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„Old und New Economy haben sich eine Menge zu sagen“
Was kann man tun, um Gründer zu fördern? Und was und wie kann der Mittelstand von Start-ups lernen? Ein Round Table in der deutschen Gründerhauptstadt Berlin mit Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer sowieHarald Eisenach und Frank Gilly von der Deutschen Bank
In keiner anderen deutschen Stadt werden
so viele Unternehmen gegründet wie in Berlin.
Frau Yzer, gibt es ein „Berliner Erfolgsrezept“
für Gründer?
Cornelia Yzer: Ich glaube schon. Es braucht eine
ganz bestimmte Mischung aus Wissenschaft, For-
schung, Wirtschaft und Politik. In Berlin verbindet
sich eine innovative mit einer kreativen Szene. Die
Stadt ist international, wir ziehen Talente aus aller
Welt an. Zudem ist Berlin die einzige Hauptstadt
Europas, in der sich neue Unternehmen noch in-
nerstädtisch ansiedeln können. Wir schaffen Zu-
kunftsorte wie die Gründerzentren in Tempelhof,
Marzahn oder Adlershof. Die Stadt hat vier Univer-
sitäten, aber auch viele außeruniversitäre Einrich-
tungen, aus denen Gründungen hervorgehen oder
die sich mit Gründern vernetzen. Und wir in der
Wirtschaftsverwaltung sehen uns als echte Dienst-
leister für Gründer und nicht als Bewilligungsstelle
für Förderanträge. All das gehört zum Erfolgsrezept
der Gründerhauptstadt Berlin.
Auch die Unternehmensberatung McKinsey
hat sich in einer Studie mit dem Start-up-
Standort Berlin auseinandergesetzt. Ergebnis:
Berlin steht in einem weltweiten Wettbewerb
um Gründer und Kapital.
Yzer: Die Studie nennt fünf Faktoren, die den Aus-
schlag geben: Talente, Infrastruktur, Kapital, Ver-
netzung und Außendarstellung. Und es ist absolut
richtig, dass wir in einem weltweiten Wettbewerb
um Gründer und Ideen stehen. McKinsey hatte
mehrere gute Vorschläge wie etwa eine mehrspra-
chige Serviceagentur für Start-ups, eine „Delivery
Unit“ als Mess- und Überwachungsstelle wie in
London oder New York oder einen Fonds mit EU-
Hilfe. Vieles davon ist inzwischen bereits in der
Umsetzung.
Selbst bei günstigen Strukturen scheitern viele
Ideen am fehlenden Kapital. Berlin ist selbst
ja auch nicht gerade auf Rosen gebettet. Können
Sie da überhaupt vernünftig helfen?
Yzer: Auf alle Fälle. Wir bieten spezifi sche Pro-
gramme vom kleinen Gründer, der einen Mikro-
kredit braucht, bis zum Technologiegründer, der
von europäischen Förderprogrammen profi tieren
kann. Und das bekommen wir auch aus der
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Frank Gilly ist Regionsleiter und führt
operativ das Start-up-Geschäft der Deutschen Bank in Berlin
Cornelia Yzer ist Senatorin für Wirtschaft, Technologie und Forschung
in Berlin
Harald Eisenach verantwortet bereichsübergreifend
die Aktivitäten der Deutschen Bank in Berlin und den ostdeutschen Bundesländern
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Da haben wir hier eine Lücke. Und da müssen wir
noch mehr private Koinvestoren für die Gründer-
szene interessieren.
Als erste Großbank hat die Deutsche Bank
ein eigenes Start-up-Team in Berlin aufgebaut.
Kann die Bank denn diese Finanzierungs-
lücke schließen?
Frank Gilly: Wir begleiten Gründer oftmals von An-
beginn an, zunächst erst mal mit den klassischen
Filialbank-Services. Kredit können und dürfen
wir aber erst dann geben, wenn aus der Idee ein
Unternehmen geworden ist, das einen Cashfl ow
generiert. Bei der reinen Start-up-Finanzierung se-
hen wir uns eher als Wegbegleiter und Vermittler
zu anderen Partnern. Für uns ist das aber ein Le-
benszyklus-Thema, da wir Gründer langfristig im
Rahmen unseres erfolgreichen Geschäftsmodells
beraten und begleiten – bis zu einer möglichen
Börseneinführung oder zum Exit der Investoren.
Sie fokussieren sich in Ihrem neuen Team
auf Gründer aus der Internetwirtschaft
mit internationalem Geschäftsmodell. Ist das
nicht ein zu enger Ansatz?
Harald Eisenach: Gründer mit Internetbezug
sind in Berlin eine besonders aktive Gruppe, de-
Gründerszene als eindeutiges Feedback zu-
rückgespiegelt: Die Frühphasenfi nanzierung ist
in Berlin sehr komfortabel.
Der Internetpionier Stephan Schambach sagt,
dass bei einem Finanzierungsbedarf von mehr
als zwei Millionen Euro für Gründer in Deutsch-
land meist Schluss ist. Wie sehen Sie das?
Yzer: Das ist das grundsätzliche Problem. Die
Frühphasenfi nanzierung ist eine öffentliche Auf-
gabe, und da gibt es bis etwa zwei Millionen Euro
gute Angebote. Was danach kommt, ist allerdings
Aufgabe privater Investoren. Die Stadt kann öf-
fentliche Mittel hebeln, wenn wir mit privaten
Investoren zusammenarbeiten. So investieren
wir über unsere Landesprogramme „VC Fonds
Technologie“ und „VC Fonds Kreativwirtschaft“
jährlich rund zwölf Millionen Euro in innovati-
ve Unternehmen in der Frühphase. Über private
Ko fi nanzierungen werden damit in der Summe
jährlich über 60 Millionen Euro an Risikokapital
bereitgestellt. Auch in der späteren Wachstums-
phase über zehn Millionen Euro fi nden Gründer
die nötigen Mittel, denn da können sie bereits in-
ternationale Geldgeber ansprechen. Das Problem
ist tatsächlich die Phase zwischen zwei Millionen
und zehn Millionen Euro Finanzierungsbedarf.
Gründerstadt: So hilft Berlin Berlin unternimmt eine Menge,
um Gründer zu unterstützen. Jährlich
fl ießen knapp 80 Millionen Euro in
unterschiedliche Förderprogramme
für Gründer – beginnend vom
Mikrokredit unter 25 000 Euro bis hin
zu Beteiligungen mit Venture Capital
in Millionenhöhe über Beteiligungs-
gesellschaften der landeseigenen
Förderbank IBB. Darüber hinaus
werden Räume in Technologie- und
Gründerzentren oder der Zugang
zu Beratung und Vernetzung ange-
boten. Mit „Berlin Partner“ steht
Gründern ein vom Senat mitgetrage-
nes Netzwerk von über 200 Unter-
nehmen offen. Einmal jährlich
ist die Stadt Gastgeber der größten
deutschen Gründermesse: der
„Deutschen Gründer- und Unter-
nehmer tage“. Dort treffen sich
alle, die Geld oder Ideen suchen.
www.gruenden-in-berlin.de
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Märkte_Gespräch 31Deutsche Bank_r e s u l t s
ren Geschäftsmodelle eine breite Verbindung zu
vielen anderen Wirtschaftsbereichen haben. Für
uns ist das interessant, weil gerade Geschäfts-
modelle mit IT-Bezug sehr häufi g von Anfang an
einen internationalen Ansatz haben. Und da sind
wir mit unserem globalen Netzwerk natürlich ein
willkommener Partner. Deshalb ist unser Start-up-
Team auch international besetzt und in der Szene
verankert: Die Mitarbeiter haben zuvor jahrelang
mit Gründern zusammengearbeitet und sind zu-
nehmend mit ihren Kollegen in New York, London,
Palo Alto und anderen Orten vernetzt.
Yzer: So einen Ansatz halte ich für absolut sinn-
voll. Wenn Banken hier dabei sein wollen, müssen
sie in diese Szene eintauchen und Teil der Grün-
derlandschaft werden. Gründer aus der Digital-
wirtschaft sind von Stunde 1 an international
unterwegs, da müssen Banken mitgehen können.
Nur einem Bruchteil aller Start-ups gelingt ein
dauerhafter Markterfolg. Finden die denn
so viel Risikobereitschaft bei den Geldgebern?
Yzer: Aber natürlich. Die Investoren wissen um
die Risiken, aber auch um die Chancen. Wir re-
den hier ja nicht über gigantische Summen. Viele
investieren auch gleich in mehrere Projekte, um
die Chancen zu steigern. Wir sehen, dass etwa
Entrepreneure gesuchtDie Zahl neuer Unternehmen in Deutschland sinkt seit 2010 kontinuierlich – anders
als im Gründerland USA, das nach den Krisenjahren 2008/09 wieder deutliche
Wachstumszahlen verzeichnet. Ein ähnliches Bild gibt es bei der Kapitalausstattung für
Gründer mit Venture Capital: Auch hier steigen die Zahlen in den USA beständig
an, während sie in ganz Europa rückläufi g sind.
internationale Fonds Berlin entdeckt haben und
hier Büros eröffnen. Wir sehen, dass große Inves-
toren mit ihren Scouts in der Stadt sind, wir sehen
Family Offi ces, die ebenfalls einen Blick auf die
Gründerszene werfen. Aber mir geht es hier nicht
nur um die Finanzierung: Wir wollen die privaten
Investoren auch mit ihrem Management-Know-
how und ihrer Erfahrung den Start-ups zur Seite
stellen.
Eisenach: Das ist ein zentraler Punkt! Viele denken
immer noch in vorgefertigten Mustern: Gründer-
szene hier, etablierter Mittelstand ganz woan-
ders. Wir sind davon überzeugt, dass sich – wenn
beide Welten zusammenarbeiten – die positi-
ven Entwicklungen auf beiden Seiten noch be-
schleunigen lassen. Hier wollen wir unseren
„Zwischen zwei Millionen und zehn Millionen Euro gibt es Finanzierungsbedarf“
Unternehmensgründungen, Indexwerte, 2007 = 100
QUELLE: OECD 2014
2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013
Deutschland
USA
110
100
90
80
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Märkte_Gespräch32
Startups@Berlin: Expertise für Internetgründer
Die Deutsche Bank hat in
der Gründermetropole seit
Frühjahr 2014 ein eigenes
Start-up-Team aufgestellt. Das bundes-
weite Modellprojekt wendet sich
speziell an jene Gründer, die gut vom
globalen Netzwerk der Deutschen Bank
profi tieren können. Und das sind vor
allem schnellwachsende Internet-Start-
ups mit einem international angelegten
Geschäftsmodell. Das Team sieht
sich als Weg begleiter, Berater und Ver-
mittler von der ersten Stunde an. Alle
Mitarbeiter kennen die Szene und
arbeiten schon seit Jahren mit Berliner
Gründern zusammen. Und weil es
gerade bei Start-ups mitunter noch
schneller gehen muss als in der
etablierten Wirtschaft, versteht sich
Startups@Berlin als „one-stop agency“
mit besonders schnellen Entschei-
dungswegen.
www.deutsche-bank.de/pfb/content/
lp-startups.html
Jeder für sich, alle im Team: Das Betahaus Berlin am Moritzplatz gilt seit seiner Gründung vor fünf Jahren als Geburtsstätte des gemeinschaftlichen Nutzens von Büros und als Treffpunkt der Berliner Start-up-Szene
Beitrag leisten und vermitteln, wann und wo
immer wir können.
Passen ein junger Gründer und ein etablierter
Unternehmer denn überhaupt zusammen?
Die sind doch völlig unterschiedlich geprägt.
Gilly: Das sieht nur so aus, weil der eine vielleicht
im Anzug kommt und der andere in einer zerschlis-
senen Jeans. Doch jedes Unternehmen hat mal mit
einer Idee begonnen, dem Mut zum Risiko und der
Frage nach Finanzierung und Marktzugang. Das
ist zeitlos, und das versteht jeder Unternehmer.
Eine Idee zur Marktreife zu entwickeln und damit
erfolgreich zu sein ist doch der Kerngedanke des
deutschen Mittelstands. Deshalb haben sich da
Vertreter der Old und der New Economy eine Men-
ge zu sagen und können voneinander profi tieren.
Yzer: Die schnellwachsenden Start-ups mit dem
etablierten Mittelstand zusammenzubringen ist
eine Aufgabe von gesamtwirtschaftlicher Bedeu-
tung. Wir als Wirtschaftsverwaltung organisieren
deshalb gemeinsam mit unserer Wirtschaftsför-
derung Berlin Partner ein Matchmaking zwischen
etablierten Unternehmen und Gründerszene. Viele
Unternehmen sagen doch selbst, sie brauchen fri-
sche Ideen. Wenn etwa ein Gamer selbsterklären-
de Spiele für Smartphones entwickelt, können da
etablierte Softwarehäuser eine Menge lernen. Bei
denen ist nämlich oft gar nichts selbsterklärend.
Deutschland gilt immer noch als wenig
gründer freundlich – von der vorherrschenden
Angestelltenmentalität bis zur Gesetzgebung.
Yzer: Gegen die Mentalität kann ich leider
nichts machen, gegen die gesetzlichen Rahmen-
bedingungen vielleicht schon. Wir stehen klar in
einem weltweiten Wettbewerb, wenn es um die
Attraktivität für Start-ups geht. Berlin braucht
sich da zwar nicht mehr hinter New York oder
Tel Aviv zu verstecken. Wir sehen aber auch,
dass in Deutschland verglichen mit anderen
Ländern immer noch zu wenig in Wagniskapital
investiert wird. Deshalb müssen wir schleunigst
die rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedin-
gungen für Investoren verbessern. Wir sind vom
Steuerrecht her gesehen nicht wettbewerbs-
fähig. Das ist ein bundesdeutsches, kein Berliner
Problem. Deshalb habe ich bereits in den Koali-
tionsverhandlungen darauf gedrungen, dass wir
uns zu einer Verbesserung der rechtlichen und
steuerlichen Rahmenbedingungen verpfl ichten.
Wir wollen für das Land mehr Venture Capital
generieren. Dazu braucht es bessere rechtliche
Rahmenbedingungen, das ist neben der fi nan-
ziellen Förderung ein zentraler Punkt unserer
Wirtschaftspolitik.
DAS GESPRÄCH FÜHRTE STEPHAN SCHLOTE
„Wir müssen die Bedingungen für Investoren verbessern“
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