Download - Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Transcript
Page 1: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft

Diplomarbeit

Lehrstuhl für Unternehmensführung, Produktion und Logistik der Technischen U-niversität München

Kerstin Hoder

München, den 30.09.2009

Wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des Grades

einer Diplom-Kauffrau (Univ.) an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften

der Technischen Universität München

Betreuer:

Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Horst Wildemann (TU München)

Dipl.-Ing. (FH) Dipl.-Wirtsch.-Ing. Univ. Bernhard Böck (TU München)

Dipl. Ing. Sebastian Welzel (suportica GmbH)

Page 2: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Vorwort

Kerstin Hoder Seite 2 von 93

Vorwort

Diese Arbeit ist in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Produktion und Logistik der Technischen Universität München und der suportica

GmbH im Bereich Geschäftsführung entstanden. Betreut wurde sie von Univ.-Prof.

Dr. Dr. h. c. mult. Horst Wildemann (TU München), Dipl. Kfm. Bernhard Boeck (TU

München) und Dipl. Ing. Sebastian Welzel (suportica GmbH).

Ich möchte mich sehr herzlich bei Herrn Welzel für sein in mich gestecktes Ver-

trauen, die konstruktive Betreuung und die gewährten Freiräume bedanken. Er

weckte mein Interesse an diesem Thema und bot mir eine gute Ausgangslage

zum Verfassen dieser Arbeit. Die Zusammenarbeit mit ihm und der suportica

GmbH wird mir immer in guter Erinnerung bleiben.

Für die gute Unterstützung von Seiten der Hochschule möchte ich mich auch bei

Herrn Boeck bedanken.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich auch bei meiner Familie und bei all mei-

nen Freunden bedanken, die mich immer unterstützt haben.

Page 3: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Inhaltsverzeichnis

Kerstin Hoder Seite 3 von 93

Inhaltsverzeichnis

Vorwort................................................................................................................. III

Inhaltsverzeichnis ............................................................................................... IV

Abbildungsverzeichnis ....................................................................................... VI

Abkürzungsverzeichnis .................................................................................... VIII

1 Einleitung ....................................................................................................... 7

2 Übersicht Energiewirtschaft ......................................................................... 9

2.1 Aktuelle Gesetzgebung und Ausgangslage............................................... 9

2.2 Liberalisierung unter dem Einfluss der Bundesnetzagentur .................... 13

2.3 Entflechtung der Energiewirtschaft.......................................................... 19

2.3.1 Buchhalterische Entflechtung ........................................................... 21

2.3.2 Informatorische Entflechtung ............................................................ 23

2.3.3 Organisatorische Entflechtung.......................................................... 29

2.3.4 Gesellschaftsrechtliche Entflechtung................................................ 30

3 Analyse des Marktmodells für Vertrieb und Netzbetreiber ...................... 32

3.1 Die Energieversorgungsunternehmen: Kommunale Unternehmen,

regionale Unternehmen und Konzerne ............................................................. 32

3.2 Gestaltungsmodelle zur Einordnung der Netzgesellschaft ...................... 34

3.2.1 Spartenmodell................................................................................... 35

3.2.2 Tochtermodell ................................................................................... 37

3.2.3 Schwestermodell .............................................................................. 38

3.2.4 Holdingmodell ................................................................................... 39

3.3 Shared Service Center als Organisationsform für Energieunternehmen. 40

3.4 Übertragung von Dienstleistungen an Shared-Service-Gesellschaften... 50

3.5 Einordnung von Shared-Service-Gesellschaften in den Gesamtkontext . 51

4 Produkte und Dienstleistungen von SSG.................................................. 55

4.1 Gründe der Ausgliederung von Dienstleistungen in SSG........................ 56

Page 4: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Inhaltsverzeichnis

Kerstin Hoder Seite 4 von 93

4.1.1 Gesamtwirtschaftliche Entwicklungen............................................... 57

4.1.2 Politische und rechtliche Entwicklung ............................................... 58

4.1.3 Sozio-kulturelle Veränderungen........................................................ 58

4.1.4 Technologische Entwicklungen......................................................... 59

4.2 Angebot an Produkten und Dienstleistungen .......................................... 59

4.2.1 Informationsmanagement ................................................................. 61

4.2.2 Netzmanagement ............................................................................. 64

4.2.3 Energiemanagement ........................................................................ 66

5 Analyse und Bewertung von Shared-Service-Gesellschaften ................. 69

5.1 Ausgründungen aus Energiekonzernen .................................................. 71

5.1.1 Analyse der Ausgründungen aus einem Energiekonzern ................. 71

5.1.2 Bewertung und Ableitung einer Normstrategie des Clusters ............ 75

5.2 Customer Care Anbieter.......................................................................... 76

5.2.1 Analyse der Customer Care Anbieter ............................................... 76

5.2.2 Bewertung der Customer Care Anbieter........................................... 78

5.3 Spezialisierte Abrechnungsdienstleister.................................................. 79

5.3.1 Analyse der spezialisierten Abrechnungsdienstleister ...................... 79

5.3.2 Bewertung der spezialisierten Abrechnungsdienstleister.................. 81

5.4 Dienstleister als Innovationsführer .......................................................... 83

5.4.1 Analyse der innovationsführenden Dienstleister............................... 83

5.4.2 Bewertung und Ableitung einer Normstrategie des Clusters ............ 84

5.5 Fallbeispiel suportica GmbH ................................................................... 85

6 Zusammenfassung und Ausblick............................................................... 87

Literaturverzeichnis ........................................................................................... 90

Page 5: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Abbildungsverzeichnis

Kerstin Hoder Seite 5 von 93

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Pfad der Anreizregulierung ......................................................................................... 17

Abbildung 2: Übersicht der Arten der Entflechtung und ihre Einführungszeitpunkte ....................... 20

Abbildung 3: Grundsatzhaltung im Zusammenhang mit Entflechtungskonzepten .......................... 21

Abbildung 4: Datentrennung bei integrierten Versorgungsunternehmen......................................... 24

Abbildung 5: Schnittstellen zwischen Vertrieb und Netz.................................................................. 28

Abbildung 6: Spartenmodell ............................................................................................................. 36

Abbildung 7: Tochtermodell.............................................................................................................. 37

Abbildung 8: Schwestermodell ......................................................................................................... 38

Abbildung 9: Holdingmodell.............................................................................................................. 39

Abbildung 10: Eigenschaften eines Shared Service Centers .......................................................... 43

Abbildung 11: Gestaltungsvarianten eines Shared Service Centers ............................................... 44

Abbildung 12: Geeignete Bereiche zur Einführung von Shared Service Centern ........................... 47

Abbildung 13: Gestaltungsoptionen der Übertragung...................................................................... 50

Abbildung 14: Versorgungsprozess ................................................................................................. 60

Abbildung 15: Überblick des Abrechnungsprozesses...................................................................... 63

Abbildung 16: Übersicht der Bestandteile des Messstellenmanagement ........................................ 65

Abbildung 17: Übersicht der Bestandteile der Kundenbetreuung .................................................... 67

Abbildung 18: Wettbewerbsmatrix nach Porter................................................................................ 69

Abbildung 19: Matrix der Beispielunternehmen ............................................................................... 71

Abbildung 20: Übersicht der Geschäftsfelder und Kompetenzen der E.ON IS................................ 72

Abbildung 21: Organisationsstruktur der RWE AG, ......................................................................... 74

Abbildung 22: Einordnung der RWE Kundenservice GmbH,........................................................... 74

Abbildung 23: Einordnung der Arvato Services GmbH in das Netzwerk der Bertelsmann AG ....... 78

Abbildung 24: Geschäftsbereiche der EVB Energie AG .................................................................. 80

Page 6: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Abkürzungsverzeichnis

Kerstin Hoder Seite 6 von 93

Abkürzungsverzeichnis

BNetzA = Bundesnetzagentur

CRM = Customer Relationship Management

EDM = Energiedatenmanagement

EnWG = Energiewirtschaftsgesetz

ERP = Enterprise Resource Planning

ESC = Energie Service Center

EVU = Energieversorgungsunternehmen

GasNEV = Gasnetzentgeltverordnung

SSC = Shared Service Center

SSG = Shared Service Gesellschaft

StromNEV = Stromnetzentgeltverordnung

Page 7: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Einleitung

Kerstin Hoder Seite 7 von 93

1 Einleitung

Strom und die zugehörige funktionsfähige Infrastruktur sind seit jeher eine Vor-

aussetzung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklung. In der leitungsge-

bundenen Energiewirtschaft verhindern die technisch-wirtschaftlichen Gegeben-

heiten der Transport- und Verteilnetze einen funktionierenden Wettbewerb. Dies

begünstigt eine Monopolstellung etablierter Unternehmen und steht dem Ziel einer

preisgünstigen Energieversorgung im Wege.

Bereits Adam Smith bezeichnete als Ausnahme der Güterallokation über den

Markt die Verantwortlichkeit für die wirtschaftliche Infrastruktur als Staatsaufgabe.

Daher sind die Grundgedanken hinter dem neuen Energierecht auf europäischer

wie auf deutscher Ebene einleuchtend und plausibel: Um die Gesetze des Marktes

wirksam werden zu lassen und einen Wettbewerb herzustellen, ist die Sicherstel-

lung eines fairen Netzzugangs für alle potenziellen Marktteilnehmer unabdingbar.

Das monopolistisch organisierte deutsche Energieversorgungssystem galt in

Deutschland von 1935 an für sehr lange Zeit als Garant für wirtschaftliche Leis-

tungsfähigkeit und persönlichen Wohlstand. Aufgrund der Forderung der Europäi-

schen Union nach einer Liberalisierung des Systems wurde in Deutschland mit der

Einführung eines neuen Energiewirtschaftsgesetzes im Jahre 1998 und weiteren

Reformen in den Folgejahren ein ausholendes und detailliertes Energiewirtschafts-

recht gültig. Trotz des Umfangs der bereits vorliegenden Normen sind etliche Fra-

gen in den Bereichen Netzentgeltregulierung und Energieversorgung noch unge-

klärt. Der Prozess der Neuordnung der Energiemärkte ist in vollem Gange. In der

Praxis gewonnene Erfahrungen werden zwangsläufig weitere Regelungen in der

Zukunft notwendig machen. Mit dem Begriff Energie ist in dieser Arbeit hauptsäch-

lich Elektrizität bzw. Strom gemeint, da der Bereich Strom hinsichtlich des Wett-

bewerbsfortschritts dem Gasbereich momentan weit voraus ist. Die Entwicklungen

der beiden Bereiche sind jedoch durchaus vergleichbar und die Versorgungsun-

ternehmen sind meist in beiden Bereichen tätig.

Diese Arbeit soll durch eine systematisierte Aufbereitung des Stoffes die folgen-

den, mehrdimensionalen Zusammenhänge aufzeigen: Die Bundesregierung ver-

abschiedete tief greifende Maßnahmen zur Liberalisierung des ehemals monopo-

listisch organisierten Energieversorgung. Diese Vorschriften hatten organisatori-

Page 8: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Einleitung

Kerstin Hoder Seite 8 von 93

sche und gesellschaftsrechtliche Folgerungen der betroffenen Unternehmen zur

Folge und veränderten die Strukturen der Energiewirtschaft. Auf der Suche nach

Handlungsoptionen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit wurden neue Orga-

nisationsformen gefunden. Neue Marktteilnehmer konnten sich etablieren. Der

zunehmende Wettbewerb sorgt dafür, dass nur erfolgreiche Unternehmen sich

langfristig am Markt behaupten und profitabel wachsen können. Dazu müssen po-

tenzielle Erfolgsfaktoren, relevante Einflussfaktoren auf das Unternehmen und

Wachstumsmöglichkeiten identifiziert werden. Auf der Grundlage von Unterneh-

menszielen können geeignete Strategien entwickelt werden.

Aufgrund der steten Behandlung des Themas in der Tagespresse kann kein An-

spruch auf Vollständigkeit bestehen. Um dem Anspruch einer wissenschaftlichen

Arbeit gerecht zu werden und gleichzeitig den derzeitigen Zustand möglichst aktu-

ell zu erfassen, wurden zum einen Fachliteratur und aktuelle Aufsätze in einschlä-

gigen Zeitschriften wie strom-magazin.de verwendet. Zum anderen wurde zur In-

formationsbeschaffung auf Internetquellen und persönliche Interviews zurückge-

griffen.

Page 9: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Übersicht Energiewirtschaft

Kerstin Hoder Seite 9 von 93

2 Übersicht Energiewirtschaft

In diesem Kapitel werden die politischen, branchenspezifischen Entwicklungen

seit der Neufassung des deutschen Energiewirtschaftsrechts 1998 erläutert. Dabei

spielen die gesetzlichen Entscheidungen zur Einführung und Etablierung von

Wettbewerb eine sehr große Rolle. Das Kapitel analysiert daher die Instrumente,

welche zur Regulierung des Energiemarktes eingesetzt werden. Zuerst soll die

aktuelle Gesetzgebung und Ausgangslage der Energiewirtschaft beschrieben

werden. Daraufhin soll die Regulierung und Liberalisierung der Netzbetreiber unter

dem Einfluss der Bundesnetzagentur (BnetzA) erläutert werden. Es folgen die ver-

schiedenen Entflechtungsvorschriften und ihre Auswirkungen auf die Versor-

gungsunternehmen. Diese Rahmenbedingungen haben einen wichtigen Einfluss

auf die Entwicklung der Unternehmensstrukturen, das Angebot verschiedener

Dienstleistungen und die unterschiedlichen Marktteilnehmer. Dadurch soll ein all-

gemeines Verständnis der Situation geschaffen werden und das Thema der Sha-

red-Service-Gesellschaften in den Gesamtkontext eingeordnet werden.

2.1 Aktuelle Gesetzgebung und Ausgangslage

Mit der Energierechtsreform im Jahr 1998 wurde der Weg der schrittweisen Libe-

ralisierung der Energiewirtschaft in Deutschland begonnen. Am 29. April 1998 trat

das „Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts“ in Kraft und löste da-

mit das Energiewirtschaftsgesetz von 1935 ab. Das neue Energiewirtschaftsge-

setz (EnWG) wurde durch eine Richtlinie der Europäischen Union von 1996 not-

wendig und beinhaltet als wichtigste Neuerung die Liberalisierung des Elektrizi-

tätsmarktes.1 In der deutschen Energiewirtschaft begann damit vor nun mehr als

elf Jahren der Wettbewerb mit einer Öffnung des Strommarktes. Getragen wurden

diese Liberalisierungsbestrebungen von der Erkenntnis, dass auf den Netzen vor-

und nachgelagerten Märkten Wettbewerb möglich ist. Wettbewerb wurde im Be-

reich der Stromwirtschaft nicht mehr als volkswirtschaftlich schädlich angesehen.

Und dem zur Folge war die traditionelle Organisation der Netzsektoren als Mono-

pole wettbewerbspolitisch nicht länger zu rechtfertigen. Die vertikal integrierten

Versorgungsunternehmen wurden durch das erneuerte EnWG dazu gezwungen,

1 Vgl. Europäisches Parlament (1996), [Stand 30.09.2009], S.3

Page 10: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Übersicht Energiewirtschaft

Kerstin Hoder Seite 10 von 93

allen Marktteilnehmern die Durchleitung von Strom durch ihre Verteilungsnetze zu

gewähren. Damit wurde es einem dritten Unternehmen ermöglicht, Strom eines

Stromerzeugers zu kaufen und über die Netze der Gebietsmonopolisten an einen

Abnehmer zu liefern. Das Gebietsmonopol der vertikal integrierten Versorgungs-

unternehmen durfte nun mehr nur noch den Netzbetrieb umfassen. Die Endkun-

den gewannen damit die Freiheit, ihren Energielieferanten selbst auszuwählen.

Erstmalig rückten neben Preisaspekten auch Zusatznutzen wie Beratung und Ser-

vice ins Blickfeld. Im Gegensatz zu allen anderen Mitgliedstaaten der Europäi-

schen Union wählte Deutschland 1998 das Modell des verhandelten Netzzugangs.

Von den energiewirtschaftlichen Akteuren wurden sog. Verbändevereinbarungen

geschlossen, in denen sie Bedingungen und Preise des Netzzugangs festlegten.

Die Vorschriften des EnWG von 1998 für den Gasmarkt blieben im Gegensatz

zum EnWG aus dem Jahre 1935 im Wesentlichen unverändert. Durch die erste

Novelle von 2003 wurde der Gasmarkt dem Strommarkt angeglichen. Auch für

den Gasmarkt wurde eine Netzzugangsregelung eingeführt und die Forderung zur

Führung getrennter Konten für integrierte Gasversorgungsunternehmen in der in-

ternen Buchführung gestellt.

Es zeigte sich jedoch bald, dass der deutsche Weg, eine Liberalisierung der Ener-

giemärkte auf der Basis freiwilliger Vereinbarungen zwischen den beteiligten Ver-

bänden vorzunehmen, nur zu einem eingeschränkten Erfolg führen würde. Des

Weiteren machte die Verabschiedung der Energiebinnenmarktrichtlinien 2003 auf

Ebene der Europäischen Union eine weitere, grundlegende Novellierung des

Energiewirtschaftsrechts notwendig. Ausgehend von den Beschleunigungsrichtli-

nien der Europäischen Union 2003 wurden die Wettbewerbshemmnisse mit der

zweiten Novellierung des EnWG im Jahr 2005 in Angriff genommen. Die rot-grüne

Regierungskoalition einigte sich auf eine Neufassung des EnWG und verabschie-

dete am 7. Juli 2005 das aktuell gültige Gesetz zur Neuregelung des Energiewirt-

schaftsrechts. Mit der zweiten Novelle des EnWG von 2005 setzte die Bundesre-

gierung das EU-Gemeinschaftsrecht für die leitungsgebundene Energieversor-

gung in nationales Recht um. Das Zweite Gesetz zur Neuregelung des Energie-

wirtschaftsrechts trat am 13. Juli 2005 in Kraft und löste dadurch das bisherige

Gesetz von 2003 ab. Handlungsbedarf bestand für den deutschen Gesetzgeber

vor dem Hintergrund des europäischen Rechts zum einen bezüglich der Umset-

Page 11: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Übersicht Energiewirtschaft

Kerstin Hoder Seite 11 von 93

zung der Entflechtungsvorgaben für vertikal integrierte Energieversorgungsunter-

nehmen (EVU) und zum anderen bezüglich der Einführung eines regulierten Netz-

zugangs. Das bisher geltende Prinzip des verhandelten Netzzugangs wurde durch

das System des regulierten Netzzugangs ersetzt. Es wurden eine Stromnetzent-

geltverordnung (StromNEV) und eine Gasnetzentgeltverordnung (GasNEV) erlas-

sen, die Vorschriften zur Kostenartenrechnung und zur anschließenden Ermittlung

der Netzentgelte über eine Kostenstellenrechnung enthält. Die Zuständigkeit für

die Wettbewerbs- und Regulierungsaufsicht im Bereich Strom- und Gasnetzte

wurde der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post übertragen, die

aus diesem Anlass zur Bundesnetzagentur (BNetzA) für Elektrizität, Gas, Tele-

kommunikation, Post und Eisenbahnen umbenannt wurde.2 Neben der BNetzA als

nationale Regulierungsbehörde wurden die Landesregulierungsbehörden für die

Aufgaben der Regulierungsbehörde zuständig. Mit der Einführung des regulierten

Netzzugangs in der Energiewirtschaft darf der Netzbetreiber den Kunden nur ge-

nehmigte Netzentgelte in Rechnung stellen. Der Netzzugang soll dem zur Folge

auf der Grundlage veröffentlichter und ex ante genehmigter Tarife und Tarifbe-

rechnungsmethoden abgerechnet werden. Die Regulierungsbehörden überwa-

chen die Netzbetreiber und sind für die Aufsicht der Monopolbereiche Transport

und Verteilung zuständig. Ihnen unterliegt die Überprüfung der gesetzeskonfor-

men Trennung von Produktion und Vertrieb, das sog. Unbundling. Das EnWG aus

dem Jahre 2005 enthält wesentliche Neuregelungen zur Umsetzung der Unbund-

ling-Vorgaben der europäischen Richtlinien. Ab dem 1. Juli 2007 sind vertikal in-

tegrierte Versorgungsunternehmen laut EnWG gezwungen, den Netzbereich von

allen anderen wirtschaftlichen Aktivitäten innerhalb des Unternehmens zu trennen

und rechtlich eigenständig zu führen. Lediglich für Unternehmen mit weniger als

hunderttausend Kunden und ohne wesentliche Beteiligung eines größeren Ver-

sorgers ist eine Freistellung möglich. Grundsätzliche Forderung stellen die Ge-

währleistung von Transparenz sowie die diskriminierungsfreie Ausgestaltung und

Abwicklung des Netzbetriebs dar. Eine Quersubventionierung anderer Wettbe-

werbsbereiche durch den Netzbetrieb soll durch die Unabhängigkeit des Netzbe-

triebs unmöglich gemacht werden. Diese Trennung von Netzbereich und Vertrieb

2 Vgl. Monopolkommission (2006), S.58

Page 12: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Übersicht Energiewirtschaft

Kerstin Hoder Seite 12 von 93

hat für integrierte Unternehmen zur Folge, von beiden Bereichen gemeinsam er-

brachte Aufgaben neu zu organisieren. Es besteht die Möglichkeit der Bildung ei-

ner internen Dienstleistungsabteilung oder die Vergabe an externe Dienstleister.

Eine weitere Novellierung trat am 9. September 2008 durch das „Gesetz zur Öff-

nung des Messwesens bei Strom und Gas für Wettbewerb“ in Kraft. Es beinhaltet

die Liberalisierung des Messwesens hinsichtlich des Messstellenbetriebs, d.h.

Zählereinbau, Zählerwartung und Zählerablesung. Das Gesetz verschafft An-

schlussnehmern im Privatkundenbereich die Freiheit, den Betreiber des Strom-

oder Gaszählers selbst zu wählen. Ab 1. Januar 2010 gelten für den Einbau von

Messeinrichtungen in Gebäuden, die neu an das Energieversorgungsnetz ange-

schlossen werden, oder bei einer größeren Renovierung neue Regeln für Zähler.

Es dürfen nur Zählern verwendet werden, die den tatsächlichen Energieverbrauch

und die tatsächliche Nutzungszeit widerspiegeln. Dadurch sollen verstärkt sog.

intelligente Zähler eingesetzt werden, soweit dies technisch machbar und wirt-

schaftlich zumutbar ist. Die Verbraucher bekommen das Recht auf eine monatli-

che, vierteljährliche, halbjährliche oder jährliche Abrechnung durch den Lieferan-

ten zugesprochen. Lieferanten haben spätesten ab dem 30. Dezember 2010 last-

variable oder tageszeitabhängige Tarife anzubieten.

Seit dem 1. Januar 2009 gehören die Festlegungen im Rahmen der Anreizregulie-

rung neben der Missbrauchsaufsicht, der Überwachung der Vorschriften zur Ent-

flechtung der Netzbereiche und der Systemverantwortung der Versorgungsnetz-

betreiber zu den wichtigsten Aufgaben der Regulierungsbehörden. Auf dieses Ver-

fahren wird in Kapitel zwei genauer eingegangen.

Es ist erkennbar, dass der Wettbewerb in den deutschen Energiemärkten in den

letzten Jahren deutlich zugenommen hat.3 Auf europäischer Ebene wird durch die

Europäische Union eine noch deutlichere Intensivierung des Wettbewerbs ange-

strebt. Für die kommenden Jahre erwartet die Unternehmen ein weiterer anstei-

gender Wettbewerbsdruck. Dies gilt sowohl für den Strom- als auch für den Gas-

markt. Die nachfolgenden Ausführungen der Situation in der Energiewirtschaft sol-

3 Vgl. Ernst & Young (2008), S.3

Page 13: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Übersicht Energiewirtschaft

Kerstin Hoder Seite 13 von 93

len sich im Wesentlichen auf den Elektrizitätsbereich beschränken. „Die ver-

gleichbare Ausgangssituation, die identische gesetzgeberische Intention und die

hieraus mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben existierende weitgehende

Regelungsparallelität machen eine eigenständige Betrachtung des Erdgasberei-

ches für die vorliegenden Zwecke entbehrlich.“4 Die zukünftigen Rahmenbedin-

gungen im deutschen Strom- und Gasmarkt werden durch die Gesetzesinitiativen

der EU zunehmend aus Brüssel bestimmt. Auch die Stadtwerke und Regionalver-

sorger sollten die dortigen Entwicklungen intensiv beobachten und analysieren,

um sich frühzeitig darauf einstellen zu können. Viele Energieversorger, vor allem

die kleineren Unternehmen und Stadtwerke, verhalten sich sehr passiv und erfül-

len aktuell nicht die derzeitigen gesetzlichen Anforderungen. Sie bewerten eine

spätmöglichste Erfüllung gesetzlicher Mindestanforderungen als den besten Weg

zur Unbundling-Umsetzung. Vom Gesetzgeber erwarten sie eine konkrete Vorga-

be, wie die Entflechtung gesetzeskonform umzusetzen ist.

2.2 Liberalisierung unter dem Einfluss der Bundesnetzagentur

Aufgrund der technischen Beschaffenheit sind die Transport- und Verteilnetze in

einer Volkswirtschaft wesentliche und notwendige Faktoren für den Vertrieb von

Strom und Gas. Diese Netze ermöglichen als natürliches Monopol ohne staatli-

chen Eingriff keine Drittbenutzung. Zur Ermöglichung von Wettbewerb muss der

Netzzugang und das Entgelt hierfür durch eine Regulierungsinstanz gesteuert

werden. Besonders in Zeiten gestiegener Energiepreise drängt in Deutschland die

Politik die Regulierungsbehörden zu niedrigeren Netznutzungsentgelten.5 Im Jahr

2008 sind die Netzkosten durch Verfügungen der Bundesnetzagentur und Landes-

regulierungsbehörden infolge der Regulierung der Netzentgelte um bis zu zwanzig

Prozent abgesenkt worden. Hierdurch konnten Strom- und Gaspreiserhöhungen

zumindest in ihren Auswirkungen gemildert werden. Immerhin haben die Netzent-

gelte einen Anteil von über dreißig Prozent an dem vom Haushaltskunden zu zah-

lenden Strompreis bzw. von ca. fünfundzwanzig Prozent am Gaspreis.6 Die Me-

thoden der Entgeltregulierung lassen sich in drei Klassen einteilen: kostenbasierte

4 Dannischewski (2002), S. 29 5 Vgl. Apel (2006), S.40 6 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (2008), [Stand 30.09.2009], S. 27

Page 14: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Übersicht Energiewirtschaft

Kerstin Hoder Seite 14 von 93

Regulierung, kennzahlenorientierte Regulierung und Anreizregulierung. Alle drei

Verfahren sind sowohl nach EU-Recht als auch laut EnWG möglich und können

als Phasen in einem Entwicklungsprozess angesehen werden:7

(1) Die kostenbasierte Preisbildung ist die Grundlage der Regulierung. Sie ge-

steht regulierten Unternehmen eine festgelegte Ertragsrate auf die berichteten

Kosten zu. Dadurch steht und fällt die Effektivität dieser Vorgehensweise mit der

jeweiligen Kostenermittlung. Liegt sie im Ermessen des Unternehmens, besteht für

die Unternehmen keinerlei Anreiz zur Kostenminimierung. Deswegen wurden im

EnWG konkrete Vorgaben für die Kalkulation festgelegt und die Verpflichtung zur

Vorlage von Kostennachweisen festgehalten. Die Regulierungsbehörde hat das

Recht die Kalkulationen nach Prüfung abzulehnen und anhand eigener Kalkulatio-

nen zu korrigieren.

(2) Beim Vergleichsverfahren werden die Entgelte aufgrund von Unternehmens-

vergleichen genehmigt. Entscheidender Faktor dieser Methode ist daher die Effi-

zienz des Branchenumfelds. Grundsätzlich mögliche Effizienzsteigerungen und

daraus folgende Preissenkungen können wegen fehlender Anreize unterbleiben.

Schon bei einem kostenbasierten Ansatz kann die Regulierungsbehörde die Kos-

tennachweise der einzelnen Unternehmen vergleichen und so zu einer Anwen-

dung des Vergleichsverfahrens kommen. Das Vergleichsverfahren gewinnt somit

in dem Moment an Bedeutung, in dem der Regulierungsbehörde die Unterneh-

mensdaten der von der Regulierung betroffenen Unternehmen vorliegen. Darüber

hinaus kann die BNetzA auf internationale Vergleichsdaten zurückgreifen, da die

Methoden des EU-Energierechts auf dem Gebiet der leitungsgebundenen Ener-

gieversorgung in manchen europäischen Nachbarländern schon seit Jahren prak-

tiziert werden.

(3) Die Anreizregulierung ist schließlich die am weitesten entwickelte Form der

Regulierung und zielt darauf ab, Kosten und Erlöse voneinander zu entkoppeln.

Die BNetzA bestimmt im Zuge der Anreizregulierung die Höhe der Netzentgelt,

und gibt dadurch den Netzbetreibern Obergrenzen für ihre Erlöse vor. Die Regulie-

7 Vgl. PricewaterhouseCoopers AG WPG (2007), S.244

Page 15: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Übersicht Energiewirtschaft

Kerstin Hoder Seite 15 von 93

rungsbehörde hat keinen direkten Einfluss auf einzelne Produkte oder Tarife, son-

dern wirkt auf den Gesamterlös der Unternehmung ein. Durch die Festlegung ei-

ner Erlösobergrenze besteht für die Unternehmen ein Anreiz zu Effizienzsteige-

rungen aufgrund einer daraus resultierenden Kostensenkung. Ab Januar 2009

sollen in der Bundesrepublik Deutschland die Netzentgelte für Strom und Gas ü-

ber das Verfahren der Anreizregulierung geregelt werden. Dies soll zu mehr Wett-

bewerb und zu sinkenden Energiepreisen für Verbraucher führen. Auch neue

Strom- und Gasanbieter und die erneuerbaren Energien sollen davon profitieren.

Es sind für die rund eintausendsechshundert Netzbetreiber Erlösobergrenzen vor-

gesehen. Die Anreizregulierung umfasst zwei Regulierungsperioden zu jeweils

fünf Jahren.

Die Erlösobergrenzen werden dabei auf der Grundlage eines bundesweiten Effi-

zienzvergleichs ermittelt. Beim Effizienzvergleich werden unter Berücksichtigung

struktureller Eigenarten der Netzbetreiber ihre Kosten miteinander verglichen und

auf diese Weise die kostengünstigsten Netzbetreiber identifiziert. Maßstab für die

Effizienzvorgaben ist die Gruppe der jeweils strukturell vergleichbaren besten Un-

ternehmen. Ausreißer, die das Ergebnis des Vergleichs verzerren könnten, wer-

den ausgesondert, d.h. es erfolgt keine Orientierung der Effizienzvorgaben an Ex-

tremwerten. Ein bundesweiter Effizienzvergleich ermittelt unternehmensindividuel-

le Schätzungen für die Kosteneffizienz. Alle Netzbetreiber müssen sich dann am

effizientesten Betreiber messen. Die Erlösübergrenze fixiert den maximalen jährli-

chen Erlös des regulierten Akteurs für die Dauer einer Regulierungsperiode. Zur

Festlegung der Erlösobergrenze für die gesamte Regulierungsperiode legt der

Regulator eine Prognose der gesamten Kosten zugrunde, die nach seinem Urteil

für eine effiziente Leistungserbringung angemessen sind. Die Netzbetreiber erhal-

ten zehn Jahre Zeit, um ihre Effizienzziele zu erreichen. Weniger effiziente Unter-

nehmen haben wenige Jahre Zeit, um die von der BNetzA ermittelte individuelle

Ineffizienz abzubauen.

Der Erlösgrenze gegenüber stehen die tatsächlichen Kosten des jeweiligen Netz-

betreibers. Gelingt es dem Netzbetreiber nun, die notwendige Leistung mit gerin-

geren Kosten zu erbringen, bedeutet jeder Euro Kostenersparnis für ihn einen Eu-

ro zusätzlichen Gewinn. Kostenersparnisse innerhalb einer Regulierungsperiode

Page 16: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Übersicht Energiewirtschaft

Kerstin Hoder Seite 16 von 93

z.B. durch eine Optimierung der Netzwartung, geschickte Materialbeschaffung

oder Rationalisierung beim Personal führen also bei festgelegter Erlösobergrenze

generell zu einer unmittelbaren Gewinnsteigerung. Bleiben die Netzbetreiber mit

ihren Kosten unter diesen Obergrenzen, können sie die Differenz als Gewinn ein-

behalten. Das EnWG und die Strom- und Gasnetzentgeltverordnungen machen

detaillierte Vorgaben zur Kostenkalkulation. Um die Vorlage- und Mitteilungspflich-

ten gegenüber der BNetzA hinsichtlich der Kostennachweise für die Netzentgelte

zu erfüllen, ist eine effiziente Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrech-

nung erforderlich. Darüber hinaus erhöht die Erstellung von Produktkalkulationen

die Planungssicherheit der Unternehmen und hilft bei einer möglichst verursa-

chungsgerechten Zuordnung von Kosten. Diese Kosteninformationen sind ebenso

für interne Steuerungszwecke von zentraler Bedeutung und können der Aus-

gangspunkt für weitere betriebswirtschaftliche Überlegungen sein.8

Zusätzlich wird die Erlösobergrenze jedes Netzbetreibers jährlich um einen von

der Regulierungsbehörde festgelegten Prozentsatz abgesenkt. Während der Re-

gulierungsperiode folgen die zulässigen Erlöse einem durch den Effizienzfaktor

und die Inflationsrate festgelegten Pfad. Durch ihr natürliches Monopol müssen

Netzbetreiber keinen Wettbewerb fürchten. Hieraus ergibt sich die Aufgabe des

Regulators, einen funktionierenden Markt zu simulieren. Abgebildet wird der künst-

liche Wettbewerb über den Effizienzfaktor. Der Effizienzfaktor drückt eine Zielvor-

gabe bezüglich der Produktivitätsfortschritte aus. Die durch die Anreizregulierung

angestrebten Effizienz- und Produktivitätssteigerungen der Netzbetreiber sollen

durch zwei Faktoren erreicht werden. Der generelle sektorale Produktivitätsfaktor

enthält die Vorgabe einer netzwirtschaftlichen Produktivitätssteigerung für die ge-

samte Branche. Für die erste Regulierungsperiode ist der generelle Produktivitäts-

faktor auf 1,25 Prozent festgelegt worden, für die zweite auf 1,5 Prozent. Folglich

müssen die Netzbetreiber auch ohne eine individuelle Effizienzvorgabe ihre Erlös-

obergrenze jährlich um 1,25 bzw. 1,5 Prozent senken. Zusätzlich gibt der unter-

nehmensindividuelle Verteilungsfaktor eine Kennzahl für den zu erreichenden Ab-

bau von Ineffizienzen der einzelnen Unternehmen vor. Kernbestandteil der Anreiz-

8 Vgl. PricewaterhouseCoopers AG WPG (2007), S.256

Page 17: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Übersicht Energiewirtschaft

Kerstin Hoder Seite 17 von 93

regulierung ist die individuelle Effizienzvorgabe. Die über ein Benchmarking ermit-

telten Ineffizienzen eines Netzbetreibers sollen über den Zeitraum von einer oder

mehreren Regulierungsperioden abgebaut werden.9 Im Folgenden Schaubild wer-

den die Bestandteile der Anreizregulierung veranschaulicht:

Abbildung 1: Pfad der Anreizregulierung, in Anlehnung an Pielke, Kurrat (2008), S.2

Reine Kostensenkungsinstrumente können zu Qualitäts- und Stabilitätsverlusten

im Netz führen. Deshalb sind zur Sicherstellung von nötigen Netzinvestitionen be-

stimmte Regelungen vorgesehen wie z.B. Investitionspauschalen und Ausnahme-

genehmigungen. Eine zusätzliche Qualitätsregelung ermöglicht der Regulierungs-

behörde je nach ermittelter Netzqualität Zu- oder Abschläge auf die Netzerlöse

einzelner Unternehmen. Kleine Netzbetreiber können an einem vereinfachten Ver-

fahren teilnehmen.

Durch die Anreizregulierung sollen die Versorgungsunternehmen einen Anreiz zu

mehr Effizienz und frühzeitiger Kostensenkung für Energiekunden erhalten. Die

kostenrechnerische Kalkulation der Netznutzungsentgelte wird so einem grundle-

genden Paradigmenwechsel unterzogen. Anteilige Netzkosten im Versorgungs-

prozess wurden in der Vergangenheit abhängig von Aufbau- und Ablauforganisa-

9 Pielke, M., Kurrat, M. (2008), S. 5

Page 18: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Übersicht Energiewirtschaft

Kerstin Hoder Seite 18 von 93

tion der integrierten Versorgungsunternehmen zwar separat bewertet, letztlich je-

doch den Energiepreisen zugeschlagen. Vertikal integrierte Netzbetreiber, die zu-

gleich auf den wettbewerblich organisierten vor- und nachgelagerten Marktstufen

aktiv sind, haben beträchtliche Anreize, andere Marktteilnehmer durch diskriminie-

rende Netznutzungsbedingungen und überhöhte Durchleitungsentgelte zu behin-

dern. Die mittels hoher Durchleitungsentgelten erzielten Monopolgewinne aus dem

Netzbetrieb konnte der vertikal integrierte Netzbetreiber zur Quersubventionierung

seiner Aktivitäten auf den Wettbewerbsmärkten verwenden. Die Behinderung

durch hohe Durchleitungsentgelte kann alleine durch eine gesellschaftliche Ent-

flechtung des Netzbetriebs von den übrigen Aktivitäten eines EVU nicht vollständig

beseitigt werden. Daher hat die Regulierung der Höhe der Netznutzungsentgelte

eine große Bedeutung. Selbst wenn die Durchleitungsentgelte der konzerneigenen

Vertriebsgesellschaft in gleicher Höhe in Rechnung gestellt werden wie den Wett-

bewerbern, führt dies aus Sicht des Gesamtkonzerns nur zu einem internen

Transfer. Für die Wettbewerber stellen die Netznutzungsentgelte dagegen echte

Kosten dar. Durch die Anreizregulierung wird die Höhe der Netzentgelte festgelegt

und die Unternehmen erhalten kalkulierbare Erlösvorgaben. Die von der Behörde

festgelegten Entgelte sind in der Praxis grundsätzlich geringer als die auf Vollkos-

ten basierenden ursprünglich zur Genehmigung beantragten Entgelte. Häufig ba-

siert die Differenz auf der Zurückweisung der Bewertung von Vorleistungen für

den Netzbereich wie zum Beispiel Netzservices, Abschreibungen und Abrechnung

von Nutzungsentgelten. Durch Kürzung der Entgelte wächst der Druck auf die Ef-

fizienz dieser Vorleistungen aus Sicht des Netzbetreibers. Bei gedeckelten Erträ-

gen ist eine Ergebnisbeeinflussung nur auf der Kostenseite möglich. Deswegen

überprüfen die als Netzbetreiber agierenden Unternehmen zunehmend Möglich-

keiten, mit denen man sich der abzeichnenden Kosten-Erlös-Schere entrinnen

kann. Die Optimierung der Geschäftsprozesse ist dabei eine notwendige Konse-

quenz.10 Die Methoden, welchen sich die integrierten Netzbetreiber zur Kosten-

senkung bedienen, reichen von der Gründung horizontaler und vertikaler Koopera-

tionen bis hin zum Outsourcing. Zu den horizontalen Kooperationen zählen im

Wesentlichen die Zusammenschlüsse von mehreren Stadtwerken sowie Netzge-

10 Vgl. Ernst & Young (2008), S.6

Page 19: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Übersicht Energiewirtschaft

Kerstin Hoder Seite 19 von 93

sellschaften. Bei einer vertikalen Kooperation erbringen Versorgungsunternehmen

Wertschöpfungstätigkeiten in Zusammenarbeit mit Unternehmen, welche auf vor-

oder nachgelagerten Produktionsstufen tätig sind. Zu diesen Unternehmen zählen

in der Energiewirtschaft z. B. IT-Dienstleister, Hersteller von Messtechnologien

oder Personaldienstleister. Durch ihre Spezialisierung können diese Unternehmen

ihre Leistungen oft kostengünstiger anbieten. Die Organisation dieser nicht zum

Kerngeschäft gehörenden Dienstleistungen kann in unterschiedlicher Form erfol-

gen. Zum einen können dafür zentrale Abteilungen gebildet werden. Das andere

Extrem stellt die Ausgründung in Form eines externen Dienstleisters dar. Diese

Organisationsformen werden in Kapitel drei näher betrachtet.

2.3 Entflechtung der Energiewirtschaft

Der Druck auf die deutsche Energiewirtschaft ist insbesondere durch das in Kraft

treten des Gesetzes zur Neuregelung des EnWG aus dem Jahre 2005 enorm ge-

wachsen: Die Forderung nach einer Entflechtung der EVU hatte ab dem Jahr 2007

in mehreren Dimensionen eine Trennung des Netzbetriebs von den übrigen Ener-

gieversorgungsbereichen der größeren Versorgungsunternehmen zur Folge. Dar-

über hinaus werden die Vorgaben zur Entflechtung der deutschen Energieversor-

gung die Unternehmen auch zukünftig in einem Maße verändern, das heute noch

nicht absehbar ist. Insbesondere die Unternehmensorganisation in den Bereichen

Elektrizitätserzeugung bzw. Gasgewinnung und Vertrieb ist davon betroffen. Tradi-

tionell waren EVU im Bereich der Erzeugung oder des Vertriebs und in der Vertei-

lung von Energie tätig. Die Unternehmen belieferten Kunden mit Strom oder Gas

und betrieben dazu Energieversorgungsnetze. Die gesetzlichen Vorgaben zur Ent-

flechtung fordern von integrierten Versorgungsunternehmen eine Unabhängigkeit

der Geschäftsfelder Netz und Vertrieb. Diese Trennung wird als sog. Unbundling

bezeichnet. Die Entflechtungsvorschriften lassen sich nach ihrer Erscheinungs-

form idealtypisch in vier Kategorien mit tendenziell aufsteigender Regulierungstie-

fe unterteilen.11 Die Abbildung gibt einen Überblick über die unterschiedlichen Ar-

ten des Unbundlings und den jeweiligen Zeitpunkt, bis zu dem die Mitgliedstaaten

11 Vgl. Rasbach, W. (2009), S.42

Page 20: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Übersicht Energiewirtschaft

Kerstin Hoder Seite 20 von 93

die Regelungen der Beschleunigungsrichtlinien aus dem Jahr 2003 in nationales

Recht umzusetzen haben.

Abbildung 2: Übersicht der Arten der Entflechtung und ihre Einführungszeitpunkte, in Anlehnung an

Appel et al. (2004), S.243

Die Richtlinien fordern von den EVU generell eine gegenüber dem bisherigen

Recht modifizierte buchhalterische und informatorische Entflechtung. Für einen

Teil der Unternehmen ist zudem ein Organisatorisches und Gesellschaftsrechtli-

ches Unbundling ihrer Netzbetreiber zwingend erforderlich. Auf der Grundlage ei-

ner sog. De-minimis-Regelung sind die Verteilernetzbetreiber mit weniger als hun-

derttausend angeschlossenen Kunden vom Organisatorischen und Gesellschafts-

rechtlichen Unbundling ausgenommen. Maßgeblich für die Berechnung der Kun-

denzahl sind dabei die gesamten Kunden einer ganzen Unternehmensgruppe.

Eine Unternehmensgruppe liegt dann vor, wenn ein EVU, das zwar für sich ge-

nommen weniger als hunderttausend Kunden beliefert, von einem anderen EVU

kontrolliert wird, sog. Konzernklausel. In solchen Fällen kommt es zu einer Zu-

sammenrechnung der jeweiligen Kundenzahl. Durch die gesetzlichen Vorschriften

und die Entwicklung der Märkte sieht sich jedes Unternehmen einer Entwicklung

wie in Abbildung drei exemplarisch dargestellt entgegen:12

12 Vgl. Klees, Langerfeldt (2005), S. 12

Page 21: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Übersicht Energiewirtschaft

Kerstin Hoder Seite 21 von 93

Abbildung 3: Grundsatzhaltung im Zusammenhang mit Entflechtungskonzepten

Das bisher integrierte EVU teilt sich in der Minimalvariante zumindest in die zwei

Geschäftsbereiche Netz und restliches Versorgungsunternehmen auf. Einige Auf-

gaben und Leistungen können von den jeweiligen Geschäftsbereichen einzeln

erfüllt werden. Andere Aufgaben haben dagegen einen Geschäftsfeld übergreifen-

den Charakter. Hier ist eine gemeinsame Steuerung und Bearbeitung der Tätigkei-

ten sinnvoll. Für diese ist die Einrichtung von Shared-Service-Gesellschaften

zweckmäßig. Die klassischen Aufgaben des Vertriebs verbleiben im EVU. Dazu

zählen im Wesentlichen das Produktmanagement, das Marketing, das Netznut-

zungsmanagement und die Energiebeschaffung. Zum Kern des Netzbereichs ge-

hören der Netzbetrieb, das Energiedatenmanagement, das Zählerwesen sowie

das Management von Hausanschlüssen. Für Aktivitäten und Aufgaben, welche auf

dieselben Datensätze und IT-Systeme zurückgreifen, entstehen durch die Bildung

einer gemeinsamen Abteilung Synergieeffekte. In wie fern die Nutzung dieser

Synergien vom Gesetzgeber erlaubt ist, wird in Kapitel 3.2 aufgegriffen. Genauso

die Betrachtung, welche Aufgaben in Form von Dienstleistungen in Shared-

Service-Gesellschaften ausgegliedert werden.

2.3.1 Buchhalterische Entflechtung

Gemäß EnWG § 10 sind alle EVU zur buchhalterischen Entflechtung gezwungen.

Auch diejenigen, die unter die De-Minimis-Klausel fallen und deshalb weder recht-

lich noch operativ entflechten müssen. Die Folgen bestehen darin, dass für die

interne Rechnungslegung dieselben Vorschriften anzuwenden sind, die im Han-

delsrecht für die externe Rechnungslegung vorgesehen sind. Innerhalb der inter-

Page 22: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Übersicht Energiewirtschaft

Kerstin Hoder Seite 22 von 93

nen Buchführung muss eine Kontentrennung für Übertragungs-, Verteilungs-, Er-

zeugungs- und Versorgungstätigkeiten stattfinden. Damit greifen die Vorschriften

des buchhalterischen Unbundlings nicht in die Struktur der Unternehmen ein. Es

erfolgt lediglich eine virtuelle Trennung der verschiedenen Unternehmensbereiche.

Dadurch wird eine Steigerung der Transparenz bei der unternehmerischen Kos-

tenzuordnung erreicht. Die buchhalterische Herauslösung der Kosten der Netz-

sparte soll zum Ausschluss von wettbewerbswidrigen Quersubventionierungen

durch die Netzsparten beitragen. Der unternehmensübergreifende Vergleich von

jeweils der Netzsparte zugewiesenen Kostenbestandteilen wird zudem erleichtert.

Bei einem integrierten EVU werden die Verträge zwischen Energievertrieb und

Netz für die Netznutzung meist als Rahmenverträge abgebildet. Bei der Vertrags-

abrechnung der Kunden wird dann für eine Abnahmestelle ein Vertrag angelegt,

der ein gemeinsames Produkt enthält und einem gemeinsamen Geschäftsbereich

zugeordnet ist. Die Preisbestandteile Netznutzung und Energie werden aber ein-

zeln definiert und kontiert. Innerhalb des Unternehmens werden die Kosten der

Netznutzung also kalkulatorisch in Rechnung gestellt. Dadurch führt die gesteiger-

te Transparenz in der Buchführung auch zu einer besseren Vergleichbarkeit der

Netznutzungsentgelte, die das integrierte Unternehmen von Wettbewerbern ver-

langt.13 Somit soll der Diskriminierung von Wettbewerbern beim Netzzugang ent-

gegengewirkt werden. Das buchhalterische Unbundling nimmt also im Rahmen

der Entgeltregulierung eine wichtige Hilfsfunktion ein: Eine Kontenführung, welche

die Kosten des Netzbetriebs transparent und unterscheidbar von den Kosten an-

derer Aktivitäten des integrierten Versorgungsunternehmens darstellt. Dies ist die

Grundbedingung für eine effektive Entgeltkontrolle zur Sicherstellung eines diskri-

minierungsfreien Netzzugangs. Zwar schließt die buchhalterische Entflechtung

weder Diskriminierungen noch Quersubventionierungen aus. Die virtuelle Tren-

nung der Unternehmensbereiche erleichtert aber den Kontrollbehörden die Aufde-

ckung von Diskriminierungen und Quersubventionierungen. Wettbewerbsverzer-

rungen werden also indirekt erschwert.

13 Vgl. Rasbach, W. (2009), S. 42

Page 23: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Übersicht Energiewirtschaft

Kerstin Hoder Seite 23 von 93

2.3.2 Informatorische Entflechtung

Die Verpflichtung zur informatorischen Entflechtung trifft ebenfalls alle vertikal in-

tegrierten EVU. Dabei ist der Schutz wirtschaftlich sensibler Daten Kern der Infor-

matorischen Entflechtung. Unter sensiblen Daten versteht man dabei Informatio-

nen die eine wirtschaftliche Bedeutung auf den vor- und nachgelagerten Wettbe-

werbsmärkten haben. Wirtschaftlich sensible Daten im Sinne dieses Paragraphen

sind beispielsweise:14

• Lastgangkurven von fremdversorgten Endkunden,

• Verbrauch von fremdversorgten Endkunden,

• Zählerstände fremdversorgter Endkunden,

• Identität des Lieferanten von Endkunden,

• Identität von wechselwilligen Kunden,

• Netzanschlussbegehren bzw. Lieferanfragen.

Auf der einen Seite umfasst das informatorische Unbundling die Sicherstellung der

Vertraulichkeit wirtschaftlich sensibler Informationen. Auf der anderen Seite erfor-

dert es die diskriminierungsfreie Offenlegung von Informationen, die einen wirt-

schaftlichen Vorteil bringen können. Dadurch sollen aus dem Netzbetrieb resultie-

rende Informationsvorsprünge der vertikal integrierten Unternehmen gegenüber

den nicht integrierten Wettbewerbern auf den dem Netzbetrieb vorgelagerten und

nachgelagerten Märkten ausgeschlossen werden. Betroffen sind fast alle Daten,

die Netzbetreiber im Betrieb sammeln. Ohne Ausnahmen dürfen entweder alle

Stromlieferanten an sensiblen Informationen teilhaben oder kein einziger Lieferant.

D.h. der Vertrieb eines Versorgungsunternehmens muss von allen wirtschaftlich

sensiblen Informationen ferngehalten werden, die der Netzbetrieb aus seinem Tä-

tigkeitsbereich erlangt. Im Wesentlichen betrifft dies Kundendaten, welche der

Vertrieb nutzen kann, um attraktive Konkurrenzangebote anzubieten. Der Vertrieb

eines integrierten Versorungsunternehmens bekommt nämlich einen erheblichen

14 Vgl. Schütz (2005), S. 16 [Stand 30.09.2009]

Page 24: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Übersicht Energiewirtschaft

Kerstin Hoder Seite 24 von 93

Vorteil, wenn er über die genauen Informationen des Energieverbrauchs der Kun-

den des Netzbetreibers verfügt. Aus diesem Grund müssen diese wirtschaftlich

sensiblen Daten auch intern streng vertraulich behandelt werden. Vertriebsorien-

tierte Mitarbeiter befassen sich z.B. mit der Akquise von Kunden oder der Ange-

botserstellung. Diese dürfen zukünftig nur Zugriff auf Daten haben, welche das

Unternehmen auch mit Strom versorgt. Die Mitarbeiter des Netzbereichs befassen

sich z.B. mit der Zählerablesung oder der Netzabrechnung. Diese müssen auch

den Zugriff auf Daten von fremdversorgten Kunden in ihrem Netzgebiet haben.

Abbildung 4: Datentrennung bei integrierten Versorgungsunternehmen

Die umfassend vorhandenen Datenbestände sind zukünftig dementsprechend ge-

trennt zu halten und zugänglich zu machen. Das Verbot der unternehmensinter-

nen Weitergabe bestimmter Informationen macht zum einen unternehmensinterne

Vorkehrungen bzgl. der Informationsverarbeitung und -bereitstellung notwendig.

Zum anderen müssen auch die Prozesse der integrierten Versorgungsunterneh-

men angepasst werden, um die sensiblen Daten des Netzbereichs zu schützen.

Betroffen sind insbesondere die Geschäftsprozesse in den folgenden Bereichen

betroffen:15

15 Vgl. PricewaterhouseCoopers AG WPG (2007), S.124

Page 25: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Übersicht Energiewirtschaft

Kerstin Hoder Seite 25 von 93

• Kundenbetreuung und Verwaltung von Kundendaten

• Energiedatenmanagement und Lieferantenwechsel

• Hausanschlusswesen, Verbrauchsabrechnung und Netzabrechnung

• Betreuung der IT-Strukturen und IT-Systeme

• Rechnungswesen und Managementprozesse des Netzbetreibers

Traditionell wurden von ein und derselben Person Aufgaben für den Netzbereich

und für den Vertriebsbereich erledigt, bei denen auch der Zugang zu sensiblen

Informationen des Netzbetreibers notwendig war. Hier ist laut Gesetz eine Tren-

nung vorzunehmen, die auf jeden Fall zu einer personellen und damit faktisch

auch zu einer organisatorischen Veränderung führen muss.

Ein Großteil dieser von der Entflechtung betroffenen Unternehmensprozesse wird

informationstechnisch unterstützt. Aus diesem Grund wirkt sich eine informatori-

sche Entflechtung zwangsläufig auch auf die den jeweiligen Prozess unterstützen-

de IT-Anwendung aus. Die Vorschriften des informatorischen Unbundlings ma-

chen Anpassungen bei den bislang genutzten IT-Systemen erforderlich. Dies be-

trifft hauptsächlich die elektronischen Datenverarbeitungssysteme, die im tech-

nisch, zeitlich und wirtschaftlich zumutbaren Rahmen so zu gestalten sind, dass

sensible Daten nur den jeweils Berechtigten zugänglich sind.16

Sowohl IT-Systeme als auch Geschäftsprozesse sind zur Erfüllung der gesetzli-

chen Anforderungen anzupassen bzw. neu zu definieren. Bei einigen IT-System

beschränkt sich der Anpassungsbedarf auf einen Zugriffsschutz gegen unberech-

tigte Anwender wie z.B. bei Zählerfernausleseprogrammen, Netzsteuerungssys-

temen, graphischen Informationssystemen sowie bei Systemen zum Fahrplanma-

nagement, zur Lastprognose oder zum Energiehandel. Kritisch sind dagegen Sys-

teme zu betrachten, die wirtschaftlich sensible Daten auswerten und zur Verfü-

gung stellen. Dazu gehören Energiedatenmanagementsysteme, Verbrauchsab-

rechnungssysteme und Kundeninformationssysteme, welche von den gesetzlichen

16 Vgl. Bundesregierung (2004), [Stand 30.09.2009], § 9

Page 26: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Übersicht Energiewirtschaft

Kerstin Hoder Seite 26 von 93

Anforderungen unmittelbar betroffen sind. Diese Systeme sind durch angemesse-

ne Berechtigungsregelungen zu schützen. Folgende IT-Lösungen bieten sich ge-

nerell in diesem Zusammenhang an:

(1) Bei der Auskunftslösung hat der Vertrieb keinen direkten Zugriff zum IT-

System. Eine diskriminierungsfreie Datentrennung erfolgt über separate Zugangs-

berechtigungen des Vertriebs. Es werden nur ausgewählte Daten in das CRM-

System des Vertriebs repliziert. Lediglich der Netzbetreiber hat die vollständige

Sicht auf Abrechnungsdaten. Diese Lösung ist relativ einfach und kostengünstig,

da kein Umbau des IT-Systems erfolgen muss und ein diskriminierungsfreier Da-

tenzugriff über Berechtigungskonzepte gewährleistet wird. In wie weit eine derarti-

ge Lösung von der Regulierungsbehörde auf Dauer anerkannt wird, bleibt aller-

dings abzuwarten.

(2) Durch eine Aufspaltung der Verträge für Vertrieb und Netz kann eine Ver-

tragstrennung erfolgen. Die Netznutzungs- und Energielieferungsverträge wer-

den getrennt abgebildet. Dadurch wird eine getrennte Abrechnung von Netznut-

zung und Energielieferung ermöglicht. Für die Bereiche Vertrieb und Netz werden

getrennte Buchungskreise geschaffen. Relevante Energiedaten zur Abrechnung

des Kunden stehen im zentralen Verbrauchsabrechnungssystem des integrierten

Energieversorgers weiterhin unmittelbar und zeitnah zur Verfügung. Damit sollten

die Daten auch den anderen Lieferanten z.B. zur Lastprognose oder zum Ver-

triebscontrolling diskriminierungsfrei zur Verfügung stehen. Die diskriminierungs-

freie Übermittlung zur Abrechnung benötigter Daten an die einzelnen Lieferanten

ist i.d.R. durch den Netzbetreiber durch Nutzung geeigneter Systeme zum Daten-

austausch sicherzustellen.17

(3) Bei der Umsetzung einer Mandantenlösung erfolgt die Trennung der Daten

für Netz und Vertrieb über verschiedene Mandanten im IT-System. Beide Bereiche

nutzen dieselbe Applikation über separate Mandaten. Es existieren mindestens

die zwei unterschiedlichen Vertragspartner Netzbetreiber und Vertrieb, denen un-

terschiedliche Kundenstammsätze und Verträge hinterlegt sind. Bei der Kommuni-

17 Vgl. BNetzA (2006), [Stand 30.09.2009], S.58

Page 27: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Übersicht Energiewirtschaft

Kerstin Hoder Seite 27 von 93

kation der beiden Mandanten miteinander entsteht eine gesetzlich erforderliche

Historie beim Datenaustausch.

(4) Die aufwendigste Lösung zur Umsetzung des Unbundling ist die Einführung

von zwei separaten IT-Applikationen für die Bereiche Vertrieb und Netz. Durch

eine Systemtrennung wird eine vollständige Trennung der Daten in zwei IT-

Systemen mit automatischem Datenaustausch gewährleistet. Die Systemtrennung

entspricht am weitesten dem Unbundling-Gedanken, ist aber auch mit den höchs-

ten Investitionskosten und mit zusätzlichen laufenden Betriebskosten verbunden.

Eine solche Lösung kommt daher allenfalls für größere Unternehmen in Frage o-

der für EVU, die sowieso eine Optimierung ihrer gesamten IT-Landschaft und Or-

ganisation planen.

Auf der einen Seite hat die informatorische Entflechtung also erhebliche Auswir-

kungen auf die vorhandenen Datenverarbeitungsprogramme und IT-Systeme. Auf

der anderen Seite werden auch organisatorische Änderungen erforderlich. Für

gemeinsame Funktionen des Vertriebs und Netzbetriebs bietet sich im Servicebe-

reich die Bildung einer zentralen und spezialisierten Abteilung, die Ausgliederung

in eine rechtlich unabhängige Gesellschaft oder eine Fremdvergabe an externe

Marktteilnehmer an. Wichtig ist dabei die Sicherstellung, dass Informationen über

Netzkunden nur an die Netzgesellschaft und Vertriebskundeninformationen nur an

die Vertriebseinheit weitergegeben werden.18 Neben der Synergiewahrung ergibt

sich bei dieser Lösung auch eine weitgehende Einhaltung des Prinzips „One face

to the customer“. Die Shared Services stehen dabei beiden Unternehmensberei-

chen zur Verfügung. Bei einer unternehmensinternen Lösung muss das Versor-

gungsunternehmen nicht auf die Synergieeffekte einer gemeinsamen IT und für

beide Bereiche zuständiges Personal verzichten. Vorhandenes Know-How, ge-

schultes Personal und die bestehende IT-Landschaft können weiterhin genutzt

werden. Im IT-System werden die Bereiche Vertrieb und Netzbetrieb als einzelne

Mandanten getrennt voneinander geführt oder die beiden Bereiche kommunizieren

über unterschiedliche IT-Applikationen miteinander. Die Service-Gesellschaft z.B.

für die Abrechnung stellt dem integrierten Versorgungsunternehmen eine Gesamt-

18 Vgl. Cord et al (2003), S. 8

Page 28: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Übersicht Energiewirtschaft

Kerstin Hoder Seite 28 von 93

rechnung über die Leistungen Netz und Energie aus. Ein fremder Energielieferant

erhält von der Service-Gesellschaft nur Rechnungen über Netznutzungsentgelte.

Für das integrierte Versorgungsunternehmen erzeugt und bucht der Shared Servi-

ce Umbuchungsbelege sowohl für Netz als auch Energielieferung. Im CRM-

System des Service-Dienstleisters wird den Mitarbeitern der Netzgesellschaft und

der Vertriebsgesellschaft ein Informationszugang in die angeschlossenen Soft-

ware-Systeme gewährt, die entsprechend der Marktrollentrennung mit bestimmten

Berechtigungen versehen sind. Im Falle der gemeinsamen Nutzung des Kunden-

informationssystems durch Netzbetreiber und Energielieferant muss geklärt wer-

den, ob die Regulierungsbehörde die fehlenden Nachweise für den Datenaus-

tausch gemäß Marktregeln zwischen den einzelnen assoziierten Unternehmen

akzeptiert.19

Abbildung 5: Schnittstellen zwischen Vertrieb und Netz; in Anlehnung an Werlein (2009), S.8

Alternative Lösungen, wie z.B. die Doppelung der Funktionen Kundenbetreuung

und Abrechnung in Netz und Vertrieb oder der Verbleib des Mess- und Zählwe-

sens in der Netzgesellschaft, sind weniger synergie- und schnittstellenoptimal.20

Die gemeinsame Service-Gesellschaft bildet eine ideale Plattform für alle ener-

giewirtschaftlichen Datenströme des entflochtenen EVU. Die datentechnischen

und prozessualen Schnittstellen können minimiert werden. Desweiteren kann eine

19 Vgl. Knopf (2005), S. 154 20 Vgl. Klees, A., Langerfeldt, M.(2005), S. 134

Page 29: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Übersicht Energiewirtschaft

Kerstin Hoder Seite 29 von 93

homogene Datenqualität sowie eine identische Servicequalität gegenüber Netz

und Vertrieb sichergestellt werden. Da diese Funktionen weder unmittelbar zum

Kerngeschäft des Netzbetriebs noch unmittelbar zum Kerngeschäft des Vertriebs

gehören, eröffnete sich die Möglichkeit, diese Aufgaben an externe Anbieter zu

vergeben.

2.3.3 Organisatorische Entflechtung

Von der organisatorischen Entflechtung ausgenommen sind Verteilernetzbetrei-

ber, die unter die De-Minimis-Regel fallen. Die Forderungen des Organisatori-

schen Unbundlings betreffen im Wesentlichen die Unabhängigkeit des Netzbetrei-

bers. Somit umfasst die organisatorische Entflechtung alle Maßnahmen, die auf

organisatorischer Ebene eine Trennung der monopolistischen Netzsparte von den

sonstigen Tätigkeiten eines vertikal integrierten Unternehmens bewirken. Die or-

ganisatorische Trennung des Geschäftsbereichs Netz umfasst eine personelle

Trennung, die Gewährleistung der beruflichen Handlungsunabhängigkeit, die Si-

cherung der tatsächlichen Entscheidungsbefugnisse des Netzbetreibers sowie die

Verpflichtung zur Festlegung, Bekanntmachung und Überwachung eines Gleich-

behandlungsprogramms.21 Gemäß EnWG § 8 wurde die personenidentische Be-

setzung der Leitung eines Bereichs Erzeugung oder Vertrieb einerseits und zu-

sätzlich die Leitung eines Unternehmens im Bereich der Energieversorgungsnetze

andererseits ausgeschlossen. Dies soll insbesondere dazu führen, dass die Lei-

tung des Netzbetriebs tatsächliche Entscheidungsbefugnisse und weisungsfreie

Handlungsfähigkeit besitzt. Dadurch erfolgt innerhalb des Unternehmens eine

Trennung in unabhängige Geschäftsbereiche. Desweiteren werden auch strenge

Anforderungen an die Unabhängigkeit des oberen und mittleren Managements

des Netzbetreibers gestellt. So besteht diesbezüglich die gesetzliche Anforderung

zur Einrichtung eines eigenständigen operativen Managements mit voneinander

unabhängigen Entscheidungsbefugnissen für die verschiedenen Geschäftsberei-

che. Aus Sicht des bislang integrierten Versorgungsunternehmens ist der Verlust

von bisher nutzbaren Synergieeffekten eine sehr schwerwiegende Folge. Zudem

erhöht eine Trennung auf organisatorischer Ebene die Wirksamkeit von Informati-

21 Vgl. PricewaterhouseCoopers AG WPG (2007), S.86

Page 30: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Übersicht Energiewirtschaft

Kerstin Hoder Seite 30 von 93

onssperren. Durch die Installation eines eigenständigen, operativen Managements

der Netzsparte entsteht eine innerbetriebliche Konkurrenz, denn jedes Manage-

ment wird daran interessiert sein, dass sein jeweiliger Unternehmensbereich hohe

Gewinne erwirtschaftet. Eine Kostenzuordnung zu Lasten des Netzbereichs im

Rahmen der Gemeinkostenschlüsselung liegt nicht im Interesse des Netzmana-

gements. Dadurch wird der Anreiz zur Quersubventionierung und Diskriminierung

erheblich verringert. Allerdings verbleibt das Interesse der Leitung des vertikal in-

tegrierten Unternehmens bestehen, die Gesamtbilanz zu optimieren, u.U. auch zu

Lasten der Netzsparte.22 Größere EVU nutzen verstärkt das Thema des Organisa-

torischen Unbundlings, um notwendig gewordene Veränderungen insbesondere in

den IT-Systemen, den Geschäftsprozessen oder der Organisationsstruktur voran-

zutreiben. Der Aufbau eines eigenständigen Managements für den Bereich Netz-

betrieb ist insbesondere für kleinere und mittlere Stadtwerke sehr kostspielig. Die

Suche und der Zusammenschluss von Kooperationspartnern gewinnt in diesem

Zusammenhang eine wichtige Bedeutung. Durch eine Vergrößerung des Netzbe-

reichs können die höheren Kosten des Managements leichter getragen werden.

2.3.4 Gesellschaftsrechtliche Entflechtung

Die Vorschriften der Richtlinien zur gesellschaftsrechtlichen Entflechtung verlan-

gen eine rechtliche Selbstständigkeit der Netzbetreiber. Die Netzbetreiber sind

durch die rechtliche Entflechtung dazu gezwungen, hinsichtlich ihrer Rechtsform

unabhängig von anderen Tätigkeitsbereichen der Energieversorgung zu sein. Das

bedeutet, dass für den Netzbetrieb eine eigene Rechtsperson gebildet werden

muss. Da es hinsichtlich der Rechtsform keine Vorschriften gibt, kommen sowohl

Kapitalgesellschaften als auch Personengesellschaften in Betracht. Damit obliegt

es den EVU, die Rechtsform des Netzbetreibers zu wählen. Sie können also für

den Netzbetrieb eine eigenständige AG, GmbH, OHG oder KG gründen, wobei

jegliche Mischformen ebenfalls denkbar sind. Bei der Umsetzung der rechtlichen

Entflechtung des Netzbetriebs steht das EVU vor zwei verschiedenen Alternativen

hinsichtlich der Art und Weise. Dem Versorgungsunternehmen bietet sich die

Möglichkeit, den Netzbetrieb an eine Tochter- oder Schwestergesellschaft zu ver-

22 Vgl. Rasbach, W. (2009), S. 48

Page 31: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Übersicht Energiewirtschaft

Kerstin Hoder Seite 31 von 93

pachten. Oder es kann den Netzbetrieb mit oder ohne Eigentum an den Netzanla-

gen auf eine Tochter- oder Schwestergesellschaft dauerhaft übertragen. D.h. der

neue Netzbetreiber muss nicht zwangsläufig der Eigentümer des Netzes sein, er

kann auch auf Grund eines Pachtvertrages das Übertragungs- und Verteilernetz

betreiben.23 Die Übertragung kann durch einen Kaufvertrag, im Rahmen einer Ab-

spaltung oder Ausgliederung, sowie durch eine isolierte Sachkapitaleinbringung

erfolgen.24 Die vier grundlegenden Varianten der gesellschaftsrechtlichen Ausges-

taltung und die Einordnung des Netzbereichs werden in Kapitel fünf diskutiert. Al-

len Modellen gemeinsam ist, dass die Unternehmensbereiche Netz und Energie-

lieferung in getrennte Gesellschaften überführt werden. Insoweit bewirkt das Ge-

sellschaftrechtliche Unbundling lediglich eine strukturelle Trennung verschiedener

Unternehmensbereiche. Eine darüber hinausgehende Unabhängigkeit wird da-

durch nicht zwingend notwendig. Die von der Politik gewünschte Unabhängigkeit

ergibt sich jedoch im Regelfall aus dem Zusammenspiel mit dem Informatorischen

und Organisatorischen Unbundling.

23 Vgl. PricewaterhouseCoopers AG WPG (2007), S.18 24 Vgl. Appel et al (2004), [Stand 30.09.2009], S.244

Page 32: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse des Marktmodells für Vertrieb und Netzbetreiber

Kerstin Hoder Seite 32 von 93

3 Analyse des Marktmodells für Vertrieb und Netzbetreiber

In diesem Kapitel sollen zuerst die Energieversorgungsunternehmen und ihre Auf-

gaben kurz dargestellt werden. Es folgt eine Erläuterung der Organisationsstruktur

der Versorgungsunternehmen und die Möglichkeiten der Einordnung der Netzge-

sellschaft im Konzern. Hierbei spielt auch die Gestaltung der Shared-Service-

Gesellschaften eine wichtige Bedeutung. Es sollen Eigenschaften, Vorteile und

Formen von Shared Services aufgezeigt werden. Anschließend werden die Mög-

lichkeiten der Übertragung von Dienstleistungen an externe Anbieter und Alterna-

tiven zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit erläutert.

3.1 Die Energieversorgungsunternehmen: Kommunale Unternehmen,

regionale Unternehmen und Konzerne

Die öffentliche Elektrizitätsversorgung umfasst in Deutschland etwa tausendein-

hundert gemischt wirtschaftliche, öffentliche und private EVU, die sich hinsichtlich

Absatz, Erzeugungskapazität, Zugang zu Primärenergiequellen und Beteiligungs-

struktur voneinander unterscheiden. Die Liberalisierung des deutschen Energie-

marktes führte zu umfassenden Veränderungen in der Struktur der deutschen E-

nergiewirtschaft. Durch Fusionen, Kooperationen und strategische Allianzen hat

sich die Anbieterstruktur seit der Marktöffnung 1998 deutlich verändert. Die Anzahl

von ehemals acht Verbundunternehmen reduzierte sich durch Zusammenschlüsse

auf vier große Stromkonzerne: Die Dortmunder VEW AG ging in der RWE AG auf.

Die VEBA AG und die VIAG AG schlossen sich zur E.ON AG zusammen. Mit der

Übernahme der Verbundnetzbetreiber Bewag und HEW sowie des Stromerzeu-

gers VEAG etablierte sich der schwedische Energiekonzern Vattenfall. Als vierter

Großkonzern etablierte sich die EnBW. Neben den vier Verbundunternehmen und

Übertragungsnetzbetreibern RWE, E.ON, Vattenfall und EnBW existierten laut

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 2006 ca. fünfzig reine Stromerzeu-

ger, sechzig regionale Versorger, fünfundzwanzig größere Stadtwerke, sieben-

hundert mittlere und kleine Stadtwerke, hundert kleine private Versorger und hun-

dertfünfzig neue Marktteilnehmer.25 Während sich die großen international agie-

renden Energiekonzerne auf Erzeugung, Transport und Absatz von Energie und

25 Vgl. Krisp (2008), S.110

Page 33: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse des Marktmodells für Vertrieb und Netzbetreiber

Kerstin Hoder Seite 33 von 93

Instandhaltung und Pflege der Hochspannungsnetze konzentrieren, haben die

Regional- und Kommunalversorger neben dem Betrieb von Mittel- und Nieder-

spannungsnetzen vor allem die Aufgabe, ausreichend Energie zur Wahrnehmung

ihrer Versorgungspflicht zu beschaffen und diese bürgernah vor Ort zu vertreiben.

Die wenigsten Regional- und Kommunalversorger verfügen über ausreichend ei-

gene Erzeugungskapazitäten und versuchen die Energie möglichst günstig zu

kaufen. Die Verbindung zu den großen Konzernen bei der Strombeschaffung

macht sie für diese gleichzeitig als Verkaufsfiliale vor Ort interessant. Aus diesem

Grund gehören auch viele Stadtwerke mittlerer Größe zu einem großen Energie-

konzern. Die Forderung der rechtlichen Entflechtung von Netzgesellschaften hat in

der Praxis dazu geführt, dass die Netzgesellschaften überaus schlank aufgestellt

sind. D.h. im Namen der Netzgesellschaft agieren nur wenige Leitungspersonen,

während das Geschäft von den bisherigen EVU betrieben wird. Für den Netz-

betreiber hat dies zur Folge, dass er oftmals nicht das Know-How besitzt, das für

einen eigenständigen Netzbetrieb unerlässlich ist. Der zunehmende Wettbe-

werbsdruck und die steigenden gesetzlichen Anforderungen haben sowohl auf

Seite der Netzgesellschaften als auch auf Seite der lokalen Versorgungsunter-

nehmen zu Kooperationen und neuen Organisationsformen geführt. So haben z.B.

mehrere Energieversorgungsunternehmen in der rheinischen Region die Rheini-

sche Netzgesellschaft als gemeinsame regionale Netzbetreibergesellschaft ge-

gründet. Diese betreibt, plant und baut Verteilnetze für Gas und Strom unter ande-

rem für die Städte Köln und Leverkusen. Die Kooperationen kleinerer und mittlerer

Stadtwerke sind ebenfalls erfolgreich. Die Stadtwerke München GmbH, die HEAG

Südhessische Energie AG und die Stadtwerke Mainz AG gründeten im Jahr 2001

als Verbund kommunaler Energieversorger eine Stadtwerke Allianz, die Citiworks

AG. Das Energieunternehmen nutzt die Synergiepotenziale seiner Gesellschafter

und Kunden beim internationalen Energiehandel.

Kritisch ist zu bemerken, dass es gerade mit dem Anfang der Liberalisierung im

Jahre 1998 zu einigen großen Fusionen kam und sich die vier größten deutschen

Energieversorgungsunternehmen deutlich von den restlichen Marktteilnehmern

absetzen konnten. Diese Fusionen geben durchaus Anlass, über eine Verschär-

fung der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht nachzudenken.

Page 34: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse des Marktmodells für Vertrieb und Netzbetreiber

Kerstin Hoder Seite 34 von 93

3.2 Gestaltungsmodelle zur Einordnung der Netzgesellschaft

Gestaltungsmodelle zur Umsetzung der Entflechtungsvorgaben gibt es viele. Das

optimale Gestaltungsmodell eines Versorgungsunternehmens ist vor allem abhän-

gig von der spezifischen Ausgangssituation und der jeweiligen unternehmerischen

Zielsetzung. Daher ist Unbundling eine gesamtunternehmerische Aufgabe, bei der

strategische, rechtliche, steuerliche, organisatorische, personelle und informati-

onstechnische Aspekte ganzheitlich zu betrachten sind. Vier Grundmodelle wer-

den im Folgenden vorgestellt. Allen Modellen ist gemeinsam, dass bereits im Pla-

nungsstadium steuerliche Parameter zu beachten sind, und zwar sowohl bei der

Etablierung der entflochtenen Struktur als auch im Hinblick auf die zukünftige lau-

fende Besteuerung. Vor dem Hintergrund der Steueroptimierung beim Unbundling

hat das Steuerrecht Einfluss auf die Entscheidung der Übertragung des Eigentums

am Netz oder der bloßen Nutzungsüberlassung sowie auf die Wahl der Rechts-

form der Netzgesellschaft.26 Das neue EnWG verlangt zwar eine rechtlich ver-

selbstständigte Organisation des Netzbetriebs, sagt aber nichts darüber aus, wie

ein bislang integriertes Energieversorgungsunternehmen nach der rechtlichen Ent-

flechtung aufgebaut sein soll. Die Bundesnetzagentur und die allgemeine Literatur

gehen davon aus, dass es der Netzbereich ist, der von den übrigen Bereichen ge-

trennt und in eine rechtlich selbstständige Gesellschaft überführt werden muss.27

Den denkbaren gesellschaftlichen Konfigurationen zur Ansiedlung des Netzbe-

reichs in einem Versorgungskonzern liegen folgende Typen zu Grunde: Das Spar-

tenmodell, das Tochtermodell, das Schwestermodell und das Holdingmodell.

Die Organisation gemeinsamer Dienstleistungen für den Vertrieb und den Netzbe-

reich stellen einen der wichtigsten Bereiche dar, die im Rahmen der Entflech-

tungsforderungen verändert werden müssen. Für die Unternehmen ergeben sich

vier mögliche Handlungsalternativen. Davon sind die ersten drei Optionen interne

Organisationsformen, wohingegen die vierte Variante eine externe Lösung dar-

stellt:

1. Einrichtung separater Servicefunktionen für Netz und Vertrieb

26 Vgl. Appel et al (2004), [Stand 30.09.2009], S.245 27 Vgl. PricewaterhouseCoopers AG WPG (2007), S.34

Page 35: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse des Marktmodells für Vertrieb und Netzbetreiber

Kerstin Hoder Seite 35 von 93

2. Einrichtung einer Abteilung für Servicefunktionen des Gesamtunterneh-

mens innerhalb des Netzbereichs

3. Einrichtung einer eigenständigen Shared-Service-Abteilung für Servicefunk-

tionen des Gesamtunternehmens

4. Vergabe der Servicefunktionen an einen externen Dienstleister

Die Einführung einer Shared-Service-Abteilung, also die dritte Option, wurde bei

allen Modellen im Folgenden berücksichtigt. Die Ausgestaltung des Bereichs für

Servicefunktionen gestaltet sich vor dem Hintergrund des Informatorischen Un-

bundling in der Praxis schwierig. Typische Servicefunktionen sind z.B. das Mess-

und Zählwesen, das Energiedatenmanagement, die Kundenbetreuung und die

Abrechnung. Bei allen genannten Prozessen wird u. U. auf wettbewerbsrelevante

Informationen des Netzbetreibers zurückgegriffen. Das Unternehmen muss si-

cherstellen, dass diese Informationen dem eigenen Vertrieb nur in derselben Wei-

se zur Verfügung gestellt werden wie einem dritten Energielieferanten. Die Stelle,

an welcher diese Abteilung dann je nach Modelltyp in die Unternehmensorganisa-

tion eingeordnet wird, spielt dabei eine weniger entscheidende Rolle.

Die Kundenservice-Gesellschaft bildet eine ideale Plattform für alle energiewirt-

schaftlichen Datenströme des entflochtenen EVU. Vorteile einer solchen Ausges-

taltung sind die Minimierung der datentechnischen und prozessualen Schnittstel-

len, die Sicherstellung einer homogenen Datenqualität sowie eine identische Ser-

vicequalität gegenüber Netz und Vertrieb. Alternativ kann diese Datenplattform

zusammen mit dem Mess- und Zählerwesen auch bei der Netzgesellschaft ange-

siedelt werden. Diese Ausgestaltung wäre allerdings bei Zentralisierung der Funk-

tionen Abrechnung und Kundenbetreuung schnittstellenintensiver.

3.2.1 Spartenmodell

Der geringste Aufwand zur Erfüllung der organisatorischen Entflechtung entsteht

für ein Versorgungsunternehmen durch die Bildung eines Profit-Centers Netz un-

ter Beibehaltung möglichst vieler Prozesse und der Organisationsstruktur. Eine

derartige Minimallösung zur organisatorischen Umsetzung des Unbundlings mün-

det in ein Spartenmodell entlang der Wertschöpfungskette mit einem eigenständi-

gen Netzbereich. Dieses Modell erfüllt jedoch nur die Forderungen des buchhalte-

Page 36: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse des Marktmodells für Vertrieb und Netzbetreiber

Kerstin Hoder Seite 36 von 93

rischen, informatorischen und organisatorischen Unbundlings. Die für Netzbetrei-

ber mit mehr als hunderttausend Kunden geltenden Anforderungen der gesell-

schaftsrechtlichen Entflechtung werden damit nicht erfüllt. Somit kommt dieses

Modell nur für Netzbetreiber mit weniger als hunderttausend Kunden in Frage.

Abbildung 6: Spartenmodell, Appel et al. (2004), S.243

Neben den separaten Abteilungen für Erzeugung, Netzbetrieb und Vertrieb be-

steht zum einen eine zentrale Abteilung, die Zentralfunktionen für das EVU er-

bringt. Darunter fallen z.B. das Controlling und die Unternehmensentwicklung.

Kaufmännische Unterstützungsfunktionen wie Personalwesen, Buchhaltung, Ma-

terialwirtschaft, Juristische Dienste oder IT-Support fungieren bereits heute bei

vielen EVU als interne Service Provider und sind über Service-Level-Agreements

mit den Kernfunktionen verbunden. Dieser Trend wird sich durch die Reaktion auf

das Unbundling weiter verstärken, um Synergien über die getrennten Einheiten

Netz und Vertrieb zu wahren. Zum anderen existiert eine Abteilung, welche Servi-

cefunktionen für die Bereiche Erzeugung, Netzbetrieb und Vertrieb im Zusam-

menhang mit der Kundenbetreuung erbringt. Diese Einheit können als Bereiche

geführt werden. Der Bereich hat den Vorteil der Vereinfachung der unternehmeri-

schen Koordination in der Unternehmensgruppe mit Hilfe einheitlicher Stan-

dards.28 Die Geschäftsbereiche sind weitgehend autonom aufgestellt und können

flexibel agieren, da die einzelnen Bereiche Unternehmen im Unternehmen bilden.

Für die einzelnen Geschäftsbereiche werden so genannte Sparten- oder Bereichs-

28 Vgl. Cord et al. (2003), S.8

Page 37: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse des Marktmodells für Vertrieb und Netzbetreiber

Kerstin Hoder Seite 37 von 93

leiter ernannt. Dadurch wird die Unternehmensleitung des Konzerns von den ope-

rativen Aufgaben der einzelnen Geschäftsbereiche befreit.

3.2.2 Tochtermodell

Das Tochtermodell zeichnet sich dadurch aus, dass der Netzbetrieb in eine Toch-

tergesellschaft überführt wird, deren Anteile zu hundert Prozent das ursprüngliche

Versorgungsunternehmen hält.29 Wie die folgende Abbildung zeigt, verbleiben die

Funktionen Erzeugung und Vertrieb wie auch Zentral- und Servicefunktionen in

der Muttergesellschaft:

Abbildung 7: Tochtermodell, Appel et al. (2004), S.244

Zur Vermeidung hoher Synergieverluste durch den Aufbau einer eigenständigen

und vollständig ausgestatteten Unternehmenszentrale in der Netzgesellschaft sind

laut BGB Dienstleistungsabkommen mit dem Versorgungsunternehmen bzw. drit-

ten Unternehmen zu schließen. Dabei besteht kein Zweifel, dass die entflech-

tungsrechtlichen Vorgaben des EnWG erfüllt werden. Auch hier muss jedoch ge-

nau geprüft werden, welche Aufgaben nicht zwingend durch das Netzunterneh-

men selbst wahrgenommen werden müssen.30 Neben der rechtlichen Selbststän-

digkeit muss auch eine wirtschaftliche Unabhängigkeit der Tochtergesellschaft

gewährleistet werden. Die Muttergesellschaft besitzt jedoch weiterhin Aufsichts-

rechte. Für dieses Modell spricht der geringe Umsetzungsaufwand, da man sich

ausschließlich auf die Realisierung der gesetzlichen Mindestanforderungen kon-

29 Vgl. Büdenbender, Rosin (2005), S.121 30 Vgl. Steinbauer (2006), S. 52

Page 38: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse des Marktmodells für Vertrieb und Netzbetreiber

Kerstin Hoder Seite 38 von 93

zentriert. Gesellschaftliche Kooperationen mit der Netzgesellschaft lassen sich

unproblematisch umsetzen. Die Alternative Tochtergesellschaft führt zu einer bes-

seren Abschöpfung von Geschäftsvolumina aus Drittmarktpotentialen. Deswegen

ist das Tochtermodell in der Praxis die Umsetzungsform für die rechtliche Ent-

flechtung, die in den weitaus meisten Fällen von kleineren Unternehmen gewählt

wird.

3.2.3 Schwestermodell

Im Falle eines Schwestermodells wird der Netzbereich in eine Gesellschaft über-

führt, die neben dem Versorgungsunternehmen steht. Anteilseigner der Schwester

sind diejenigen, die auch die Anteile am eigentlichen Versorgungsunternehmen

halten:

Abbildung 8: Schwestermodell, Appel et al. (2004), S.244

Geht man von einem typischen Stadtwerk aus, würden die Kommune und ggf.

weitere Anteilseigner wie z.B. Lieferanten Anteile sowohl am Stadtwerk als auch

an einer daneben befindlichen Netzgesellschaft halten. Eine einheitliche Konzern-

führung wäre in diesem Fall erschwert möglich. Das Stadtwerk bzw. das Versor-

gungsunternehmen haben keinen Einfluss mehr auf die Schwestergesellschaft, da

die Netzgesellschaft als Schwester gleichberechtigt ist. Es gibt keine Instanz über

der Netzgesellschaft und dem EVU, die für beide Unternehmen eine geschlossene

Strategie durchsetzen könnte. Dies ist besonders problematisch, wenn Netzge-

sellschaft und nebenstehendes Unternehmen in den Händen mehrerer Anteilseig-

ner liegen. Stellt die Kommune den alleinigen Anteilseigner von Stadtwerk und

Page 39: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse des Marktmodells für Vertrieb und Netzbetreiber

Kerstin Hoder Seite 39 von 93

Netzgesellschaft dar, besteht das Problem, dass auf kommunaler Ebene u.U. nicht

ausreichend Fachwissen vorhanden ist, um den Konzern erfolgreich zu führen.31

3.2.4 Holdingmodell

Als weiteres Modell, das jedoch eher für große Unternehmen in Frage kommt, bie-

tet sich das Holdingmodell an:

Abbildung 9: Holdingmodell, Appel et al. (2004), S.243

Dieses Modell zeichnet sich dadurch aus, dass unter einer konzernleitenden Ge-

sellschaft eine Tochtergesellschaft für den Netzbetrieb und weitere Tochtergesell-

schaften angesiedelt sind. Die Holding-Gesellschaft übernimmt die Leitung des

Gesamtkonzerns, während das Netz und die übrigen Wettbewerbsbereiche unter-

einander gleichgeordnete Schwestergesellschaften darstellen. Erzeugung, Netz

und Vertrieb agieren als eigenständige Unternehmen am Markt, die von einer Hol-

ding strategisch geführt werden. Diese Variante ist insbesondere für diejenigen

EVU eine interessante Option, die über die notwendige kritische Masse verfügen,

um effiziente Tochterunternehmen in allen Wertschöpfungsstufen gründen zu

können. Der Nachteil des Modells besteht darin, dass Holdingstrukturen relativ

komplex und aufwändig sind. Damit ist es insbesondere für kleinere Unternehmen

ungeeignet. Servicefunktionen wie Abrechnung, Buchhaltung und IT können eben-

falls in einer gemeinsamen Shared-Service-Gesellschaft (SSG) gebündelt werden,

die selbständig am Markt auch für Dritte Dienstleistungen erbringt. Alternativ kön-

31 Vgl. PricewaterhouseCoopers AG WPG (2007), S.18

Page 40: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse des Marktmodells für Vertrieb und Netzbetreiber

Kerstin Hoder Seite 40 von 93

nen diese Funktionen auch in den einzelnen Gesellschaften oder zentral in der

Holding angesiedelt werden, wobei letztere Variante im Fall gemeinsam genutzter

Dienstleistungen, „falls sie erlaubt sind“, im Auslegungsvermerk der EU-

Kommission favorisiert wird. Durch dieses Modell lassen sich die Synergien zwi-

schen der Strom-, Gas-, Wasser- und Wärmeversorgung weiterhin im Sinne eines

Querverbundes nutzen. In allen Wertschöpfungsstufen können ohne aufwändige

Herauslösungsprozesse horizontale Kooperationen eingegangen werden. Da-

durch können Größen- und Synergieverluste teilweise kompensiert werden. In der

Praxis strebt die überwiegende Mehrheit der großen integrierten Energieunter-

nehmen und Regionalverteiler eine solche Lösung an.32

3.3 Shared Service Center als Organisationsform für Energieunter-

nehmen

In der deutschsprachigen Literatur ist eine erste, grundlegende Definition von Ka-

gelmann für das Konzept des Shared-Service-Centers (SSC) weit verbreitet. Er

beschreibt das SSC-Konzept als einen „[…] Organisationsansatz zur Bereitstel-

lung von internen Dienstleistungen für mehrere Organisationseinheiten mittels

gemeinsamer Nutzung von Ressourcen innerhalb einer Organisationseinheit“.33

Wesentliche Merkmale von Shared Services sind somit die Konsolidierung und

Zentralisierung von Dienstleistungsprozessen einer Organisation. Dabei werden

gleichartige Prozesse aus verschiedenen Bereichen eines Unternehmens bzw.

einer Organisation zusammengefasst und von einer zentralen Stelle oder Abtei-

lung erbracht. Die anbietende Stelle kann als SSC bezeichnet werden. Abteilun-

gen, welche die Dienstleistungen in Anspruch nehmen, stehen in einer Art Kun-

den-Dienstleister-Verhältnis zum SSC. Durch die Vereinbarung von Service-Level-

Agreements werden die Erwartungen der internen Kunden klar formuliert und die

Leistungen des SSC werden mit direkten Umsätzen verbunden.

Hauptursache für die Entwicklung von Shared Services war die steigende Ten-

denz zur Dezentralisierung von internen Dienstleistungen in diversifizierten Unter-

nehmen. Üblicherweise erzeugt diese Mehrspurigkeit an sekundären Dienstleis-

32 Vgl. Klees, Langerfeldt (2005), S.227 33 Kagelmann (2001), S.187

Page 41: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse des Marktmodells für Vertrieb und Netzbetreiber

Kerstin Hoder Seite 41 von 93

tungsprozessen enorme Personal- und Infrastrukturkosten. Gleichzeitig werden

unterstützende Tätigkeiten von den Geschäftsbereichen als notwendiges Übel und

eher belastende Nebentätigkeit durchgeführt. Es besteht die Möglichkeit für zent-

rale Bereiche, die von mehreren Unternehmensteilen genutzt werden, Shared

Services zu bilden. Dadurch lassen sich Synergien auch weiterhin bei der Erbrin-

gung dieser Dienstleistungen erzielen. Durch die interne Auslagerung und die Ag-

gregation von Transaktionen werden Kosten und Doppelaufwände eingespart.

Das SSC agiert als Dienstleistungsspezialist und generiert einen eigenen Wertbei-

trag für das Unternehmen.34 Vereinfachte Steuerungsmechanismen über Verrech-

nungspreise erzeugen ein verstärktes Kostenbewusstsein der Auftrag gebenden

Bereiche und erhöhen die Kostentransparenz. Desweiteren erleichtert die Bildung

von Shared Services die Konzentration anderer Bereiche auf das Kerngeschäft

und der Shared-Service-Bereich gewinnt eine erhöhte Marktorientierung.35

Durch die Konzentration von Prozessen, die bisher über das Unternehmen verteilt

waren, können Kosteneinsparungen und eine Verbesserung der internen Service-

qualität erreicht werden. Für die Qualität der Leistung bietet der externe Marktzu-

gang einen entscheidenden Vorteil. Dadurch, dass die eigenen Leistungen mit

denen von Anbietern am externen Markt auf der Basis von Marktpreisen direkt

vergleichbar sind, muss das SSC ständig um seine Effizienz und Wettbewerbsfä-

higkeit bemüht sein. Das SSC betrachtet die Prozesse, die in den strategischen

Geschäftsbereichen nur als Unterstützungsprozesse angesehen werden, als eige-

ne Kernprozesse. Es stellt eine eigenständige, serviceorientierte und marktorien-

tierte Organisationseinheit dar, die sich durch eine eigene Ergebnisverantwortung

auszeichnet. Durch eine Spezialisierung des SSC sind als weitere Vorteile der

Lernkurveneffekt und als Folge niedrigere Fehlerraten zu erwarten. Die Steigerung

der Prozesseffizienz resultiert aus der Zusammenlegung gleichartiger Prozesse,

aus der sich Skaleneffekte ergeben. Durch eine Verlagerung des Ortes sind Re-

duzierungen für Miet-, Gebäude-, Neben-, Telekommunikations- und Reisekosten

möglich. Desweiteren sind Kostenreduzierungen bei Löhnen und Gehältern durch

eine Anwendung tarifbezogener Veränderungen denkbar. Rechtliche und regulato-

34 Vgl. Perez (2008), S.18 35 Vgl. PricewaterhouseCoopers AG WPG (2007), S.260

Page 42: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse des Marktmodells für Vertrieb und Netzbetreiber

Kerstin Hoder Seite 42 von 93

rische Anforderungen führen ebenfalls immer häufiger dazu, dass Prozesse in ein

Shared-Service-Center verlagert werden, um sie besser kontrollieren zu können.

Meist wird noch als Vorteil genannt, dass das Management eines Unternehmens

sich auf die Kernprozesse konzentrieren kann. Dies kann ein Trugschluss sein,

wenn die Managementprozesse zur Planung, Steuerung und Kontrolle eines

SSCs komplett bestehen bleiben und nicht verschmälert werden können. Die Pro-

zesse in den ursprünglichen Abteilungen müssen entsprechend angepasst wer-

den. „Die Umsetzung von Shared-Service-Centern sollte (…) nicht eine einfache

Zentralisierung der bestehenden Aufbauorganisation in den einzelnen Unterneh-

mensbereichen des EVU umfassen, sondern zu einer ziel- und marktorientierten

Neustrukturierung und Fokussierung von Aufgaben und Verantwortlichkeiten mit

definierten Schnittstellen und überwachbaren Service Levels führen.“ 36 Eventuell

kann die räumliche Distanz sich negativ auf die Leistungserbringung auswirken.

Der Abstimmungsaufwand erhöht sich tendenziell. Die Gründung eines SSC birgt

das finanzielle Risiko, dass durch falsch kalkulierte Kosten der Leistungserstellung

erwartete Kostensenkungen ausbleiben. Dies ist meistens mit dem Auftreten un-

erwarteter Transaktionskosten verbunden, die in der Planung unzureichend be-

rücksichtigt wurden. Eine unsorgfältige Planung des Aufbaus und der Funktionsfä-

higkeit des SSC führt zu sehr hohen Implementierungskosten und einer unzurei-

chenden Anpassung der Organisation an die umstrukturierten Prozesse.37 Die

weitgehende Standardisierung kann zu Lasten einzelner Geschäftsbereiche ge-

schehen und dort zu Informationsverlusten führen, wodurch die Qualität des Pro-

zessoutputs dann leidet. Ein weiteres Risiko stellt die Akzeptanz der neuen Orga-

nisationform durch die Mitarbeiter dar. Verlassen viele Mitarbeiter aufgrund der

Umstrukturierung das Unternehmen, führt dies zu einem Verlust von Know-How,

und anstatt einer erwarteten Qualitätssteigerung sinkt die Prozessqualität. Im Fol-

genden sind die wesentlichen Merkmale und Leistungen ein SSC noch einmal im

Überblick dargestellt:

36 Vgl. PricewaterhouseCoopers AG WPG (2007), S. 2 37 Vgl. Perez (2008), S.30

Page 43: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse des Marktmodells für Vertrieb und Netzbetreiber

Kerstin Hoder Seite 43 von 93

Abbildung 10: Eigenschaften eines Shared Service Centers

Für ein SSC bietet sich die Möglichkeit, Leistungen auch über den Markt an exter-

ne Dritte anzubieten. Dies ermöglicht die Chance, nicht abbaubare Überkapazitä-

ten zu nutzen, durch Skaleneffekte weitere Kostendegressionen zu erreichen und

einen zusätzlichen Gewinn zu generieren. Durch den erfolgten Marktzugang kann

jedoch ein Abgrenzungsproblem entstehen. Bei einem zunehmenden Anteil exter-

ner Kunden stellt sich die Frage, ob es sich noch um ein SSC handelt, oder ob das

SSC sich zu einem Dienstleister gewandelt hat. Daher wird in einigen Ausnahmen

der Begriff SSC auch für Beziehungen mit einem externen Dienstleister verwen-

det. Die Grundidee des Outsourcings ist es, sich auf das Kerngeschäft zu konzent-

rieren und die heutzutage anwachsenden Nebendienstleistungen von externen

Anbietern zu kaufen. Für ein Unternehmen entsteht dadurch das große Problem,

von Dritten abhängig zu werden. Im Unterschied zum Outsourcing, bei dem exter-

ne Dienstleister mit einer Dienstleistung beauftragt werden, handelt es sich bei der

Shared-Service-Konstruktion um ein internes Outsourcing. Diese Konstruktion soll

die Vorteile eines externen Dienstleisters mit den Vorteilen interner Mitarbeitern

verbinden. Bietet das SSC seine Leistung auch Dritten am Markt an, wird für das

SSC die rechtliche Selbstständigkeit relevant. Hält das Unternehmen dann nur

noch eine Minderheitsbeteiligung an einem rechtlich selbstständigen Dienstleister,

handelt es sich u.U. um Outsourcing oder eine Kooperationspartnerschaft in Form

eines Joint Ventures. Das Unternehmensbeispiel der E:ON IS GmbH, welches in

Page 44: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse des Marktmodells für Vertrieb und Netzbetreiber

Kerstin Hoder Seite 44 von 93

Kapitel acht näher erläutert wird, zeigt auf, wie sich die Besitzverhältnisse eines

SSC im Zeitablauf verändern können, ohne dass der Charakter der Organisations-

form von Shared Services verloren geht. Abhängig von der Ausprägung der Leis-

tungsverrechnung und der Selbstständigkeit des SSC kann man zwischen folgen-

den Gestaltungsvarianten unterscheiden:

Abbildung 11: Gestaltungsvarianten eines Shared Service Centers, in Anlehnung an Perez (2008),

S.35

Nach Schimank und Strobl verläuft die Entwicklung eines SSC idealtypisch in den

oben skizzierten vier Stufen, die aufeinander aufbauende Steuerungsphilosophien

repräsentieren. Am Ende des Entwicklungspfades stellen Shared Services dem-

nach eigenverantwortliche Organisationseinheiten dar, die durch Selbstbestim-

mung, Gewinnverantwortung sowie einen externen Marktzugang gekennzeichnet

sind. Dieser Entwicklungspfad ist allerdings nicht zwingend, denn es liegt im Er-

messen der Unternehmensleitung, in welchem Ausmaß dem internen Dienstleister

Handlungs- und Entscheidungsfreiheit gegeben wird. Meist existieren mit dem

Mutterkonzern besondere Verträge, die dem Mutterkonzern eine bevorzugte Be-

handlung verleihen.

(1) Das kostenorientierte SSC beschreibt den Zustand vieler interner Serviceein-

heiten zu Beginn des Aufbauprozesses. Standardisierte Prozesse werden zu Leis-

tungszentren zusammengefasst. Die Leistungen werden ausschließlich intern er-

bracht und angeboten. Eine Wahlfreiheit bzgl. der Eigenerstellung der Leistung

durch das SSC oder einen Fremdbezug besteht nicht. Das Dienstleistungs-Center

wird über die Höhe der gesamten von ihm verursachten Kosten gesteuert. Die

Kosten werden am Ende des Geschäftsjahres per Umlageverfahren auf die opera-

tiven Geschäftseinheiten umverteilt. Es besteht ein geringer Anreiz für die Abtei-

lung, die Leistungen kunden- oder marktorientiert zu erbringen. Befürchtet die

Konzernleitung eine mögliche Vernachlässigung interner Kunden durch die exter-

Page 45: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse des Marktmodells für Vertrieb und Netzbetreiber

Kerstin Hoder Seite 45 von 93

ne Vermarktung von Serviceaktivitäten, stoppt die Entwicklung beim kostenorien-

tierten SSC.

(2) Über definierte Service-Level-Agreements wird festgelegt, in welchem Umfang

und in welcher Qualität die Leistungen eines kundenorientierten SSC bereitge-

stellt werden. Die Leistungsverrechnung findet über marktorientierte Kosten statt.

In der Höhe der abzunehmenden Leistung besteht Wahlfreiheit. Die Outsourcing-

Option darf vom SSC praktiziert werden, was auch sinnvoll ist, wenn diese kos-

tengünstiger als die interne Bereitstellung ist. Der interne Dienstleister behält da-

bei immer die Auftrags- und Kontrollkompetenz über die erbrachte Leistung. Eine

Bedienung des externen Marktes findet lediglich in sehr begrenztem Umfang statt.

Der unternehmensinterne Dienstleister ist in der Lage seine Aufgaben kundenori-

entiert zu gestalten und bereitet sich u.U. für die Externalisierung seiner Leistun-

gen vor.

(3) Beim marktfähigen SSC besteht eine Wahlfreiheit zwischen internem und ex-

ternem Leistungsangebot. Dabei ist der realisierte Umsatz mit dem externen An-

gebot der Leistung noch relativ gering. Voraussetzung des Modells ist eine Pro-

fessionalisierung der Leistung und eine Verrechnung zu Marktpreisen. Durch die

Möglichkeit der Realisierung externer Profite steigt das Motivationsniveau des

Serviceproviders. Die Serviceeinheit bekommt einen Ansporn, die Qualität der an-

gebotenen Serviceaktivitäten kontinuierlich zu verbessern. Somit kann das SSC

Wettbewerbs- und Wertschöpfungsfähigkeit auch gegenüber internen Kunden un-

ter Beweis stellen.

(4) Ein wettbewerbsfähiges SSC wird als Kernbereich des Unternehmens be-

trachtet und tritt wie ein unabhängiger Geschäftsbereich auf. Im Vordergrund ste-

hen Profiterzielung und Gewinnorientierung. Ein sehr hoher Anteil des Umsatzes

wird extern über eine Vielzahl von Kunden generiert. Der Charakter eines intern

orientierten Dienstleisters geht teilweise verloren, da die externen Marktbedingun-

gen über das Bestehen im Wettbewerb entscheiden. Der Grad der strategischen

Bedeutung der Dienstleistung für das Mutterunternehmen ist stark gesunken, so

dass eine Auslagerung der internen Einheit in Frage kommt. Die Gründung einer

neuen Gesellschaft macht die Anwendung eines neuen Tarifvertrages möglich.

Page 46: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse des Marktmodells für Vertrieb und Netzbetreiber

Kerstin Hoder Seite 46 von 93

Desweiteren wird ein späteres Outsourcing der vom Konzern unabhängigen

Dienstleistungsgesellschaft erleichtert.

Grundsätzlich lassen sich alle Prozesse entlang der Wertschöpfungskette in ei-

nem SSC konsolidieren, solange sie keine Kernprozesse des Unternehmens dar-

stellen.38 D.h. ungeeignet sind Prozesse, die für ein Unternehmen erfolgskritisch

sind und einen unternehmensübergreifenden Charakter besitzen. Die übernom-

menen Unterstützungsprozesse sollen standardisierbar und transaktionsbezogen

sein. Gegenüber den internen Kunden, also den Geschäftseinheiten des Unter-

nehmens, soll das Service-Center durch eine ausgeprägte Kundenorientierung

einen Dienstleistungscharakter aufweisen. Allgemein ist zu beobachten, dass eine

Service-Center-Struktur immer häufiger in Unternehmen mit großen Zentralberei-

chen eingeführt wird, da diese Zentralbereiche unzureichend markt- und kunden-

orientiert agieren. Das SSC-Konzept wird hier angewandt, um flexible und trans-

parente Strukturen im unternehmensinternen Supportbereich einzuführen. Die Im-

plementierung von Shared Services eignet sich also für Supportprozesse, die fol-

gende vier Kennzeichen aufweisen: Die betrachteten Prozesse sind nicht geogra-

fisch gebunden. Sie weisen eine hohe Anzahl an Wiederholungen sowie ein aus-

reichend großes Standardisierungspotenzial auf und sie sind durch einen hohen

Grad an IT-Systemunterstützung gekennzeichnet. Dies trifft in der Unternehmens-

praxis vor allem für Prozesse des Finanzwesens, der Beschaffung, des Personal-

wesens und der Administration zu. In der Regel werden nicht vollständige Berei-

che in ein Shared-Service-Center ausgelagert. Stattdessen werden einzelne Pro-

zesse betrachtet wie z. B. im Bereich Finanzen die Debitoren- oder Kreditoren-

buchhaltung. Die folgende Abbildung gibt einen Überblick der Support-Funktionen,

welche sich für Shared Services als geeignet erwiesen haben:

38 Vgl. Perez (2008), S.25

Page 47: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse des Marktmodells für Vertrieb und Netzbetreiber

Kerstin Hoder Seite 47 von 93

Abbildung 12: Geeignete Bereiche zur Einführung von Shared Service Centern, in Anlehnung an

Perez (2008), S.32

Spezielle Praxisbeispiele im Bereich der Energiewirtschaft stellen Shared Services

dar, auf die sowohl von Erzeugungs-, Gewinnungs-, Fernleitungs-, Übertragungs-,

Verteilungs- und Versorgungsbereichen als auch anderen Geschäftsbereichen

zugegriffen werden kann. Solche Dienstleistungen umfassen typischerweise die

Verbrauchsabrechnung, das Zähl- und Messwesen, das Forderungsmanagement,

den Kundenservice, das Marketing, das Netzmanagement, die Buchhaltung, die

Personalverwaltung und die IT. Shared Services werden bereits von einer Vielzahl

von Unternehmen in allen Branchen als Schlüssel zur Prozessoptimierung im Ser-

vice-Bereich genutzt. Hierbei ist insbesondere die Banken- und Versicherungs-

branche hervorzuheben.39 Auch im Rahmen der Energiewirtschaft spielen sie eine

immer größere Bedeutung. Hierbei gibt es spezielle rechtliche und organisatori-

sche Anforderungen, wie beispielsweise das Vergaberecht, den Mitarbeiterüber-

gang, das informatorische Unbundling und die SLAs, die man nicht außer Acht

lassen darf. Besonders die exakte Spezifizierung der Leistungsanforderungen und

der -verrechnung zwischen Vertrieb oder Netz und der Shared-Service-Einheit

sind das Fundament einer solchen SSC-Organisation.

39 Vgl. PricewaterhouseCoopers AG WPG (2007), S.1

Page 48: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse des Marktmodells für Vertrieb und Netzbetreiber

Kerstin Hoder Seite 48 von 93

In den gesetzlichen Bestimmungen nicht ausdrücklich angesprochen und in den

bisherigen Ausführungen weitgehend ausgeklammert worden, ist die Problematik

der Zulässigkeit von Shared Services im Bereich der Energiewirtschaft. Kri-

tisch anzusehen ist dabei, wie bereits angesprochen, zum einen die Möglichkeit

der Weitergabe sensibler Daten an den Vertrieb. Zum anderen ist die Zahlung ü-

berhöhter Entgelte für die Indienstnahme von Shared Services durch die Netz-

sparte problematisch. Dies fällt unter die Quersubventionierung der Energiever-

triebssparte und stellt somit einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot dar.

Ein Verstoß gegen die Unbundling-Vorgaben liegt bei der Vereinbarung überhöh-

ter, Markt unüblicher Dienstleistungsentgelte streng genommen nicht vor. Die Vor-

schriften des Unbundlings können als formelle Flankierung lediglich präventiv und

indirekt ein diskriminierendes Verhalten verhindern. Eine Sanktionierung der Ver-

einbarung nicht marktüblicher Entgelte erfolgt dagegen im Rahmen der Entgeltre-

gulierung. Nicht notwendige, überschießende Kosten des Netzbetreibers finden in

der Kostenkalkulation keine Berücksichtigung. Dadurch wird eine Überprüfung der

Höhe der von der Netzgesellschaft mit anderen Konzerngesellschaften vertraglich

vereinbarten Dienstleistungsentgelte über die Nutzung von Shared Services erfor-

derlich. Die Entflechtungsvorschriften machen darüber hinaus folgende Rahmen-

vorgaben für eine Unbundling konforme Aufrechterhaltung von Shared Services:40

(1) Zu berücksichtigen ist das Verbot der Doppelzuständigkeit auf Leitungs-

ebene. Die betriebliche Leitung der Querschnittsabteilung darf möglicherweise

nicht bei einer Person liegen, die zugleich Mitglied der Leitungsebene des Netz-

betreibers ist. Die Leitungsperson des Netzbereichs könnte über die Querschnitts-

abteilung einer direkt oder indirekt für den laufenden Betrieb zuständigen Einrich-

tung zugerechnet werden. Dies verstößt gegen das Verbot der Doppelzuständig-

keit auf Leitungsebene. Werden gemeinsame Dienstleistungen innerhalb der

Netzgesellschaft erbracht, sollte der Bereichsleiter des jeweiligen Shared Service

nicht zugleich Mitglied der Leitungsebene der Netzgesellschaft sein. Diese Gefahr

kann ausgeschlossen werden, indem die der jeweilige Shared Service außerhalb

der Netzgesellschaft angesiedelt wird.

40 Vgl. Rasbach (2009), S. 168

Page 49: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse des Marktmodells für Vertrieb und Netzbetreiber

Kerstin Hoder Seite 49 von 93

(2) Trotz Einrichtung von Shared Services für Netz und integriertem Versorgungs-

unternehmen muss der Netzbetreiber über tatsächliche und unabhängige Ent-

scheidungsbefugnisse verfügen. Bei der Einrichtung von gemeinsamen Dienstleis-

tungen muss die Wahrung unabhängiger Entscheidungsbefugnisse des Netz-

betreibers sichergestellt werden. Soweit netzbetrieblich relevante Entscheidun-

gen in Shared Services ausgelagert werden, dürfen diese nicht von konkurrieren-

den Befugnissen von Versorgungsunternehmen überlagert werden. Durch die

Ausgestaltung von Dienstleistungsverträgen ist sicherzustellen, dass der jeweilige

Shared Service die Dienste nach Vorgabe der Netzgesellschaft zu erbringen hat.

(3) Die Pflicht zur Erstellung eines Gleichbehandlungsprogramms dient der

Durchsetzung der Nicht-Diskriminierung im Netzgeschäft. Vom Netzbetreiber wird

verlangt, dort ein Gleichbehandlungsprogramm zu installieren, wo vertriebliche

und netzbetriebliche Interessen aufeinander treffen und Diskriminierungspotenzia-

le aufgrund der Nähe zu Gewinnungs-, Erzeugungs- und Versorgungspartnern

bestehen. Dasselbe gilt somit für die Shared-Service-Organisation. Das Gleichbe-

handlungsprogramm hat Handlungsanweisungen für alle Mitarbeiter des Netzge-

schäfts und die Einführung eines Gleichbehandlungsbeauftragten zu umfassen.

Dadurch entsteht eine unternehmensinterne Kontrolle hinsichtlich der diskriminie-

rungsfreien Ausgestaltung von Shared Services.

(4) Aus den gesetzlichen Vorschriften der Unabhängigkeit der Organisation des

Netzbetreibers folgt eine substantielle Eigenorganisation des Netzbetriebs. Die

Kernaktivitäten des Netzgeschäfts wie Betrieb, Ausbau und Wartung sind vom

Netzbetrieb in eigener Organisation zu erbringen und schließen eine Ausgliede-

rung in Shared Services aus.

(5) Das Informatorische Unbundling untersagt am Markt aktiven Mitarbeitern der

Gewinnungs-, Erzeugungs- und Versorgungssparte den Zugriff auf diskriminie-

rungsrelevante Informationen des Netzgeschäfts. Aus diesen Vorgaben erfolgt für

marktaktive Mitarbeiter eine eingeschränkte Einsetzbarkeit in Shared Services.

Der Ausschluss dieser Mitarbeiter von diskriminierungsrelevanten Netzinformatio-

nen steht einer Aufgabenkumulation entgegen, und damit der Bildung von Shared

Services in diesen Bereichen.

Page 50: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse des Marktmodells für Vertrieb und Netzbetreiber

Kerstin Hoder Seite 50 von 93

3.4 Übertragung von Dienstleistungen an externe Shared-Service-

Gesellschaften

Eine weitere Möglichkeit ist die Übertragung eigener Dienstleistungen an externe

Dritte, für die die Leistung eine Kernkompetenz darstellt. Die Auslagerung von

vormals integrierten Geschäftsprozessen an einen Dienstleister kann eine interes-

sante Geschäftsalternative zur Anpassung der eigenen Unternehmensorganisati-

on sein. Im anschließenden Schaubild sind die Möglichkeiten der Ausgestaltung

bei der Organisation von Dienstleistungen zur Übersicht dargestellt:

Abbildung 13: Gestaltungsoptionen der Übertragung

Bei der Einrichtung eines Profit-Centers, Cost-Centers oder der Ansiedlung der

Shared Services in einer Tochtergesellschaft handelt es sich um die im vorherigen

Kapitel angesprochenen internen Lösungen. Externe Dienstleistungsunternehmen

bieten im Vergleich zu eigenen SSC oftmals optimierte Ergebnisse zu geringen

Kosten an. Gerade für kleine Unternehmen sind dabei speziell Angebote interes-

sant, die sich auf Back-Office-Funktionen beschränken und die Kundenschnittstel-

le beim Versorgungsunternehmen belassen. Das Outsourcing von Funktionen im

Bereiche der Kundenbetreuung eines Versorgungsunternehmens bekam erst in

jüngster Zeit an Bedeutung, da in der Vergangenheit die Unternehmen eher sich

selbst vertrauten als externen Dienstleistern. Durch zunehmende Angebote in die-

sem Bereich verändert sich auch die Bereitschaft der EVUs auf Angebote zurück-

zugreifen, die ihnen auch finanzielle Vorteile verschaffen. Dienstleister sollten sich

dabei zum Ziel setzen, die Problemlösungen der Kunden effizient und effektiv zu

Page 51: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse des Marktmodells für Vertrieb und Netzbetreiber

Kerstin Hoder Seite 51 von 93

lösen und dem Auftragspartner dabei gleichzeitig Wettbewerbsvorteile gegenüber

den Konkurrenten zu verschaffen.41

3.5 Einordnung von Shared-Service-Gesellschaften in den Gesamt-

kontext

Die Unternehmen der Energiebranche stehen vor der Herausforderung, die regu-

latorischen Anforderungen bei gleichzeitiger Kosten- und Serviceoptimierung um-

zusetzen. Die wesentlichen Folgen des zunehmenden Wettbewerbs sehen die

EVU in sinkenden Gewinnen und weiteren Konzentrations- und Konsolidierungs-

wellen von Stadtwerken und Regionalversorgern. Insbesondere die Sorge von

Stadtwerken, dass sie ihre Selbstständigkeit verlieren und die Anzahl der unab-

hängigen Stadtwerke zurückgeht, ist groß.42 Die insgesamt ca. siebenhundert

Energieversorger aus dem kommunalen Bereich sehen sich hier vor der Heraus-

forderung, einen modernen und dienstleistungsorientierten Betrieb unter der Be-

dingung, eine zuverlässige Energieversorgung effizient zu gewährleisten. Auf-

grund der vorgeschriebenen Entflechtungsvorgaben hinsichtlich der Unterneh-

mensstruktur sind strukturelle und organisatorische Veränderungen zwangsläufig

erforderlich. Eine Veränderung der Unternehmensstruktur kann darüber hinaus

aus Kosten- und Effizienzgründen sinnvoll sein. Eine Möglichkeit hierzu stellt die

verstärkte Umsetzung von unternehmensweiten und unternehmensübergreifenden

SSC für standardisierbare Kernprozesse bzw. Massentransaktionen dar. Service

Center bieten als neue Organisationsform die im vorhergehenden Kapitel aufge-

zeigten Vorteile. Aufgrund der Konzentration auf primär wertschöpfende Tätigkei-

ten haben viele Unternehmen in den letzten Jahren ihre internen Dienstleistungs-

bereiche systematisch durchforstet und neue Organisationsformen gesucht. Zum

einen wurden neue Formen der Verlagerung auf Dritte und partnerschaftliche Zu-

sammenarbeit mit spezialisierten Dienstleistern gesucht. Zum anderen hat man

neue Strukturen und Prozesse im Unternehmen zur Spezialisierung auf bestimmte

Tätigkeiten wie Erzeugung oder Netzbetrieb geschaffen.

41 Vgl. Henzelmann (1997), S.196 42 Vgl. Ernst & Young (2008), [Stand 30.09.2009], S.5

Page 52: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse des Marktmodells für Vertrieb und Netzbetreiber

Kerstin Hoder Seite 52 von 93

Neben der Einführung von SSC, um Synergien weiterhin zu nutzen und die Auf-

gaben eines Energieversorgungsunternehmens möglichst effizient zu bewerkstel-

ligen, gibt es weitere Möglichkeiten. Die Servicefunktionen wie Messen/Zählen,

Abrechnen, Kundenservice und Forderungsmanagement befinden sich daher in

einer Umbruchphase: Versorger denken darüber nach, mit diesen Funktionen im

Nachbarmarkt Fuß zu fassen. Zudem gibt es zahlreiche branchenfremde Anbieter.

Hier gilt es, die eigenen Stärken, z. B. Fach-Know-How, und die Schwächen wie

Kostenstrukturen im Vergleich zu Dritten sorgfältig abzuwägen. Im heimischen

Markt kann ein dritter Dienstleister ein wertvoller Kooperationspartner sein, um

eigene Defizite z. B. bezüglich effizienter Prozesse zu kompensieren.43 Stadtwer-

ke und regionale Energieversorger sehen vor allem folgende Handlungsbereiche,

um sich in diesem sich verschärfenden Wettbewerbsumfeld zu behaupten:

(1) Horizontale Kooperationen: Diese Kooperationsstrategie steht bereits seit

Jahren auf der Agenda kleinerer und mittlerer EVU weit oben. „Noch nie zuvor

waren jedoch der Handlungsdruck und die Notwendigkeit, Kooperationen auch

wirklich mit Leben zu füllen, so groß wie heute.“ So ist laut Ernst & Young nahezu

jeder Geschäftsführer und Vorstand von Stadtwerken bzw. Regionalversorgern

davon überzeugt, dass Kooperationen in der elektronischen Datenverarbeitung, in

der Informationstechnologie, im Einkauf sowie in der Strom- und Gasbeschaffung

Erfolg versprechend sind. Bei den möglichen Kooperationspartnern wird oft ver-

sucht unter seinesgleichen zu bleiben. Kooperationen mit anderen Stadtwerken

zur Bildung regionaler Verbünde sind die mit Abstand am häufigsten in Betracht

gezogene Lösung. Mögliche Geschäftsszenarien sehen einige Versorger in der

horizontalen Kooperation oder in kommunalen Zusammenschlüssen, um gegen-

über den großen Energiekonzernen wettbewerbsfähig zu sein: Nicht kostende-

ckende Aktivitäten eines einzelnen Unternehmens können insbesondere im Servi-

ce mit den Tätigkeiten anderer Unternehmen zu mindestoptimalen Betriebsgrößen

zusammengefasst werden.

Im Zuge der Liberalisierung der Märkte sind auch unternehmensübergreifende

Maßnahmen wie z.B. Kooperationen mit anderen Versorgungsunternehmen denk-

43 Vgl. Haller, Reichel (2008); S.49

Page 53: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse des Marktmodells für Vertrieb und Netzbetreiber

Kerstin Hoder Seite 53 von 93

bar. Dadurch können bestimmte Aufgaben kostensparend gebündelt werden und

über gemeinsame Gesellschaften abgewickelt werden. Auch ein Zusammen-

schluss ganzer Unternehmen kann sinnvoll sein, da sich besonders hinsichtlich

des Zusammenschlusses der Netze von mehreren Gesellschaften Synergieeffekte

ergeben.

(2) Vertikale und diagonale Kooperationen: Mit Hilfe dieser Strategie beabsich-

tigen Unternehmen, ihre Wertschöpfungskette zu verlängern. Im Bereich der loka-

len Versorgungsunternehmen kann dies z.B. durch das Angebot verbrauchsnaher

Dienstleistungen gelingen. Ziel ist es neue attraktive Geschäftsfelder zu erschlie-

ßen und die eigene Unabhängigkeit im Vergleich zu Konkurrenten zu stärken. Für

Stadtwerke ist z.B. eine Beteiligung an Kraftwerkprojekten oder Windparks denk-

bar. Gerade im Bereich neuer Geschäftsfelder bieten sich diagonale Partnerschaf-

ten, d. h. eine Zusammenarbeit mit branchenfremden Unternehmen an. Dadurch

ist der Zugang zu komplementären Kompetenzen möglich. In den eher techni-

schen Bereichen der Shared Services wie z. B. im IT-Bereich und der Erfassung

und Aufbereitung der Energiedaten existieren diagonale Kooperationen mit Spezi-

alunternehmen.44

(3) Effizienzsteigerung durch Prozess- und Produktverbesserungen: Für die

Versorgungsunternehmen, die nicht den Weg der Konzentration beschreiten,

bleibt im Wesentlichen die Analyse der eigenen Wertschöpfung in Bezug auf inef-

fiziente Geschäftsprozesse, Dienstleistungen und Produkte. Im Ergebnis stehen

regelmäßig die Anpassung von Aufbau- und Ablauforganisation sowie die Bewer-

tung interner Dienstleistungsbereiche.45 Zu diesen zählen die Bereiche Recht,

Personal, Informationstechnologie, Kundenservice, Marketing und Vertrieb. Hier

haben Methoden zur Effizienzsteigerung einerseits die Einführung effizienter Füh-

rungsstrukturen sowie Personalabbau zum Ziel. Auf der anderen Seite führen

Maßnahmen in Marketing und Vertrieb zur Kundenbindung und Neukundengewin-

nung zu neuen und aufwendigen Strukturen in den Bereichen Vertrieb und Marke-

ting. Fragen rund um Vertrieb, Marketing und Kundenbetreuung haben aufgrund

44 Vgl. Sander (2009), S. 32 45 Vgl. Apel (2006), [Stand 30.09.2009], S.40

Page 54: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse des Marktmodells für Vertrieb und Netzbetreiber

Kerstin Hoder Seite 54 von 93

des intensiveren Wettbewerbs in den vergangenen Jahren deutlich an Bedeutung

zugelegt. Regionale Versorgungsunternehmen ergreifen daher oftmals Maßnah-

men, um die eigene Position des Vertriebs zu stärken. Hierzu zählen in erster Li-

nie Maßnahmen im Bereich der Kundenbindung, die Differenzierung von Produk-

ten, die geografische Ausdehnung der Vertriebsbereiche, aber auch der Aufbau

und die Pflege eines leistungsfähigen Systems zum Customer-Relationship-

Management (CRM). Dieses ermöglicht eine enge Verknüpfung zum Portfolioma-

nagement, sodass insbesondere bei Industriekunden wettbewerbskonforme An-

gebote platziert werden können. Es erfolgt eine Differenzierung des Vertriebs nach

Kundensegmenten, die Einrichtung von Kundendienstzentren, die Einführung und

Pflege von Marken, die Image- und Produktwerbung und die Neugestaltung der

Preisstrukturen. Eine weitere im besonderen Maße Erfolg versprechende Option

ist die Positionierung als lokaler Infrastrukturdienstleister. Eine andere erfolgsver-

sprechende Strategie stellt auch das verstärkte Engagement in der Stromerzeu-

gung bei regenerativen Energien dar.

In wieweit diese Möglichkeiten sinnvoll und für ein Unternehmen umsetzbar sind,

ist abhängig von bereits bestehenden Geschäftsfeldern und Kompetenzen des

Unternehmens, von den organisatorischen Verflechtungen im Unternehmen, von

Kooperationsmöglichkeiten sowie von der Marktlage. Die Bereitschaft der Versor-

gungsunternehmen zur Restrukturierung ermöglicht neuen Marktteilnehmern den

Zutritt zum Energiemarkt. Bereits etablierte EVU müssen sich wiederum mit den

neu hinzukommenden Marktteilnehmern auseinandersetzten und sich den daraus

entstehenden Anforderungen stellen. Dies wird sich sowohl auf die Organisations-

struktur der Unternehmen, als auch auf ihre unternehmensübergreifenden Ge-

schäfts- und Prozessabläufe auswirken.

Page 55: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Produkte und Dienstleistungen von SSG

Kerstin Hoder Seite 55 von 93

4 Produkte und Dienstleistungen von SSG

Zu Beginn der Liberalisierung gehörten zu den neuen Teilnehmern auf der dem

Netzbetrieb vorgelagerten Seite vor allem Stromhandelsunternehmen, die ohne

Besitz eigener Erzeugungs- oder Netzanlagen Strommengen auf dem Großhan-

delsmarkt an- und verkauften. Desweiteren bildeten sich Vertriebsgesellschaften,

welche sich die Versorgung von Unternehmen zur Energieverteilung oder End-

kunden zum Ziel setzten. Daneben haben sich zunehmend unterschiedliche For-

men von Strommaklern am Markt etabliert, die Geschäfte vermitteln, ohne selbst

mit Strom zu handeln. Hierzu zählen Energieberatungen, Verbraucherzentralen

und Einkaufsverbünde. Auch Unternehmen der Finanz- und Versicherungswirt-

schaft dehnen ihre Aktivitäten in zunehmendem Maße auf die Stromwirtschaft aus.

Die Marktteilnehmer lassen sich in fünf Gruppen einteilen. Diese werden gebildet

aus Erzeugern, Händlern, Netzbetreibern, Endkunden und Independent System

Operators. Durch Ausweitung des Privatkundenwettbewerbs und gesetzliche An-

forderungen hat das Betätigungsfeld im Zusammenhang mit Zählerbetrieb, Zäh-

lerdatenablesung und -verarbeitung sowie Verbrauchs- und Netznutzungsabrech-

nung besonders an Bedeutung gewonnen. Neue Marktteilnehmer konnten sich

zudem aufgrund neuer Möglichkeiten durch Informationstechnologien etablieren.46

Hierunter fallen neue Kommunikationswege, Dematerialisierung und Digitalisie-

rung.

„Mit einem Marktvolumen von rund 1,6 Milliarden Euro in 2008 ist die Energielie-

fer-Abrechnung ein wesentlicher Bestandteil der deutschen Energiewirtschaft.“47

Durch Faktoren wie die Liberalisierung im Messwesen und neue Technologien wie

z.B. Smart Metering sind die Abrechnungsprozesse im Umbruch. Bisherige

Schnittstellen zwischen Unternehmenseinheiten werden hinfällig, die Kosten zur

Erfüllung rechtlicher Anforderungen steigen, die Margen sinken und die Suche

nach Lösungswegen hat für viele Energieversorger begonnen. Die Abrechnungs-

prozesse werden durch die veränderten Rahmenbedingungen neu aufgestellt.

Dabei ergeben sich bei Versorgern Bedarfe, die nicht der bisherigen Nachfrage-

46 Vgl. Tagungsberichte des Energiewirtschaftlichen Instituts (2000), S.141 47 Trend:research GmbH (2009), [Stand 30.09.2009], S.1

Page 56: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Produkte und Dienstleistungen von SSG

Kerstin Hoder Seite 56 von 93

bzw. Angebotsstruktur entsprechen und somit für Anbieter von Leistungen für die

Energieliefer- und Netznutzungsabrechnung neue Tätigkeitsfelder eröffnen. Durch

eine prozessorientierte Ausrichtung der Strukturen ergibt sich für EVU ein zuneh-

mend individueller Bedarf an IT-, Beratungs-, Abrechnungs- und Service-

Leistungen, die ein hohes Potenzial auch für neue Unternehmen bieten. Dienst-

leister, die im Bereich der Abrechnung tätig sind und neue Geschäftsfelder su-

chen, können sich angesichts dieser Entwicklungen auf vielfache Weise in diesem

Markt positionieren. Um aufzuzeigen, welche Produkte und Dienstleistungen in

Zukunft für Shared-Service-Gesellschaften von besonderem Interesse sind, wird

im ersten Unterkapitel eine Analyse der Umwelt durchgeführt. Im anschließenden

Unterkapitel werden dann die Prozesse und Aufgaben rund um den Bereich der

Kundenbetreuung beschrieben, welche traditionell eher im integrierten Versor-

gungsunternehmen stattfanden. Durch eine organisatorische Veränderung dieser

Unternehmen werden die einzelnen Produkte zukünftig auch für Shared-Service-

Gesellschaften interessant.

4.1 Gründe der Ausgliederung von Dienstleistungen in SSG

Sowohl die großen Energiekonzerne als auch viele Stadtwerke haben ihre Unter-

nehmensorganisation neu gestaltet. Mit der Veränderung der Organisation und der

Umsetzung neuer Geschäftsprozesse wurde auch eine Neuausrichtung der infor-

mationstechnischen Infrastruktur notwendig. Anhand einer Umweltanalyse sollen

im Folgenden weitere Gründe aufgezeigt werden, warum Dienstleistungen in Zu-

kunft zunehmend an Shared-Service-Gesellschaften vergeben werden. Es gibt

eine unübersehbare Anzahl von Faktoren, die Einfluss auf die Unternehmen der

Energiewirtschaft haben können. Diese Faktoren sollen identifiziert werden. Dazu

orientiert sich die Umweltanalyse an fünf Umweltsegmenten. Die jeweiligen Um-

weltsegmente werden in den kommenden Unterkapiteln beschrieben. Durch die

Einteilung in Segmente können globale Trends und Einflussfaktoren auf Unter-

nehmen einer Branche strukturiert beschrieben werden. Dargestellt werden allge-

meine, weit reichende Trends, welche auch einen besonderen Einfluss auf die

Energiebranche ausüben. Diese Megatrends sind langfristige und übergreifende

Transformationsprozesse. Sie stellen mächtige Einflussgrößen dar, welche die

Märkte der Zukunft prägen. Die Energiebranche hat sich bereits in den vergange-

nen Jahren stark verändert. Darüber hinaus entstehen laufend neue Anforderun-

Page 57: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Produkte und Dienstleistungen von SSG

Kerstin Hoder Seite 57 von 93

gen, welche einen Wandel der Energieunternehmen notwendig machen. An Hand

der Megatrends lassen sich potenzielle Entwicklungen und Veränderungen für

Unternehmen ableiten. Die Umweltanalyse ordnet die Megatrends in unterschied-

liche Kategorien ein. Darüber hinaus werden durch die Umweltanalyse die Ein-

flussfaktoren der Umwelt auf die Unternehmen aufgezeigt. Es können potenzielle

Entwicklungen der Unternehmen frühzeitig erkannt werden. Den Unternehmen

bietet sich die Möglichkeit, frühzeitig zu reagieren und sinnvolle Maßnahmen zu

ergreifen. Dadurch werden diese Einflussfaktoren für die Unternehmen handhab-

barer. In der freien Marktwirtschaft herrscht ein ständiger Wettbewerb zwischen

den Unternehmen einer Branche. Um langfristig erfolgreich zu sein, ist es wichtig,

sowohl das Angebot an Produkten und Dienstleistungen als auch die Nachfrage

zu kennen. Nur dadurch kann es den Unternehmen gelingen, sich erfolgreich am

Markt zu platzieren. In einer Branchenanalyse werden die Unternehmen einer

Branche analysiert und miteinander verglichen. Dadurch lassen sich individuelle

Stärken und Schwächen der Unternehmen erkennen. Mittels der Umweltanalyse

und der im fünften Kapitel beschrieben Branchenanalyse lassen sich gesamtheitli-

che Unternehmensstrategien ableiten.

4.1.1 Gesamtwirtschaftliche Entwicklungen

Einen Megatrend stellt die steigende Arbeitslosigkeit dar. Für eine zunehmende

Anzahl von Personen nimmt die Schwierigkeit zu, ihre Rechnungen zu begleichen.

Daraus resultieren für Versorgungsunternehmen steigende Anforderungen an das

Forderungsmanagement. Die Anzahl an Mahnungen und Zahlungsausfällen wird

vermutlich zunehmen. Dies muss zum einen bei der Preiskalkulation der Produkte

berücksichtigt werden. Zum anderen nimmt der Aufwand zur Bearbeitung dieser

Fälle enorm zu. Ein effizientes und wirksames Forderungsmanagement gewinnt

an Umfang und Bedeutung.

Die Möglichkeit des Stromlieferantenwechsels und ein zunehmendes Preisbe-

wusstsein mancher Bevölkerungsschichten sind verantwortlich dafür, dass die

Wechselrate auf jeden Fall weiter ansteigt. Der Lieferantenwechselprozess, in den

sowohl Energieversorgungsunternehmen als auch Netzbetreiber involviert sind,

wird an Bedeutung gewinnen. Hier ist zudem ein standardisierter Einsatz von In-

formationstechnologie gesetzlich vorgeschrieben. Vor allem kleinere Versor-

Page 58: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Produkte und Dienstleistungen von SSG

Kerstin Hoder Seite 58 von 93

gungsunternehmen verfügen auf diesem Gebiet an geringem Know-How und sind

an externe Unterstützung von Dienstleistungsanbietern interessiert.

Durch die zunehmende Fokussierung und Spezialisierung aller Wirtschaftsbran-

chen ist die Wertschöpfungstiefe vieler Unternehmen zurückgegangen. Das Kon-

zept der Fokussierung auf Kernkompetenzen ist heutzutage weit verbreitet. Durch

die Einführung von SSC können sich operative Einheiten verstärkt auf ihre Kern-

prozesse konzentrieren und die Supportprozesse an interne Service-

Gesellschaften oder an fremde Anbieter abgeben. Die Bereitschaft des Outsour-

cings im Bereich der Kundenbetreuung hat stark zugenommen. Davon profitieren

vor allem freie Dienstleister.

4.1.2 Politische und rechtliche Entwicklung

Gesetzesanforderungen im Bereich der Energiewirtschaft entstehen zunehmend

auch auf der Ebene der Europäischen Union und müssen auf nationaler Ebene

umgesetzt werden. Dadurch sinkt der Einfluss der EVU auf die Politik. Die gesetz-

lichen Anforderungen haben den Wettbewerbsdruck in den letzten Jahren enorm

gesteigert. Durch den zunehmenden Wettbewerb steigt der Kosten-, Qualitäts-

und Zeitdruck auf die Unternehmen. Somit werden verstärkt auch Optimierungspo-

tenziale fernab der eigentlichen Wertschöpfungskette der Versorgungsunterneh-

men gesucht. Die Unternehmen versuchen, ihre Supportprozesse weitestgehend

zu automatisiert und zu standardisiert. Diese Prozesse erfordern ein geringes Maß

an Know-How und können von Dienstleistern mit Spezialisierung auf das Massen-

geschäft übernommen werden

4.1.3 Sozio-kulturelle Veränderungen

Eine wichtige gesellschaftliche Veränderung stellt die zunehmende Lebenserwar-

tung dar. Damit verbunden sind eine zunehmende Sicherheitsorientierung und

eine stärkere lokale Verbundenheit zum ortsansässigen Versorgungsunterneh-

men. Dies stellt einen großen Vorteil für kleinere Stadtwerke und Stadtwerkekoo-

perationen dar. Diese lokalen Anbieter haben selbst oft nicht das nötige Know-

How, um die gesetzlichen Anforderungen zur erfüllen. Die Beauftragung eines

Dienstleisters mit branchenspezifischem Know-How stellt hier eine interessante

und effiziente Lösung dar.

Page 59: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Produkte und Dienstleistungen von SSG

Kerstin Hoder Seite 59 von 93

Ein weiterer Trend ist die zunehmende Mobilität der jüngeren Bevölkerungsschich-

ten. Daraus resultieren eine Zunahme von Ummeldungen und ein erhöhtes Risiko

an fehlerbehafteten Datensätzen. Bei einer Veränderung der Daten wird die Kon-

sistenz der Datensätze besonders wichtig. Dadurch gewinnen der Umgang mit

Daten und die Datenbereinigung an Bedeutung.

4.1.4 Technologische Entwicklungen

Ein wichtiger Trend im Bereich der technologischen Entwicklung ist die Unterstüt-

zung durch Informationstechnologien. Die Vernetzung von Rechnerkapazitäten

mittels Internet- oder Intranet-Lösungen ermöglicht, Informationen unabhängig

vom Standort abzurufen oder zu bearbeiten. Der Informationsaustausch kann so-

mit weitgehend unabhängig von Raum und Zeit erfolgen und die Ausführung eines

Prozesses ist nicht mehr Ort gebunden. Bestehende Standardsoftware-Lösungen

ersetzen immer mehr spezifische Software-Programme. Dadurch können zum Teil

unternehmensübergreifend einheitliche Systemlösungen gefunden und Kompatibi-

litätsprobleme eliminiert werden. Die Spezialisierung eines Dienstleisters, der sei-

ne Dienste für mehrere Unternehmen am Markt anbieten kann, wird begünstigt.

Große Fortschritte werden aktuell auch im Bereich der Messtechnologien ge-

macht. Diese ermöglichen eine zeitnahe Fernauslesung auch im Bereich der Pri-

vatkunden. Weitere Anforderungen an die Verbrauchserfassung wird auch der

Einsatz von Elektroautos, und deren Aufladung stellen. Hier könnte die Entwick-

lung einer personenbezogenen Verbrauchserfassung und -abrechnung von Be-

deutung werden. Durch häufigere Messungen und eine Zunahme von Stromab-

nahmequellen entsteht eine wesentlich größere Menge an Daten, welche verarbei-

tet, gespeichert und an andere Marktteilnehmer weitergegeben werden muss.

Hierfür werden in zunehmendem Umfang sichere Rechenzentren und entspre-

chende IT-Lösungen benötigt.

4.2 Angebot an Produkten und Dienstleistungen

Im Jahr 2005 setzte sich der Strompreis laut Bundesministerium für Wirtschaft und

Energie unter anderem aus folgenden Bestandteilen zusammen: Der größte Anteil

der Kosten in Höhe von fünfunddreißig Prozent wurde durch Netzkosten inklusive

Messung, Energiedatenmanagement und Netzabrechnung verursacht. Daneben

nahmen Erzeugungs- und Vertriebskosten den zweitgrößten Anteil von fünfund-

Page 60: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Produkte und Dienstleistungen von SSG

Kerstin Hoder Seite 60 von 93

zwanzig Prozent ein.48 Diese Kosten spiegeln die Wertschöpfungskette der Ener-

giewirtschaft wieder. Die drei wesentlichen Akteure des Versorgungsprozesses

sind der Netzbetreiber, der Energielieferant und der Übertragungsnetzbetreiber.

Um die Endverbraucher mit Strom zu versorgen, laufen zwei Prozesse parallel ab:

Abbildung 14: Versorgungsprozess, in Anlehnung an IT-Power (2006), S.28

Im ersten Schritt wird der Kunde durch den lokalen Netzbetreiber an das Versor-

gungsnetz angeschlossen und bekommt eine eichrechtliche Messeinrichtung in-

stalliert. Der Kunde hat nun die freie Wahl des Energielieferanten. Dieser kann

sowohl ein regionaler als auch ein überregionaler Anbieter sein. Nachdem der E-

nergielieferant einen Kunden akquirieren konnte, schließt dieser mit dem Endkun-

den einen Liefervertrag ab. Der Lieferant meldet dem Netzbetreiber alle Entnah-

mestellen seiner Kunden, die an das Verteilungsnetz des Netzbetreibers ange-

schlossen sind, und den beabsichtigten Beginn der Netznutzung. Dieser Vorgang

nennt sich Bilanzkreisanmeldung und im Falle der Abmeldung Bilanzkreisabmel-

dung. Der Netzbetreiber wiederum misst nun die gelieferte Energiemenge und gibt

die tatsächlich verbrauchte Menge an den Lieferanten weiter. Dieser kann nun die

Lieferung mit seinem Kunden abrechnen. Der Verteilnetzbetreiber rechnet wieder-

um die Energiemengen mit seinem Übertragungsnetzbetreiber ab. Den letzten

Schritt für den Verteilnetzbetreiber bildet die Endabrechnung für die Netznutzung.

Die Aufgaben des Versorgungsnetzbetreibers können unter dem Begriff Netzma-

nagement zusammengefasst werden. Der Energielieferant übernimmt im Versor-

48 Vgl. Krisp (2008), S. 112

Page 61: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Produkte und Dienstleistungen von SSG

Kerstin Hoder Seite 61 von 93

gungsprozess die Aufgaben der Energiebeschaffung und der Weitergabe an den

Endverbraucher. Damit beide Marktteilnehmer miteinander und mit dem End-

verbraucher kommunizieren können, muss ein Informationsmanagement gewähr-

leistet werden. Daneben gehört zu den Produkten und energienahen Dienstleis-

tungen der Energiewirtschaft noch die Finanzierung und das Risikomanagement,

welches aufgrund der hohen Investitionskosten im Netzbereich unabdingbar ist.

4.2.1 Informationsmanagement

Und dem Begriff Informationsmanagement werden in diesem Unterkapitel die IT-

Beratung, die Systemintegration und das Systemmanagement beschrieben. Nach

den bisherigen im Ausland gemachten Erfahrungen erfordern Markttransaktionen

in deregulierten Energiemärkten den extensiven Einsatz moderner elektronischer

Informations- und Kommunikationstechnologien zur Marktkommunikation. Diese

Marktmechanismen werden in ihrer Komplexität heute noch vielfach unterschätzt.

In einem offenen Markt entsteht ein dichtes Geflecht von unabhängigen Teilneh-

mern. Diese agieren sowohl nebeneinander als auch gegeneinander und wollen

alle die Gewinner von morgen sein.49 Die Informationsbereitstellung und Unter-

stützung durch IT-Systeme ist dabei ein wichtiges Erfolgskriterium. Nur ein EVU

mit einer prozessorientierten Organisation und einer darauf abgestimmten integ-

rierten IT-Landschaft wird dazu in der Lage sein. Eine besondere Herausforderung

stellt die Stromzählung und Abrechnung dar. Unternehmensübergreifende Abrech-

nungs- und Bilanzierungsprozesse werden im deregulierten Markt wesentlich

komplexer und erfordern eine Anpassung der Informationssysteme. Aus diesem

Grund ist dieser Bereich für unabhängige Servicedienstleister und Beratungsun-

ternehmen besonders interessant.

Aufgabe des Consultings ist es, mit Hilfe des Einsatzes von IT-Werkzeugen die

Unternehmensprozesse zu optimieren und damit die Produktivität zu steigern. Ent-

lang der Anforderungen steht der Aufbau einer individuelle Prozess- und IT-

Landschaft. Durch die Implementierung neuer Software und Migrationsprozesse,

sowie die Optimierung der Kundenprozesse können neue Potenziale ausge-

schöpft und Fehler vermieden werden. Mit der Einführung von Anwendungen für

49 Vgl. Kahmann, König (2000), S. 20

Page 62: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Produkte und Dienstleistungen von SSG

Kerstin Hoder Seite 62 von 93

die Ressourcenplanung und das Kundenmanagement sowie mit geografischen

Informationssystemen und effizientem Energiedatenmanagement können Abläufe

unterstützt werden. Diese IT-Lösungen müssen entweder neu implementiert wer-

den oder optimal in die bestehende IT-Umgebung integriert werden. Am Markt

werden verschiedene Standardprodukte angeboten, welche verwendet werden

können. Es kommen aber häufig auch individuelle Softwareentwicklungen zum

Einsatz. Für das Energiedatenmanagement und die Abrechnung werden größere

Rechenzentren benötigt, die ein Höchstmaß an Ausfallsicherheit und Virenschutz

sicherstellen. Für die Migration von Kundendaten z.B. nach SAP IS-U sind oftmals

Bearbeitungsverfahren und -werkzeuge notwendig. Nach einer Veränderung der

Geschäftsprozesse und IT-Systeme gibt es verschiedene Optionen des Betriebes.

Im Rahmen des Systemmanagements besteht die Möglichkeit des IT-Supports,

des IT-Betriebs oder auch der Auslagerung ganzer Geschäftsprozesse.

Vor allem der informationstechnologische Aufwand des Abrechnungsprozesses im

weiteren Sinne macht das Outsourcing des gesamten Prozesses oder von Teilen

des Prozesses interessant.50 Bei der Abrechnung muss eine große Menge an Da-

ten zwischen Energielieferant und Netzbetreiber ausgetauscht werden. Aus der

fundamentalen Bedeutung der Abrechnung für jedes EVU ergeben sich Anforde-

rungen an diesen Prozess hinsichtlich Zuverlässigkeit, Kostengesichtspunkten und

Effizienz. Insbesondere hinsichtlich der Genauigkeit der Abrechnung und der Ge-

währleistung der Datensicherheit und Datenintegrität werden sehr hohe Anforde-

rungen an potenzielle Dienstleistungspartner gestellt. Die Geschäftsprozesse und

die zugrunde liegenden Technologien der EVU müssen ein Höchstmaß an Stabili-

tät aufweisen, um Problemen vorzubeugen. Sämtliche eingesetzte Systeme wie

Hardware und Software, Datenübertragung und Datenspeicherung müssen eine

hohe Störungs- und Ausfallsicherheit garantieren. Diese Voraussetzungen muss

ein Servicedienstleister möglichst optimal umsetzen, um für seinen Kunden tat-

sächliche Vorteile durch Outsourcing sicherzustellen. Zu den Hauptprozessen der

Verbrauchs- und Netznutzungsabrechnung gehören das Zählerwesen, die Ab-

50 Vgl. Köhler-Frost (2005), S.158

Page 63: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Produkte und Dienstleistungen von SSG

Kerstin Hoder Seite 63 von 93

rechnung des Verbrauchs und der Netznutzung, das Forderungsmanagement und

der Kundenservice. Diese Prozesse sind in der folgenden Grafik dargestellt.

Abbildung 15: Überblick des Abrechnungsprozesses, in Anlehnung an Apel (2006), S.2

Im Rahmen der Verbrauchsabrechnung werden die Verbrauchsdaten der Produk-

te, z.B. Strom, Gas, Wasser oder Wärme, erfasst. Erforderlich ist neben einer

zeitnahen und vollständigen Erfassung der Zählerdaten auch die Plausibilität der

erhobenen Daten. Vielfach wird dieser Prozess beim Energieversorger, hervorge-

rufen u.a. durch Kunden-Selbstablesung, von signifikanten Fehlerquoten und da-

mit entsprechenden Kosten begleitet. Die so erfassten Daten sind dann die Basis

für die Kundenrechnung. Anschließend wird eine fachgerechte Abrechnung

durchgeführt. Dann müssen die Rechnungsunterlagen erstellt und versandt wer-

den. Dazu müssen erforderliche Tarife und technische Daten verfügbar sein und

gepflegt werden. Nach der Rechnungsstellung muss der Zahlungseingang über-

prüft werden und ein umfassendes Forderungsmanagement sichergestellt werden.

Jede offene Forderung ist ein Stück Liquidität, das verloren geht. Darum ist es

wichtig, Zahlungsvereinbarungen zu überwachen und mit einem Mahnmanage-

ment offenen Forderungen zu begegnen. Dazu müssen offene Posten verwaltet

werden. Das Forderungsmanagement beinhaltet die systemische Abwicklung der

Forderungen, ein standardisiertes Mahnverfahren, das vorgerichtliche und gericht-

liche Mahnwesen und vor allem die teils individuelle Ansprache der Schuldner.

Verstreichen vereinbarte Fristen, greift das Inkassomanagement. Automatisch

werden Sperr- und Inkassoaufträge erstellt. Vor Ort werden ausstehende Beträge

kassiert oder die Versorgungszufuhr gesperrt. Bleiben Zahlungen auch weiter aus,

wird als letzte Konsequenz beim Klagemanagement ein Rechtsprozess notwen-

dig.

Page 64: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Produkte und Dienstleistungen von SSG

Kerstin Hoder Seite 64 von 93

Der Stellenwert der Verbrauchs- und Netznutzungsabrechnung als Geschäftspro-

zess wird in Zukunft deutlich zunehmen, da die Abrechnung ein effizientes Mittel

zur Kundenkommunikation darstellt. Über die Zustellung der Kundenrechnung er-

öffnen sich Chancen für zielgruppenorientierte und individuelle Marketingaktivitä-

ten. Die Sensibilität von Abrechnungsdaten hinsichtlich Tarifen und Mengen ist

relativ hoch, dies spricht gegen eine Übertragung der Abrechnung an einen Mit-

bewerber mit gleichem Kerngeschäft. Andererseits erfordert der Abrechnungspro-

zess eine branchenspezifische Kompetenz, die der Auswahl eines Dienstleisters

ohne Branchenhintergrund entgegensteht. Die Beauftragung eines Dienstleisters

mit Branchenhintergrund und der Fokussierung auf energiewirtschaftliche Unter-

stützungsprozesse bietet sich als optimale Lösung für die kostengünstige Abwick-

lung des Abrechnungsprozesses an. Die Übernahme der abrechnungs- und ab-

rechnungsnahen Prozesse durch einen spezialisierten Dienstleister kann sich in-

nerhalb weniger Geschäftsperioden in einer signifikanten Kostensenkung nieder-

schlagen. Anzuführen sind hier insbesondere geringere Kosten der Leistungser-

stellung, die durch Spezialisierung des Dienstleisters aus Lernkurven- und Ska-

leneffekten entstehen und in einem flexiblen Preismodell abgebildet sind. Auch die

in Relation zur Eigenfertigung geringeren Anpassungskosten für die Etablierung

von Service-, Prozess- und Technologieinnovationen sind Aspekte, die ein Aus-

gliederungsszenario vorteilhaft erscheinen lassen. Nicht zuletzt verdient die höhe-

re Serviceorientierung gegenüber dem Endkunden große Beachtung.

4.2.2 Netzmanagement

Neben den technischen Anforderungen an die Netzbetreiber wie zum Beispiel die

Sicherstellung eines Netzanschlusses und die Wartung der Netze gehören auch

kaufmännische Aufgaben in den Bereich des Netzmanagements. Darunter fallen

das Messstellenmanagement, das Energiedatenmanagement und die Netznut-

zungsabrechnung.

In den Bereich des klassischen Netzmanagements gehört das Hausanschlusswe-

sen. Der Verteilnetzbetreiber ist für eine Versorgungssicherheit in seinem Gebiet

verantwortlich. Zudem ist der örtliche Netzbetreiber für die Bereitstellung eines

Standardzählers zuständig. Das Messstellenmanagement umfasst den Einsatz

von Zählern zur Messung von Zählerständen, die Messwertbeschaffung durch

Page 65: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Produkte und Dienstleistungen von SSG

Kerstin Hoder Seite 65 von 93

Fernauslesung, die Beauftragung eines Ablesedienstes oder die Beauftragung zur

telefonischen Ablesung und die Kommunikation von Verbrauchsdaten. Die Daten

müssen an das Abrechungssystem der Energielieferanten und das Energiedaten-

managementsystem übermittelt werden. Dazu gehören unter anderem auch Able-

seaufträge im Rahmen von Umzügen, bei Preisanpassungen, Tarif- oder Lieferan-

tenwechseln. Desweiteren kann eine Durchführung von Sperraufträgen nach

Wohnungswechseln oder zur Unterstützung des Forderungsmanagements erfol-

gen. Durch den Einsatz neuer Messtechnologien können Verbrauchsstrukturen

erkannt und Kundengruppen gebildet werden. Es ist eine Abrechnung individueller

Tarife möglich. Der Messstellenbetrieb steht in enger Verbindung mit dem Ener-

giedatenmanagement (EDM). Für die Stromlieferanten erforderliche Daten müs-

sen zur Verfügung gestellt und weitergegeben werden. Dazu gehören Adress-,

Kunden-, Geräte- und Verbrauchsdaten. Die folgende Grafik zeigt die Aufgaben

des Messstellenmanagements dar:

Abbildung 16: Übersicht der Bestandteile des Messstellenmanagement

Ein EDM-System dient der revisionssicheren und diskriminierungsfreien Erfas-

sung, Aufbereitung, Archivierung sowie der Weiterleitung von Daten an die ent-

sprechenden Marktteilnehmer. Das Problem der Energiebranche ist hierbei, dass

sich viele unterschiedliche Softwaresysteme im Einsatz befinden und somit der

Page 66: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Produkte und Dienstleistungen von SSG

Kerstin Hoder Seite 66 von 93

Datenaustausch über definierte Schnittstellen schwierig ist.51 Beim Datenaus-

tausch zwischen den Marktpartnern handelt es sich um Massenprozesse. Einer

der wichtigsten Standards im Zusammenhang mit dem elektronischen Datenaus-

tausch ist das Datenformat EDIFACT zur Kommunikation untereinander. Mit Hilfe

dieser Nachrichten können Informationen ausgetauscht und automatisiert weiter-

verarbeitet werden.

Viele Netzbetreiber zeichnen sich traditionell durch ihr technisches Know-How im

Netzbereich aus. Kaufmännische Aufgaben wurden in der Vergangenheit meisten

vom Vertrieb des integrierten Versorgungsunternehmens übernommen. Hier konn-

ten sich bereits einige Shared-Service-Dienstleister etablieren, die sich auf kauf-

männische Aufgaben des Netzbetreibers spezialisiert haben.

4.2.3 Energiemanagement

Die effektive Kundenbetreuung mit einer hohen Servicequalität wird mehr und

mehr zu einem Erfolgsfaktor für Versorger. Per Telefon, Fax, E-Mail, Internet oder

dem klassischen Brief sind Mitarbeiter im Namen eines Versorgungsunterneh-

mens erforderlich, welche für die Endkunden erreichbar sind. Diese beantworten

Fragen im Umfeld von Ein-, Aus- und Umzügen, geben Auskunft über Ver-

brauchsdaten, nehmen Kundenwünsche und Beschwerden entgegen, nehmen

Rechnungskorrekturen vor und sorgen für die Weiterleitung wichtiger Informatio-

nen wie Störungsmeldungen oder Zählersperrungen. Über Kundenbefragungen

kann auch eine Abfrage des Zählerstands erfolgen. Die Aufgaben der Kunden-

betreuung sind im Anschluss dargestellt:

51 Vgl. Schütz (2005), S. 67

Page 67: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Produkte und Dienstleistungen von SSG

Kerstin Hoder Seite 67 von 93

Abbildung 17: Übersicht der Bestandteile der Kundenbetreuung

Die Kundenbetreuung ist ebenfalls ein Bereich, welcher sich zur Auslagerung an-

bietet. Hier existieren bereits vor allem im Bereich der Call Center etablierte Anbie-

ter. Diese übernehmen sowohl für einen begrenzten Zeitraum z.B. Werbekampag-

nen als auch eine dauerhafte Kundenbetreuung. Dabei entscheiden im Wesentli-

chen drei Hauptfaktoren über den Erfolg der telefonischen und schriftlichen Kun-

denbetreuung eines Unternehmens:

• Fachspezifische Qualifikation und langjährige Erfahrung der Mitarbeiter

• Effizienz der Mitarbeiter

• Reibungsfreie Prozessschnittstellen und eine gute Verzahnung der IT-

Systeme

Mit Direktmarketing, Kundengewinnungs- und Rückgewinnungsprojekten können

neue Kunden gewonnen und die Kundenzufriedenheit gesteigert werden. Kunden-

kontakterfassungen und -auswertungen ermöglichen eine eindeutige Datenqualifi-

zierung. Im Vertrieb erfolgt das Vertragsmanagement als Grundlage von Kunden-

beziehungen. Durch die Akquisition eines neuen Kunden wird meist ein Lieferan-

tenwechsel hervorgerufen. Der Neukunde muss gemäß den Vorgaben von Bun-

desnetzagentur und Verbänden bei seinem alten Lieferanten abgemeldet werden.

Für diesen Lieferantenwechsel-Prozess ist eine Systemlösung zur vollautomati-

Page 68: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Produkte und Dienstleistungen von SSG

Kerstin Hoder Seite 68 von 93

sierten Abwicklung notwendig. Dies ist ebenfalls ein Spezialgebiet, auf dem sich

bereits Shared-Service-Gesellschaften etablieren konnten.

Page 69: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse und Bewertung von Shared-Service-Gesellschaften

Kerstin Hoder Seite 69 von 93

5 Analyse und Bewertung von Shared-Service-Gesellschaften

In diesem Kapitel soll eine Branchenstrukturanalyse durchgeführt werden. Dazu

werden zunächst einige der sehr unterschiedlichen Marktteilnehmer im Bereich

der Energiewirtschaft ausgewählt und analysiert. Es wurden weitaus mehr Unter-

nehmen betrachtet. Im Rahmen dieser Diplomarbeit sollen aber nur einige Firmen

beschrieben werden. Es werden die Herkunft, die Organisationsstruktur, das Ge-

schäftsmodell und das Produktangebot der Marktteilnehmer erläutert. Bei der Un-

tersuchung der verschiedenen Marktteilnehmer hat sich herausgestellt, dass sich

die Unternehmen der Energiewirtschaftsbranche im Wesentlichen in zwei Dimen-

sionen unterscheiden: Dies ist zum einen die Wertschöpfungstiefe und zum ande-

ren die strategische Ausrichtung. Die Herkunft und die Aufstellung der Ab-

wicklungsdienstleister haben einen enormen Einfluss auf die Wertschöpfungstiefe

und das Produktportfolio. Hier sind enorme Unterschiede erkennbar. Die strategi-

sche Ausrichtung der Service-Gesellschaften ist durch die Kostenstruktur und den

Besitz von Know-How gekennzeichnet. Michael E. Porter unterscheidet die Wett-

bewerber einer Branche an ihrem strategischen Vorteil und ihrem strategischen

Zielobjekt. Da die meisten Unternehmen der Energiebranche nur in der Energie-

wirtschaft tätig sind, wurde hier eine andere, aussagekräftigere Dimension ge-

wählt. Die Wettbewerbsmatrix von Porter sieht wie folgt aus:

Abbildung 18: Wettbewerbsmatrix nach Porter, Bea, Haas (2001), S.178

Page 70: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse und Bewertung von Shared-Service-Gesellschaften

Kerstin Hoder Seite 70 von 93

In der Branchenstrukturanalyse werden dagegen vier Cluster gebildet, in welchen

sich Unternehmen mit ähnlicher Ausprägung des jeweiligen Merkmals wiederfin-

den. Für die jeweilige Gruppe sollen im Vergleich zu den anderen Gruppen Stär-

ken und Schwäche aufgezeigt werden. Im Anschluss wird eine Bewertung anhand

der Stärken und Schwächen der Gruppe vorgenommen und die Chancen der

Gruppe für die Zukunft beschrieben. Zusammen mit den im vorherigen Kapitel

identifizierten Umweltentwicklungen entstehen unterschiedliche Handlungsmög-

lichkeiten. Durch das Zusammenführen der Umweltanalyse und der Branchen-

strukturanalyse können dann Normstrategien für die Unternehmensgruppen abge-

leitet werden. Bei einer sinnvollen Positionierung der Unternehmen sind die Zu-

kunftsaussichten aller vier Cluster überaus erfolgsversprechend. „Das Potenzial

von Shared Service Centern [und Shared Service Gesellschaften] im Energiever-

sorgungsmarkt scheint aus heutiger Sicht bei weitem noch nicht ausgeschöpft.“52

In den folgenden Abschnitten werden für die vier Gruppen jeweils zwei Beispielun-

ternehmen beschrieben. Daraus ergeben sich eine Bewertung des Unternehmens

und die Zuordnung zu einer Gruppe. Hierbei wurden Unternehmen ausgewählt,

welche sich möglichst eindeutig einer Gruppe zuordnen lassen. Es kann die fol-

gende Matrix mit den Beispielunternehmen gebildet werden:

52 Vgl. PricewaterhouseCoopers AG WPG (2007), S. 3

Page 71: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse und Bewertung von Shared-Service-Gesellschaften

Kerstin Hoder Seite 71 von 93

Abbildung 19: Matrix der Beispielunternehmen

Für einige Dienstleister wie z.B. die suportica GmbH ist diese Zuordnung nicht

möglich, da sie sich auf einer Achse nicht eindeutig klassifizieren lassen. Diese

Unternehmen befinden sich in der Mitte der Matrix. Aus diesem Grund wird die

suportica GmbH in einem eigenen Unterkapitel vorgestellt.

5.1 Ausgründungen aus Energiekonzernen

5.1.1 Analyse der Ausgründungen aus einem Energiekonzern

Aufgrund ihrer Bedeutung und ihrer Rolle als Vorreiter werden in den nächsten

zwei Abschnitten die Shared-Service-Gesellschaften des E.ON-Konzerns und des

RWE-Konzerns im Bereich der Abrechnung beschrieben.

E.ON IS GmbH

Im Jahre 1999 führte die PreussenElektra, die später mit der Bayernwerke AG zur

E.ON Energie AG fusionierte, eine Umstrukturierung ihrer eigenen IT-Abteilung

und der IT-Abteilungen ihrer Töchter durch: Sie fasste die IT-Abteilungen zusam-

men und organisierte sie in einem Joint Venture mit dem Beratungsunternehmen

Cap Gemini Ernst & Young. Ein Grund für die Einbeziehung des externen Markt-

partners war dessen internationale Erfahrung in Bezug auf den Aufbau einer SSC-

Organisation. Desweiteren konnte die Beratungsfirma weitgehende Beratungs-

kompetenzen im Energiesektor und in den Bereichen SAP und CRM aufweisen.

Page 72: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse und Bewertung von Shared-Service-Gesellschaften

Kerstin Hoder Seite 72 von 93

Die Besitzverteilung lag zunächst bei 49 % der PreussenElektra gegenüber 51 %

von Cap Gemini Ernst & Young. Die PreussenElektra hatte dabei die Zuständig-

keit für das Ressort Verwaltung, Cap Gemini Ernst & Young war für das Ressort

Service und Vertrieb verantwortlich. Nach der Gründung der E.ON Energie AG ist

der ehemalige IT-Dienstleister der Bayernwerk AG, die Gedos mbH, und die Sy-

nergies GmbH zu einem neuen gemeinsamen SSC verschmolzen. Daraus wurde

die IS Energie GmbH gegründet. Die E.ON Energie AG wurde mit 75% Beteili-

gungsanteil zum Hauptgesellschafter. Im Laufe der Jahre ist der Anteil der exter-

nen Geschäfte gewachsen und die Servicegesellschaft ist mittlerweile mit rund

tausenddreihundert Mitarbeitern einer der führenden IT-Komplettdienstleister für

die Energiewirtschaft in Deutschland. Hauptkunden sind überwiegend Unterneh-

men der E.ON Energie Gruppe, aber auch Stadtwerke und regionale Versorger

außerhalb des Konzerns zählen mittlerweile dazu. Seit Anfang 2005 gehört die

SSG zu hundert Prozent dem E.ON Konzern und ist am 1. April zur E.ON IS

GmbH umfirmiert worden. Der Mitgesellschafter Cap Gemini Ernst & Young ist

somit ausgeschieden.53 E.ON IS konzipiert und implementiert IT-Lösungen und

verantwortet deren Betrieb und Service. Die Kompetenzen der E.ON IS bilden die

komplette Wertschöpfungskette des E.ON-Konzerns sowie die spezifischen An-

forderungen der Energiewirtschaft ab:

Abbildung 20: Übersicht der Geschäftsfelder und Kompetenzen der E.ON IS, URL: http://www.eon-

is.com, [Stand: 30.09.2009]

53 Vgl Perez (2008), S. 38

Page 73: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse und Bewertung von Shared-Service-Gesellschaften

Kerstin Hoder Seite 73 von 93

Neben IT-Lösungen bietet E.ON IS mit dem Energie Service Center (ESC) auch

Business Process Outsourcing Lösungen an. Modular aufgebaute Services sind

darauf ausgerichtet, Verbesserungen in den Bereichen

• Verbrauchsabrechnung

• Kundenbetreuung

• Vertrieb und Dialogmarketing

zu realisieren. Kennzeichnend ist neben dem modularen Aufbau die konsequente

Ausrichtung auf die Optimierung der zugehörigen Geschäftsprozesse. Das Ener-

gie Service Center der E.ON IS übernimmt die operative Abwicklung des Kernpro-

zesses Abrechnung in Teilen oder komplett entlang der gesamten Wertschöp-

fungskette. Als Anbieter für Energiedienstleister steht E.ON IS während dieser

Projekte im ständigen Kontakt mit den Kunden, dokumentiert alle Arbeitsschritte

und berichtet regelmäßig über die Projektfortschritte und über die Einhaltung der

mit dem Kunden vereinbarten Qualitäten und Quantitäten. E.ON IS betreut unter

anderem die rund hundertsiebzigtausend Kunden der Stadtwerke Neuss.

RWE Kundenservice GmbH

Die Grundlagen der heutigen RWE-Struktur stammen bereits aus den zwanziger

Jahren. Zum Energiegeschäft zählten neben Rheinbraun auch energienahe

Dienstleistungen der TESSAG und das Ölgeschäft der DEA. Wettbewerbsdruck,

Preisverfall, Unbundling-Vorschriften und zunehmende Transparenz führten zur

Auflösung der Wertschöpfungskette im Stromgeschäft. Die Bildung eines Whole-

sale-Marktes auf der einen Seite, und eines Retail-Marktes auf der anderen Seite

war die Konsequenz. Der Wholesale-Markt ist ein reiner Commodity-Markt, der die

Förderung, die Erzeugung, den Transport und den Handel umfasst. Hier decken

sich die Marktteilnehmer des Retail-Marktes mit Energie ein, um differenzierten

Kundenwünschen mit zusätzlichen Dienstleistungen entsprechen zu können:

Page 74: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse und Bewertung von Shared-Service-Gesellschaften

Kerstin Hoder Seite 74 von 93

Abbildung 21: Organisationsstruktur der RWE AG, URL: http://www.rwe.com/web/cms/mediablob/

de/293372/data/307192/52168/rwe-vertrieb/unternehmen/tochterunternehmen/kundenservice/

Unternehmenspraesentation-der-RWE-Vertrieb-AG.pdf, [Stand: 30.09.2009]

Unter der RWE Vertrieb AG befindet sich die RWE Kundenservice GmbH. Diese

bietet seit 2003 Dienstleistungen für Energielieferanten, Verteilnetzbetreiber, Über-

tragungsnetzbetreiber, Messstellenbetreiber und Messdienstleister im Strom- und

Gasmarkt an:

Abbildung 22: Einordnung der RWE Kundenservice GmbH, URL: http://www.rwe.com/web/cms/

mediablob/de/293372/data/307192/52168/rwe-vertrieb/unternehmen/tochterunternehmen/ kunden-

service /Unternehmenspraesentation-der-RWE-Vertrieb-AG.pdf, [Stand: 30.09.2009]

Zu den Leistungen der RWE Kundenservice GmbH zählen der Betrieb und die

Weiterentwicklung von Systemen für die Abrechnung und Betreuung von Privat-,

Gewerbe-, Geschäfts- und Industriekunden. Zu diesen Aufgaben der RWE Kun-

denservice GmbH zählen die Organisation der RWE Kundencenter, der Betrieb

von Call-Centern und Abrechnungs-Centern sowie Dienstleistungen für Vertrieb

und Verteilnetz. Von Messstellenbetreibern werden einzelne Leistungen des

Messstellenbetriebs oder der komplette Messstellenbetrieb übernommen.

Page 75: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse und Bewertung von Shared-Service-Gesellschaften

Kerstin Hoder Seite 75 von 93

5.1.2 Bewertung und Ableitung einer Normstrategie des Clusters

Dieses Cluster umfasst die Ausgründungen aus Energiekonzernen. Die beschrie-

benen Service-Gesellschaften E.ON IS GmbH und die RWE Kundenservice

GmbH sind beide Ausgründungen aus großen Energiekonzernen. Aufgrund ihrer

Herkunft weist ihr Produktportfolio eine enorme Wertschöpfungstiefe auf. Ein gro-

ßer Anteil der Dienstleistungen wird für den Mutterkonzern erbracht. In wie weit

diese Dienstleistungen auf dem freien Markt wettbewerbsfähig sind, ist schwer zu

beurteilen. Auf diesem Gebiet bemühen sich die Unternehmen ihre Leistungen

transparenter und effizienter zu gestalten. Durch ihre Verbindung zum Mutterkon-

zern unterliegen die Unternehmen dem Einfluss vieler verschiedener Interessen-

gruppen und sind nur bedingt handlungsfähig. Sie können dafür auf ein großes

Netzwerk an Wissen, Erfahrung und Ressourcen zurückgreifen. Deswegen befin-

den sich diese Unternehmen zusammen in einem Cluster von Dienstleistern, wel-

che sich durch einen hohen Umfang an Know-How-Besitz und Innovationsführer-

schaft kennzeichnen. Diese Unternehmen prägen z.B. maßgeblich die Entwick-

lung branchenspezifischer Software und IT-System. Darüber hinaus werden diese

Dienstleister direkt bei der Entwicklung neuer Produkte und Technologien des

Konzerns involviert.

Nach der Wettbewerbsmatrix von Porter verfolgt diese Gruppe eine Differenzie-

rungsstrategie. Die Unternehmen profitieren von ihrem Image am Markt. Durch

ihre Beteiligungen an vielen Stadtwerken und ihre Unternehmensgröße besitzen

sie eine enorme Marktmacht. Diese Unternehmen haben sich bereits am Ener-

giemarkt etabliert und besitzen eine lange Erfahrungszeit. Sie haben in der Ver-

gangenheit von enormen Synergieeffekten profitiert, die aber durch die gesetzli-

chen Vorgaben zum Unbundling zum Teil weggefallen sind. Bedingt durch ihre

Marktmacht und ihre Investitionsmöglichkeiten besitzen die Unternehmen einen

großen Einfluss auf andere Marktteilnehmer im Bereich der Energiewirtschaft.

Diese Unternehmen stellen wichtige, interne Dienstleistungsanbieter für den Mut-

terkonzern mit eigenen Ressourcen und Leistungsaufträgen dar. Mit ihrer Strate-

gie sollten diese Dienstleister eine Optimierung ihrer Prozesse verfolgen und wei-

terhin nach Möglichkeiten zur Erzielung von Synergieeffekten bei der Prozessab-

wicklung suchen. Hierbei spielen Prozess- und Technologieinnovationen eine

Page 76: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse und Bewertung von Shared-Service-Gesellschaften

Kerstin Hoder Seite 76 von 93

wichtige Rolle. Neben der Berücksichtigung von Effizienzgesichtspunkten sollten

Möglichkeiten der Prozessstandardisierung gesucht werden. Für die organisato-

risch und wirtschaftlich eigenständigen internen Einheiten sollte ein sinnvolles

Controllingsystem mit messbaren Kennzahlen z.B. für Durchlaufzeiten, Fehlerquo-

ten, Reaktionszeiten und Kundenzufriedenheit eingeführten werden. Diese Unter-

nehmensgruppe nutzt signifikante Größenvorteile und eine umfassende Aus-

schöpfung von Synergiepotenzialen, die nur im Konzernverbund verwirklicht wer-

den können. Zusätzlich zu operativen Synergien sind Managementsynergien reali-

sierbar, die durch einen konzernweiten Führungskräfteeinsatz und vertikale Füh-

rungseingriffe entstehen. Zusätzliche Ergebnisbeiträge entstehen aus Finanzsyn-

ergien, z.B. durch Ausnutzung von Steuereffekten und günstigeren Finanzierungs-

kosten.54

5.2 Customer Care Anbieter

5.2.1 Analyse der Customer Care Anbieter

Als Beispielunternehmen aus dem Cluster der Customer Care Anbieter werden in

diesem Unterkapitel die Regiocom GmbH und die Arvato Services GmbH analy-

siert.

Regiocom GmbH

Die Regiocom GmbH hat sich in ihrer noch jungen Geschichte bereits tiefgreifend

gewandelt. Sie ist von einem Telekommunikations-Netzbetreiber zu einem Dienst-

leister für Geschäftsprozess Outsourcing in der Energiewirtschaft geworden. Er-

leichtert wurde diese Entwicklung durch die Fähigkeit, neue Aufgaben in IT-

Systemlösungen umzusetzen, diese stabil zu betreiben und im Call-

/ServiceCenter zu unterstützen. Seit 1997 übernimmt das Unternehmen als

Dienstleister die telefonische und schriftliche Kundenbetreuung in EVU. Eng damit

verzahnt sind die Bereiche IT-Betrieb und Softwareentwicklung. Hieraus entstehen

Softwarelösungen zur Abbildung komplexer Geschäftsprozesse, wie etwa zur Be-

arbeitung des Lieferantenwechsels oder zum Regulierungsmanagement. Bei Re-

giocom verbinden sich die Erfahrungen aus der Betreuung großer Kundenstämme

54 Vgl. Accenture (2003), [Stand 30.09.2009], S. 22

Page 77: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse und Bewertung von Shared-Service-Gesellschaften

Kerstin Hoder Seite 77 von 93

und das Know-how aus jahrelanger Software-Entwicklung für Energieversorger zu

einem Leistungsangebot. Im EVU-Sektor wird der Leistungswettbewerb in Zukunft

stark zunehmen, wogegen in der Telekommunikationsbranche bereits seit Jahren

ein harter Wettbewerb herrscht. Oft muss ein Anbieter sehr kurzfristig das Leis-

tungsangebot oder einzelne Dienstleistungen ändern und den Marktanforderungen

anpassen. Bei der Umsetzung zählen Schnelligkeit und Flexibilität. Eine effiziente

und effektive Kundenbetreuung gewinnt als elementarer Hebel zur Sicherung des

Unternehmenserfolges wesentlich an Bedeutung. Im Geschäftsfeld Service Center

übernimmt Regiocom die Kundenbetreuung und die Kundenkommunikation im

Namen der Auftraggeber. Im Geschäftsfeld IT-Services entwickelt Regiocom Ap-

plikationen für die Energiewirtschaft und verfügt über einen leistungsstarken Be-

trieb von Rechenzentren. Diese erbringen Betriebsleistungen für EVU-spezifische

Anwendungen und Systemplattformen. Darüber hinaus ist Regiocom auf die Ver-

arbeitung von Massendrucksachen spezialisiert. In einem eigenen Druck- und Ku-

vertierzentrum werden Sendungen vorbereitet und abgewickelt. Die Bereiche des

Messstellenmanagements, Energiedatenmanagements und die Wartung des Nie-

derspannungsnetzes deckt Regiocom ebenfalls komplett ab.

Arvato Services GmbH

Die Arvato Services GmbH, ein Tochterunternehmen der Arvato AG, ist ein

Dienstleistungsunternehmen für Lösungen rund um Kundenkommunikation, Kun-

denbindung und Supply Chain Management in Europa und außereuropäischen

Märkten. Mehr als dreißigtausend Mitarbeiter arbeiten weltweit in einem Netzwerk

verschiedener Kompetenzen. Das Organigramm zeigt die Einbindung der Arvato

Services GmbH in die Arvato AG, die mit ihren weltweit mehr als zweihundertsieb-

zig Tochterunternehmen zu den größten international vernetzten Medien- und

Kommunikationsdienstleistern gehört. Im Geschäftsjahr 2007 hat der zur Bertels-

mann AG gehörende Unternehmensverbund einen Umsatz von 4,917 Milliarden

Euro erwirtschaftet.

Page 78: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse und Bewertung von Shared-Service-Gesellschaften

Kerstin Hoder Seite 78 von 93

Abbildung 23: Einordnung der Arvato Services GmbH in das Netzwerk der Bertelsmann AG, URL:

http://www.arvato-services.de/de/ueber-uns-organisation.html, [Stand: 30.09.2009]

Effizientes und ganzheitliches Management von Kundenbeziehungen stellt die

Kernkompetenz der Arvato Services GmbH dar. Das Serviceangebot erstreckt

sich von der Neukundengewinnung über die Betreuung von bestehenden Kunden

in internationalen Servicecentern, die Entwicklung von individuellen Kundenbin-

dungsprogrammen und das Management komplexer Logistik-Leistungen bis hin

zur Abwicklung von Finanzdienstleistungen. Im Rahmen von Business Process

Outsourcing übernimmt die Arvato Services GmbH auch komplexe Geschäftspro-

zesse.

5.2.2 Bewertung der Customer Care Anbieter

Die Unternehmen im Bereich Customer haben ihren Ursprung oftmals in einer an-

deren Brache und sind neben der Energiebranche meist auch in anderen Bran-

chen tätig. Daher weisen diese Unternehmen im Bereich der Energiewirtschaft ein

eher geringes Know-How auf. Sie können Synergieeffekte vor allem durch ein

branchenübergreifendes Massengeschäft realisieren. Es werden überwiegend

hoch standardisierte Prozesse übernommen und vorhandene Ressourcen wie Re-

chenzentren und Call Center genutzt. Durch eine optimale Ausnutzung von Kapa-

zitäten, geringe Inputkosten und effiziente Prozesse sind diese Dienstleister Kos-

tenführer und können ihre Leistungen vergleichsweise günstig am Markt anbieten.

Ihre Prozesse sind bereits hoch standardisiert. Zu einer spezifischen Anpassung

der Prozesse fehlen diesen Unternehmen meistens das Know-How und das ent-

sprechende Personal. Daher findet selten eine Anpassung der Standardprozesse

Page 79: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse und Bewertung von Shared-Service-Gesellschaften

Kerstin Hoder Seite 79 von 93

an die Bedürfnisse der Auftraggeber statt. Hinsichtlich der Produkte sind diese

Unternehmen eher breit aufgestellt. Sie können auf ein großes Netzwerk an Res-

sourcen wie z. B. Rechenzentren und Mitarbeitern zurückgreifen.

Eine Chance der Customer Care Anbieter besteht darin, dass die Kundenbetreu-

ung und das Marketing zur Kundengewinnung zunehmend an Bedeutung gewin-

nen. Die Kundenbetreuung ist sehr personalintensiv und kann wie z.B. in der Te-

lekommunikationsbrache über Call Center kostengünstig geregelt werden. Dabei

ist die Lage der Call Center ortsunabhängig sowohl vom Auftraggeber als auch

vom Endkunden. Schlanke und effektive Prozessstrukturen zeichnen diese Dienst-

leistungsunternehmen aus und verhelfen ihnen zu einer Kostenführerschaft. Die-

se sollte auch weiterhin durch ständige Prozessverbesserungen weiterverfolgt

werden. Hier erscheint eine Konzentration auf die Funktion als Call Center sinnvoll

und auch in Zukunft als erfolgsversprechend. Je nach Unternehmensgröße der

Dienstleistungsanbieter ist eine Spezialisierung auf kleinere bzw. größere Versor-

gungsunternehmen zweckmäßig. Ein Nachteil der Unternehmen ist, dass sie im

Auftrag eines Versorgungsunternehmens nicht beim Kunden vor Ort sind und die

Mitarbeiter u.U. einen Mangel an branchenspezifischem Wissen und Erfahrung

aufweisen. Zudem sind diese Dienstleister stark von ihren Auftraggebern abhän-

gig. Es handelt sich meist um reine Dienstleistungen im Namen des Auftragge-

bers, welche leicht durch andere Auftraggeber ersetzt werden können. Vorausset-

zung für den Erfolg der Customer Care Anbieter ist die Prozessexzellenz, die kon-

sequent auf neu integrierte Prozesse der Auftraggeber übertragen wird.

5.3 Spezialisierte Abrechnungsdienstleister

5.3.1 Analyse der spezialisierten Abrechnungsdienstleister

Die spezialisierten Abrechnungsdienstleister zeichnen sich durch ein geringe

Wertschöpfungstiefe und die Strategie der Kostenführerschaft aus. Als Beispielun-

ternehmen aus dem Cluster der spezialisierten Abrechnungsdienstleister werden

im Folgenden die EVB Energie AG und die CST GmbH analysiert.

Page 80: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse und Bewertung von Shared-Service-Gesellschaften

Kerstin Hoder Seite 80 von 93

EVB Energie AG

Die EVB Energie AG mit Sitz in Velbert in Nordrhein-Westfalen unterstützt seit

fünfzehn Jahren Energieversorger und Netzbetreiber in den Bereichen Messstel-

lenbetrieb, Abrechnungsmanagement, Kundenbetreuung, Lieferantenwechsel und

Vertrieb. Mit mehr als dreihundert Mitarbeitern arbeitet die EVB Energie AG für die

größten EVU Deutschlands. Die EVB Energie AG steht Versorgungsunternehmen

als Kunden-Service-Unternehmen zur Seite. Durch ein Kundenkontaktmanage-

ment, das sowohl im Business-to-Business-Bereich als auch im Business-to-

Customer-Bereich positioniert ist, unterstützt das Unternehmen die Kundengewin-

nung und Kundenbindung. Der Dienstleister verfügt über das Fachwissen und die

technische Infrastruktur, um Aufgabenstellungen im Rahmen eines modernen

Customer Care Managements und eines wirkungsvollen Produktvertriebes lösen

zu können. Das Unternehmen verstärkt zum einen das Personal des Beauftragen-

den und zum anderen übernimmt es auch das gesamte Abrechnungsmanage-

ment. Als Value Added Reseller ist das Unternehmen einer der deutschen Markt-

führer für die Lieferung und Inbetriebnahme von Systemen für den Messstellenbe-

trieb. Die Leistungen des Dienstleisters umfassen die folgenden Aufgaben:

Abbildung 24: Geschäftsbereiche der EVB Energie AG, URL: http://www.evb.net/index.php?

cat_id=15, [Stand: 30.09.2009]

Page 81: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse und Bewertung von Shared-Service-Gesellschaften

Kerstin Hoder Seite 81 von 93

CST GmbH

Die CST GmbH stellt Personalressourcen für Stadtwerke und Energieversor-

gungsunternehmen zur Verfügung. Das Unternehmen unterstützt mit qualifizierten

Mitarbeitern bei der Bewältigung von Kundendaten und kaufmännischen Tages-

routinen im Bereich Abrechnung, Vertragskontokorrent, Tarifierung und Kunden-

service. Ebenso bei der sachgerechten Bedienung von branchenspezifischen IT-

Systemen wie SAP ISU, Navision und Schleupen. Die CST GmbH stellt den Auf-

traggebern ein Team aus einem erfahrenen Teamleiter, einem Trainer bzw. Pro-

jektleiter und ca. zehn praxiserprobten und kompetenten Sachbearbeitern zur Ver-

fügung. Dieses Team steht sofort bereit und bringt alle erforderlichen Kompeten-

zen in kaufmännischen Prozessen und IT-Systemen. Das Unternehmen unter-

stützt in den Bereichen Kreditmanagement, Customer Care, Personalweiterbil-

dung und Personalbeschaffung nach dem Prinzip einer schnellen Eingreiftruppe.

Mittels einer gezielten Selbstvervielfältigung werden die Mitarbeiter des Auftrag-

gebers geschult und weitergebildet.

5.3.2 Bewertung der spezialisierten Abrechnungsdienstleister

Die Unternehmen im Cluster der spezialisierten Abrechnungsdienstleister weisen

eine geringe Wertschöpfungstiefe auf. Sie bieten ein Produktportfolio an, welches

sich nah am Bereich der Abrechnungsdienstleistungen orientiert. Die Unterneh-

men arbeiten eng mit Stadtwerken und Versorgungsunternehmen zusammen und

übernehmen Aufgaben im Rahmen der Verbrauchs- und Netznutzungsabrech-

nung. Ihr Know-How ist stark auf die operativen Prozesse im Bereich der Ener-

giewirtschaft spezialisiert. Durch relativ geringe Inputkosten und einen effizienten

Einsatz von Personal zeichnen sich die Unternehmen durch eine Kostenführer-

schaft aus. Die Stärke dieser Servicedienstleister besteht darin, dass sich momen-

tan viele Stadtwerke mit den gesetzlichen Anforderungen schwer tun und in be-

stimmten Bereichen überlastet sind. Sie nutzen die Flexibilität eines Personal-

dienstleisters, um ihre Kapazitäten schnell und kurzfristig zu erweitern und Know-

How zu übernehmen. Darüber hinaus sind die Versorgungsunternehmen bereit,

Dienstleistungen im Bereich der Abrechnung komplett an fremde Unternehmen zu

vergeben.

Page 82: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse und Bewertung von Shared-Service-Gesellschaften

Kerstin Hoder Seite 82 von 93

Diese Dienstleistungsunternehmen haben sich stark auf den Bereich der Abrech-

nung fokussiert. Der Grad der Automatisierung der Abwicklung der Verbrauchs-

und Netznutzungsabrechnung wird in den kommenden Jahren stark zunehmen.

Hierbei treten Fehler und Sonderfälle auf, welche wiederum zeitintensiv in der Be-

arbeitung sind und von qualifizierten Mitarbeitern bearbeitet werden müssen. Aus

strategischer Sicht ist für diese Dienstleister eine Steigerung der Servicequalität

und der Kundenorientierung sinnvoll. Ein einheitliches Qualitätsmanagement

macht dies möglich. Der Aufbau und Einsatz von spezialisierten Mitarbeitern spielt

dabei eine wichtige Rolle. Durch regelmäßiges Benchmarking mit vergleichbaren

Shared-Service-Gesellschaften und Wettbewerbern kann eine laufende Kosten-

und Prozessoptimierung gewährleistet werden. Unternehmen dieses Erfolgsmo-

dells haben sich anhand ihres Leistungsangebots eindeutig positioniert und eine

Durchdringung des Marktes der Abrechnungsdienstleister auf Basis effizienter

Strukturen erreicht. Dabei ist festzustellen, dass weder Unternehmensgröße noch

Abdeckung der Abrechnung mehrerer Sparten per se Bedingungen für ihren Erfolg

sind, sondern vielmehr ein erfolgreiches Prozess- und Kundenmanagement. Bei

der Integration von Strom, Fernwärme, Gas und Wasser sowie weiteren Ge-

schäftsfeldern können jedoch Prozesssynergien entstehen. „In der Optimierung

von operativen Prozessen – also der Erreichung von Prozessexzellenz – unter

Kosten- und Kapitalbindungsgesichtspunkten ist die Grundlage für den Unterneh-

menserfolg (…) zu sehen.“55

Die Bündelung von artverwandten Produkten und Leistungen stellt für die speziali-

sierten Abrechnungsdienstleister eine weitere Strategieoption dar. Dieses Leis-

tungsangebot ist vor allem für Querverbundunternehmen und Stadtwerke interes-

sant. Bündelprodukte im Bereich der Abrechnung vereinfachen die Vergabe an

fremde Dienstleister, indem sie das Prüfen vieler Angebote verschiedener Dienst-

leistungspartner und Abschließen einzelner Verträge für einzelne Leistungen er-

setzen. Die kommunalen Versorger und Querverbundsunternehmen können durch

die Vergabe von Angebotspaketen Aufwand vermeiden.56 Durch ihre Positionie-

rung als reine Abrechnungsdienstleister besitzen diese Unternehmen ein hohes

55 Accenture (2003), [Stand 30.09.2009], S.29 56 Vgl. A.T. Kearney (2005), [Stand 30.09.2009], S.3

Page 83: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse und Bewertung von Shared-Service-Gesellschaften

Kerstin Hoder Seite 83 von 93

Kundenverständnis und können hierdurch gezielt ihre Produkt und Servicestruktur

optimieren. Die Unternehmensstrategie sollte eine Erhöhung der Kundenbindung

verfolgen.

5.4 Dienstleister als Innovationsführer

5.4.1 Analyse der innovationsführenden Dienstleister

Dieses Unternehmenscluster zeichnet sich durch Kompetenzen auf dem Gebiet

der Prozess- und IT-Beratung aus. Um das Unternehmensmodell und die Eigen-

schaften dieser Gruppe zu beschreiben, werden als Beispielunternehmen die BTC

Business Technology Consulting AG und die Schleupen AG analysiert.

BTC Business Technology Consulting AG

Im Jahr 2001 entstand durch die Fusion der drei Unternehmen UMC, CCC und

NETplus das Consultingunternehmen BTC AG. Alle drei Unternehmen waren be-

reits seit Jahren erfolgreich am Markt etabliert. Die Durchführung von gemeinsa-

men Projekten in der Vergangenheit mündete in der Bildung eines schlagkräftigen

großen Unternehmens: die BTC Business Technology Consulting AG. Mit knapp

tausendvierhundert Mitarbeitern bietet die BTC AG europaweit Beratungsdienst-

leistungen aus einer Hand an. Das Leistungsspektrum der BTC AG ist auf die

Kundenbedürfnisse in den Branchen Energie, Industrie, Telekommunikation sowie

private Dienstleistungen und im öffentlichen Sektor zugeschnitten. Im Bereich der

Energiewirtschaft berät die BTC AG Energieversorger im Hinblick auf Prozessop-

timierung und die Umsetzung rechtlicher Anforderungen in der IT. Das Unterneh-

men ist mit den kaufmännischen, technischen und operativen Abläufen der Bran-

che vertraut. Es unterstützt beispielsweise bei der Einführung von Enterprise Re-

source Planning Programmen, CRM-Anwendungen, Geografischen Informations-

systemen und effizientem Energiedatenmanagement. Lösungen, welche das Un-

ternehmen im Rahmen der Beratung aufzeichnet, kann es auch realisieren. Damit

ist die BTC Business Technology Consulting AG auch in den Geschäftsfelder Sys-

temintegration und Systemmanagement tätig.

Page 84: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse und Bewertung von Shared-Service-Gesellschaften

Kerstin Hoder Seite 84 von 93

Schleupen AG

Mit Fokus auf branchenspezifische Komplettlösungen ist die Schleupen AG seit

1970 erfolgreich in der IT-Branche. Das Unternehmen ist bundesweit mit fünf Nie-

derlassungen vertreten. Derzeit betreut die Schleupen AG mit mehr als vierhun-

dert Mitarbeitern rund zweitausend Anwender, darunter mehr als dreihundert Un-

ternehmen aus der Energiewirtschaft. Als Anbieter intelligenter IT-Lösungen ver-

fügt die Schleupen AG über fundiertes Fachwissen auf zwei Ebenen: Zum einen

ist sie Spezialist für Software-Systeme, Datenbanken, Netzwerke, Hardware-

Engineering, Datenmanagement und übergreifende Office-Anwendungen. Ebenso

weit reichendes Know-how bietet der IT-Spezialist bezogen auf die Branche der

Energiewirtschaft. Das umfassende Wissen stellt die Grundlage dar, um Ge-

schäftsprozesse realitätsnah mit einer erfolgreichen, effizienten System-Lösung

abbilden zu können. Bei der Einführung neuer Anwendungen steht die Schleupen

AG beratend zur Seite und unterstützt die Auftraggeber bei der Klärung aller Fra-

gen, die im Vorfeld oder während der Projektrealisierung auftreten. Das Dienstleis-

tungsangebot hat zum Ziel, die Effizienz der Geschäftsprozesse zu steigern, In-

vestitionen zu sichern und maximale Synergieeffekte zu erzielen. Im Unterschied

zur klassischen Beratung arbeiten die Berater und Trainer der Schleupen AG sehr

softwarenah. Sie unterstützen ihre Auftraggeber, die IT-Infrastruktur auf Anforde-

rungen aus Entflechtung und Anreizregulierung abzustimmen und zukünftige Ent-

wicklungen vorausschauend zu berücksichtigen.

5.4.2 Bewertung und Ableitung einer Normstrategie des Clusters

Die innovationsführenden Unternehmen haben ihren Ursprung im Bereich der Be-

ratung oder Softwareentwicklung und bieten in diesen Bereichen. Dadurch besit-

zen sie in großem Umfang an Know-How auf ihrem Spezialgebiet, welches von

anderen Marktteilnehmern schwer zu kopieren ist. Sie haben sich auf die Optimie-

rung von Prozessen und die Unterstützung durch IT-Systeme spezialisiert. Durch

ihre Fachkompetenzen können diese Unternehmen Lösungen für neue Anforde-

rungen entwickeln und zur Verfügung stellen. Die gesamte Unternehmensgruppe

zeichnet sich durch eine Know-How-Führerschaft und ihren Innovationsvorsprung

im Vergleich zu anderen Marktteilnehmern aus. Aufgrund der Spezialisierung ist

die Leistungstiefe dieser Dienstleister eher gering. Eine Schwäche der Unterneh-

Page 85: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse und Bewertung von Shared-Service-Gesellschaften

Kerstin Hoder Seite 85 von 93

men stellt ihre Kostenstruktur dar. Die Entwicklung neuer Lösungen und Konzepte

ist relativ investitionsintensiv und kostspielig. Für diese Unternehmen ist es unbe-

dingt erforderlich, mit den aktuellen und zukünftigen Entwicklungen der Energie-

wirtschaftsbranche Schritt zu halten, um eine hohe Gewinnmarge zu erzielen.

Beim Erfolgsmodell der als innovationsführenden Dienstleister kommt es zu einer

kurzfristigen Zusammenarbeit, um Aktivitäten gemeinsam und koordiniert durchzu-

führen. Besondere Fähigkeiten einzelner Auftraggeber und entwickelte Konzepte

werden im Anschluss auf weitere Projekte und Beauftragungen übertragen. Die

Strategie der Fokussierung erfordert eine hohe Flexibilität der Unternehmen. Eine

hohe Lernbereitschaft und eine hohe Zukunftsorientierung gehören zu den Er-

folgsfaktoren dieser Unternehmensgruppe.

5.5 Fallbeispiel suportica GmbH

Die suportica GmbH unterstützt seit 2007 die Fachbereiche der führenden deut-

schen Energieversorgungsunternehmen bei der operativen Geschäftsvorfallbear-

beitung für die Sparten Strom und Gas in den Themen Lieferantenmanagement,

Vertragsmanagement, Energiedatenmanagement, Marktkommunikation und Ab-

rechnung.

Das Leistungsangebot der suportica GmbH stimmt weder mit dem Angebot der

reinen Servicedienstleister im Abrechnungsbereich überein, noch mit dem Ange-

bot der innovationsführenden Dienstleister. Das Unternehmen beschäftigt qualifi-

ziertes Personal, welches auch Erfahrung im Umgang mit den Prozessen und IT-

Anforderungen im Bereich der Abrechnung, Marktkommunikation und Lieferan-

tenwechsel besitzt. Der Aufgabenbereich des Dienstleisters liegt nicht bei den

standardisierten Massenprozessen im Bereich der Abrechnung. Vielmehr bietet es

Unterstützung bei der Umsetzung neuer gesetzlicher Anforderungen und an-

spruchsvollen, IT gestützten Aufgaben im Bereich der Energiewirtschaft. Durch

eine Zusammenarbeit mit der bofest Consult GmbH kann auf ein Netzwerk von

erfahrenen Beratern zurückgegriffen werden.

Ziel der suportica GmbH sollte es daher sein, sich strategisch an einem Unter-

nehmenscluster zu orientieren. Von der Positionierung des Unternehmens hängt

Page 86: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Analyse und Bewertung von Shared-Service-Gesellschaften

Kerstin Hoder Seite 86 von 93

dann die langfristige Unternehmensstrategie ab. Möglichkeiten der Strategieaus-

prägung wurden anhand der Normstrategien aufgezeigt.

Mit einer gegenwärtig eher kleinen Zahl von Mitarbeitern gehört die suportica

GmbH zu den kleinen Dienstleistungsunternehmen der Energiewirtschaftsbran-

che. Die Wertschöpfungstiefe der suportica GmbH ist gering und sollte erweitert

werden. Eine Möglichkeit wäre z.B. der Aufbau eines eigenen SAP-Systems zur

Speicherung und Bearbeitung von Datensätzen. Oder die Erweiterung des Pro-

duktportfolios durch die Abrechnung und Betreuung zusätzlicher Sparten. Bei ei-

ner zunehmenden Automatisierung von Prozessen wie z.B. dem Lieferantenwech-

sel ist es sinnvoll, den gesamten automatisierten Prozess zu übernehmen. Eine

Spezialisierung auf Fehlerfälle birgt das langfristige Risiko, dass hier der Markt

wegbricht. Mit beiden Maßnahmen ist Wachstum verbunden. Profitables Wachs-

tum ist ein starker Treiber zur Generierung von Unternehmenswert. Im Gegensatz

zu Akquisitionen ist organisches Wachstum vergleichsweise risikoarm, es kann

gelernt und schrittweise perfektioniert werden. Jedes Unternehmen hat brachlie-

gendes Potenzial, so auch die suportica GmbH, und Wachstum ist bereits kurzfris-

tig möglich. Mit der passenden Strategie zahlt sich Wachstum auch langfristig aus

und trägt zu einem nachhaltigen Erfolg des Unternehmens bei. Daher sollte dem

Aspekt der strategischen Ausrichtung in Verbindung mit Wachstum eine hohe Pri-

orität auf der Managementagenda zugewiesen werden.

Page 87: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Zusammenfassung und Ausblick

Kerstin Hoder Seite 87 von 93

6 Zusammenfassung und Ausblick

Die hohen Energiepreise verringern die Standortattraktivität in Deutschland zu-

nehmend und die energieintensive Industrie wandert ab. Ziel der kommenden Jah-

re sollte es daher sein, die Verbraucher und dabei insbesondere die energieinten-

sive Industrie von hohen Strompreisen zu befreien. Dies kann auf der einen Seite

durch eine Verbesserung der Bedingungen zur Schaffung neuer Energieerzeu-

gungskapazitäten und den Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Ener-

gien geschehen. Auf der anderen Seite trägt eine attraktivere Gestaltung des

deutschen Strommarktes für neue Akteure zur Zielerreichung bei. Die Netznut-

zungsentgelte müssen weiter reduziert werden und die Anreizregulierung muss

umgesetzt werden. Des Weiteren sollten sämtliche Potenziale zur Einsparung von

Strom erschlossen werden.

Die Politik hat aus diesem Grund verschiedene Vorgaben erlassen, welche bereits

zu tief greifende Veränderungen der Versorgungsunternehmen geführt haben und

auch weiterhin führen werden:

(1) Die veränderten Rahmenbedingungen stellen EVU vor das grundsätzliche

Optimierungsproblem, Synergien auf der Markt und Kostenseite zu erhal-

ten. Daher müssen die Aufbauorganisation, die Ablauforganisation und die

IT-Systeme angepasst werden. Wichtiger organisatorischer Handlungsbe-

darf besteht dabei z. B. hinsichtlich der Neugestaltung von Kunden-Service-

Funktionen sowie der Ausgestaltung von kaufmännischen Funktionen als

Shared-Service-Einheiten. Parallel dazu besteht Handlungsbedarf auch bei

der Anpassung von prozessualen Schnittstellen zwischen Netz und Ver-

trieb, einer Modifikation von Entscheidungs- und Führungsprozessen, der

Neugestaltung von Informationsflüssen sowie der systemtechnischen Tren-

nung der IT-Architektur.

(2) Der hohe Wettbewerbsdruck und der Wandel der Märkte erfordern von al-

len Unternehmen der Energiewirtschaft eine marktgerechte Planung von

Ressourcen, eine konsequente Kundenorientierung, schnelle Reaktionszei-

ten und neue Organisationsformen. Dabei ist ein erfolgskritischer Faktor für

die Marktteilnehmer der flexible und verantwortungsbewusste Umgang mit

der Ressource Information.

Page 88: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Zusammenfassung und Ausblick

Kerstin Hoder Seite 88 von 93

(3) Die beschriebenen Maßnahmen der Entflechtung sind aus betriebswirt-

schaftlicher Perspektive aufgrund der damit verbundenen Steigerung der

Effizienz und Transparenz interessant. Dem Verlust von Synergien steht ein

betriebswirtschaftlicher Nutzen gegenüber, welcher umso höher ist, je stär-

ker eine tatsächliche Entflechtung stattfindet. Das Grundprinzip der Neuor-

ganisation der integrierten Versorgungsunternehmen ist die Aufgliederung

der Wertschöpfungskette in operativ sinnvolle Einheiten.

(4) Die Vorteile der Ausgründung einzelner Bereiche der Versorgungsunter-

nehmen in selbstständige Gesellschaften sind vielfältig: Es entsteht ein di-

rekter Kundenkontakt zu den jeweiligen Kundenzielgruppen. Die einzelnen

Gesellschaften zeichnen sich durch eine schlankere und transparentere

Aufbau- und Ablauforganisation aus. Es existieren schnellere Entschei-

dungs- und Umsetzungsprozesse mit klaren Verantwortlichkeiten. Unter-

nehmerische Potenziale und Stärken können besser genutzt werden. Die

Gesellschaften können durch geschäftsspezifische Zielsysteme effektiver

gesteuert werden.

(5) Eine besondere Herausforderung des Versorgungsprozesses ist die Ener-

giezählung und die Abrechnung. Unternehmensübergreifende Abrech-

nungs- und Bilanzierungsprozesse werden im deregulierten Markt wesent-

lich komplexer. Daher wird ein Informationssystem benötigt, über welches

die unterschiedlichen Marktteilnehmer kommunizieren können.

(6) Die Arbeit zeigt den Bedarf der Energieversorgungsunternehmen sowie

Produkte auf, um eine Ausgangsbasis für eine Positionierung bzw. für eine

Ergänzung des Leistungsangebotes in der Energieliefer-Abrechnung zu

bieten. Es wurde aufgezeigt, welche Dienstleistungen im Bereich der Sha-

red Services existieren. Durch die Umweltanalyse wurden einige Gründe

aufgeführt, warum es zu einer externen Vergabe von Aufgaben der Shared-

Service-Abteilungen integrierter Versorgungsunternehmen an fremde

Dienstleister kam. Darüber hinaus liegen hierin auch die Gründe, warum

Service-Gesellschaften in Zukunft erfolgreich sein werden. Die Aufgaben

der Shared-Service-Dienstleister sind sehr unterschiedlich und erfordern

eine entsprechende Aufstellung und Organisation der Unternehmen. Dies

wurde durch die Branchenanalyse verdeutlicht.

Page 89: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Zusammenfassung und Ausblick

Kerstin Hoder Seite 89 von 93

(7) Anhand der Beispielunternehmen wurde aufgezeigt, wie Strukturen und

Leistungsangebot anderer Dienstleistungsunternehmen aufgebaut sind.

Daraus wurden Normstrategien für die vier gebildeten Unternehmensgrup-

pen aufgezeigt.

Zum Abschluss der Arbeit soll weiterer Untersuchungsbedarf aufgezeigt werden

und sollen interessante Entwicklungstendenzen vorgestellt werden:

Kooperationen zwischen Stadtwerken sind mittlerweile weit verbreitet. Weiterer

Untersuchungsbedarf besteht dagegen hinsichtlich der Möglichkeiten von Koope-

ration zwischen externen Shared-Service-Gesellschaften und EVU.

Dem gesamten Stromnetz steht auf kurz oder lang ein gravierender Wandel bevor,

der unter den Begriff „intelligentes Stromnetz“ fällt. Elektrischer Strom wird zum

allumfassenden Energieträger und läutet ein neues Stromzeitalter ein. Bedingt

wird diese Entwicklung durch neue Speicherkonzepte, die Integration von Konsu-

menten als Produzenten und Möglichkeiten der Informations- und Kommunikati-

onstechnik. Gebäude als Stromproduzenten und Energiespeicher und die Elekt-

romobilität stellen die zukünftigen Trends der dezentralen Stromerzeugung und

Stromspeicherung dar. Die dazu benötigten Technologien zur flexiblen Energieab-

rechnung und Informationsübertragung existieren bereits im Ansatz. Hierunter fal-

len intelligente Stromzähler, Energiesensoren und ein Internet der Energie. Spe-

ziell auf dem Gebiet der flexiblen Stromabrechnung und der Gestaltung der Infra-

struktur im Hintergrund werden in Zukunft gravierende Veränderungen zu beo-

bachten sein. Die wesentlich flexiblere Entnahme und Wiedereinspeisung von E-

nergie in das Netz erfordert auch ein neues Konzept der Energieabrechnung. Die

Entwicklung von intelligenten Stromnetzen, auch smart grids genannt, wird maß-

geblich von den Netzbetreibern beeinflusst. Dadurch steht die Platzierung neuer

Dienstleistungen und Produkte in diesem Bereich sehr stark in Zusammenhang

mit den Netzbetreibern. Im aktuellen Rahmen der Anreizregulierung wird den

Netzbetreibern jedoch finanziell keinerlei Anreiz geboten, die Entwicklung von

smart grids aktiv zu unterstützen. Lösungsansätze zur Einbindung der Netzbetrei-

ber bei der Realisierung intelligenter Stromnetzte sind unbedingt erforderlich.

Page 90: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Literaturverzeichnis

Kerstin Hoder Seite 90 von 93

Literaturverzeichnis

Bücher

Büdenbender, U., Rosin, P.: Energierechtsreform, Energiewirtschaft und Technik,

Essen, 2005

Dannischewski, J.: Unbundling im Energierecht: Konzept und Funktion von Ent-

flechtungsmaßnahmen, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, 1. Auflage

2003

Energiewirtschaftliches Institut: Neue Formen der Unternehmensorganisation in

der Energiewirtschaft, Oldenbourg Industrieverlag, München, 2000

Henzelmann, T.: Energieversorger als Dienstleistungspartner, Transfer-Verlag,

Regensburg, 1997

Kagelmann, U.: Shared Services als alternative Organisationsform: Am Beispiel

der Finanzfunktion im multinationalen Konzern, Deutscher Universitäts-Verlag,

Rostock, 1. Auflage 2001

Kahmann, M., König, S.: Wettbewerb im liberalisierten Strommarkt: Regeln und

Techniken, Springer-Verlag, Berlin, 2001

Klees, A., Langerfeldt, M.: Entflechtung in der deutschen Energiewirtschaft, Kos-

tenfalle oder Effizienzquelle?, Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden,

2.Auflage 2005

Knopf, A.: Wertorientierte Preisfindung für industrielle Softwarelösungen am Bei-

spiel der Energiewirtschaft, Dielheim, 2005

Köhler-Frost, Dr. W.: Outsourcing: Schlüsselfaktoren der Kundenzufriedenheit,

Erich Schmidt Verlag GmbH & Co, Berlin, 5. Auflage 2005

Krisp, A.: Die deutsche Stromwirtschaft: Interessenskonflikte, Klimaschutz und

Wettbewerb, VWEW Energieverlag, Frankfurt am Main, 1. Auflage 2008

Monopolkommission: Hauptgutachten 2004/2005, Mehr Wettbewerb auch im

Dienstleistungssektro!, Nomos, Baden-Baden, 1. Auflage 2006

Page 91: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Literaturverzeichnis

Kerstin Hoder Seite 91 von 93

Perez, N.: Service Center Organisation, Neue Formen der Steuerung von internen

Dienstleistungen unter besonderer Berücksichtigung von Shared Services, Gabler

Edition Wissenschaft, Wiesbaden , 1. Auflage 2008

PricewaterhouseCoopers AG WPG: Entflechtung und Regulierung in der deut-

schen Energiewirtschaft, Praxishandbuch zum Energiewirtschaftsgesetz, Rudolf

Haufe Verlag, München, 2007

Rasbach, W.: Unbundling – Regulierung in der Energiewirtschaft, Verlag C. H.

Beck, München, 2009

Steinbauer, B.: Reorganisation in der Energiewirtschaft („undbundling“) und deren

arbeitsrechtliche Folgen, Herbert Utz Verlag, München, 2006

Zeitschriften und Artikel

Appel, M., Beisheim, C., Edelmann, H., Kaufmann, R.: Unbundling – Gestal-

tungsmodelle und Handlungsoptionen für Stadtwerke und EVU, Energiewirtschaft-

liche Tagesfragen, 2004

Cord, Dr. M., Hannes, Dr. B., Hartmann, Dr. B., Kellerhoff, dr. J., Weber-Rey, D.:

Konsequenzen der Unbundling-Vorgaben für die deutsche Energiewirtschaft –

Skizze möglicher Umsetzungsmodelle und Hypothesen zum Marktauftritt, Zeit-

schrift für Energiewirtschaft, 2003

Haller, S., Reichel, O.: Co-opetition – Stadtwerke zwischen Wettbewerb und Ko-

operation, ew, Heft 10/08

Straub, M.: Kostenoptimierung und Qualitätsverbesserung durch Shared Service

Center, SIV.NEWS, I/2009

Sander, C.: Kooperationen kommunaler Energieversorger - eine empirische Be-

standsaufnahme, Arbeitspapiere des Instituts für Genossenschaftswesen der

Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, März 2009

Internetquellen

Accenture: Value Creator II: Eine empirische Untersuchung von Energieversor-

gungsunternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, URL:

Page 92: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Literaturverzeichnis

Kerstin Hoder Seite 92 von 93

http://www.accenture.com/NR/rdonlyres/21A46FF0-9D71-453D-9EE2-

B028E9D567CB/0/Accenture_VCII_2005.pdf, [Stand 30.09.2009]

A.T. Kearney: Kurzfristiges Wachstum in der Energiewirtschaft: Was EVU von an-

deren Branchen lernen können, URL: www.atkearney.de/.../pdf_a.t.kearney-

gastbeitrag_1159516733118d.pdf, [Stand: 30.09.2009]

Apel, D.: Wenn Energieversorger zu Dienstleistern für Energieversorger werden:

Praxiserprobtes Modell einer Ausgliederung am Beispiel der Abrechnung, URL:

http://www.ave-online.de/ave-media/pdf/emw_artikel.pdf, [Stand 30.09.2009]

BNetzA: Festlegung einheitlicher Geschäftsprozesse und Datenformate zur Ab-

wicklung der Belieferung von Kunden mit Elektrizität, URL:

http://www.bundesnetzagentur.de/media/archive/6853.pdf, [Stand 30.09.2009]

Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie: Schlaglichter der Wirtschafts-

politik, Monatsbericht Januar 2008, URL: [Stand 30.09.2009]

Bundesregierung: Entwurf Zweites Gesetz zur Neuregelung des Energiewirt-

schaftsrecht, URL: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/15/039/1503917.pdf,

[Stand 30.09.2009]

Ernst & Young: Wettbewerb in den Energiemärkten, Stadtwerkestudie 2008, URL:

http://www.ey.com/Publication/vwLUAssets/Summary_Stadtwerkestudie_2008/$FI

LE/Summary_Stadtwerkestudie_2008.pdf, [Stand 30.09.2009]

Europäisches Parlament: Richtlinie 96/92/EG, URL: http://www.verivox.de/Power/

gesetze/Richtlinie _ fuer_den_Elektrizitaetsbinnenmarkt.pdf, [Stand 30.09.2009]

IT-Power: Unbundling einfach gemacht, URL: http://www.it-

power.org/fileadmin/media/evu-praxisforum06/4-Jansen.pdf, [Stand 30.09.2009]

Pielke, M., Kurrat, M.: Anreizregulierung als neuer Rechtsrahmen effizienter Ver-

sorgungsstrukturen in Europa, URL: www.htee.tu-bs.de/.../pielke_ anreizregulie-

rung_ als_europ_rechtsrahmen _effizienter_versorgungsstrukturen.pdf, [Stand:

30.09.2009]

Page 93: Analyse von Dienstleistungen und Shared-Service ... · PDF fileAnalyse von Dienstleistungen und Shared-Service-Gesellschaften in der Energiewirtschaft Diplomarbeit Lehrstuhl für Unternehmensführung,

Literaturverzeichnis

Kerstin Hoder Seite 93 von 93

Schütz, D.: IT-Vorgehensmodelle zur Umsetzung des Unbundling in der Energie-

wirtschaft, URL: http://opus.bsz-bw.de/fhnu/volltexte/2006/502/pdf/Diplomarbeit.

pdf, [Stand 30.09.2009]

Trend:research GmbH: Smart Billing: Die neuen Abrechnungsprozesse, URL:

http://www.trendresearch.de/studien/12-0441.pdf, [Stand 30.09.2009]

Werlein, H.: Unbundling – Prozessidentität bei Messstellenbetrieb und Netzab-

rechnung, URL: www.it-power.org/fileadmin/media/evu.../20090617_ 3_ Wer-

lein.pdf, [Stand 30.09.2009]