Erfahrungsbericht der Sommerschule „Russisch Intensiv“ 2014 in Tomsk von Sabine Wege
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Sommerschule „Russisch‐Intensiv‐Sprachkurs“ an der Staatlichen Universität Tomsk
Um meine Russischkenntnisse zu erweitern und die Sprache nicht nur trocken an der Uni zu lernen,
sondern auch in Russland zu sprechen und zu erleben, schaute ich mir im Frühjahr 2014 das
Stipendienprogramm Go‐East des DAAD an. Dort fand ich die Ausschreibung der Staatlichen
Universität Tomsk für die Sommerschule „Russisch Intensiv“, die vom 25. August bis 12. September
2014 stattfinden sollte. Die Seite war sehr übersichtlich in gutem Deutsch verfasst und schilderte die
Staatliche Universität Tomsk und die Stadt so ansprechend, dass ich mich an der Uni und auch beim
DAAD für das Sommerschul‐Stipendium bewarb. Der Aufwand für die Zusammenstellung der
Bewerbungsunterlagen war recht groß, es wurden unter anderem ein Lebenslauf und ein
Motivationsschreiben auf Russisch verlangt. Meine Russischkenntnisse auf dem Niveau A2/B1
passten wohl genau zu den Anforderungen, ich bekam eine Zusage von der Universität in Tomsk und
auch das Stipendium des DAAD. Bis zum Reiseantritt waren noch ca. 2 Monate Zeit, diese nutzte ich
für intensive Reisevorbereitungen, deren Umfang man keinesfalls unterschätzen sollte, wie zum
Beispiel die Beantragung des Visums, Flugbuchung, Planung der Reiseroute, usw. Dabei geholfen
haben die regelmäßigen Informationsemails von der Ansprechpartnerin der Staatliche Universität
Tomsk, die ein sehr gutes Deutsch spricht und schreibt, außerdem wurden Fragen umgehend per
email beantwortet und wir TeilnehmerInnen der Sommerschule konnten uns außerdem per Email an
eine Volontärin wenden mit allen außeruniversitären Fragen. So war mein Eindruck von der Stadt,
der Sommerschule und der Organisation im Vorhinein ein sehr guter.
Am 23. August bestieg ich dann das Flugzeug nach Tomsk über Moskau. Nach fast 12stündiger Reise
wurden wir in Tomsk von einer kleinen Abordnung der Staatliche Universität Tomsk am Flughafen
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abgeholt und zum neuen Wohnheim Парус der Universität gefahren. Dies war sozusagen in der
Sekunde fertig geworden, in der unsere Sommerschul‐Gruppe das Gebäude betrat. Wir wurden in
sehr geräumigen Zweibettzimmern untergebracht, die noch deutliche Bauarbeitsspuren trugen und
einen spartanischen Eindruck machten. Unsere ca. 20‐köpfige Gruppe, bestehend aus Deutschen,
Tschechen, einem Inder, einer Schweizerin, einer Ungarin und einem Engländer wurde in einem
Flügel untergebracht, zu dem eine große Küche mit fast allen Einrichtungsgegenständen und ein
Studierzimmer mit WLAN gehörten. Das Wohnheim ist ca. 15 Gehminuten vom Hauptgebäude der
Staatliche Universität Tomsk entfernt, so dass man ohne Probleme zwischen Uni und Wohnheim
pendeln kann. Auch ein Supermarkt liegt ca. 5 Gehminuten vom Wohnheim entfernt. Morgens und
mittags wurden wir in dem kleinen Uni‐Café Минутка verpflegt, abends und am Wochenende
haben wir selbst gekocht oder in den sehr günstigen kleinen Bistros oder Cafés etwas gegessen. Die
Verpflegung in der Uni war sehr gut: Mittags konnten wir jeden Tag zwischen einem vegetarischen,
einem Fisch‐ oder einem Fleischgericht wählen. Auch für außeruniversitäre Beschäftigung hatten die
Organisatoren der Sommerschule gut gesorgt, denn es gab eine ganze Reihe von Volontärinnen, die
fast täglich nach dem Sprachkurs oder am Wochenende irgendetwas mit uns unternommen haben.
Am ersten Tag zeigten sie uns die Stadt, einen Abend gingen wir auf einem beliebten Grillplatz auf
einer Waldlichtung grillen, es gab Kochabende oder Touren durch Bars, Spiele‐ und Singabende im
Wohnheim und Ausflüge.
Der Sprachkurs fand regelmäßig montags bis samstags in einem Gebäude der Uni statt. Vor der
ersten Unterrichtseinheit führten die Lehrerinnen einen schriftlichen und einen mündlichen Test mit
uns durch um den Kenntnisstand festzustellen. Es wurden danach drei Gruppen gebildet: eine
Anfängergruppe, Niveau A1, und zwei Fortgeschrittenengruppen, beide auf dem Niveau A2/B1. Diese
Einteilung stellte sich schon nach der ersten Unterrichtsstunde als sehr unglücklich heraus: Ich wurde
eine der Fortgeschrittenengruppen zugeteilt und habe sofort festgestellt, dass alle anderen
Gruppenmitglieder viel weiter waren in allen Disziplinen, also sowohl im Lesen als auch im Schreiben
und Verstehen und vor allem im Sprechen. Das machte den gesamten Sprachkurs sehr anstrengend,
denn obwohl ich die Anforderungen laut Ausschreibung erfüllt hatte, gab es für mein Niveau keinen
entsprechenden Sprachkurs, denn im Anfängerkurs war ich so unterfordert wie im
Fortgeschrittenenkurs überfordert. Allen Sprachkurs‐Interessierten rate ich daher, sich vor der
Bewerbung bei der Wunschuniversität in Russland genau zu informieren, auf welchen
unterschiedlichen Levels denn tatsächlich Sprachkurse angeboten werden, bzw. wie fit genau man
sein muss in der Fremdsprache. Nichtsdestotrotz habe ich mich mit der Überforderung arrangiert
und mein Bestes versucht, was bedeutete, dass ich extrem viele Vokabeln nachschlagen musste und
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mindestens eine Stunde länger täglich an den Hausaufgaben saß als die anderen TeilnehmerInnen.
Insgesamt haben wir jede Woche sechs Tage jeweils von 9 Uhr bis 12.30 Uhr Unterricht gehabt. Die
Stunden waren immer gleich aufgebaut: In der ersten Stunde bekamen wir Grammatikunterricht und
in der zweiten Textunterricht, in dem wir lesen und viel sprechen mussten. Hier lernten wir viel über
die Stadt Tomsk, die Architektur, die Plätze, Kirchen, usw. Nach dem Mittagessen gab es immer auch
nachmittags noch eine Veranstaltung, entweder Exkursionen, wie Stadtführungen, Museumsbesuche
oder eine Brauereibesichtigung, oder sogenannte „Masterklassen“, in denen wir die berühmten
russischen Matrjoschkas anmalten, eine typische, volkstümliche Kopfbedeckung nähten, die
volkstümlichen Löffel verzierten und russische Gemeinschaftstänze lernten. Zusätzlich hatten wir für
jeden Tag Hausaufgaben auf. Der Sonntag stand uns dann zur Verfügung, damit wir auf eigene Faust
durch Tomsk ziehen konnten.
Insgesamt war der Sprachkurs trotz meiner Überforderung für mich sehr erfolgreich, denn ich konnte
die Sprache erleben und sprechen und habe in den drei Wochen auch große Fortschritte im
Hörverstehen gemacht. Darüber hinaus war es sehr spannend, eine Stadt in Russland kennen zu
lernen, die nicht eine der großen, westlich orientierten Zentren ist. Die Landschaft ist einzigartig und
die Holzarchitektur, die charakteristisch für die Stadt ist, sehenswert. Außerdem habe ich die
RussInnen in Tomsk als aufgeschlossen und sehr freundlich und hilfsbereit kennen gelernt, so konnte
ich zusätzlich auch einen Einblick in das alltägliche Leben in Tomsk werfen. Wer also Interesse an
Sibirien und extrem schwankenden Temperaturen sowie am Leben in einer russischen, 500.000‐
Einwohnter‐Studentenstadt hat, der ist bei einem Sprachkurs in Tomsk richtig aufgehoben.