BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG ~ 15. Wahlperiode
Plenarprotokoll 15/21 29.06.94
21. Sitzung
Mittwoch, 29. Juni 1994
Vorsitzende: Präsidentin Ute Pape, Erster Vizepräsident Rolf Kruse und Zweite Vizepräsidentin Ulla Bussek
Inhalt
Mitteilungen der Präsidentin
Abwicklung und Änderung der Tagesordnung 969 A
Aktuelle Stunde
Fraktion der SPD:
969 A
Aktive Arbeitsmarktpolitik in Harnburg
Uwe Grund SPD
969 A
969 A 9690 Antje Blumenthai CDU
Andreas Bachmann GAL
Georg Berg STAlT Partei
Helgrit Fischer-Menzel, Senatorin
Hans Jakob Kruse CDU
Erhard Pumm SPD
Rolf Kruse CDU
Kari-Heinz Hoheisel CDU
Georg Berg STAlT Partei
Jens Peter Patersen SPD
Fraktion der CDU:
Norddeutsche Zusammenarbeit-
970 C, 974 A
971 B
972 A 973 B
974 D
975 c 976 c 976 D
977 A
,.Pack schlägt sich, Pack verträgt sich" 977 B
Dr. Roland Salchow CDU 977 B, 983 D
Ute Pape SPD
Krista Sager GAL
lngeborg Knlpper CDU
Dr. Henning Voscherau, Erster Bürgermeister
978 B, 983 C
979 B
980 A
981 A
Oie von Beust CDU
Alexander Porschke GAL
Fraktion der GAL:
Atomklage gegen Nachbarland: Hamburger SPD auf vollem Atomkurs
(Nicht behandelt wegen Redezeitablaufs}
Fraktion der STAlT Partei:
Hamburgs Mieten immer höher, Immerhöher
(Nicht behandelt wegen Redezeitablaufs)
Wahl eines stindlgen Vertreters für die Beisitzer des Harnburgischen Verfassungsgerichts
982 D
984 A
- Drs 15/1230-
Ergebnis
984 c 984 D, 1023
Wahl eines Deputierten der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales - Drs 15/837-
Ergebnis
Wahl von vier bürgerlichen Mitgliedern des Ausschusses für die Ernennung und Beförderung von Beamten - Drs 15/1203-
Ergebnis
Wahl eines Deputierten der Behörde für Wissenschaft und Forschung -Drs 15/1250-
Ergebnis
985 A 1023
985 A
1023
985 A
1023
Bürgersc~aflsdrucksacnen- außer Sanetavor1agan- IJnd -gedruckt IW1 chlotfnli gebleichtem Paplar- lU beliahen bei: Druckerat Wartenberg & Sllhne GmbH, Theodomtrlllle 41 w, 22761 Hambwg, Telefon 8997110·0
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Harnburg - 15. Wahlperiode - 21. Sitzung am 29. Juni 1994 979
(Ute Pape SPD)
A Ich darf vielleicht noch mal zitieren mit freundlicher Geneh-migung des Herrn Präsidenten, welches der Auftrag war:
"Das Entwicklungskonzept soll insbesondere einen Zielrahmen mit grundsätzlichen räumlichen Festlegungen, Eckwerten und Prognosedaten zur Entwicklung von Bevölkerung, Wirtschaft, Wohnen, Verkehr, Naturschutz und Umweltschutz enthalten. N
ln einer späteren Phase sollte es auch die Themen Kultur und Bildung enthalten. Das war hier noch gar nicht inbegriffen. Entscheidend bei dem regionalen Entwicklungskonzept ist, daß es hier erstmalig gelungen ist, für alle diese Teilbereiche - Wohnungsbau, Ökologie, Wirtschaft, Ver- und Entsorgung - Regelungen zu finden, bei denen nicht nur die Stadt, nicht nur das Land, sondern alle Regio·nen auch Lasten zu tragen haben. Dieses ist einvernehmlich erfolgt. Ich willihnen auch sagen, was einvernehmlich eigentlich bedeutet. Einvernehmlich bedeutet unter Einbeziehung von drei Ländern, von vier angrenzenden Landkreisen im Norden der Stadt, von drei angrenzenden Landkreisen im Süden der Stadt und einem weiteren, der daran angrenzt, und von - ich glaube -über hundert Gemeinden, in denen es Begleitkommissionen gibt. Das alles ist dort diskutiert und einvernehmlich abgestimmt worden, und es sind wegweisende Beschreibungen enthalten.
Ich will nur vier Beispiele nennen. Im Wohnungsbau ist festgelegt worden, daß durch Verdichtung im städtischen Bereich, aber auch durch Ausbau der Zentren entlang der Achsen und - lange vernachlässigt, immer schon gefordert - der Achsenendpunkte Wohnungsbauflächen ausgewiesen werden sollen.
Beispiel Gewerbeflächen. Wir erinnern uns alle der Zeiten, B wo jeder abwandernde Betrieb nur unter Konkurrenzge
sichtspunkten zwischen Schleswig-Holstein und Harnburg betrachtet und ein Auszug als eine Art Verrat angesehen wurde.
Es ist ein attraktives Schnellbahnsystem beschlossen worden, das die gesamte Region erschließen soll.
(Berndt Röder CDU: Wann war das?)
Ich möchte einen Schlußsatz anfGgen. Sie sehen, es ist ein unglaublich komplizierter, mit sehr viel Abstimmungs- und Diskussionsbedarf einhergehender schwieriger Vorgang, in einer Demokratie solche-die Ländergrenzen übergreifenden- Strukturprobleme wirklich zu lösen. Wir müssen es beschleunigen, davon bin ich überzeugt
(Beifall bei der SPD - Dr. Martin Schmldt GAL: Und der Senat ist überfordert!)
Vizepräsident Rolf Kruse: Das Wort hat Frau Sager.
Krista Sager GAL: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Pape hat das regionale Entwicklungskonzept für die Metropolregion Harnburg erwähnt. Im Leitbild für dieses Entwicklungskonzept heißtes-ich zitiere-:
"Die aus den politischen Entwicklungen der letzten Jahre sich ergebenden Chancen kann die Region nur in enger Kooperation und durch Konzentration aller Kräfte aufgreifen und sinnvoll nutzen. Dies setzt eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der Entscheidungsträger aller Ebenen voraus."
(Dr. Roland Salchow CDU: Aha, schau mal!)
Meine Damen und Herren, das ist zwar richtig, aber was C uns die Entscheidungsträger auf Regierungsebene in den letzten Wochen geboten haben, damit hätten sie auch bei RTL als eine "schrecklich nette Familieu auftreten können.
(Beifall bei der GAL und der CDU)
Das Zitat ,,Pack schlägt sich, Pack verträgt sichu hätte man wohl eher von Peggy im Clinch mit Al Bundy erwartet
(0/e von Baust CDU: Al Voschi!)
als von Simonis auf einer Pressekonferenz mit Herrn Voscherau.
(Oie von Beust CDU: Ein Stück Alf ist auch noch dabei!)
Das überflüssige Getöse um den Gastschülerstopp, von Harnburg verhängt, hat uns sicher alle an eine Zeit vor der Gründung des deutschen Zollvereins erinnert. Diese unerwartete Unterstützung für die Bürgerinitiativen in Schleswig-Holstein gegen die Hafenschlickdeponien haben sicher nlcht nur Frau Simonis verwundert, sondern auch die Beamten bei Strom- und Hafenbau ln Angst und Schrecken versetzt. Uns hat natürlich diese Unterstützung der Bürgerinitiativen eher amüsiert.
Was uns weniger amüsiert hat, Ist die Klage der HEW gegen die Atomaufsichtsbehörde ln Kiel. Das hat ln der Tat nicht nur beim SPD-Fraktlonsvorsitzenden Börnsen ln Klei die Frage aufgeworfen, ob denn bei der Hamburger SPD der Satz: Sicherheit vor Wirtschaftlichkeit, überhaupt noch Geltung hat.
Und es war sicherlich auch kein Beitrag zu der von Herrn Börnsen eingeklagten Konfliktminimierung, daß ausgerechnet der Hamburger SPD-Fraktionsvorsitzende, Herr D Eiste, sich auf den Spuren des einfältigen Satzes: Arbeit, Arbeit, Arbeit, nun zum Atomlobbyisten aufgeschwungen hat.
Ich habe mit großem Interesse den Medien entnommen, daß die Hamburger SPD in ihrem Wahlkampf nach der Europawahlschiappe nun verstärkt die Grünen ins Auge fassen will. Zuerst hatte ich vermutet, nachdem man offensichtlich das Ziel aufgegeben hat, Kohl in Bann abzulösen, daß man nun vielleicht den Wahlkampf gegen die Grünen führen wolle. Ich habe aus den atomlobbyistischen Erklärungen von Herrn Eiste nun eher die Einsicht gewonnen, daß Herr Eiste auf sehr originelle Weise die Grünen noch weiter im Wahlkampf unterstützen will.
(Oie von Beust CDU: Die haben doch bald die POS, dann brauchen sie Sle nicht mehr!)
Was uns allerdings auch mit großer Sorge erfüllt, genauso wie die Pro-Atompolitikder Hamburger SPD, ist die Tatsache, daß sie die Umsetzung der Bahnreform und der entsprechenden neuen EG-Richtlinien für den öffentlichen Personennahverkehr hier in Harnburg verschlafen haben.
Die Neuregelung des öffentlichen Personennahver1<ehrs setzt in der Tat eine Neuorganisation regionaler Verkehrsverbände voraus. Da ist Senator Wagner nicht in die Hufe gekommen. Jetzt ist zu befürchten, daß die Lösung, die dabei herauskommen soll, genauso kleinkariert wird wie ihre Streitkultur.
Es ist nicht abzusehen, daß sie die Chance für einen Regionalverband von LObeck bis Lüneburg ergreifen, sondern hier Ist offensichtlich nur an eine Kleinstlösung ge-
980 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Harnburg - 15. Wahlperiode - 21. Sitzung am 29. Juni 1994
(Krista Sager GAL)
A dacht. Auch das ist natürlich ganz im Geiste des Streits, den wir in den letzten Wochen erlebt haben.
8
Und ist uns vor Jahren noch angekündigt worden, sei der Norden erst fest in der Hand der SPD, würde es mit der Zusammenarbeit schon besser werden, dann kann man auch das getrost in dieKategorienWie versprochen, so gebrochen" einsortieren.
Der Hamburger Bürgermeister, Herr Voscherau, ist immer dann besonders erfindungsreich, wenn es darum geht, ohne Berücksichtigung von SPD-Mehrheiten Vaseherau-Politik pur machen zu können.
(Beifall bei Heike Sudmann GAL)
Dann erinnert sich Herr Voscherau plötzlich an übergeordnete Interessen. Er zitiert hier besonders gern die Interessen der Stadt, zumindest was er dafür hält. Ich frage mich in der Tat, wenn es um die Austragung Ihrer sozialdemokratischen Familienquerelen geht, warum Sie dann nicht auch mal in der Lage sind, sich an übergeordneten Interessen zu orientieren, zum Beispiel an den Interessen der Menschen in Harnburg und Schleswig-Holsteln. Denen ist mit Ihren sozialdemokratischen Familienszenen sicher nicht gedient.
(Beifall bei der GAL)
Vizepräsident RoH Kruse: Das Wort hat Frau Knipper.
lngeborg Knipper CDU: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Beim Geld hört offensichtlich nicht nur der Spaß, sondern auch die Gastfreundschaft auf. Lassen Sie mich deswegen den Punkt Gastschüler noch einmal aufgreifen.
Gastschüler kosten Geld, und da ist es richtig, daß überlegt wird, ob die Zahlungen der Nachbarländer ausreichen oder ob es in anderen Politikbereichen zu einem Ausgleich der Belastungen kommen kann.
Doch was tut der Hamburger Senat? Am 31. Mai beschließt er eine völlig unausgegorene Neufassung der Regelung über die Aufnahme von Gastschülern. Da steht einerseits drin, daß die bisherigen Aufnahmevoraussetzungen entfallen, aber dann steht da, daß die Abkommen von 1963 weiterhin gültig sind.
Weiter heißt es, daß Gastschülerinnen und -schüler ab dem Schuljahr 1995/96 bei der Berechnung des Lehrerbedarfs nicht mehr berücksichtigt werden sollen, und gleichzeitig heißt es aber auch, daß zwischen Niedersachsen und Harnburg zur Zeit noch verhandelt wird. Für die Privatschulen wird eine Ergänzung des Privatschulgesetzes angekündigt, in der eine Kürzung des Schüler1<ostensatzes festgeschrieben werden soll.
Der Pressewirbel, den diese widersprüchlichen Aussagen und Entscheidungen des Senats ausgelöst haben, war nur zu verständlich. Heute muß man fragen, warum es überhaupt zu diesem Senatsbeschluß gekommen ist, wenn doch alles unverändert weitergelten soll. Natürlich muß man auch fragen, warum Herr Dr. Voscherau mit einer Presseer1därung am 21. 6. noch einmal klarstellte, daß der Senatsbeschluß vom 31. 5. steht, wenn doch in der Presseer1<1ärung, die er am 17. 6. nach dem Gespräch mit Frau Simonis verbreitet hatte, ganz andere Aussagen enthalten sind.
Dort heißt es nämlich, daß sofort eine Kommission aus Ex- c perten die Dinge erst einmal aufarbeiten werde mit dem Ziel, einvernehmliche Lösungen zu finden und Fehlinvestitionen zu vermeiden. Dem kann man uneingeschränkt zustimmen. Doch was soll dann die Richtigstellung vom 21. Juni? Fragen über Fragen.
Es ist doch offensichtlich, daß Senatorin Raab mit der Erklärung der beiden Ministerpräsidenten aufgefordert wurde, endlich ihre Hausaufgaben zu machen. Natürlich weiß man, daß Schüler mit Scheinadressen ln Hamburger Schulen angemeldet werden. Aber es Ist unredlich, von Tausenden zu sprechen, solange man sich nicht die Mühe gemacht hat, dies aufzuklären. Es ist noch nicht so lange her, daß Hamburger Schulen in den Randgebieten und insbesondere auch Gesamtschulen ihre Existenz angesichts zurückgehender Schülerzahlen durch die Aufnahme von Gastschülern gestotzt haben, und zwar mit Einwilligung der Schulbehörde.
Schon Anfang Mai hatte Frau Woisin die Problematik abgefragt, und es ist geradezu grotesk, daß der Senat sich nicht in der Lage sah, über die Kosten insgesamt Auskünfte zu geben. Was erwarten Sie eigentlich an Goodwill von den Nachbarländern, wenn Sie zunächst die Tür zuschlagen und erst anschließend nachrechnen wollen, um welche Summen es denn tatsächlich geht?
(GDnter Frank SPD: Wir haben seit Jahren verhandelt, Frau Knipper!)
"Hamburg Ist ein schwieriger Nachbar, groß, reich und auf hohem Roß", so hieß es am 2. Juni in den "LübeckerNachrlchten". Und wahrscheinlich ist es genau diese Haltung, die Verhandlungen schwierig macht und nicht zu den not-wendigen Sachentscheidungen führt. D
Offensichtlich hat auch niemand im Senat, und in der Schulbehörde schon gar nicht, die Brisanz dieses Themas vor der Senatsentscheidung vom 31. Mai erkannt. Dabei wäre es ein leichtes gewesen, einmal festzustellen, wie denn diese Problematik zwischen anderen Bundesländern geregelt wird; zwischen Bremen und Niedersachsen, zwischen Hessen und Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hessen, Bayern und Baden-Württemberg. ln all die-sen Ländern gibt es Gastschülerregelungen. Absolut unverständlich Ist mir die Tatsache, daß man anscheinend erst jetzt damit beginnen will, auch über die vorhandenen oder noch zu bauenden Schulkapazitäten mit Nachbargemeinden ins Gespräch zu kommen.
Seit zwei Jahren, meine Damen und Herren, wird an der Regionalplanung für den gesamten Hamburger Schulbau der nächsten Jahre gearbeitet. Das Beispiel SchneisenBurgwedel hat deutlich gemacht, daß es offensichtlich niemand für nötig gehalten hat, mit der Nachbargemeinde Bönningstedt ins Gespräch zu kommen, deren Schulkapazitäten in Augenschein zu nehmen und über eine Unterbringung Hamburger Schüler auch in Bönningstedt zu diskutieren. Harnburg sitzt auf hohem Roß. Wie wahr!
Bürgernähe, Sachentscheidungen zugunsten der Bürger, all diese hehren Ziele sind auf der Strecke geblieben. Das Kapitel Gastschüler ist zu einem Trauerspiel geworden. Angesichts von Ober 40 000 ausländischen Schülern in Hamburgs Schulen ist es geradezu peinlich, wenn der Streit um 9000 Schüler aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen auf diesem Niveau ausgetragen wird.
(Beifall bei der CDU)
Top Related