Das Schweizer Weiterbildungsgesetz Entstehung - Regelung - Auswirkungen
Bernhard Grämiger, Stv. Direktor SVEBBerlin, 4. November 2015
1. Warum braucht es das Weiterbildungsgesetz (WeBiG)?
2. Meilensteine der Entwicklung
3. Das WeBiG im Überblick
4. Fazit aus Sicht des SVEB und erwartete Auswirkungen
Agenda
•Gesamtschweizerischer Dachverband der allgemeinen und beruflichen Weiterbildung
•700 Mitglieder, darunter Verbände, Anbieter und Ausbildende
•SVEB repräsentiert 80% des Weiterbildungs-Marktes mit 1.7 Mio Teilnehmenden
•Bildungspolitisches Engagement für ein Weiterbildungsgesetz seit 20 Jahren
Der Schweizerische Verband für Weiterbildung SVEB
• Einordnung der Weiterbildung in das Bildungssystem und Klärung des Weiterbildungsbegriffs
• Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Weiterbildung, insbesondere Transparenz erhöhen (Kosten- und Markttransparenz) Qualitätssicherung und -entwicklung verbessern
• Weiterbildungsbeteiligung erhöhen
• Grundlagen schaffen für die Förderung der Grundkompetenzen Erwachsener
• Grundlagen schaffen für die Förderung innovativer Entwicklungen in der Weiterbildung (Projektförderung)
Warum ein Weiterbildungsgesetz?
21. Mai 2006 Neuer Verfassungsartikel zur Weiterbildung vom Volk angenommen
Bund erhält mit Art. 64a BV den Auftrag, Grundsätze der Weiterbildung festzulegen. Zusätzlich erhält er die Kompetenz, die Weiterbildung zu fördern und entsprechende Kriterien festzulegen.
4. Nov. 2009 Start Entwicklung Gesetz
WeBiG: Meilensteine
Dez. 2013 – Juni 2014 Parlamentsdebatte
21. Juni 2014 Parlament verabschiedet Gesetz
2015 Arbeiten zur Verordnung (Ausführungsbestimmungen)
1. Januar 2017 Weiterbildungsgesetz tritt in Kraft
WeBiG: Meilensteine
Das WeBiG ist ein Rahmengesetz, das heisst: Es gilt für den gesamten Weiterbildungsbereich. Auch für WB, die schon in anderen Gesetzen geregelt ist.
Kern des WeBiG sind 5 Grundsätze:Art. 5 VerantwortungArt. 6 Qualitätssicherung und QualitätsentwicklungArt. 7 Anrechnung von Bildungsleistungen an die formale
BildungArt. 8 Verbesserung der ChancengleichheitArt. 9 Wettbewerb
+ Fördertatbestand im Bereich Grundkompetenzen Erwachsener, Unterstützung Dachverbände, Grundlagenforschung und Monitoring
WeBiG im Überblick
Weiterbildungs-gesetz
Grau hinterlegt: Strukturierte Bildung
Regelungsgegenstand
Grundlage: Bundesverfassung
9
Spezial-gesetze
Grundsatzgesetz
Das WeBiG als Rahmengesetz
Aktuell: Weiterbildungstatbestände in über 50 Spezialgesetzen (Volumen der Bundesinvestitionen ca. 600 Mio. CHF pro Jahr)
Grundsatz 1: Verantwortung•Der Einzelne ist für seine WB verantwortlich
•Arbeitgeber „begünstigen“ die WB ihrer Mitarbeitenden
•Bund und Kantone tragen dazu bei, dass Personen sich weiterbilden können
Der Einzelne ist wie bisher selber für seine WB verantwortlich. Die Begünstigungsregelung im Parlament sehr umstritten. Die Arbeitgeberseite wehrte sich vehement gegen die Regelung, obschon sie sehr vage formuliert ist.
WeBiG Grundsatz 1
Grundsatz 2: QualitätssicherungDie Anbieter sind für die Qualität der Angebote verantwortlich. Sie sollen die Qualität in folgenden Bereichen sicherstellen:
• Information über Angebote• Qualifikation der Ausbildenden (Kursleiter/innen)• Lernprogramme• Qualifikationsverfahren (Validierung)
Der Bund legt keine verbindlichen Richtlinien fest und keinen direkten Einfluss auf die Qualität von WB-Angeboten.
Keine konkreten Regelungen zur Transparenz
WeBiG Grundsatz 2
Grundsatz 3: Anrechnung von BildungsleistungenBund + Kantone sorgen dafür, dass Weiterbildung (Kurse und informelles Lernen) an formale Bildung angerechnet werden kann.
Bund/Kantone müssen dafür sorgen, dass Verfahren für die Anrechnung aufgebaut und angeboten werden. Aber: Das Gesetz gibt dem Einzelnen kein Recht darauf, seine individuelle Weiterbildung anrechnen zu lassen.
WeBiG Grundsatz 3
Grundsatz 4: ChancengleichheitBund + Kantone fördern Chancengleichheit für:•Frauen und Männer•Behinderte•Ausländer/innen•Geringqualifizierte
Das gilt für Angebote, die mit öffentlichen Geldern gefördert werden. Das Gesetz definiert keine konkreten Massnahmen.
WeBiG Grundsatz 4
Grundsatz 5: WettbewerbÖffentliche Anbieter dürfen den Wettbewerb nicht verzerren. Das heisst: Sie müssen für ihre Kurse kostendeckende Preise verlangen. Ausnahmen sind möglich, falls ein öffentliches Interesse beseht.
Es ist den öffentlichen Anbietern nicht erlaubt, Angebote „quer“ zu subventionieren.
Grundsatz: Weiterbildung ist privat organisiert, der Staat greift nur subsidiär einDas WeBiG kann sich auf die Preise der öffentlichen Anbieter auswirken.
WeBiG Grundsatz 5
Art. 10 Abs. 2: Der Bund leistet Finanzhilfen nachfrageorientiert. Die Spezialgesetzgebung kann Ausnahmen vorsehen.
Die nachfrageorientierte Finanzierung von Weiterbildung wird der traditionellen angebotsorientierten Förderung vorgezogen.
Umstrittene Regelung, Auswirkung bis jetzt unklar.
Öffentliche Finanzierung
Grundkompetenzen von Erwachsenen: Herausforderungen
1. Erhöhung der Teilnahme an Bildungsmassnahmen
2. Ausbau und Diversifizierung des Bildungsangebots
3. Sicherstellung und Ausbau der Qualität
Die Lösung dieser Herausforderungen ist eine komplexe Aufgabe, die klare Ziele und Massnahmen, eine ausreichende Finanzierung sowie eine optimale Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Akteuren erfordert.
Das Weiterbildungsgesetz schafft die Grundlage, diese Aufgabe anzugehen.
Art. 13 Abs. 1 Definition
Grundkompetenzen Erwachsener sind Voraussetzungen für das lebenslange Lernen und umfassen grundlegende Kenntnisse und Fähigkeiten in den folgenden Bereichen:
a. Lesen, Schreiben und mündliche Ausdrucksfähigkeit in einer Landessprache;
b. Grundkenntnisse der Mathematik;c. Anwendung von Informations- und
Kommunikationstechnologien
Grundkompetenzen: Definition
Art. 14 Ziel
Der Bund setzt sich gemeinsam mit den Kantonen dafür ein, Erwachsenen den Erwerb und den Erhalt von Grundkompetenzen zu ermöglichen
Grundkompetenzen: Zieldefinition
Geplante Umsetzungsstruktur (Regelung auf Verordnungsebene)
Folgen des WeBiGFazit und erwartete Auswirkungen
• Das WeBiG setzt den Verfassungsauftrag in minimaler Weise um. Es ist zwar ein vertretbarer Kompromiss, aber kein innovatives, zukunftsgerichtetes Gesetz.
• Das Gesetz bestätigt im Wesentlichen die bisherige Praxis. Es greift nicht direkt in den Markt ein, bringt keine neuen finanziellen Mittel (Ausnahme: Grundkompetenzen)
• Besonders positiv: Förderung der Grundkompetenzen, Unterstützung der Dachverbände.
• Enttäuschend: die (Nicht-)Regelung von Transparenz und Qualität, fehlende Projektförderung, keine Beratung, keine Ressourcen und kein Instrumentarium zur generellen Erhöhung der Weiterbildungsbeteiligung
Fazit aus SVEB-Sicht
•Mittelfristige Auswirkungen der WeBiG-Grundsätze auf die Spezialgesetze hängen von der Initiative der verantwortlichen Bundesämter und der Kantone ab.
•Die Verordnung zum Gesetz regelt die Umsetzung der Grundsätze nicht.
•Ein weiterer Regelungsdruck fehlt.
Auswirkungen der Grundsätze
Für die Teilnehmenden sind wenig unmittelbare Auswirkungen des Weiterbildungsgesetzes zu erwarten.
• kein Recht auf Weiterbildung• Kein Anspruch auf finanzielle Unterstützung für
Weiterbildung (auch nicht im Fall der Grundkompetenzen)
• kein Anspruch, sich Weiterbildung anrechnen zu lassen• keine Möglichkeit, Chancengleichheit einzuklagen
Und die Teilnehmenden?
Schweizerischer Verband für Weiterbildung Oerlikonerstrasse 38
8057 Zürich
Bernhard Grämiger, Stv. Direktor SVEB
T: 0041 44 319 71 61, M: [email protected]
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