Kartellrecht wird von der Europäischen Kommission durchgesetzt. Sie kann dazu Entscheidungen direkt gegenüber Unternehmen treffen. Dies stellt im Verwaltungsgefüge zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten einen Sonderfall dar. Im Bereich Antitrust (Art. 101, 102 AEUV) sowie in der Fusionskon-trolle trifft die Kommission zahlreiche verschiedene Entscheidungen (Freigabeent-scheidungen, Bußgeldentscheidungen, Annahme von Zusagen) und hat umfassende Ermittlungs- und Auskunftsbefugnisse gegenüber Unternehmen. Im Beihilfebereich trifft die Kommission Entscheidungen gegenüber einzelnen Mitgliedstaaten; die als Beihilfeempfänger von diesen Entscheidungen betroffenen Unternehmen sind nach derzeitiger Rechtslage in das Beihilfeverfahren nicht formell eingebunden.
Während zahlreiche Endentscheidungen im Wettbewerbsbereich nach wie vor von der gesamten Kommission, d.h. dem Kollegium der Kommissare, getroffenen werden, kommt dem Wettbewerbskommissar heute eine weitreichende Befugnis unter dem sog. Habilitations-Verfahren zu, wonach er viele Entscheidungen allein zeichnen kann.
Entscheidungen der Kommission im Wettbewerbsbereich sind gerichtlich bei den Eu-ropäischen Gerichten in Luxemburg überprüfbar. Die gerichtliche Überprüfung be-zieht sich in der ersten Instanz auch auf Tatsachen, wobei der Kommission von den Gerichten ein weitreichendes Ermessen, v.a. bei der Beurteilung wirtschaftlicher Sachverhalte eingeräumt ist. Ihre Einschätzung in diesem Bereich wird gerichtlich daher weitreichend nur auf wesentliche Beurteilungsfehler überprüft.
Die Übernahme von Texten aus Lehrbüchern und anderen Darstellungen erfolgt mit Genehmigung des Verlags.
Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge zu dieser Darstellung nimmt der Autor jederzeit gern unter [email protected] entgegen.
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von Bonin, Europäisches Beihilfe- und Wettbewerbsrecht (2014)
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B. Das Kartellverbot (Art. 101 AEUV)
“ People of the same trade seldom meet together, even for merriment and diversion, but the conversation ends in a conspiracy against the public, or in some contrivance to raise prices. It is impossible, indeed, to prevent such meetings, by any law which either could be executed, or would be consistent with liberty and justice. But though the law cannot hinder people of the same trade from sometimes assembling together, it ought to do nothing to facilitate such assemblies, much less to render them necessary.“ ∗
I . Einführung
Das sog. Kartellverbot des Art. 101 AEUV (zuvor Art. 81 EGV) erfasst Wettbe-werbsbeschränkungen, die von der Abstimmung zwischen mehreren unabhängigen Unternehmen ausgehen. Demgegenüber unterfallen einseitige Wettbewerbsbeschrän-kungen einzelner Unternehmen dem Missbrauchsverbot des Art. 102 AEUV, das die-ses Skript im nachfolgenden Teil behandelt. Beide Vorschriften dienen dazu, einen unverfälschten Wettbewerb zu sichern. Die Europäische Kommission, Generaldirek-tion Wettbewerb, ist befugt, die Einhaltung der Kartellvorschriften europaweit direkt durch Entscheidungen gegenüber Unternehmen durchzusetzen.
Das Verbot des Art. 101 AEUV erfasst sowohl horizontale wie auch vertikale Wett-bewerbsbeschränkungen, also Absprachen zwischen Konkurrenten auf gleicher Pro-duktions-/Vertriebsebene und Absprachen zwischen in der Lieferkette vor- bzw. nachgelagerten Unternehmen.
Unternehmen können auf verschiedene Weise zwischen ihnen bestehenden Wettbe-werb beschränken oder gar ausschalten. Klassische Beispiele besonders gravierender Verstöße gegen das Kartellverbot sind Preis-, Gebiets- oder Quotenabsprachen, bei denen Wettbewerber Preise festlegen, Vertriebsregionen oder Märkte unter sich auf-teilen oder Produktionsmengen absprechen. Solch besonders schwerwiegende Kartel-le werden auch als „Hardcore“-Kartelle bezeichnet.
Kartellanten müssen heutzutage bei Verfahren vor der Kommission schwerwiegende Strafen von bis zu 10 % des weltweiten Jahresgesamtumsatzes befürchten. So wurden 2013 von der Europäischen Kommission knapp unter EUR 2 Mrd. als Bußgelder ge-genüber Unternehmen verhängt. Die bislang höchste Strafe betraf das Unternehmen Saint Gobain mit EUR 880 Mio. im Jahr 2008 (in 2013 vom Allgemeinen Gericht auf EUR 715 Mio. reduziert). Als besonders effektives Instrument zur Aufdeckung von Kartellen hat sich das Kronzeugenprogramm entwickelt, in dessen Rahmen Kartellan-ten gegen Strafnachlass das Kartell gegenüber den Wettbewerbshütern aufdecken können. Zudem sind behördlich festgestellte Kartellverstöße in der Regel die Grund-lage zivilrechtlicher Schadensersatzklagen. So wurde jüngst im April 2014 vom Eu-ropäischen Parlament eine Richtlinie beschlossen, die den Rahmen für kartellrechtlich begründete Schadensersatzklagen absteckt.
∗ Adam Smith (1723-1790), The Wealth of Nations: An Inquiry into the Nature & Causes of the Wealth of Nation, Chapter X,
Part II, p. 152. ** Der Author Herr Dr. Andreas von Bonin LLM, Partner in der Sozietät Freshfields Bruckhaus Deringer LLP, dankt hiermit
dem RA Dr. Christian Melischek, sowie dem Referendar Herrn Hendrik Schlutt für die maßgebliche Unterstützung bei der
Erstellung dieses Skriptabschnittes zum Kartellverbot.
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von Bonin, Europäisches Beihilfe- und Wettbewerbsrecht (2014)
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II. Tatbestand des Art. 101 Abs. 1 AEUV
1. Überblick
Abs. 1 des Artikels 101 AEUV enthält den Tatbestand des Kartellverbots. Abs. 2 re-gelt die Rechtsfolgen, die in der Verordnung VO (EG) 1/2003 nähere Ausführung finden. Dabei ist von Bedeutung, dass das Kartellverbot direkt – ohne weitere Ent-scheidung der Kommission – Anwendung findet. Abs. 3 sieht eine Legalausnahme vom Kartellverbot vor.
Der Wortlaut des Artikel 101 AEUV lautet wie folgt:
„(1) Mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten sind alle Vereinbarungen zwi-schen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu be-einträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken, insbesonde-re
a) die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen;
b) die Einschränkung oder Kontrolle der Erzeugung, des Absatzes, der technischen Entwicklung oder der Investitionen;
c) die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen;
d) die Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden;
e) die an den Abschluss von Verträgen geknüpfte Bedingung, dass die Vertrags-partner zusätzliche Leistungen annehmen, die weder sachlich noch nach Handels-brauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen.
(2) Die nach diesem Artikel verbotenen Vereinbarungen oder Beschlüsse sind nichtig.
(3) Die Bestimmungen des Absatzes 1 können für nicht anwendbar erklärt werden auf
- Vereinbarungen oder Gruppen von Vereinbarungen zwischen Unternehmen,
- Beschlüsse oder Gruppen von Beschlüssen von Unternehmensvereinigungen,
- aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen oder Gruppen von solchen,
die unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des tech-nischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen, ohne dass den beteiligten Unter-nehmen
a) Beschränkungen auferlegt werden, die für die Verwirklichung dieser Ziele nicht unerlässlich sind, oder
b) Möglichkeiten eröffnet werden, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten.”
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von Bonin, Europäisches Beihilfe- und Wettbewerbsrecht (2014)
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Auf dieser Grundlage ist von folgendem Prüfungsschema als Orientierungshilfe aus-zugehen:
Tatbestand des Art. 101 Abs. 1 AEUV: 1. Unternehmen oder Unternehmensvereinigung im Sinne von Art. 101 AEUV 2. Vereinbarung, abgestimmte Verhaltensweise oder Beschluss 3. Beschränkung des Wettbewerbs 4. Bezwecken oder Bewirken der Wettbewerbsbeschränkung 5. Spürbarkeit 6. Zwischenstaatlichkeit Legalausnahmen gemäß Gruppenfreistellungsverordnungen und Art. 101 Abs. 3 AEUV Rechtsfolgen des Verstoßes, u.A. Art. 101 Abs. 2 AEUV, VO 1/2003
In diesem Skriptteil zu Art. 101 AEUV wird auf die einzelnen Prüfungspunkt genauer eingegangen.
2. Verhältnis zum nationalen Recht
Nicht nur die Europäische Kommission wendet Art. 101 AEUV an. Auch nationale Wettbewerbsbehörden und nationale Gericht müssen diese Vorschrift anwenden (Art. 5 und 6 Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags [Art. 101 und 102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln), wenn ihr Anwendungsbereich eröffnet ist. Dies ist der Fall, wenn der Handel zwischen den Mitgliedstaaten betroffen ist (sog. Zwi-schenstaatlichkeitsklausel, s.u. 9.).
Im Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV gilt, dass neben den nationalen Kartell-verboten auch Art. 101 AEUV angewendet werden muss (Art. 3 Abs. 1 S. 1 VO 1/2003). Dabei besteht zwingende Ergebnisidentität (Art. 3 Abs. 2 S. 1 VO 1/2003), so dass nationales Kartellrecht nicht vom Ergebnis unter Art. 101 AEUV abweichen kann. Daraus folgt, dass eine nach Art. 101 AEUV verbotene Wettbe-werbsbeschränkung nicht nach nationalem Recht erlaubt sein darf und ein unter Art. 101 AEUV erlaubtes Verhalten nicht durch nationales Recht verboten werden darf. Nationales Recht darf im Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV also weder strenger noch milder sein.
3. Unternehmensbegriff
Normadressaten des Kartellverbots sind Unternehmen sowie Unternehmensvereini-gungen.
a) Sog. Funktionaler Unternehmensbegriff
Weder im AEUV noch im Sekundärrecht ist eine Legaldefinition des Unternehmens-begriffs vorgesehen. Jedoch wird im europäischen Wettbewerbsrecht vom sog. funk-tionalen Unternehmensbegriff ausgegangen (EuGH, 23.04.1991, C-41/90, Slg. 1991, I-1979, Rn. 21 - Höfner):
„Im Rahmen des Wettbewerbsrechts umfasst der Begriff des Unternehmens jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und
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von Bonin, Europäisches Beihilfe- und Wettbewerbsrecht (2014)
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der Art ihrer Finanzierung.”
Eine wirtschaftliche Einheit kann im Rahmen dieses funktionalen Ansatzes hinsicht-lich bestimmter, nicht aber notwendigerweise hinsichtlich aller Aktivitäten als Unter-nehmen im kartellrechtlichen Sinne anzusehen sein.
b) Wirtschaftliche Tätigkeit
Für die Unternehmenseigenschaft kommt es auf die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit an. Laut EuG (EuG, 10.03.1992 Rs. T – 11/89, Slg. 1992, II-757 – Shell) ist ein Unternehmen
„eine wirtschaftliche Einheit, die in einer einheitlichen Organisation persönlicher, ma-terieller und immaterieller Mittel besteht, die dauerhaft einen bestimmten wirtschaftli-chen Zweck verfolgt […].”
Die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ist weit zu fassen (vgl. EuGH, 19.01.1994, C-364/92, Slg. 1994, I-43, Rn. 22 ff. – SAT Fluggesell-schaft/Eurocontrol). Der EuGH (EuGH, 18.06.1998, C-35/96, Slg. 1998, I-3851; Rn. 36 – Kommission/Italien) hat sie folgendermaßen definiert:
„Eine wirtschaftliche Tätigkeit ist jede Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten.”
Spiegelbildlich erfasst ist auch die Nachfrage von Gütern oder Dienstleistungen auf einem Markt. Auch auf eine Gewinnerzielungsabsicht kommt es nicht an.
Vor dem Hintergrund dieses weiten Unternehmensbegriffs kommen als Unternehmen sowohl juristische als auch natürliche Personen, wenn diese unternehmerisch tätig sind, in Betracht. Grundsätzlich abzugrenzen ist die unternehmerische Tätigkeit aber vom privaten Verbrauch, Arbeitnehmertätigkeiten, rein hoheitlicher Tätigkeit (EuGH, 19.01.1994, C-364/92, Slg. 1994, I-43, Rn. 22 ff. – SAT Fluggesellschaft/ Eurocon-trol) sowie von der Tätigkeit der Tarifvertragsparteien (EuGH, 21.09.1999, Rs C-115/97, Slg. 1999, I-6025 - Brentjens).
c) Öffentliche Unternehmen
Die Unternehmenseigenschaft ist von der Rechtsform unabhängig. Unternehmen im kartellrechtlichen Sinne können daher privatrechtliche wie auch öffentlich-rechtliche Unternehmen sein.
Aufgrund des funktionalen Unternehmensbegriffs ist so sogar möglich, dass ein öf-fentliches Unternehmen in Bezug auf sein wirtschaftliches Auftreten am Markt als Unternehmen im Sinne des Artikel 101 AEUV anzusehen ist, nicht aber in Bezug auf seine hoheitlichen Aktivitäten (EuGH, C-355/01 – AOK Bundesverband).
d) Wirtschaftliche Einheit von Konzernmutter und Tochtergesellschaften
Im Rahmen von Konzerngesellschaften hat das Prinzip der wirtschaftlichen Einheit von Konzernmutter und Tochtergesellschaften zwei wesentliche Ausprägungen. Zum einen privilegiert es hinsichtlich konzerninterner Absprachen, zum andern führt es aber auch zur Zurechnung von Kartellverstößen durch Tochtergesellschaften. Beide Aspekte werden im Folgenden kurz beleuchtet.
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von Bonin, Europäisches Beihilfe- und Wettbewerbsrecht (2014)
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Nach dem sog. Konzernprivileg unterfallen Vereinbarungen innerhalb eines Konzern-verbundes in der Regel nicht dem Kartellverbot, da es an einer Absprache zwischen selbstständigen Unternehmen fehlt. Dies folgt aus dem Konzept der wirtschaftlichen Einheit, das als Voraussetzung für die Annahme eines insofern privilegierten Kon-zerninnenverhältnisses eine kapitalmäßige Verbundenheit und fehlende Verhaltensau-tonomie zwischen den beteiligten Unternehmenseinheiten voraussetzt.
Dem EuGH (EuGH, 04.05.1988, Rs. 30/87, Slg. 1988, 2479, Rn. 19 – Corinne Bod-son/ Pompes Funèbres des Régiones Libérées SA) zufolge ist Art. 101 AEUV also
„nicht auf Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von Un-ternehmen anwendbar, die als Mutter- oder Tochtergesellschaft ein und demselben Konzern angehören, vorausgesetzt dass die Unternehmen eine wirtschaftliche Ein-heit bilden, in deren Rahmen die Tochtergesellschaft ihr Vorgehen auf dem Markt nicht wirklich autonom bestimmen kann, und dass diese Vereinbarungen oder Ver-haltensweisen dem Zweck dienen, die interne Aufgabenverteilung zwischen den Un-ternehmen zu regeln.”
Ähnlich der EuGH später (EuGH, 24.10.1996, Rs. C-73/95, Slg. 1996, I-5457, Leit-satz 1 – Viho):
„Bilden Mutter- und Tochtergesellschaften eine wirtschaftliche Einheit in dem Sin-ne, dass die Tochtergesellschaften ihr Vorgehen auf dem Markt nicht autonom be-stimmen können, sondern die Anweisungen der sie kontrollierenden Muttergesell-schaft befolgen müssen, so sind Handlungen, die geeignet sind, Auswirkungen außer-halb des Konzerns zu haben und die Wettbewerbsposition Dritter zu beeinträchtigen, nicht an Art. 85 [Art. 101 AEUV] zu messen.”
Neben dem Aspekt des Konzernprivilegs muss sich die Konzernmutter aber als Folge des Prinzips der wirtschaftlichen Einheit auch Verstöße ihrer Töchter zurechnen las-sen, wenn die Mutter den Kartellverstoß anweist oder den Verstoß der Tochter durch Unterlassen von Aufsichts- oder Kontrollmaßnahmen toleriert (EuGH, 28.06.2005, C-189/02 P, Slg. 2005, I-5425, Rn. 117 – Dansk Rørindustri; EuGH, 16.11.2000, C-294/98 P, Slg. 2000, I-10065, Rn. 27 – Metsä-Serla):
„Insoweit ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung das wettbe-werbswidrige Verhalten eines Unternehmens, das sein Marktverhalten nicht selbstän-dig bestimmt, sondern vor allem wegen der wirtschaftlichen und rechtlichen Bindun-gen zu einem anderen Unternehmen im Wesentlichen dessen Weisungen befolgt hat, dem anderen Unternehmen zugerechnet werden kann.”
Darauf aufbauend hat der EuGH entschieden, dass der Einfluss der Mutter bei 100-prozentiger Anteilseignerschaft widerleglich vermutet wird, während es sonst eines Nachweises bedarf, dass die Tochter zu keiner eigenständigen Geschäftspolitik fähig war (EuGH, 20.01.2011, C-90/09 P, Slg. 2011, I-30 – General Chímica).
Um eine Umgehung durch gesellschaftsrechtliche Gestaltungen zu verhindern, kön-nen Mutter-, Tochter- und Schwesterunternehmen zudem nebeneinander mit einem Bußgeld belegt werden (EuGH, 13.06.2013, C-511/11 P – Versalis; EuG, 12.10.2011, T-38/05, Slg. 2011, II-7012 – Spanisches Rohtabakkartell). Damit wird verhindert,
8
Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG Stand 08/2014
Europäische Union
Entwicklung und Grundfreiheiten
Professor Dr. Marc-Philippe Weller
28.12.14 13
E. Prüfungsaufbau 1. Anwendungs-/Schutzbereich
a) persönlich b) sachlich c) räumlich
2. Eingriff in die Grundfreiheit durch eine nationale Maßnahme
a) Diskriminierung b) Beschränkung à Dassonville-Formel à Keck-Ausnahme
3. Rechtfertigung des Eingriffs
a) Geschriebene Rechtfertigungsgründe b) Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe à Cassis de Dijon-Formel (Vier-Kriterien-Test) (1.) zwingende Gründe des Allgemeinwohls (2.) nicht diskriminierend (3.) geeignet (4.) erforderlich
28.12.14 14
Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich
Warenverkehrs-‐freiheit
Art. 28, 34 AEUV
Personen-‐ verkehrs-‐ freiheit
AN-Freizügigkeit Art. 45 AEUV
Niederlassungsfreiheit Art. 49 AEUV
Dienstleistungs-‐ Freiheit
Art. 56 AEUV
Kapitalverkehrs-‐ Freiheit
Art. 63 AEUV
Keine Einschränkung
„Arbeitnehmer“ bzw. „Staatsangehörige eines Mitgliedstaats“
„Angehörige der Mitgliedstaaten“
auch Wirtscha7s-‐subjekte in Dri@staaten
Waren à Art. 28 II AEUV
Abhängige Beschäftigung
Selbständige
+ dauerhafte Tätigkeiten à Art. 49 II AEUV
à Art. 57 AEUV à vorübergehend
(1.) aktiv durch Grenz-überschreitung
(2.) aktiv durch Korrespondenz (3.) passiv durch
Inanspruchnahme im Ausland (Tourist)
Direkt-‐ und PorDolio-‐
invesWWonen
28.12.14 15
- Die Grundfreiheiten setzen einen grenzüberschreitenden Sachverhalt voraus, Arg: - Wortlaut der Art. 34 („zwischen den Mitgliedstaaten“), Art. 49 und Art. 56 AEUV.
- Subsidiaritätsprinzip, Art. 5 EUV
à Grundfreiheiten hätten OHNE grenzüberschreitenden Element den Charakter allgemeiner Wirtschaftsfreiheiten à z.B. könnte sich dann ein dt. Bierbrauer unter Berufung auf die Warenverkehrsfreiheit gegen das dt.
Reinheitsgebot für Bier wenden.
EuGH, Slg. 1990-I, 3647 – „Franz. Käse“
Ein französischer Käsehersteller exportiert Käse mit einem Fettgehalt von 30 % nach Italien, wo der Vertrieb von
Käse mit einem geringeren Fettgehalt als 45 % verboten ist. Rechtslage?
Problem: Ausländer können weiterreichende Rechte haben als Inländer è Inländerdiskriminierung europarechtlich nicht verboten è Gleichbehandlung der Inländer über das nationale Verfassungsrecht -BVerfG, NJW 1990, 1033: Art. 3 GG à offengelassen
- Öst. OGH, EuZW 2001, 219 à ja (für Fall der Richtlinienumsetzung)
Räumlicher Anwendungsbereich
è grenzüberschreitendes Element
28.12.14 16
Schutzinhalt / Gewährleistungsdimension
Diskriminierungs-‐ verbot
Beschränkungs- verbot
„Schutzpflichten“ (positive Dimension)
- ursprüngliche Funktion
- lex specialis zu Art. 18 AEUV
à Prinzip der Inländergleichbehandlung à Sicherung der Wettbewerbsgleichheit - offene Diskriminierung (Bsp: EuGH – Cowan)
- versteckte/mittelbare Diskriminierung (bei formal staatsangehörigkeits-neutralen Anforderungen, die Inländer erheblich leichter erfüllen können, z.B. Residenzpflicht)
28.12.14 17
EuGH, Urt. v. 02.02.1989, Rs 186/87, NJW 1989, 2183 – Cowan
Die Commission d'indemnisation des victimes d'infraction (Kommission für die Entschädigung der Opfer von Straftaten) des Tribunal de grande instance Paris hat gem. Art.177 EWGV (heute: Art. 267 AEUV) eine Frage nach der Auslegung des Diskriminierungsverbots zur Vorabentscheidung vorgelegt, um beurteilen zu können, ob eine Bestimmung des französischen Code de procedure penale (Strafprozeßordnung) mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen dem französischen Tresor public (Staatskasse) und einem britischen Staatsangehörigen, Herrn Ian William Cowan, in dem es um Schadensersatz wegen eines Überfalls geht, der auf Herrn Cowan während eines kurzen Aufenthalts in Paris am Ausgang einer Metrostation verübt wurde. Da die Täter nicht identifiziert werden konnten, beantragte Herr Cowan eine Entschädigung gem. Art. 706-3 des Code de procedure penale. Nach dieser Bestimmung besteht unter anderem dann Anspruch auf eine staatliche Entschädigung, wenn das Opfer einer Gewalttat, die eine Körperverletzung mit Folgen eines bestimmten Schweregrades verursacht hat, auf keine andere Weise eine wirksame und ausreichende Wiedergutmachung seines Schadens erlangen kann. Die Entschädigung wurde abgelehnt, da sie nur in Betracht kommt “für Personen, die die französische Staatsangehörigkeit besitzen oder Ausländer sind und - entweder Staatsangehörige eines Staates sind, der mit Frankreich ein Gegenseitigkeitsabkommen für die Anwendung der genannten Bestimmungen geschlossen hat, und die Voraussetzungen nach diesem Abkommen erfüllen - oder Inhaber des als Fremdenkarte bezeichneten Ausweises sind”. Die französische Regierung hat vor dem EuGH geltend gemacht, (…) ein Dienstleistungsempfänger [könne sich] nicht auf das Diskriminierungsverbot berufen, wenn die betreffende nationale Regelung keinerlei Behinderung seiner Freizügigkeit verursache. Eine Vorschrift wie die im Ausgangsverfahren streitige bewirke insoweit keine Beschränkung. Darüber hinaus betreffe sie ein Recht, das Ausdruck des Grundsatzes der nationalen Solidarität sei. Ein solches Recht setze eine engere Bindung an den Staat voraus als das Recht eines Dienstleistungsempfängers und könne deshalb solchen Personen vorbehalten werden, die entweder eigene Staatsangehörige oder im Inland wohnhafte Ausländer seien.
28.12.14 18
EuGH, Urt. v. 02.02.1989, Rs 186/87, NJW 1989, 2183 – Cowan
Entscheidungsgründe (Auszug):
„Nach Art. 7 EWGV (heute: Art. 18 AEUV) entfaltet das Diskriminierungsverbot seine Wirkungen im
Anwendungsbereich des EWG-Vetrages “unbeschadet besonderer Bestimmungen dieses Vertrages”. Mit dieser
Wendung verweist Art. 7 insbesondere auf andere Bestimmungen des Vertrages, in denen das allgemeine Verbot
des Art. 7 für besondere Anwendungsfälle konkretisiert ist. So verhält es sich unter anderem mit den
Bestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, das Niederlassungsrecht und den freien
Dienstleistungsverkehr.
Zu letzterem hat der EuGH in seinem Urteil (EuGHE 1984, S. 377 - Luisi und Carbone) entschieden, daß der freie
Dienstleistungsverkehr die Freiheit der Leistungsempfänger einschließt, sich zur Inanspruchnahme einer
Dienstleistung in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, ohne durch Beschränkungen daran gehindert zu
werden, und daß unter anderem Touristen als Empfänger von Dienstleistungen anzusehen sind.
Garantiert das Gemeinschaftsrecht einer natürlichen Person die Freiheit, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu
begeben, so ist zwingende Folge dieser Freizügigkeit, daß Leib und Leben dieser Person in dem betreffenden
Mitgliedstaat in gleicher Weise geschützt sind, wie dies bei den eigenen Staatsangehörigen und den in diesem
Staat wohnhaften Personen der Fall ist. Daraus folgt, daß das Diskriminierungsverbot gegenüber
Dienstleistungsempfängern im Sinne des EWG-Vertrages gilt, soweit es um den Schutz vor möglichen Gewalttaten
und, falls eine Gewalttat verübt wird, um den im nationalen Recht vorgesehenen Anspruch auf Geldersatz geht. Der
Umstand, daß die fragliche Entschädigung aus der Staatskasse finanziert wird, kann an dem System des Schutzes
der vom EWG-Vertrag garantierten Rechte nichts ändern.“
28.12.14 19
Schutzinhalt / Gewährleistungsdimension
Diskriminierungs-‐ verbot
Beschränkungs- verbot
„Schutzpflichten“ (positive Dimension)
- ursprüngliche Funktion
- lex specialis zu Art. 18 AEUV
à Prinzip der Inländergleichbehandlung à Sicherung der Wettbewerbsgleichheit - offene Diskriminierung (Bsp: EuGH – Cowan)
- versteckte/mittelbare Diskriminierung (bei formal staatsangehörigkeits-neutralen Anforderungen, die Inländer erheblich leichter erfüllen können, z.B. Residenzpflicht)
Definition der Beschränkung: - Dassonville-Formel
EuGH, Urt. v. 11.7.1974, Rs. C-8/74 – Dassonville
In Belgien war es nach Art. 1 der Königlichen Verordnung Nr. 57 aus dem Jahr 1934 bei Strafe untersagt, Branntwein einzuführen, wenn dem Branntwein kein amtlicher Begleitschein beiliegt, aus dem sich ergibt, dass die Ursprungsbezeichnung zu Recht geführt wird. Großhändler Gustave Dassonville mit Niederlassung in Frankreich und sein Sohn Benoît Dassonville, der in Belgien eine Zweigniederlassung des väterlichen Handelsunternehmens leitet, führten im Jahr 1970 Branntwein mit der Ursprungsbezeichnung "Scotch Whisky" der Marken "Johnnie Walker" und "Vat 69" nach Belgien ein, den Gustave Dassonville bei französischen Import- und Vertriebsgesellschaften dieser beiden Marken eingekauft hatte. Vater und Sohn Dassonville brachten auf den Flaschen für Verkaufszwecke Etiketten insbesondere mit dem aufgedruckten Vermerk "British Customs Certificate of Origin" an, gefolgt von einer handschriftlichen Angabe der Nummer und des Datums des Freigabeauszuges aus dem französischen Zollabfertigungsregister. Dieser Freigabeauszug stellte das amtliche Schriftstück dar, das nach den französischen Rechtsvorschriften einem Erzeugnis mit Ursprungsbezeichnung als Begleitpapier beigegeben werden musste. Eine Ursprungsbescheinigung verlangt Frankreich für "Scotch Whisky" nicht. Obgleich die Waren mit den erforderlichen französischen Begleitdokumenten nach Belgien eingeführt und als "Gemeinschaftswaren" vom Zoll abgefertigt worden waren, stellten sich die belgischen Behörden auf den Standpunkt, diese Dokumente genügten nicht den Anforderungen der Königlichen Verordnung Nr. 57 vom Jahre 1934. Auf diese Einfuhr hin erhob die Staatsanwaltschaft gegen Vater und Sohn Dassonville Anklage wegen Verstoßes u. a. gegen die Verordnung Nr. 57 vom 20. Dezember 1934. Den Akten ist zu entnehmen, dass sich ein Händler, der in Frankreich bereits im freien Verkehr befindlichen Whisky nach Belgien einzuführen wünscht, eine solche Bescheinigung, im Gegensatz zu einem aus dem Erzeugerland unmittelbar einführenden Importeur, nur unter erheblichen Schwierigkeiten zu beschaffen vermag. Rechtslage?
28.12.14 20
EuGH, Urt. v. 11.7.1974, Rs. C-8/74 – Dassonville „Dassonville-Formel“: „Jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, ist als Maßnahme kontingentgleicher Wirkung anzusehen.“ à „Sonach stellt es eine mit dem Vertrag unvereinbare Maßnahme kontingentgleicher Wirkung dar, wenn ein Mitgliedstaat eine Echtheitsbescheinigung verlangt, die sich der Importeur eines in einem anderen Mitgliedstaat ordnungsmäßig im freien Verkehr befindlichen echten Erzeugnisses schwerer zu beschaffen vermag als der Importeur, der das gleiche Erzeugnis unmittelbar aus dem Ursprungsland einführt.“
28.12.14 21
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Schutzinhalt / Gewährleistungsdimension
Diskriminierungs-‐ verbot
Beschränkungs- verbot
„Schutzpflichten“ (positive Dimension)
- ursprüngliche Funktion
- lex specialis zu Art. 18 AEUV
à Prinzip der Inländergleichbehandlung à Sicherung der Wettbewerbsgleichheit - offene Diskriminierung (Bsp: EuGH – Cowan)
- versteckte/mittelbare Diskriminierung (bei formal staatsangehörigkeits-neutralen Anforderungen, die Inländer erheblich leichter erfüllen können, z.B. Residenzpflicht)
Definition der Beschränkung: - Dassonville-Formel
- Gebhard-Formel: „nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können.“ àRatio: Sicherung Marktzugang (Ob) - Unmittelbare Zugangsanforderungen (z.B. Handwerkerrolle) - Doppelbelastungen im Herkunfts- und Aufnahmestaat (z.B. Kontrollpflichten)
- Regelung des Marktverhaltens nach Zugang (Wie) à Keck-Ausnahme
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Gesellschaftskollisionsrecht
Prof. Dr. Marc-Philippe Weller
28.12.14 13
B. EuGH-Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften Hinweis: Die EuGH-Rechtsprechung ist im Internet abrufbar unter http://curia.europa.eu
I. Zuzugskonstellationen
- Centros (1999) - Überseering (2002) - Inspire Art (2003)
EuGH, Urteil vom 9. 3. 1999, Rs. C-212-97 - Centros Sachverhalt: Ein dänisches Ehepaar hatte in England die Centros, eine private limited company (Ltd.) mit einem Gesellschaftskapital in Höhe von 100 £ gegründet. Diese sollte jedoch von Anfang an ihre gesamte Geschäftstätigkeit über eine Zweigniederlassung in Dänemark, wo sich auch der tatsächliche Verwaltungssitz der Ltd. befand, ausüben. Um den inländischen Rechtsverkehr zu schützen, verweigerten die dänischen Behörden die Eintragung dieser Zweigniederlassung u.a. mit der Begründung, es liege eine Umgehung der dänischen Mindestkapitalvorschriften vor.
28.12.14 20
II. Wegzugskonstellationen 1. EuGH, Urt. v. 27.9.1988, C-81/87, JZ 1989, 384 – Daily Mail
Das Daily Mail-Urteil hat die Verwaltungssitzverlegung der englischen Daily Mail and General Trust public limited company (plc) in die Niederlande und damit eine Wegzugskonstellation im Bereich der primären Niederlassungsfreiheit zum Gegenstand. Die nach britischem Steuerrecht hierfür erforderliche Genehmigung der Finanzbehörden wurde der plc verweigert. è Der EuGH sieht diese Beschränkung der Niederlassungsfreiheit durch den Gründungsstaat in Wegzugskonstellationen als gerechtfertigt an.
2. EuGH, Urt. v. 16.12.2008, Rs. C-210/06, NZG 2009, 61 – Cartesio „Ein Mitgliedstaat sei befugt, „einer nach seiner Rechtsordnung gegründeten Gesellschaft Beschränkungen hinsichtlich der Verlegung ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes aus seinem Hoheitsgebiet aufzuerlegen (…)“. è Gesellschaftsrechtliche Beschränkungen europarechtlich o.k., z.B. Gebot der Koppelung von Satzungs- und Verwaltungssitz
3. EuGH, Urt. v. 29.11.2011, Rs. C-371/10 – National Grid Indus BV „Eine nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründete Gesellschaft, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt, ohne dass die Verlegung des Sitzes ihre Eigenschaft als Gesellschaft nach dem Recht des ersten Mitgliedstaats berührt, kann sich auf Art. 49 AEUV berufen, um die Rechtmäßigkeit einer ihr von dem ersten Mitgliedstaat anlässlich dieser Sitzverlegung auferlegten Steuer in Frage zu stellen.“ è Nicht-gesellschaftsrechtliche Wegzugshindernisse müssen sich an der Niederlassungsfreiheit messen lassen (Vier-Kriterien-Test nach der Cassis-Formel).
1
Sitzverlegung von Gesellschaften – Verwaltungs- und Satzungssitzverlegung –
Prof. Dr. Marc-Philippe Weller
III. Praxisfall
OLG Nürnberg, 19.6.2013 – 12 W 520/13, IPRax 2015, zitiert nach d. Anm. v. L. Hübner: „Der Beschwerdeführer ist alleinvertretungsberechtigter Gesellschafter der beiden Kapitalgesellschaften, die zusammen sämtliche Anteile an der betroffenen Gesellschaft mit beschränkter Haftung luxemburgischen Rechts (S.à r.l.) halten; er begehrt vom AG – Registergericht – Fürth die Eintragung der (Satzungs-)Sitzverlegung der betroffenen Gesellschaft mit beschränkter Haftung luxemburgischen Rechts von Luxemburg nach Deutschland. Zunächst beschlossen im Mai 2011 die Gesellschafter der S.à r.l. per Gesellschafterbeschluss vor einem Notar in Luxemburg, dass die S.à r.l. ihren „Gesellschaftssitz“ nach Deutschland verlegen und die Gesellschaft zukünftig deutschem Recht unterliegen solle. Unter der neuen Firma solle sie ihre Aktivitäten vom neuen Geschäftssitz in Erlangen aus ausüben. Zudem beschlossen die Gesellschafter auch über eine neue Satzung deutschen Rechts. Ende Februar 2012 löschte das luxemburgische Handelsregister die S.à r.l., da sie ihren Sitz ins Ausland verlegt habe. Mitte Oktober 2012 hielten die Gesellschafter der S.à r.l. eine notariell beurkundete Gesellschafterversammlung der GmbH nach deutschem Recht ab. Sie wiederholten die Beschlüsse aus der vorherigen Gesellschafterversammlung, die bereits im Mai 2011 gefasst worden waren, und bestätigten vor allem die Satzung der GmbH deutschen Rechts; gleichzeitig bestellten sie den Beschwerdeführer als alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der GmbH deutschen Rechts. Zugleich beschlossen die Gesellschafter, dass die S.à r.l. zum Stichtag 1. Oktober 2012 im Wege des Formwechsels analog §§ 190 ff. UmwG in eine GmbH deutschen Rechts umgewandelt wird. Mit Schreiben vom gleichen Tag meldete der beteiligte Notar beim Amtsgericht – Registergericht – Fürth die nach seiner Auffassung durch Sitzverlegung nach Deutschland entstandene GmbH deutschen Rechts zur Eintragung ins Handelsregister an. Dabei legte der Notar folgende Dokumente vor: beglaubigte Abschriften der Gesellschafterversammlung der S.à r.l. aus Mai 2011 sowie der GmbH deutschen Rechts aus Oktober 2012 inklusive der beschlossenen neuen Satzung, einen Sachgründungsbericht und eine Gesellschafterliste. Das Amtsgericht – Registergericht – Fürth lehnte die Eintragung aus zwei Gründen Anfang Februar 2013 ab. Erstens fehle es an einem umwandlungsfähigen Rechtsträger; zweitens sei die Eintragungsreihenfolge nach deutschem Recht nicht eingehalten. Der darauf eingelegten Beschwerde des Beschwerdeführers half das Amtsgericht – Registergericht – Fürth half nicht ab.“ 28.12.14 ´
12
Fachanwalt für Interna/onales Wirtscha4srecht
Europäisches Gesellscha4srecht: SE
Prof. Dr. Olaf Müller-‐Michaels, Orrick, Herrington & Sutcliffe LLP, Düsseldorf
FOM Hochschule, Essen
© Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG Seite 9 Europäisches GesellschaKsrecht/ Prof. Dr. Müller-‐Michaels
SE: Gründungsformen
Tochter 54% Umwandlung
27%
Verschmelzung 9%
Sonstige/Unbekannt
10%
N=279
Quelle: Schuberth, von der Höh, AG 2014, 439 ff
© Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG Seite 10 Europäisches GesellschaKsrecht/ Prof. Dr. Müller-‐Michaels
SE: Gründungsformen
Vorrats- gründung
49% Sonstige/Unbekannt
51%
N=279
Quelle: Schuberth, von der Höh, AG 2014, 439 ff
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SE: Organe
• Wahl zwischen zwei Systemen möglich: • DualisRsches System • MonisRsches System
• Beide Systeme haben eine AkRonärsversammlung = Hauptversammlung (HV)
• HV besRmmt bei der Gründung der SE welches System das Unternehmen annehmen wird
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SE: Dualis/sches System
Hauptversammlung
Aufsichtsrat
Vorstand
• Hauptversammlung aus AkRonären
• Aufsichtsrat: Wahl durch HV und Arbeitnehmer
• Vorstand: Wahl durch Aufsichtsrat
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SE: Dualis/sches System
Hauptversammlung
• Strukturentscheidungen • Verteilung Bilanzgewinn • Wahl der Mitglieder des Aufsichtsrats
Aufsichtsrat • Überwachung des Vorstands • Bestellung und Abberufung des Vorstands (nur aus wichtigem Grund)
Vorstand
• Eigenverantwortliche Leitung
• Geschäftsführung • Vertretung
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SE: Monis/sches System
Hauptversammlung
Verwaltungsrat
• Die Hauptversammlung und Arbeitnehmer wählen die Mitglieder des Verwaltungsrates (Board of Directors)
• Der Verwaltungsrat übernimmt sowohl ausführende als auch kontrollierende Aufgaben (Execu1ve und Non-‐Execu1ve Directors)
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SE: Monis/sches System
Hauptversammlung
• Strukturentscheidungen • Verteilung Bilanzgewinn • Wahl der Mitglieder des Verwaltungsrats
Verwaltungsrat
• Leitung der Gesellschaft • Allzuständigkeit • Bestellung und jederzeitige Abberufung der geschäftsführenden Direktoren
Geschäftsführende Direktoren
• Geschäftsführung • Vertretung
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SE: Zahlen
2.234 SE in Europa
316 „normale“ SE (ab 5 AN)
147 „normale“ SE in D
100 dualistische und 47
monistische SE in D
Quelle: Hans Böckler Stiftung, Statistik: SEs in Europa, Stand: 01.10.2014
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SE: Mitbes/mmung
• Ausgestaltung der MitbesRmmung in einer SE ist seitens der EU nicht gesetzlich vorgeschrieben
• D: Verfahren zur Arbeitnehmerbeteiligung nach SEBG • Eintragung der SE in das Handelsregister kann erst erfolgen, wenn die
Beteiligung der Arbeitnehmer geklärt ist • Verhandlungsverfahren mit besonderem Verhandlungsgremium (bVG) • Bei Nicht-‐Einigung „Einfrieren“ der geltenden MitbesRmmung bei
Umwandlung und Verschmelzung • Keine Pflicht zur Verhandlung bei weniger als 10 Mitarbeitern • Wiederaufleben der Verhandlungspflicht bei „AkRvierung“ einer
Vorrats-‐SE
Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht
Internationaler Unternehmenskauf
Prof. Dr. Olaf Müller-Michaels,
Orrick, Herrington & Sutcliffe LLP, Düsseldorf
FOM Hochschule, Essen
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Internationaler Unternehmenskauf: Agenda
Ausgangslage, Wirkungsprinzip
Internationales Privatrecht
Grundbegriffe
Kollisionsvorschriften
Vertragsstatut
Gesellschaftsstatut
Statuten für Erfüllungsgeschäfte
Internationales Zivilprozessrecht
Systematik
Gerichtsstandsvereinbarungen
Schiedsverfahren
Formfragen und Sprache
Investitionsprüfung
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Internationaler Unternehmenskauf: Agenda
Unternehmenskaufvertrag
Einleitung
Kaufgegenstand
Kaufpreis
Closing
Representations and Warranties
Indemnification
Covenants
Weitere Vereinbarungen
Schlussvorschriften
Anlagen
© Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG Seite 31 Internationaler Unternehmenskauf/ Prof. Dr. Müller-Michaels
Internationaler Unternehmenskauf: Unternehmenskaufvertrag
• Kaufpreisanpassung (Completion Mechanismus)
• Festlegung eines vorläufigen Kaufpreises auf Grundlage des letzten Jahresabschlusses oder eines Zwischenabschlusses vor Unterschrift
• Festlegung einer Kennziffer
• Nettofinanzverbindlichkeiten („Net Debt“)
• Umlaufvermögen („Working Capital“)
• Eigenkapital („Net Equity“)
• Ermittlung der vereinbarten Kennziffer zum Closing-Stichtag (Closing Balance Sheet)
• Aufstellung durch Käufer, Kontrolle durch Verkäufer
• Streitentscheidung durch Schiedsgutachter
© Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG Seite 32 Internationaler Unternehmenskauf/ Prof. Dr. Müller-Michaels
Internationaler Unternehmenskauf: Unternehmenskaufvertrag
• Differenz ist Kaufpreisanpassungbetrag
• Closing Betrag höher als Referenzbetrag zum letzten Bilanzstichtag: Kaufpreisnachzahlung
• Umgekehrt: Kaufpreiserstattung
• Kaufpreiserhöhung (Earn-out)
• Festlegung einer Kennziffer zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft
• Z.B. Gewinn, Umsatz, Marktanteil
• Kaum Kontrollmöglichkeit durch Verkäufer
• Nachzahlung, wenn Kennziffer erreicht oder überschritten
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Internationaler Unternehmenskauf: Unternehmenskaufvertrag
• Closing
• Dinglicher Vollzug
• Bedingte Übereignung im Kaufvertrag oder separate Übertragung am Closing
• Closing Conditions (Vollzugsbedingungen)
• Zustimmungen der zuständigen Kartell- und anderer Behörden
• Kreditgewährung durch finanzierende Banken
• Umstrukturierungen
• Schlüsselpersonen (Key Persons)
• Keine wesentliche Verschlechterung des Unternehmens (MAC)
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Internationaler Unternehmenskauf: Unternehmenskaufvertrag
• Representations and Warranties („Reps“)
• Eigenes Garantiesystem unter Ausschluss der gesetzlichen Gewährleistung
• Abdeckung unbekannter Haftungsfälle, die zu Cash-Abflüssen oder Wertminderung führen
• Stichtag: Signing und/oder Closing (Bring-down)
© Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG Seite 35 Internationaler Unternehmenskauf/ Prof. Dr. Müller-Michaels
Internationaler Unternehmenskauf: Unternehmenskaufvertrag
• Inhalt der Garantien
• Rechtliche Eigenschaften
• Unternehmensbezogene Eigenschaften
• Vermögensgegenstände, IP/IT
• Verbindlichkeiten
• Geschäfte mit nahestehenden Personen
• Bilanzen (Undisclosed Liabilities)
• Genehmigungen und Einhaltung Gesetze
• Rechtsstreitigkeiten
• Umwelt
• Steuern (häufig separat als Imdemnity)
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Internationaler Unternehmenskauf: Unternehmenskaufvertrag
• Indemnification: Haftung und Schadensersatz
• Haftungsgrenzen (gesetzliche Haftung unbegrenzt!):
• Entgangener Gewinn, Mangelfolgeschäden
• De-Minimis Betrag
• Freibetrag, Freigrenze (Basket)
• Haftungshöchstgrenze (Cap)
• Anrechnung von Leistungen Dritter (Versicherungen)
• Anrechnung von Rückstellungen
• Freistellungen (Indemnities) für bekannte Risiken
• Verjährung
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