FRIEDEN UND S ICHERHEIT WELTWEIT
BEDROHUNGEN IM 21. JAHRHUNDERT
BÜNDNISSE UND ORGANISATIONEN
FRIEDEN & SICHERHEITSchülermagazin 2015/2016 für die Sekundarstufe II
www.frieden-und-sicherheit.de
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INHALT UND IMPRESSUM
Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird in den Texten dieses Schülermagazins der Einfachheit halber nur die männliche Form verwendet.
Die weibliche Form ist selbstverständlich immer mit eingeschlossen.
Editorial
Herausforderungen für Frieden und Sicherheit 3
Staatszerfall 4
Aktuelle religiöse und ethnische Konflikte 6
Ressourcenknappheit und Energiesicherheit 8
Massenvernichtungswaffen 10
Deutsche Sicherheitspolitik 12
Die Vereinten Nationen 14
Die NATO 16
Sicherheit in Europa 18
Zivilgesellschaft und Nichtregierungsorganisationen 20
Entwicklungspolitik 22
Armee im Wandel 24
Bundeswehr und Gesellschaft 26
Auslandseinsätze 28
Freiwilligendienste 30
Herausgeber:Stiftung Jugend und Bildung
Vertretungsberechtigte:Dr. Alexander Jehn (Präsident),
Michael Jäger (Geschäftsführer)
Registernummer:Amtsgericht Wiesbaden HRB 25555
Texte: Dr. Petra Beckmann-Schulz, Dr. Michael Moerchel
Redaktion: Philine Sturzenbecher, Charlotte Höhn (verantwortlich)
Redaktionsschluss:April 2015
PädagogischeBeratung: Dr. Alexander Jehn (Hessisches Kultusministerium),
Wolfgang Oppel (Bildungsexperte NRW)
FachlicheBeratung:Bundesministerium der Verteidigung
Verlag:Eduversum GmbH, 65183 Wiesbaden
LayoutundSatz:SCHIMMELREITER gbr | Schleutner · von Opel
Klopstockstraße 28, 65187 Wiesbaden | www.schimmelreiter.de
Bildnachweis:Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (Seite 30:
BMFSFJ/Bertram_Hoekstra), Bundeswehr (Seite 16: Andrea Bienert, 24: Jacqueline Faller,
26: Marcus Rott, 28: Ann-Kathrin Fischer), picture alliance/dpa (Seite 14: Grégory Yetch-
meniza), Reuters Pictures (Titelbild: Kai Pfaffenbach, Seite 3: Stringer Iraq, 4: Joe Penney,
6: Stringer Iraq, 8: Yuri Maltsev, 10: Ali Hashisho, 12: Stringer, 18: David Mdzinarishvili, 20:
Reuters Photographer, 22: Parth Sanyal)
Dieses Heft einschließlich all seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung
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Die Beiträge sind sorgfältig recherchiert und entsprechen dem aktuellen Stand. Weder
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gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.
Titelbild:
Ein syrisches Flüchtlingskind in einem Zeltlager in der Nähe der türkisch-syrischen Grenze.
03 | FRIEDEN UND SICHERHEIT WELTWEIT
01 | BEDROHUNGEN IM 21. JAHRHUNDERT
02 | BÜNDNISSE UND ORGANISATIONEN
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EDITORIAL
HerausforderungenfürFriedenundSicherheitIm Jahr 2014 sind seit dem Fall der Mauer in Deutschland und der Auflösung des Warschauer Pakts mehr als 20 Jahre vergangen. Jahre, in denen
sich die Hoffnungen auf Frieden und ein gewaltfreies Zusammenleben der Völker nicht erfüllt haben – weder in Europa noch in vielen Teilen der
Welt. Vor welchen Aufgaben steht die internationale Sicherheitspolitik im 21. Jahrhundert?
Alte und neue KonflikteUmweltzerstörung und Klimaveränderungen, Kriege und Konflikte, Hunger,
Armut und Epidemien bedrohen die Menschen weltweit. Die Konflikte im
Nahen Osten, in Osteuropa, auf dem Balkan oder auf dem indischen Sub-
kontinent sind noch immer ungelöst. Der Umbruch in der arabischen Welt
hat die alten Regime destabilisiert, doch die Hoffnungen des Arabischen
Frühlings auf mehr Freiheit und Demokratie haben sich kaum erfüllt. In
vielen Ländern Nordafrikas sowie des Nahen und Mittleren Ostens gibt es
keine stabilen Regierungsstrukturen. Nach der Revolution hat in Ägypten
eine militärgestützte Übergangsregierung die Macht übernommen. Im
letzten Irakkrieg und dem syrischen Bürgerkrieg gegen den Diktator
Baschar al-Assad hat sich zudem ein Macht vakuum gebildet, das zuneh-
mend von der Terror organisation Islami scher Staat (IS) gefüllt wird. Die
Staaten in dieser Region sind durch diese Kriege und Krisen gefährdet.
Autonome Kurdenregionen bilden sich im Irak und in Syrien. Womöglich
entstehen dort somit ganz neue Staatsgebilde.
Doch auch weitere Konflikte bedrohen Frieden und Sicherheit in Europa
und der Welt. Russland annektierte 2014 die Krim und bedroht seit-
dem die Souveränität der Ukraine. Durch die Bildung einer Eurasischen
Freihandels zone und die Wiederbelebung eines „Neurusslands“ betreibt
Russland eine Politik der Stärke. Dies beunruhigt viele Menschen und
Nationen in Ostmittel europa, insbesondere in Polen und den Baltischen
Staaten Estland, Lettland und Litauen, deren Länder an Russland grenzen.
Die EU und die NATO stehen vor neuen Herausforderungen im Verhältnis
zu Russland.
Große Herausforderungen liegen auch in der strukturellen Schwäche
von Staaten. Denn instabile Staaten gehen einher mit einer Radikali-
sierung der Menschen, mit Bürgerkrieg und Migrationsbewegungen.
Internationale Zusammenarbeit und vernetzte SicherheitDie genannten Probleme enden nicht an Landesgrenzen. Ein einzelner
Staat oder militärische Einsätze können Sicherheit und Stabilität in einem
Land nicht dauerhaft garantieren. Internationale Zusammenschlüsse auf
den Ebenen von Politik, Gesellschaft und Wissenschaft werden deshalb
immer wichtiger, um diese Krisen zu bewältigen. Deshalb forschen Wissen-
schaftler, engagieren sich staatliche und nichtstaatliche Hilfsorgani sa-
tionen und verhandeln Politiker global für mehr Frieden und Sicherheit.
Internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen (VN), die
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und
die Afrikanische Union (AU) spielen dabei eine wichtige Rolle. Die Bundes-
republik Deutschland wirkt mit ihrem Konzept einer vernetzten Sicher-
heitspolitik an der Eindämmung von Konflikten und am Aufbau tragfähiger
staatlicher Strukturen weltweit mit.
Das Schülermagazin gibt im ersten Teil einen Überblick über die welt-
weiten Konflikte und Bedrohungen für Frieden und Sicherheit. Im zweiten
Teil werden die wichtigsten Organisationen und Bündnisse sowie ausge-
wählte politische Strategien vorgestellt. Im Mittelpunkt des dritten Teils
stehen Auftrag und Aufgaben der Bundeswehr als Armee in der Demo-
kratie, das Verhältnis von Bundeswehr und Gesellschaft sowie das Enga-
gement in Freiwilligendiensten für Frieden und Sicherheit.
Die Terrororganisation Islamischer Staat zwingt Hunderttausende von Zivilisten im Irak und in Syrien,
ihre Heimat aufzugeben. In Ali Awa im Irak errichteten die Vereinten Nationen ein Lager für die Flüchtlinge.
01 | BEDROHUNGEN IM 21. JAHRHUNDERT
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Ursachen von StaatszerfallDer Zerfall staatlicher Strukturen kann durch Probleme innerhalb
(endogen) und außerhalb (exogen) eines Landes und einer Region ver-
ursacht werden. Oft bedingen exogene und endogene Faktoren einander
und verstärken sich gegenseitig. Zu den endogenen Faktoren gehören
bspw. eine schlechte politische Führung, unterschiedliche nationale und
inter nationale Machtinteressen, als ungerecht empfun dene Friedens-
regelungen nach einem Konflikt, Korruption, Ausbeutung und große so-
ziale Ungleichheit. Exogene Faktoren wie die Auswirk ungen des Kolonial -
ismus und Imperial ismus im 19. und 20. Jahrhundert belasten die Staaten
Afrikas sowie große Teile der arabischen Welt. An den Landesgrenzen, die
zum Teil ohne Rücksicht auf ethnische und religiöse Zugehörigkeiten nach
dem Belieben der europäischen Kolonialmächte gezogen wurden, kam es
oft zu Unruhen und Kriegen. Stammes- und Clanstrukturen domi nierten
viele Staaten, die auch nach dem Ende des Kolonialismus mit wirtschaft-
lichen Krisen zu kämpfen hatten.
Während des Kalten Krieges hielten die Großmächte, etwa die Sowjet-
union oder die USA, ihre Dominanz in den wenig entwickelten Ländern
Afrikas, Südamerikas oder Asiens aufrecht. Durch Stellvertreterkriege
veränderten sie dort die Machtbalance.
Nach dem Ende des Kalten Krieges in den 1990er-Jahren zogen die
Großmächte verstärkt aus den Entwicklungsländern ab. Sie hinter ließen
oft ein Machtvakuum, das die politische Situation in vielen Ländern
bis in die Gegenwart prägt. Exogene Faktoren wie die Globalisierung,
militärische Interventionen oder eine fehlerhafte Entwicklungs politik
tragen auch dazu bei, dass sich dort keine stabilen staatlichen Struk-
turen etablieren können.
Mögliche Folgen des StaatszerfallsFolgen staatlicher Zerfallsprozesse sind z. B. der Zusammen bruch des
Wirtschafts-, Sozial- und Bildungssystems sowie der Infrastruktur bis hin
zur Zerstörung staatlicher Strukturen. Der Staat kann Recht und Ordnung
und damit die Sicherheit der Bevölkerung nicht mehr gewährleisten. Es
fehlen Steuereinnahmen, um z. B. Polizei und die staatliche Verwaltung
zu bezahlen. Es fehlt auch die Autorität, um eine unabhängige und funk-
tionsfähige Justiz zu stützen. Warlords, also selbst ernannte regionale
Kriegsherren, unterwandern die Wirtschaft durch Korruption, Vettern-
wirtschaft und illegalen Geschäften wie dem Drogen-, Waffen-, Rohstoff-
und Menschen handel oder der Prostitution.
StaatszerfallErstmals hat sich Deutschland 2013 an einer europäischen Mission, der European Training Mission in Mali (EUTM Mali) beteiligt, um einen so
genannten zerfallenen Staat (Englisch: failed state) stabilisieren zu helfen und für die Sicherheit der Bevölkerung zu sorgen. Der westafrikanische
Staat Mali gehört zu den gefährdetsten Staaten der Welt. Zerfallene Staaten können eine Bedrohung sowohl regionaler als auch globaler Sicherheit
darstellen. Was sind Merkmale von Staatszerfall – im Allgemeinen und in Bezug auf die Situation in Mali?
Viele Regierungsgebäude und Kulturstätten Malis sind zerstört, eine Folge des Militärputsches, der im Jahr 2012 über die Republik kam.
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Migration als Folge des StaatszerfallsViele Menschen aus Nordafrika sowie aus dem Nahen und
Mittleren Osten versuchen, über das Mittelmeer Europa zu
erreichen. Tausende Flüchtlinge verlassen ihre Heimatlän-
der aufgrund staatlicher Zerfallsprozesse, ökono mischer
Unsicherheit und der Hoffnung auf Frieden und Wohlstand.
Auf dem Weg aus ihrer Heimat sind sie von Schlepper banden
und Erpressern abhängig. Der gefährlichste Abschnitt ist die
Überfahrt über das Mittelmeer, die häufig nach Italien führt.
Allein im Jahr 2014 sind mehr als 3000 Menschen bei Schiffs-
unglücken vor der italienischen Küste umgekommen. Die Insel
Lampedusa ist inzwischen zu einem traurigen Symbol für das
Elend dieser Menschen geworden.
Beispiel MaliDie Republik Mali liegt als Binnenstaat im Nordwesten
Afrikas. Die etwa 15 Millionen Einwohner sind überwiegend
muslimischen Glaubens und gehören zehn verschiedenen
Völkern an. Mali ist eine Präsidialdemokratie. Die Funktionen
des Staatsoberhauptes und des Regierungschefs sind also
in einer Person vereinigt. Mali galt als ein gutes Beispiel für
die Demokrati sierung eines afrikanischen Landes. Obwohl es
eines der ärmsten Länder der Welt ist, war Mali politisch stabil.
Die unterschiedlichen ethnischen Gruppen lebten friedlich
zusammen. Seit Mitte 2012 befindet sich das Land in einer
tiefen Krise. Nach einem Militärputsch brachten bewaffnete
Tuareg-Rebellen und Islamisten, die der Terrororgani sation
al-Qaida nahestehen, den Norden des Landes unter ihre
Kontrolle. Dort errichteten sie ein Gewaltregime auf Basis der
Scharia (d. h. dem islamischen Recht).
Über eine Million Menschen wurden vertrieben. Wertvolle
Kunstschätze und Moscheen wurden zerstört, beispielsweise
in der Stadt Timbuktu, wo viele Kulturstätten Teil des
Weltkultur erbes sind. Die ehemalige Kolonialmacht Frank-
reich entsandte Kampftruppen, um den Vormarsch der
Isla misten zu stoppen. Ein weiterer Einsatz war die afrika-
nisch geführte interna tionale Unterstützungsmission Mali
(African- led International Support Mission in Mali, AFISMA),
welche die malischen Streit kräfte unterstützen sollte. Die
Bundes wehr beteiligte sich an einer Ausbildungsmission
der EU, der European Training Mission in Mali (EUTM Mali).
Sie sollte dazu beitragen, die militä rischen Kapazitäten der
malischen Streitkräfte wieder herzustellen.
Im April 2013 beschloss der Sicherheitsrat der Vereinten
Nationen den Beginn einer Friedensmission. Die United
Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in
Mali (MINUSMA) erhielt dabei ein breites Mandat. Um für den
Schutz der malischen Zivilbevölkerung zu sorgen, ist auch der
Einsatz von Waffen erlaubt.
IM INTERNET
The Fund for Peace
global.fundforpeace.org
Stiftung Wissenschaft
und Politik
www.swp-berlin.org
Zentrum für Entwicklungs-
forschung
www.zef.de
Bundesministerium für
wirtschaftliche Zusammen-
arbeit und Entwicklung
www.bmz.de
WEITERDENKEN
Partnerarbeit
Arbeiten Sie für ein Krisengebiet,
das in den Medien präsent ist,
Gründe für den Staatszerfall
heraus. Vergleichen Sie Ihre
Recherchen mit den Merkmalen
von Staatszerfall, die auf dieser
Doppelseite genannt werden.
Ergänzen Sie die Liste wenn
möglich um weitere Punkte, und
stellen Sie Ihre Ergebnisse im
Plenum vor.
Plenum
Sammeln Sie in einem Brain-
storming Ideen für Maßnahmen
externer Akteure, die dazu
beitragen können, einen
zerfallenden Staat vor dem
Scheitern zu bewahren bzw.
ihn zu stabilisieren. Stellen Sie
Ihre Ergebnisse in Form einer
Mindmap vor.
Merkmale von Staatszerfal l
Schwaches staatliches Gewaltmonopol
Wenig staatliche Dienstleistungen
Instabile politische Verhältnisse
» keine Kontrolle über das gesamte Staatsgebiet
» hohe Zahl privater Gewalt akteure
» Auflösung des staatlichen Sicherheitsapparats
» Bewaffnung der Bevölkerung
» Selbstjustiz
» Regierung wird von der Bevölkerung als illegitim betrachtet
» wirtschaftliche Krisen
» hohe Arbeitslosigkeit
» schwaches staatliches System der sozialen Sicherung
» wachsende Kluft zwischen Arm und Reich
» schlechte Verkehrsinfrastruktur
» gering ausgeprägtes Bildungs und Gesundheitswesen
» Wahlfälschungen und Wahlbetrug
» schwere Menschenrechts verletzungen
» keine unabhängige Justiz und Presse
» hohe Anzahl von Flüchtlingen
» hohes Maß an Korruption
» geringes Maß an politischer Teilhabe
» schwach ausgeprägte Zivilgesellschaft
» Nepotismus (d. h. Vetternwirtschaft)
» tief liegende ethnische, soziale, regionale oder religiöse Differenzen
01 | BEDROHUNGEN IM 21. JAHRHUNDERT
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Die historischen HintergründeDie Staaten des Mittleren und Nahen Ostens entstanden nach dem Ende
des Osmanischen Reichs 1918. Eine wichtige Grundlage bildete das
so genannte Sykes-Picot-Abkommen aus dem Jahr 1916, das nach den
beiden Verhandlungsführern, dem Briten Mark Sykes und dem Franzosen
François Georges-Picot, benannt wurde. Hierbei handelte es sich um eine
geheime Vereinbarung zwischen den Regierungen Großbritanniens und
Frankreichs. Sie teilten die osmanischen Gebiete untereinander auf. Die
Grenzen wurden von den Kolonialmächten zum Teil willkürlich gezogen. Auf
die Siedlungsgebiete von Völkern und Stämmen oder religiösen Glaubens-
gemeinschaften, die in diesen Gebieten lebten, wurde keine Rücksicht
genommen. Die europäischen Kolonialmächte beabsichtigten, in den neu-
en arabischen Nationalstaaten Syrien, Palästina, Jordanien und dem Irak
ihren Einfluss zu sichern.
Durch die Kriege im Irak (1990/91 und 2003), das militärische Eingrei-
fen der NATO-Staaten in Libyen sowie die vom Arabischen Frühling 2011
ausgelöste Revolution in Syrien brachen die alten religiösen und ethni-
schen Gegensätze wieder auf und ebneten den Weg für Gewalt und Terror
in diesen Regionen.
Formen und Begründungen von religiösem TerrorismusVom Terrorismus geht Gefahr für Frieden und Sicherheit aus. Mit ihren
Anschlägen wollen Terroristen die Zivilgesellschaft einschüchtern und das
Vertrauen in den Staat und seine Regierung zerstören. Terroristen haben
nicht nur das Ziel, möglichst viele Menschen zu töten oder zu verletzen. Sie
wollen auch Angriffsziele mit Symbolcharakter treffen: Botschaften, Flug-
häfen, Einkaufszentren, Museen oder andere bekannte Orte. Dabei soll eine
möglichst breite und erschreckende öffentliche Wirkung erzielt werden.
Terroris mus breitet sich weltweit aus, in Westafrika, in der Sahelzone und in
Südostasien.
Dem ideologisch-religiösen Spektrum des Terrorismus werden die
Gewalt taten von al-Qaida oder Boko Haram im Norden Nigerias zuge-
ordnet. Sie finden Gehör, indem sie sich die Missgunst der armen gegen
die reichen Länder zu Nutze machen. Viele junge Menschen ohne Arbeit
und Perspektive schließen sich ihnen an. Menschen, die ihre Orientierung
verloren haben und nach Ersatzwerten suchen, sowie diejenigen, die im
Fremden ihren Feind sehen. Mit steigender Mobilität und besseren Kom-
munikationsmöglichkeiten hat sich der religiöse Terrorismus vernetzt und
ist somit internationaler geworden.
Bei einem Terroranschlag auf einen belebten Markt in Bagdad wurden am 7. August 2014 über 50 Menschen getötet.
AktuellereligiöseundethnischeKonflikteIm Nahen und Mittleren Osten konzentrieren sich religiöse und ethnische Konflikte auf engstem Raum. Orte dieser Konflikte sind die israelisch-
palästinensischen Gebiete. Aktuell stehen auch Syrien und der Irak im Fokus. Warum sind diese Regionen so anfällig für Terrorismus? Welche histo-
rischen, religiösen und gesellschaftlichen Ursachen lassen sich dafür finden? Welche Auswirkungen haben religiös oder ethnisch motivierte Konflikte
auf die internationale Sicherheitspolitik?
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Der Islamische Staat Das Machtvakuum nach dem drohenden Staatszerfall des
Iraks und den Konflikten in Teilen des Nahen Ostens machte
sich vor allem die Terrororganisation Islamischer Staat
(IS) zu Nutze. Der IS eroberte ein zusammenhängendes
Gebiet im Nordwesten des Iraks und im Nordosten Syriens.
In Anlehnung an das Osmanische Reich hat er ein Kalifat
ausgerufen. In seinem Herrschaftsgebiet gilt die Scharia –
eine strenge, isla mische Gesetzgebung. Gegen die westliche
Welt kündigt der Islamische Staat einen „heiligen Krieg“ an.
Der IS führt einen Terrorkrieg gegen die Zivil gesellschaft
und zwingt alle Religions- und Volksgruppen gewaltsam,
seine radikale Auslegung des Islams anzunehmen. Hundert-
tausende werden somit gezwungen, ihre Heimat zu verlassen.
Sie fliehen in die Türkei, den Libanon und nach Jordanien.
Folgen für die SicherheitspolitikDer Konflikt in der Region beeinflusst inzwischen auch
das Verhältnis der Türkei zu den USA sowie Europa und der
NATO. Es geht u. a. um Fragen der Nutzung von Luftwaffen-
stützpunkten, Waffenlieferungen und Grenz kontrollen. Eine
Koali tion unter Führung der USA, der auch arabische Staaten
angehören, bekämpft den IS mit Luft schlägen und Waffen-
lieferungen.
An den Waffenlieferungen an die kurdischen Peschmerga
beteiligt sich auch die Bundes republik Deutschland, die neben
Hilfsgütern auch militärisches Material liefert.
IMINTERNET
Heidelberger Institut für inter-
nationale Konfliktforschung
www.hiik.de
Deutsche Gesellschaft für
Auswärtige Politik e. V.
www.dgap.org/de
Deutsche Gesellschaft für die
Vereinten Nationen (DGVN)
www.frieden-sichern.dgvn.de
WEITERDENKEN
Einzelarbeit
Schreiben Sie einen Leserbrief zu
dem Interview. Begründen Sie, ob
Sie den Thesen des VN-Sonder-
berichterstatters zustimmen oder
diese ablehnen. Argumentieren
Sie mithilfe der Informationen
auf dieser Doppelseite, und
recher chieren Sie in verschiedenen
Medien.
Gruppenarbeit
Recherchieren Sie Informationen
zu verschiedenen Aspekten der
Konfliktentwicklung im Irak.
Bilden Sie dazu Gruppen von zwei
bis vier Personen, und wählen Sie
pro Gruppe eines der folgenden
Themen aus. Stellen Sie Ihre
Arbeitsergebnisse in Form eines
Referats vor.
a) Verhältnis von Volksgruppen,
insbesondere Schiiten, Kurden,
Sunniten
b) Kolonialgeschichte, Staats-
gründung und Grenzziehung
c) Irakkriege: Konfliktpotenzial,
Akteure, Ziele der beteiligten
Interessengruppen
d) Diktatur unter Saddam Hussein
und die Entwicklung des Iraks
nach dessen Sturz
e) Die Terrormiliz Islamischer
Staat: Entstehung, Ziele,
Unterstützer, Gegner, aktuelle
Entwicklungen
Plenum
Vergleichen Sie die Entwicklungen
im Irak nach Anhören der Refe-
rate mit Ihren Informationen zum
Kapitel „Staatszerfall“ (S. 4/5).
Überprüfen Sie, welche Merkmale
von Staatszerfall Sie ausmachen
können.
„Religion is t nie al lein die Ursache“
Süddeutsche Zeitung (SZ): Angesichts aktueller Konflikte
von Syrien bis Zentral afrika verstärkt sich der Eindruck,
dass immer häufiger die Religion schuld ist an Kriegen und
gewaltsamen Zusammenstößen. Stimmt das?
Heiner Bielefeldt (HB): In der Tat erleben wir, dass derzeit
in vielen Ländern schwierige politische Selbstfindungs-
prozesse stattfinden, die manchmal chaotisch verlaufen
und in polit ische Hysterie abgleiten können. Aggressive reli-
giöse Deutungs angebote finden unter solchen Bedingungen
oft eine größere Resonanz. Und das Konfliktrisiko wächst.
Gewalt gegen religiöse Minderheiten hat […] leider deut-
lich zugenommen. Das schlimmste Beispiel bietet aktuell
vielleicht Syrien. Es zeigt aber auch, dass das Schlagwort
„religiöser Konflikt“ der Lage nicht gerecht wird.
SZ: Werden so die tatsächlichen Ursachen verkannt?
HB: Die Lage in Syrien lässt sich nicht ungebrochen als
religiöser Konflikt bezeichnen. Vor drei Jahren ging es zu-
nächst um den Kampf gegen eine Diktatur – unbewaffnete
Demonstranten gegen einen bis unter die Zähne bewaffneten
Despoten. Irgendwann waren dann die Demonstranten auch
bewaffnet, der Konflikt wurde immer mehr in Kategorien des
Bürgerkriegs beschrieben und obendrein zum Stellvertreter-
konflikt großer, regionaler Gruppen. Und auf einmal war es in
der öffentlichen Wahrnehmung dann nur noch der Kampf der
Sunniten gegen Schiiten, mit den Christen irgendwo dazwi-
schen. Religion ist zweifellos oft ein Faktor von Eskalation.
Doch Religion ist nie allein die Ursache. […]
SZ: In der Zentralafrikanischen Republik ist die Rede vom
Kampf zwischen Muslimen und Christen. Zu einfach?
HB: Vom Konflikt der Christen gegen Muslime zu sprechen
ist einerseits richtig, jedoch geht es meist nicht um christ-
liche oder islamische Inhalte, sondern um Gruppenzuge-
hörigkeiten. Identitäten werden oft religiös definiert und
die Religion wird ihrerseits als Kriterium von Identität
instru mentalisiert. In einer Situation des politischen Zerfalls
wie in Zentralafrika zählt nur eine Botschaft: Wir sind
anders als die. Die anderen sind böse. […] Das hat nichts
mit unterschiedlichen Offenbarungsbekenntnissen, heiligen
Büchern, Propheten oder anderen substanziellen Inhalten
der Religionen zu tun.
SZ: Aber dennoch steht Religion im Zentrum?
HB: Auch wenn es so erscheint: In vielen Konflikten – im sub-
saharischen Afrika und anderswo – geht es im Kern um etwas
anderes: um Staatsversagen, um Vertrauensverlust. […]
Interview in der Süddeutschen Zeitung mit Prof. Dr. Heiner Bielefeldt, VN-Sonderberichterstatter für Religions- und
Weltanschauungsfreiheit und Professor für Menschenrechte an der Universität Erlangen-Nürnberg.
Quelle: Isabel Stettin: „Religion ist nie allein die Ursache“, Interview vom 28. Januar 2014, www.sueddeutsche.de
01 | BEDROHUNGEN IM 21. JAHRHUNDERT
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Weiterhin steigende Energienachfrage„Die USA werden zwar bereits 2015 – und damit früher als zunächst er-
wartet – die Rolle des global führenden Erdölproduzenten übernehmen und
die klassischen Nahost-Lieferanten kurzfristig zurückdrängen, sagte IEA-
Chefökonom Fatih Birol [Anmerkung der Redaktion: International Energy
Agency]. Jedoch werde der Boom von Schiefergas und Ölsanden nicht über
die 2020er-Jahre hinaus anhalten. ‚Der Nahe Osten wird entscheidend
sein – heute und morgen‘, sagte Birol. Indien werde als Land mit dem
größten Öldurst China nach 2020 ablösen. Weltweit werde die Nachfrage
bis zum Jahr 2035 weiter steigen – um 14 Millionen Barrel pro Tag auf
dann 101 Millionen Barrel [Anmerkung der Redaktion: 1 Barrel Erdöl sind
159 Liter]. In Europa gehe sie [...] aufgrund weiterer Effizienzsteige rungen
zurück. Auf dem Treibstoffmarkt werde die Nachfrage eher von der weiter
zunehmen den Zahl von Lastwagen getrieben. ‚Wir werden sehr viel mehr
Diesel brauchen als Benzin‘, sagte Birol. Insgesamt steige die Energie-
nachfrage über alle Energieträger bis 2035 weltweit um ein Drittel, heißt
es in dem Bericht.“
Energiesicherheit: Herausforderungen im 21. Jahrhundert Eine gesicherte Energieversorgung ist für den Alltag und das Leben im
21. Jahrhundert unentbehrlich. Ohne ausreichend Energie können Indus-
trien nicht produzieren, Unternehmen und private Haushalte können nicht
miteinander kommunizieren (Internet, E-Mail, Telefon), Menschen und
Waren können nicht transportiert werden. Wichtige Energieträger sind vor
allem Öl und Gas. Die Energieversorgung der Wirtschaft und Bevölkerung
kann Deutschland nicht durch die heimische Produktion abdecken. Die
Energierohstoffe müssen deswegen aus unterschiedlichen Ländern impor-
tiert werden, vorwiegend aus Russland, aber auch aus Norwegen, dem
Nahen Osten und Afrika.
Energie kann von diesen Ländern als ein politisches Druckmittel ein-
gesetzt werden: So hatte Russland im Jahr 2014 seine Gaslieferungen in
die EU reduziert. Dies war eine Reaktion auf die Sanktionen, welche die
EU gegen Russland aufgrund des Kriegs im Osten der Ukraine verhängt
hatte. Die Länder, die auf die Energielieferungen angewiesen sind,
versuchen , Konflikte zu vermeiden und jene Regionen zu stabilisieren,
die für den Transport und die Produktion der Rohstoffe wichtig sind.
RessourcenknappheitundEnergiesicherheitDie Weltbevölkerung wächst und hat die Marke von sieben Milliarden Menschen überschritten. Öl, Gas und Kohle sind wichtige Energieträger für
Industrie, Transport, Verkehr und den Privatverbrauch. Auf der Erde sind diese Rohstoffe nur in begrenzter Menge vorhanden, während der Bedarf
an Energie weiter rasant wächst. Wie sichern sich die Industriestaaten den Zugang zu den Ressourcen Öl und Gas? Welche Auswirkungen hat der
Konkurrenzkampf um diese wertvollen Rohstoffe?
Eine Gaspipeline in der Nähe der russischen Stadt Wladiwostok.
Quelle: Welt-Energie-Bericht: Nahost bleibt als Öllieferant entscheidend, dpa-Bericht vom
12. November 2013, www.zeit.de
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Berlin
Russland
UkrainePolen
Nord Stream
South Stream
Weiß- russland
Sie versuchen aber auch, sich exklusive Zugänge zu den
Rohstoffen zu sichern. Ein Beispiel ist die Volksrepublik
China. Mit rund 1,4 Milliarden Einwohnern und einer starken
Wirtschaft hat der Staat einen enormen Bedarf an Energie.
Um seine Wirtschaft ausreichend mit Öl zu versorgen, bezieht
China diesen Energierohstoff auch aus Afrika. Dafür fördert
China die Verkehrsinfrastruktur vor Ort und vergibt Kredite
an die afrikanischen Staaten, zum Beispiel Angola oder den
Sudan.
Verknappung von RessourcenDurch den steigenden Energiebedarf und die notwendige
Energiesicherung werden Öl, Gas und Kohle immer knapper.
Die Ressourcen an konventionellem und wirtschaftlich zu för-
derndem Erdöl sind begrenzt. Diesen Punkt nennen Experten
„Peak Oil“. Damit ist der Zeitpunkt gemeint, an dem die Hälfte
der weltweit förderbaren Ölmenge verbrannt wurde und die
Förderung ihren Zenit überschreitet. Während die Produktion
und Förderung von Erdöl allmählich zurückgeht, steigt die
Nachfrage weiter an. Die Stromerzeugung in Kohlekraftwerken
ist in Deutschland ökologisch umstritten. Gas kann nur durch
Pipelines befördert werden. Alternative Transportmittel, zum
Beispiel Tanker, die Erdöl auf dem Seeweg befördern, können
für andere Ressourcen nicht verwendet werden.
Eine neue Methode der Energiegewinnung ist das so
genannte Fracking: Durch Bohrungen sollen Gas- und Öl-
vorkommen an die Erdoberfläche gefördert werden, die in
tiefen Gesteinsschichten eingebunden sind. Fracking wird be-
sonders in den USA praktiziert. Auch in Deutschland wird über
eine Einführung diskutiert. Gegner dieser Methode befürchten
Umweltschäden, die durch die Bohrungen im Grundwasser
entstehen können. Befürworter erhoffen sich wirtschaftliche
Erträge aus der Förderung und eine größere Unabhängigkeit
bei der Gas- und Ölversorgung.
IM INTERNET
Informationen der Bundes-
zentrale für politische Bildung
zur Energiepolitik der EU
www.bpb.de > Politik >
Wirtschaft > Energiepolitik >
Globale Herausforderungen der
Energie versorgung > Die
Evolution der Gemeinsamen
Energieaußenpolitik der EU
Energiestudie der Bundes-
anstalt für Geowissenschaften
und Rohstoffe
www.bgr.bund.de > Themen
> Energierohstoffe
> Reserven, Ressourcen und
Verfügbarkeit von Energieroh-
stoffen
WEITERDENKEN
Partnerarbeit
Recherchieren Sie in verschie-
denen Medien, welche Energie-
politik die Bundes regierung
verfolgt und wie diese
insbesondere unter dem Aspekt
der Energiesicherheit begründet
wird.
Plenum
Erörtern Sie an zwei aktuellen
Beispielen, welche Bedrohungen
vom Ressourcenmangel für
Frieden und Sicherheit ausgehen
können.
Gruppenarbeit
Informieren Sie sich in
verschiedenen Medien über Vor-
und Nachteile des Frackings als
eine neue Methode der
Energiegewinnung. Halten Sie
Ihre Ergebnisse in einer Tabelle
fest. Verwenden Sie die Tabelle
als Grundlage, um im Plenum ein
Streitgespräch zu führen.
Gas-Pipelines aus Russland
Etwa ein Drittel des deutschen Erd-
gasaufkommens stammt aus Russ-
land. Es fließt über drei Verbindungen
nach Deutschland: über die Ukraine,
Weißrussland und die Ostsee-Pipeline
(Nord Stream). Russland wollte über
die Leitung South Stream Gas an der
Ukraine vorbei nach Europa befördern.
Am 1. Dezember 2014 gab Russland
das Projekt auf.
Quelle: BDEW, Eurogas, dpa
SOUTH STREAM (mögl. Verlauf)UKRAINE OSTSEE-PIPELINE (Nord Stream) WEISSRUSSLAND
01 | BEDROHUNGEN IM 21. JAHRHUNDERT
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Auf der Suche nach Minen im südlibanesischen Ort Naqura.
Verbreitung von Massenvernichtungswaffen Atomare, biologische und chemische Kampfmittel werden als Massen-
vernichtungswaffen (MVW) bezeichnet, weil sie sehr viele Menschen gleichzei-
tig töten können. Grundsätzlich sind biologische und chemische Waffen leichter
herzustellen als Atomwaffen. Ihre Verbreitung ist nur schwer zu kontrollieren.
Mehrere Gruppen von Staaten verfügen über Massenvernichtungswaffen. Dazu
zählen die fünf offiziellen Atommächte USA, Russland, Großbritannien, Frank-
reich und China, die den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet haben und
sich unter die Kontrolle der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO)
stellen. Sie haben ihr Atomprogramm zu Versuchszwecken verwendet – mit
Ausnahme der USA: Am Ende des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1945 warfen sie
zwei Atombomben über den japanischen Städten Hiroshima und Nagasaki ab,
um die Kapitulation Japans zu erzwingen. Seit 1998 sind Indien und Pakistan
ebenfalls Atommächte. Auch Israel wird inoffiziell zu dieser Gruppe gezählt.
Nordkorea bezeichnet sich seit 2012 in seiner Verfassung als Atommacht. Der
Iran steht im Verdacht, Atomwaffen zu entwickeln oder zu besitzen. Keiner
dieser Staaten hat den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet.
Biologische Kampfmittel werden zwar produziert, wurden aber bisher
nicht von Staaten eingesetzt. In der Hand von Extremisten können daraus
gefährliche Waffen werden. Aber auch schädliche Stoffe wie Viren, Bakterien
oder radioaktives Material können durch den beschleunigten globalen
Austausch von Waren und Dienstleistungen sowie durch die zunehmende
Mobilität der Menschen unkalkulierbar verbreitet werden. Sie sind zu einer
Gefährdung geworden, die schwer zu kontrollieren ist.
Chemische Waffen, z. B. Senfgas, wurden im Ersten Weltkrieg u. a. von
deutscher Seite eingesetzt. Im Jahr 1988 bombardierte die irakische Armee
kurdische Dörfer im Nordirak mit chemischen Kampfstoffen. Im syrischen
Bürgerkrieg setzte die politische Führung des Landes in einigen Städten im
Sommer 2013 Chemiewaffen gegen die Zivilbevölkerung ein.
Vernichtung syrischer Chemiewaffen „Mit dem völkerrechtswidrigen Einsatz von Chemiewaffen gegen die Zivil-
bevölkerung erreichte der Bürgerkrieg in Syrien im Sommer 2013 eine neue
Dimension. Nach Drohung der USA mit einem Militärschlag und einer Verein-
barung der USA mit Russland zur Abrüstung der syrischen Chemiewaffen
erklärte sich das syrische Regime zur Vernichtung seiner Chemiewaffen
bereit. Diese sollten nach Beschlüssen der Vereinten Nationen (VN) und
der Organi sation für das Verbot der Chemiewaffen (OVCW) bis Mitte 2014
außer halb Syriens vernichtet werden. […] Deutschland [übernahm] Anfang
September [2014] ca. 370 t [hydralisierte] Reststoffe […] und verbrachte
sie nach Munster (Niedersachsen). Dort [wurden] sie […] von der bundesei-
genen „Gesell schaft für die Entsorgung von chemischen Kampfstoffen und
Rüstungs altlasten mbH“ […] rückstandsfrei verbrannt.“
MassenvernichtungswaffenDurch neue Krisen und Kriege bleiben Massenvernichtungswaffen eine Bedrohung für die Menschen. Gerade in Ländern, in denen staatliche
Strukturen fehlen, ist eine Verwendung von atomaren, chemischen und biologischen Kampfmitteln nur schwer zu kontrollieren. Sie stellen die
inter nationale Gemeinschaft vor neue Aufgaben. Welche wichtigen Verträge wurden seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs geschlossen, um den
Gebrauch von Massenvernichtungswaffen weltweit einzudämmen?
Quelle: www.auswaertiges-amt.de > Außen- und Europapolitik > Frieden und Sicherheit > Abrüstung und Nichtverbreitung
11
Bedrohungen und Angriffe aus dem InternetSeit der Jahrtausendwende sind Angriffe auf Computernetzwerke
bekannt. In Estland legten Hacker 2007 tagelang die Regierungs-
geschäfte lahm. Im Jahr 2010 wurden mit dem Programm Stuxnet
gezielt Steuerungssysteme von Siemens in Deutschland infiziert.
Stuxnet ist darauf programmiert, Industrieanlagen zu sabotieren.
Unbemerkt drang das Programm auch in die Rechner iranischer
Atomaufbereitungsanlagen ein und beschädigte dort die zur Uran-
anreicherung benutzten Zentrifugen. 2011 hatten sich Hacker
Zugriff auf zehntausende geheime Militärdaten aus dem US-
Verteidigungs ministerium verschafft. Je mehr Steuerungssysteme
zentralisiert und vernetzt werden, desto anfälliger werden sie für
einen Angriff. Es können Stromversorgungssysteme betroffen sein,
Kommunikationsnetze, Steuerungssysteme für Waffensysteme
und Flugzeuge oder auch Überwachungsanlagen. Dadurch kann
das öffentliche Leben empfindlich gestört und lebenswichtige
Infrastruktur lahmgelegt werden.
Staatszerfall und MassenvernichtungswaffenDas wichtigste Instrument zur Kontrolle des Baus und der Ver-
breitung von Atomwaffen ist der Atomwaffensperrvertrag von
1968. Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) in
Wien überwacht in den Unterzeichnerstaaten, dass die Bestim-
mungen eingehalten werden. Mit den Verträgen zum Verbot
chemischer und biologischer Waffen von 1975 und 1997 wurden
wichtige Schritte auf dem Weg zu einem vollständigen Verzicht
auf biologische und chemische Kampfstoffe verwirklicht. Gerade
in Ländern, die durch Staatszerfall gefährdet sind, können jedoch
Massenvernichtungs waffen in die Hände von terroristischen
Gruppen gelangen. Dies ist ein Grund, weshalb die Mitglieder der
internationalen Staatengemeinschaft zusammenarbeiten, um die
Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen zu verhindern.
IMINTERNET
Auswärtiges Amt
www.auswaertiges-amt.de
Internationale Atomenergie-
Organisation (IAEO) (Englisch)
www.iaea.org
WEITERDENKEN
Gruppenarbeit
Recherchieren Sie in verschie-
denen Medien einen historischen
oder aktuellen Konflikt, in dem
Massenvernichtungswaffen zum
Einsatz kamen. Referieren Sie
darauf aufbauend Hintergrund,
Ablauf und Konsequenzen des
Konfliktes als Grundlage für eine
Diskussion in der Klasse.
Einzelarbeit
Arbeiten Sie die deutsche
Position zu Massenvernichtungs-
waffen, Abrüstungsvorhaben und
Landminenächtung heraus.
Partnerarbeit
Stellen Sie in einem Kurzreferat
(5 bis 10 Minuten) einen Vertrag/
ein Übereinkommen aus der
Tabelle „Kontrolle von Massen-
vernichtungswaffen“ vor.
Kontrol le von Massenvernichtungswaffen
1957 Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) » von US-Präsident Dwight D. Eisenhower als autonome wissenschaftlich-technische Organisation gegründet » keine UN-Sonderorganisation » führt Inspektionen gegen den Missbrauch von Nuklearmaterial für militärische Zwecke durch
1968 Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV) » von 190 Staaten unterzeichnet » Nicht unterzeichnet haben Indien, Pakistan, Israel und Südsudan. » Nordkorea ist vom Vertrag zurückgetreten.
1975 Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und von Toxinwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen (BWÜ)
1980 Konvention über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen (engl. Abk. CCW) » völkerrechtlicher Vertrag seit 1983 in Kraft
1990 KSE-Vertrag (Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa) » zwischen den damaligen Mitgliedstaaten der NATO und des Warschauer Pakts geschlossen » trat 1992 in Kraft
1992 Übereinkommen über das Verbot von Entwicklung, Herstellung, Besitz, Weitergabe und Einsatz chemischer Waffen (CWÜ) » von den Staaten der Genfer Abrüstungskonferenz verabschiedet » Inzwischen haben 190 Staaten das Abkommen ratifiziert.
1996 Vertrag über ein umfassendes Verbot von Nuklearversuchen (Comprehensive Test-Ban Treaty, CTBT, Kernwaffenteststoppvertrag) » 183 Staaten haben unterschrieben und 162 den Vertrag ratifiziert. » Zum Inkrafttreten müssen ihn noch Ägypten, die Volksrepublik China, Indien, Iran, Israel, Nordkorea, Pakistan und die USA ratifizieren.
1997 Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen (APM) und über deren Vernichtung („Ottawa-Übereinkommen“) » trat 1999 in Kraft und hat 162 Vertragsstaaten
2010 Übereinkommen über das Verbot von Streumunition » 116 Staaten haben unterzeichnet, 89 ratifiziert. » Nicht unterzeichnet u. a. von den USA, Russland, China, Israel, Pakistan und Brasilien. » Verbot von Einsatz, Entwicklung, Herstellung und Lagerung sowie Im- und Export von Streumunition
Quellen: www.auswaertiges-amt.de > Außen- und Europapolitik > Frieden und Sicherheit > Abrüstung und Nichtverbreitung
sowie www.bmvg.de > Sicherheitspolitik > Rüstungskontrolle > Internationale Abkommen > Übereinkommen über das Verbot chemischer Waffen
02 | BÜNDNISSE UND ORGANISATIONEN
12
Prävention und vernetzte SicherheitMilitärische Maßnahmen allein können keine Sicherheit und Stabilität
gewährleisten. Deshalb ist die deutsche Sicherheitspolitik umfassend an-
gelegt. Sie ist präventiv (= vorbeugend), d. h. sie setzt bei der Ursache von
Konflikten an. Präventive Sicherheitspolitik umfasst auch politische und
diplomatische Initiativen sowie wirtschaftliche, humanitäre und soziale
Einsätze. Gleichzeitig beinhaltet sie die politische Bereitschaft und die
Fähigkeit, Freiheit und Menschenrechte notfalls auch mit militärischen
Mitteln zu verteidigen. Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutsch-
land und das internationale Völkerrecht bilden den rechtlichen Rahmen
für alle Bundeswehreinsätze. Militärische Gewalt darf jedoch immer nur
„ultima ratio“, also das letzte Mittel sein. Mit dem umfassenden Ansatz
der vernetzten Sicherheit wird den unterschiedlichen gesellschaftlichen,
öko nomischen, ökologischen und kulturellen Bedingungen in Konflikt-
regionen Rechnung getragen. Nur im multinationalen Zusammenwirken
können die unterschiedlichen Herausforderungen bewältigt werden, wie
es die Situationen bspw. in Afghanistan oder im Kosovo bewiesen haben.
Sicherheit kann weder rein national noch allein durch den Einsatz von
Streitkräften gewähr leistet werden.
Innere Sicherheit versus FreiheitsrechteSicherheitsvorsorge ist eine wichtige innenpolitische Aufgabe, da auch
die Bundesrepublik Deutschland im Fadenkreuz des internationalen Terro-
r ismus steht. Der Schutz der inneren Sicherheit des Landes ist grund-
sätzlich Aufgabe der Polizei der Länder und des Bundes (Bundespolizei).
Im Zusammenhang mit der asymmetrischen Bedrohungslage durch den
internationalen Terrorismus sind Szenarien denkbar, die von den Sicher-
heitsbehörden aufgrund der vorhandenen Ausstattung und Fähigkeiten
nicht allein bewältigt werden können. Laut Artikel 35, Absätze 2 und 3 des
Grundgesetzes dürfen die Streitkräfte im Innern nur in Ausnahmefällen
eingesetzt werden, z. B. zur Bekämpfung von Naturkatastrophen oder bei
besonders schweren Unglücksfällen.
Auftrag und Aufgaben der BundeswehrDie Verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR) des Bundes ministeriums
der Verteidigung beschreiben den strategischen Rahmen für den Auftrag
und die Aufgaben der Bundeswehr als Teil der gesamtstaat lichen Sicher-
heitsvorsorge. Sie formulieren die sicherheitspolitischen Zielsetzungen und
Interessen der Bundesrepublik Deutschland.
DeutscheSicherheitspolitikVernetzung gilt als Antwort auf die zunehmende Komplexität von Risiken und Bedrohungen in einer Welt, in der Menschen miteinander interagieren
sowie Güter und Informationen über politische, geografische und kulturelle Grenzen hinweg ausgetauscht werden. In den Vereinten Nationen (VN) wird
die Planung von VN-Friedensoperationen so verstanden, dass alle zivilen und militärischen Elemente des VN-Systems aufeinander abgestimmt zusam-
menwirken sollen. Dieses Prinzip gilt auch für die Sicherheitspolitik Deutschlands. Sie hat zum Ziel, Bedrohungen dort zu bekämpfen, wo sie entstehen.
Grundlage hierfür ist das Konzept der vernetzten Sicherheit. Militärische und zivile Mittel sollen Hand in Hand für Frieden und Stabilität sorgen.
Aufklärungsdrohnen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sollen die umkämpften Gebiete im Osten der Ukraine überwachen.
13
Vor diesem Hintergrund nimmt die Bundeswehr folgende,
ineinander greifende Aufgaben wahr:
» Landesverteidigung als Bündnisverteidigung im Rahmen
der Nordatlantischen Allianz (NATO)
» Internationale Konfliktverhütung und Krisenbewältigung
– einschließlich des Kampfs gegen den internationalen
Terrorismus
» Beteiligung an militärischen Aufgaben im Rahmen der
Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU
» Rettung und Evakuierung sowie Geiselbefreiung im
Ausland
» Beiträge zum Heimatschutz, d. h. Verteidigungs aufgaben
auf deutschem Hoheitsgebiet sowie Amtshilfe in Fällen
von Naturkatastrophen und schweren Unglücksfällen zum
Schutz kritischer Infrastruktur und bei innerem Notstand
» Partnerschaft und Kooperation als Teil einer multinatio-
nalen Integration und globalen Sicherheitszusammen-
arbeit im Verständnis moderner Verteidigungsdiplomatie
» humanitäre Hilfe im Ausland
Quelle: www.bmvg.de > Sicherheitspolitik > Angebote > Dokumente > Verteidi-
gungs politische Richtlinien > Verteidigungspolitische Richtlinien: V. Auftrag und
Aufgaben der Bundeswehr und nationale Zielvorgabe
IM INTERNET
Bundes verfassungsgericht
www.bundesverfassungsgericht.de
Bundes ministerium
der Verteidigung
www.bmvg.de
Bundes ministerium
des Innern
www.bmi.bund.de
WEITERDENKEN
Partnerarbeit
Erschließen Sie – auch unter
Zuhilfenahme des Kapitels
„Bedrohungen im 21. Jahr-
hundert“ – auf welche sicher-
heitspolitischen Bedrohungen
das Konzept der vernetzten
Sicherheit eine Antwort geben
will. Führen Sie aus, welche
Vorteile sich die Bundesregierung
von dieser sicherheitspolitischen
Strategie verspricht.
Plenum
Laut Grundgesetz darf die
Bundes wehr nur in Ausnahme-
fällen im Innern eingesetzt
werden. Begründen Sie aus
historischer Perspektive, warum
der Einsatz der Streitkräfte
innerhalb der Landesgrenzen so
streng reglementiert wurde.
Plenum
Die verstärkte Speicherung
privater Daten wird sowohl poli-
tisch als auch medial kontrovers
diskutiert. Sammeln Sie in zwei
Gruppen Argumente für und
gegen diese Maßnahmen. Führen
Sie darauf aufbauend im Plenum
eine Pro- und Kontra-Diskussion.
Beiträge zur internationalen Friedensicherung
„Unsere Bündnisfähigkeit in der NATO hat Priorität. Und dies muss und wird auch gelten in einer NATO, die sich beim Gipfel
in Wales [Anmerkung der Redaktion: September 2014] anspruchsvolle Aufgaben gegeben hat. Gemeinsam müssen wir die
richtige Balance finden zwischen nationaler Spezialisierung und gemeinsamer Aufbietung von militärischen Fähigkeiten.
Und genau deshalb ist unsere Bündnisfähigkeit letztendlich auch der wesentliche Gradmesser bei der Frage, warum wir auf
mittlere Sicht einen Anstieg unserer Ausgaben für Verteidigungszwecke brauchen, insbesondere bei Investitionen in modernes
Material. Zugleich wollen und werden wir auch die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik stärken und vertiefen
und die Vereinten Nationen bei ihrer Aufgabe unterstützen, für Frieden zu sorgen und Frieden zu erhalten. Und wir wollen in
der OSZE [Anmerkung der Redaktion: Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa] mithelfen, Transparenz und
Vertrauen zu schaffen – die Relevanz dieses oft unterschätzten Instruments zeigt sich aktuell in der Ukraine.“
Quelle: www.bmvg.de > Service > Reden und Interviews > Reden und Interviews der Verteidigungsministerin > Reden und Interviews 2014 > Viertes Quartal
2014: Rede der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen auf der Bundeswehrtagung 2014 (am 29.10.2014)
Rede der Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) auf der Bundeswehr-Tagung am 29. Oktober 2014 in
Berlin zum Thema „Vernetzte Sicherheit und Bündnisfähigkeit sind Beiträge zur internationalen Friedenssicherung“.
Biometrischer Pass
Er enthält das biometriefähige Passfoto sowie den Finger-
abdruck und soll die Sicherheit des Dokuments gegen Fäl-
schung und Missbrauch gewährleisten.
Weitergabe von Fluggastdaten
Daten von Fluggästen, die in die USA reisen, werden nach
verdächtigen Mustern überprüft, um mögliche Terroristen
noch vor der Einreise zu identifizieren.
Videoaufzeichnung
Überwachungskameras werden als vorbeugende Sicherheits-
maßnahme verstärkt und an öffentlichen Plätzen eingesetzt.
Online-Durchsuchung
Staatlicher Zugriff auf fremde Kommunikationsnetze,
manchmal mit anschließender Überwachung, um Hinweise
auf kriminelle Verbindungen oder Inhalte zu erhalten.
Vorratsdatenspeicherung
Die geplante Vorratsdatenspeicherung wurde 2014 vom
Europäischen Gerichtshof (EuGH) für unwirksam erklärt. Die
deutsche Richtlinie sah eine Speicherung von Daten – wer
mit wem in den letzten sechs Monaten per Telefon, Handy
oder E-Mail kommuniziert hat oder welche Internetseiten be-
sucht wurden – ohne einen Verdachtsmoment vor. Eine neue
Gesetzesinitiative wird erarbeitet.
Auf innenpolitischer Ebene stehen für Fahndungen bei erhöhter Terrorgefahr zahlreiche, in der Öffentlichkeit und Politik oft
umstrittene Sicherheitsinstrumente zur Verfügung. Eine Auswertung der Daten durch Strafverfolgungsbehörden ist jedoch
nur nach begründetem Verdacht und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit möglich.
Sicherheitsmaßnahmen
02 | BÜNDNISSE UND ORGANISATIONEN
14
Entwicklung der MenschenrechteAm 10. Dezember 1948 verkündete die Generalversammlung der Vereinten
Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte als das von allen
Völkern und Nationen zu erreichende gemeinsame Ideal. In den ersten fünf
Artikeln wird die universelle Gültigkeit von Freiheit, Gleichheit sowie das
Recht auf Leben und Sicherheit für jede Person thematisiert. Sklaverei,
Leibeigenschaft und Folter werden ausdrücklich verboten. Dieses Ideal
Wirklichkeit werden zu lassen, erfordert ein breites Engagement.
Zahlreiche Sonder- und Hilfsorganisationen der Vereinten Nationen
sind weltweit im Einsatz, z. B. die Weltflüchtlingsorganisation (UNHCR,
Genf), die Weltgesundheitsorganisation (WHO, Genf), die Welthandels-
organisation (WTO, Genf) oder das Internationale Kinderhilfswerk (UNICEF,
New York). Internationale Sicherheit und Weltfrieden sind die Hauptziele der
Vereinten Nationen seit ihrer Gründung im Jahr 1945. Die VN- Organisation
hat seit 2011 193 Mitglieder – das sind fast alle Länder der Welt.
Institutionen und PersonenDer VN-Generalsekretär ist der oberste Verwaltungsbeamte der Vereinten
Nationen. Auf Vorschlag des Sicherheitsrats wird er für fünf Jahre von der
Generalversammlung ernannt. Eine Wiederwahl ist möglich. Doch nach
zwei Amtszeiten findet für gewöhnlich ein Wechsel auf dieser Posi tion statt.
Der Generalsekretär repräsentiert die Organisation international und als
Ganzes. Politisches Gewicht bekommt seine Funktion durch sein Engage-
ment in aktuellen Krisen und bei besonderen Herausforderungen, zum Bei-
spiel bei Naturkatastrophen. Dann reist er in Krisengebiete, führt Gespräche
mit Regierungen oder legt Vorschläge zur Beilegung von Konflikten vor.
Große Bedeutung kommt den von ihm ernannten Sonderbeauftragten zu,
die vor Ort die Arbeit der Vereinten Nationen koordinieren. Zu den politi-
schen Aufgaben des General sekretärs gehört es auch, die Aufmerksamkeit
des Sicherheits rats auf jede Angelegen heit zu lenken, die den Frieden
gefährden könnte.
Die Generalversammlung der Vereinten Nationen ist die Vollver-
sammlung ihrer Mitgliedstaaten. Sie findet einmal pro Jahr im September
im VN-Hauptquartier in New York statt. Jeder Mitgliedstaat darf bis zu
fünf Personen dorthin entsenden. Die Versammlung prüft und genehmigt
den VN-Haushaltsplan, berät über Resolutionen (= Bestimmungen) und
empfiehlt deren Annahme. Die Generalversammlung darf sich mit jeder
Frage von internationaler Bedeutung befassen, solange sie nicht gleich-
zeitig vom Sicherheitsrat behandelt wird. Die Resolutionen der General-
versammlung sind völkerrechtlich nicht bindend.
DieVereintenNationenIm Jahr 1948 wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verkündet. Sie ist seitdem die politische Richtschnur der Vereinten Nationen
(VN). In der Überzeugung, Weltkriege wie im 20. Jahrhundert verhindern zu wollen, verpflichteten sich die Mitgliedstaaten in Zusammenarbeit mit
den Vereinten Nationen, auf die allgemeine Achtung und Einhaltung der Menschenrechte und Grundfreiheiten hinzuwirken. Dennoch hat die Welt
seither unzählige Kriege und gescheiterte VN-Interventionen erlebt. Am Ziel und der Vision, eine friedliche Weltordnung zu etablieren, arbeitet die
Völkergemeinschaft dennoch weiter.
Der europäische Hauptsitz der Vereinten Nationen im Palais de Nations in Genf.
15
Die Verantwortlichen für Kriege und Verbrechen gegen die
Menschlichkeit sind oft schwer zu fassen. Für diesen Fall
haben die Vereinten Nationen den Internationalen Straf-
gerichtshof (IStGH) gegründet. Er ist das erste unabhän-
gige und ständige Weltgericht der Geschichte, das im Jahr
2003 seine Arbeit aufgenommen hat. Die Verbrechen des
kongolesischen Rebellenführers Thomas Lubanga waren im
Jahr 2009 der erste verhandelte Fall vor dem Internationalen
Strafgerichtshof in Den Haag. Bisher führte der Internationale
Straf gerichtshof in acht Staaten offizielle Ermittlungen durch.
Von den ständigen Mitgliedern des VN-Sicherheitsrats erken-
nen China, Russland und die USA den IStGH allerdings nicht
an. Dies ist einer der wichtigsten Gründe dafür, dass diese
drei Staaten eine Verurteilung ihrer Staatsbürger durch den
IStGH nicht akzeptieren würden.
Die Arbeit des Sicherheitsrats der Vereinten NationenIm Gegensatz zur Vollversammlung der Vereinten Nationen
sind die Resolutionen des VN-Sicherheitsrats für alle Mitglied-
staaten bindend. Er ist das wichtigste Gremium der Vereinten
Nationen und kann die Durchsetzung seiner Beschlüsse er-
zwingen. Von den 15 Sitzen im VN-Sicherheitsrat gehören fünf
den ständigen Mitgliedern USA, Russland, Großbritannien,
Frankreich und China. Die ständigen Mitglieder haben ein
Veto recht (veto = lat. „ich verbiete“). Jedes einzelne dieser
fünf Mitglieder kann somit verhindern, dass Entscheidungen
des Sicherheitsrats zustande kommen.
Im Frühsommer 2014 hatten Russland und China per Veto
im VN-Sicherheitsrat verhindert, dass der Internationale Straf-
gerichtshof die Menschenrechtsverletzungen im syrischen
Bürger krieg untersuchen kann. Damit blockierten die beiden
Veto mächte seit Ausbruch der Gewalt in Syrien (2011) zum
vierten Mal eine Resolution der Vereinten Nationen. Der Text
richtete sich auf sämtliche Verbrechen, die in Syrien begangen
wurden: von Regierungstruppen, von regierungstreuen Milizen
und von „bewaffneten nichtstaatlichen Gruppen“. Eine Reso-
lution des Sicherheitsrats ist in diesem Fall notwendig, da
Syrien nicht Mitglied des Internationalen Strafgerichtshofes ist
und das Gericht nicht von sich aus aktiv werden darf.
In den Jahren 2011 und 2012 war Deutschland als nicht-
ständiges Mitglied in den Sicherheitsrat gewählt worden und
thematisierte dort sowohl die Situation von Kindersoldaten
als auch den Zusammenhang zwischen Klimawandel und
Sicherheit. Die Organisation der Vereinten Nationen soll in
den kommenden Jahren reformiert werden. Ihre Struktur soll
schlanker und die Zusammensetzung des Sicherheitsrats zu
Gunsten der kleineren Mitgliedsländer vergrößert werden.
IM INTERNET
Vereinte Nationen (Englisch)
www.un.org
Internationaler
Strafgerichtshofs (Deutsch)
www.internationaler-
strafgerichtshof.de
Bundes ministerium
der Verteidigung
www.bmvg.de
WEITERDENKEN
Partnerarbeit
Formulieren Sie anhand des
Schaubilds „Der Sicherheitsrat
der Vereinten Nationen“ und des
Informationstextes einen kurzen
Beitrag für ein Schülerlexikon zur
Rolle des VN-Sicherheitsrats und
die Bedeutung des Vetorechts
seiner fünf ständigen Mitglieder.
Einzelarbeit
Erläutern Sie, welche histori-
schen Gründe es dafür gibt,
dass die USA, Russland, China,
Großbritannien und Frankreich
ständige Mitglieder des Sicher-
heitsrats geworden sind.
Gruppenarbeit
Informieren Sie sich über die Auf-
gaben und Ziele einer Institution/
Organisation der Vereinten
Nationen. Recherchieren Sie,
wo und warum sie aktuell tätig
ist. Wählen Sie pro Gruppe eine
Institution/Organisation aus, und
stellen Sie Ihre Arbeitsergebnisse
in einer kurzen Präsentation vor.
Sicherheitsrat
verantwortlich für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit
Zwangmaßnahmenz. B. Boykott
Entsendung von Friedenstruppen (= VN-Mandat)
Seit 2013 ArgentinienAustralien LuxemburgRepublik KoreaRuanda
VN-Generalversammlungwählt jährlich 5 Mitglieder auf 2 Jahre
Seit 2014 ChileJordanienLitauenNigeriaTschad
02 | BÜNDNISSE UND ORGANISATIONEN
16
Die Nordatlantische Allianz (North Atlantic Treaty Organization – NATO)Mit dem Nordatlantikvertrag wurde am 4. April 1949 ein kollektives Ver-
teidigungsbündnis geschlossen. Zu diesem Zeitpunkt war es gegen die
Sowjetunion ausgerichtet, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges
ihren Machtbereich auf die osteuropäischen Staaten ausdehnte. Während
des Kalten Krieges war das Nordatlantische Verteidigungsbündnis auf
die gemeinsame Verteidigung bei einem Angriff von außen ausgerichtet.
Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde das Bündnis erweitert.
Die NATO versteht sich als Wertegemeinschaft freier demokra tischer
Staaten zum Schutz von Demokratie und Menschenrechten, zur Sicher heit
des nordatlantischen Raums und mit gegenseitigem Beistands gebot. 65
Jahre nach ihrer Gründung beschränkt sich die Allianz nicht darauf, die
Grenzen des Bündnisses zu verteidigen. Sie stellt sich mit neuen Posi-
tionen den sicherheits politischen Heraus forderungen der Zukunft. Durch
die Zusammenarbeit mit Staaten außerhalb der NATO will sie Konflikten
vorbeugen und Stabilität schaffen.
Der Terrorangriff vom 11. September 2001 auf die USA löste erstmals
den NATO-Verteidigungsfall aus. Seitdem stehen bei der Operation
„Enduring Freedom“ NATO-Verbände an der Seite der USA im Kampf
gegen den Terror ismus. Im Laufe dieser Mission ist in der NATO die Ein-
sicht gewachsen, sich strategisch umzuorientieren. Im November 2010
beschlossen die Staats- und Regierungschefs in Lissabon ein neues strate-
gisches Konzept und schufen damit die Grundlage für das Bündnis, auch
bei unvorhersehbaren Risiken und Bedrohungen gemeinsam zu reagieren.
Die drei Bereiche ihrer Sicherheitskonzeption sind: kollektive Verteidigung
(collective defence), Krisenmanagement (crisis management) und koope-
rative Sicherheit (cooperative security).
Maßnahmen:
» Fähigkeiten zu robusten und mobilen Operationen schaffen
» Raketenabwehrsystem aufbauen
» Verteidigung gegen chemische, biologische und radiologische
Waffen sowie Cyberangriffe vorbereiten
» Schutz von kritischer Infrastruktur planen
» Fähigkeiten zur Aufstandsbekämpfung sowie zivile Aspekte der
Konflikt bearbeitung verbessern
» Vernetzten Sicherheitsansatz (comprehensive approach) fördern
Neue HerausforderungenWeltweit entstehen neue Konflikte. Der Nahe und Mittlere Osten bleibt eben-
so ein Unruheherd wie die Bedrohungen, die vom internationalen Terroris-
mus ausgehen. Auch im Verhältnis zwischen NATO und Russland kommt es
in jüngster Zeit zu Spannungen: Wegen des Krieges im Osten der Ukraine
DieNATODie aktuellen Konflikte in der Ukraine – in Verbindung mit Russland – sowie die Erweiterungen der NATO um neue Mitgliedstaaten, insbesondere in
Osteuropa, haben zu einer Umsteuerung der sicherheits- und verteidigungspolitischen Ausrichtung der Allianz geführt. Deshalb beschlossen die
Regierungschefs auf dem NATO-Gipfel im Jahr 2014 ihre Reaktionsfähigkeit zu verstärken sowie den Schutz ihrer Mitglieder zu verbessern.
Das Hauptquartier der Nordatlantischen Allianz befindet sich seit 1967 in der belgischen Hauptstadt Brüssel.
17
stoppte die NATO im April 2014 die militärische Zusammen-
arbeit mit Russland. Auch die Zusammenarbeit mit Russland
im NATO-Russland-Rat, der seit 2002 besteht, wurde ein-
gefroren. Aus Sorge vor weiteren Militäraktionen Russlands
fordern die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen
sowie Polen eine größere und dauerhafte Stationie rung von
NATO-Truppen auf ihrem Territorium. Das Air Policing (Schutz
und Überwachung des Luftraumes) im Baltikum, an dem
sich auch die deutsche Luftwaffe mit Kampfflugzeugen be-
teiligt, und die Verstärkung von Truppenteilen der NATO sind
erste Maßnahmen.
Eingreiftruppen der NATODas Konzept für die NATO Response Force (NRF) sieht vor, bin-
nen fünf Tagen erste Verbände in jedes Krisengebiet der Welt
verlegen zu können. Die vollständige Streitmacht – rund 25 000
Soldaten – soll dann in der Lage sein, rund 30 Tage autark im
Operationsgebiet agieren zu können. Nach Erlangen der voll-
ständigen Einsatzbereitschaft soll sie über Landstreit kräfte
bis zur Brigade stärke, Seestreitkräfte bis zur Stärke einer
‚NATO Task Force‘ einschließlich einer Flugzeugträgergruppe
sowie Luftstreitkräfte mit genügend Luftfahrzeugen und
Führungseinrichtungen für 200 Einsätze pro Tag plus zu-
sätzlicher Unterstützungsflüge verfügen. Ihre operative
Führung erfolgt jeweils für zwölf Monate durch die beiden
NATO-Hauptquartiere im niederländischen Brunssum und im
italienischen Neapel. Die Gesamtstärke der NRF variiert von
Jahr zu Jahr. Die NATO-Nationen melden jahres weise Truppen-
kontingente und stellen diese dann für den betreffenden
Zeitraum ab. Danach übernehmen andere Einheiten diese
Funktion. Die NRF ist also kein zusätzlicher Großverband,
sondern greift im Alarmierungsfall auf vorhandene Kräfte
zurück. Die Truppe setzt sich aus drei Teilen zusammen: dem
Kommando- und Kontrollelement, der Immediate Response
Force (IRF) – ein sehr schnell einsatzbereiter Teil der Eingreif-
truppe von etwa 13 000 Soldaten – und dem Response Force
Pool (RFP), der diese mit Unterstützungskräften ergänzt.
Nach: www.bundeswehr.de > Streitkräfte > NATO Responce Force
NATO Partnerschaft – Solidarität im Bündnis„Wir müssen aber gleichzeitig auf die berechtigten Sorgen
unserer Partner im Verteidigungsbündnis der NATO eingehen,
das sind auch unsere Sorgen. Länder wie Polen, Rumänien
und die baltischen Staaten wollen spüren, dass die NATO
fest an ihrer Seite steht. Da geht es nicht um zusätzliche
Truppen, sondern um Präsenz und Übungen, die es in der
NATO ständig gibt. Ein Beispiel ist die Überwachung des
Luftraums über den baltischen Staaten. Diese Aufgabe
teilen sich seit Jahr und Tag andere NATO-Nationen, so auch
wir Deutschen, weil die baltischen Staaten gar keine eigene
Luftwaffe haben. Es geht also um die selbstverständliche
Solidarität im Bündnis.“
Quelle: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen im Interview am
25.3.2014 mit der Rheinischen Post, www.bmvg.de
IM INTERNET
NATO (Englisch)
www.nato.int
Informationen zur europäischen
Außenpolitik
www.auswaertiges-amt.de
> Außen- und Europapolitik
> Europa
Eurokorps –
Streitkräfte für Europa und
die Atlantische Allianz
www.eurocorps.org
WEITERDENKEN
Einzelarbeit
Recherchieren Sie, unter welchen
Voraussetzungen der Bündnisfall
der NATO eintritt. Erläutern Sie,
warum dies beim Terroranschlag
vom 11. September 2001 auf das
World Trade Center der Fall war.
Partnerarbeit
Verschaffen Sie sich einen
Überblick über die wichtigsten
Aufgaben und Ziele der NATO als
Bündnissystem. Unterscheiden
Sie dabei auch nach wirtschaft-
lichen, verteidigungspolitischen
und politischen Zielsetzungen.
Partnerarbeit
Recherchieren Sie pro Team
Hintergrundinformationen zu den
NATO-Einsätzen mit deutscher
Beteiligung. Präsentieren Sie Ihre
Ergebnisse im Plenum.
Nordatlantische Allianz und die NATO-Mitgliedstaaten
1949 Belgien Dänemark FrankreichGroßbritannien Island Italien Kanada (o. Abb.)Luxemburg Niederlande Norwegen PortugalUSA (o. Abb.)
1952 Griechenland Türkei
1955 Bundesrepublik Deutschland *
1982 Spanien
1999 Polen TschechienUngarn
2004Bulgarien Estland Lettland Litauen Rumänien Slowakei Slowenien
2009Albanien Kroatien
* Auf der Karte ist der Ist-Zustand nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 abgebildet.
02 | BÜNDNISSE UND ORGANISATIONEN
18
Überwachungsmission der Europäischen Union an der Grenze zwischen Georgien und Russland.
SicherheitinEuropaDie Europäische Union umfasst aktuell 28 Mitgliedstaaten, die in wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Bereichen eng
zusammenarbeiten. Sicherheits- und verteidigungspolitische Aufgaben und Maßnahmen werden jedoch immer noch maßgeblich von den Regie-
rungen der Mitgliedstaaten entwickelt und getroffen. Doch die Herausforderungen, denen sich die Länder der Union stellen müssen, erfordern eine
engere Abstimmung und Koordination. Insbesondere in den Bereichen der Asyl- und Flüchtlingspolitik zeigt sich die Notwendigkeit einer stärkeren
Zusammenarbeit.
Meilensteine
Die Europäische Union wurde mit dem Ziel gegründet,
den häufigen und verlustreichen Kriegen der vergangenen Jahr-
hunderte zwischen Nachbarn ein Ende zu bereiten und ein fried-
liches Zusammenleben in Europa zu sichern.
1951Europäische Gemein-
schaft für Kohle und
Stahl (EGKS), auch
Montanunion genannt,
Gründungsmitglieder:
Belgien, Deutschland,
Frankreich, Italien,
Luxemburg und die
Niederlande
1957Römische Verträge:
Gründung der
Europäischen
Wirtschaftsgemein-
schaft (EWG) und
Euratom
1967EGKS, EWG und
Euratom werden
zusammen zur
Europäischen
Gemeinschaft (EG)
1978Beschluss, ein
Europäisches
Währungssystem
zu schaffen
Die Europäische Sicherheits- und VerteidigungspolitikDie Europäische Union (EU) entwickelt sich seit ihrer Gründung konti-
nuierlich von einem reinen Wirtschaftsbündnis zu einer umfassenden
politischen Gemeinschaft. Mit der im Jahr 1999 ins Leben gerufenen
Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) wurde die
Handlungsfähigkeit der Europäischen Union auf dem Gebiet der Gemein-
samen Außen- und Sicher heitspolitik (GASP) weiterentwickelt. Die ESVP
sollte die EU in die Lage versetzen, als Reaktion auf internationale Krisen
und für die Fälle, in denen die NATO als Ganzes nicht beteiligt ist, über
militä rische Aktionen selbst ständig zu entscheiden und aktiv zu werden.
Darüber hinaus eröffneten sich neue Möglichkeiten des militärischen und
zivilen Krisenmanagements und neue Perspektiven, um an der Friedens-
sicherung in Europa und der Welt mitzuwirken. Auch die Bundeswehr ist
in die ESVP eingebunden. Für sie gilt das im Dezember 1999 vom Europä-
ischen Rat beschlossene „European Headline Goal“. Darin werden verbind-
liche Ziele für den Aufbau handlungsfähiger Streitkräfte festgelegt, die
Quelle: www.europa.eu/about-eu > Geschichte
19
IM INTERNET
Europäische Union
www.europa.eu
Informationen zur
europäischen Außenpolitik
www.auswaertiges-amt.de
> Außen- und Europapolitik
> Europa
Streitkräfte für Europa und
die Atlantische Allianz
www.eurocorps.org
WEITERDENKEN
Gruppenarbeit
Erstellen Sie einen Steckbrief
der EU-Friedensmission, der die
Organisation nach W-Fragen
aufschlüsselt: Was geschah/
geschieht wann und wo? Wer ist
am Ereignis beteiligt? Welche
Ziele verfolgt die Mission?
Partnerarbeit
Erläutern Sie die Schwierigkeiten
der europäischen Flüchtlings-
politik, indem Sie widersprüch-
liche Ziele, Werte und Interessen
der Beteiligten einander
gegenüberstellen.
Einzelarbeit
Im Jahr 2012 wurde der EU der
Friedensnobelpreis verliehen. Die
Jury begründete ihre Entscheidung
mit dem seit sechs Jahrzehnten
anhaltenden Frieden in
wirtschaftlich schwierigen
Zeiten. Angesichts des Ausbaus
handlungsfähiger Streitkräfte
und der EU-Flüchtlingspolitik
wird diese Entscheidung jedoch
kontrovers beurteilt. Verfassen Sie
einen abwägenden Kommentar zur
Nobel preisverleihung an die EU,
der im Text genannte Fakten auf-
greift und gedanklich verarbeitet.
1990Deutsche Wieder-
vereinigung,
das Gebiet der
ehemaligen DDR
gehört durch die
Aufnahme in die
BRD automatisch
mit zur EG.
1992Vertrag von
Maastricht und
Schaffung der
europäischen
Wirtschafts- und
Währungsunion
1993Der Europäische
Binnenmarkt
entsteht, Verwirkli-
chung der „vier
Freiheiten“: freier
Verkehr von Waren,
Dienstleistungen,
Personen und
Kapital
1999Vertrag von Amster-
dam, Ausbau der
wirtschaftlichen,
polizeilichen und
justiziellen Zusam-
menarbeit;
Einführung des Euro
als Buchwährung
(2002 als Papier-
währung)
2001Vertrag von Nizza,
Ergänzung zum Ver-
trag von Maastricht,
u.a. Veränderung
der Abstimmungs-
modalitäten zur
Steigerung der
Effizienz der Ent-
scheidungen nach
Erweiterungsrunden
2009Vertrag von Lissabon,
Anpassung der Verfahrens-
regelungen in den Organen
der EU, Weiterentwicklung der
europäischen Sicherheitspolitik
von der ESVP zur GSVP durch
Vertiefung der Zusammen-
arbeit und Erweiterung des
gegenseitigen Beistands.
2013Kroatien tritt als
28. Mitgliedsstaat
der EU bei.
unter Führung der EU für militärische und zivile Operationen
eingesetzt werden können. Die militärische Zusammen arbeit
in der EU über natio nale Grenzen und Interessen hinweg
gewinnt dadurch an Gestalt. In Eindhoven/Niederlande ist
bspw. das Europäische Lufttransportkommando eingerichtet
worden, das alle militärischen Lufttransportkapazitäten der
Mitgliedstaaten führt und koordiniert.
Die Staaten Europas verzichten allmählich auf nationale
Souveränitätsrechte zu Gunsten gemeinsamer Ziele. Im
Rahmen der Europäischen Außen- und Sicherheitspolitik
beschloss die EU z. B. im Dezember 2008 die Anti-Piraterie-
Mission Atalanta (EUNAVFOR Atalanta). Weitere Missionen sind
die European Union Force (EUFOR) Bosnien-Herzegowina, die
im November 2011 endete, und die Kosovo Force (KFOR), die
bis heute andauert. In Afrika ist die EU mit militärischen und
zivilen Missionen in der Demokratischen Republik Kongo, Mali,
Somalia und der Zentralafrikanischen Republik aktiv.
Zusammenarbeit von Polizei, Zoll und JustizDie Staaten der Europäischen Union sind das Ziel vieler
Not leidender Menschen, besonders aus den Staaten der
Sub sahara und den Krisenregionen des Iraks und Syriens.
Umwälzungen und Bürgerkriege sowie die Auswirkungen
von Klimawandel, Staatszerfall und die Folgen der Globali-
sierung haben Migra tionsbewegungen ausgelöst, welche die
süd europäischen Staaten an die Grenzen ihrer Aufnahme-
kapazität bringen. Eine gemeinschaftliche, europäische
Lösung dieser Probleme ist daher von großer Bedeutung
sowohl für die Flüchtenden als auch für die Ankunftsländer
im Mittelmeerraum. Mit dem Vertrag von Lissabon wurde
beschlossen, dass ein „Raum der Freiheit, der Sicherheit
und des Rechts“ (Art. 4 ff. AEUV) für die Menschen ge-
schaffen werden soll. Diese Bestimmungen sind die weitere
Vertiefung der polizeilichen und justiziellen Zusammen-
arbeit sowie der Zusammenarbeit in dem Bereich Inneres.
Sie haben u. a. den freien Personenverkehr innerhalb der
EU-Grenzen zum Ziel. Darüber hinaus koordinieren und
unterstützen sich Polizei und Justiz in Zivil- und Strafsachen
europaweit.
In die öffentliche Kritik geriet die Zusammenarbeit
im Zusammenhang mit der Grenzschutzagentur Frontex
(Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit
an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen
Union), die mit dem Ziel gegründet wurde, die Außen grenzen
der Union zu schützen. Hierzu sammelt sie u. a. Daten über
illegale Migration und koordiniert Einsätze von Grenzpoli-
zisten. Außerdem hat sie die Aufgabe, Flüchtlinge vor dem
Ertrinken zu bewahren, indem sie regelmäßig auf hoher
See patrouilliert. Das Aufgabengebiet führt jedoch auch zu
Schwierigkeiten hinsichtlich der Zielbestimmungen. Auf der
einen Seite wollen die Staaten der EU und damit auch Frontex
Menschenrechte schützen und das Leben von Flüchtlingen
retten, die von Schleuserbanden Richtung Europa gebracht
werden. Auf der anderen Seite sollen die Mitarbeiter Sorge
dafür tragen, dass illegale Grenzüber tritte verhindert wer-
den, um eine kontrollierte Einwanderung zu erreichen.
Die Europäische Union ist von Meeren und Ozeanen
umgeben, die als Triebfedern für die europäische Wirt-
schaft großes Potenzial besitzen. Mithilfe der neuen
Maritimen Strategie sollen die Interessen der EU im
Seeverkehrsbereich bspw. in Bezug auf Verhütung
von Konflikten, wirksame Kontrolle der Außengrenzen,
Schutz der globalen Handelskette und Verhinderung
der illegalen, unregulierten und nicht gemeldeten
Fischerei verwirklicht werden.
Damit dies auch außerhalb der EU gelingt, müssen
über 90 000 km Küstenlinie überwacht werden.
Deutschland leistet u. a. einen Beitrag zur Maritimen
Sicherheitsstrategie durch die Beteiligung an der
Atalanta-Mission der EUNAVFOR (EU Naval Forces) mit
dem Einsatz von bis zu 1200 Soldaten.
Maritime Sicherheit
02 | BÜNDNISSE UND ORGANISATIONEN
20
Formen zivilgesellschaftlichen EngagementsBürgerschaftliches Engagement und soziale Bewegungen sind nicht
voneinander zu trennen. Die Beteiligung in sozialen Bewegungen,
politischen Kampagnen, Bürgerinitiativen und Protestgruppen als mög-
liche Formen des Engagements hat in den vergangenen Jahren an Bedeu-
tung gewonnen. Dagegen haben konventionelle Formen der politischen
Partizipation wie die Ausübung des Wahlrechts oder Mitgliedschaften in
Parteien und Gewerkschaften in den vergangenen beiden Jahrzehnten an
Zuspruch verloren.
Ausdruck zivilgesellschaftlichen Engagements waren vor 1989 in
Westdeutschland z. B. die Protestbewegungen gegen den Ausbau der
Kernenergie oder die atomare Bewaffnung, die über gesellschaftliche
Schichten hinweg breite Aufmerksamkeit erzielen konnten. In der
Deutschen Demokratischen Republik (DDR) entwickelte sich im Unter-
grund eine Bürgerrechtsbewegung, die sich gegen die Repression der
Sozialistischen Einheitspartei und die Einschränkung bürgerlicher
Grundrechte durch den Staat richtete. Ihr jahrelanger friedlicher Protest,
z. B. die Aktion „Schwerter zu Pflugscharen“ des evangelischen Kirchen-
tags 1983 in Wittenberg oder die Bürgerrechts bewegungen in Leipzig
und Dresden, trug im Jahr 1989 zum Zusammenbruch des DDR-Systems
und zur Wiedervereinigung Deutschlands bei.
In der globalisierten Welt haben internationale Umweltschutz-,
Menschen rechts- oder globalisierungskritische Organisationen wie Green-
peace oder Amnesty International an Bedeutung gewonnen. Bürger aller
politischen Überzeugungen und Richtungen möchten sich für ihre Idea-
le engagieren und wollen die Zukunft der Welt aktiv mitgestalten. In den
NGOs finden sie dann die Organisationsform und Mitstreiter für ihre An-
liegen. Wenn die Vereinten Nationen große Kongresse oder Konferenzen
einberufen, kommen sowohl die von den jeweiligen Staaten offiziell beauf-
tragten Diplomaten und Vertreter als auch Vertreter von Nichtregierungs-
organisationen zusammen.
Die Bedeutung internationaler Nichtregierungsorganisationen zeigt
sich auch durch ihre stark gestiegene Anzahl: 1960 waren es rund 1200,
30 Jahre später zählte man mehr als 22 000 Organisationen dieser Art.
Im Jahr 2014 wurden sogar über 67 000 NGOs durch das internationale
Institut „Union of International Associations“ erfasst.
ZivilgesellschaftundNichtregierungsorganisationenNeben staatlichen Institutionen, der Wirtschaft und der Familie umfasst der Begriff Zivilgesellschaft das vielfältige bürgerschaftliche Engagement.
Die am Gemeinwohl orientierten Nichtregierungsorganisationen (Englisch: Non-Governmental Organization, kurz: NGO) sind vorwiegend in den
Bereichen humanitäre Hilfe, Menschenrechte, Umwelt und Entwicklungspolitik engagiert. Mit der zunehmenden Vernetzung aller Lebensbereiche
haben sich zivilgesellschaftliche Akteure wie Initiativen, Vereine und Verbände auch grenzüberschreitend organisiert.
Freiwillige Mitarbeiter des Roten Kreuzes versorgen im Jahr 2004 Flüchtlinge im Kosovo.
21
Beispiele zur Förderung der konstruktiven VergangenheitsbewältigungIn der Region des westlichen Balkans* lassen sich zwei zent-
rale Herausforderungen für Friedensaufbau erkennen: Vergan-
genheitsarbeit und Stärkung der interethnischen Beziehungen
im Bildungssystem. Die NGO KURVE Wustrow arbeitet mit der
1997 gegründeten Nichtregierungsorganisation „Centar za
nenasilnu akciju“ (Centre for Nonviolent Action = CNA) zusam-
men. CNA hat Büros in Belgrad und Sarajevo. Der Zivile Frie-
densdienst (ZFD) unterstützt insbesondere die Veteranenarbeit
mit Diskus sionsforen, gemeinsamen Besuchen an Orten der
Kriegsverbrechen und durch Medienarbeit, zum Beispiel durch
Dokumentar filme. Die Partner organisation „Mirovna Akcija“
(Peace Action) in Mazedonien engagiert sich ebenfalls im
Versöhnungsprozess. Neben der Sammlung von Zeitzeugenbe-
richten geht es um die Publika tion von Materialien zur Vergan-
genheitsarbeit in mazedonischer und albanischer Sprache.
Zur Sensibilisierung von Kriegsveteranen und Kriegsopfern
für ihre besondere Rolle im Versöhnungsprozess werden Dia-
logtreffen und Trainingsmaßnahmen durchgeführt.
IM INTERNET
Bundesministerium für
wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung
www.bmz.de
Verband Entwicklungspolitik
und Humanitäre Hilfe
www.venro.org
Internationale Zusammenarbeit
im deutschsprachigen Raum
www.epo.de
WEITERDENKEN
Gruppenarbeit/Plenum
Erstellen Sie in einer Kleingruppe
eine erste eigene Definition des
Begriffs „Zivilgesellschaft“.
Stellen Sie das Ergebnis vor,
und erläutern Sie den anderen
Gruppen Ihre Erarbeitung.
Partnerarbeit
Machen Sie sich zu zweit mit
einem Projekt des Zivilen
Friedens dienstes, z. B. dem
Balkan-Projekt, vertraut.
Erläutern Sie, inwiefern die
in der Übersicht „Zivile
Konfliktbearbeitung“ genannten
Vorgehensweisen hier relevant
sein könnten.
Plenum
Begründen Sie, welche Rolle
die Konfliktnachsorge bei der
Friedenspolitik spielt. Zeigen
Sie mithilfe einer Mindmap
auf, welche Folgen es für die
Bevölkerung, die internationalen
Beziehungen, die sozialen und
wirtschaftlichen Verhältnisse und
die ehemaligen Konfliktparteien
haben kann, wenn eine Aufarbei-
tung nach einem gewaltsamen
Konflikt unterbleibt.
* Projektländer: Serbien, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien. Quelle: www.ziviler-friedensdienst.org > Aus dem ZFD > Projekte
Konflikte, vor allem Kriege, müssen oftmals militärisch beendet werden, um die Gewalt zu stoppen. Die dann folgen-
de und notwendige Konfliktbearbeitung wird von vielen Nichtregierungsorganisationen mitgetragen, die unterschiedliche
Vorgehens weisen der Auf- und Verarbeitung und der Krisenprävention anwenden. Dazu gehören beispielsweise:
Quelle: Konsortium Ziviler Friedensdienst (Hrsg.): Wir scheuen keine Konflikte, Unterrichtsmaterialien zur Konfliktbearbeitung, www.ziviler-friedensdienst.org
» Dialog und Schlichtung anregen
» ehemalige Kriegsteilnehmer in Gesellschaft
und Alltag wiedereingliedern
» Wiedergutmachung
» Täter-Opfer-Ausgleich
» heimkehrenden Flüchtlingen bei der
Integration helfen
» benachteiligte Gruppen stärken
Zivile Konfliktbearbeitung
DEIN TAG FÜR AFRIKA:
„Aktion Tagwerk e. V.“ organisiert die bundesweite Kampagne „Dein Tag für Afrika“ für Schülerinnen und Schüler aller Alters-
stufen und Schulformen. 2014 engagierten sich rund 180 000 Schüler aus 620 Schulen. Sie leiste ten Hilfsdienste im Freundes-
und Familienkreis oder veranstalteten gemeinsame Aktionen im Klassenverband. Den Lohn ihres „Tagwerks“ spendeten sie für
Bildungsprojekte in Burundi, der Elfenbeinküste, Ruanda, Südafrika und Uganda. Der Gesamterlös des Jahres 2014 wird auf
1,2 Millionen Euro geschätzt.
Quelle: www.aktion-tagwerk.de
DER ZIVILE FRIEDENSDIENST:
Der „Zivile Friedensdienst“ ist ein Programm von deutschen Friedens- und Entwicklungsorganisationen, das vom Bundes-
ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert wird. Fachkräfte unterstützen dabei ört-
liche Partnerorganisationen in Krisenregionen, gewaltsame Konflikte im Vorfeld zu verhindern (Krisenprävention), friedlich
bei zulegen (Gewaltminderung) und friedens fördernde Strukturen auf- und auszubauen (Konfliktnachsorge).
Quelle: www.ziviler-friedensdienst.org
SOZIALER TAG:
Jedes Jahr organisiert der als Schülerinitia tive gegründete Verein „Schüler Helfen Leben e. V.“ den bundesweiten Sozialen Tag,
an dem Schüler jeder Altersstufe und Schulform teilnehmen können. Sie suchen sich an diesem Tag einen Job – helfen im
Garten oder waschen das Auto des Nachbarn – und spenden ihren Lohn. Mit den Einnahmen werden Kinder und Jugend liche in
Flüchtlingslagern in Bosnien sowie in Jordanien an der Grenze zu Syrien unterstützt. 2014 haben sich mehr als 80 000 Schüler
am Sozialen Tag beteiligt.
Quelle: www.schueler-helfen-leben.de
Beispiele zivilgesellschaftlichen Engagements
02 | BÜNDNISSE UND ORGANISATIONEN
22
Armut und HungerNach Definition der Vereinten Nationen und der Weltbank werden Menschen,
die weniger als den Gegenwert von 1,25 US-Dollar am Tag zur Verfügung
haben, als absolut arm angesehen. Das traf nach Angaben der jährlichen
Berichte der Weltbank in den vergangenen Jahren auf rund eine Milliarde
Menschen zu. Zu dieser Zahl der absolut Armen werden die Menschen addiert,
die in Industrie- und Schwellenländern in Armut leben. Verdienen sie dort
weniger als 60 Prozent des Durchschnittslohns, leben sie nach Definition der
Europäischen Union in relativer Armut. Insgesamt sinkt die Zahl der absolut
Armen weltweit. Eine Ausnahme dieser positiven Bilanz der vergangenen Jahre
stellen die afrikanischen Subsahara-Gebiete, wie Mali und der Niger, dar,
in denen die Hälfte der Bevölkerung in absoluter Armut lebt.
In Entwicklungsländern besteht auch immer ein Zusammenhang
zwischen Armut und Hunger. Nach Einschätzungen der Weltbank drohen
die weltweit rasant gestiegenen Nahrungsmittelpreise die globale Armut
weiter zu verschärfen, denn in Entwicklungsländern müssen die Menschen
einen weit höheren Anteil ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben
als die Menschen in Industrieländern. Hinzu kommt, dass viele Kriege
und Konflikte in Entwicklungsländern stattfinden. Dies erschwert die
Versorgung der Menschen mit lebenswichtigen Nahrungsmitteln und
sauberem Wasser zusätzlich. Verschärft werden diese Krisen durch Natur-
katastrophen wie extreme Dürre oder Überschwemmungen.
Ziele der deutschen EntwicklungspolitikIn der Entwicklungspolitik kommt der Armutsbekämpfung eine ent schei-
dende Bedeutung zu. Sie wird für die positive Entwicklung eines Landes
als ausschlaggebend angesehen. Armut ist häufig sowohl Folge als auch
Ursache bewaffneter Konflikte. Entwicklungszusammenarbeit ist daher
mehr als eine Frage der Gerechtigkeit und der Solidarität: Es geht auch um
die Zukunft der Industrieländer – denn kein Teil der Welt kann sich sicher
fühlen, wenn nicht überall Menschen sicher leben können. Aus dieser
Erkennt nis heraus ist die Entwicklungspolitik Teil einer umfassenden
Friedens- und Sicherheitspolitik. Die Leitlinie für das politische Handeln
der Bundesregierung ist die so genannte Millenniumserklärung, welche die
VN-Generalversammlung bei ihrem Gipfel im September 2000 verabschiedet
hat. Mit dieser Erklärung war auch die Formulierung von Entwicklungs-
zielen verbunden, die innerhalb von 15 Jahren erreicht werden sollten.
DIESE ACHT ZIELE WAREN:
1. Beseitigung der extremen Armut und des Hungers,
2. Gewährleistung einer Grundschulausbildung für alle Kinder,
3. Förderung der Gleichstellung und des größeren Einflusses der Frauen,
4. Senkung der Kindersterblichkeit,
5. Verbesserung der Gesundheit von Müttern,
6. Bekämpfung von HIV/Aids, Malaria und anderen Krank heiten,
7. Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit sowie
8. Aufbau einer globalen Partnerschaft im Dienst der Entwicklung.
EntwicklungspolitikDie Bekämpfung von Armut und Hunger sind wichtige Ziele, die sich die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen gesetzt haben. Ihre Maßnahmen werden
durch inter nationale Programme unterstützt, deren Umsetzung jedoch auf vielfältige Probleme und Herausforderungen stößt, die sowohl in den Geber- als
auch in den Empfängerländern sowie in der internationalen Koordination und Zusammenarbeit zu finden sind.
Dorfbewohner machen auf die Lebensumstände der hungernden Bevölkerung Indiens aufmerksam.
23
Aktionsprogramm 2015Die Millenniums- und Entwicklungsziele der internationalen
Gemeinschaft werden durch nationale Programme unter-
stützt. Auch die Bundesrepublik Deutschland formulierte ein
Aktionsprogramm, das die acht Ziele der VN-Mitgliedstaaten
durch die ressortübergreifende Zusammenarbeit erreichen
sollte. Der Zeitraum zur Verwirklichung der Maßnahmen ist
zunächst bis zum Jahr 2015 begrenzt. Da nicht alle Forde-
rungen in den letzten 15 Jahren realisiert werden konnten,
besteht weiterhin Handlungsbedarf, um Armut und Hunger zu
bekämpfen. Für die Zeit nach 2015 werden bereits neue Ziele
und Fördermaßnahmen erarbeitet.
Die zehn wichtigsten Punkte des Programms sind:
» die wirtschaftliche Dynamik und die aktive
Beteiligung der Armen erhöhen,
» das Recht auf Nahrung verwirklichen und
Agrarreformen umsetzen,
» faire Handelschancen für die Entwicklungsländer schaffen,
» Verschuldung abbauen und Entwicklung finanzieren,
» soziale Grunddienste gewährleisten und
soziale Sicherheit stärken,
» Zugang zu lebenswichtigen Ressourcen sichern
und eine intakte Umwelt fördern,
» Menschenrechte verwirklichen und die sozialen
Standards der Arbeitsschutzregelungen respektieren,
» Konflikte friedlich austragen und menschliche
Sicherheit und Abrüstung fördern,
» die Gleichberechtigung der Geschlechter fördern,
» die Beteiligung der Armen am gesellschaftlichen,
politischen und wirtschaftlichen Leben sichern und
verantwortungsvolle Regierungsführung stärken.
Quelle: www.armut.de > Bekämpfung der Armut > Deutsche Strategien >
Aktionsprogramm 2015 der Bundesregierung
Probleme und Herausforderungen In der Entwicklungspolitik gibt es Probleme und Herausfor-
derungen, welche die Durchführung der Programme oftmals
erschweren. Die Ursachen hierfür liegen jedoch nicht aus-
schließlich in den Empfängerländern. Auch die politische, wirt-
schaftliche und gesellschaftliche Struktur der Geberländer und
die inter nationale Entwicklungszusammenarbeit spielen eine
wichtige Rolle. Beispiele für Probleme und Herausforderungen,
denen sich die Entwicklungspolitik stellen muss, sind:
» Mangel an Bildung und Ausbildung,
» Krankheiten, vor allem HIV und AIDS,
» hohe Kindersterblichkeit und geringe Lebenserwartung,
» zu wenig Geld für die Entwicklungshilfe
(in der EU geben nur sechs Länder die vereinbarten
0,7 Prozent ihres BIP*),
» bewaffnete Konflikte, Flucht und Vertreibung, Terrorismus,
» schlechte Regierungsführung und fehlende Demokratie,
» ungleiche Landverteilung und ungesicherte
Pachtverhältnisse,
» Klimaveränderungen, Naturkatastrophen und
Raubbau an der Natur,
» schlechte Infrastruktur,
» hohes Bevölkerungswachstum,
» hohe Verschuldung,
» Korruption/Kriminalität,
» sinkende Weltmarktpreise und hohe Schutzzölle
für Produkte von Entwicklungsländern,
» Billigeinfuhren von in entwickelten Ländern
bezuschussten Nahrungsmitteln,
» Billigeinfuhren von in höher entwickelten Ländern
bezuschussten Nahrungsmitteln.
*Dies sind Dänemark, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Schweden
und Finnland.
IM INTERNET
Bundesministerium für
wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung
www.bmz.de
Verband Entwicklungspolitik
und Humanitäre Hilfe
www.venro.org
Internationale Zusammenarbeit
im deutschsprachigen Raum
www.epo.de
WEITERDENKEN
Gruppenarbeit
Recherchieren Sie den aktuellen
Stand von einem Ziel der
VN-Millenniumskampagne.
Stellen Sie dar, wie hoch die
Wahrscheinlichkeit seitens der
VN-Mitgliedstaaten eingeschätzt
wird, dieses Ziel zu erreichen,
und welche Entwicklungen dem
entgegenstehen.
Einzelarbeit/Partnerarbeit
Erschließen Sie anhand der
Daten in der Tabelle und unter
Zuhilfenahme der Daten des
Human Development Index
zunächst in Einzelarbeit, welche
einzelnen Faktoren miteinander
in Zusammenhang stehen.
Erläutern Sie sich im Anschluss
gegenseitig Ihre Ergebnisse.
Entwickeln Sie gemeinsam
Vorschläge und Maßnahmen, um
Armut erfolgreich zu bekämpfen.
Leben in Armut
RegionenNaher Osten
und NordafrikaOstasien
und PazifikEuropa und Zentralasien
Lateinamerika und Karibik
Südasien Afrika südlich
der Sahara
chronische Unterernährung bei Kindern unter 5 Jahren von 2008 bis 2012
27,7 % 18,4 % 15,5 % 14,6 % 46,7 % 37,8 %
von je 1000 Kindern sterben vor dem 5. Lebensjahr 37 Kinder 21 Kinder 23 Kinder 19 Kinder 57 Kinder 97 Kinder
durchschnittliches jährliches Bevölkerungswachstum von 2010 bis 2015
2 % 0,8 % 0,7 % 1,1 % 1,3 % 2,7 %
Durchschnittsalter der Bevölkerung 24,6 Jahre 33,7 Jahre 32,2 Jahre 29 Jahre 26,4 Jahre 18,5 Jahre
Anteil der alphabetisierten Bevölkerung, 15 Jahre und älter
77 % 94,4 % 97,7 % 91,5 % 62,9 % 58,9 %
Daten nach: Human Development Index 2014
03 | FRIEDEN UND SICHERHEIT WELTWEIT
24
Die Bundeswehr im WandelBundespräsident Joachim Gauck am 12. Juni 2012 bei seinem Antrittsbe-
such bei der Bundeswehr in Hamburg:
„[…] Welch ein Glück, dass es uns gelungen ist, nach all den Verbre-
chen des nationalsozialistischen Deutschland und nach den Gräueln des
Krieges, in diesem Land eine Armee zu schaffen: eine Armee des Volkes,
diesmal im besten Sinne, kein Staat im Staate in preußischer Tradition,
keine Parteienarmee, sondern eine ‚Parlamentsarmee‘, an demokratische
Werte gebunden, an Grundgesetz und Soldatengesetz; eine Armee unter
der Befehlsgewalt eines Zivilisten, rekrutiert aus eigenverantwortlichen
Bürgern und heute auch Bürgerinnen, die zu kritischen Geistern aus-
gebildet werden in Institutionen wie dieser; eine Armee, deren Einsätze
unter dem Vorbehalt und der Zustimmung durch unsere Volksvertreter
stehen und – wenn auch nicht genügend – öffentlich diskutiert werden.
[…] Ich denke daran, wie in den Jahren nach 1990 die Bundeswehr eine
‚Armee der Einheit‘ wurde – und wie aus Soldaten, die einst vielleicht auf-
einander hätten schießen müssen, Kameraden wurden. […] Sie schützen
und verteidigen das, was uns am wichtigsten ist, auch über die Grenzen
unseres Landes hinaus: Freiheit und Sicherheit, Menschenwürde und das
Recht jedes Einzelnen auf Unversehrtheit. Sie handeln dabei im Auftrag
ArmeeimWandelDie Streitkräfte der Bundeswehr sind an Recht und Gesetz gebunden. Denn historische Erfahrungen wie die der Weimarer Republik oder der national-
sozialistischen Herrschaft haben gezeigt, dass sich die militärische Führung eines Landes nicht verselbstständigen darf. In der Bundesrepublik
Deutschland hat der Verteidigungsminister die Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte im Frieden – und der Bundeskanzler im Vertei-
digungsfall. Der Deutsche Bundestag entscheidet über alle Einsätze der Bundeswehr im Ausland und übt damit seine parlamentarische Kontrolle aus.
Gleichzeitig hat er Einfluss auf die Personalstärke und Struktur der Streitkräfte. Vor welchen aktuellen Herausforderungen steht die Bundeswehr?
Soldaten verschiedener Truppengattungen der Bundeswehr beim Gelöbnis in Berlin.
DieArmeeinderGeschichte
Weimarer Republik 1921Reichswehr, Obergrenze bei 100 000 Soldaten,
Oberbefehlshaber: Reichspräsident
Drittes Reich 1935Reichswehr, dann in Wehrmacht umbenannt, Oberbefehlshaber: Adolf Hitler,
Einführung der Wehrpflicht/Vergrößerung der Truppenstärke/Schaffung einer Luftwaffe
Bedingungslose Kapitulation 1945Beschluss der Alliierten, dass Deutschland in
Zukunft kein Militär mehr haben solle
25
einer freiheitlichen Demokratie. Sie sind als ‚Staatsbürger in
Uniform‘ Teil dieser Gesellschaft. Sie stehen mit Ihrem Dienst
für diese Gesellschaft ein. Diese Gesellschaft hat sich in den
letzten Jahren stark gewandelt, und auch Sie in der Bundes-
wehr stehen vor Aufgaben des Wandels. […]“
Quelle: www.bundespraesident.de > Bundespräsident Joachim Gauck > Reden und
Interviews > Reden > Antrittsbesuch bei der Bundeswehr
Neue Herausforderungen Der Gesamtumfang der Streitkräfte beträgt circa 180 000
Soldatinnen und Soldaten. Diese setzen sich zusammen aus
ca. 170 000 Zeit- und Berufssoldaten sowie 10 000 Frei-
willigen Wehrdienstleistenden (FWDL). Zur Bundeswehr ge-
hören mittlerweile auch über 18 000 Soldatinnen.
Das Heer wird künftig etwa 60 000, die Luftwaffe 29 000,
die Marine 16 000, die Streitkräftebasis 43 000 und der
Sanitäts dienst 19 500 Soldaten umfassen. Weitere rund
11 000 Soldaten werden in anderen Organisationsbereichen
(Personal, Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleis tungen
sowie Ausrüstung, Informationstechnik und ihre Nutzung) be-
schäftigt, und etwa 11 500 Soldaten und Soldatinnen bereiten
sich auf ihren künftigen Zivilberuf vor (Stand: April 2015).
Die Personalgewinnung für die Streitkräfte ist eine der
großen Herausforderungen für die Bundeswehr. Mit der
Attraktivi täts agenda, die von Verteidigungsministerin von
der Leyen 2014 initiiert wurde, soll der Soldatenberuf
finan ziell und mittels anspruchsvoller Weiter- und Ausbil-
dungsangebote attraktiver und die Bundeswehr insgesamt
wettbewerbsfähiger gestaltet werden. Wichtigste Maß-
nahmen der Bundesregierung sind daher die Besoldungs-
verbesserungen, eine gesetzliche Arbeitszeitregelung für
Soldaten, neue Regel ungen im Bereich des Zulagenwesens
sowie verschiedene Maßnahmen zur besseren Vereinbar-
keit von Privat leben, Familie und Dienst, wie zum Beispiel
moderne Arbeitszeitmodelle, weniger Versetzungen, bessere
Karriere planung und eine flexible Kinderbetreuung.
IM INTERNET
Bundes ministerium
der Verteidigung
www.bmvg.de
Bundeswehr
www.bundeswehr.de
WEITERDENKEN
Einzelarbeit
Informieren Sie sich über den
Begriff des „Staatsbürgers in
Uniform“, den Bundespräsident
Gauck in seiner Rede erwähnt.
Schreiben Sie einen kurzen
Lexikoneintrag zu diesem Leitbild
der Bundeswehr.
Gruppenarbeit
Tragen Sie in der Gruppe
Probleme und Herausforderungen
der Bundeswehr zusammen.
Entwickeln Sie gemeinsam
Lösungs vorschläge, und stellen
Sie diese im Anschluss den
anderen Gruppen vor.
Partnerarbeit/Einzelarbeit
Informieren Sie sich über die
Kontroverse um die Aussetzung
der allgemeinen Wehrpflicht zu
Gunsten einer Berufsarmee,
und tragen Sie Pro- und Kontra-
Argumente zusammen. Schreiben
Sie unter Abwägung der
Argumente einen Essay, in dem
Sie Ihre Position zur Wehrpflicht
in Deutschland darstellen.
1955 Bundesrepublik Deutschland 1956 1955 Gründung der Bundeswehr
1956 Erlass einer allgemeinen Wehrpflicht für Männer
1952 Deutsche Demokratische Republik 1956 1952 Kasernierte Volkspolizei, geschaffen durch Proklamation
der „Nationalen Streitkräfte“ der Volkskammer
1956 Gründung der Nationalen Volksarmee (NVA)
1990 Armee der Einheit Wiedervereinigung des geteilten
Deutschlands – stufenweise Eingliederung
ausgewählten Personals der NVA in die
Bundeswehr
2001 Öffnung aller Laufbahnen
in der Bundeswehr für Frauen
2011 Aussetzung der
Wehrpflicht für Männer
Parlamentsarmee
Die Bundeswehr wird im allgemeinen Sprachge-
brauch auch als Parlamentsarmee bezeichnet. Die
Einsätze einer Parlamentsarmee müssen immer
durch das Parlament genehmigt werden, in Deutsch-
land also durch die Mitglieder des Bundestags. Im
Gegensatz steht hierzu die Präsidialarmee, deren
Einsatz ausschließlich durch den Präsidenten an-
geordnet wird. Die französischen Streitkräfte sind
ein Beispiel für eine Präsidialarmee. Die Ausge-
staltung der Bundeswehr als einer Parlaments-
armee wurde aufgrund der Erfahrungen aus der
Weimarer Republik und dem Dritten Reich gewählt.
Die Aussetzung der Wehrpflicht
Deutschlands Männer müssen nicht länger ihren Wehrdienst oder einen zivilen Ersatzdienst antreten. Rund 55 Jahre
nach ihrer Einführung setzte der Bundestag am 24. März 2011 die allgemeine Wehrpflicht zum 1. Juli 2011 aus. Für das
ent sprechende Wehrrechtsänderungsgesetz der Bundesregierung stimmten gemäß der Beschlussempfehlung des Vertei-
digungsausschusses die Fraktionen CDU/CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Mit dem Gesetz wurde zugleich ein frei-
williger Wehrdienst von sechs bis 23 Monaten geschaffen, der Männern und Frauen gleichermaßen offensteht.
Quelle: www.bundestag.de > Dokumente > Web- und Textarchiv > 2011
03 | FRIEDEN UND SICHERHEIT WELTWEIT
26
Auftrag und Aufgaben der BundeswehrGemäß Artikel 87a Grundgesetz (GG) stellt der Bund Streitkräfte zur
Verteidigung auf. Hierin liegt der grundlegende Auftrag der Bundeswehr
begründet. Eine Konkretisierung der Aufgaben, die sich aus diesem Auf-
trag ergeben, erfolgt in sogenannten Weißbüchern, die in unregel mäßigen
Abständen erscheinen. Nachdem das letzte im Jahr 2006 veröffentlicht
wurde, hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen die Erstellung
eines neuen Weißbuchs für das Jahr 2016 entschieden. In diesen Publika-
tionen werden im Kontext der jeweiligen globalen Sicher heitslage Auf-
gaben und Aufträge der Bundeswehr immer wieder neu konkretisiert.
AUFTRAG DER BUNDESWEHR
Die Bundeswehr
» schützt Deutschland und seine Bürgerinnen und Bürger,
» sichert die außenpolitische Handlungsfähigkeit Deutschlands,
» trägt zur Verteidigung der Verbündeten bei,
» leistet einen Beitrag zu Stabilität und Partnerschaft im
internationalen Rahmen und
» fördert die multinationale Zusammenarbeit und europäische Integration.
AUFGABEN DER BUNDESWEHR
Vor diesem Hintergrund nimmt die Bundeswehr folgende ineinander-
greifende Aufgaben wahr:
» Landesverteidigung als Bündnisverteidigung im Rahmen der
Nordatlan tischen Allianz;
» internationale Konfliktverhütung und Krisenbewältigung, einschließlich
des Kampfs gegen den internationalen Terrorismus;
» Beteiligung an militärischen Aufgaben im Rahmen der Gemeinsamen
Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU;
» Rettung und Evakuierung sowie Geiselbefreiung im Ausland;
» Beiträge zum Heimatschutz, d. h. Verteidigungs auf gaben auf deutschem
Hoheitsgebiet sowie Amtshilfe in Fällen von Naturkatastrophen und
schweren Unglücks fällen, zum Schutz kritischer Infrastruktur und bei
innerem Notstand;
» Partnerschaft und Kooperation als Teil einer multinationalen Integra-
tion und globalen Sicherheitszusammenarbeit im Verständnis
moderner Verteidigungsdiplomatie;
» humanitäre Hilfe im Ausland.
Quelle: Bundesministerium der Verteidigung, Verteidigungspolitische Richtlinien 2011, S. 11
BundeswehrundGesellschaftDer Gründungstag der Bundeswehr war der 12. November 1955. Eine wesentliche Voraussetzung für die Gründung war die Aufnahme der Bundes-
republik Deutschland in die NATO am 6. Mai 1955. Als ein Mitglied in diesem Bündnis ist Deutschland mit seinen Streitkräften seitdem für den
Erhalt des Friedens und der Sicherheit mit verantwortlich. Der Einsatz deutscher Streitkräfte im ehemaligen Jugoslawien war für die Bundeswehr
eine einschneidende Zäsur: An den NATO-Luftangriffen im März 1999 waren auch Einheiten der Luftwaffe beteiligt. Welche Aufgaben nimmt die
Bundeswehr aktuell wahr?
Soldaten der Bundeswehr und freiwillige Helfer errichten einen Schutzwall gegen die Elbe-Flut 2013.
27
„Ein freundliches Desinteresse“ Rede des ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler bei der
Kommandeurtagung der Bundeswehr am 10.10.2005 in Bonn:
„[…] Die Bundeswehr hat sich – und Deutschland – bei ihren
Auslandseinsätzen viel Anerkennung und Sympathie erworben,
gerade weil ihre Soldatinnen und Soldaten den Menschen aus
anderen Nationen und Kulturen mit Respekt und Sympathie
begegnen. Eine solche Einstellung fällt nicht vom Himmel.
Sie ist das Ergebnis von demokratischer Bildung und Ausbil-
dung […]. Die Bundeswehr hat mit ihren Auslands einsätzen
in kurzer Zeit eine sehr weite Strecke zurückgelegt; aber ist
das öffentliche Bewusstsein hinterhergekommen? Ich habe da
meine Zweifel.
Mich macht nachdenklich: Die Bundeswehr wird von einer
Selbstverteidigungsarmee umgebaut zu – was eigentlich?
Einer Armee im Einsatz? Einer Interventionsarmee? Der
Deutsche Bundestag stimmt mehr als vierzigmal dem Einsatz
bewaffneter Streitkräfte im Ausland zu; aber die Deutschen
wirken von all dem kaum berührt oder gar beeindruckt.
Gewiss, die Bundeswehr ist gesellschaftlich anerkannt; aber
was heißt das eigentlich genau? Die Deutschen vertrauen der
Bundeswehr, mit Recht, aber ein wirkliches Interesse an ihr
oder gar Stolz auf sie sind eher selten. Noch seltener sind
anscheinend der Wunsch und das Bemühen, den außen- und
sicherheitspolitischen Wandel zu verstehen und zu bewerten,
der da auf die Bundeswehr einwirkt. […]“
Quelle: www.bundespraesident.de > Die Bundespräsidenten > Horst Köhler >
Reden > Rede von Bundespräsident Horst Köhler bei der Kommandeurtagung
der Bundeswehr in Bonn
IM INTERNET
Informationen zu den
Verteidigungspolitischen
Richtlinien des Bundes-
ministeriums der Verteidigung
www.bmvg.de > Sicherheitspolitik
> Angebote > Dokumente
> Verteidigungspolitische
Richtlinien
Informationen zum
Wehrbeauftragten
www.bundestag.de
> Der Bundestag
> Wehrbeauftragter
WEITERDENKEN
Einzelarbeit/Partnerarbeit
Stellen Sie in eigenen Worten
dar, welche Aufgaben das Grund-
gesetz der Bundeswehr zuweist
und wo die Grenzen des Einsatzes
formuliert sind. Vergleichen Sie
die Ergebnisse mit denen Ihres
Nachbarn. Recherchieren Sie
gemeinsam weitere Passagen
im Grundgesetz, welche die
Bundeswehr betreffen.
Einzelarbeit
Erläutern Sie das Prinzip der
Inneren Führung.
Gruppenarbeit/Plenum
Im weiteren Verlauf seiner Rede
kommt der ehemalige Bundes-
präsident Köhler zu dem Schluss,
dass in Deutschland ein „freund-
liches Desinteresse“ gegenüber
der Bundeswehr vorherrscht.
Setzen Sie sich zunächst in der
Gruppe mit dieser Aussage aus-
einander. Sollte die Bundeswehr
mehr Aufmerksamkeit und Aner-
kennung bekommen? Diskutieren
Sie im Anschluss gemeinsam die
Frage: Was ist mir persönlich/uns
als Klasse/als Gesellschaft eine
Armee wert?
Im Grundgesetz
Innere Führung
Die Bundeswehr im Grundgesetz:Art. 87a Grundgesetz (GG)1. Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf. Ihre zahlenmäßige Stärke und die Grundzüge ihrer Organisation
müssen sich aus dem Haushaltsplan ergeben.
2. Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich
zulässt.
3. Die Streitkräfte haben im Verteidigungsfalle und im Spannungsfalle die Befugnis, zivile Objekte zu schützen und
Aufgaben der Verkehrsregelung wahrzunehmen, soweit dies zur Erfüllung ihres Verteidigungsauftrages erforderlich
ist. Außerdem kann den Streitkräften im Verteidigungsfalle und im Spannungsfalle der Schutz ziviler Objekte auch
zur Unterstützung polizeilicher Maßnahmen übertragen werden; die Streitkräfte wirken dabei mit den zuständigen
Behörden zusammen.
4. Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes
oder eines Landes kann die Bundesregierung, wenn die Voraussetzungen des Artikels 91 Abs. 2 vorliegen und die
Polizeikräfte sowie der Bundesgrenzschutz nicht ausreichen, Streitkräfte zur Unterstützung der Polizei und des Bundes-
grenzschutzes beim Schutze von zivilen Objekten und bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter
Aufständischer einsetzen. Der Einsatz von Streitkräften ist einzustellen, wenn der Bundestag oder der Bundesrat es
verlangen.
Das Konzept der Inneren Führung betrifft sowohl die innere Ordnung der Bundeswehr als auch ihr Verhältnis zum Staat
und der Gesellschaft. Dieses Führungsprinzip ist aus den Erfahrungen des Ersten und Zweiten Weltkriegs entstanden. Es
beschreibt, wie die Werte und Normen des Grundgesetzes in der Bundeswehr verwirklicht werden können. Es soll dadurch
verhindern, dass in der Zukunft Soldaten für die Ausübung von Verbrechen missbraucht werden. Darüber hinaus besteht
durch das Konzept der Inneren Führung eine feste Verankerung der Bundeswehr in der Gesellschaft. Das zentrale Element
der Inneren Führung ist das Leitbild vom „Staatsbürger in Uniform“. Es stellt sicher, dass es für das Militär in Deutschland
keine wesentlichen gesellschaftlichen Unterschiede zu seinem zivilen Umfeld gibt.
03 | FRIEDEN UND SICHERHEIT WELTWEIT
28
Neue Bedingungen für die Außenpolitik„Heute haben wir andere Gegner – nichtstaatliche Akteure, radikalisierte
ethnische oder religiöse Gruppen. Wir haben die Terrormiliz IS mit einer
pseudo religiösen Ideologie, die mittelalterliche Barbarei und modernste
Waffentechnik, Scharia und Internet miteinander verbindet und sich be-
wusst völlig außerhalb jeglicher internationaler Systeme bewegt. Mit Angst
vor dem Tod ist IS nicht zu beeindrucken, weil der Dschihadist den Tod sucht
und als Ehre empfindet. Bei dem Maß an Brutalität und Zynismus, mit dem
IS vorgeht, kann diese Terrormiliz für niemanden ein Verhandlungspartner
sein. Das verändert die Bedingungen für Außenpolitik.“
Quelle: Matthias Naß und Michael Thumann: „Raushalten ist keine Option“, Interview mit
Außenminister Frank-Walter Steinmeier vom 23. Oktober 2014, www.zeit.de
Herausforderungen im AuslandseinsatzAuch im Auslandseinsatz bleibt eine Soldatin oder ein Soldat der Bundes-
wehr „Staatsbürger in Uniform“ mit seinen Rechten und Pflichten, da die
Bundesrepublik Deutschland die Hoheitsgewalt über deutsche Streitkräfte
weder an die Vereinten Nationen noch an andere internationale Organi-
sationen überträgt. Rund 2600 deutsche Soldaten sind derzeit im inter-
na tionalen Einsatz (Stand: April 2015). Der Schwerpunkt der Einsätze
der Bundeswehr wird auf nicht absehbare Zeit jenseits der deutschen
Grenzen liegen; der mehrmonatige Dienst ist nicht nur psychisch und
physisch belastend. Der Umgang mit fremden Kulturen, der Dienst in
multinationalen Kontin genten und der Einsatz in Krisenregionen stellen
auch besondere Anforderungen an die Ausbildung und Fähigkeiten
der Soldaten, zum Beispiel bei Fremdsprachenkenntnissen und inter-
kultureller Kompetenz.
Folgen des EinsatzesSeit ihrer Gründung 1955 sind 3200 militärische und zivile Angehörige der
Bundeswehr im Verlauf der Ausübung ihres Dienstes zu Tode gekommen. Ihre
Namen sind am Ehrenmahl der Bundeswehr verewigt. Über 100 Soldaten
sind in den vergangenen Jahren in Auslandseinsätzen gestorben. Neben
den physischen Verletzungen kann der Auslandseinsatz auch psychische
Folgen haben. Man geht davon aus, dass etwa drei Prozent der Soldaten
eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) durch den Einsatz davon-
tragen. Die Symptome und die Intensität sind sehr unterschiedlich aus-
geprägt. Zudem wird von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen, da sich
die Betroffenen oftmals nicht trauen, um Hilfe zu bitten. Die Bundes wehr
hat für PTBS-Erkrankte eine zentrale Anlaufstelle eingerichtet, die schnelle
Unterstützung ermöglicht.
AuslandseinsätzeDie Soldaten der Bundeswehr müssen überall auf der Welt zum Einsatz für Frieden und Freiheit, für Menschenrechte, Recht und Gerechtigkeit
bereit sein. Das Leitbild vom „Staatsbürger in Uniform“ gilt auch für alle Einsätze im Ausland. Es fordert eine gute Ausbildung, Verständnis für
politische und kulturelle Zusammenhänge und die Überzeugung, dass die Werteordnung des Grundgesetzes schützenswert ist. An welchen Ein-
sätzen ist die Bundeswehr aktuell beteiligt? Welche Aufgaben führen die Soldatinnen und Soldaten vor Ort aus?
Deutsche Marinesoldaten beteiligen sich an der UNIFIL-Mission vor der libanesischen Küste.
Quelle: Das Ehrenmal der Bundeswehr: Den Toten unserer Bundeswehr, www.bundeswehr.de
29
Deutsches Engagement in AfghanistanDeutschland engagiert sich als Teil der internationalen Ge-
meinschaft in Afghanistan, um zu verhindern, dass das Land
wieder zum Rückzugsraum internationaler Terroristen wird,
wie es vor dem 11. September 2001 geschehen war. Deutsch-
land hat sich von Anfang an als Mitgliedstaat der Vereinten
Nationen (VN) und seit August 2003 im Rahmen des NATO-
Bündnisses engagiert. Dabei geht es im Kern nach wie vor um
drei Dinge: die eigene Sicherheit, d. h. die Sicherheit Deutsch-
lands, die Sicherheit der Verbündeten der Bundesrepublik und
um die Zukunft Afghanistans.
Zentral für den Erfolg ist, dass Afghanistan die Verantwor-
tung für seine Sicherheit selbst übernimmt. Deswegen hilft
die Bundesregierung auch besonders beim Aufbau der afgha-
nischen Polizei und Armee. Gleichzeitig unterstützt Deutschland
den zivilen Aufbau des Landes. Ende des Jahres 2014 ging die
Sicherheitsverantwortung an die afghanische Regierung über.
Die ISAF-Truppenstärke wurde daher von 2011 bis 2014 schritt-
weise zurückgeführt. Einige Truppenkontingente der an der
ISAF-Mission beteiligten Staaten sind noch in Afghanistan und
unterstützen im Rahmen einer neuen Mission die Sicherheits-
kräfte bei der Aufnahme ihrer Arbeit. Sicherheit und Wieder-
aufbau sind untrennbar miteinander verbunden. Seit 2002 hat
die Bundesregierung über 550 Millionen Euro für den Wieder-
aufbau Afghanistans zur Verfügung gestellt. Hunderte deutsche
zivile Entwicklungshelfer, Polizisten und Diplomaten haben den
poli tischen, institutionellen und wirtschaftlichen Wiederaufbau
im ganzen Land bereits unterstützt. Rund 30 000 deutsche
Soldaten haben bisher an der Stabilisierung des Landes mit-
gewirkt. Darüber hinaus koordiniert Deutschland als Mitglied
der europäischen Polizeimission EUPOL den Aufbau einer Polizei
in Afghanistan. Mit dem Ende des ISAF-Einsatzes liegt der
Schwerpunkt des internationalen Engagements nun im zivilen
Bereich. Dennoch ist auch Deutschland mit bis zu 850 Soldaten
an der Nachfolgemission Resolute Support (RSM) beteiligt, um
den Übergangsprozess militärisch zu sichern, die afghanischen
Streitkräfte weiterhin auszubilden, sie zu schulen sowie ihnen
in den Bereichen Strategie und Logistik beratend zur Seite zu
stehen. Insgesamt 12.000 Soldaten aus den NATO-Staaten
sowie aus 14 weiteren Ländern beteiligen sich an der Nach-
folge mission.
IM INTERNET
Informationen der
Bundes regierung zu
Missionen im Ausland
www.bundesregierung.de
> Themen > Jahresbericht
2011/12 > Deutschland – Partner
in der Welt > Friedensmissionen
im Ausland
NATO (Englisch)
www.nato.int
WEITERDENKEN
Gruppenarbeit
Recherchieren Sie in Klein-
gruppen, welche Bedingungen
erfüllt sein müssen, bevor
deutsche Soldaten an Auslands-
einsätzen teilnehmen dürfen.
Vergleichen Sie die Ergebnisse,
und erstellen Sie anschließend
ein Schaubild, das diesen Weg
grafisch nachzeichnet.
Einzelarbeit
Sammeln Sie Informationen
über die aktuelle Situation in
Mali, am Horn von Afrika und in
Afghanistan. Welche Bedin gun-
gen sollten erfüllt sein, um eine
eigen ständige und unabhän-
gige Verwaltung des Landes zu
erreichen?
Gruppenarbeit/Plenum
Erstellen Sie zu den tabellarisch
aufgeführten Einsätzen ein
Plakat, auf dem Sie die Mission
(Art, Umfang, Probleme etc.)
vorstellen. Präsentieren Sie die
Ergebnisse im Plenum.
Einsätze im Überbl ick (Beispiele)
Einsatz Bezeichnung Einsatzgebiet Erstes Mandat1
Aktuelles Mandat vom
Mandats- ende2
Mandats- obergrenze2
Stärke*
RSM Resolute SupportAfghanistan Usbekistan
1.1.15 1.1.15 31.12.15 850 832
KFOR Kosovo Force Kosovo 12.6.99 5.6.14 11.6.15 1850 676
UNIFILUnited Nations Interim
Force in LebanonLibanon 20.9.06 25.6.14 30.6.15 300 139
EUTM MaliEuropean Union
Training Mission in MaliMali 28.2.13 26.2.15 30.5.16 350 163
Operation Atalanta
Der Einsatz am Horn von AfrikaSeit Jahren kommt es immer wieder zu gewaltsamen
Überfällen von Piraten am Horn von Afrika. Seit dem
Jahr 2008 agiert die Europäische Union im Rahmen
der maritimen Operation Atalanta (EU Naval Forces
Somalia) vor Ort. Der Marineverband wird hauptsäch-
lich zum Schutz humanitärer Hilfeleistungen und zur
gezielten Bekämpfung der Piraterie vor Somalia ein-
gesetzt.
Für die deutsche Bundeswehr ergeben sich im Rahmen
der Operation Atalanta mehrere Aufgaben. Dazu ge-
hört der Schutz der Schiffe des World Food Programme
(WFP), welcher u. a. durch die Präsenz bewaffneter
Kräfte an Bord der Schiffe bisher erfolgreich gewähr-
leistet werden konnte. Hinzu kommen der Schutz logis-
tischer Transporte der African Union Mission Somalia
(AMISOM) sowie die Abschreckung, Vorbeugung und
Beendigung seeräuberischer Überfälle und die Über-
wachung der Fischerei vor der somalischen Küste.
Das aktuelle Mandat des Deutschen Bundestages
läuft bis Ende Mai 2015 und ist auf 1200 Soldaten
festgelegt. Derzeit sind rund 400 deutsche Soldaten
am Horn von Afrika im Einsatz.
Nach: www.einsatz.bundeswehr.de > Einsätze und Hilfeleistungen >
Horn von Afrika (Atalanta)
1 des Deutschen Bundestags 2 jeweils bezogen auf das aktuelle Mandat des Deutschen Bundestags Stand: April 2015
* Alle Zahlen sind Momentanwerte. Die Tagesstärken können schwanken. Quelle: www.bundeswehr.de
03 | FRIEDEN UND SICHERHEIT WELTWEIT
30
Bedeutung von freiwilligem EngagementBundesfamilienministerin Manuela Schwesig hat am 6. August 2014
die Engagement-Botschafterin und -Botschafter 2014 ernannt: „Bürger-
schaftliches Engagement ist nicht selbstverständlich – und doch enga-
gieren sich 23 Millionen Menschen in Deutschland. Umso wichtiger ist
es, den Wert und die Bedeutung von bürgerschaftlichem Engagement ins
öffentliche Bewusstsein zu rücken.“
Quelle: „Bundesministerin Manuela Schwesig ernennt Engagement-Botschafter 2014“,
vom 6. August 2014, www.bmfsfj.de
Zivildienst und Bundesfreiwilligendienst Der Zivildienst wurde 1961 als Ersatzdienst für die Fälle eingeführt, in denen
Wehrpflichtige aus Glaubens- und Gewissensgründen den Dienst an der
Waffe verweigerten. Der Zivildienst bestand bis zur Aussetzung der Wehr-
pflicht. Die Arbeits- und Aufgabengebiete umfassten u. a. Pflege- und Fahr-
dienste, Betreuung, Bildungsauf gaben in Krankenhäusern, Alten heimen,
Jugendzentren, Rettungsdiensten, Betreu ungseinrichtungen, Umwelt-
und Naturschutz. Es handelte sich dabei jedoch nur um unterstützende
Auf gaben, damit reguläre Arbeitsplätze nicht durch die Tätigkeit der Zivil-
dienstleistenden gefährdet wurden.
Der Bundesfreiwilligendienst wurde 2011 mit der Aussetzung der Wehr-
pflicht geschaffen. Für den Fall, dass die Wehrpflicht wieder eingeführt würde
– sie ist aktuell nicht abgeschafft – müsste der Bundesfrei willigendienst
neu organisiert werden. Der Freiwilligendienst richtet sich an Männer und
Frauen jeden Alters. Es handelt sich um eine Vollzeittätigkeit, bei der über
27-Jährigen auch eine Reduzierung der Wochenstunden um die Hälfte offen-
steht. Die Einsatzgebiete des Zivildienstes sind um zusätzliche Einsatz-
bereiche wie Sport, Integrationsarbeit und Kultur erweitert worden. Auch
der Bundesfreiwilligendienst umfasst nur unterstützende Aufgaben, um
reguläre Arbeitsplätze in diesen Bereichen nicht zu gefährden.
Drei Beispiele für freiwilliges EngagementHauptgefreiter Tim Pochert
„‚Die Entscheidung mich für den Freiwilligen Wehrdienst zu verpflichten fiel
mir leicht. Freunde, die schon im Wachbataillon waren, haben mich mit Ih-
ren positiven Erzählungen neugierig auf den Dienst gemacht. Zudem woll-
te ich die Zeit bis zu meinem Studium überbrücken‘, erklärt Pochert seine
Entscheidung für den Freiwilligen Wehrdienst. […] Zunächst absolvierte
Hauptgefreiter Pochert eine dreimonatige Grundausbildung. Darauf folgten
weitere 40 Tage in der Protokollausbildung. Erst wenn diese abgeschlossen
ist, dürfen die Soldaten Staatsgäste im protokollarischen Dienst begrüßen.
‚Und der ist sehr abwechslungsreich, auch wenn sich das erst mal nicht so
anhört.‘ […] Auf seine weiteren Ziele angesprochen, antwortet Pochert: ‚Ich
bin mir im Moment noch nicht ganz sicher. Außer einem Studium bei der
Polizei kann mir auch sehr gut eine Laufbahn als Offizier bei der Bundeswehr
vorstellen.‘ “
FreiwilligendiensteAls die Wehrpflicht im Sommer 2011 ausgesetzt wurde, geschah dasselbe mit dem Zivildienst. Zivildienstleistende hatten bis dahin in Deutschland,
anstatt Wehrdienst zu leisten, zivilgesellschaftliche Aufgaben wahrgenommen. Um das freiwillige Engagement in der Gesellschaft zu stärken,
wurden die bestehenden Freiwilligendienste zusammengefasst und der Bundesfreiwilligendienst eingeführt.
Ein Bundesfreiwilliger unterstützt den Lern- und Integrationsprozess eines Jungen.
31
Patrick Schliesio, 20 Jahre, Aidshilfe Braunschweig:
„‚Für mich ist es eine besondere Erfahrung. Ich bin sehr
behütet aufgewachsen und hatte vorher keinen Kontakt zu
Menschen mit HIV oder AIDS und wurde auch nicht mit dem
Thema Tod konfrontiert.‘ Patrick Schliesio verbucht seinen
Einsatz schon jetzt als Erfolg: Er habe in den wenigen Monaten
mehr an Reife gewonnen und mehr Erfahrungen gesammelt,
als in seiner Schulzeit. Auch in Bewerbungsgesprächen für
einen Ausbildungsplatz bemerkte er, wie sehr er durch sein
Engagement im Bundesfreiwilligendienst gewachsen ist.“
Anna-Katharina Coker, 23 Jahre, Bildungszentrum für Natur,
Umwelt und ländliche Räume, Flintbek bei Kiel:
„‚Die Mithilfe im Bildungszentrum macht mir Spaß und ermög-
licht mir einen guten Praxis-Einblick. Außerdem kann ich mir
den Bundesfreiwilligendienst als Pflichtpraktikum für mein
Studium anrechnen lassen‘, begründet Anna-Katharina Coker
ihre Entscheidung für den Bundesfreiwilligendienst. Die
23-Jährige studiert Forstwissenschaften und Waldökologie
[…].“
Quelle: www.bundesfreiwilligendienst.de > Freiwillige im Einsatz
IM INTERNET
Bundesfreiwilligendienst beim
Bundesamt für Familie und
zivilgesellschaftliche Aufgaben
www.bundesfreiwilligendienst.de
Vernetzungsportal für bürger-
schaftliches Engagement,
gefördert vom Bundes-
ministerium für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend
www.engagiert-in-deutschland.de
Informationen zu Freiwilli-
gendiensten der Servicestelle
Jugend und Schule der Jugend-
stiftung Baden-Württemberg
www.international.jugendnetz.de
WEITERDENKEN
Partnerarbeit/Plenum
Führen Sie ein Interview mit
einem Bundesfreiwilligen in
einer Organisation in Ihrer Nähe.
Entwickeln Sie vorher gemeinsam
im Plenum einen verbindlichen
Fragenkatalog für alle Teams,
der Auskunft über die Motive, die
Zufriedenheit mit dem Dienst und
die Erfahrungen beim Einsatz
geben kann. Stellen Sie im
Anschluss die Personen vor, und
vergleichen Sie die Ergebnisse
der Befragung.
Einzelarbeit
Tragen Sie aus den Zitaten der
Freiwilligen zusammen, welche
unterschiedlichen Motive es gibt,
sich im Bundesfreiwilligendienst
zu engagieren. Ordnen Sie Ihre
Liste nach selbst gewählten
Kategorien, und wählen Sie im
Anschluss fünf Punkte aus,
die Ihre Einstellung am besten
wiederspiegeln.
Bundesfreiwilligendienst
(BFD)
Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ)
Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ)
Internationaler
Jugend freiwilligendienst (IJFD)
Alter ab Vollendung der Vollzeitschulpflicht ab Vollendung der Vollzeitschulpflicht bis
27 Jahre
ab Vollendung Vollzeitschulpflicht plus abge-
schlossener Berufsausbildung, vergleichbare
Erfahrungen oder Fachhochschulreife bzw.
Allgemeine Hochschulreife, 18 bis 26 Jahre
Dauer 6 bis 18 Monate, in Ausnahmefällen 2 Jahre,
Vollzeit, Teilzeit für Freiwillige ab 27 Jahre
möglich
6 bis 18 Monate, in Ausnahmefällen
bis 2 Jahre, Vollzeit
6 bis 18 Monate, in der Regel
12 Monate, Vollzeit
Absiche-
rung
Sozialversicherung, Anspruch auf Kindergeld Sozialversicherung, Anspruch auf Kindergeld Versicherungsschutz im Ausland, Anspruch
auf Kindergeld
Finan-
zierung
bis zu 357 Euro Taschengeld (Stand: 2014) bis zu 357 Euro Taschengeld (Stand: 2014),
Zuschuss für Unterkunft, Verpflegung,
Fahrtkosten möglich
Freiwillige übernehmen einen Teil der Kosten,
freie Unterkunft und Verpflegung, in der Regel
150 Euro Taschengeld, Reise kosten zuschuss
Einsatz-
bereiche
Kinder- und Jugendhilfe, Wohlfahrts-,
Gesundheits- und Altenpflege, Behinderten-
hilfe, Kultur und Denkmalpflege, Sport,
Integration, Zivil- und Katastrophenschutz,
Natur- und Umweltschutz
Krankenhäuser, Altenheime, Einrichtungen der
Behindertenhilfe, Kinderheime, Kindertages-
stätten und Schulen, Jugendeinrichtungen,
Erholungsheime, Mehrgenerationenhäuser,
Selbsthilfegruppen, Sportvereine, Biblio -
theken, Museen, andere Kultureinrichtungen
Einrichtungen im sozialen Bereich, im Sport,
in der Kultur und Denkmalpflege, auf
ökologischem Gebiet, im Bildungswesen,
in den Bereichen Frieden, Versöhnung,
Demokratieförderung
Freiwilligendienst
„kulturweit“
Entwicklungspolitischer
Freiwilligendienst „weltwärts“
Europäischer
Freiwilligendienst (EFD)
Freiwilliger
Wehrdienst
Alter 18 bis 26 Jahre 18 bis 28 Jahre 18 bis 28 Jahre ab 17 Jahren und Vollendung
der Vollzeitschulpflicht
Dauer 6 oder 12 Monate, Ausreise im
März oder November, Vollzeit
6 bis 24 Monate, in der Regel 12
Monate, Vollzeit
6 bis 12 Monate, Vollzeit 6 bis 23 Monate
Absiche-
rung
Sozialversicherung in
Deutschland, Versicherungs-
schutz im Ausland, Anspruch auf
Kindergeld
Sozialversicherung in Deutschland,
Versicherungsschutz im Ausland
Versicherungsschutz im
Ausland, Anspruch auf
Kindergeld
Sozialversicherung
Finan-
zierung
rund 150 Euro Taschengeld,
Zuschuss für Unterkunft und
Verpflegung von rund 200 Euro,
Reisekostenzuschuss je nach
Einsatzland, maximal 300 Euro
Zuschuss für Sprachkurs
Freiwillige sollen Spenden für ihr
Projekt sammeln, Unterkunft und
Verpflegung inklusive, Erstattung
der Reisekosten
Höhe des Taschengeldes
abhängig vom Einsatzland,
Unterkunft, Verpflegung, Reise
und Sprachkurs inklusive
bis zu 1.146,30 € Wehrsold,
inklusive Zulagen, abhängig
von der Wehrdienstdauer,
kostenlose Verpflegung,
Unterkunft und ärztliche
Versorgung sowie Heimfahrten
Einsatz-
bereiche
Hausaufgabenbetreuung, Schul-
theater, Unterstützung des schu-
lischen Angebotes, Computer-
Projekte, Öffent lichkeitsarbeit,
Unterrichts assistenz, Öko-
Projekte, Bibliotheksarbeit
Arbeit mit benachteiligten Kindern
und Jugendlichen, Bildungs-
projekte, Gesundheitsprojekte,
bei der Verwirklichung von
Menschenrechten und
Umweltschutz
soziale, kulturelle und
ökologische Projekte
Heer, Luftwaffe, Marine,
Streitkräftebasis und Zentraler
Sanitätsdienst im In- und
Ausland
Freiwil l igendienste – ein Überbl ick
„FRIEDEN & SICHERHEIT“ Schülermagazin » Bedrohungen im 21. Jahrhundert
» Bündnisse und Organisationen
» Frieden und Sicherheit weltweit
„FRIEDEN & SICHERHEIT“ Lehrerhandreichung » die Themen Frieden und Sicherheit im Unterricht
» Kompetenzen und Lernziele
» methodisch-didaktische Anregungen
» weiterführende Informationen und Arbeitsanregungen
zum Schülermagazin
„FRIEDEN & SICHERHEIT“ Schulportal » wöchentlich aktuelle Meldungen zur Friedens-
und Sicherheitspolitik
» monatlich neue Arbeitsblätter zu aktuellen Themen
» interaktive Krisenkarte
» Wissensquiz
» Videoempfehlungen
FRIEDEN & SICHERHEIT
FRIEDEN UND S ICHERHEIT WELTWEIT
BEDROHUNGEN IM 21. JAHRHUNDERT
BÜNDNISSE UND ORGANISATIONEN
FRIEDEN & SICHERHEITSchülermagazin 2015/2016 für die Sekundarstufe II
www.frieden-und-sicherheit.de
MATERIAL ZUM SCHÜLERMAGAZIN
KOMPETENZEN UND LERNZIELE
DIDAKTISCH-METHODISCHE ANREGUNGEN
FRIEDEN & SICHERHEITLehrerhandreichung 2015/2016
www.frieden-und-sicherheit.de
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