Tiergestützten Pädagogik
MASTERARBEIT
Master of Arts
Institut für: Praktische Theologie
2
Danksagung
Ich möchte mich auf diesem Wege bei all denen bedanken, die mich in
diesem
Schaffungsprozess geduldig begleitet und tatkräftig unterstützt
haben. Zu
nennen ist hier im Besonderen meine Mutter.
„Jede Beziehung zwischen einem Tier und einem Menschen ist eine
einzigartige
Brücke, gebaut, um nur diese beiden zu tragen. Deshalb muss sie
auch von ihnen
selbst erschaffen werden.
authentischen Kern eines anderen Lebewesens auf den Grund zu
gehen.
(Jeffrey M. Masson)
1.3. Forschungsstand:
.............................................................................................................
11
2. Begriffsklärung
........................................................................................................................
13
2.1 Biophilie
............................................................................................................................
13
2.3 Empathie
...........................................................................................................................
17
2.5 Du- Evidenz
.......................................................................................................................
20
3.1 Geschichtlicher Rückblick
..................................................................................................
22
3.2 Die Mensch-Tier-Beziehung in der modernen Gesellschaft
............................................. 28
4. Tiere im Leben der Menschen - die Mensch- Tier- Beziehung
............................................... 30
4.1 Erklärungsansätze für die Mensch- Tier- Beziehung
......................................................... 30
4.1.1 Warum fühlt sich der Mensch so sehr vom Tier angezogen?
.................................... 30
4.1.2 Kindchenschema und Fürsorgeverhalten
..................................................................
32
4.2 Die Kommunikation zwischen Mensch und Tier
...............................................................
34
4.3 Kinder und Tiere
................................................................................................................
35
4.5 Haben Tiere Bedürfnisse?
.................................................................................................
36
5. Philosophische, ethische und theologische Ansätze im Hinblick
auf den Stellenwert des
Tieres in der Mensch- Tier- Beziehung
.......................................................................................
41
5.1. Theologische Zoologie
.....................................................................................................
41
5.2 Biblischer Zugang
..............................................................................................................
42
5.2.1 Schöpfungstheologischer Zugang
..............................................................................
42
5.2.3 Verwandtschaft von Mensch und Tier in der Bibel
.................................................... 44
5.2.4 Die Sicht der Tiere im Neuen Testament
...................................................................
45
5.3 Die Sicht der Tiere in der theologischen Tradition
...........................................................
47
5.3.1 Der Hl. Franziskus von Assisi und andere tierfreundliche
Heilige .............................. 47
5.3.2 Albert Schweitzer - Theologe und Tierschützer
......................................................... 48
4
5.3.3 Lehramtliche Schreiben zur Mensch- Tier- Beziehung
.............................................. 48
5.3.4 Der Katechismus der Katholischen Kirche zur Mensch- Tier-
Beziehung .................. 50
5.4 Mensch- Tier- Beziehung in der Philosophie
....................................................................
51
5.5 Ethische Überlegungen zum Einsatz von Tieren in der
Tiergestützten Pädagogik ........... 53
6. Theoretische Zugänge zur Tiergestützten Pädagogik am Beispiel
des Schulhundes .............. 56
6.1 Entwicklung der Tiergestützten Therapie/ Pädagogik
...................................................... 56
6.2 Auswirkung von Tieren auf den Menschen
......................................................................
60
6.2.1 Wirkungspanorama positiver gesundheitlicher Effekte von
Tieren auf den Menschen
nach Prof- Franz Nestmann
................................................................................................
61
6.2.2 Ausgewählte positive Auswirkungen im Detail
.......................................................... 63
6.3 Der Schulhund
...................................................................................................................
67
6.3.2 Voraussetzungen für einen guten Schulhund
............................................................
70
6.3.3 Die Kynopädagogik
.....................................................................................................
72
7. Theologische Gesichtspunkte
.................................................................................................
76
7.1.1 Verantwortung für die Schöpfung
.............................................................................
77
7.1.2 Der „missverstandene“ Schöpfungsauftrag
...............................................................
77
7.2 „Unverfügbarkeit“
.............................................................................................................
78
7.3 Beziehung
..........................................................................................................................
81
8.3.1 Unverfügbarkeit
.........................................................................................................
85
8.3.3 Beziehung
...................................................................................................................
88
8.4 Der Mehrwert der Tiergestützten Pädagogik für die
Kompetenzentwicklung ................. 92
8.4.1 Was sind Kompetenzen?
............................................................................................
93
8.4.2 Spezifische Einwirkungsbereiche der Tiergestützten
Intervention/ Pädagogik ........ 97
9. Abschluss
...............................................................................................................................
101
Die vorliegende Masterarbeit befasst sich mit den verschiedenen
Ansätzen über
die Mensch- Tier- Beziehung in der Tiergestützten Pädagogik. Nach
einer
allgemeinen Begriffsdefinition, wird die Entwicklung der Mensch-
Tier- Beziehung
in den Blick genommen. Um unsere heutige Beziehung zu den Tieren
zu
verstehen, muss man wissen, wie sich die Mensch- Tier- Beziehung im
Laufe der
Zeit gewandelt und entwickelt hat. Besonders auffällig sind dabei
die extremen
Gegensätze im Umgang mit den Tieren in unserer Gesellschaft, z.B.,
was die
Haltung des Menschen gegenüber Nutz- und Haustieren betrifft. In
diesem
Zusammenhang wird auch der Frage nachgegangen, warum sich der
Mensch
überhaupt von den Tieren so sehr angezogen fühlt. Weitere wichtige
Aspekte der
Mensch- Tier- Beziehung, wie die Kommunikation, die besondere
Beziehung
zwischen Kindern und Tieren sowie die Bedürfnisse der Tiere werden
näher
betrachtet.
Anschließend wird auf die ethischen, philosophischen und
theologischen
Ansätze in Hinblick auf die Beziehung zwischen Menschen, Tieren und
Gott
genauer eingegangen.
Im nächsten Abschnitt folgt zuerst ein allgemeiner Einblick über
die Tiergestützte
Intervention, dieser beinhaltet einen kurzen geschichtlichen
Rückblick sowie die
verschiedenen Einwirkungsbereiche. Es folgt ein Kapitel über die
Tiergestützte
Pädagogik, wobei aus diesem weiten Feld im Speziellen auf die
Arbeit mit dem
Schulhund eingegangen wird.
Im nächsten Abschnitt folgt zuerst ein allgemeiner Einblick über
die Tiergestützte
Intervention, dieser beinhaltet einen kurzen geschichtlichen
Rückblick sowie die
verschiedenen Einwirkungsbereiche. Es folgt ein Kapitel über die
Tiergestützte
Pädagogik, wobei aus diesem weiten Feld im Speziellen auf die
Arbeit mit dem
Schulhund eingegangen wird.
1.1 Persönlicher Zugang
Mit Tieren aufgewachsen
Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, war mein Leben schon immer
geprägt
durch das Zusammenleben mit verschiedenen Tieren. Bevor ich in
den
Kindergarten kam, verbrachte ich viel Zeit bei meinen Großmüttern
und bin dort
mit einem Hund und mehreren Katzen aufgewachsen. Gerade wenn ich
krank
war, schienen die Tiere ein Gespür für meine Verfassung zu haben
und verhielten
sich dementsprechend Nähe suchend und tröstend.
Die Kleintierphase
Durch das Aufwachsen und den Umgang mit den Tieren meiner
Großeltern
erwachte in mir relativ schnell der Wunsch nach eigenen Haustieren.
Meine
Eltern erfüllten mir diesen Wunsch und ich bekam Fische, einen
Hamster und
später auch Hasen, um die ich mich kümmern durfte. Rückblickend und
aus
heutiger Sicht habe ich schon früh gelernt, selbst Verantwortung
für ein anderes
Lebewesen zu übernehmen und mich eigenständig darum zu
kümmern.
Das Leben ist ein Ponyhof
Von der Mittelschule bis zur Matura war meine Freizeit immer sehr
vom Kontakt
mit Tieren geprägt. Wie viele Mädchen in meinem Alter, hatte auch
ich den
Wunsch, reiten zu lernen. Das Reiten und Arbeiten mit Pferden hat
mich eine
sehr lange Zeit begleitet und geprägt. Ich habe viel von den
Pferden lernen
dürfen. Herkunft oder Aussehen z.B. ist den Pferden unwichtig.
Wichtig ist nur,
wie man mit ihnen umgeht und mit ihnen kommuniziert. Nur wenn man
ehrlich
und authentisch ist, wird man eine Beziehung zu diesen Tieren
aufbauen können.
Durch meine Sommerjobs in einem Reitstall konnte ich schon früh
beobachten,
wie sich das Reiten positiv auf Kinder und Erwachsenen auswirkt.
Kinder, die
sonst sehr laut und unruhig waren, wurden während des Ponyreitens
plötzlich
ganz still und Erwachsene lernten durch das Reiten, ihr
Selbstvertrauen
aufzubauen oder zu stärken.
„Ein Leben ohne Hund ist möglich, aber sinnlos“
Seit meiner Kindheit hatte ich den Wunsch nach einem eigenen Hund,
doch ich
musste 20 Jahre warten, bis es so weit sein sollte. Der nächste
große Meilenstein
in meiner Biographie war die lange ersehnte “Anschaffung“ des
ersten
“Familienhundes“ und das damit verbundene Kennenlernen einer
ganz
besonderen neuen Welt, der Hundesportwelt.
Geplant war nur der Besuch eines Welpenkurses in der Hundeschule.
Doch wir
besuchten einen Kurs nach dem anderen und lernten so die
Hundesportwelt
immer besser kennen. Es folgten weitere Seminare, sogar Turniere
und
schließlich auch noch die Treibball-Trainerausbildung in
Deutschland. Der
Wunsch nach einem zweiten Hund wuchs. Drei Jahre später zog dann
ein weiter
Hund in unsere Familie ein. Die Erfahrungen, die ich damals mit den
Pferden
gemacht hatte, konnte ich mit meinen Hunden wieder erleben.
Ehrlichkeit und
Authentizität sind der Schlüssel zu einer guten Beziehung zwischen
Menschen
und Hunden. Der Hund ist der Spiegel seines Menschen. Hunde
reagieren auf
unsere Körpersprache und Emotionen, man kann sich nicht vor einem
Hund
verstellen, denn sie merken schnell, ob wir es ehrlich meinen oder
nicht.
Der Hundeverein, in dem im tätig bin, arbeitet mit Kindergärten,
Schulen und
Altenheimen zusammen. Wir zeigen den Menschen, was ein Hund braucht
und
was ein Hund alles kann. Durch die Mitarbeit mit meiner Hündin bei
diesen
Aktivitäten habe ich auch hier neue Erfahrungen sammeln können. So
wurde
mein Interesse an der Tiergestützten Pädagogik immer mehr
geweckt.
2017 hatte ich die Gelegenheit, ein Praktikum in einem
Therapiezentrum für
Tiergestützte Therapie in Wien zu absolvieren. Dies bekräftigte
meinen Wunsch
zu einer Ausbildung in diesem Bereich.
2018 habe ich schließlich eine Ausbildung als Hundetrainerin in
Italien absolviert.
Meine gesammelten Erfahrungen im Zusammenleben mit verschiedenen
Tieren
und den Erfahrungen, die ich mit den Tieren in meiner Freizeit
gemacht habe,
haben mich dazu inspiriert, mein Interesse über die Tiergestützte
Pädagogik in
meiner Masterarbeit zu vertiefen.
1.2 Forschungsanliegen und Forschungsfragen
Thema der vorliegend Arbeit ist „Die Mensch- Tier- Beziehung am
Beispiel der
Tiergestützten Pädagogik.“
In der Fachliteratur ist der theologisch- religionspädagogische
Aspekt in Hinblick
auf die Tiergestützte Pädagogik, noch in den Kinderschuhen. Das
Anliegen der
vorliegenden Arbeit liegt darin, zu erfassen, wie wichtig der
Aspekt der Mensch-
Tier – Beziehung in der Tiergestützten Pädagogik ist. Welche Rolle
nimmt das
Tier in diesem Beziehungsgeschehen ein. Die Mensch- Tier- Beziehung
wird aus
theologischer, ethischer und philosophischer Sicht beleuchtet.
Damit verbunden
ist auch das Anliegen an der Mensch- Tier- Gott- Beziehung. Anhand
der
Ergebnisse soll abschließend überlegt werden, welche Erkenntnisse
sich für die
religionsdidaktische und religionspädagogische Arbeit im Kontext
Schule
ergeben.
Daraus ergeben sich folgende Forschungsfragen:
• Welche Konzepte über die Beziehung zum Tier gibt es in der
Tiergestützten
Pädagogik aktuell im deutschen Sprachraum?
• Welche Bedeutung wird in den verschiedenen Ansätzen dem Tier und
dem
Menschen beigemessen?
• Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die
religionsdidaktische und
religionspädagogische Arbeit?
Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von Veröffentlichungen und
Publikationen zur
Tiergestützten Pädagogik. Die Literatur zu dieser Thematik lässt
sich hierfür grob
in theoriebezogene und praxisbezogene Literatur gliedern, wobei es
auch
Literatur gibt, die eine Mischform aus beiden darstellt. Die
wissenschaftliche
Bearbeitung dieser Thematik hinkt jedoch der Praxis
hinterher.
Theoriebezogene Literatur
wissenschaftlichen Erkenntnissen in diesem Bereich. Hier werden
unter anderem
theoretische Grundlagen, die für die Praxis relevant sind,
wissenschaftlich
fundiert vermittelt, es werden unterschiedliche Begrifflichkeiten
aufgearbeitet und
näher beleuchtet sowie Einwirkungsbereiche und positive Effekte
in
Zusammenhang mit Studienergebnissen herausgearbeitet. Carola
Otterstedt,
Monika A. Vernooij und Silke Schneider, Erhard Olbrich, Sylvia
Greiffenhagen,
Oliver N. Buck-Werner oder Michael Rosenberger gehören zu den
renommierten
Autoren/Innen in diesem Bereich. Vielfach wird das Thema der
Mensch- Tier-
Beziehung auch von verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen,
wie
Philosophie, Theologie, Soziologie, Anthropologie, Ethologie,
Geschichte,
Pädagogik, Medizin u.v.m. aufgearbeitet.
Human-Animal Studies
In den letzten Jahren ist der wissenschaftliche Aspekt an der
Mensch- Tier-
Beziehung gestiegen. Es gibt diverse Arbeitsgruppen, die sich
interdisziplinär mit
diesem Thema auseinandersetzen. Hierzu sollen die „Human- Animal-
Studies“
(HAS) stellvertretend vorgestellt werden. Die HAS arbeiten
international sowie
interdisziplinär zusammen „In den Human- Animal- Studies werden die
kulturelle,
soziale und gesellschaftliche Bedeutung nicht- menschlicher Tiere,
ihre
Beziehung zu Menschen sowie die gesellschaftlichen Mensch- Tier-
Verhältnisse
12
und Rechtswissenschaften, Literatur-, Kunst-, Film- und
Medienwissenschaften,
Geografie sowie die Erziehungswissenschaften und die Psychologie,
aber auch
die Biologie, Medizin und Zoologie. In den Arbeiten werden die
kulturellen,
sozialen und gesellschaftlichen Komponenten von Mensch- Tier-
Beziehungen
betrachtet und analysiert.2
Die Literatur zur Tiergestützten Intervention beinhaltet eine große
Anzahl an
praxisbezogener Literatur, dazu gehören Themen wie die Ethologie
und die
Auswahl, die Haltung und die Ausbildung von verschiedenen
Tierarten. Ebenso
gibt es zahlreiche Publikationen, die sich besonders mit
praktischen Beispielen
und Übungen befassen, die in den verschiedenen Praxisfeldern
Anwendung
finden können. Dabei stützt sich diese Art von Literatur häufig
auf
Erfahrungsberichte. In den meisten Fällen thematisieren die
praxisbezogenen
Publikationen auch grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse zum
Thema
Beziehung.
1 Chimaira - Arbeitskreis, Eine Einführung in Gesellschaftliche
Mensch- Tier- Verhältnisse und Human- Animal Studies. In: Chimaira
– Arbeitskreis, Human- Animal Studies, S. 7-42, 20. 2 Vgl. ebd. S.
20f.
13
Anthropozentrismus und Anthropomorphismus, Empathie, Bindung,
Beziehung
und die Du- Evidenz. Es handelt sich dabei um grundlegende
Begriffe, die auch
in der aktuellen Literatur häufig zu finden sind.
2.1 Biophilie
Mit der Biophilie- Hypothese versuchte der Sozialbiologie Edward O.
Wilson in
seiner Publikation "Biophilia: The Human Bind with Other Species“
die besondere
Mensch- Tier- Beziehung zu definieren und die positive Wirkung der
Tiere auf
den Menschen zu erklären. Er beschreibt darin, dass sich der Mensch
im Laufe
der Geschichte immer zusammen mit anderen Lebewesen entwickelt
hat.3
Der Begriff Biophilie setzt sich aus zwei griechischen Wörtern
zusammen: „bio“
= Leben und „phil“ = Liebe/ Freundschaft. Frei übersetzt bedeutet
Biophilie die
Liebe zum Leben. Unter Biophilie versteht man die „[…] natürliche
Tendenz des
lebendigen Individuums, sich anderen lebendigen Individuen
zuzuwenden.“4
Genauer betrachtet heißt das, dass der Mensch Freude an nicht
menschlichen
Lebewesen sowie der Natur findet, „[…] wobei es sich um eine ganze
Reihe an
angeborenen, mentalen und verhaltensbezogenen Neigungen bzw.
Tendenzen
handeln soll.“5 Diese angeborenen Tendenzen sind im Laufe der
Geschichte
durch kontinuierlichen Kontakt mit anderen Lebewesen
entstanden.
Der Sozialpsychologe Erich Fromm hat betont, dass „[…] Menschen
ausreichend
Kontakt zu einer Vielfalt von Lebewesen und ökologischen Settings
benötigen,
3 Vgl. Olbrich Erhard, Biophilie: Die archaischen Wurzeln der
Mensch- Tier- Beziehung. In: Otterstedt / Olbrich, Menschen
brauchen Tiere, S. 68-76, 69. 4 Dialog im Kolloquium, Biophilie -
die menschliche Hinwendung zum Lebendigen. In: Gefährten.
Konkurrenten. Verwandte, S. 133-157, 153. 5 Kompatscher / Spannring
/ Schachinger, Human-Animal-Studies, S. 71.
14
um gesund zu bleiben, den Sinn ihres Lebens zu finden und sich
zu
verwirklichen.“6
Kellert und Wilson beschreiben in ihrem Sammelwerk auf der
Grundlage von
Beobachtungen und Erfahrungen, sowie anhand von Feldexperimenten,
„[…],
dass Menschen das Bedürfnis haben, mit anderen Formen des Lebens
in
Verbindung zu sein.“7 Verwandtschaft, Neugierde, angstvolle
Beachtung,
Ausnutzung, Gemeinsamkeiten, Empathie oder geistige Einheit können
Gründe
für diese Verbundenheit sein.8 In seiner Arbeit unterscheidet
Kellert neun
verschiedene Arten von Beziehungen des Menschen zur Natur:
die
utilitaristische, naturalistische, sowie die
ökologisch-wissenschaftliche, die
ästhetische, symbolische, humanistische, als auch die
moralistische,
dominierende und die negativistische Perspektive.
• Die utilitaristische Perspektive: Sie beschreibt die Nützlichkeit
der Natur für
den Menschen, z.B. das Dienen des Tieres als Nahrung oder das
Nutzen
besonderer Fähigkeiten (z.B. dessen Kraft) als einen Vorteil.
• Die naturalistische Perspektive: Diese schildert die natürliche
Verbundenheit
zwischen den Menschen und der Natur. Durch den wohltuenden und
tiefen
Kontakt des Menschen mit der Natur kann er entspannen und
neue
Erfahrungen sammeln.
• Die ökologisch- wissenschaftliche Perspektive: Sie befasst sich
mit der
systematischen Beobachtung und Analyse der Natur. Dabei geht es um
den
Wissenserwerb, um das Verstehen von Zusammenhängen, aber auch
um
das Erkennen von Kontrollmöglichkeiten der Natur.
• Die ästhetische Perspektive: Der Mensch fühlt sich von der
Harmonie und der
Schönheit der Natur angezogen. Sie bietet den Menschen Inspiration,
Frieden
oder Sicherheit.
6 Wechsung Silke, Mensch und Hund, S. 81. 7 Olbrich Erhard,
Biophilie: Die archaischen Wurzeln der Mensch- Tier- Beziehung, S.
70. 8 Vgl. ebd.
15
• Die symbolische Perspektive: Der Mensch orientiert sich an den
Schemata
und Kategorien, die er in der Natur findet. Diese Codes findet man
in der
Sprache wieder.
• Die humanistische Perspektive: Sie beschäftigt sich mit den
tiefen, positiven
und naturverbundenen Erlebnissen, die der Mensch mit der Natur
macht. Der
Mensch fühlt sich mit der Natur emotional verbunden.
• Die moralistische Perspektive: Die ethische Verantwortung sowie
die
(spirituelle) Ehrfurcht vor dem Leben und der Natur stehen hier im
Mittelpunkt.
Findet der Mensch z.B. einen verletzten Vogel, so verspürt er den
Drang, dem
Tier zu helfen.
• Die dominierende Perspektive: In einer Beziehung zum Tier als
auch zur
Natur tendiert der Mensch oft dazu, sowohl das Tier als auch die
Natur
kontrollieren, beherrschen und dominieren zu wollen.
• Die negativistische Perspektive: Manche Menschen begegnen der
Natur mit
Angst, Abneigung oder Antipathie. Diese Angst kann sich dabei nur
an ein
bestimmtes Tier richten (z.B. Schlange) oder auf bestimmte
Eigenschaften
(z.B. klein).
Diese neun Kategorien finden sich auch im Zusammenhang mit
der
Tiergestützten Pädagogik wieder. Manche Wirkungen oder
Funktionen
geschehen dabei implizit, d.h., sie sind nicht wirklich erkennbar
und auch nicht
steuer- oder kontrollierbar, wie z.B. Gefühle, Harmonie und
Vertrauen. Andere
Funktionen oder Wirkungen können hingegen gezielt eingesetzt und
kontrolliert
werden.9
Olbrich baut seine These auf Wilson und Kellert auf und erklärt die
Verbundenheit
zwischen Menschen und Tieren damit, dass schon der Mensch im
Kindesalter
eine große Verbindung zur Natur und zu den Tieren pflegt. Kinder
betrachten ihre
Umwelt nicht wie Erwachsene, die dazu neigen, alles zu
reflektieren. Außerdem
glaubt Olbrich, dass diese kindliche Verbundenheit mit der Natur
mit dem Alter
durch Zivilisation und Sozialisation überdeckt oder sogar zerstört
wird.10 Ebenso
9 Vgl. Vernooij / Schneider, Handbuch der Tiergestützten
Intervention, S. 6f. 10 Vgl. Förster Andrea, Tiere als Therapie, S.
16.
16
Lebenssituationen vervollständigen oder ergänzen, indem sie dazu
beitragen
eine evolutionär bekannte Situation zu schaffen.11
2.2 Anthropozentrismus und Anthropomorphismus
Um die Entwicklung der Mensch-Tier- Beziehung besser verstehen zu
können,
werden die Begriffe des Anthropozentrismus und Anthropomorphismus
im
folgenden Absatz genauer erläutert.
Anthropozentrisch (gr. Ánthropos: Mensch, kéntron: Mittelpunkt)
bedeutet, dass
der Mensch im Zentrum des Geschehens steht und alles nur aus seiner
Sicht
wahrgenommen wird. In den Human- Animal- Studies wird der Wunsch
laut,
diese anthropozentrische Sichtweise zu überwinden und zu versuchen,
die Welt
aus der Sicht der Tiere zu sehen. Es stellt sich aber hierbei die
Frage, wie und
auf welche Art und Weise die Tiere die Welt wahrnehmen und sehen
können.12
Mit dieser Problematik beschäftigt sich der Anthropomorphismus (gr.
Ánthropos:
Mensch, morphé: Gestalt). Dabei ist die Übertragung von
menschlichen
Eigenschaften auf Tiere gemeint, umgangssprachlich auch als
"Vermenschlichung“ bekannt. Dadurch, dass man den Tieren
gewisse
menschliche Emotionen, Motive und Intentionen zuspricht, werden
menschliche
und tierische Verhaltensmuster verglichen. Dabei erhofft man sich,
einen Einblick
in die tierische Lebenswelt zu erhalten. Menschen, die mit ihren
Tieren
zusammenleben, machen dies fortlaufend in ihrem Alltag. Dazu gehört
auch die
Fähigkeit, das artspezifische Ausdrucksverhalten (Fauchen, Knurren,
Wedeln,
…) zu verstehen, denn dies bildet die Grundlage für eine gute
Mensch- Tier-
Beziehung. Empathie, die Fähigkeit, sich in ein anderes Wesen
einfühlen zu
können, spielt dabei ebenfalls eine wichtige Rolle. Man vermutet
sogar, dass der
Anthropomorphismus eine angeborene Notwendigkeit ist, damit der
Mensch
einen besseren Umgang mit den Tieren haben kann. Die Wissenschaft
hingegen
11 Vgl. Olbrich Erhard, Biophilie: Die archaischen Wurzeln der
Mensch- Tier- Beziehung, S. 76. 12 Vgl. Kompatscher / Spannring /
Schachinger, Human- Animal- Studies, S. 35.
hat den Anthropomorphismus lange Zeit skeptisch betrachtet, denn
sie war der
Meinung, es handle sich hier nur um eine Vermenschlichung der
Tiere. Durch die
kognitive Ethologie kommt es zu einem Paradigmenwechsel. Mark
Bekoff und
andere Verhaltensforscher verglichen dabei die tierischen
Verhaltensweisen mit
denen der Menschen.13
Donald Griffin gilt als der Begründer der kognitiven Ethologie. Die
kognitive
Ethologie ist ein Teilgebiet der Verhaltensforschung, sie
beschäftigt sich mit den
kognitiven Erfahrungen und Fähigkeiten von Tieren. Dazu
gehören
Untersuchungen über die Vernunft oder das Bewusstsein der Tiere
sowie über
dessen Lernverhalten.14 Dabei gilt es zu beachten, dass sich
Menschen zwar in
ein Tier hineinversetzen, aber nicht wie es sein können
Kay Milton, eine Anthropologin, behauptet, man müsste
Anthropomorphismus
durch Egomorphismus ersetzen. Hierzu erläutert sie, dass man, um
die Tiere zu
verstehen, nicht die gesamte Menschheit als Referenzpunkt ansehen
sollte,
sondern den einzelnen Menschen. Um den eigenen Hund besser zu
verstehen,
ist es deshalb sinnvoller, ihn mit sich selbst zu vergleichen, als
mit anderen
Personen. Um sich in ein anderes Tier hineinversetzen zu können,
ist eine
Annäherung und eine anschließende Interaktion über einen längeren
Zeitraum
von Nöten.15
2.3 Empathie
Ein immer wiederkehrender Begriff, wenn es um die Mensch- Tier-
Beziehung
geht, ist die Empathie. Auch im Kontext der Tiergestützten
Pädagogik ist
Empathie ein wesentlicher Bestandteil. De Waal beschreibt die
Empathie
folgendermaßen: „Empathie erlaubt es einem Lebewesen, sich schnell
und
automatisch den emotionalen Befindlichkeiten eines Anderen
zuzuwenden, das
ist zentral für die Regulation sozialer Interaktionen, für
koordinierte Aktivitäten
13 Vgl. Kompatscher / Spannring / Schachinger, Human- Animal-
Studies, S. 36. 14 Vgl. ebd. 15 Vgl. ebd. S. 38.
und für gemeinsame zielgerichtete Kooperation.“16 Die Zuneigung zum
hilflosen
und schwachen Wesen sowie die Fähigkeit, Mitleid zu empfinden,
machen das
Tier „[…] zu einem ähnlich wie wir fühlenden Wesen.“17 In einem
späteren Kapitel
wird auf die Wichtigkeit der Empathie noch Bezug genommen.
2.4 Bindung und Beziehung
Unter dem Begriff Bindung versteht man die emotionale, enge
Beziehung eines
Menschen zu einem anderen Lebewesen (oder einer Sache). Die
Forschung hat
erkannt, dass Bindung für die menschliche Psyche sowie für dessen
Gesundheit
eine wesentliche Rolle spielt.18 Um die Bindung besser zu
verstehen,
untersuchten Wissenschaftler wie Bowlby die Mutter- Kind- Bindung.
Bowlby
vertritt die Meinung, Bindung sei „[…] ein essenzielles,
lebenslanges
menschliches Bedürfnis, das in allen engen, emotionalen Beziehungen
zwischen
Menschen eine Rolle spielt.“19 Er nennt noch weitere Merkmale für
eine Bindung,
wie das „Gefühl der Sicherheit in Kontakt mit der Fürsorgeperson,
das
Heranziehen der Bindung zur Emotions- und Stressregulation und
die
Repräsentation in einem internalen Arbeitsmodell von
Bindung.“20
Nach Bowlby gibt es vier Merkmale, die eine Bindung von einer
Beziehung
unterscheiden:
• die Fürsorgeperson als sicheren Hafen und
• die Fürsorgeperson als Basis für Exploration.
16 Olbrich Erhard, Bausteine einer Theorie der Mensch- Tier-
Beziehung. In: Otterstedt / Rosenberger, Gefährten. Konkurrenten.
Verwandte, zit. n. de Waal, putting the altruism bak into altruism:
The evolution of empathy. S.59. 17 Vgl. Reichholf Josef H., Die
Bedeutung der Tiere in der kulturellen Evolution des Menschen. In:
Otterstedt / Rosenberger, Gefährten. Konkurrenten. Verwandte. S.
11-25, 22. 18 Vgl. Beetz Andrea, Bindung als Basis sozialer und
emotionaler Kompetenz. In Olbrich / Otterstedt, Menschen brauchen
Tiere, S. 76-83, 76f. 19 Julius / Beetz / Kotrschal / Turner /
Unväs-Moberg, Bindung zu Tiere, S. 107. 20 Beetz, Andrea M.,
Psychologie und Physiologie der Bindung zwischen Mensch und Tier.
In: Otterstedt / Rosenberger, Gefährten. Konkurrenten. Verwandte,
S. 141.
Bowlby hat diese Merkmale für die zwischenmenschliche Beziehung
aufgestellt.
Laut der Psychologin Andrea Beetz treffen vergleichbare Merkmale
auch auf die
Mensch- Tier- Bindung zu. Sie spricht aber nur von Bindung, wenn
die Beziehung
längerfristig anhält.21
Die Bindung lässt sich auf eine physiologische Komponente
zurückführen.
Wissenschaftler konnten bei der Bindung zwischen Mensch und Tier
auch das
Bindungshormon Oxytocin nachweisen, das sich wiederum positiv auf
die
Gesundheit des Menschen auswirkt.22 Das Bindungshormon Oxytocin
gehört zu
den sogenannten Wohlfühlbotenstoffen. Es beeinflusst u.a. die
Haltbarkeit und
das Vertrauen von Beziehungen. Bei den Menschen sowie anderen
Säugetieren
ist Oxytocin die Ursache oder auch die Folge von Bindung. Durch
die
Ausschüttung des Bindungshormons werden soziale Kontakte
stabilisiert, dem
Sozialpartner wird mehr Vertrauen geschenkt und es besteht der
Wunsch, den
Kontakt zu dem Individuum aufrecht zu erhalten.23
Für die wissenschaftliche Erklärung der Mensch- Tier- Beziehung
gibt es noch
relativ wenige Erkenntnisse. Für Simeonov ist die „[…]
Gefühlsansteckung vieler
Säugetiere und sozial hoch entwickelter Vögel“ 24 die Grundlage für
die
Beziehung. Er beschreibt damit die Fähigkeit von sozialen Wesen,
die Emotionen
von andern Lebewesen zu erkennen und darauf zu reagieren. Dies
geschieht mit
Hilfe von Gestik und Mimik sowie durch den Geruch oder den Klang
der Stimme
(Akustik).25
Auch die schon erwähnte Biophilie- Hypothese von Wilson und Kellert
(siehe
Kapitel 2.1), erweist sich als hilfreich, um mehr Einblick in die
Mensch- Tier-
Beziehung zu erlangen, sie erklärt sie jedoch nicht
ausreichend.
Otterstedt unterteilt die Mensch- Tier- Beziehung zum einen in die
Kontrolle und
Funktionalisierung und zum anderen in die emotionale Hinwendung
und
21 Vgl. Germann-Tilman / Merklin / Stamm Näf, Tiergestützte
Interventionen, S. 28. 22 Vgl. Beetz, Andrea M., Psychologie und
Physiologie der Bindung zwischen Mensch und Tier, S. 141. 23 Vgl.
ebd. S. 142. 24Kompatscher / Spannring / Schachinger,
Human-Animal-Studies, zit. n. Simeonov Maria, Die Beziehung
zwischen Mensch und Heimtier, S.20. 25 Ebd.
Vereinnahmung des Tieres.26 Vor allem zu Tieren, die einen
Pflegetrieb besitzen,
ist es leichter, eine Beziehung herzustellen. Bei Tieren, die auch
artintern keine
Sozialbeziehungen pflegen, ist der Beziehungsaufbau durchaus
schwieriger.
2.5 Du- Evidenz
Ein weiterer wesentlicher Ansatz, um die Mensch- Tier- Beziehung
besser zu
verstehen, ist die Du- Evidenz von Geiger.
Bühler prägte den Begriff der Du- Evidenz, er vertrat die Annahme,
dass in jedem
Menschen eine Sehnsucht nach einer Beziehung besteht. Der Mensch
hat die
Fähigkeit eine andere Person als Individuum und somit als ‘Du’
wahrnehmen und
respektieren zu können. 1931 wurde das Konzept der Du- Evidenz von
Geiger
auch auf die Mensch- Tier- Beziehung übertragen. Bühler schreibt
hierzu: „Die
„Du- Evidenz“ entsteht im persönlichen Erleben mit einem anderen
Lebewesen -
Mensch oder Tier - aufgrund der subjektiven Einstellung zu ihm und
der damit
verbundenen Gefühle.“27 Dabei handelt es sich in erster Linie um
einen
sozioemotionalen Prozess. Zum einen wird das in der Beziehung
zwischen
Mensch und Tier deutlich, denn das Tier wird dabei als
gleichberechtigter Partner
angesehen und als solcher auch behandelt. Zum anderen gibt der
Mensch dem
Tier einen Namen, durch diesen sich das Tier von seinen Artgenossen
und der
restlichen Natur klar abgrenzt.28 Durch den Namen wird das Tier
zum
Familienmitglied, zum Adressaten, zu einem Subjekt, das Bedürfnisse
und
Rechte hat. Eine weitere Ausprägung der „Du-Evidenz“ ist, dass das
Tier als
Freund angesehen wird, dem personale Qualitäten zugeschrieben
werden.29
Durch die Sehnsucht nach Beziehung ist es möglich, dass Menschen
Interesse
an einer zweckfreien Solidaritätsgemeinschaft mit Tieren haben.
Meistens geht
26 Vgl. Vernooij Monika A., Beziehungsstrukturen zwischen Mensch
und Tier in einer veränderten Gesellschaft. In: Otterstedt /
Rosenberger, Gefährten. Konkurrenten. Verwandte, S. 158-181, 158.
27 Vernooij Monika A., Beziehungsstrukturen zwischen Mensch und
Tier in einer veränderten Gesellschaft, S. 159f. 28 Vgl. Förster
Andrea, Tiere als Therapie, S. 19. 29 Vgl. ebd. S. 23.
21
die Initiative vom Menschen aus. Ob das Tier diese dann erwidert
oder nicht, ist
dabei von geringer Bedeutung, denn die Du- Evidenz ist auch
einseitig möglich,
da sie vielmehr vom Erleben und Emotionen abhängig ist.30
2.6 Tierethik
Die Tierethik gehört zur Bereichsethik31 und befasst sich seit den
1970er Jahren
mit der Mensch- Tier- Beziehung sowie mit ethischen Fragen rund um
den
Umgang der Menschen mit den Tieren. So beschäftigt sich die
Tierethik z.B. mit
der Nutzung von Heim- und Begleittieren, dem Umgang mit Wildtieren
oder
debattiert über den moralischen Status und die Würde der
Tiere.32
„Was soll ich tun?“, „Wie will ich sein, wie will ich leben?“ und
„In welcher
gesellschaftlichen und politischen Umgebung […] wollen wir und
sollen wir
leben?“ Diese drei Fragen sind für Höffe (1998) die wichtigsten
Fragen in der
Ethik. Versucht man diese Fragen auf die Mensch- Tier- Beziehung
anzupassen,
so könnten sie folgendermaßen lauten: „Welche Pflichten und Normen
sollen
Menschen beim Umgehen mit Tieren beachten? Wie wollen wir sein und
wie
wollen wir zusammen mit Tieren ein für alle Beteiligten gutes
Leben
verwirklichen? Und: Welche sozialen und ökologischen Bedingungen
machen ein
Zusammenleben von Menschen mit Tieren möglich, ja, sogar optimal?33
Auch im
Kontext der Tiergestützten Pädagogik sind tierethische Fragen immer
wieder an
der Tagesordnung. Diese werden noch in den folgenden Kapiteln (??)
genauer
betrachtet.
30 Vgl. Frömming Heiko, Die Mensch- Tier- Beziehung, S. 19. 31
Bereichsethik: die B. ist ein Teil der angewandten Ethik. Dabei
werden ethische Konflikte aus spezifischen Handlungskontexten
bearbeitet. 32 Vgl. Ferrari / Petrus, Lexikon der Mensch- Tier-
Beziehungen, S. 340. 33 Olbrich Erhard, Zur Ethik der Mensch- Tier-
Beziehung aus der Sicht der Verhaltensforschung. In: Olbrich /
Otterstedt, Menschen brauchen Tiere, S. 32-57, 32.
22
3. Die Mensch- Tier- Beziehung: Ein historischer Überblick
Das folgende Kapitel widmet sich der Mensch- Tier- Beziehung. Es
erfolgt
bewusst ein Wechsel der Begrifflichkeit von Bindung zu Beziehung,
da dieser in
der Fachliteratur am geläufigsten ist.
Um die Entwicklung der Beziehung zwischen Menschen und Tieren
besser
verstehen zu können, folgt ein historischer Überblick, der helfen
soll, unsere
heutige Beziehung zu den Tieren besser nachvollziehen zu können.
Dabei stellen
sich folgenden Fragen: Wie ist der Mensch auf das Tier gekommen?
Warum
fühlen sich Menschen überhaupt von den Tieren angezogen und wie
schaut
heute unsere Beziehung zu den Tieren aus?
3.1 Geschichtlicher Rückblick
Von der Steinzeit bis zum Sesshaftwerden
Seit Anbeginn der Menschheit lebte der Mensch mit den Tieren
zusammen,
Höhlenmalereien aus dem 3150 Jh. v. Chr. können das belegen. Bei
den meisten
Bildern, bei denen der Mensch zusammen mit Tieren dargestellt ist,
handelt es
sich um Jagdszenen und/ oder domestizierte Wölfe, die den frühen
Menschen
bei der Jagd geholfen haben.
23
Abbildung 2 Jäger und ringelschwänzige Hunde erlegen einen Widder.
Höhlenmalerei aus einer neolithischen Höhle, Spanien. (Enzyklopädie
der Jagdhunde, Hans Räber)
Abbildung 3
Aber wie ist der Mensch auf den Hund gekommen? Die
WissenschaftlerInnen
sind sich darüber nicht einig. So vertreten manche die Theorie,
dass Wolf und
Mensch begonnen haben, zu kooperieren, weil sie gelernt haben, dass
man bei
der Jagd vom anderen profitieren kann. Einige andere
WissenschaftlerInnen
hingegen vertreten die Annahme, dass sich der Wolf selbst
domestiziert hätte
Der Wolf hat sich dem Menschen genähert, weil er schnell erkannt
hat, dass in
der Umgebung von Menschen eine leichte Futterquelle zu finden ist.
So hat der
Wolf immer häufiger die Nähe des Menschen gesucht, um sich von
dessen
Abfällen zu ernähren.34 Andere ForscherInnen wiederum gehen von
einer
künstlichen Selektion aus. Sie glauben, dass der Mensch verwaiste
Wolfswelpen
bei sich aufgenommen hat, diese aufgezogen, somit auch gezähmt und
an sich
gebunden hat.35 Es ist aber sehr schwierig den genauen Zeitpunkt
des Beginns
der Domestikation zu datieren. Man kann jedoch sagen, dass die
Domestikation
in der Epoche des Homo erectus (dem aufrechten Menschen) in der
Altsteinzeit
begonnen hat, denn in dieser Zeit begann der Mensch mit dem aktiven
Jagen
34 Vgl. Wechsung Silke, Mensch und Hund, S. 27. 35 Vgl. ebd.
24
und Töten von Tieren.36 Wissenschaftliche Untersuchungen schätzten
die
Domestikation des Wolfes zwischen 15.000 und 100.000 Jahren vor
unserer Zeit.
Genetische Untersuchungen haben bestätigt, dass der Haushund
(canis
familiaris) vom Wolf (canis lupis) abstammt und der Hund somit das
älteste
Haustier des Menschen ist. 37
Warum aber ausgerechnet der Wolf? Der Wolf lebt in einem
ähnlichen
Sozialgefüge wie der Mensch, es bestehen einige Ähnlichkeiten
zwischen dem
Sozialverhalten der Menschen und des Wolfes: Damit ein Welpe
überleben kann,
ist er auf das ganze Rudel angewiesen. Auch bei der Erziehung eines
Kindes
sind alle Familienmitglieder wichtige Stützen. Fleisch ist für
Mensch und Wolf die
Hauptnahrungsquelle. Um zu überleben, jagen mehrere
Gruppenmitglieder
zusammen und teilen die Beute im Rudel bzw. in der Familie auf. Die
Gruppe hält
nach innen zusammen und verteidigt sich nach außen gegen Feinde. Im
Inneren
der Gruppe herrscht eine klare Sozialordnung.38 Der Wolf und der
Mensch sind
anfangs nicht sesshaft, sondern leben halbnomadisch. All diese
vielen
Gemeinsamkeiten begünstigen somit eine Annäherung und später
ein
Zusammenleben zwischen Mensch und Wolf.
Ab wann genau man nun von Hund und nicht mehr Wolf sprechen kann,
ist
unklar. In der Chauvet- Höhle hat man Pfotenabdrücke eines Hundes
gefunden,
die sich um das Jahr 25.000 v.Chr. datieren lassen. Die ältesten
Knochenfunde
der ersten Haushunde stammen aus den Jahren um 14.000 v.Chr.
Der domestizierte Wolf wurde anfangs vor allem für die Jagd
eingesetzt, als
Bewacher sorgte er dafür, dass sich wilde Tiere nicht näherten.
Als
Gegenleistung erhielt er seinen Anteil an der Beute. Es ist davon
auszugehen,
dass das Zusammenleben für beide Seiten einen Sinn machte. Doch der
Wolf
war nicht das einzige vom Menschen domestizierte Tier. Die
Menschen
begannen nun auch weitere Tiere, wie Ziegen, Schafe, Rinder oder
Schweine zu
domestizieren. Diese Tiere unterschieden sich in einem großen
Aspekt zum Wolf,
denn sie wurden hauptsächlich für die Nahrungsversorgung oder als
Hilfe für die
36 Vgl. Reichholf Josef H., Die Bedeutung der Tiere in der
kulturellen Evolution des Menschen. In: Otterstedt / Rosenberger,
Gefährten. Konkurrenten. Verwandte, S. 11-26, 18. 37 Vgl. Wechsung
Silke, Mensch und Hund, S. 27. 38 Vgl. Reichholf Josef H., Die
Bedeutung der Tiere in der kulturellen Evolution des Menschen, S.
18.
25
Arbeit gezüchtet39 Durch die eigenen Herden war der Mensch nicht
mehr
gezwungen, Wildtieren nachzufolgen, er wurde mit der Zeit immer
sesshafter und
der Mensch begann, den Boden für sich zu nutzen. Ab dieser Zeit
scheint die
Wandlung des Wolfes zum Hund eingetreten zu sein. Denn für die neue
Art der
Lebensform eignete sich das Tier zum Bewachen und Beschützen
der
Viehherden und des Landes.
Der Hund ist das einzige domestizierte Tier, das so viele
verschiedene
Funktionen einnimmt. Im Laufe der Zeit selektierte der Mensch durch
bewusste
Zucht verschiedene Hunderassen und somit Hunde für
unterschiedliche
Arbeitsbereiche. Er züchtete und trainierte gezielt Schutzhunde,
Wachhunde,
Jagdhund und Hirtenhunde. Vor allem ab dem Ende des 19. Jh. wurden
die
verschiedensten Hunderassen wegen ihrer Fähigkeiten oder ihres
Aussehens
speziell selektiert. Heute erkennt die „Fédération Cynologique
International“
(FCI), die Weltorganisation der Kynologie, 346 verschiedene
Hunderassen an.40
Durch die Sesshaftwerdung und die damit verbundene Viehzüchtung
änderte
sich nun auch die Beziehung des Menschen zum Tier. Die Jäger
töteten wilde
Tiere, die ihnen fremd waren und zu denen sie keine persönliche
Beziehung
pflegten. Der Viehzüchter musste die eigenen Tiere aber auch
dementsprechend
gut kennen, sie gut versorgen und sich z.B. bei Krankheit
entsprechend ihrer
annehmen.
Mittelalter
Im Mittelalter änderte sich das Naturverständnis basierend auf der
aristotelischen
Philosophie. Diese lehrte, dass es in der Natur eine Stufenfolge
gab, zuerst der
Mensch, dann die Tiere und anschließend die Pflanzen. Aristoteles
teilte die
Natur in seelenloses Leben, wie Wasser, Steine oder Sand und in
beseelte Leben
ein, dazu gehören Menschen und Tiere. Die Pflanzenwelt zählte er zu
den
seelenlosen Wesen. Das höhere Wesen auf der Stufenfolge besitzt das
niedere.
39 Vgl. Kompatscher / Spannring / Schachinger, Human- Animal-
Studies, S. 67. 40 Vgl.
http://www.fci.be/de/Prasentation-unserer-Organisation-4.html.
(Stand 04.01.2019).
Diesen Ansatz kann man auch bei Thomas v. Aquin (1225-1274)
wiederfinden41,
wie das folgende Zitat zu verstehen gibt: „So sind in der Ordnung
der Dinge die
beseelten Dinge vollkommener als die unbeseelten, die Tiere
vollkommener als
die Pflanzen, und die Menschen schließlich sind vollkommenen als
die anderen
Tiere.“42
Renaissance
Der Philosoph René Descartes (1596-1650) war der Überzeugung, dass
nur der
Mensch eine unsterbliche Seele besitze, das Tier hingegen nicht. Er
lehnte sogar
ab, dass Tiere Verstand, Sprache und Bewusstsein hätten. Zudem
verglich
Descartes die Tiere mit Maschinen, die nicht denken und fühlen
können wie
Menschen. So wie man Maschinen programmieren kann, so kann man auch
das
Verhalten der Tiere programmieren43. Dies hatte zur Folge, dass die
Tiere also
wie Maschinen behandelt wurden, die weder Schmerz noch Leid
verspüren. Der
Mensch wurde als einziges Wesen mit Verstand angesehen. Diese
Sichtweise
zog sich weiter bis ins 20. Jh. und ermöglichte so z.B. auch die
Tierproduktion
oder wissenschaftliche Experimente, in denen Tiere missbraucht
wurden.44
Industrielle Revolution
Ein sehr großer Umbruch für die Gesellschaft und das Leben der
Menschen, aber
auch für das Verhältnis zwischen Mensch und Tier, brachte die
industrielle
Revolution im 18. Jh. mit sich. Viele Tiere, gezüchtet ursprünglich
für eine
gewisse Arbeit bzw. Funktion wurden nun durch Maschinen ersetzt.
Das Pferd
als ehemaliges Arbeitstier wurde nun zum Sport- oder
Prestigeobjekt. Jagd- und
Hirtenhunde verloren ihre Arbeit und wurden zusammen mit Katzen
mehr nur aus
emotionalen Gründen gehalten. Somit kam es auch zu einer
starken
41 Vgl. Frömming Heiko, Die Mensch- Tier- Beziehung, S. 5f. 42
Frömming Heiko, Die Mensch- Tier- Beziehung, zit. n. Thomas v.
Aquin, Staguhn, S. 55. 43 Vgl. Hagencord Rainer, Vergessene
Gefährten, S. 21. 44 Vgl. Otterstedt Carola, Kultur- und
religionsphilosophische Gedanken zur Mensch- Tier- Beziehung. In:
Olbrich / Otterstedt, Menschen brauchen Tiere, S. 15-31, 24.
27
Unterscheidung zwischen Nutz- und Haustieren.45 Auf der einen Seite
muss das
domestizierte Tier schlimmste Behandlungen ertragen und wird bis zu
seinem
Tod ausgebeutet, auf der anderen Seite erlangt das Haustier
höchste
Wertschätzung und eine enge Verbindung und Beziehung wird
aufgebaut.46
Aufklärung
Im Zuge der Aufklärung veränderte sich wiederum das Bild der
Mensch- Tier-
Beziehung. Bis dahin wurde der Mensch als das einzige Wesen mit
Vernunft
anerkannt. Durch den Vernunftgebrauch unterschied sich der Mensch
von den
Tieren und der Natur. Die Mensch- Tier- Beziehung war zudem auch
stark
geprägt von einem Besitzdenken und einer Dominanzvorstellung
gegenüber dem
Tier.47 Doch durch die ethischen Reflexionen von Jean- Jacques
Rousseau
(1712-1778) änderte sich diese Sichtweise. Man verstand, dass nicht
mehr die
geistige Leistung das einzige war, das zählte. Fühlen und
Sensibilität sind etwas,
was Mensch und Tier gemeinsam haben. So fühlte sich der Mensch dem
Tier
immer mehr verpflichtet und erste Tierrechte und
Tierschutzbewegungen
entstanden. Handlungen wurden nun nicht mehr mit dem Verstand
gerechtfertigt,
sondern auch den Empfindungen der Tiere wurde Achtung geschenkt.48
In
England gibt es z.B. seit 1770 ein Gesetz, das festlegt, dass jeder
der mutwillig
und grausam gegenüber Tieren handelt, bestraft wird.49
Mit Charles Darwin (1809-1882) änderte sich das aristotelische
Denken noch
mehr, denn Darwin kehrte die Stufenrangfolge um. Er zählte den
Menschen zur
Spezies der Primaten und somit zu den Tieren. 50
45 Vgl. Kompatscher / Spannring / Schachinger, Human- Animal-
Studies, S. 68. 46 Vgl. Otterstedt / Rosenberger, Gefährten.
Konkurrenten. Verwandte, S. 12. 47 Vgl. Otterstedt Carola, Kultur-
und religionsphilosophische Gedanken zur Mensch- Tier- Beziehung,
S. 24. 48 Vgl. ebd. S. 24f. 49 Vgl. Frömming Heiko, Die Mensch-
Tier- Beziehung, S. 6. 50 Vgl. ebd.
28
Neuzeit
Durch die zunehmende Industrialisierung wurde aus dem „Du ein Es“,
so Carola
Otterstedt. Das Tier wurde immer mehr als Sache betrachtet und wie
eine Sache
behandelt. Mastbetriebe, Massentierhaltung und Tierproduktion
standen auf der
Tagesordnung. Durch diese extreme Veränderung der Mensch- Tier-
Beziehung
wurden viele weitere soziale Gruppen, und Tierschutzbewegungen ins
Leben
gerufen, die sich für ein besseres Leben der Tiere einsetzen. Auch
die Tierethik
hat hier ihre ersten Wurzeln. Im Gegensatz dazu hat sich die
Beziehung zum
Haustier anders entwickelt, es hat eine emotionale und
psychosoziale Bedeutung
für den Menschen bekommen und soll das menschliche Bedürfnis nach
Kontakt
mit der Natur befriedigen.51
So meint Plötz: „[…] es (das Tier) stellt eine Verbindung her zum
vielfach verloren
gegangenen ursprünglichen Leben und hilft, die technische Welt in
ihrer
Einsamkeit und Seelenlosigkeit zu bewältigen.“52
Diese zwiespältige Bild der Mensch- Tier- Beziehung findet man bis
heute in der
Gesellschaft. Seit der Steinzeit hat keine Epoche ein dermaßen
gespaltenes
Verhältnis zum Tier, wie die heutige Gesellschaft.
3.2 Die Mensch-Tier-Beziehung in der modernen Gesellschaft
In der heutigen industrialisierten und technologischen Welt pflegt
der Mensch zu
den Tieren ein sehr ambivalentes Beziehungsverhältnis:
massenhafte
Fleischproduktion vs. tierische Helfer.
Die meisten Nutztiere werden nur unter dem Aspekt von Leistung und
Profit
gehalten, während Haustiere oft funktionalisiert und
instrumentalisiert werden.
Sie sollen psychische und emotionale Bedürfnisse der Menschen
decken.53 In
51 Vgl. Otterstedt Carola, Kultur- und religionsphilosophische
Gedanken zur Mensch- Tier- Beziehung, S. 25. 52 Pohlheim Katja, Vom
Gezähmten zum Therapeuten, zit. n. Plötz, Fritz, Kind und lebendige
Natur.
Psychologische Voraussetzungen der Naturkunde in der Volksschule.
S. 23. 53 Vgl. Vernooij Monika A., Beziehungsstrukturen zwischen
Mensch und Tier in einer veränderten Gesellschaft, S. 160.
29
einer Gesellschaft, in der vieles nur noch auf Profit und Leistung
ausgerichtet ist,
wird auf Tiere häufig eine Ausgleichsfunktion übertragen. Vernooij
ist hierbei der
Ansicht: „Mit dem Tier verbindet sich einerseits die Vorstellung
einer
verlässlichen, konfliktfreien Beziehung und andererseits, aufgrund
eines
tiefverwurzelten, subjektiv empfundenen Machtgefälles zwischen
Mensch und
Tier – zumindest bezogen auf Heimtiere – die Sicherheit, das Objekt
der
Zuneigung kontrollieren und beherrschen zu können.“54
Feddersen- Petersen vertritt die Ansicht, dass Menschen oft
anthropozentrisch
handeln, auch wenn sie glauben, ihre Tiere gut zu behandeln. Sie
schauen häufig
zu sehr auf die eigenen Interessen, anstatt die Tiere als
Mitgeschöpfe
anzusehen.
Die Gesellschaft unterteilt die Tiere in Nutztiere und Gefährten.
Zu den Nutztieren
zählen jene Tiere, die vom Menschen nur zum Zweck gehalten werden,
um
Produkte wie Fleisch, Wolle, Honig und Eier zu erzeugen. Auch jene
Tiere, deren
bestimmte Fähigkeiten zu einem bestimmten Nutzen eingesetzt werden,
wie
Polizeihunde, Reitpferde, Wach- und Hütehunde, kann man in die
Kategorie der
Nutztiere einteilen. Im Gegensatz dazu stehen all jene Tiere, die
der Mensch als
seine Gefährten ansieht. Dies sind in den meisten Fällen Haustiere
wie Hund,
Katze, Hase, Pferd, u.a. Sie teilen sich mit dem Menschen das Leben
und der
Mensch kümmert sich um die Bedürfnisse seiner Tiere.55
54 Vgl. Vernooij Monika A., Beziehungsstrukturen zwischen Mensch
und Tier in einer veränderten Gesellschaft, S. 161. 55 Vgl. Janich
Peter, Der Mensch und seine Tiere, S. 181.
30
Beziehung
Die Basis jeglicher Tiergestützten Intervention ist die Mensch-
Tier- Beziehung,
durch die für den Menschen hilfreiche und positive sowie
förderliche Effekte
erzielt werden können. Die Mensch- Tier- Beziehung ist jedoch sehr
komplex. In
den folgenden Kapiteln wird diese Beziehung deshalb aus
verschiedenen
Perspektiven betrachtet.
4.1 Erklärungsansätze für die Mensch- Tier- Beziehung
„Die Nähe zum Tier ist gerade deswegen so reizvoll, weil wir
zugleich eine
Andersartigkeit und Fremdheit spüren, und weil wir ahnen können,
dass wir hierin
etwas von uns selbst wiedererkennen könnten“56 so versuchte Körner
zu
erklären, warum sich der Mensch so sehr von den Tieren angezogen
fühlt.
Ebenso versuchten ForscherInnen verschiedene theoretische Ansätze
zu
entwickeln und haben versucht, darauf eine Antwort zu finden.
Einige dieser
verschiedenen Ansätze werden im folgenden Kapitel genauer
betrachtet.
4.1.1 Warum fühlt sich der Mensch so sehr vom Tier angezogen?
Evolutionäre Verhaltensforscher können belegen, dass der Mensch
‚Anlagen‘
besitzt, die ihm helfen, besser mit den Tieren umzugehen. Durch
die
Gehirnfunktionen sind Menschen in der Lage, sich in die ihnen am
nächsten
verwandten Tiere hineinzuversetzen und so z.B. Reaktionen von
Vögeln oder
anderen Säugetieren besser voraussehen.57 Zudem sind die
sozialen
Fähigkeiten sowie die ‚niederen Prozesse‘ (Instinkte) von Menschen
und
56 Förster Andrea, Tiere als Therapie, zit. nach Körner, Jürgen,
Bruder Hund und Schwester Katze, S. 116. 57 Vgl. Reichholf Josef
H., Die Bedeutung der Tiere in der kulturellen Evolution des
Menschen, S. 14.
31
gewissen Tieren, insbesondere die der Wirbel- und Säugetiere, sehr
ähnlich (vgl.
Domestikation des Wolfes). Bei den Säugetieren gibt es zusätzlich
Ähnlichkeiten
in der Aufzucht ihrer Kinder 58
Evolutionär bedingt zeigt der Mensch aber auch ein sehr großes
Interesse an der
Natur und den Tieren (vgl. Biophilie- Hypothese 2.1.). Somit kommt
die
Verhaltensforschung auf den Schluss, dass der Mensch anderen Tieren
im
Wesentlichen gleich ist. Obwohl sich der Mensch im Laufe der
Geschichte weit
weg vom Tier entwickelt hat, kann die Verhaltensforschung trotzdem
belegen,
wie nahe sich Mensch und Tier sind. 59 Auch physiologisch
betrachtet findet man
zwischen Menschen und Tieren viele Gemeinsamkeiten. Die Anordnung
des
Gesichtes, zwei Augen, Nase und Mund, teilt der Mensch nicht nur
mit Primaten
oder Säugetieren, sondern auch mit Vögeln, Eidechsen, ja sogar
Bienen.60
Eine Reihe von ForscherInnen konnten nachweisen, dass das
Oxytocinhormon
bei der Beziehung zwischen Mensch und Tier auch eine nicht zu
unterschätzende
Rolle spielt. Es löst im Gehirn den Bindungsmechanismus aus, sorgt
dafür, dass
Individuen, die dieselben (Reproduktions-)Aufgaben haben,
zusammenbleiben
und sich gegenseitig unterstützen.61 Empathie ist dabei auch ein
nicht zu
vergessender Aspekt.
Für De Waal hingegen sind die emotionale Ansteckung, die
„einfühlende
Besorgnis“ und die Fähigkeit zu Würdigung der Situation eines
anderen wichtig,
wenn es um Beziehung zu andern Lebewesen geht.62
Für den Sozialethiker Teutsch ist das Besondere an der Mensch-
Tier-
Beziehung, dass sich Mensch und Tier „[…] unter bestimmten
Bedingungen
gegenseitig als Artgenossen akzeptieren und auch eine
Sozialbeziehung
zueinander aufbauen“ können.63 Dies macht er an folgenden drei
Tatsachen fest:
58 Vgl. Beetz Andrea, Bindung als Basis sozialer und emotionaler
Kompetenz, S. 81. 59 Vgl. Kotrschal Kurt, Die evolutionäre Theorie
der Mensch- Tier- Beziehung, S. 55-76, 55. 60 Vgl. Förster Andrea,
Tiere als Therapie, S. 19. 61 Vgl. Kotrschal Kurt, Die evolutionäre
Theorie der Mensch- Tier- Beziehung, S. 58. 62 Vgl. ebd. S. 59. 63
Förster Andrea, Tiere als Therapie S. 6.
32
1. Menschen nehmen Tiere in ihre Gruppen auf und auch
umgekehrt.
2. Wenn Tierbabys von Menschen aufgezogen werden, akzeptieren sie
diese als
ihre Eltern. Auch hier ist das Beispiel umgekehrt möglich, denn
viele kinderlose
Menschen schaffen sich Tiere als „Kinderersatz“ an.
3. Es kann zwischen Menschen und Tieren innerhalb von
gleichgeschlechtlichen
und andersgeschlechtlichen Partnerschaften zu Rivalitäten kommen.
Der Partner
kann in einer Beziehung auf das Haustier eifersüchtig sein, aber
auch das
Haustier auf den Partner.64
Teutsch ist der Meinung, wenn zwei Lebewesen sich verständigen
können, ist
auch Interaktion möglich, das bedeutet, laut Teutsch, dass in dem
Moment
soziale Beziehung entsteht.65 Obwohl Mensch und Tier sehr
verschieden sind,
ist es möglich, dass sie miteinander interagieren. Damit aber
eine
Sozialbeziehung zwischen Menschen und Tieren funktionieren kann,
werden von
beiden Seiten gewisse Fähigkeiten erwartet, wie z.B. die
Kommunikationsfähigkeit oder eine gewisse soziale
Fähigkeit.66
Viele Menschen sehen in ihren Tieren (in den meisten Fällen in
ihren Haustieren)
eine emotionale und soziale Unterstützung. Sie geben ihren
Besitzern Halt und
Sicherheit. Tiere sind fähig, das Verhalten und die Emotionen des
Menschen sehr
gut widerzuspiegeln, direkter als es andere Menschen tun, und
können so ein
sehr zuverlässiger Interaktionspartner sein. Tiere bewerten den
Menschen
zudem nicht nach seiner Leistung oder nach seinem Aussehen, weshalb
sie von
vielen Menschen als sicherer Bezugspunkt angesehen werden.67
4.1.2 Kindchenschema und Fürsorgeverhalten
Ein weiterer Ansatz, der sich damit beschäftigt, warum Mensch und
Tier sich
voneinander angezogen fühlen, ist das sogenannte Kindchenschema und
das
64 Förster Andrea, Tiere als Therapie S. 6. 65 Vgl. ebd. 66 Vgl.
ebd. 67 Vgl. Germann-Till / Merklin / Stamm Näf, Tiergestützte
Intervention, S. 28.
33
reagieren viele Menschen mit dem instinktiven Wunsch, es
anzufassen, zu
streicheln, zu pflegen und zu schützen. Insbesondere Tiere mit Fell
oder Federn
wecken diesen Instinkt im Menschen. Insekten, Fische oder Amphibien
hingegen
aktivieren beim Menschen eher ein exploratives Verhalten.68
Der Verhaltensforscher Konrad Lorenz erkannte, dass das
Fürsorgeverhalten
nicht nur zwischen den einzelnen Spezies besteht, sondern auch
zwischen
verschiedenen Arten möglich ist. Der Begriff Kindchenschema
beschreibt, dass
Jungtiere im Vergleich zum Erwachsenen, einen „[…] relativ großen,
runden Kopf
mit vorspringender Stirn und vorspringenden Backen, großen Augen,
kurzen
Beinen und Armen sowie einen rundlichen Körper“69 haben. Alle
diese
Eigenschaften zusammen empfindet der Mensch als ‚niedlich‘ und es
aktiviert in
ihm das Pflege- und Fürsorgeverhalten. Durch die Domestikation hat
sich mit der
Zeit bei gewissen Hunderassen dieses Kindchenschema besonders
verstärkt.
Dies trifft besonders auf Schoß- und Zwerghunde zu. Diese Hunde
lösen bei
Menschen das Fürsorgeverhalten und die Zuwendung aus. Sie
aktivieren aber
auch das oxytocin-bezogene Belohnungssystem im Gehirn. So könnte
man
durchaus sagen, dass diese ‚Kumpanentiere‘ ein soziales Bedürfnis
des
Menschen befriedigen70
Das soziale Bedürfnis des Menschen sowie das Bedürfnis nach einem
Partner
können Tiere, insbesondere Kumpanentiere, gut ausgleichen, denn
durch gute
Betreuung reagieren sie mit bedingungsloser Zuwendung. Zudem sind
sie
weniger anspruchsvoll als ein menschlicher Partner und reagieren
nicht verbal.71
„Im Grunde sind Beziehungen zu Kumpanentieren
‚essenzialisierte‘
Beziehungen, mit einem starken Fokus auf die emotionale Ebene,
nahezu ohne
jene kulturelle Komponente, wie etwa divergierende Vorstellungen
über die
Ordnung im Haus, den Bekleidungsstil oder die politische
Orientierung, die
68 Vgl. Julius / Beetz / Kotrschal / Turner / Unväs-Moberg, Bindung
zu Tiere, S. 28. 69 Ebd. 70 Ebd. S. 30. 71 Ebd. S.50.
Kumpanentiere sind fähig und willens, sich wesentlich
kompromissloser und
asymmetrischer an die Besonderheiten und Bedürfnisse ‚ihrer‘
Menschen
anzupassen, als das die meisten menschlichen Partner könnten oder
wollten.“72
4.2 Die Kommunikation zwischen Mensch und Tier
Um miteinander in Beziehung treten zu können, bedarf es eine Form
der
Kommunikation. Damit diese Beziehung auch funktionieren kann,
müssen beide
Individuen miteinander kommunizieren. So betrachtet ist
Kommunikation auch
sehr wichtig, wenn Tiere in der therapeutischen und pädagogischen
Arbeit
eingesetzt werden.73 Schon Michel de Montaigne (1533-1592), ein
französischer
Philosoph und Vater der modernen Tierpsychologie, war der Meinung,
dass
Menschen und Tiere eine soziale Beziehung eingehen können und
nonverbal
miteinander kommunizieren können.74
Laut Watzlawick (1969) kann man „[…] nicht nicht kommunizieren.“75
Watzlawick
hat seine Axiome über die Kommunikation allerdings nur auf
der
zwischenmenschlichen Ebene betrachtet. Dennoch treten zwei
Lebewesen, egal,
ob Mensch und/ oder Tier in Beziehung, sobald sie sich
gegenseitig
wahrnehmen. Wenn ein Tier z.B. abgewandt oder desinteressiert
wirkt, so teilt es
dem Menschen dennoch etwas mit.76 Watzlawick unterscheidet zwei
Arten der
Kommunikation: analoge und digitale Kommunikation. Tiere
untereinander
kommunizieren nur nonverbal, also analog. Menschen können im
Unterschied
dazu untereinander auch digital kommunizieren. Mit der
nonverbalen
Kommunikation ist es möglich, viel mehr auszudrücken, denn sie
bedient sich der
Mimik, Gestik, Körpersprache, Stimme und Stimmlage. Auch Gefühle
und
72 Julius / Beetz / Kotrschal / Turner / Unväs-Moberg, Bindung zu
Tiere, S. 50. 73 Vgl. Frömming Heiko, Die Mensch-Tier-Beziehung, S.
20. 74 Vgl. ebd. 75 Vernooij / Schneider, Handbuch der
Tiergestützten Intervention, zit. nach Watzlawick / Beavin /
Jackson, Menschliche Kommunikation: Formen, Störungen, Paradoxien,
50f. 76Vgl. Förster Andrea, Tiere als Therapie, S. 24.
Emotionen spielen in der nonverbalen Kommunikation eine große Rolle
und
somit sind sie auch ein wesentlicher Teil der Beziehung.77 Will der
Mensch mit
einem Tier in Kontakt treten, so muss er sich auf diese Art der
Kommunikation
einlassen, d.h., er muss sich auch mit der jeweiligen
Kommunikationsart des
Tieres befassen, um so gut wie möglich mit dem Tier in Beziehung zu
treten,
denn jede Tierart hat ihre eigene Art, zu kommunizieren.
Otterstedt vertritt die Meinung, dass sich gewisse Menschen von
Tieren besser
verstanden und angenommen fühlen als von Menschen. Eine mögliche
Erklärung
dafür wäre, dass „[…] diese Menschen Emotionen und
Befindlichkeiten
unverfälscht nonverbal äußern, sprachlich aber niemals so direkt
vermitteln
könnten“ 78.
Durch den Umgang mit Tieren kann der Mensch die nonverbale
Kommunikation
bewusst erlernen und vertiefen und diese auch im
zwischenmenschlichen
Bereich umsetzen. Dabei sind auch Empathie, Selbstkongruenz
und
Selbstvertrauen Voraussetzungen, damit die Kommunikation zwischen
Mensch
und Tier gelingen kann. Dies ist ein wesentliches Ziel in der
therapeutischen
Arbeit, den Menschen und Kindern dabei zu helfen, diese Fähigkeiten
zu festigen
und so auch zu einer Verbesserung der Lebensqualität
beizutragen.79
4.3 Kinder und Tiere
Die meisten Kinder fühlen sich zu Tieren hingezogen, besonders
Kleinkinder
fühlen sich in der Nähe eines Tiers sicher und geborgen. Oft fällt
es Kindern
leichter, Kontakt zu einem Tier herzustellen, denn sie können mit
wenig
Kommunikation eine Beziehung zu den Tieren aufbauen, da sie
unvoreingenommen und meistens ohne Angst auf die Tiere zugehen.
Wachsen
Kinder mit Tieren auf, so lernen sie schon früh, sich um die Tiere
zu kümmern
und Verantwortung zu übernehmen. Sie entwickeln ein Gespür für
die
77 Vgl. Förster Andrea, Tiere als Therapie, S. 24. 78 Wechsung
Silke, Mensch und Hund, S. 79. 79 Vgl. Vernooij / Schneider,
Handbuch der Tiergestützten Intervention, S. 25.
36
Bedürfnisse der Tiere und werden so auch sensibler im Umgang mit
anderen
Menschen. Studien haben beschrieben, dass Kinder, die mit einem
Haustier
aufwachsen, bessere soziale Fähigkeiten entwickeln, wie z.B. die
Integration in
eine Gemeinschaft, bessere Kooperation zeigen, flexibler sind und
zu weniger
Aggressivität neigen. Levis ist der Meinung, dass „[…] ein
tierischer Freund dem
Kind die Aufgabe des Großwerden zu meistern“80 hilft. Für die
Kinder sind die
Tiere wie ein Freund, der immer für sie da ist, sie sind „[…] ein
beständiger
Partner, ein zuverlässiger Zuhörer.“81 Gerade in schwierigen
Zeiten, wie bei
Leistungsdruck seitens der Schule und/oder der Eltern, bei der
Trennung der
Eltern, Streit und/oder Misserfolgen können Tiere hilfreich sein.
Tiere schaffen
einen Ausgleich und werden von den Kindern als immer anwesende
Konstante
gesehen, die auch in schwierigen Situationen für das Kind da sind,
Sicherheit
und Halt geben, es von anderen Dingen ablenken und zum
Positiven
motivieren.82
Wichtig ist aber auch zu erwähnen, dass Kinder vor allem mit Hunden
nicht
alleine und unbeaufsichtigt gelassen werden sollen. Kleinkinder
haben noch
keine ausgeprägte Empathie und können sich daher auch noch schwer
in andere
Lebewesen hineinversetzen. So kann es zu
Kommunikationsproblemen
zwischen Kind und Hund kommen, die dann auch tragisch enden können.
In den
meisten Fällen sind weder Kind noch Hund daran schuld, da sie nicht
in der Lage
sind, angemessen miteinander zu kommunizieren, sondern
ausschließlich die
Bezugsperson, die zugelassen hat, dass Kind und Hund alleine
sind.83
4.5 Haben Tiere Bedürfnisse?
Im Zusammenhang mit der Mensch- Tier- Beziehung fällt auch immer
wieder der
Begriff „Bedürfnis“. Das folgende Kapitel versucht, eine Antwort
auf die Frage zu
80 Förster Andrea, Tiere als Therapie, zit. n. Levinson Boris, the
dog as a „Co-Therapist“, S.59ff. 81 Ebd. 82 Vgl. ebd. 83 Vgl.
Stetina Birgit U., Ethische Aspekte der Psychologie in der Mensch-
Tier- Beziehung, S. 114.
37
finden, ob Tiere Bedürfnisse haben und wenn ja, welche und ob der
Mensch in
der Lage ist, diese auch artgerecht zu decken.
Zunächst soll eine Begriffsklärung vorgenommen werden. Bergius
definiert den
Begriff Bedürfnis wie folgt: Ein Bedürfnis „[…] der Zustand eines
Mangels an
Stoffen und Reizen, die ein Lebewesen notwendig zu seiner
Entfaltung und Erhalt
benötigt, zum anderen aber auch das Gefühl, das mit dem Erleben des
Mangels
und mit dem Streben nach der Beseitigung dieses Mangels
(Bedürfnisbefriedigung) verbunden ist, […].“84 Je nach Tierart und
Rasse ist es
verschieden, was für den Selbsterhalt, den Selbstaufbau und die
Fortpflanzung
benötigt wird. Das Tier sucht seine Umgebung ab, um seine
Bedürfnisse zu
befriedigen und so den bestehenden Mangel zu decken. Dabei handelt
es sich
zum Teil um angeborenes Verhalten, aber auch um erlerntes
Verhalten. Zur
Bedarfsdeckung gehört auch die Schadensvermeidung, die sich von
Tier zu Tier
unterscheidet und die auch erlernt oder angeboren sein kann.85
Tiere können
aber auch lernen, die Schadensvermeidung auszuhalten bzw. zu
kontrollieren.
Ein Pferd, das von Natur aus ein Fluchttier ist, würde in der Natur
bei einer
plötzlichen Bewegung davonlaufen. Es kann aber auch lernen, dass
ein
vorbeirennender Hund (= plötzliche Bewegung) keine Bedrohung
darstellt und es
nicht relevant ist für die Schadensvermeidung, davonzulaufen. Ist
dies der Fall,
so spricht man von einer Habituation, also eine Gewöhnung an
Umweltreize.
Gerade im Tierschutz stellt sich immer wieder die Frage nach den
Bedürfnissen
der Tiere. Mangelnde Tiergerechtheit definiert Tschanz
folgendermaßen:
„Indikatoren […] für eine mangelnde Tiergerechtheit der
Haltungsumgebung sind
körperliche Schäden und Erkrankungen, eine verminderte
Fortpflanzung.“86
Sambraus fügt zur Aussage von Tschanz noch hinzu: „[…] oder
Verhaltensänderungen, die im Hinblick auf Art, Weise oder
Häufigkeit erheblich
vom Normalverhalten abweichen.“87 Was die Bedarfsdeckung und
die
84 Vgl. Bohnet Willa, Die Bedürfnisse der Tiere in der Mensch-
Tier- Beziehung. In: Otterstedt / Rosenberger, Gefährten.
Konkurrenten. Verwandte, S. 26-48, 27. 85 Vgl. ebd. 86 Bohnet
Willa, Die Bedürfnisse der Tiere in der Mensch- Tier- Beziehung.
In: Otterstedt / Rosenberger, Gefährten, Konkurrenten, Verwandte,
S. 28. 87 Ebd.
38
Kondition, lässt sich objektiv relativ gut nachweisen. Betrachtet
man die Definition
von Bergius genauer, geht es aber auch um Gefühle, die mit dem
Mangel oder
dem Streben nach Bedürfnisbefriedigung zusammenhängen. Spricht man
also
von Bedürfnissen, spielen dabei auch Gefühle eine wesentliche Rolle
und diese
sind bei jedem Tier sehr individuell und subjektiv und daher
wissenschaftlich auch
schwer zu erfassen. Kontext, innere sowie äußere Faktoren,
angeborene und
gelernte Eigenschaften beeinflussen die Gefühle. Gefühle sind
Qualitäten von
Emotionen.88 Mittlerweile ist die Wissenschaft auch davon
überzeugt, dass Tiere
Emotionen haben. Für die Emotionen wird Bewusstsein vorausgesetzt
und darin
war sich die Wissenschaft lange nicht einig. Seit es aber
Kenntnisse über die
kognitiven Fähigkeiten bei Tieren gibt, werden ihnen auch
Bewusstsein und somit
Emotionen zugeschrieben.89
Körperliche Bedürfnisse sind leichter zu erkennen, bei der
Feststellung von
emotionalen Bedürfnissen wird es dagegen schwieriger. Gerade
im
Zusammenhang mit der Tiergestützten Therapie und Pädagogik gibt es
bisher
kaum Untersuchungen, über die Gefühle der Tiere.90 Dennoch ist es
im
Tiergestützten Kontext wichtig, Bedürfnisse und Eigenarten des
jeweiligen
Tieres, aber auch des Menschen, zu berücksichtigen, damit auch
ein
authentischer Kontakt entstehen kann. Es gilt dabei zu beachten,
dass keine
Interaktion, weder für das Tier noch für den Menschen, erzwungen
wird.91
Für Vernooij und Schneider sind folgende Aspekte für den Umgang mit
Tieren
wichtig, die in den verschiedenen Tiergestützten Arbeitsfeldern
nicht außer Acht
gelassen werden dürfen:
• regelmäßige veterinärmedizinische Kontrollen,
88 Bohnet Willa, Die Bedürfnisse der Tiere in der Mensch- Tier-
Beziehung, S. 29.
89 Vgl. ebd. 90 Vgl. Bohnet Willa, Die Bedürfnisse der Tiere in der
Mensch- Tier- Beziehung, S. 44. 91 Vgl. Vernooij / Schneider,
Handbuch tiergestützter Interventionen, S. 101.
39
• Möglichkeiten des Rückzugs für das Tier in spezifisch dafür
eingerichteten/
vorhandenen Zonen,
• regelmäßiger Kontakt zu Artgenossen,
für das Tier übernimmt,
• die Möglichkeit des freien Auslaufs.92
Der Forschungskreis „Initiative Zukunft Heimtier“93 beschäftigt
sich mit der
Erforschung der Mensch- Tier- Beziehung und will diese dauerhaft
fördern. Für
alle Hundehalter, die mit ihren Tieren in Tiergestützten
Interventionen arbeiten
möchten stellt der Forschungskreis zudem die Leitfäden „Besser
leben mit Hund“
und „Hunde und ihre Bedürfnisse in Tiergestützten Interventionen“
bereit. Der
zweite Leitfaden enthält eine Zusammenfassung und wertvolle
Hinweise, die
Hundebesitzer beachten sollten, wenn sie mit ihrem Hund in
Tiergestützten
Bereichen arbeiten. Es wird darin auch erklärt, was vor dem
Einstieg in die
Tiergestützte Intervention zu berücksichtigen ist. „Das Tierwohl
steht vor dem
Nutzen für den Menschen.“94 Nur wenn die Bedürfnisse des Hundes
auch
gedeckt sind, ist ein positiver Effekt für den Menschen möglich.
Die
Tierschutzgesetze müssen dabei berücksichtigt werden und der Hund
muss gut
auf seine Arbeit vorbereitet werden. Eine optimale Haltung und
Pflege sind
ebenso Voraussetzung für eine tiergerechte Zusammenarbeit.95
92 Vgl. Vernooij / Schneider, Handbuch tiergestützter
Interventionen, S. 106. 93 Vgl.
http://www.zukunft-heimtier.de/initiative-zukunft-heimtier.html.
(Stand 04.01.2019). 94 Initiative Zukunft Heimtier, Hunde und ihre
Bedürfnisse in Tiergestützten Interventionen, S. 6. 95 Vgl.
Initiative Zukunft Heimtier, Hunde und ihre Bedürfnisse in
Tiergestützten Interventionen, S. 7.
Es gibt viele unterschiedliche Theorien und Ansätze, warum der
Mensch sich von
den Tieren angezogen fühlt. Tiere berühren etwas Ursprüngliches im
Menschen,
das auch mit der langen gemeinsamen Evolution zusammenhängt. Es
gibt
zudem auch Parallelen zwischen Mensch und Tier, noch mehr zwischen
Mensch
und Hund: eine ähnliche funktionierende Sozialstruktur oder die
physiologischen
Gemeinsamkeiten. Die Menschen schätzen die Beziehung zu ihren
Tieren für
ihre Echtheit, Direktheit und Einfachheit, etwas, was der Mensch
aus der
Beziehung mit den Tieren lernen kann, etwas, das oft in der
Beziehung zu
anderen Menschen fehlt. Das Tier nimmt in der Gesellschaft eine
wichtige
Position ein, es ist Interaktions- und Beziehungspartner. Deshalb
ist das Tier
auch in der therapeutischen und pädagogischen Arbeit mit Menschen
sehr
wertvoll.
41
Hinblick auf den Stellenwert des Tieres in der Mensch- Tier-
Beziehung
„Wie in einem Volke die Menschen und Tiere, unsere Mitgeschöpfe,
vor
Grausamkeiten und Leiden zu bewahren, das ist Ausdruck der
Humanität und
der Kulturstufe eines Volkes.“96 Dieses Zitat von Büttner, Fritz
Erler, aus dem
Jahre 1996, während einer Beratung im Deutschen Bundestag, spiegelt
wider,
was im kommenden Kapitel thematisiert wird. Es werden
philosophische,
ethische sowie theologische Ansätze betrachtet, die im Hinblick auf
die Mensch-
Tier- Beziehung und auch für die Tiergestützte Pädagogik relevant
sind.
5.1. Theologische Zoologie
Die Mensch- Tier- Beziehung ist in der Theologie ein Thema, das
noch relativ
wenig Anklang gefunden hat. Doch einen Namen findet man in der
aktuellen
Literatur immer wieder: Rainer Hagencord, ein katholischer
Theologe, der sich
intensiv mit den Tieren in der Theologie auseinandersetzt. Er ist
der Meinung,
dass Forschungen aus der modernen Verhaltensbiologie mit gewissen
Aussagen
aus den biblischen Überlieferungen übereinstimmen. Menschen und
Tiere sind
aufeinander bezogen und voneinander abhängig. So glaubt er auch,
dass man
biblisch belegen kann, dass sich Mensch und Tier viel näher standen
als vielleicht
angenommen wird. In dreierlei Hinsicht kann die Bedeutung des
Tieres neu
gesehen werden: partnerschaftlich, ethisch und mystisch.97 2008 hat
er,
96 Teutsch Gotthard M., Humanität ist unteilbar, Überlegungen zur
Mensch- Tier- Beziehung. In: Schneider Manuel, Den Tieren gerecht
werden, zit. n. Büttner, Fritz Erler, in 64. Sitzung des deutschen
Bundestages. 97 Vgl. Wulff Claudia, Religiöse Dimensionen in der
Einstellung zu Tieren, S. 28.
42
zusammen mit dem Schweizer Kapuziner Anton Rotzetter, das Institut
für
´Theologische Zoologie´98 in Münster gegründet.
5.2 Biblischer Zugang
Im christlichen Glauben spielt die Schöpfung eine zentrale Rolle.
Gott schuf durch
das Wort Himmel, Erde, Menschen, Tiere und Pflanzen. Gott
beauftragte den
Menschen, für die Pflanzen und Tiere zu sorgen.99 Dieser Aspekt
wird vor allem
in der Schöpfungstheologie deutlich.
5.2.1 Schöpfungstheologischer Zugang
Der Schöpfungsbericht wird von vielen häufig als Legitimation für
das Töten und
den Verzehr von Tieren angesehen. Gott hätte die Tiere nur zum
Nutzen des
Menschen gemacht. Gerade durch die falsche Auslegung der
Gottebenbildlichkeit wurden in der Vergangenheit andere Lebewesen
oft
rücksichtslos und mit Willkür behandelt. Doch in der heutigen
Theologie legt man
diese Bibelstellen anders aus. Nicht mehr Unterdrückung und
Ausbeutung,
sondern Verantwortung und Fürsorge stehen dabei im
Vordergrund.
M.L. Henry betont, dass die Namensgebung einen weitaus wichtigeren
Bezug
hat, als man vermutet. So hat die Namensgebung nichts mit der oft
vermuteten
Herrschaftsstellung des Menschen zu tun, die vor allem auch durch
Gen 1,26-28
häufig noch belegt wird. (Gen 1,26 Und Gott sprach: Lasset uns
Menschen
machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die
Fische im Meer
und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über die
ganze
Erde und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht.) Der Mensch, der
dem Tier
einen Namen gibt, sollte erkennen, dass es ein ihm von Gott
anvertrautes
98 Vgl. https://www.theologische-zoologie.de/ (Stand 05.01.2019).
99 Vgl. Frömming Heiko, Die Mensch- Tier- Beziehung, S. 8f.
43
Mitgeschöpf ist.100 Nur wer sein Gegenüber kennt und dazu gehört
auch sein
Name, kann es angemessen behandeln. Mensch und Tier gehören ihrem
Wesen
nach zusammen und werden getrennt von der restlichen Schöpfung
angesehen.
Das Leben ist für die Menschen und für die Tiere ein Geschenk
Gottes. Mensch
und Tier sind Geschöpfe Gottes, sie sind aufeinander bezogen und
auch
voneinander abhängig, denn Gott hat mit Menschen und Tieren einen
Bund
geschlossen (Gen 9,8.17). (Gen 9,17 Und Gott sprach zu Noah: Das
ist das
Zeichen des Bundes, den ich aufgerichtet habe zwischen mir und
allem Fleisch,
das auf Erden ist.) Der erste Gefährte des Menschen war das Tier,
wie der
Mensch so wird auch das Tier als beseelt und empfindsam angesehen.
101
Was ist nun aber mit Gen 1,26-28, dem Herrschaftsauftrag, wo dem
Menschen
erlaubt wird, die Natur auszubeuten? So glauben C. Amery und E.
Drewermann,
dass durch die angebliche anthropozentrische Weltsicht die
ausbeuterische
Grundeinstellung zur Natur durch den biblischen Schöpfungsglauben
verursacht
worden sei.102
H. Kessler versteht diese Bibelstelle genau umgekehrt, für ihn
handelt es sich
hier um eine Anweisung an den Menschen für seine umfassende
Verantwortung
auf der Erde.103 Ebenso hat das Verb „untertan machen“ im
altorientalischen
auch eine andere Bedeutung. Man kann den Menschen als Treuhänder
Gottes
verstehen, wie ein sorgsamer Gärtner, oder ein schützender,
fürsorglicher Hirte.
Der Mensch, insbesondere in seiner Funktion, Ebenbild Gottes zu
sein, soll für
die Tiere Verantwortung übernehmen. Die ausbeuterische Einstellung
ist vor
allem im westlichen Christentum zu finden, diese hat ihren Anfang
im frühen 17.
Jh. In den östlichen Ländern ist das einseitige und instrumentelle
Naturverhältnis
weniger stark ausgeprägt als in den westlichen, christlichen
Ländern. Der
biblische Herrschaftsauftrag wurde im Laufe der Geschichte immer
mehr als „[…]
selbstherrliche Verfügungsgewalt über die Natur
verstanden“.104
100 Vgl. Hagencord Rainer, Diesseits von Eden, S. 75f. 101 Vgl.
Hagencord Rainer, Diesseits von Eden, S. 77. 102 Vgl. ebd. S. 80.
103 Vgl. ebd. S. 81. 104 Vgl. ebd.
44
Heiko Frömming plädiert für eine ganz andere Sicht, was die
Beziehung Mensch-
Tier betrifft. „Der Mensch solle liebevoll und barmherzig mit
Tieren umgehen, und
zwar in dem Sinne, wie er selbst auf die Barmherzigkeit Gottes
vertrauen
dürfe.“105
5.2.3 Verwandtschaft von Mensch und Tier in der Bibel
Außer den Schöpfungstexten in Genesis gibt es weitere Bibelstellen,
die das
Verhältnis von Mensch und Tier beschreiben. In Gen 6,5-9.17 gehen
alle
Menschen und Tiere durch die Flut zu Grunde. Außer jene Menschen
und Tiere,
die Gott auf die Arche rettet. Der Regenbogen am Ende ist ein
Zeichen des
Bundes. Für Gott gehören aber nicht nur die Menschen zum Bündnis,
sondern
auch die Tiere (Gen 9,16).106 In verschiedenen weisheitlichen
Texten kann man
auch erkennen, dass Mensch und Tier zusammengehören. So teilen sich
beide
den Lebensgeist, aber auch den Tod. (Koh 3, 19-21; Ps 49,13.21) Im
Buch Jona
entscheidet sich Gott, die Stadt Ninive nicht zu vernichten, dies
tut er auch aus
Mitleid gegenüber den Tieren, die in der Stadt leben (Jo 4,11). Man
kann sagen,
dass Mensch und Tier immer das gleiche Schicksal erleiden, es
trifft immer beide,
es handelt sich immer um eine gemeinsame
„Schicksalsgemeinschaft“.107
In der alttestamentlichen Zeit wurde das Tier als Tier behandelt,
es als Sache zu
betrachten oder zu vermenschlichen war den Menschen damals fremd.
„Es (das
Tier) war ein Wesen eigener Würde, eigenen Rechtes und
eigener
Gottesbeziehung.“108 Zudem war das damalige Verhältnis zwischen
Mensch und
Tier nicht emotional geprägt, wie es in der heutigen Zeit der Fall
ist, sondern viel
mehr auf den Aspekt des Nutzens ausgelegt. Damit verbunden war aber
auch
ein tiefer Respekt. Dies kann man ganz klar im Sabbatgebot des
Dekalogs
erkennen. Am siebten Tag soll auch den Tieren eine Ruhepause
zustehen. (Ex
105 Frömming Heiko, Die Mensch- Tier- Beziehung, zit. n. Körner J.,
Bruder Hund und Schwester Katze, S. 36. 106 Vgl. Hagencord Rainer,
Diesseits von Eden, S. 77. 107 Ebd. S. 80. 108 Ebd. S. 83.
45
20,8-11; Dtn 5,12-15). Auch bei den Sprüchen (Spr 12,10) ist dieser
Respekt
erkennbar. Der Mensch kennt seine Tiere und schaut auf seine
Bedürfnisse.109
In den Gesetztestexten wird die Beziehung zu den Tieren ebenfalls
geregelt. Die
Menschen sollen sich nicht nur gegenüber den anderen Menschen
an
Vorschriften halten, sondern auch gegenüber den Tieren. „Du sollst
nicht untätig
zusehen, wie ein Esel oder ein Ochse deines Bruders auf dem
Weg
zusammenbricht. Du sollst dann nicht so tun, als gingen sie dich
nichts an […]
Wenn du unterwegs auf einem Baum oder auf der Erde zufällig ein
Vogelnest mit
Jungen oder mit Eiern darin findest und die Mutter auf den Jungen
oder auf den
Eiern sitzt, sollst du die Mutter nicht zusammen mit den Jungen
herausnehmen.“
(Dtn 22,4.6) So betrachtet findet man in der Bibel keinen Anlass
für einen
despotischen Anthropozentrismus, der sich nicht um die anderen
Geschöpfe
kümmert.110
In vielen weisheitlichen Sprüchen werden die Eigenschaften der
Tiere gelobt und
der Mensch getadelt, er solle sich an den Tieren ein Vorbild nehmen
(Spr 6,6-8).
„In all diesen Texten zeigt sich nämlich die enge Verbundenheit von
Mensch und
Tier, aber auch die gemeinsame Verpflichtung, die von Gott gesetzte
Ordnung
zu bewahren.“111 Denn am Ende sind Mensch und Tier von der Fürsorge
Gottes
abhängig (Ps 147,9; Lk 12,24) und haben ihre eigene Beziehung zu
Gott.
5.2.4 Die Sicht der Tiere im Neuen Testament
Jesus lebte 40 Tage in der Wüste, wo ihn der Satan verführte. Aus
dem
Markusevangelium wissen wir, dass Jesus während dieser Zeit mit den
wilden
Tieren in der Wüste lebte (Mk 1,13). Jesus wird hier als "neuer
Adam“ gezeigt,
der den Tierfrieden aus dem Paradies wieder herstellte. Ebenso
spielt es dabei
auf den eschatologischen Frieden an, den man bei Jesaja findet. „Wo
der
Messias auftritt, sind das Reich Gottes und damit auch der Frieden
zwischen
109 Vgl. Hagencord Rainer, Diesseits von Eden, S. 82. 110 Vgl.
Papst Franziskus, Laudato si, S. 29. 111 Vgl. Hagencord Rainer,
Diesseits von Eden, S. 83.
46
Mensch und Tier nahegekommen.“112 Was können wir aber aus der Lehre
Jesus
gegenüber dem Verhalten zu den Tieren lernen? Jesus lehrt den
Menschen, dass
Gott sich nicht nur um die Armen, Kleinen und Benachteiligten
kümmert, sondern
auch um die Tiere (Mk6,26; Mt 10,29; Lk 12,6.24). Auch seine
Friedensbotschaft
nach seiner Auferstehung war nicht nur an die Menschen gerichtet,
sondern an
alle Geschöpfe (Mk 16,15: Und er (Jesus) sprach zu ihnen: Geht hin
in die ganze
Welt und predigt das Evangelium der ganzen Schöpfung!).113 In der
Enzyklika
"Laudato si" von Papst Franziskus weist er darauf hin, dass Jesus
immer auch
die väterliche und fürsorgliche Beziehung Gottes zu allen seinen
Geschöpfen
betonte, so z.B. in Lk 12,6.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass man in den biblischen
Schriften zwei
unterschiedliche Ansätze erkennen kann:
Mensch und Tier sind aufeinander bezogen und voneinander abhängig.
Sie sind
Geschöpfe Gottes und werden beide in den Bund Gottes mit
hineingenommen.
Mensch sowie Tier haben ihren je eigenen Wert und eigene Beziehung
zum
Schöpfergott und somit ihren je eigenen Platz in der gesamten
Schöpfung.114
Für M. L. Henry sind alle diese Merkmale der Gott- Mensch- Tier-
Beziehung
besonders in der biblischen Geschichte von Bileam und seiner Eselin
sichtbar,
denn Mensch und Tier sind als gemeinsame Weggefährten
aufeinander
angewiesen.115 Durch dieses V