…FAIR SEIN.UND FAIRHANDELNWIR TRAGEN VERANTWORTUNG
AUSGABE 2/2015 NACHRICHTEN AUS DEM BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG
VERANTWORTUNG TRAGEN:
Ein Appell von Entwicklungs minister Gerd Müller
GEMEINSAM HANDELN: Das Bündnis für nachhaltige Textilien
GERECHT BEZAHLEN: Über die Schwerstarbeit der Näherinnen
MIT GUTEM BEISPIEL VORANGEHEN: Fair produzieren
SICH ENGAGIEREN: Interview mit Maria Furtwängler
WELTWEIT TÄTIG: So arbeitet das Ministerium
BMZeit · Ausgabe 2/2015
AM START – DAS BÜNDNIS FÜR NACHHALTIGE TEXTILIEN
Vor knapp zwei Jahren kamen in Bangladesch in einer
Textilfabrik mehr als 1.100 Menschen auf grausame Weise
ums Leben. Dieses Unglück war mit der Auslöser für das
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung (BMZ), das Bündnis für nachhaltige
Textilien (kurz: Textilbündnis) ins Leben zu rufen. Ziel ist
es, die Kraft und Expertise seiner Mitglieder zu bündeln,
um soziale, ökologische und ökonomische Verbesserun-
gen entlang der Textillieferkette zu erreichen. Lesen Sie
hier, welche Schwerpunkte das Textilbündnis setzt.
In fast jedem Kleidungsstück, das wir am
Leib tragen, steckt die Arbeitskraft unzähliger
Menschen aus anderen Teilen der Welt. Und da-
mit zugleich ungezählte Geschichten über die Arbeit
auf dem Baumwollfeld, in der Spinnerei, beim Färben, in der
Textilfabrik, auf den Containerschiffen und in den Lastwa-
gen beim Transport über Tausende von Kilometern hinweg.
Ich will es klar sagen: Die Produktion von Kleidung be-
deutet für viele Menschen in ärmeren Ländern die Chance,
sich wirtschaftlich zu entwickeln. Der Preis
für diese Entwicklung darf aber nicht sein,
dass dafür Arbeiterinnen und Arbeiter gegen
einen Hungerlohn ihre Gesundheit oder gar
ihr Leben aufs Spiel setzen, während die Pro-
duzenten immer höhere Gewinne einfahren.
Der Einsturz des Fabrikgebäudes Rana Plaza in Bangla-
desch, bei dem 2013 mehr als 1.100 Menschen ums Leben
kamen, hat uns auf tragische Weise vor Augen geführt, wie
katastrophal die Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie
teilweise sind: unsichere Gebäude, fehlender Brandschutz,
Einsatz giftiger Chemikalien, Löhne, die kaum zum Überle-
ben reichen, mangelnder Gesundheitsschutz und fehlende
soziale Sicherung.
Jeder von uns muss sich selbst fragen, ob er Kleidung tra-
gen will, bei deren Herstellung Menschenrechte mit Füßen
getreten und Menschen ausgebeutet oder vergiftet werden.
Wir brauchen überall auf der Welt verbindliche soziale und
ökologische Mindeststandards, um menschenwürdige Ar-
beit zu ermöglichen. Dafür setze ich mich mit aller Kraft ein!
Das Ziel, vom Baumwollfeld bis zum Bügel Mindeststan-
dards umzusetzen, ist sehr ambitioniert. Wir können nicht
auf einen Schlag sämtliche Produktionsschritte nachhalti-
ger gestalten. Aber es ist wichtig, diesen Faden aufzuneh-
men und weiter zu spinnen. Deshalb habe ich im Oktober
2014 unter anderem mit Vertreterinnen und Vertretern
der Textil- und Bekleidungsindustrie und des Handels, der
Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen das
Bündnis für nachhaltige Textilien auf den Weg gebracht. Zu-
sammen werden wir Verbesserungen in der Textil- und Be-
kleidungsbranche erreichen.
An unserem Ende der Lieferkette – im Fachgeschäft oder
im Supermarkt – wird diese Verantwortung greifbar. Nur
wenn es Ihnen nicht egal ist, wie Ihre Kleidung hergestellt
wird, können wir gemeinsam Verbesserungen erreichen.
Wir wollen Sie bei Ihrer Kaufentscheidung unterstützen
und sorgen für Transparenz. Ab sofort können Sie sich auf
dem neuen Verbraucherportal der Bundesregierung unter
www.siegelklarheit.de über Umwelt- und Sozialstandards
aus dem Textilbereich informieren. Gleich im Laden kann
man die Siegel mit der App „Siegelklarheit“ auch einscan-
nen und so die Bewertung vor Ort abrufen.
Machen Sie bitte mit! Wir alle tragen Verantwortung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gerd Müller, MdB
Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung
Berlin und Bonn, im März 2015
VERANTWORTUNG TRAGEN
LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER,
BUNDESMINISTER MÜLLER informiert sich persönlich in einer Textilfabrik in China über die Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen.
1NACH HALTIGE
ENTWICKLUN G
DIE SITUATION: In der Textilindustrie arbeiten weltweit
60 Millionen Menschen, meist Frauen. Der Wirtschaftszweig
und einzelne Verarbeitungsschritte sind international stark
arbeitsteilig organisiert, die Lieferketten sind eng verflochten.
In Ländern wie Bangladesch zum Beispiel machen Textilien
und Bekleidung bis zu 80 Prozent der Exporte aus.
DIE ZIELE: Die Globalisierung eröffnet große Chancen für
Entwicklungs- und Schwellenländer. Da die einzelnen Pro-
duktionsprozesse international verteilt sind, können an vie-
len Orten neue Arbeitsplätze geschaffen werden, meist für
Frauen. Zum Teil wird dort aber unter extrem schlechten
Bedingungen produziert. Dabei könnten gezielte Maßnah-
men die Arbeits- und Lebensbedingungen vor Ort erheblich
verbessern. Menschenwürdige Arbeit unterstützt die nach-
haltige Entwicklung und fördert den Wohlstand sowie den
sozialen Zusammenhalt und politische Stabilität.
WUSSTEN SIE, DASS in Deutschland heute 120.000 Beschäf-
tigte in 1.200 überwiegend kleinen und mittelständischen
Unternehmen im Textilsektor tätig sind?
2SOZIAL- UND
UMWELTSTANDARDS
DIE SITUATION: Lange Arbeitszeiten ohne Bezahlung von
Überstunden und niedrige Löhne sind in den Fabriken an
der Tagesordnung. Unzureichende Sicherheit im Umgang
mit Chemikalien sowie Mangel an Brandschutz und Gebäu-
desicherheit gefährden Gesundheit und Leben der Arbeite-
rinnen und Arbeiter. Die Bildung von Gewerkschaften wird
häufig behindert.
DIE ZIELE: Ziel des Textilbündnisses ist, soziale, ökologische
und ökonomische Verbesserungen entlang der gesamten
textilen Wertschöpfungskette zu erreichen. Konkret: Verbot
von Kinder- und Zwangsarbeit, Orientierung der Arbeitszei-
ten an nationalen Gesetzen bzw. internationalen Standards,
angemessene Entlohnung, Umweltmanagement, Schulung
im Umgang mit chemischen Stoffen, Bereitstellung von
Schutzbekleidung. Die Beschäftigten müssen das Recht ha-
ben, sich Gewerkschaften anzuschließen. Bestechung und
Korruption müssen wirkungsvoll bekämpft werden.
WUSSTEN SIE, DASS viele Beschäftigte in Textilfabriken
in Bangladesch trotz zehn Stunden Arbeitszeit pro Tag mo-
natlich umgerechnet nur ca. 70 Euro verdienen? Lokale Ge-
werkschaften fordern einen Mindestlohn von 80 Euro im
Monat. Erst dieser würde annähernd zum Leben ausreichen.
VERBOT VON KINDERARBEIT. Dieses Mädchen hat in Rana Plaza gearbeitet und bei dem Unglück ein Bein verloren.
VERBESSERUNG DER ARBEITSBEDINGUNGEN für die Arbeiterinnen und Arbeiter in den Textilfabriken muss oberste Priorität haben.
2
AM START – DAS BÜNDNIS FÜR NACHHALTIGE TEXTILIEN Menschenwürdige Arbeitsbedingungen vom Baumwollfeld bis zum Bügel
3VERBINDLICHKEIT
SCHAFFEN
DIE SITUATION: Die Standards und ihre Umsetzung
werden im Textilbündnis gemeinsam von den Mitgliedern
definiert und mit konkreten Zeitzielen versehen, um so eine
kontinuierliche Verbesserung sicher zu stellen.
DIE ZIELE: Die Standards beschreiben konkrete Ziele für
jede Stufe in der Lieferkette. Die Bündnispartner verpflich-
ten sich, diese Standards schrittweise entlang der vorgege-
benen Zeitziele umzusetzen. Einige Beispiele: die Festlegung
auf eine bestimmte Menge von nachhaltig produzierter
Baumwolle, die Durchführung von Weiterbildungsmaßnah-
men und die Einführung von Überprüfungs- und Verbesse-
rungssystemen an den Produktionsstätten. Schrittweises
Vorgehen ermöglicht es, die Maßnahmen und Fortschritte
der Bündnispartner transparent zu dokumentieren.
WUSSTEN SIE, DASS gerade in kleineren Produktionsbe-
trieben schon durch eine einfache Optimierung der Arbeits-
abläufe der Abbau von Überstunden oder die Reduzierung
von Ressourcen- und Materialeinsatz erreicht werden kann?
4PRIORITÄTEN
SETZEN
DIE SITUATION: Aufgrund der komplexen, internationa-
len Lieferketten stellt derzeit die lückenlose und flächen-
deckende Überwachung sämtlicher Produktionsprozesse
für Industrie- und Handelsunternehmen nach wie vor eine
große Herausforderung dar.
DIE ZIELE: Im Textilbündnis werden verschiedene vordring-
liche Handlungsfelder festgelegt – so genannte „Hot spots“.
So sind zum Beispiel der Umgang mit Chemikalien, die
Durchsetzung von existenzsichernden Löhnen und man-
gelnde Transparenz zentrale Herausforderungen und Hür-
den.
WUSSTEN SIE, DASS der Energieverbrauch und damit ein-
hergehende CO2-Emissionen besonders hoch beim Spinnen
der Baumwolle und den jeweils vorbereitenden Schritten
sind? Lebenszyklusstudien kommen zu dem Ergebnis, dass
die Phase des Spinnens mehr als 50 Prozent der Umweltaus-
wirkungen bei Baumwollprodukten ausmacht, wobei der
Energieverbrauch besonders ausschlaggebend ist.
5INTERNATIONALER
SCHULTERSCHLUSS
DIE SITUATION: Zunächst richtet sich das Textilbündnis
an in Deutschland besonders aktive Unternehmen, an Ver-
treter von deutschen Gewerkschaften und der Zivilgesell-
schaft sowie an internationale Nachhaltigkeitsinitiativen.
DIE ZIELE: Schnellstmöglich sollen aber auch andere
Schlüsselakteure, wie multinationale Unternehmen, lokale
Zulieferer, Gewerkschaften und die Regierungen der Produ-
zentenländer, eingebunden werden. Um das Textilbündnis
und seine Ziele international zu verankern, werden Part-
nerschaften innerhalb der EU, mit den G7-Staaten und mit
internationalen Organisationen aufgebaut.
WUSSTEN SIE, DASS schon sechs Hersteller aus
Bangla desch die Partnerschaftsvereinbarung im Textil-
bündnis unterzeichnet haben? Es handelt sich um große
Firmen mit einem Gesamtjahresumsatz von 865 Millionen
Euro und rund 36.400 Beschäftigten. Durch deren weit ver-
zweigten Beziehungen zu Zulieferern und aufgrund ihrer
Bedeutung in der Branche wirken diese Unternehmen als
Vorreiter und haben Vorbildcharakter auch für kleinere
Unternehmen.
6TEXTILSEKTOR
ALS VORBILD
DIE SITUATION: Deutsche Unternehmen beziehen ihre tex-
tilen Produkte aus verschiedenen Ländern. Das Streben nach
mehr Transparenz und höheren Nachhaltigkeitsstandards in
der Bekleidungsindustrie soll den Partnerländern aber kei-
neswegs den Zugang zu unseren Märkten erschweren.
DIE ZIELE: Das Textilbündnis wird positiv darauf einwir-
ken, dass der Wettbewerb unter den Produktionsländern
nicht auf der Grundlage niedriger Standards ausgefochten
wird. Es werden die modernsten und effizientesten Betriebe
sein, die sich im globalen Wettbewerb durchsetzen.
WUSSTEN SIE, DASS China mit einem Marktanteil von 37
Prozent (159,6 Milliarden US$, Stand 2012) mit deutlichem
Abstand der weltweit führende Exporteur von Bekleidung ist?
SCHULUNG IN UMWELTBEWUSSTSEIN ist nötig. Unrat und Chemieabfall dürfen nicht in die
Flüsse entsorgt werden.
EINHALTEN DER ARBEITSZEITEN kann nur funktionieren, wenn die Arbeiterinnen und Arbeiter wissen, wie sie die Uhr lesen können.
FASHION WEEK BERLIN: Im Green Showroom und auf der Ethical Fashion Show zeigen deutsche und internationale Designer nachhaltig hergestellte Mode.
EINHALTUNG VON SOZIALSTANDARDS ist Unterrichtsprogramm am Bangladesh Institute of Management in der Hauptstadt Dhaka.
Rund 60 Organisationen und Unternehmen sind der Ini-
ti ative bisher beigetreten. Weiterführende Informationen
zum Textilbündnis, zum Aktionsplan und die aktuelle Liste
der Mitgliedsunternehmen finden Sie auf der Website des
Bündnisses für nachhaltige Textilien.
Mehr auf: www.textilbuendnis.com Foto
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Die Näherinnen von Bangladesch schuften für die Zukunft ihrer Kinder
WIR BITTEN UM RESPEKT FÜR UNS UND UNSERE ARBEIT
EIN HARTES LEBEN VOLLER HOFFNUNG UND SOLIDARITÄT
Immer mehr Näherinnen versammeln sich nach der Arbeit in einem der von der Gewerkschaftsführerin Nazma Akter gegründeten Frauen-Cafés in Dhaka. Hier tauschen sie sich über ihre Probleme und über ihre Bedürfnisse, Wünsche und Hoffnungen aus. Hier werden sie über ihre Rechte aufgeklärt, zum Beispiel die Bezahlung von Überstunden und die Lohnfortzahlung während des Mutterschutzes. Besonders beliebt ist ein Spiel, das Nazma erfunden hat, eine Art Quiz, bei dem das Wissen über Arbeits-bedingungen abgefragt wird. Nazma hat selbst mit elf Jahren als Näherin in einer Textilfabrik angefan-gen. Heute ist sie 40 und seit mehr als 20 Jahren in ihrer Gewerkschaft aktiv. Mit ihrer Energie über-zeugt sie nicht nur die Frauen, sondern auch viele Betriebsleiter und Unternehmer.
Parmin M., die Näherin aus Bangladesch, Esther Perbandt,
die junge Berliner Modedesignerin, und Nazma Akter,
die einflussreiche Gewerkschaftsführerin, haben sich in
Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, getroffen. Esther
war dorthin gereist, um sich persönlich ein Bild von
den Arbeitsbedingungen und den Lebensumstän-
den der Näherinnen in den Textilfabriken des
Landes zu machen.
PARMIN: Ich bin 27 Jahre alt. Vor sieben Jah-
ren bin ich allein aus meinem Heimatdorf nach
Dhaka gekommen, weil ich Geld verdienen musste,
damit meine Töchter Pia und Kia zur Schule gehen kön-
nen. Seitdem arbeite ich hier als Näherin in einer großen
Textil fabrik. Ohne meine Familie fühle ich mich sehr
einsam. Meine Töchter und meine Familie kann
ich nur zweimal im Jahr sehen. Für mehr Besu-
che reicht mein Verdienst nicht. Ich bekomme
bei zehn Stunden täglicher Arbeit 70 Euro im
Monat ausgezahlt. Davon schicke ich das meiste
nach Hause – für das Schulgeld meiner Töchter. Sie
sollen einmal Ärztin oder Lehrerin werden. Vor allem
sollen sie ein besseres Leben haben als ich. Dafür ist mir kei-
ne Arbeit zu viel. Aber ich möchte, dass wir Frauen gerecht
bezahlt werden.
ESTHER: Vor Parmin und ihren Kolleginnen habe ich größ-
te Hochachtung. Ich habe in der Textilfabrik ein Experiment
gemacht und wie sie T-Shirts im Akkord genäht. Zehn Stun-
den lang immer dieselbe Naht. Eigentlich nähe ich sehr gut,
dachte ich ... Aber der Vorarbeiter hat mir die schlechteste
Note gegeben, eine 7. Der Druck, der auf den Arbeiterinnen
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PARMIN, NAZMA UND ESTHER BERICHTEN
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lastet, ist enorm, und der Feinstaub, dem sie in der Produk-
tion ausgesetzt sind, ist unerträglich. Nicht einen Tag würde
ich das aushalten. Parmin hat mir ihr Zuhause gezeigt, eine
zehn Quadratmeter große Wellblech-Hütte in einem Slum
von Dhaka, die sie sich mit zwei anderen Näherinnen
teilt. Ich war sehr beeindruckt von der Einfachheit
und der Würde, mit der die drei Frauen dort zu-
sammen leben.
NAZMA: Ich bin nicht grundsätzlich gegen die
Arbeit in den Fabriken. Es ist für die oft sehr ar-
men Frauen durchaus eine Stärkung ihrer sozialen
Position, dass sie überhaupt ein eigenes Einkommen ha-
ben. Allerdings kämpfe ich entschieden gegen die ausbeute-
rischen und lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen
in den Fabriken. Und ich fordere Respekt gegen-
über den Arbeiterinnen. Wir kämpfen gemein-
sam dafür, dass sie und ihre Familien eine bessere
Zukunft haben. Alle Beteiligten müssen an einem
Strang ziehen. Wir müssen die Probleme dort lö-
sen wo sie entstehen, nämlich hier in Bangladesch.
Ein zweites Rana Plaza darf es nicht geben.
ESTHER: Als ich Nazma traf, hat sie mich sofort zutiefst
beeindruckt. Mit welchem Elan sie ihre schwierige Aufga-
be angeht, diese Hoffnung, die sie ausstrahlt, die überträgt
sich sofort auf die Frauen, für die sie sich einsetzt und die
sie ihre Schwestern nennt. Das Strahlen in ihren Augen und
ihre ganze positive Art haben auch mir, der Besucherin aus
Deutschland, viel Kraft gegeben.
Informationen und Video auf: www.bmz.de/textil
6
BÜNDNIS FÜR NACHHALTIGE TEXTILIEN – DIE MITGLIEDERIn alphabetischer Reihenfolge
Aid by Trade Foundation
Better Cotton Initiative (BCI)
BIEHLER Sportswear
Bischöfliches Hilfswerk MISEREOR e. V.
Bremer Baumwollbörse
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung (BMZ)
Christliche Initiative Romero
Common Works Modeproduktion GmbH
Cotton Council International
DBL Group
Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG)
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), Bundesvorstand
Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI)
Dialog Textil-Bekleidung
Die Verbraucherinitiative e.V.
EcoPlanet Bamboo Group
elkline GmbH
Fashion Revolution Germany e.V.
FEMNET e.V.
Garment Industries Transparency Initiative (GITI)
Global Standard gemeinnützige GmbH (GOTS)
gotsutsumu GmbH
Hans Natur e.K.
Hess Natur-Textilien GmbH
Hochschule für Wirtschaft und Recht (Global Labor
University e.V.)
HUMANA Kleidersammlung GmbH
IG Metall
INKOTA-netzwerk e.V.
interloom
HERAUSFORDERUNGEN MEISTERN – WIR MACHEN MITIm Textilbündnis werden Erfahrung und Knowhow gebündelt
BMZeit · Ausgabe 2/2015
`SWITCHER. MADE WITH RESPECT
DAS UNTERNEHMEN: Gegründet wurde die Bekleidungs-
marke Switcher 1981 von Robin Cornelius, einem leiden-
schaftlichen Schweizer Unternehmer. Schon 1992 – nach
dem 1. Klimagipfel in Rio – erkannte er die oftmals zerstö-
rerischen Auswirkungen der industriellen Textilproduktion
auf Mensch und Natur. Seitdem setzt sich das Unternehmen
unablässig für eine Verbesserung der Lebens- und Arbeits-
bedingungen der Arbeiterinnen und Arbeiter ein. Soziales
Engagement und Verantwortungsbewusstsein wurde zur
Unternehmenskultur.
DAS BESONDERE: Auf www.respect-code.org kann jeder die
Lieferkette von den Rohstoffen über die Produktion bis zum
fertigen Produkt verfolgen. Mehr auf: www.switcher.com
`HESSNATUR. EINE KLARE VISION
DAS UNTERNEHMEN: Lebensstil und Lebensfreude lassen
sich bestens mit der Verantwortung für Mensch und Natur
vereinbaren. In diesem Sinne sorgt Deutschlands größtes
Naturmodelabel seit über 35 Jahren für Mode, die auf dem
Weg vom Baumwollfeld bis in den Laden rundum ökologisch
und fair hergestellt wird. Mehr auf: www.hessnatur.com
DAS BESONDERE: hessnatur fördert Jung- und Nach-
wuchsdesigner, die nachhaltige Mode entwerfen und unter-
stützt mit der Partnerplattform New Creatives den Sprung
von der Kreatividee zum Markterfolg.
` INKOTA. FÜR GERECHTIGKEIT
DIE ORGANISATION: Hunger besiegen, Armut bekämp-
fen, Globalisierung gerecht gestalten – seit über 40 Jahren
setzen sich bei INKOTA engagierte Menschen für weltweite
Gerechtigkeit ein. Sie fordern unter anderem, dass Unter-
nehmen, die von der Fertigung in den weltweiten Zulie-
ferbetrieben der Textilbranche profitieren, für die sozialen
Missstände Verantwortung übernehmen müssen. Mehr auf:
www.inkota.de
DAS BESONDERE: Die INKOTA-Partner aus dem globalen
Süden sind häufig Impulsgeber für die entwicklungspolitische
Bildungs- und Kampagnenarbeit von INKOTA in Deutschland.
` FEMNET. DIE WÜRDE DER FRAUEN
DIE ORGANISATION: FEMNET ist ein bundesweiter ge-
meinnütziger Frauenrechtsverein. Der Verein setzt sich
für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte
von Frauen weltweit ein. FEMNET widmet seine Arbeit vor
allem Frauen in der globalen Bekleidungsindustrie im Rah-
men der Kampagne für Saubere Kleidung und unterstützt
mit einem Solidaritätsfonds Frauen im Süden, die für ihre
Rechte kämpfen. Der Verein betreibt Bildungs- und Aufklä-
rungsarbeit, so auch an deutschen Mode-Hochschulen, um
die zukünftigen Einkäuferinnen großer Modeunternehmen
frühzeitig für Sozial- und Umweltstandards zu sensibilisie-
ren. Mehr auf: www.femnet-ev.de
DAS BESONDERE: FEMNET hat eine umfassende Studie
über Sumangali, Zwangsarbeit in indischen Spinnereien
herausgebracht, zeigt in einer Wanderausstellung aber auch
Fotos von Gewerkschafterinnen, Frauen die sich aus ihrer
Opferrolle befreit haben.
7
Internationaler Verband der Naturtextilwirtschaft e.V. (IVN)
Kampagne für Saubere Kleidung
Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd)
Lillika Eden Muthig & Schmidt GbR
loud + proud GmbH
Maas Naturwaren GmbH
Manufaktur Sant
MaxTex
MDC Sportswear GmbH
Monagoo GmbH
MUVEO GmbH
NKD Deutschland GmbH
Oxfam Deutschland e.V.
POLOLO OHG
Product DNA SA (Respect Code)
Schweikardt Moden GmbH
Seidentraum
Stiftung Warentest
SÜDWIND e.V. – Institut für Ökonomie und Ökumene
Switcher Textil Vertriebs GmbH
TEXAID Deutschland GmbH
Trans Fair e.V.
Transparency International Deutschland e.V.
Triaz Group GmbH
Trigema
Umweltbundesamt
UTT Technische Textilien GmbH & Co
VAUDE Sport GmbH & Co. KG
Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.
vista textil GmbH
Zwergengrün – Nadja Lüders und Gabriela Wahl GbR
HERAUSFORDERUNGEN MEISTERN – WIR MACHEN MIT
`DIE MACHT DER VERBRAUCHER
Die Mode ist wunderbar! Sie ist ein sinnliches Kulturprodukt,
das unbegrenzte Ausdrucksmöglichkeiten verleiht, Zugehö-
rigkeiten kommuniziert und Individualität unterstreicht.
Kein Wunder, dass sie ein so beliebtes Konsumgut ist. Aber
die Mode ist auch brutal. Ihre Produktion ist der Schauplatz
für Katastrophen wie Rana Plaza, der Textilfabrik in Bangla-
desch, bei deren Einsturz im Jahr 2013 über tausend Men-
schen ums Leben kamen. Um den Konsumenten das schö-
ne Produkt Mode zu bescheren, führen Textilarbeiterinnen
und Textilarbeiter ein Leben unter menschenunwürdigen
Bedingungen. Ihr Lohn reicht oft nicht, um ihre Existenz zu
sichern. Ihr Elend aber spielt in unserer Wahrnehmung kaum
eine Rolle. Medial kennen wir nur die schöne Seite der Mode:
Wir kennen die kreativen Designer, wir sehen die makellosen
Models, die die Kollektionen auf den internationalen Mo-
` ELKLINE. DRAUSSEN WIE DIE ELCHE
DAS UNTERNEHMEN: Die Hamburger Outdoor-Fashion
Marke elkline fühlt sich dem Prinzip der Ganzheitlichkeit
verpflichtet. Mit der nachhaltigen Herstellung von qualita-
tiv hochwertigen, langlebigen und modernen Wegbeglei-
tern für alle Lebenslagen und für die ganze Familie, soll der
CO2-Fußabdruck, der zwangsläufig hinterlassen wird, so
klein wie möglich gehalten werden.
DAS BESONDERE: Familien und Sportgruppen können sich
mit Selfies und Berichten von ihren Outdoor-Abenteuern auf
dem elkline-Blog austauschen. Mehr auf: www.elkline.de
` WIEVIELE MENSCHEN
ARBEITEN WELTWEIT
IN TEXTILFABRIKEN?
1,2 Millionen
130 Millionen
60 Millionen
Wenn Sie die Frage richtig beantwor-
ten, können Sie einen der Rucksäcke
Tecographic 23 von Bündnismitglied
VAUDE gewinnen (www.vaude.com).
Unter den richtigen Einsendungen
werden 10 Rucksäcke verlost. Mitarbei-
terinnen und Mitarbeiter des BMZ und deren Angehörige
dürfen nicht teilnehmen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Bitte senden Sie Ihre Antwort bis zum 31.03.2015
per Email an: [email protected]
Oder schicken Sie eine Postkarte an:
BMZ Referat L5/BMZeit, Stresemannstr. 94, 10963 Berlin
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B
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` SIEGELKLARHEIT: NACHHALTIG
EINKAUFEN, SIEGEL VERSTEHEN
DIE AUFGABE: Die Zahl der Umwelt- und Sozialsiegel
wächst rasant. Aber welche Siegel sind eigentlich glaub-
würdig? Siegelklarheit.de, ein neues Portal der Bundes-
regierung, sorgt für mehr Klarheit und Wahrheit. Die un-
terschiedlichen Siegel werden bewertet und miteinander
verglichen. Die App ist eine wichtige Hilfe für den nachhal-
tigen Einkauf und kann gleich im Laden eingesetzt werden.
DAS BESONDERE: Die Verbraucherinnen und Verbrau-
cher können sich schnell und unkompliziert auf ihrem
Smartphone darüber informieren, ob sie tatsächlich ein fair
produziertes Kleidungsstück kaufen. Mehr über die App auf:
www.siegelklarheit.de
QUIZBMZeit
denschauen vorführen. Die vielen Menschen, die hinter der
Mode stehen, die unsere Mode mit ihren eigenen Händen
fertigen, kennen wir nicht. Mode ist für uns ein anonymes
Produkt, das appetitlich angerichtet in den Regalen der Kauf-
häuser und Online-Stores darauf wartet, gekauft zu werden.
Bei Lebensmitteln fragen wir nach ihrer Herkunft und sind
zufrieden, wenn wir wissen, auf welcher Wiese die Kuh, de-
ren Fleisch wir essen, ihr Gras gefressen hat. Unsere Kauf-
entscheidungen für Mode hingegen treffen wir zum größ-
ten Teil blind. Bestenfalls wissen wir über die Auszeichnung
„Made in“ etwas über das Land, in dem die Mode haupt-
sächlich gefertigt wurde. Aber hinter „Made in China“ kann
eine faire Produktion stehen – ebenso wie eine menschliche
Katastrophe. Von einem mündigen Modekonsum sind wir
Lichtjahre entfernt. Zum Glück gibt es immer mehr Men-
schen, die diesen Zustand ändern. Viele Modedesigner und
Unternehmen lassen ihre Mode unter ökologisch und sozial
fairen Bedingungen anfertigen und verzichten teils sogar
auf den Einsatz tierischer Materialien. Aber nicht nur die
Unternehmen müssen sich engagieren, der Verbraucher –
wir – sind gefragt. Um das sinnliche Vergnügen zu genießen,
das die Mode bietet, müssen wir sie mit gutem Gewissen
kaufen können. Und das gelingt nur, wenn wir es als unsere
Pflicht begreifen, uns zu informieren. Dann können wir et-
was bewegen. Konsum kann die Welt verändern. Die ganze
Macht liegt bei uns Verbrauchern.
Alex Bohn ist Modejournalistin (Die Zeit, Süddeutsche Zeitung, Vanity Fair, etc.). Sie ist Gründerin der Plattform Fair-a-porter, auf der sie ausgewählte Mode aus transparenter Produktion kuratiert und so den Verbrauchern ermöglicht, sich zu informieren, damit sie Ihren Einfluss als Konsument verantwortungsvoll geltend machen können. Mehr auf: www.fairaporter.com
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DU TRÄGST VERANTWORTUNGEin Gespräch mit der Schauspielerin, Ärztin und Aktivistin Maria Furtwängler
Dr. Maria Furtwängler ist Mutter von zwei erwachsenen
Kindern. Seit vielen Jahren engagiert sie sich für die Ver-
besserung der Lebensumstände von Frauen und Mäd-
chen. Beate Wedekind hat sich mit ihr über ihr soziales
Engagement unterhalten.
BMZeit: EineWelt – unsere Verantwortung. Welche Bedeu-
tung hat dieser Satz für Sie?
Maria Furtwängler: Wie wir heutzutage leben, global ver-
netzt und gut informiert, wissen wir über die Lebensum-
stände der Menschen überall auf der Welt so gut Bescheid,
dass sie uns nahe sind wie Nachbarn. Dabei ist die Vielzahl
der Probleme überwältigend, in gewisser Weise auch läh-
mend. Von der Erderwärmung bis zur Bedrohung durch
Radikalisierung, von der Müttersterblichkeit in den ärmsten
Ländern, bis zu den verheerenden Arbeitsbedingungen für
Frauen in den Textilfabriken. So viel Wichtiges müsste getan
werden. Man weiß gar nicht, wie und wo man anfangen soll.
Meiner Meinung nach kann der Einzelne am besten etwas
tun, wenn man sich auf ein Thema fokussiert. Was mich
persönlich sehr bewegt ist die fehlende Gleichbe-
rechtigung für und die Verachtung von Frau-
en. Das gilt für Entwicklungsländer genau-
so wie für unsere westliche Welt.
Ich engagiere mich deshalb aktiv für
die Stärkung von Frauen und Mäd-
chen. Zum Beispiel habe ich auf Initia-
tive meiner Tochter, die damals 18 war,
gemeinsam mit den German Doctors
auf den Philippinen das MalisaHome, ein
Heim für junge Mädchen gegründet, deren Le-
bensweg von viel Leid gezeichnet war. Sie wurden
entweder verschleppt oder von der eigenen Familie – zum
Teil unwissentlich – in die Prostitution verkauft und haben
meist keine Chance aus eigener Kraft da wieder rauszukom-
men. Das Selbstwertgefühl dieser Mädchen, die bei uns ein
geschütztes Zuhause und eine Ausbildung erhalten, ist voll-
kommen zerstört. Sie werden behandelt wie Dreck und so
fühlen sie sich auch. Es ist sehr berührend zu erleben, wie
sich die Mädchen öffnen, wenn sie durch die Mitarbeiterin-
nen dort zum ersten Mal wirkliche Zuneigung erleben.
BMZeit: Und was bedeutet Engagement für Ihren persön-
lichen Alltag?
Maria Furtwängler: Ich versuche, eine verantwortungsvol-
le Verbraucherin zu sein und bemühe mich, vor allem fair
hergestellte Produkte zu kaufen. Bei Lebensmitteln aber
auch bei Kleidung. Hier achte ich vor allem darauf, wo sie
hergestellt wird. Aber ich gebe zu, dass mir erst durch das
Unglück von Rana Plaza vor zwei Jahren das volle Ausmaß
der katastrophalen Arbeitsbedingungen, unter denen be-
sonders die Frauen in den Textilfabriken zu leiden haben,
klar geworden ist. Ich finde aber, dass generell viel zu wenig
ersichtlich ist, welche Produkte tatsächlich nachhaltig pro-
duziert werden. Der Verbraucher ist weitgehend überfor-
dert. Es gibt einen großen Informationsbedarf und insofern
finde ich die Initiative des Ministeriums, das Bündnis für
nachhaltige Textilien, extrem wichtig. Wir als Konsumen-
ten brauchen viel mehr Informationen über die Arbeits-
prozesse, die ungerechte Bezahlung, die Diskriminierung,
die Gefahren, denen die Menschen in den Fabriken ausge-
setzt sind. Erst wenn sich jeder diese Konsequenzen klar vor
8
Augen führt, wird sich das Konsumverhalten entscheidend
ändern. Was Lebensmittel angeht, so verzichte ich weitest-
gehend auf Fleisch, seit ich mich für meinen letzten Tatort
intensiv über die Bedingungen in der Tierzucht informiert
habe. Das heißt, ich kaufe soweit wie möglich lokal produ-
zierte Bio-Lebensmittel.
BMZeit: Wie setzen Sie als erfolgreiche Schauspielerin
Ihren Bekanntheitsgrad ein, um auf Missstände aufmerk-
sam zu machen?
Maria Furtwängler: Ich habe die einmalige Möglichkeit,
dass ich bei der Entwicklung von Stoffen und Drehbüchern
für Filme, in denen ich spiele, Einfluss nehmen darf. Dabei
achte ich darauf, dass der Kern der Story gesellschaftlich
relevant ist. Wir haben zum Beispiel in dem Tatort „Weg-
werfmädchen“ Zwangsprostitution in Deutschland the-
matisiert. Das Thema fand in allen Medien eine enorme
Präsenz; von Talksendungen bis zu Schwerpunktseiten in
vielen Zeitungen. Es ist ein großes Privileg als „Promi“ so
eine Möglichkeit zu haben. In Summe haben wir auf
diese Art viele Millionen Menschen erreicht und
für das Thema sensibilisieren können.
BMZeit: Sie setzen in letzter Zeit auch
Akzente auf der politischen Bühne. Wie
kam es dazu?
Maria Furtwängler: Letztes Jahr rief mich Melinda
Gates an und fragte mich, ob ich ONE-Botschafterin für
Kindergesundheit werden möchte, um insbesondere die
Impfkampagne von Gavi zu unterstützen. Das habe ich als
Ärztin und als Mutter sehr gern getan und bin mir dabei
auch bewusst geworden, wie wichtig es ist zu versuchen,
auf das politische Leben und auf politische Entscheidungen
einzuwirken. Im Zusammenhang mit dem anstehenden
G7 Gipfel, für den die Bundeskanzlerin die Präsidentschaft
übernommen hat, werde ich mich weiter für die Stärkung
von Mädchen und Frauen einsetzen. Was wir erreichen
können, zeigen nicht zuletzt die starken Frauen in der
Bundesregierung.
Investition in die Gleichberechtigung und den Respekt
gegenüber Frauen ist eine Investition in die Zukunft. Es
kann nicht angehen, dass weltweit immer noch zwei Drit-
tel aller Analphabeten Frauen und Mädchen sind, dass die
Müttersterblichkeit im Wochenbett in der Subsahara 100
Mal so hoch ist wie bei uns! Wir dürfen nicht hinnehmen,
dass Männer in Entwicklungsländern durchschnittlich ge-
rade Mal 30 bis 40 Prozent ihres Lohnes zuhause abgeben,
während Frauen 90 Prozent ihres Lohnes in die Familie in-
vestieren.
Die Stärkung von Frauen und Mädchen darf allerdings nicht
reine Frauensache sein. Natürlich sind auch die Männer und
die Jungen gefragt: Wir alle müssen uns solidarisieren. Nur
dann können wir wirkliche gesellschaftliche Veränderun-
gen bewirken. Ob in Bangladesch, auf den Philippinen, auf
dem afrikanischen Kontinent – und bei uns zu Hause.
GEMEINSAM MIT IHRER TOCHTER Elisabeth hat Maria Furtwängler auf den Philippinen ein Heim für junge Frauen und Mädchen gegründet, die Opfer von Zwangsprosti tution wurden.
FRAUEN STÄRKEN
Sich für Frauen einzusetzen ist eine gute Tradition in der Familie von Maria Furtwängler. Ihre Urgroß-mutter Katharina von Oheimb war eine der 36 Frauen im 1. Reichstag der Weimarer Republik. Sich gegen die 430 Männer zu behaupten und Kurt Tucholsky zu veranlassen, ein Gedicht „An die Gräfin Oheimb“ zu richten – zeigt, dass sie wohl eine sehr durchsetzungsstarke Feministin gewesen sein muss. Schon Anfang der 1920er Jahre gab sie Bildungs-kurse für Frauen. Fo
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FÜR ALLE MENSCHEN – DAS BMZ ERGREIFT DIE INITIATIVEDiskutieren, verhandeln, gemeinsam Lösungen finden
Die vom BMZ mitveranstaltete Konferenz der globalen
Impfallianz Gavi fand Ende Januar als Auftaktveranstal-
tung der deutschen G7-Präsidentschaft unter der Schirm-
herrschaft der Bundeskanzlerin in Berlin statt. Minister
Müller zeigte sich mit dem Ergebnis äußerst zufrieden:
„Mit den zugesagten 7,539 Milliarden Dollar können von
2016 bis 2020 weitere 300 Millionen Kinder in den ärms-
ten Ländern der Welt geimpft werden. Mit dem deutschen
Beitrag von 600 Millionen Euro wollen wir darüber hinaus
auch grundlegende Gesundheitsstrukturen in diesen Län-
dern unterstützen.“ Bereits am Vortag der Konferenz hatten
300 Expertinnen und Experten über die Frage diskutiert,
wie die Gesundheitssysteme auch in den ärmsten Ländern
eine medizinische Basisversorgung sicherstellen können.
Mehr auf: www.gavi.org
`DIE KLIMAREISE
Waldschutz, Klimaanpassung und erneuerbare Energien –
das waren die Themen, zu denen Minister Müller verschie-
dene Projekte und Finanzierungen bei der UN-Klimakon-
ferenz in der peruanischen Hauptstadt Lima auf den Weg
gebracht hat. Bei der Gründungsveranstaltung eines globa-
len Netzwerks zur Anpassung an den Klimawandel sagte er:
„Der Klimawandel ist eine Überlebensfrage der Menschheit.
Es ist eine gewaltige Kraftanstrengung, uns global auf das
Zwei-Grad-Ziel zu verständigen. Wenn wir jetzt scheitern,
wird eine menschenwürdige Anpassung an den Klimawan-
del kaum noch möglich sein. Vielerorts verlieren die Men-
schen schon jetzt ihre Lebensgrundlage. Viele Millionen
Menschen verlassen ihre Heimat nicht zuletzt wegen des
Klimawandels – etliche Millionen werden dazu kommen.“
Der Minister startete ein Programm zur Nutzung von Geo-
thermie in Lateinamerika und sagte mehr Mittel für ein
Waldschutzprogramm zu.
BMZeit · Ausgabe 2/2015
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ABSTIMMUNGSGESPRÄCHE: die norwegische Premierministerin Erna Solberg, Bill Gates und Jakaya Kikwete, Präsident von Tansania
Um Kindern Zugang zu lebensrettenden Gesundheitsdiens-
ten zu ermöglichen, ist ein Impfprogramm oft der erste
Schritt. Die Impfallianz Gavi unterstützt darum Länder, die
die Versorgung der Kinder mit wichtigen Grundimpfungen
verbessern wollen.
DIE BUNDESKANZLERIN SPRICHT bei der Wiederauffüllungs-Konferenz der Impfallianz Gavi am 27. Januar 2015 im Berliner Congress Centrum.
PROGRAMME ZUR RETTUNG DES REGENWALDES standen auf der Agenda der UN-Klimakonferenz in Lima, an der die Delegation aus Deutschland teilnahm.
`GAVI-KONFERENZ: ERSTER HÖHEPUNKT DER DEUTSCHEN G7-PRÄSIDENTSCHAFT
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BUNDESKANZLERIN MERKEL mit Dagfinn HØybråten, dem Vor-sitzenden des Gavi-Aufsichtsrates, und Gavi-CEO Dr. Seth Berkley sowie Minister Müller auf dem Weg zur Konferenz
WAS MACHTeigentlich Yiannis Neophytou in Hanoi/ VietnamYiannis Neophytou (Foto) arbeitet als Referent für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit in Hanoi, einer Metropole
mit fast 6,5 Millionen Einwohnern. Hier sein Bericht:
FÜR ALLE MENSCHEN – DAS BMZ ERGREIFT DIE INITIATIVE
Als ich 2012 als Referent des Bundesministeriums für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung nach Hanoi
kam, war der Umbruch unserer Entwicklungszusammenar-
beit mit Vietnam bereits in vollem Gange. Zusammen mit
meiner Partnerin, die ebenfalls Referentin des BMZ hier
ist, galt es, unsere Zusammenarbeit auf die zwei zukünfti-
gen Herausforderungen des Landes neu auszurichten: zum
einen die Nachhaltigkeit des Wachstums für zukünftige
Generationen zu gewährleisten, zum anderen dem akuten
Mangel an Fachkräften in allen Wirtschaftsbereichen durch
ein praxisorientierteres Ausbildungsangebot zu begegnen.
Für beides wird Deutschland in Vietnam als der ideale Part-
ner angesehen.
Meine bisherigen Projektreisen haben gezeigt, dass Vietnam
ein Land mit zwei Gesichtern ist. Einerseits gibt es hohe
Wachstumsraten – gerade in den Wirtschaftszentren Hanoi
und Ho Chi Minh Stadt. Andererseits ist eine fortbestehende
Armut auf dem Land und immer mehr auch in den Vorstäd-
ten zu beobachten. Der Spagat zwischen dem Anspruch, in
fünf Jahren Industrieland sein zu wollen und dem harten
Lebensalltag vieler Menschen entlang der Armutsgrenze ist
allerorten sichtbar.
Hanoi ist nach Addis Abeba und New York mein dritter Aus-
landsposten. Im Ministerium in Deutschland arbeitete ich
unter anderem mit den Partnerländern Indonesien, Mon-
golei und China. Es war daher nur eine Frage der Zeit, wann
ich mich auf den Weg nach Asien machen werde.
Die Entwicklungszusammenarbeit mit Vietnam ist in der
Tat ein großer „Tanker“. Ein großes und breit gefächertes
Portfolio, zahlreiche Delegationsbesuche und viele zum
Teil neue Partner insbesondere in der deutschen und viet-
namesischen Wirtschaft machen Hanoi zu einem ebenso
arbeitsintensiven wie interessanten Posten.
Hanoi – das ist eine Metropole, die ihren asiatischen Cha-
rakter bisher weitgehend bewahren konnte. Die Stadt mit
ihrem morbiden Charme ist eingebettet in zahlreiche Seen,
grüne Oasen und verfügt noch über viele Alleen mit post-
kolonialer Architektur. Klimatisch ist das Leben allerdings
eine echte Herausforderung, denn feuchtkühle Winter und
extrem heiße Sommer mit kurzen milden Intermezzos
zeichnen das Wetter hier besonders aus. Die Luftverschmut-
zung liegt zumeist viermal über dem zulässigen Grenzwert.
Das Reisen in die Nachbarländer ist natürlich ein Muss und
zeigt immer wieder auch die Einmaligkeit von Vietnam.
`DAS BMZ, EIN OFFENES HAUS
Wussten Sie schon, dass sich der Anteil der Menschen, die in
extremer Armut leben, im Vergleich zum Jahr 1990 halbiert
hat, trotzdem aber heutzutage noch immer ca. 1,3 Milliar-
den Menschen in extremer Armut leben? Wollen Sie diese
und andere Fragen mit dem Team des BMZ diskutieren?
Dann kommen Sie uns besuchen. Das BMZ bietet Gruppen
von 15 bis 50 Personen in Bonn und Berlin die Möglichkeit,
praxisnahe Einblicke in die entwicklungspolitische Arbeit
zu bekommen. Was wir tun, wer sich daran beteiligt und wie
auch Sie sich engagieren können, darüber informieren wir
Sie gern. Wir berichten Ihnen aus dem entwicklungspoliti-
schen Arbeitsalltag in Deutschland und in unseren Partner-
ländern in Afrika, Asien, Lateinamerika und Südosteuropa.
Haben Sie Interesse? Dann senden Sie uns bitte eine E-Mail
Der erste Dienstsitz des BMZ in Bonn ist übrigens im ehe-
maligen Bundeskanzleramt direkt am Rhein untergebracht.
Der zweite Dienstsitz des BMZ in Berlin-Kreuzberg befindet
sich im Europahaus, einem Bau der Neuen Sachlichkeit,
fertig gestellt 1931. Mehr über unseren Besucherdienst
erfahren Sie auf der Website www.bmz.de
`WEITERE INTERESSANTE TERMINE
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2015/2016 DIE ZUKUNFTSCHARTA GEHT AUF DEUTSCHLAND-TOUR. Nachdem Minister Müller die Zukunftscharta im November der Bundeskanzlerin in Anwesenheit von mehr als 3.000 Besuchern – darunter viele Kinder und Jugendliche – vorgestellt hat, wird der Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern nun vor Ort fortgesetzt. In allen Bundesländern wird das BMZ ganzjährig Veranstaltungen anbieten, die sich mit der Umsetzung der acht Charta-Schwerpunkte befassen und zum Nachdenken und Mitmachen einladen. Was kann jede und jeder Einzelne zur Bekämpfung von extremer Armut beitragen? Welche Allianzen und Partnerschaften brauchen wir, um für faire Arbeitsbedingungen weltweit einzutreten? Mehr auf: www.zukunftscharta.de
10./11.03. GUTE ARBEIT WELT-WEIT DURCH NACHHALTIGE LIEFER-KETTEN FÖRDERN. Thema der Konferenz des BMZ und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) im Rahmen der deutschen G7-Präsidentschaft im März in Berlin: Wie können Politik, Verbraucher, Un-ternehmen und Zivilgesellschaft gemeinsam durchsetzen, dass international anerkannte Sozial- und Umweltstandards in der gesamten Lieferkette eingehalten werden.
24./25.03. EINEWELT OHNE HUNGER – UNSERE VERANTWORTUNG. Mit der Sonder initiative EINEWELT ohne Hunger nimmt sich das BMZ einer der größten Herausforderungen weltweit an: dem Kampf gegen Hunger und Mangelernährung. Internationale und nationale Expertinnen und Experten diskutieren, wie das Ziel EINEWELT ohne Hunger bis 2030 Wirklichkeit werden kann. Die Veranstaltung in Berlin ist Teil des Zukunfts chartaprozesses.
16./17.04. FRAUEN UND MÄDCHEN STÄRKEN. Der Par lamen tarische Beirat für Bevölkerung und Entwicklung, die Stiftung Weltbevölkerung und das European Forum for Population and Development laden 140 Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus G7-, G20- Staaten und Entwicklungslän-dern zu einer inter nationalen Konferenz ins BMZ in Berlin ein. Das Ab schlussdokument von „ Empowering women and girls“ soll in den G7-Prozess einfließen. Mehr auf: www.weltbevoelkerung.de
BMZ BERLIN, IM FOYER: Die Fotoinstallation in der Eingangshalle zeigt einen primären Regenwald, eine Aufnahme von Christian Ziegler.
BMZ BERLIN, IM FILMSAAL: Hier werden die Besucher mit Vor-trägen, Filmen und Fotostrecken über die Arbeit vor Ort informiert. Fo
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IMPRESSUM
HERAUSGEBERBundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)
Referat Öffentlichkeitsarbeit, digitale Kommunikation und Besucherdienst
KONZEPTION UND REDAKTIONBeate Wedekind, Berlin und Addis Abeba
GESTALTUNGAtelier Hauer+Dörfler/Besscom AG, Berlin
DRUCKBonifatius GmbH, PaderbornGedruckt auf PEFZ-zertifiziertem Papier
WEITERFÜHRENDE LINKS
www.bmz.dewww.textilbuendnis.comwww.siegelklarheit.dewww.zukunftscharta.de
Titelbild: Florian Oellers www.florianoellers.de
STANDORTE DER BMZ-DIENSTSITZE
BMZ BONNDahlmannstraße 4 · 53113 BonnTel.: +49(30)228 99 535-0 · Fax: +49(30)228 99 535-3500
BMZ BERLIN Europahaus · Stresemannstraße 94 · 10963 BerlinTel.: +49(30)30 18 535-0 · Fax: +49(30)30 18 535-2501E-Mail: [email protected]
VERANTWORTUNG
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