Antrittsvorlesung Prof. Dr. Klaus Wälde 29. April 2010
Die Hartz-IV-Reform des Arbeitsmarktes – Viel Lärm um Nichts
oder
Hartz IV und das Leben
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1. Einleitung
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1. Einleitung
Paradoxon Nummer 1 (wohlbekannt):
Politisch links orientierte Regierungen sind sparsamKonservative Regierungen geben Gelder großzügig aus
Paradoxon Nummer 2 (neu!):
Die Sozialdemokraten beuten ihr eigenes Klientel ausHartz Reformen scheinen zutiefst arbeitnehmerfeindlich
Die zentrale Frage:
Wie absurd kann Politik sein? Oder:Waren die Hartz Reformen geniale arbeitnehmerfreundliche Reformen?
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1. Einleitung
Es machten sich auf die Suche:Dr. Andrey Launov, Irene Schumm und ich
Wir suchten nach der Gerechtigkeit in den Hartz IV Reformen …
… und wurden: überrascht – und enttäuscht
Überrascht: Arbeitnehmer gewinnen und Unternehmen verlierenEnttäuscht: Langzeitarbeitslose ohne Stellenchancen verlieren
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1. Einleitung
2) Die Hartz-IV-Reform in Kürze3) Auf der Suche nach Gerechtigkeit4) Die Ergebnisse: Gerechtigkeit und Effizienz – von allem nicht viel5) Jenseits von Hartz IV: Progressive Sozialversicherungsabgaben6) Anstelle eine Zusammenfassung: Auf der Suche nach Erkenntnis und Glück
Der Plan:
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2. Die Hartz-IV-Reform in Kürze
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2. Die Hartz-IV-Reform in Kürze
Zeitt0 t0 + Anspruchsdauer
Nettolohn
Arbeitslosengeld
Arbeitslosenhilfe
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2. Die Hartz-IV-Reform in Kürze
Zeitt0 t0 + Anspruchsdauer
Nettolohn
Arbeitslosengeld I
Arbeitslosengeld II
Hartz IV
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2. Die Hartz-IV-Reform in Kürze
Zeitt0 t0 + Anspruchsdauer
Nettolohn
Arbeitslosengeld I
Arbeitslosengeld II
Hartz IV
(a)
(a) Reduktion um 7%(b) von 12,2 auf 10,9 Monate
(b)
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3. Auf der Suche nach Gerechtigkeit
Gerechtigkeit ist die einzig moralisch vertretbare Grundhaltung in einer globalisierten Welt
Aber was ist Gerechtigkeit?
Gleichheit!
Und was ist Gleichheit? „Equality of what?“
Gleichheit von Wohlergehen?von Einkommen?von Chancen?
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3. Auf der Suche nach Gerechtigkeit
Gleichheit von Wohlergehen?
Am schwierigsten – aber vielleicht der IdealzustandSchwierig zu entscheiden, was mit Champagnersüchtigen zu tun ist
Gleichheit von Einkommen?
Nicht so nah am IdealzustandWie berücksichtigt man Krankheiten, eine Allergie, eine Behinderung?
Gleichheit von Chancen?
Schöne Idee: Freiheit und Verantwortung wird betontPraktisch: moralisch verbrämte GleichgültigkeitChancengleichheit zweier Menschen besteht zu keinem Lebenszeitpunkt
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3. Auf der Suche nach Gerechtigkeit
Was ist nun das Gerechtigkeitskriterium, dem eine Reform genügen muß?
Sicher ist:
Umso weniger wir wissen, umso besser können wir diskutieren.
Reduziert man das Ansehen eines Menschen auf seine ökonomische Leistungsfähigkeit, dann ist das Ende einer humanen Gesellschaft erreicht.
Intuitives Kriterium: Werden alle Beteiligten „angemessen berücksichtigt“?
In diesem Sinn: Die Hartz-IV-Reformen sind gerecht in einem gewissen Sinn und Ausdruck schreiender Ungerechtigkeit in einem anderen.
… da war noch was: auch Effizienz wird berücksichtigt
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4. Die Ergebnisse: Gerechtigkeit und Effizienz - von allem nicht viel
Unsere Effizienzergebnisse: Arbeitslosenquote ist 10,3% statt 10,6% in 2008Arbeitslosigkeit sinkt um gerade mal 0,3% - viel Lärm um Nichts
Größte Überraschung bei Verteilungsfrage: Gruppe der Arbeitnehmer als Ganzes gewinnt (als Ganzes heißt Beschäftigte, Kurz- und Langzeitarbeitslose zusammen)
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4. Die Ergebnisse: Gerechtigkeit und Effizienz - von allem nicht viel
Verbessert dies auch die Situation von Kurzzeitarbeitslosen?Nicht aktuell, aber bald, d.h. wenn eine Stelle gefunden wirdIm Schnitt: ja
Wie kommt es zu diesem Gewinn für Arbeitnehmer? Reform verstärkte Suchintensität schnellere Stellenbesetzung mehr freie Stellen Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer steigt höherer Nettolohn
Verbessert dies auch die Situation von Langzeitarbeitslosen?Sofortige Verschlechterung, aber vielleicht Verbesserung in ZukunftLangzeitarbeitslose mit geringen Erfolgsaussichten verlieren
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4. Die Ergebnisse: Gerechtigkeit und Effizienz - von allem nicht viel
Ist das ein glaubwürdiges Ergebnis?Unternehmer vergessen „allgemeine Gleichgewichtseffekte“Verstärkte Stellensuche der Arbeitslosen Bessere Verhandlungsposition der Unternehmen Mehr freie Stellen
aber: alle Unternehmen handeln ähnlich!Mehr freie Stellen bessere Verhandlungsposition der Arbeitnehmer!
Was passiert mit Unternehmergewinnen?Sie sinken!
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4. Die Ergebnisse: Gerechtigkeit und Effizienz - von allem nicht viel
… und wurden bitter enttäuscht:Langzeitarbeitslose ohne Aussicht auf Arbeitsplatz verlieren – per Konstruktion
Was lässt sich nun sagen zur Gerechtigkeit?
Intuitives Kriterium: Werden alle Beteiligten „angemessen berücksichtigt“?Arbeitnehmer als Gruppe gewinnen, es gibt aus dieser Sicht nichts zu beklagen
Verantworungsethische SichtweiseArbeitslosigkeit selbst verursacht? Kürzung in OrdnungArbeitslosigkeit als Schicksalsschlag? Kürzung nicht akzeptabel
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5. Jenseits von Hartz IV: Progressive Sozialversicherungsabgaben
FAZ (6. Februar 2010)Arbeitsmarkteinkommen ist „ausreichend höher“ alsLohnersatzleistungen für alle Hoch- und Mittelqualifizierte, nicht jedoch für Geringqualifizierte mit zwei oder mehr Kindern
Hätte man es besser machen können?Hintergrund: Die aktuelle Diskussion zum Lohnabstandsgebot
Paritätischer Wohlfahrtsverband (März 2010) es lohnt sich für alle Arbeitnehmer immer zu arbeiten, unabhängig vom Bildungshintergrund Vorwürfe bewusster Manipulierung
Wirtschaftspolitische Schlußfolgerung? Lohnersatzleistung zu hoch oder Nettolohn zu niedrig?
(Regelsätze <sollen> unter den Nettoarbeitsentgelten unterer Lohn- und Gehaltsgruppen bleiben, SGB XII)
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5. Jenseits von Hartz IV: Progressive Sozialversicherungsabgaben
Kann man Arbeitslosigkeit beseitigen, ohne Armut zu erzeugen?
Ziel: Paretoverbessernde Arbeitsmarktreformen Kein Individuum oder Gruppe darf durch die Reform schlechtergestellt werden
Umsetzung:a) Absenken der Lohnersatzquote verstärkte Suchanreize, mehr Beschäftigung, reduzierter Lohnb) Reduktion der Sozialversicherungsabgaben für Geringverdiener (d.h. progressive Sozialversicherungsabgaben) Rückgang des Nettolohnes (und auch der Lohnersatzleistung) wird kompensiert
Mehr Beschäftigung bei gleichem Nettolohn ist möglich!
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6. Anstelle einer Zusammenfassung:Auf der Suche nach Erkenntnis und Glück
6.1. Die absolute Erkenntnis …
Menschliches (und damit staatliches) Handeln ist in einem tiefen Sinn nicht begründbar
Ziel der Letzbegründung: Nichts unbegründet zu lassen
Festlegung von Hartz-Sätzen ist einfach bei Überzeugung zu VerteilungAber wie diese Überzeugung begründen?
Die nicht hinterfragbare Grundlage nach Apel: Der DiskursKann daraus die Höhe von Hartz-IV-Sätzen hergeleitet werden?
gibt es Letztbegründung?
– … wird es nie geben
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6. Anstelle einer Zusammenfassung:Auf der Suche nach Erkenntnis und Glück
6.2. Das Leben …
Suche nach Letzbegründung, nach Festem und Stabilem – exzessiv betrieben –ist Ausdruck seelischer Ungleichgewichte
Der glückliche Mensch ist – und akzeptiert die Unbegründbarkeit menschlichen Handelns
Der Wissenschaftler sucht nach Erkenntnis ohne Sinn und Zweck under analysiert den Politiker, der – auch ohne Letztbegründung, nur aus Überzeugung – Hartz IV Sätze festlegt, angreift oder stützt.
Wieso äußert sich ein Politier, wie er sich äußert?Wie kommt ein Wissenschaftler tatsächlich zu seinen Aussagen?
– … lässt sich nicht fassen
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6. Anstelle einer Zusammenfassung:Auf der Suche nach Erkenntnis und Glück
6.3. Das Glück …
Aussagen aller Art – wissenschaftlich, politisch, persönlich – sind Ausdrucktiefliegender individueller Charakterzüge
Was bleibt also an wahrer Erkenntnis aus Hartz-IV-Evaluation und 18 Jahren Forschens und Denkens?
– … lässt sich finden
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6. Anstelle einer Zusammenfassung:Auf der Suche nach Erkenntnis und Glück
6.3. Das Glück … – … lässt sich finden
Aussagen aller Art sind Ausdrucktiefliegender Charakterzüge
Was bleibt an wahrer Erkenntnis aus18 Jahren Forschens und Denkens?
Abb.: Politischer Schlagabtausch statt Ergründen des Wesentlichen
Hintergrund: Debatte um Höhe derHartz-IV-Sätze und Rückrufaktion vonToyota, Februar 2010
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6. Anstelle einer Zusammenfassung:Auf der Suche nach Erkenntnis und Glück
6.3. Das Glück … – … lässt sich finden
Tiefergehende Analyse entdeckt oft unergründete und sehr individuellePersönlichkeitsstrukturen
Der Mensch ist selten Herr in seinem eigenen Haus – und damit ist wahreErkenntnis, wahrer wissenschaftlicher Fortschritt nicht möglich
Der Weg ist aber klar: Der Schlüssel zum Glück des Menschen liegt in der Selbsterkenntnis.
Verstehe Dich selbst als Maxime und Vorraussetzung menschlichen Handelns
Einheit von Funktion und sich selbst verstehender Person erlaubt wissenschaftlichen Fortschritt und damit eine für alle befriedigende(re) Welt
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Herzlichen Dank!
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