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Behinderte Menschen im BerufZeitschrift

www.integrationsaemter.de • Dezember 4_20082228

StadtWiesbadenWege aus derArbeitslosigkeit

Persönliches BudgetGeringe Nachfrage– warum?

Aufgaben der Integrationsämter2007/2008

BetrieblichesEingliederungsmanagementWie läuft es in der Praxis?Wie läuft es in der Praxis?

BetrieblichesEingliederungsmanagement

ISSN 1860-773X

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Liebe Leserin,lieber Leser!

Als das Betriebliche Eingliederungsmanage-ment (BEM) vor viereinhalb Jahren gesetzlich

eingeführt wurde, gab es viel Skepsis. Fachleute bemängelten die unklaren rechtlichen Rahmen-bedingungen, Arbeitgeber sahen mit dem BEMmehr Kosten und mehr Bürokratie auf sich zu-kommen und viele Arbeitnehmer befürchteteneine „Jagd auf Kranke“. Deshalb wurden die

Ergebnisse der ersten bundes-weiten Befragung zum BEM nunmit Spannung erwartet. Erfreu-lich ist zunächst die rege Be-

teiligung. Sogar viele kleine Betriebe, die selbstnoch kein BEM durchführen, haben mitgemacht.Die Studie ist nicht nur für die beteiligten Betriebeund Dienststellen nützlich zur Orientierung:Wie machen es andere? Worauf ist besonders zu achten? Ein Knackpunkt für die erfolgreicheUmsetzung des BEM ist sicherlich der Daten-schutz. Denn nur, wenn die Beschäftigten Ver-trauen in das BEM haben, sind sie bereit mitzu-wirken. In diesem Heft haben wir konkrete Hand-lungsempfehlungen zum Datenschutz für diePraxis zusammengestellt.

Ein ebenso neues, aber weniger nachgefragtesInstrument ist das Persönliche Budget, mit dembehinderte Menschen benötigte Teilhabeleistun-gen selbst einkaufen können. Wir gehen in die-sem Heft den Ursachen der geringen Nachfragenach und erklären, wie die Integrationsämter die Idee des Persönlichen Budgets umsetzen.

Sie gelten als gute Indikatoren für die Beschäfti-gungsentwicklung: die 30 größten Unternehmenan der Deutschen Börse. Eine Umfrage im Auf-trag der Süddeutschen Zeitung zeigt, wie es mitder Beschäftigung schwerbehinderter Menschenbei Daimler, Allianz, SAP und Co. tatsächlichbestellt ist.

Schwerbehindert + arbeitslos = chancenlos?Gerade für Menschen mit einer Schwerbehinde-rung ist es außerordentlich schwierig, aus derArbeitslosigkeit wieder in Beschäftigung zu kom-men. Die Stadt Wiesbaden hat deshalb zweiProjekte initiiert, die betroffenen Bürgern eineBrücke in den Arbeitsmarkt bauen. Ein Engage-ment, das auch auf Wirtschaftsunternehmen der Region ausstrahlen soll.

E D I TO R I A L

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Verteiler

ZB Zeitschrift:Behinderte Menschen im Beruf

An die Schwerbehindertenvertretung: Bitte je ein Exemplar an den• Beauftragten des Arbeitgebers• Betriebsrat oder Personalrat weiterleiten.Ein weiteres Exemplar erhalten Sie zu Ihrer Verfügung.

Impressum ZB – Zeitschrift: Behinderte Menschen im BerufHerausgeber: Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) im Zusammenwirken mit der Bundesagentur für ArbeitVerlag, Herstellung, Vertrieb: Universum Verlag GmbH, Taunusstr. 54, 65183 Wiesbaden, Telefon: 06 11/90 30 - 323, E-Mail: [email protected] Geschäftsführer: Siegfried Pabst und Frank-Ivo Lube. Die Verlagsanschrift ist zugleich auch ladungsfähige Anschrift für die im Impressum genannten Verantwortlichen und Vertretungsberechtigten.ZB erscheint viermal jährlich und wird finanziert aus den Beiträgen der Mitglieder des Herausgebers (jährlicher Bezugspreis 3 Euro).Redaktion: Dr. Helga Seel, Köln (verantwortlich für den Inhalt), Sabine Wolf (verantwortlich für den Verlag), Elly LämmlenRedaktion ZB info: Karl-Friedrich Ernst (verantwortlich für den Inhalt), Dagmar Binder Beirat: Ulrich Adlhoch, Münster; Jürgen Dusel, Cottbus; Karl-Friedrich Ernst, Karlsruhe; Bettina Schnetter, BayreuthReportagen und Berichte: Caspar Dohmen, Ulrike Kayser, Elly Lämmlen, Dr. Helga Seel, Sabine Wolf • Technische Herstellung: Manfred Morlok • Titelfoto: iStockphoto/Adam Kazmierski • Fotos: Chieh@Flickr S. 1 (u. li.), 6 (o.); dpa/Boris Roessler S. 3, 8; Suzanne Eichel S. 4 (u. re.); Paul Esser S. 2; RobertHeiler S. 4 (li.); iStockphoto S.1 (u. re.), 3, 14, 15 (Paul Ijsendoorn), S. 3, 11 (re.) (Jacob Wackershausen), S. 10 (Christopher Pattberg), S. 11 (u. li.) (Adam Kazmierski);Sabine Kobler S. 3, 6, 7; privat S. 7 (u.), S. 11 (o.); Jan Röhl S. 12, 13; VdK S. 4 (o. re.) • Fotos ZB info: ZB Archiv • Layout: Atelier Stepp, Speyer • Layout ZB info:CMUK, Wiesbaden • Druck ZB + ZB info: Druckhaus Main-Echo, 63741 Aschaffenburg • Auflage: 280.000 Exemplare Redaktionsschluss: November 2008 • Die Gesamtauflage enthält die ZB info als Beilage • Einem Teil der Auflage ist die ZB Rheinland, die ZB Baden-Württemberg und die ZB Bayern beigelegt • Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlorfrei gebleichtem Papier • Nachdruck nur nach vorheriger Genehmigung von Verlag und Herausgeber gestattet.Nachbestellungen und Adressänderungen bitte nur an das für Sie zuständige Integrationsamt (siehe Rückseite) richten.Schreibweise weiblich/männlich: Wir bitten um Verständnis, dass aus Gründen der Lesbarkeit auf eine durchgängige Nennung der weiblichen und männlichen Bezeichnungen verzichtet wurde. Selbstverständlich beziehen sich alle Texte in gleicher Weise auf Frauen und Männer.

ZB 4_2008

Ulrich Adlhoch Leiter des Integrationsamtes beimLandschaftsverband Westfalen-Lippe in Münsterund Mitglied des Vorstandes der BIH

Umfrage zum BEM:Erfahrungen der Betriebe

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Stadt WiesbadenEin Sprungbrett für den ArbeitsmarktWas kann eine Stadt oder Kommune tun, um schwerbehin-derten Menschen den Weg in den Arbeitsmarkt zu ebnen?Zwei beispielgebende Projekte aus Wiesbaden.

R E P O RT

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Dax-Unternehmen Wie sieht es bei ihnen mit der Beschäftigung aus?Eine Umfrage bei den 30 größten börsennotierten Unternehmenin Deutschland beleuchtet die Ausbildungs- und Beschäftigungs-situation schwerbehinderter Menschen.

T H E M A

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I N H A LT

3ZB 4_2008

• BIH: Jahreshauptversammlung • VdK: Neue Präsidentin• Neue Leistung: Unterstützte Beschäftigung• Neuerscheinungen, Web-Infos und Grafik

Wer?Wer?

Wieso?

• Schwerbehindertenvertretung und Schulungen• Anspruch auf Gleichstellung

Was?

S C H W E R P U N K T Betriebliches EingliederungsmanagementWie läuft es in der Praxis? Das Betriebliche Eingliederungsmanagement hat in der Praxiserheblich an Bedeutung gewonnen, so die erste bundesweiteStudie zum Thema. Was aus Sicht der Integrationsämter jetztzu tun ist. Außerdem: Handlungsempfehlungen für denDatenschutz.

Persönliches BudgetWarum wird es bisher kaum genutzt?Seit Januar 2008 haben behinderte Menschen einenRechtsanspruch auf ein „trägerübergreifendes PersönlichesBudget“. Was heißt das und wie verläuft bisher dieUmsetzung?

Wann?

N AC H R I C H T E N

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F O R U M

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www.integrationsaemter.de +++ Neu: BIH Online Akademie zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement +++

Wo?

Internet

1 0 – 1 3

R E C H T 9§§§ §§§ • Schwerbehindertenvertretung und Schulungen

• Anspruch auf Gleichstellung

B E I L AG E Aufgaben der Integrationsämter 2007/2008Daten und Fakten zur Situation schwerbehinderter Menschen im Beruf

Der barrierefreie Internetauftritt der Integrationsämter:Informationen rund um Behinderung und Beruf • ZB online •Fachlexikon • Anschriften aller Integrationsämter • Arbeits-hilfen und Publikationen zum Download • Gesetzestexte •Fortbildungsangebote

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ZB 4_2008

N E U I G K E I T E N + + + T E R M I N E + + + Z A H L E N + + + FA K T E N + + + N E U I G K E I T E N + + + T E R M I N E + + + Z A H L E N + + +

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Am 30. September 2008 hat Walter Hirrlin-ger (82) sein Amt als Präsident des Sozial-verbandes VdK aus Altersgründen nieder-gelegt. Zu seiner Nachfolgerin wurde diebisherige Vizepräsidentin und frühereStaatssekretärin im Bundesarbeitsministeri-um Ulrike Mascher (Foto), SPD, gewählt.Walter Hirrlinger gehörte bereits 1945 in Baden-Württem-berg zu den Gründern des Verbands der Kriegsbeschädigten,Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands, kurzVdK. Von 1968 bis 1972 war der SPD-Politiker Sozialministervon Baden-Württemberg. Nach 18 Jahren an der Spitze desVdK wurde er verabschiedet.Ulrike Mascher folgte Anfang 2006 Horst Seehofer (CSU) alsVorsitzende des bayerischen Landesvorstandes des VdK. Nachihrer Wahl zur Präsidentin erklärte die 69-Jährige, sich dafüreinsetzen zu wollen, „dass der Sozialstaat nicht scheibchen-weise abgebaut wird“.Der Sozialverband VdK ist mit 1,4 Millionen Mitgliedern dergrößte Sozialverband in Deutschland. Er vertritt die Interes-sen von Menschen mit Behinderungen, chronisch Kranken,Seniorinnen und Senioren, Patientinnen und Patienten ge-genüber der Politik und an den Sozialgerichten.Mehr Informationen im Internet unter www.vdk.de

JahreshauptversammlungVom 8. bis 10. Oktober 2008 fand in Speyer die diesjährigeJahreshauptversammlung der Bundesarbeitsgemeinschaftder Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen statt. Nebenden Mitgliedern der BIH nahmen an der Jahreshauptver-sammlung auch Gäste aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, den Sozialministerien der Länder unddem Bundesrechnungshof teil. Die in der BIH zusammenge-schlossenen Integrationsämter beschäftigten sich im Aufga-

benbereich des Schwerbe-hindertenrechts mit aktuel-len Fragen der einheitlichenAnwendung des Sozialge-setzbuches IX. Insbesondere

die einheitliche Praxis der Leistungserbringung bei der be-ruflichen Fortbildung schwerbehinderter Menschen und beider Wohnungshilfe, die Vergütungen für Gebärdensprach-dolmetschereinsätze sowie die Beratung beim BetrieblichenEingliederungsmanagement standen in diesem Jahr im Mit-telpunkt der Abstimmung unter den Mitgliedern der BIH.Daneben beschäftigte sich die Jahreshauptversammlungauch mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer„Unterstützten Beschäftigung“ und der Frage, wie diesesnach seinem Inkrafttreten in die Praxis umgesetzt werdensoll (siehe dazu auch nebenstehende Nachricht).

VdKNeue Präsidentin

Neue LeistungUnterstützte Beschäftigung

Anfang des Jahres 2009wird eine neue Förderleis-tung „Unterstützte Beschäf-tigung“ gesetzlich einge-führt. Damit soll behinder-ten Menschen mit besonde-rem Unterstützungsbedarfeine sozialversicherungs-pflichtige Beschäftigungauf dem allgemeinen Ar-beitsmarkt ermöglicht wer-den. Sie erhalten eine indivi-duelle betriebliche Qualifi-zierung und bei Bedarf Be-rufsbegleitung.

Nach dem Grundsatz „Erst platzieren, dann qualifizieren“ er-folgt die Qualifizierung direkt am Arbeitsplatz. Das neue För-derinstrument richtet sich vor allem an Schulabgänger ausFörderschulen, für die eine berufsvorbereitende Maßnahmeoder Berufsausbildung wegen ihrer Behinderung nicht inBetracht kommt, sowie an behinderte Menschen, für dieheute mangels Alternativen oftmals nur die Beschäftigungin einer Werkstatt für behinderte Menschen bleibt.Die ZB wird im Schwerpunkt der Ausgabe März 2009 aus-führlich über den neuen Fördertatbestand Unterstützte Beschäftigung berichten.

Die Mitglieder der BIH berietenunter anderem, wie die „Unter-stützte Beschäftigung“ in derPraxis umgesetzt werden soll.

Der Vorstand der BIH (v. re.): Dr. Helga Seel, Ulrich Adlhoch, Karl-Friedrich Ernst (Vorsitzender), Dieter Jansing, Jürgen Dusel,Bettina Schnetter

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FA K T E N + + + N E U I G K E I T E N + + + T E R M I N E + + + Z A H L E N + + + FA K T E N + + + N E U I G K E I T E N + + + T E R M I N E + + +

Quelle: Stat. BA 106 0808*8,4% aller Einwohner

Zahl schwerbehinderter Menschen steigtSchwerbehinderte Menschen in Deutschland

6.918.172*Anzahl Ende 2007:

Veränderunggegenüber Ende 2005:

+2,3%

Schwerbehinderte Menschenje 1.000 EinwohnerAltersgruppen: Anzahlunter 4 Jahre 54-14 Jahre 1215-24 Jahre 1625-34 Jahre 2135-44 Jahre 3345-54 Jahre 6855-64 Jahre 15065 Jahre und älter 230

Von Ende 2005 bis Ende 2007 ist die Zahl schwerbehinderter Menschen inDeutschland um 153.000 auf jetzt 6,92 Millionen gestiegen. Dies ist eine Zu-nahme von 2,3 Prozent. Bezogen auf die gesamte Bevölkerung ist jeder zwölfteEinwohner (8,4 Prozent) schwerbehindert.Behinderungen treten mit zunehmendem Alter immer häufiger auf. Etwa drei Viertel aller schwerbehinderten Menschen sind 55 Jahre alt oder älter. Und:82 Prozent der Behinderungen werden durch Krankheiten verursacht.

Web-InfosWörterbuch im Web: Die Initiativefür Menschen mit und ohne geistigeBehinderung „Hep Hep Hurra“ hatein Online-Wörterbuch veröffent-licht, mit dem man schwierige Wörterin leichte Sprache übersetzen lassen kann.

www.hurraki.de

Bundesbehindertenbeauftragte:Der Internetauftritt der Behinder-tenbeauftragten des Bundes wurdeüberarbeitet und mit modernenZusatzfunktionen ausgestattet,wie einem Video-Podcast.

www.behindertenbeauftragte.de

kobinet – der Nachrichtendienstvon und für behinderte Menschenmit tagesaktuellen Meldungen wird von ehrenamtlich tätigenRedakteuren betrieben.

www.kobinet-nachrichten.org

KündigungsschutzDie Broschüre informiert über den all-gemeinen und den besonderen Kündi-gungsschutz, die ordentliche und au-ßerordentliche Kündigung sowie überdie Kündigung von befristeten Arbeits-verträgen. Dabei wird auch erklärt, fürwen das Kündigungsschutzgesetz giltund wie es wirkt. Weitere Themen sindanzeigepflichtige Entlassungen undKündigungsfristen. Im Anhang der Bro-schüre ist das Kündigungsschutzge-setz (KSchG) komplett wiedergegeben.Bestellnummer: A163

ErwerbsminderungsrenteFast 170.000 Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmer müs-sen jedes Jahr aus gesund-heitlichen Gründen ihren Jobvor Erreichen des Rentenaltersaufgeben. Durch ihre Beiträgezur Rentenversicherung ha-ben sie auch einen umfassen-den Schutz gegen den vorzei-tigen Verlust ihrer Arbeitskrafterworben. Die Broschüre „Er-werbsminderungsrente“ desBundesministeriums für Ar-beit und Soziales (BMAS) in-

formiert über Rente wegen teilweiser und voller Erwerbsmin-derung. Dabei werden unter anderem Voraussetzungen für einen Rentenanspruch, Möglichkeiten zur Berufsrückkehr undHinzuverdienstgrenzen erläutert.Bestellnummer: A261

Neu erschienen +++ Neu erschienen +++ Neu erschienen +++ Neu erschienen +++ Neu erschien

ZB 4_2008 5

Beide Publikationen sind erhältlich beim Bundesministeriumfür Arbeit und Soziales, Referat Information, Publikation,Redaktion,53107 Bonn,Telefon 01 80/5 15 15 10,Fax 01 80/5 15 15 11,E-Mail [email protected]. Sie stehen auch im Internet zum Down-load bereit unter www.bmas.de > Publikationen

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R E P O RT

Stadt Wiesbaden

Ein Sprungbrett für den Arbeitsmarkt

Was kann eine Stadt oder Kommune tun, um schwerbe-hinderten Menschen den Weg in den Arbeitsmarkt zuebnen? In Wiesbaden setzt man auf Beschäftigungs-projekte, die auch in der Öffentlichkeit auf positiveResonanz stoßen.

weiter qualifizieren und sich um ei-nen geeigneten dauerhaften Arbeits-platz bewerben. Die IntegrationsfirmaDBS in Wiesbaden, die seit einigenJahren die frühere Stadtgärtnerei be-treibt, übernahm im Auftrag der Stadtdie praktische Durchführung des Pro-jektes. Zum Beispiel organisiert sie inenger Absprache mit dem Grünflä-chenamt die tägliche Arbeit desGreenteams. Ein weiterer wichtigerPartner ist der im Auftrag des Integra-tionsamtes tätige Integrationsfach-dienst Vermittlung Wiesbaden-Rhein-gau-Taunus, der die schwerbehinder-ten Mitarbeiter betreut und sie beider Suche nach einem Arbeitsplatzaußerhalb des Projektes unterstützt.

... und gezielte Qualifizierung ...Dennis Guckeisen hat über den Inte-grationsfachdienst von dem Projekterfahren und sich beworben. Nach ei-nem psychischen Zusammenbruchvor zwei Jahren konnte der Wiesbade-ner, der auch Schwierigkeiten mitdem Lernen hat, seine Ausbildungzum Gärtner, Fachrichtung Garten-und Landschaftsbau, nicht beendenund wurde arbeitslos. Dank seiner be-ruflichen Vorkenntnisse und seinerselbstständigen und verantwortungs-bewussten Arbeitsweise stieg der ehr-geizige junge Mann schon nach kur-zer Zeit zum stellvertretenden Vorar-beiter im Greenteam auf. Inzwischenhat er bereits mehrere externe Lehr-gänge absolviert, zum Beispiel einenGehölzschnittkurs und ein Fahrtrai-ning für Baufahrzeuge. Sein größtesZiel ist es jedoch, im nächsten Jahr dieAbschlussprüfung nachzuholen undin ein unbefristetes Arbeitsverhältniszu wechseln.

Eine Grünanlage in der Nähe desWiesbadener Hauptbahnhofs: ZwölfMänner in grünen Arbeitshosen undweißen T-Shirts mit der Aufschrift„Greenteam“ sind im Einsatz. Sie be-seitigen Unkraut, bewässern Blumen-beete, schneiden die Hecken undsammeln den Müll ein, den jemandachtlos in die Büsche geworfen hat.„Hin und wieder bedanken sich Bür-ger bei uns, die sich darüber freuen,dass es hier neuerdings so gepflegtund sauber aussieht“, berichtet Den-nis Guckeisen. Der 27-Jährige ist Mit-arbeiter im Greenteam, einem seitMärz 2007 laufenden Projekt derStadt Wiesbaden in Zusammenarbeitmit der Integrationsfirma DBSgGmbH zur Förderung von arbeitslo-sen schwerbehinderten Menschen.Das Greenteam übernimmt im Auf-trag des Grünflächenamtes zusätzli-che Aufgaben bei der Pflege von öf-fentlichen Plätzen und Grünanlagenin der hessischen Landeshauptstadt.

Zwei Jahre Arbeit ...„Das Projekt ist als Sprungbrett ge-dacht, das den Einstieg in den Arbeits-markt erleichtern soll“, so Beate Betz,Mitarbeiterin im Amt für Wirtschaftund Liegenschaften bei der StadtWiesbaden und Leiterin des Projektes.Unterstützt werden Menschen, diewegen ihrer Behinderung und oft-mals wegen zusätzlicher Vermitt-lungshemmnisse, wie langjähriger Ar-beitslosigkeit oder psychosozialer Pro-bleme, nur schwer vermittelbar sind.Die Teilnehmer des Projektes erhaltenfür zwei Jahre eine sozialversiche-rungspflichtige Beschäftigung bei derDBS gGmbH. In dieser Zeit können sieberufliche Erfahrungen sammeln, sich

Dennis Guckeisen (mittleres Foto: li.) ist Mitarbeiter im „Greenteam“, einemProjekt zur Förderung von arbeitslosenschwerbehinderten Menschen.

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R E P O RT

... in Ämtern und Ein-richtungen ...Während im Greenteam die behin-derten Mitarbeiter weitgehend untersich arbeiten, sind die Teilnehmer desProjektes „Neue Wege in den Beruf“,das am 1. Juni 2007 begonnen hat, aufArbeitsplätze in verschiedenen Ämternund städtischen Einrichtungen ver-teilt, zum Beispiel in Ortsverwaltun-gen, im Gesundheitsamt, im Standes-amt oder in der Küche einer Kinderta-gesstätte. Insgesamt 30 schwerbehin-derte Menschen erhalten dort eineauf zwei Jahre befristete Beschäfti-gung. „Im Vorfeld haben wir kräftigdie Werbetrommel gerührt, um Ein-satzmöglichkeiten für die Teilnehmerzu finden“, erzählt Beate Betz. Das Argument, eine zusätzliche „kostenlo-se“ Arbeitskraft zu erhalten, hat vieleAbteilungsleiter in den Ämtern undEinrichtungen überzeugt. Denn alleKosten, wie Löhne oder Qualifizie-rungsmaßnahmen für die Teilnehmer,werden aus dem Projektbudget finan-ziert. Für die Projekte „Neue Wege inden Beruf“ und „Greenteam“ stellt dieStadt insgesamt rund 2,25 MillionenEuro zur Verfügung.

... mit persönlicher Unter-stützung ...Von diesem Engagement profitiertauch Alexandra Willigsecker. Die 26-Jährige, die aufgrund einer Muskel-dystrophie im Rollstuhl sitzt, war nachder Ausbildung zur Bürokauffrau ersteinmal arbeitslos. Seit gut eineinhalbJahren sammelt sie im Projekt „NeueWege in den Beruf“ Praxiserfahrungbei den Entsorgungsbetrieben inWiesbaden. „Unser Bereich – der Ent-wässerungsbetrieb – ist zum Beispielfür die Wartung des Kanalsystems derStadt zuständig“, erklärt AlexandraWilligsecker. Die Kolleginnen und Kol-legen sind froh über ihre Unterstüt-zung, zum Beispiel, wenn Sie das Tele-fon eines Mitarbeiters während einesAußeneinsatzes übernimmt oder fürdie Meister Listen am PC erfasst, diedie Einsätze der Arbeitskolonnen do-kumentieren. „Mit den Leuten hier

verstehe ich mich super!“ Auch übermangelnde Hilfsbereitschaft kannsich Alexandra Willigsecker nicht be-klagen. Als ihr Arbeitsplatz eingerich-tet wurde, haben ihre Kollegen selbereine spezielle Türklinke konstruiertund eingebaut, die sie vom Rollstuhlaus leichter fassen kann.

Einmal im Monat treffen sich die Teil-nehmer der beiden Projekte beim In-tegrationsfachdienst. Bei diesenGruppentreffen können die Betroffe-nen Erfahrungen austauschen undFragen klären. „Wir bieten auch Be-werbungstraining an und arbeiten beiBedarf mit den Teilnehmern an ihremVerhalten, um Schlüsselqualifikatio-nen, wie Pünktlichkeit und Kritikfähig-keit, zu verbessern“, so Ulrich-PeterWolf vom Integrationsfachdienst. Erund die anderen Berater besuchen dieTeilnehmer regelmäßig in den Betrie-ben. „Manche Chefs haben zum Bei-spiel Schwierigkeiten damit, behin-derte Mitarbeiter zu kritisieren.“ Er ermutigt die Vorgesetzten, ihre Leis-tungsansprüche auch bei den behin-derten Mitarbeitern geltend zu ma-chen. „Nur so können die Teilnehmersich unter realistischen Bedingungenbewähren!“

... für das Ziel „dauerhafteBeschäftigung“

Inzwischen haben bereits sechs Teil-nehmer aus den beiden Projekten ei-nen unbefristeten Arbeitsplatz gefun-den. Vier davon bei der Stadt. Die Pro-

jektleiterin von „Neue Wege in denBeruf“, Bärbel Simon, kennt alle Teil-nehmer persönlich. „Das gehört zurPhilosophie unserer Projekte.“ Sie hältalle Fäden in der Hand und den Kon-takt zu allen Beteiligten. Eine wichtigeAufgabe beim Aufbau der Projektebestand in der Tat darin, die verschie-denen Partner in das Projekt einzube-ziehen, zum Beispiel auch die Schwer-behindertenvertretung und den Per-sonalrat der Stadt. Fachliche Beratungfür ihr Vorhaben erhielt die Stadt vomIntegrationsamt beim Landeswohl-fahrtsverband in Hessen. „Wir wollendieses Netzwerk und die gesammel-ten Erfahrungen weiter nutzen“, soBärbel Simon. „Ein Folgeprojekt istschon in Planung ….“ ■

Projekt „Neue Wege in den Beruf“: Alexandra Willigsecker sammelt zwei Jahre langBerufserfahrung im Verwaltungsbereich der Entsorgungsbetriebe in Wiesbaden.

„Qualifizierung ist immernoch der beste Schutzvor Arbeitslosigkeit.“Dieses Motto habe ichvon Walter Gendersübernommen. Er warzehn Jahre lang alsBeauftragter der Hessi-schen Landesregierungfür Angelegenheiten der

Schwerbehinderten in der Landesverwaltungzuständig und hat mich durch seine Ideen undsein Engagement überzeugt. Für die Projektewurden bewusst Bereiche ausgewählt, in denenes sich um Tätigkeiten handelt, die von derZielgruppe gut erledigt werden können und wo– auch nach Projektende – eine echte Chance zurIntegration in den Arbeitsmarkt besteht.

> Dr. Helmut Müller,Oberbürgermeister der Stadt Wiesbaden

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Arbeit. Demnach ist die Zahl derschwerbehinderten Arbeitslosen in-nerhalb von zwölf Monaten bis Ende2007 um 20.000 auf 170.000 gesun-ken. Bei einigen Dax-Unternehmenhat der Anteil schwerbehinderter Be-schäftigter trotz allgemeinem Stellen-abbau zugenommen.

Von den auskunftswilligen Unterneh-men weisen der Softwarekonzern SAP,der Touristikkonzern TUI, der Wasch-mittelhersteller Henkel, der Immobi-lienfinanzierer Hypo Real Estate, derRückversicherer Münchener Rück undder Sportartikelhersteller Adidas dengeringsten Anteil schwerbehinderterBeschäftigter auf – sie kommen aufQuoten unter 2,6 Prozent. Die meis-ten Dax-Unternehmen verfehlen diePflichtquote von fünf Prozent. Die Vor-gabe schaffen laut eigenen Angabennur die Autohersteller VW, Daimlerund BMW, der Stahlkonzern Thyssen-Krupp, der NutzfahrzeugherstellerMAN, Deutsche Post, Telekom undEon. Als Haupthindernisse für die Ein-stellung schwerbehinderter Men-schen gaben die Arbeitgeber häufig

den besonderen Kündigungsschutzfür diese Beschäftigtengruppe undhohe Leistungsanforderungen von Arbeitsstellen an.

Deutsche Postgrößter ArbeitgeberZwei Drittel der Dax-Konzerne zahltennach eigenen Angaben zuletzt Aus-gleichsabgabe. Bei TUI waren dies bei-spielsweise über 712.000 Euro, bei Alli-anz 565.000 Euro oder bei Merck120.000 Euro. Enorme Unterschiedegibt es bei der absoluten Zahl schwer-behinderter Beschäftigter. Unter den30 größten börsennotierten deutschenGesellschaften liegt die Deutsche Postmit knapp 11.000 schwerbehindertenMitarbeiterinnen und Mitarbeiternvorne. Die geringste Bedeutung spiel-te der Immobilienfinanzierer HypoReal Estate mit gerade einmal 17schwerbehinderten Beschäftigten.

Ziemlich düster sieht es mit der Aus-bildung aus. Ob Fresenius Medical,Henkel, Merck, Linde, Adidas oder SAP– sie alle haben maximal zwei Auszu-bildende mit einer Schwerbehinde-rung. Vorne liegt die Telekom mit 92schwerbehinderten Auszubildenden,gefolgt von Metro mit 64, Daimler mitmehr als 54, Eon mit 47 und Volkswa-gen mit 23 jungen Menschen in be-trieblicher Ausbildung. ■

Dax-Unternehmen

Wie sieht es bei ihnen mit der Beschäftigung aus?

Die Süddeutsche Zeitung (SZ) veranlasste im Frühjahr2008 eine Umfrage bei Dax-Unternehmen zurAusbildung und Beschäftigung schwerbehinderterMenschen. Caspar Dohmen, Wirtschaftskorrespon-dent bei der SZ, fasst für die ZB die wichtigsten Ergeb-nisse zusammen.

Vom mehrjährigen Aufschwung derWirtschaft in Deutschland profitiertmit den schwerbehinderten Men-schen zunehmend eine der Problem-gruppen des deutschen Arbeitsmark-tes. Bei 13 der 30 größten deutschenbörsennotierten Unternehmen stiegder Anteil schwerbehinderter Men-schen an ihrer inländischen Beleg-schaft an, zehn hielten den Anteil kon-stant – nur vier meldeten einen Rück-gang. Das ergab eine Umfrage derSüddeutschen Zeitung im Frühjahr2008 unter den 30 Firmen, die imDeutschen Aktienindex (Dax) notiertsind. Drei Unternehmen machten kei-ne Angaben: Deutsche Bank, Deut-sche Börse und der ReifenherstellerContinental.

Viele Unternehmenverfehlen PflichtquoteGroße Firmen gelten als guter Indika-tor für die Arbeitsmarktsituationschwerbehinderter Menschen, weilsie vergleichsweise mehr Betroffenebeschäftigen als kleinere Betriebe. Derpositive Trend der Umfrage deckt sichmit Angaben der Bundesagentur für

ZB 4_20088

T H E M A

Anmerkung der Redaktion:Der Beitrag spiegelt die Situation derUnternehmen vor der weltweiten Finanz-krise wieder. Welche Auswirkungen sieauf die Beschäftigung schwerbehinder-ter Menschen haben wird, ist noch nichtabzusehen.

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§

R E C H T

Anspruch

GleichstellungLeitsatz:Die Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen ist ge-rechtfertigt, wenn bei krankhafter Disposition des Arbeitneh-mers eine Störung des Arbeitsverhältnisses und eine Gefähr-dung des Arbeitsplatzes voraussehbar ist. Das gilt insbesonde-re, wenn das bisherige Arbeitgeberverhalten nicht durch diegebotene Rücksichtnahme auf Arbeitnehmer mit gesundheit-lichen Einschränkungen gekennzeichnet ist. (Nicht amtlicherLeitsatz)LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27.02.2007 - L 7 AL 333/03 (nicht rechts-kräftig)

Sachverhalt und Entscheidungsgründe:Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger ein An-spruch auf Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschenhat. Der 1943 geborene Kläger war seit 1992 bei der Arbeitge-berin als Bautechniker beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wur-de am 22.11.2000 durch die Arbeitgeberin außerordentlich ge-kündigt, weil der Kläger bei der Staatsanwaltschaft Sachver-halte und Verhaltensweisen seiner Vorgesetzten zur Kenntnisgebracht hatte, die seines Erachtens unrechtmäßig waren. DieArbeitgeberin war der Auffassung, dass er dadurch gegen seineLoyalitätspflichten aus § 8 Abs. 1 Bundesangestelltentarifver-

trag (BAT) verstoßen hatte. Zuvor war der Kläger aus anderenGründen mehrfach abgemahnt worden. Über diese Kündi-gung war zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landessozial-gerichtes (LSG) beim Arbeitsgericht ein Kündigungsschutz-streit anhängig. Durch das Versorgungsamt war zudem mitWirkung vom 03.04.2000 beim Kläger ein Grad der Behinde-rung von 30 festgestellt worden. Insbesondere körperlicheEinschränkungen, aber auch eine depressive Störung wurdenhier attestiert. Aufgrund eines Prozessvergleiches wurde imFebruar 2005 vereinbart, den GdB rückwirkend auf zunächst40 und ab 01.09.2003 auf 50 zu erhöhen.Am 19.10.2000 beantragte der Kläger die Gleichstellung mitschwerbehinderten Menschen. Die Agentur für Arbeit lehntedies – auch nach Widerspruch – ab. Nachdem der Kläger erst-instanzlich vor dem Sozialgericht unterlegen war, hatte seineBerufung zum LSG Erfolg. In der Begründung führte das Gericht aus, dass gemäß § 2 Abs. 3 Sozialgesetzbuch (SGB) IXbehinderte Menschen schwerbehinderten Menschen gleich-gestellt werden sollen, wenn sie in Folge ihrer Behinderungdurch die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz imSinne des § 73 SGB IX nicht erlangen oder behalten können.Diese Voraussetzungen waren nach Überzeugung des LSG imFalle des Klägers erfüllt, weil die Behinderung die wesentlicheUrsache für die Arbeitsplatzgefährdung darstellte. Denn derKläger litt seit längerem an einer ausgeprägten depressivenSymptomatik, die ihn in seiner Steuerungsfähigkeit ein-schränkte. ■

§

ten am Verfahren übersandt. Die Arbeitgeberin lehnte dieKostenübernahme allerdings ab. Innerhalb des Verfahrenswar die Schwerbehindertenvertretung der Auffassung gewe-sen, nach § 96 Abs. 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch (SGB) IX sei derVertrauensmann zum Besuch auch von Schulungen berech-tigt, die keine unmittelbar behindertenspezifischen Themenzum Inhalt haben, da die Schwerbehindertenvertretung da-rüber zu wachen habe, dass die zugunsten der schwerbehin-derten Menschen geltenden Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen eingehalten und die dem Arbeitge-ber obliegenden Pflichten erfüllt werden. Gemäß § 96 Abs. 8SGB IX seien daher die Kosten der Bildungsmaßnahme durchdie Arbeitgeberin zu tragen.Nachdem die Schwerbehindertenvertretung im erstinstanz-lichen Verfahren vor dem Arbeitsgericht unterlegen war, gabdas Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen ihr Recht. Das Gerichthielt die Schulung für erforderlich im Sinne des § 96 Abs. 4Satz 3 SGB IX. Diese Norm verlangt die Vermittlung vonKenntnissen, die für die Arbeit der Schwerbehindertenvertre-tung erforderlich ist. Sie stellt auf schwerbehindertenrechtli-che Kenntnisse nicht ab. Das vermittelte Wissen muss sichvielmehr „nur“ unmittelbar auf die Aufgabe der Schwerbe-hindertenvertretung gemäß § 95 SGB IX auswirken. Eskommt mithin konkret darauf an, ob sich die Thematik derSchulung den Aufgaben der Schwerbehindertenvertretungnach § 95 SGB IX zuordnen lässt. ■

Schwerbehindertenvertretung

SchulungenLeitsatz:Eine Schulung für die Schwerbehindertenvertretung nach § 96Abs. 4 Satz 3 SGB IX muss keine behindertenspezifische The-matik haben, sie muss jedoch einen konkreten Bezug zu denAufgaben der Schwerbehindertenvertretung aufweisen. DieErforderlichkeit ist grundsätzlich zu bejahen für eine einwöchi-ge ERA-Schulung in einem Betrieb, in denen das Entgelt-rahmenabkommen (ERA) gerade umgesetzt wird. (Nicht amt-licher Leitsatz)LAG Hessen, Beschluss vom 12.10.2006 – 9 TaBV 57/06 – in br 4/2008, S. 120

Sachverhalt und Entscheidungsgründe:Die Beteiligten streiten um die Erforderlichkeit einer Schulungder Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen undum die Erstattung der daraus resultierenden Kosten. Antrag-stellerin in diesem Verfahren war die Schwerbehindertenver-tretung eines Betriebes, in dem auf der Grundlage eines An-erkennungstarifvertrages die Tarifverträge der hessischenMetall- und Elektroindustrie zur Anwendung kommen. Sie be-schloss, ein Mitglied auf eine einwöchige Bildungsveranstal-tung mit dem Thema „Eingruppierung nach dem Tarifvertrag“zu entsenden. Der Seminarplan und eine vorläufige Kosten-aufstellung, die sich auf 979 Euro belief, wurden den Beteilig-

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Nachholbedarf scheinen die Unter-nehmen in Sachen Aufklärung undDatenschutz zu haben: Jeder fünfteBetrieb weist nicht auf die Freiwillig-keit der Teilnahme an einem BEM hin.Und in knapp einem Drittel der Betrie-be und Dienststellen werden die be-troffenen Personen nicht über Art,Umfang und Verwendung der Dateninformiert. Auch hat die Mehrzahl derBetriebe noch nicht geklärt, wo undwie die im Zusammenhang mit demBEM erhobenen Daten aufbewahrtwerden.

Für einen professionellen Umgangmit erkrankten und von Behinderungbedrohten Beschäftigten sind – gera-de in mittelständischen und größerenBetrieben – eine gewisse Systemati-sierung und die Schaffung verbindli-cher Strukturen und Abläufe sinnvoll.Dazu können die Einrichtung eines In-tegrationsteams sowie eine Integrati-ons-, Betriebs- oder Dienstvereinba-rung gehören. Die Befragung ergab,dass in der Praxis Ablaufpläne zumBEM und eine konkrete Ansprechper-son die wichtigste Rolle spielen.

Externe Unterstützung im Rahmendes BEM nimmt jeder zweite in dieUntersuchung einbezogene Betrieb inAnspruch. Aus Sicht der Integrations-ämter ist es erfreulich, dass ihr Ange-bot dabei besonders rege genutztwird und sie von allen externen Part-nern am häufigsten eingeschaltetwerden. Nach den Krankenkassen anzweiter Stelle folgen dann bereits die

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Betriebliches Eingliederungsmanagement

Wie läuft es in der Praxis?Das Betriebliche Eingliederungsmanagement hat in der Praxis erheblich an Bedeutunggewonnen. Dies bestätigt die erste bundesweite Studie zum Thema. Nun kommt es vorallem darauf an, kleine und mittlere Betriebe zu gewinnen und das Vertrauen der Mit-arbeiter in das BEM zu stärken. Was wollen die Integrationsämter dafür tun und wasempfehlen sie für den Datenschutz?

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Wie verläuft die Umsetzung des Be-trieblichen Eingliederungsmanage-ments in den Betrieben und Dienst-stellen? Um diese Frage zu beantwor-ten, hat das Bundesministerium fürArbeit und Soziales im Herbst 2006die Universität Köln – Lehrstuhl für Arbeit und berufliche Rehabilitation – mit einer wissenschaftlichen Studiebeauftragt.Das einjährige Forschungs-projekt basiert auf einer bundeswei-ten schriftlichen Befragung – darun-ter auch in der Zeitschrift ZB – sowieauf Experteninterviews. Was hat dieStudie ergeben und wie sind die Er-gebnisse zu bewerten?

Der Studie zufolge haben die Mehr-heit der großen Unternehmen undmehr als die Hälfte der mittelgroßenBetriebe mittlerweile das BEM the-matisiert. Bei kleinen Betrieben trifftdies nur auf 30 Prozent zu. In unge-fähr jedem zweiten größeren Unter-nehmen und immerhin in jedem vier-ten Kleinbetrieb wird ein BEM durch-geführt.

Dabei informieren die meisten Betrie-be ihre Schwerbehindertenvertretungfrühzeitig (77 Prozent). Zugleich hatsie mehrheitlich mit der Einführungdes BEM in den Betrieben zu tun.Dazu heißt es im Endbericht: „DieSchwerbehindertenvertretungen wir-ken maßgeblich an der Umsetzungdes BEM mit und tragen entschei-dend zu seiner Verbreitung bei.“

Zwei Drittel der Betriebe informierenihre Belegschaft über das BEM, zumBeispiel durch Belegschaftsversamm-lungen, persönliche Anschreiben oderAushang. Bemerkenswert ist, dass einFünftel der Betriebe und Dienststellenüberhaupt nicht informiert, obwohldies für die Akzeptanz des BEM eineherausragende Rolle spielt.

In knapp drei Viertel aller Betriebewerden erkrankte Beschäftigte aufder Grundlage der Sechs-Wochen-Frist angesprochen. Dabei erfolgt dieErstansprache in der Regel durch diePersonalabteilung.

Verbreitung und Umsetzung„Wir stehen mit dem BEM

noch am Anfang“

Methoden„Information und Datenschutz

sind Erfolgsfaktoren“

Externe Unterstützer„Integrationsämter werden am

häufigsten angesprochen“

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fenen Sorgen. Experten sehen im Da-tenschutz einen der größten Vorbe-halte auf Arbeitnehmerseite.

Im Betrieblichen Eingliederungsma-nagement sind Prävention und Reha-bilitation miteinander verbunden: Be-stehende Arbeitsunfähigkeit sollüberwunden, eine zukünftige Gefähr-dung vermieden und der Arbeitsplatzerhalten werden. Deshalb fordertendie befragten Experten, das BEM nichtals ein isoliertes Instrument zur Inte-gration von Menschen mit gesund-heitlichen Einschränkungen zu verste-hen, sondern als Bestandteil einer be-trieblichen Präventionskultur. IhrerEinschätzung nach ist die Bereitschaftder Arbeitgeber, Rahmenbedingun-gen für ein BEM und für ein gesundesAltern durch Prävention zu schaffen,insgesamt noch gering ausgeprägt.

Die Maßnahmen des BEM zielen un-ter anderem auf eine Reduzierung derkrankheitsbedingten Fehlzeiten. Dassdieser Effekt erreichbar ist, wird von36 Prozent der Befragten bestätigt.Sie gaben außerdem an, dass in etwader Hälfte der durchgeführten BEM-Fälle ein leistungsgerechter Einsatz er-reicht werden konnte. 18 Prozent ur-

teilten, dass sich die Einrichtung desBEM positiv durch den Rückgangkrankheitsbedingter Kündigungen

ausgewirkt habe. Viele der Ant-wortenden, die keine derartigenEffekte genannt haben, machten

darauf aufmerksam, dass dies auf-grund der kurzen Laufzeit des BEM

im Betrieb oder in der Dienststellenoch nicht möglich sei. ■

Mehr InformationenDer komplette Endbericht des Forschungsprojektes steht im Internetals PDF-Dokument zur Verfügung:www.bmas.de > Publikationen

„Auch wenn es füreine endgültigeBewertung noch zufrüh ist, so zeigen dieErgebnisse der Studiedoch, dass sich dasInstrument BEM aufeinem guten Wegbefindet. Jetzt kommtes darauf an, die

durchaus verständlichen Sorgen derBeschäftigten ernst zu nehmen undVorbehalte gegenüber dem BEM auszu-räumen. Wie man das macht? Durch ein transparentes Verfahren, umfassendeAufklärung und Information sowie einen verlässlichen Datenschutz!“

> Prof. Dr. Dr. Mathilde Niehaus, Lehrstuhl fürArbeit und berufliche Rehabilitation an derUniversität zu Köln. In der BIH OnlineAkademie wirkt sie als Expertin für das BEMmit: http://akademie.integrationsamt.de

von den Integrationsämtern beauf-tragten Integrationsfachdienste. Dazukonstatiert der Forschungsbericht:„Beim Angebot der Integrationsämterstehen Information und Beratung imVordergrund. Das bestätigt deren Ex-pertise und zeigt, dass die Integrati-onsämter das BEM offensiv begleitenund unterstützen.“

Mehrheitlich besteht nach Einschät-zung der Befragten bei den Betroffe-nen eine insgesamt eher neutrale bispositive Haltung zum BEM. Auf deranderen Seite schätzt etwa ein Viertelder Befragten die Bereitschaft zur Zu-stimmung sehr niedrig beziehungs-weise eher niedrig ein. Negative Aus-wirkungen des BEM befürchten 29Prozent: Dabei wird die Angst vor ei-nem Arbeitsplatzverlust oder vor ei-ner Abschiebung in einen vorzeitigenRuhestand am häufigsten genannt.Aber auch ungeklärte Fragen rund umden Datenschutz bereiten den Betrof-

Akzeptanz bei Arbeitnehmern„Zwischen positiver Erwartung

und Angst vor Kündigung“

Einstellung der Arbeitgeber„Von einer betrieblichen Präventions-

kultur noch weit entfernt“

Auswirkungen des BEM„Es ist zu früh für verlässliche

Aussagen“

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Wie beurteilen Sie die Ergebnisseder Studie zum BEM?

Dr. Helga Seel Es ist erfreulich, dasssich das BEM, da wo es eingesetztwird, positiv entwickelt und Wirkungzeigt. Dass das Angebot der Integrati-onsämter von Betrieben rege in An-spruch genommen wird, bestärkt undmotiviert uns, unsere Unterstützungweiterzuentwickeln. Hier macht sichsicher die seit Jahrzehnten intensiveArbeit der Integrationsämter vor Ortin den Betrieben bemerkbar – diesePraxisnähe wird für uns auch weiter-hin ein wichtiger Standard sein.

Wo sehen Sie zukünftig Hand-lungsbedarf?

?

?

?

Dr. Seel Gegen das BEM gibt es immernoch erhebliche Vorurteile und Ein-wände – gleichzeitig lassen sich dieVorteile, die ein gelungenes BEM fürden Betrieb bringt, inzwischen durchgute Beispiele belegen. Dies muss of-fensiv kommuniziert werden. Weite-ren Handlungsbedarf sehe ich in allden Fragen, die sich bei der Umset-zung aufgetan haben, etwa beim Da-tenschutz. Die ganz praktischen Fra-gen werden zum Beispiel in unserenEmpfehlungen und Seminarkonzep-ten aufgearbeitet.

Die Integrationsämter setzen auchdas Internet ein ...

Dr. Seel Von Anfang an haben die Inte-grationsämter die Umsetzung desBEM als Prozess verstanden, für denes kein Patentrezept gibt. Deshalb bie-ten wir mit der BIH Online Akademieseit Oktober 2008 eine Plattform, aufder man sich zum einen über das BEMinformieren kann, zum Beispiel überrechtliche Fragen. Zum anderen er-möglicht dieses interaktive Internet-

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„Betriebe können voneinander lernen“Welche Schlussfolgerungen ziehen die Integrationsämteraus der Studie zur Umsetzung des Betrieblichen Einglie-derungsmanagements? Die ZB fragte Dr. Helga Seel, Leiterindes Integrationsamtes beim Landschaftsverband Rheinlandin Köln und Mitglied im Vorstand der BIH.

ifdm 2008

Über 120 Referentinnen und Referen-ten sowie mehr als 500 Teilnehmeraus aller Welt präsentierten und dis-kutierten die neuesten Erkenntnissezum Thema Prävention und Wieder-eingliederung in Arbeit und Beruf.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft derIntegrationsämter und Hauptfürsor-gestellen (BIH) war offizieller Partnerder Veranstaltung. Sie war mit einemeigenen Stand und durch Dr. HelgaSeel – Mitglied des Vorstandes der BIH– im Forum vertreten. Dr. Seel stelltedie Aufgaben der Integrationsämterund die Chancen der Prävention vor.Insbesondere berichtete sie über dieErfahrungen der Integrationsämter mitdem BEM und ihre Ansatzpunkte, die

Betriebe und Dienststellen bei der Ein-führung eines BEM zu unterstützen.Auf großes Interesse stießen hierbeidie Vorstellung der BIH Online Akade-mie aber auch Fragen zur Vergabe vonPrämien an Betriebe für gelungeneBEM-Vereinbarungen.

Auf dem Stand der BIH konnte manmehr über die Arbeit der Integrations-ämter erfahren und entsprechendeInformationsmaterialien erhalten.Dort wurde auch die neue BIH OnlineAkademie zum BEM live gezeigt, dieviele Besucher anzog. Insgesamt wardas ifdm 2008 in Berlin eine gelunge-ne Veranstaltung für die Integrations-ämter, deren Präsentationen großenZuspruch erhielten. ■

Unter dem Motto „Gemeinsam Grenzen überwinden“fand vom 22. bis 24. September 2008 in Berlin das 4. Inter-nationale Forum Disability Management (ifdm) statt.

Am Stand der BIH: Dr. Helga Seel (Mitte)und die Mitarbeiter der BIH-Geschäfts-stelle (v.re.): Christian Vedder (Geschäfts-führer), Ulrich Römer, Martina Oberle

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?„Lieber Geld verlieren als Vertrauen“ –diese Aussage des Industriellen undFirmengründers Robert Bosch giltauch für die Durchführung eines Be-trieblichen Eingliederungsmanage-ments (BEM). Denn das BEM kann nurgelingen, wenn die Beschäftigten da-von überzeugt sind, dass in einem fai-ren Verfahren alle Möglichkeiten zumErhalt ihres Arbeitsplatzes ernsthaftgeprüft werden – auch wenn im Er-gebnis nicht in jedem Fall eine Kündi-gung ausgeschlossen werden kann.

Geschützt sind die Daten über Fehl-zeiten und ihre Ursachen genausowie Daten über den Gesundheitszu-stand einer Person und die Behand-lung. Für Krankheitsursachen, Krank-heits- und Behandlungsverlauf undden aktuellen Gesundheitszustandgilt ein besonders hohes Schutzni-veau. Grundsätzlich sind die für dasBEM benötigten Daten beim Betroffe-nen selbst einzuholen. Für die Erhe-bung von Daten bei Dritten ist dieschriftliche Einwilligung des Betroffe-nen zwingend erforderlich.

Wie sieht eine Einwilligungs-erklärung aus?Eine Einwilligungserklärung sollte mitgroßer Sorgfalt formuliert werden.Eine pauschale Einwilligung oder dieschriftlich erklärte Bereitschaft zurMitwirkung am BEM reicht nicht aus!Damit die Erklärung wirksam ist,muss der Betroffene vor der Datener-hebung umfassend informiert wor-den sein. Das heißt, er willigt konkretein, von wem und bei welcher Stellewelche Daten erhoben werden dür-fen. Werden später weitere Daten be-nötigt, ist erneut das Einverständnisdes Beschäftigten einzuholen.

Auch die Weitergabe von Daten mussvon einer Einwilligung gedeckt sein.Das gilt sogar innerhalb des betriebli-

Gewusst wie: Datenschutz Ein sensibler Umgang mit persönlichen Daten stärktdas Vertrauen der Beschäftigten in das BEM und er-höht ihre Bereitschaft zur Mitwirkung. Worauf solltenBetriebe beim Datenschutz achten?

TI PPS

• So viele Daten wie nötig, so wenig Daten wie möglich erheben.

• Detaillierte Regelungen zum Datenschutz in eine Betriebsvereinbarung aufnehmen.

• Interessenkonflikte der Mitglieder des betrieblichen Integrationsteams mitanderen Funktionen ausschließen.

• Letztlich gilt aber: Ohne Vertrauen gehtes nicht!

chen Integrationsteams! Lediglich dieInformation, dass der Mitarbeiter in-nerhalb der letzten zwölf Monatesechs Wochen arbeitsunfähig war,darf der Arbeitgeber auch ohne Ein-verständnis der betroffenen Person anden Betriebs- oder Personalrat sowiean die Schwerbehindertenvertretungweitergeben.

Was geschieht nach dem BEMmit den Daten? Rechtliche Vorschriften dazu, ob undwie lange die im Laufe des Verfahrensgewonnenen Unterlagen und Datenaufzubewahren sind, gibt es nicht. Indie Personlakte gehören nur die Eck-daten des Verfahrens: die Erklärungdarüber, dass ein Betriebliches Ein-gliederungsmanagement angebotenund durchgeführt oder dass es abge-lehnt wurde, sowie die Dokumentati-on der umgesetzten Maßnahmen.Besonders geschützte Daten, wie Gut-achten und Stellungnahmen der be-handelnden Ärzte, der Reha-Trägeroder des Sozialdienstes, gehören nichtin die Personalakte, allenfalls in dieAkten des betriebsärztlichen Dienstes.Es kann aber auch vereinbart werden,dass diese Unterlagen dem Betroffe-nen nach Ablauf einer vereinbartenZeit ausgehändigt oder dass sie ver-nichtet werden. ■

angebot aber auch, Erfahrungen mitanderen auszutauschen oder Fragenan Experten zu richten. Hier möchteich ermuntern: Probieren Sie es auch!

Wie wollen die Integrationsämtermehr Betriebe für das BEM ge-winnen?

Dr. Seel Deutlich wird, dass es vorwie-gend Großbetriebe sind, die das BEMumsetzen und über erste Erfolge be-richten. Kleine und mittelständischeBetriebe sind noch eher selten, wie dieStudie gezeigt hat. Um auch diesenBetrieben den Nutzen des BEM näherzu bringen, müssen wir unsere Unter-stützungsangebote noch stärker aufderen Rahmenbedingungen und Be-dürfnisse ausrichten. Dabei halte iches für wichtig, die Dinge, die sich ingroßen Betrieben bereits bewährthaben, aber auch für kleinere Betriebenützlich sind, entsprechend aufzube-reiten und anzubieten. Zum Beispiel:die gezielte Information an die Beleg-schaft über das BEM und dessen Ein-führung im Betrieb. ■

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verschiedener Träger zusammensetzt.Ansprechpartner des behinderten Men-schen und Koordinator des Bewilli-gungsverfahrens ist in der Regel derTräger,der den Hauptanteil an Leistun-gen finanziert. Neben den Rehabilita-tionsträgern (Renten-, Unfall-, Kranken-und Pflegeversicherung, Sozialhilfeträ-ger, Jugendhilfe, Kriegsopferfürsorgesowie die Bundesagentur für Arbeit)können auch die Integrationsämterein Persönliches Budget bewilligen.

Geringe NachfrageVier Jahre nach Einführung des Per-sönlichen Budgets ist die Nachfragejedoch immer noch gering. Wissen-schaftliche Untersuchungen* zum Per-sönlichen Budget haben gezeigt, dassam häufigsten Leistungen der ambu-lanten Eingliederungshilfe im häusli-chen Bereich – wie Hilfen zur haus-wirtschaftlichen Versorgung – sowieLeistungen zur Teilhabe am Leben inder Gemeinschaft, zum Beispiel

Freizeitassistenz, als Bud-get genutzt werden. Inden meisten Fällen wur-de nur eine Leistungsartbeantragt. Bei den trä-gerübergreifenden Per-sönlichen Budgetsüberwog eine Kombi-nation aus Pflegeleis-tungen des Sozial-

hilfeträgers und der Pflege-versicherung. Die Mehrheit der Bud-getnehmer war arbeitslos oder ineiner Werkstatt für behinderte Men-schen beschäftigt.

Strukturelle UrsachenDie hohe Zahl von Fragen an die Inte-grationsämter weist auf einen großenInformationsbedarf hin. Warum wirddas Persönliche Budget dennoch so

„Die Selbstbestimmung und Eigen-verantwortung behinderter Men-schen stärken!“ – mit diesem An-spruch wurde das Persönliche Bud-get im Jahr 2004 gesetzlich einge-führt. Seither ist es möglich, beieinem Rehabilitationsträger anstel-le von Sachleistungen ein Budgetzu beantragen. Mit dem Persönli-chen Budget bezahlt der behin-derte Mensch die Aufwendun-gen, die zur Deckung seines per-

sönlichen Hilfebedarfs erforderlichsind. Dabei regelt er den „Einkauf“ derLeistungen selbstständig und in eige-ner Verantwortung.

Keine neue LeistungDas Persönliche Budget ist keine neue,zusätzliche Unterstützungsleistung.Neu ist nur die Form,in der die Leistungerbracht wird: Statt Sachleistungen,zum Beispiel ein Behindertenfahr-dienst, kann man jetzt ein Budget er-halten, um sich genau diese Leistungeinzukaufen. Die Höhe des Budgetsentspricht dabei denKosten für eine alter-native Sachleistung.Seit Januar 2008 ha-ben behinderte Men-schen einen Rechtsan-spruch auf ein Persön-liches Budget. Das be-deutet,dass bei Vorliegender rechtlichen Vorausset-zungen – dazu gehört,dass der Betroffene anspruchsberech-tigt und die Leistung budgetfähig ist –grundsätzlich alle Anträge auf ein Per-sönliches Budget bewilligt werden.Sind mehrere Leistungsträger beteiligt,spricht man von einem trägerübergrei-fenden Persönlichen Budget. Der be-hinderte Mensch erhält in diesem Fallein Budget, das sich aus Leistungen

Persönliches Budget

Warum wird es bisher kaum genutzt? Seit Januar 2008 haben behinderte Menschen einen Rechts-anspruch auf ein „trägerübergreifendes Persönliches Budget“.Was heißt das und wie verläuft bisher die Umsetzung? EineZwischenbilanz aus Sicht der Integrationsämter.

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Persönliches Budget:Besser verstehen …

Sachleistungen: Hier stellt der Leis-tungsträger Einrichtungen, Sachmitteloder entgeltliche Dienstleistungenzur Verfügung, indem er die Kosten unmittelbar übernimmt und so den Leistungsberechtigten von der Zahlungsverpflichtung freistellt.

Budgetfähige Leistung: Generell sindLeistungen budgetfähig, wenn derkonkrete Hilfebedarf „alltäglich undregelmäßig wiederkehrend“ ist.Beispiele: Arbeitsassistenz, technische Arbeitshilfen, Leistungen zur beruf-lichen Weiterbildung, Einarbeitungs-hilfen.

Trägerübergreifendes Budget: Sindmehrere Leistungsträger beteiligt,kann ein Persönliches Budget träger-übergreifend erbracht werden: Der Budgetnehmer erhält die Geldleistung„wie aus einer Hand“. Typisch ist z.B.eine Kombination aus Arbeitsassistenzund Leistungen der Pflegeversiche-rung sowie der Sozialhilfe.

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Persönliches Budget:Wie funktioniert das?

Antrag: Um ein Persönliches Budgetzu erhalten, muss bei einem Reha-Träger oder dem Integrationsamt einAntrag gestellt werden. Gegebenen-falls wird der Antrag an die zuständi-ge Stelle weitergeleitet. Hat der Betroffene Anspruch auf Leistungenverschiedener Träger, kann er einträgerübergreifendes PersönlichesBudget beantragen.

Abstimmungsgespräch: Bei einemträgerübergreifenden Budget wirdder Antragsteller zu einem Gesprächeingeladen. Der gemeinsam berateneindividuelle Hilfeplan hält fest,welche Ziele der behinderte Menschhat, wie er sie erreichen kann und inwelchem Umfang Unterstützungs-leistungen erforderlich sind. Das aufdieser Grundlage berechnete Persön-liche Budget ist so hoch wie die Kos-ten einer alternativen Sachleistung.

Bewilligung: Das Budget wird in der Regel für ein Jahr bewilligt undmonatlich im Voraus gezahlt. In einerZielvereinbarung wird festgelegt,wofür das Persönliche Budget be-stimmt ist. Der Leistungsempfängerverpflichtet sich damit, das Geld nur für diesen Zweck auszugeben.Verwendungsnachweise und Abrech-nungen können entfallen.

hinderungsbedingt be-nötigt, in Form einesPersönliches Budgetsfördern zu lassen. Erbraucht zunächst eine

kompetente individuelleBeratung durch den Technischen Be-ratungsdienst des Integrationsamtes.Nach der Auswahl einer geeignetenMaßnahme und dem Leistungsbe-scheid will er mit den folgenden finanziellen Transaktionen möglichstwenig zu tun haben. Häufig tritt er so-gar seine Zahlungsansprüche an denLieferanten ab.“

Gleiches Ziel – anderer WegBudgets spielen bei den Integrations-ämtern tatsächlich nur im Rahmender Arbeitsassistenz eine relevanteRolle. Sie werden dort aber bisher nurselten als trägerübergreifendes Per-sönliches Budget erbracht. Bei derArbeitsassistenz können die Integrati-onsämter auch Regiekosten überneh-men, um den Budgetnehmer bei derAusübung seiner Rolle als Arbeitgeber

zu unterstützen.

Die Idee des Persönli-chen Budgets – nämlichden berechtigten Wün-schen und Bedürfnis-sen der behindertenMenschen stärker ge-recht zu werden unddie Beantragung von

selten beantragt?„Das liegt sichernicht am fehlendenWillen der gesetzli-chen Leistungsträger,sondern an strukturel-len Schwierigkeiten –bedingt zum Beispiel durch die Ar-beitgeberrolle des Budgetnehmersoder organisatorische Hürden“, soKarl-Friedrich Ernst, Vorsitzender derBIH, und fügt hinzu:„Auch bei den In-tegrationsämtern spielt das Persönli-che Budget in der Praxis eine geringeRolle.“ Im Jahr 2007 gab es bei den In-tegrationsämtern bundesweit nurdrei Fälle an trägerübergreifendenPersönlichen Budgets. Ein Haupt-grund liegt darin, dass viele Leistun-gen der Integrationsämter schlicht-weg nicht budgetfähig sind, etwa dergroße Bereich von Leistungen an Ar-beitgeber.

Typische SituationAber auch bei den Leistungen anschwerbehinderte Menschen stößtman schnell an Grenzen, wie Karl-Friedrich Ernst an einemtypischen Fall er-klärt: „Kein schwer-behinderter Menschhat ein Interesse dar-an, sich zum Beispieleinen teuren Personen-lift, den er im Rahmender Wohnungshilfe be-

PERSÖN LIC H ES BU DGET:WAS H EISST DAS FÜ R BU DGETN EHMER?

• Selbstbestimmte Ausgestaltung der bewilligten Hilfen• Passgenauere Deckung des individuellen Bedarfs • Alle Leistungen aus einer Hand durch trägerübergreifende Zusammenarbeit• Hohes Maß an eigener Verantwortung und Steuerungsfähigkeit des

Budgetnehmers gefordert• Risiko, dass die Geldmittel für die selbst zu beschaffenden Hilfen nicht

ausreichen• Übernahme von Arbeitgeberpflichten bei Beschäftigung einer Assistenzkraft

Leistungen zu vereinfachen – setzendie Integrationsämter auf ihre Weiseheute schon um: durch individuelleBeratung und praktische Unterstüt-zung bei der Auswahl und Beschaf-fung bestmöglicher Hilfen. ■

* Abschlussbericht zum Modellprojekt„Trägerübergreifendes Persönliches Budget“ des BMAS (damals: BMGS), Juli 2007 Im Internet zu finden unter www.projekt-persoenliches-budget.de