AGGRESSION UND GEWALT
Phänomene, Dynamik, Therapie
Master – Thesis
zur Erlangung des akademischen Grades MSc – Master of Science in Existenzanalyse
vorgelegt von
David Nowrouzi Graz, Oktober 2006
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Prozess, der von aggressiven Gefühlen und
Impulsen zu tatsächlichen Gewalthandlungen führt sowie mit den dabei zugrunde liegenden
Bedingungen. Nach einleitenden Begriffsbestimmungen, wird die existenzanalytische
Aggressionstheorie kurz zusammengefasst und ferner eine Annäherung an das Phänomen der
Gewalt in den beiden Formen „Gewalt erleiden“ und „Gewalt ausüben“ versucht.
Im Hauptteil werden der personale Prozess, der von Aggression zu Gewalt führt sowie die
Wechselwirkung von Aggression und Gewalt anhand der „Personalen Existenzanalyse“ und
dem Modell der „4 Grundmotivationen“ beschrieben. Kurz skizziert werden einige kulturelle
und gesellschaftliche Aspekte von Gewalt, wie z. B. Gewalt als primär männliches
Phänomen.
Abschließend wird der therapeutische Umgang mit Aggression und Gewalt dargestellt, wobei
der Fokus auf der sogenannten Täterarbeit liegt. Diese wird am Beispiel der Grazer
Männerberatung dargestellt.
Schlüsselwörter: Aggression, Gewalt, Personale Existenzanalyse, Grundmotivationen,
Täterarbeit
Abstract
This paper deals with the process which leads from aggressive emotions and impulses to
actual aggression as well as the underlying conditions. Preliminary definitions are followed by
a short summary of the existential-analytical theory of aggression and an attempt to approach
the phenomenon of violence in its twin form of “suffering violence” and “exerting violence”.
The main part describes the personal process of aggression resulting in violence and their
interaction (between aggression and violence) on the basis of the “personal existential
analysis “ and of the “four fundamental motivations”.
Some cultural and social aspects are presented in a short outline, for example the concept of
violence as a primarily male phenomenon. Finally there is a focus on the therapy of
aggression and violence, mainly on the so-called “work with delinquents”
Key words: aggression, violence, personal existential analysis, fundamental motivations,
“work with delinquents”
1
INHALTSVERZEICHNIS
1. VORBEMERKUNG ___________________________________________________ 2
2. EINLEITUNG UND BEGRIFFSBESTIMMUNGEN _________________________ 4
2.1. Definitionen zu „Aggression“ _______________________________________ 6
2.2. Definitionen zu „Gewalt“ __________________________________________ 6
3. AGGRESSION IN EXISTENZANALYTISCHER PERSPEKTIVE ____________ 10
4. GEWALT __________________________________________________________ 16
4. 1. Gewalt erleiden _________________________________________________ 16
4. 1. 1. Wechselwirkung von Aggression und Gewalt 18
4.2. Gewalt ausüben _________________________________________________ 21
4.2.1 Gewalt verursachen 25 4.2.2. Zur Bewertung von Aggression und Gewalt 25 4.2.3 Entscheidung zur Gewalt 26
5. VON AGGRESSION ZU GEWALT _____________________________________ 28
5.1. Personaler Umgang mit Aggression _________________________________ 28
5.2. Impulsreaktion __________________________________________________ 32
5.3. Voraussetzungen für einen personalen Umgang mit Aggression _________ 33
5.4. Folgen von Gewalttätigkeit - Gewaltkreislauf _________________________ 37
6. KULTURELLE UND GESELLSCHAFTLICHE ASPEKTE __________________ 40
6.1. Gewalt ist „Männersache“ ________________________________________ 40
6.2. Gewaltklima ____________________________________________________ 44
6.3. Gewaltmonopol _________________________________________________ 46
7. ZUR THERAPIE VON AGGRESSION UND GEWALT _____________________ 48
7.1. Therapie der Aggression - Damit Aggression nicht zur Gewalt wird ______ 48
7.2. Täterarbeit – Therapie der Gewalttätigkeit __________________________ 51
8. SCHLUSS __________________________________________________________ 71
9. LITERATURVERZEICHNIS __________________________________________ 74
2
1. VORBEMERKUNG
Warum eine Abschlussarbeit zu Aggression und Gewalt? Zweierlei hat mich dazu be-
wogen dieses Thema zu wählen:
Zum einen war ich nahezu während der gesamten Zeit des Fachspezifikums u.a. in der
Grazer Männerberatung im Rahmen der sogenannten „Täterarbeit“ beschäftigt, einem
Modul für soziotherapeutische Arbeit mit Männern, die sexualisierte Gewalt und/oder
körperliche Gewalt ausgeübt haben, wobei sich diese Männer aufgrund einer Weisung
bzw. Auflage durch Behörden einer Therapie zu unterziehen hatten (Druckzugang). Die-
se Tätigkeit verlangte einerseits eine intensive theoretische und inhaltliche Ausei-
nandersetzung mit Gewalt, im speziellen mit sexualisierter Gewalt und andererseits war
durch die ständigen Begegnung mit gewalttätigen Männern auch eine persönliche Aus-
einandersetzung (als Mann und als angehender Psychotherapeut) mit dem Thema in Re-
flexion und Supervision unumgänglich. Das ist Grund genug, mich nun mit dem Phäno-
men Aggression und Gewalt aus einer existenzanalytischen Perspektive zu befassen.
Zum anderen ist Gewalt allgegenwärtig und das dominierende Thema der Medien: Krie-
ge, Selbstmordattentate, Terrorangriffe, Massenvergewaltigungen, Amokläufe, Gewalt
in der Familie, Gewalt gegen Frauen und Kinder, sexuelle Gewalt gegen Frauen, Buben
und Mädchen, Gewalt gegen alte Menschen, Polizeiübergriffe und Folter, Erziehungs-
gewalt, Gewalt in der Psychiatrie, Strukturelle Gewalt, Symbolische Gewalt, Banden-
kriege in Großstädten und Randale am Fußballplatz, Vandalismus, usw..
Gewalt gehört offenbar zum Menschsein und ist aus der Menschheitsgeschichte – die
beinahe als eine Geschichte der Gewalt zu sehen ist – nicht wegzudenken. Nicht erst
seit Kain Abel erschlug, setzen sich Religion, Wissenschaften und Kunst mit dem Phä-
nomen Gewalt auseinander und versuchen Antworten zu finden auf die Frage, wie es
möglich und verstehbar ist, dass Menschen einander nicht nur umbringen, sondern sich
gegenseitig die größten Grausamkeiten und Quälereien zufügen. Trotz dieser Fülle an
Material, an Theorien, Erklärungen und Diskursen bleiben viele Fragen offen. Ob Ge-
walttätigkeit in ihrer Gesamtheit weniger wird, ist mehr als fraglich. Ich persönlich ver-
spüre jedenfalls in der Auseinandersetzung mit Gewaltphänomenen immer eine Spur
Fassungslosigkeit. Ein Weg, dieser Fassungslosigkeit zu begegnen ist, mich im Folgen-
3
den damit auseinander zu setzen, was die Existenzanalyse zu einem möglicherweise er-
weiterten Verständnis von Gewalt und Aggression beizutragen hat und welche therapeu-
tischen Maßnahmen sinnvoll und möglich sind.
Der vorliegenden Arbeit ist eine Überarbeitung und Weiterführung meiner Abschlussar-
beit für das psychotherapeutische Fachspezifikum in Existenzanalyse (Nowrouzi 2006),
wobei vor allem der Bereich des therapeutischen Umgangs mit Gewalttätigkeit breiter
ausgeführt ist.
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2. EINLEITUNG
„Aggression“ und „Gewalt“ sind zwei unscharf definierte und umstrittene Begriffe, sie
werden gelegentlich auch synonym verwendet und beanspruchen gleichzeitig im All-
tagsgebrauch unmittelbare Verständlichkeit. Doch schon der Titel meiner Arbeit „Ag-
gression und Gewalt“ impliziert, dass ich mit den beiden Begriffen unterschiedliche As-
pekte von aggressiven bzw. gewalttätigem Verhalten bezeichne. Gleichzeitig ist damit
bereits ein Prozess angedeutet, der in dieser Arbeit untersucht werden soll, nämlich der
Vorgang, der von einem Erregungszustand oder (aggressiven) Gefühl zu einem (gewalt-
tätigen) destruktiven Verhalten führt. Oder anders bzw. praktischer formuliert: Wie
kommt es von beispielsweise Wut zu einem Totschlag? Und umgekehrt: Warum meis-
tens nicht? Impliziert eine Erregung, ein aggressiver Impuls automatisch eine Gewalttat?
Es geht also um die Frage, die Lilo Tutsch, nachdem sie sich mit Ursprung, Entwicklung
und Funktion der Aggression beschäftigt hat, so formuliert: „Aus welchen Gründen
kommt es nun konkret und aktuell zu einem aggressiven Akt? Was macht es letztendlich
aus, dass ein aggressives Gefühl in eine aggressive Handlung umgesetzt wird?“ (Tutsch
2003, S. 146).
Ich bin gleichzeitig davon überzeugt, dass gerade die Existenzanalyse aufgrund ihrer
Anthropologie, die das Freie im Menschen betont, für die Bearbeitung und für das Ver-
ständnis dieser Fragestellung Wesentliches beizutragen hat.
In einem weiteren Teil soll die existenzanalytische Therapie der Aggression dargestellt
und speziell hinsichtlich der Frage beleuchtet werden, ob Existenzanalyse einen Beitrag
zur Therapie von Gewalttätigkeit leisten kann.
Zu Beginn werde ich verschiedene mögliche Definitionen anführen und mich in der Fol-
ge einer Begrifflichkeit annähern, die für dieses Vorhaben brauchbar ist. Gleichzeitig
sollen diese Definitionen das breite Feld skizzieren, in welchem die beiden Begriffe
verwendet werden und auf die verschiedenen methodischen Herangehensweisen verwei-
sen.
In einem ersten Teil wird die existenzanalytische Aggressionstheorie dargestellt und in
der Folge eine Annäherung an das Phänomen Gewalt versucht und zwar hinsichtlich
seiner beiden Grundformen Gewalt-Erleiden und Gewalt-Ausüben.
5
Anschließend wird anhand der Personalen Existenzanalyse der Frage nachgegangen, wie
ein personaler Umgang mit Aggression aussehen kann und welche strukturellen Voraus-
setzungen dafür notwendig sind. Gleichzeitig wird der Prozess, der bei fehlender bzw.
brüchiger innerer Struktur, von Aggression zu Gewalt führt untersucht.
Bevor ich auf den therapeutischen Umgang mit Aggression und Gewalt aus existenzana-
lytischer Sichtweise eingehe, werden einige gesellschaftliche und kulturelle Aspekte, die
das Auftreten von Gewalt begünstigen können, kurz skizziert.
Beim therapeutischen Umgang mit Aggression und Gewalt liegt der Fokus auf der Ar-
beit mit Gewalttätern bzw. auf den dabei notwendigen Strukturen und Rahmenbedin-
gungen.
6
3. BEGRIFFSBESTIMMUNGEN
3.1. Definitionen zu „Aggression“
Der Duden verzeichnet zum Stichwort Aggression „Zu Lateinisch aggredi - heran-
schreiten, sich nähern, angreifen: Bezeichnung für die Bereitschaft zu feindlichem Ver-
halten und für dieses Verhalten selbst.“
Nach Zilmann ist eine Aktivität dann als Aggression zu definieren, „wenn von der han-
delnden Person versucht wird, einer anderen Person körperlichen Schaden oder psychi-
schen Schmerz zuzufügen, und wenn das Opfer gleichzeitig danach strebt, eine solche
Behandlung zu vermeiden.“ (zit. nach Bierhoff HW, Wagner U 1998)
Eine Kurzdefinition von A. Längle: „Aggression ist gewaltsames Behandeln eines Ob-
jekts.“ (Längle 2003 b, S. 164)
In der Verhaltensbiologie wird der Ausdruck „Aggression“ für „gegnerische Ausei-
nandersetzungen zwischen Artgenossen oder auch zwischen Vertretern verschiedener
Arten verwendet. `Aggressivität´ heißt Bereitschaft zur gegnerischen Auseinanderset-
zung.“ (Hemmert-Halswick S, Kluge K.-J. 1977, S. 10). Die Funktion der Aggression
liegt hier in Selektionsvorteilen.
Erich Fromm unterscheidet zwischen „gutartiger Aggression“ als positive Kraft (Reakti-
onen und Abwehr gegen Angriffe“ und „bösartiger Aggression“ als „spezifische
menschliche Leidenschaft zu zerstören und absolute Kontrolle über ein Lebewesen zu
haben“. Diese „bösartige Aggression“ bezeichnet er als Destruktion und Grausamkeit.
(Fromm 1997, S. 14)
3.2. Definitionen zu „Gewalt“
Unter dem Stichwort Gewalt ist im Duden zu lesen: „Anwendung physischen (Zufügung
körperlichen Schmerzes, Einschränkung der Bewegungsfreiheit) oder psychischen (z. B.
Drohung, Erpressung) Zwangs, im Allgemeinen in der Absicht in einem Interessenskon-
flikt dem eigenen Willen gegen Widerstand Geltung zu verschaffen.“ (Duden)
7
Der Brockhaus definiert Gewalt als „Unrechtmäßiges Vorgehen, die Anwendung von
physischen und/ oder psychischen Zwang gegenüber einem anderem, um diesem Scha-
den zuzufügen bzw. ihn der Herrschaft des Gewalt-Ausübenden zu unterwerfen.“ (zit.
nach Wienberg 1997, S. 14)
Die WHO definiert Gewalt als: „Der absichtliche Gebrauch von angedrohtem oder tat-
sächlichem körperlichem Zwang oder physischer Macht gegen die eigene oder eine an-
dere Person, gegen eine Gruppe oder Gemeinschaft, die entweder konkret oder mit hoher
Wahrscheinlichkeit zu Verletzungen, Tod, psychischen Schäden, Fehlentwicklungen
oder Deprivation führt.“ (zit. nach Gugel 2006, S. 54)
In strafrechtlich-normativer Hinsicht wird Gewalt von Geissbühler Hermann wie folgt
umschrieben: „Gewaltanwendung entspricht einer Tat oder einem Verhalten, das mit
physischer Macht oder mit psychischen Druckmitteln in die persönliche Sphäre eines
Menschen und in seine Rechte eindringt, um diese zu schädigen, sie sich anzueignen
oder zu zerstören.“ (Geissbühler 1998, S. 22)
Für Lempert und Oelemann bedeutet Gewalt jede körperliche Verletzung einer Person
durch einen andere und die Androhung von physischer Gewalt. (Lempert J., Oelemann
B. 1995, S.11)
A. Längles Kurzdefinition: Gewalt ist rücksichtslose Mächtigkeit, das Eigeninteresse
wird über das Fremdinteresse gestellt, wobei mit Mächtigkeit Durchsetzungsvermögen
gemeint ist. (vgl. Längle 2003 b, S. 164)
Zu bemerken ist, dass die Gewalt-Definitionen den Aspekt der Intentionalität von Ge-
walt betonen. Anhand dieser Definitionen ist eine klare Abgrenzung der beiden Begriffe
jedoch nicht möglich, es gibt allerdings entsprechende Versuche: Der Sozialpsychologe
Bornewasser unterscheidet Aggression und Gewalt beispielsweise nach vier verschiede-
nen Kategorien, nämlich dem Ausmaß der Schädigung, Strafbarkeit und Sanktionen,
hinsichtlich des intentionalen Charakters sowie der damit verbundenen Gefühlslage:
„Gewalthandlungen
- führen zu schweren Schädigungen mit erheblichen Konsequenzen, verstoßen ge-
gen juristisch-fixierte Normen und sind verboten,
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- haben instrumentellen Charakter,
- erfolgen oftmals berechnend und kalt.
Aggressionen
- führen zu unerheblichen Schädigungen,
- verstoßen gegen konventionelle Umgangsformen und sollen vermieden werden,
- haben feindseligen Charakter,
- sind Folge heißer emotionaler Erregung.“ (Bornewasser M 1998, S. 48f)
Mario von Cranach wiederum differenziert hinsichtlich der „Anwender“ der Begriffe
und deren Intentionen:
„Der Aggressionsbegriff wird vor allem von Psychologen und Verhaltensforschern zur
Bezeichnung individueller Handlungen mit schädigender Absicht verwendet. Sie sind
besonders an der Aufklärung der Ursachen interessiert, und dementsprechend stehen
triebtheoretische und lerntheoretische Ansätze im Vordergrund.
Der Gewaltbegriff wird mehr von Forschern, die der soziale Kontext und Interventi-
onsmaßnahmen interessieren, von Pädagogen, Soziologen, Sozialarbeitern und Politi-
kern verwendet; sie verstehen darunter verschiedene Umstände und Handlungen zwin-
gender und zerstörender Einwirkung, ausgeübt durch Individuen und soziale Systeme.“
(von Cranach 1998, S. 27)
Für die Fragestellung der vorliegenden Arbeit erscheinen jedoch jene Gewaltdefiniti-
onen als hinreichend, die den Aspekt des Handelns resp. des willentlichen, vorsätzlichen
Handelns betonen, wie beispielsweise jene von Anton Hügli, der meint: „Ge-
waltausübung in ihrer paradigmatischen Form ist eine bewusste und willentliche, d.h.
intentionale Verursachung von Gewalt. Wie jedes intentionales Handeln lässt Gewalt-
ausübung die Frage zu nach einem Warum und erwartet als Antwort eine Angabe von
Gründen. Intentionale Gewalt steht darum auch im Fokus von Moral und Recht.“ (Hügli
2005, S. 25)
Für die Beratungseinrichtung „Männer gegen Männer-Gewalt“ zitiert Thomas Dangers
Nini: „Gewalt meint jede Verletzung der körperlichen Integrität einer Person durch eine
andere. Gewalt bezieht über körperliche Gewalthandlungen hinaus auch Formen psychi-
scher Gewalt mit ein, insoweit diese von physischer Gewalt begleitet sind oder auf deren
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Androhung beruhen.“ und fügt hinzu: „Der Gewaltbegriff wird als Handlungsbegriff
verwendet, er bezieht nur die Gewalthandlung selber und die konkrete Androhung mit
ein.“ Und weiter: „Gewalthandeln wird als selbst zu verantwortendes Handeln verstan-
den. Gewalthandeln ist nach unserem Verständnis eine Verhaltensweise und kein biolo-
gisch oder psychopathologisch zu fassender Begriff. Gewalthandlungen sind intentiona-
les Handeln und unterliegen somit der Willensentscheidung des Mannes und können von
ihm angewandt oder abgelehnt werden.“ (Dangers 2002, S. 26).
Für die Frage, die diese Arbeit behandelt, erscheint es mir zielführend zu sein, mit Ag-
gression vorerst das aggressive Gefühl, einen Erregungszustand und einen damit ver-
bundenen aggressiven Impuls zu bezeichnen. Demgegenüber ist mit Gewalt die aggres-
sive Tat, die (intentionale) Gewalthandlung an sich gemeint.
Ich gehe dabei davon aus, dass eine Differenzierung dieser beiden Begriffe für die Bear-
beitung der Frage hinsichtlich des Prozesses vom Gefühl zur Tat zweckmäßig ist und
gleichzeitig für die Wahl der zu ergreifenden therapeutischen Maßnahmen hilfreich sein
kann.
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4. AGGRESSION IN EXISTENZANALYTISCHER PERSPEKTIVE
Psychologische Aggressionsforschung beschäftigt sich im Wesentlichen mit drei grund-
legenden Modellen zum Verständnis von Aggression (vgl. Gugel 2006, S. 61 – 64):
1. Triebtheorien: Sie stammen aus dem Bereich der tierischen Verhaltensforschung
und nehmen auch beim Menschen einen genetisch determinierten Aggressions-
trieb an.
2. Frustrations-Aggressions-Theorie: Aggression ist stets eine Folge von Frustration
und je größer die Frustration ist, desto größer ist die Aggressionstendenz. Da ein
Leben ohne Frustration nicht möglich ist, sind auch Aggressionen prinzipiell
nicht abschaffbar.
3. Lerntheorien: Hier ist Aggression ein Verhalten wie jedes andere und deshalb
ebenso durch einen Lernprozess erworben worden. „Diese Annahme geht davon
aus, dass der Mensch von Natur aus nicht festgelegt ist und im Sozialisationspro-
zess die ihn kennzeichnenden Verhaltensweisen erlernt.“ (Gugel 2006, S. 63)
Im existenzanalytischen Verständnis wird demgegenüber der Mensch in erster Linie
dann aggressiv, wenn eine Grundbedingung der Existenz bedroht ist, d. h. Aggression
wird zum Schutz eines existentiellen Themas mobilisiert.
Viktor Frankl beschäftigt sich wenig mit Aggression und dort, wo er es tut, beschreibt er
Aggression in der Dimension der menschlichen Phänomene als Hass, wobei dieser Hass
im Gegensatz zur Aggression, intentional gerichtet ist, nämlich auf etwas Hassenswertes
(Frankl 1979, S. 149 - 151; 1986, S. 23 - 24). „Haß und Liebe sind menschliche Phäno-
mene, weil sie intentional sind, weil der Mensch jeweils einen Grund hat, etwas zu has-
sen und jemanden zu lieben.“ (Frankl 1979, S. 150). In diesem Sinne wendet er sich
gleichzeitig gegen den triebtheoretischen Aggressionsbegriff Freuds und gegen den bio-
logisch untermauerten, den Konrad Lorenz in seinem Buch „Das sogenannte Böse. Zur
Naturgeschichte der Aggression“ vertritt (Lorenz 1974). Gerade im Zusammenhang mit
Aggression pocht Frankl auf den personalen Spielraum im Umgang mit aggressiven Im-
pulsen: „Der Mensch ist dafür verantwortlich, ob er sich mit seiner Aggressivität identi-
fiziert oder von ihr distanziert“ (Frankl 1986, S.24) und „ob jemand jedoch kriminell
11
wird, ist letzten Endes eine Frage der Einstellung. Die Vererbung stellt das Material zur
Verfügung, mittels dessen der Mensch sich selbst aufbaut.“ (Frankl 1979, S. 56).
Frankl beschäftigt also primär die anthropologische Dimension der Aggression, um-
fassendere theoretische Ausführungen zu Entstehung und Funktion der Aggressivität
sind nicht vorhanden, auch wenn er meint: „In der Tat: aggressive Impulse scheinen
nicht zuletzt dort zu wuchern, wo ein existenzielles Vakuum vorliegt.“(Frankl 1979, S.
151).
Diese Lücke in der existenzanalytischen Theoriebildung schließt Alfried Längle, der in
Weiterführung des Modells der personal-existenziellen Grundmotivationen (vgl. z.B.
Längle 2001) und der Ausformulierung der existenzanalytischen Psychodynamik (Längle
2003a) ein systematisches Verständnis der Aggression in der Existenzanalyse ermöglicht
(Längle 1998; 2003b), das im Folgenden kurz zusammengefasst wird.
Allgemein-anthropologisch bestimmt Längle Aggression als Affekt und als Reakti-
onsweise. Sie gehört zum Funktionskreis der Psyche und stellt somit eine „psychische
Reaktionsweise“ dar.
Als Reaktionsweise ist sie von einem Stimulus abhängig, führt zu einer impulsiven Ver-
haltensweise und bezieht sich darin auf ein Objekt.
Als psychisches Geschehen
- beinhaltet die Aggression Repräsentanzen auf der Erlebnisebene (Affekte),
- ist Aggression wesensverwandt mit zuständlichen Gefühlen (Empfinden ) und
Trieben (Dynamik).
- gehört Aggression in den Aufgabenkreis der Psyche.
Das Psychische hat folgende Funktionen bzw. Aufgaben zu erfüllen (Längle 2003a):
- die vitale Lage abzubilden (Bedürfnisse, Befinden, zuständliche Gefühle, Stim-
mungen, Lust/Unlust),
- Informationen im Gefühl zu speichern (Gefühlszustände, Stimmungen,
Lust/Unlust, Gewöhnung, Neigung, Persönlichkeitseigenschaften) und
- Schutzmechanismen zu mobilisieren (Triebe, Aktivierungsniveau, Coping-
reaktionen).
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Die Psyche wird dabei einerseits als eine Kraft verstanden, die aus der Verwurzelung des
Menschen in der Natur stammt und daher die Aufgabe der vitalen Selbsterhaltung hat,
weshalb bzw. wodurch die Psychodynamik mobilisiert wird. Gleichzeitig wird Psycho-
dynamik aber auch zum Schutz existenzieller Haltungen aktiviert. Mobilisiert werden
dabei die Aufmerksamkeit (Erregungszustand) und sogenannte Copingreaktionen, re-
flexartige, automatisch ablaufende Schutz- und situative Bewältigungsreaktionen. (vgl.
auch zum Folgenden Längle 2003b).
Vier unterscheidbare Bewegungen dieser situativen Bewältigungsreaktionen können
beobachtet werden:
1. Grundbewegung, die zum Ziel hat, den drohenden Verlust zu minimieren, Ver-
meidung
2. paradoxe Bewegung, ein Bewältigungsversuch durch Angehen des Gegenteils
3. Aggressionsbewegung: Abwehr durch Angriff des bedrohlichen Objekts (ent-
springt dem Gefühl des Nicht-Entkommens)
4. Totstellreflex, ein psychischer Schock, Ausdruck beginnenden Überwältigungs-
erlebens
Aggression stellt also eine spezifische Copingreaktion dar, die durch eine Kombination
von situativen Auslösern und individuellen Dispositionen hervorgerufen wird.
Situativer Auslöser ist vor allem das Gefühl der Ausweglosigkeit, das heißt, dass dann,
wenn ein Mensch das Gefühl hat, nicht mehr entkommen zu können, aggressive Potenti-
ale aktiviert werden. Dabei lassen sich entsprechend der vier Grundmotivationen (GM)
verschiedene Formen des Erlebens beschreiben:
- etwas ist nicht mehr auszuhalten (1. GM)
- durch mangelnde Beziehung wird es zu kalt und leblos (2. GM)
- man geht sich selbst verloren oder das Eigene bzw. das was einem wichtig ist
wird zerstört (3. GM)
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- eine Situation wird als sinnlos erlebt und keine sinnvolle Möglichkeit tut sich auf
(4. GM)1
Zu den individuellen Dispositionen zählt Längle neben angeborenen Persönlichkeits-
eigenschaften (z.B. introvertiert oder extrovertiert) v.a. die jeweilige Lebensgeschichte,
die bei der Auslösung von Aggression von Bedeutung ist. Beispielsweise beeinflussen
traumatische Vorerfahrungen von Ausweglosigkeit oder verschiedene Lernerfahrungen
im Zusammenhang mit Aggression, beispielsweise Durchsetzungserfolge mit aggressi-
vem Verhalten, das Auftreten aggressiver Impulse. Darüber hinaus sind persönliche Hal-
tungen, Einstellungen oder weltanschauliche Gewissheiten bezüglich Aggression be-
deutsam für ihr Auftreten.
Von diesen Persönlichkeitseigenschaften hängt also ab, zu welcher Copingvariante die
jeweilige Person angesichts einer auswegslosen Situation tendiert.
Die genannten Copingreaktionen gliedern sich aber nicht nur nach diesen Bewegungs-
richtungen, sondern auch inhaltlich nach dem existenziellen Thema, das jeweils in Ge-
fahr ist und zu dessen Schutz die jeweilige Copingreaktion aktiviert wird. Für den Fall
der Copingstufe Aggression heißt dies, dass sie je nach intentionalem Ziel entweder als
Hass, als Wut, als Zorn, Ärger oder Trotz, als Zynismus oder als eine Kombination die-
ser grundlegenden Aggressionstypen auftritt. Im existenzanalytischen Verständnis wird
der Mensch also in erster Linie dann aggressiv, wenn eine Grundbedingung der Existenz
bedroht ist:
Im Bereich der ersten Grundmotivation, in der es um Schutz, Raum und Halt geht, wo
also das Sein-Können als solches bedroht ist, wird Aggression in Form von Hass akti-
viert. Hass intendiert die Beseitigung, die Vernichtung des Bedrohlichen, um das eigene
Dasein zu sichern – Ich oder Du.
Im Bereich der zweiten Grundmotivation ist die Möglichkeit Nähe zu erleben, in Be-
ziehung zu sein und in der Folge das Leben-Mögen bedroht. Aggression zeigt sich hier
in aufwallender Wut, die nicht destruktiv ist, sondern der es um ein Wachrütteln geht,
darum Nähe zu bekommen, Leben zu spüren. Aggression dient hier der Bezie-
hungssuche. 1 Das Modell der „personal-existenziellen Grundmotivationen“ wird unten im Kapitel „Von Aggression und Gewalt“ ausführlich dargestellt.
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In der dritten Grundmotivation geht es um die existenziellen Grundbedingungen Recht-
fertigung, Beachtung und Wertschätzung als Voraussetzung für das Erleben, Person-
oder Selbstsein zu dürfen. Sind diese Grundbedingungen in Gefahr wird im Aggressi-
onsmodus mit unduldsamen Zorn, giftigem Ärger oder verweigerndem Trotz reagiert.
Dabei wird versucht Grenzen zu ziehen bzw. wiederherzustellen, Selbstwert und Re-
spekt einzufordern, um das Eigene zu schützen.
Ist die vierte Grundbedingung der Existenz bedroht, geht der sinnvolle Kontext verloren,
so dass ein sinnvolles Wollen verunmöglicht wird. Aggression zeigt sich hier in einer
spielerischen Weise (z.B. mutwillige Beschädigungen), in Empörung oder Zynismus.
Intentional geht es dabei um eine Veränderung des Kontextes, wodurch man sich dem
leeren Zusammenhang entzieht und dabei Mächtigkeit, Vitalität oder Selbstwert erlebt.
Lilo Tutsch setzt sich auf der Basis von Kernbergs affekttheoretischem Ansatz mit dem
entwicklungspsychologischen Hintergrund aggressiver Affekte auseinander und kann
den einzelnen kindlichen Entwicklungsstufen die Ausbildung der verschiedenen Aggres-
sionsformen hinsichtlich ihrer Intentionalität zuordnen. Diese entsprechen den aggressi-
ven Copingvarianten in den jeweiligen Grundmotivationen (vgl. Tutsch 2003, S.144f):
So geht es der Wut in einer frühen Entwicklungsstufe darum, eine basale, körperlich
empfundene Quelle von Schmerz oder Irritation auszuschalten. Dies entspricht dem
Hass, der auftritt, wenn das Leben in Gefahr ist und der zerstörerische Kräfte aktiviert.
In einer weiteren Entwicklungsstufe geht es der Wut darum, Behinderungen der Be-
dürfnisbefriedigung auszuschalten oder existenzanalytisch: das zu sichern, was als gut
empfunden wird.
In einer nächsten Phase der Entwicklung geht es der Wut darum, den drohenden Verlust
der Autonomie wiederherzustellen oder existenzanalytisch betrachtet, darum das Eigene
zu sichern, das Individuell-sein-Dürfen.
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In einer letzten Stufe der kindlichen Entwicklung geht es der Wut darum, den eigenen
Willen zu behaupten oder existenzanalytisch: darum, die Werte um- bzw. durchzusetzen,
um den „Schutz der Existenz.
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5. GEWALT
Längle meint, jede Aggression habe ihren Stachel, „ja mehr noch: jede Aggression ist
gewaltsam, ist ein Aufbäumen, um sich zu behaupten, durchzusetzen, das Leben zu be-
wahren.“ (Längle 2003 b, S.163). Er wendet sich mit dieser Aussage gegen die häufig
verwendete Übersetzung von „aggredi“ mit „Herangehen an etwas“, einer tatsächlich
unangemessenen Verniedlichung von Aggression, der es ja primär um die Erhaltung der
bedrohten Grundbedingung der Existenz geht und die daher primär eigennützig ist. Ag-
gression, so Längle, sei daher Mächtigkeit, weil es ihr darum geht, Macht über den aus-
lösenden Stimulus bzw. die auslösende Situation zu gewinnen. Und gleichzeitig meint
er, dass Aggression nicht nur mächtig ist, „sondern auch gewaltsam, wenn Gewalt als
`rücksichtslose Mächtigkeit´ definiert wird. Gewalt will ihr Ziel auch gegen einen Wi-
derstand erreichen, (...)“ (Längle 2003, S.163).
Längle wendet sich zu Recht gegen eine Verniedlichung des Aggressionsbegriffs, dem
Phänomen Gewalt wird er aber, wie ich meine, nicht in seiner Fülle gerecht, was die
folgenden Betrachtungen zur Gewalt hinsichtlich ihrer Erscheinungsformen, ihrer In-
tentionalität und ihrer Wechselwirkung mit der Aggression zu zeigen versuchen.
Phänomenologisch betrachtet lassen sich zunächst zwei grundlegende Aspekte von Ge-
walt unterscheiden: die Gewalt, die eine Person erleidet, (gleichgültig woher sie kommt)
und die Gewalt, die von Personen gegenüber anderen Personen ausgeübt wird. (Diese
Differenzierung schlägt Anton Hügli zur Betrachtung des Phänomens Gewalt vor.)(vgl.
auch zu Folgendem Hügli 2005, S. 20-25).
5. 1. Gewalt erleiden
Gewalt ist überall da, wo es Opfer gibt, wo irgendwer eine körperliche Verletzung er-
fährt, wo einer geschlagen, geprügelt, verhauen, gefoltert, vergewaltigt, zerdrückt, zer-
hauen, durchbohrt und durchstoßen und zu Tode gebracht wird. Der körperliche
Schmerz durchdringt uns in allen Erlebnisbereichen, der Körper macht mit uns, was er
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will, wir werden zur erbärmlichen Kreatur. Der Schmerz kann sich verbinden mit Ge-
fühlen der Verzweiflung, der Verlassenheit und der äußersten Einsamkeit.
Aber es gibt nicht nur eine Gewalt die den Körper betrifft, sondern auch eine, die sich
gegen die Freiheit richtet: eingesperrt werden, eingemauert und gelähmt werden, Fes-
selung, der Fortbewegung beraubt werden, zurückgehalten oder vertrieben, zurückge-
stoßen und ausgestoßen werden...
Eine weniger unmittelbare Form der Gewalt trifft weniger in dem, was man ist als in
dem, was man braucht und hat: seines Hab und Guts beraubt werden, Zerstörung wich-
tiger und unabdingbarer Sachen, Entzug von Nahrung und Bekleidung, Gewalt gegen
Angehörige...
Schließlich kann sich Gewalt auch gegen den Menschen als soziales Wesen richten, ge-
gen die soziale Identität, durch Verletzung der Integrität, durch Distanzierung der ande-
ren, durch Kontaktvermeidung, Verspottung und Herabsetzung, Demütigung, Herabset-
zung bis hin zum gesellschaftlichen Ausschluss, zur Vertreibung, zu Entmündigung und
Versklavung.
Zusammenfassend definiert Hügli: „Gewalt erleiden, heißt eine negative Einwirkung
erfahren, die sich gegen Leib und Leben, gegen unsere Freiheit, gegen unser Hab und
Gut oder gegen unsere soziale Existenz richten kann. Negativ heißt die Einwirkung,
wenn sie entweder als leidvoll und schmerzvoll erlebt wird oder als objektiv schädigend,
verletzend, zerstörend, vernichtend oder wie auch immer bezeichnet werden kann.“
(Hügli 2005, S. 23-24). Gewalt kann in einzelnen, aber auch in allen diesen Hinsichten
erfahren werden. Sie kann die Erfahrung von einzelnen Personen sein, aber auch ganze
Gruppen, Ethnien oder letztlich die ganze Menschheit selbst betreffen – in Form von
Megagewalt (Völkermord, Holocaust).
Gewalterfahrung scheint letztlich ein unabdingbarer Teil des Lebens zu sein. Ein Ge-
waltakt steht allen bislang Überlebenden jedenfalls noch unweigerlich bevor: das Wi-
derfahrnis des Todes. Darüber hinaus ist das Leben durchsetzt mit Möglichkeiten der
Erfahrung weiterer negativer Erlebnisse, die oft keinen nachweisbaren Urheber haben,
so dass von höherer Gewalt gesprochen wird: Krankheit, Unfall, Verlust, Alterung,
Schicksalsschläge aller Art.
Wird Gewalt-Erleiden existenzanalytisch betrachtet, lässt sich in diesem Zusammenhang
sagen, dass drohende oder tatsächliche Gewalterfahrungen nicht nur körperliche
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Schmerzen und psychische Verletzungen und entsprechende (psychodynamische) Re-
aktionen bewirken, sondern dass die Person dadurch in ihren Grundbedingungen der
Existenz bedroht und behindert wird. Je nach Art der jeweiligen Gewalterfahrung ist
jeweils auch eine oder mehrere dieser Grundmotivationen betroffen. Zuerst und im Be-
sonderen ist wohl die erste Grundmotivation betroffen: Das Erleben von Schutz, Raum
und Halt als Voraussetzung für ein Aushalten- und Annehmen-Können der Welt und
ihrer Bedingungen wird durch Gewalteinwirkung erschüttert. In der Folge davon aber
auch durch das Erleiden von Verlusten, kann die Qualität, der Wert des Lebens nicht
mehr empfunden werden (2. GM). Durch jede Gewalt, v.a. aber durch jene, die sich ge-
gen den Menschen als soziales Wesen richtet, ist auch die 3. personale Grundmotivation
bedroht, in der es um das Person-Sein bzw. das Selbst-sein-Dürfen geht, wofür Beach-
tung, das Gefühl gerechtfertigt zu sein und das Erleben von Wertschätzung notwendig
sind. In der Folge dieser Beeinträchtigungen und als direkte Folge von Gewalt ist die
Fähigkeit, sich und das Erlebte in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen, in jedem
Fall stark beeinträchtigt (4. GM). Die Traumatisierung in diesen vier Bereichen führt bei
nicht gelungener Bewältigung zu ängstlichem Erleben, Depressivität, Selbstverlust und
Selbstentfremdung sowie Verzweiflung in allen entsprechenden pathologischen Varian-
ten. (vgl. Längle 2001).2
5. 1. 1. Wechselwirkung von Gewalt und Aggression
In der Existenzanalyse wird Aggression, wie gesagt, als eine spezifische psychodyna-
mische Schutzreaktion begriffen, als reflexartige, automatisch ablaufende Schutz- und
situative Bewältigungsreaktion. Dabei wird als situativer Auslöser primär das Gefühl der
Ausweglosigkeit gesehen, was bedeutet, dass immer dann, wenn ein Mensch das Gefühl
hat, nicht mehr entkommen zu können, aggressive Potentiale aktiviert werden und je
nach Persönlichkeit auch erlebt und ausgedrückt werden können. Das heißt also im Zu-
sammenhang mit Gewalt-Erleiden, dass dann, wann immer ein Mensch sich von Gewalt
bedroht sieht oder tatsächlicher Gewalt - in welcher Form auch immer - ausgesetzt ist,
wieder Aggression und damit zumindest potentiell wieder Gewalt entsteht.
2 Das Modell der „personal-existenziellen Grundmotivationen“ wird unten im Kapitel „Von Aggression zu Gewalt“ ausführlicher dargestellt.
19
Gewalt Copingreaktion Aggression
Abb. 1: Wechselwirkung v. Gewalt u. Aggression
Dabei wird vorausgesetzt, dass Flucht (1. Copingreaktion) nicht möglich und Ankämp-
fen (2. Copingreaktion – paradoxe Bewegung) in der Situation oder es der jeweiligen
Person aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur und jeweiligen „Copingneigung“ nicht
möglich ist oder diese als Schutz nicht ausreichend sind.
Hier ist neben angeborenen Persönlichkeitseigenschaften (z.B. introvertiert oder extro-
vertiert) v.a. die jeweilige Lebensgeschichte dafür von Bedeutung ob Aggression ausge-
löst wird oder nicht. Traumatische Vorerfahrungen von Ausweglosigkeit oder verschie-
dene Lernerfahrungen im Zusammenhang mit Aggression, wie zum Beispiel Durchset-
zungserfolge mit aggressivem Verhalten, beeinflussen das Auftreten aggressiver Impul-
se. Darüber hinaus sind persönliche Haltungen, Einstellungen oder weltanschauliche
Gewissheiten bezüglich Aggression bedeutsam für ihr Auftreten.
Von diesen Persönlichkeitseigenschaften hängt also ab, zu welcher Copingvariante die
jeweilige Person angesichts einer auswegslosen Situation tendiert. (vgl. Längle 2003b)
Längle meint dazu, dass dann, wenn nicht Faktoren, wie Traumatisierung, Lernerfahrung
oder Persönlichkeitseigenschaften dominanter sind, ein Mensch im Sinne der Energie-
ökonomie dazu neigt, jene Copingvariante zu wählen, die einen geringeren psychischen
Energieaufwand bedeutet, so dass die Copingvariante Aggression eben nur dann gewählt
wird, wenn es nicht mehr möglich ist, die beiden vorgeschalteten, energiesparenderen
Copingreaktionen einzusetzen. (vgl. Längle 2003b, S.158)
20
Ist das Ausmaß der Gewalt sehr massiv, so dass von einer schweren Traumatisierung zu
sprechen ist, dann ist allerdings das Überwältigungserleben (4. Copingvariante –
Totstellreflex) vorherrschend, und zwar in allen Grunddimensionen der Existenz. Es
kommt zu Lähmung (1. GM), Erschöpfung, Resignation und Apathie (2. GM), Dissozia-
tion, Spaltung und Leugnung (3. GM) sowie zu Betäubung (4. GM). (vgl. Längle 2005,
S. 7f)
Es lässt sich also sagen: Wenn eine Person Gewalt erleidet oder von ihr bedroht ist, kann
das Gefühl von Ausweglosigkeit auftreten. Dies kann, abhängig von der jeweiligen Per-
sönlichkeit und von der Heftigkeit der Gewalt, aggressive Gefühle und Impulse auslö-
sen, die wiederum zu gewalttätigem Verhalten führen können.
Es ließe sich daher vielleicht als These formulieren: Gewalt kann als Schutzreaktion
Aggression und damit in der Folge wieder Gewalt bewirken.
Die häufig geäußerte Auffassung, dass alle Gewalttäter selbst Opfer von Gewalt waren
oder das alle prügelnden Eltern in ihrer Kindheit selbst verprügelt worden wären, lässt
sich dadurch in dieser Ausschließlichkeit allerdings nicht ableiten.
Wenn darüber hinaus Aggression und Gewalt tatsächlich automatisch ablaufende Reak-
tionen wären, entstünde ein ununterbrochener Kreislauf von Aggression und Gewalt, der
sich ständig weiter fortpflanzt und offenbar nicht zu durchbrechen ist.
Und wenn es zutreffend ist, dass Gewalterfahrungen letztlich (zumindest Erfahrungen
höherer Gewalt) ein unabdingbarer Teil menschlicher Erfahrung ist, dann wären auch
Gewalttätigkeiten eine quasi unabdingbare, naturgegebene Verhaltensweise. Damit wäre
Gewalt auch grundsätzlich ihrer ethischen Dimension enthoben.
Die Erfahrung zeigt jedoch, dass nicht alle Menschen ständig oder häufig gewalttätig
sind, obwohl wohl alle Menschen gelegentlich aggressive Gefühle und Impulse haben
und, wie gesagt, von Gewalt bedroht oder ihr ausgesetzt sind. Das bedeutet, ein Auto-
matismus zur Gewaltanwendung besteht nicht. Es besteht offenbar die Möglichkeit eines
Umgangs mit aggressiven Impulsen, der nicht automatisch zu gewalttätigem Verhalten
führt.
21
5.2. Gewalt ausüben
5.2.1. Formen der Gewalt
Und dennoch sind die Formen und Muster von Gewalt vielfältig, d.h. es gibt zahllose
Varianten und Kontexte der Gewaltausübung, die hier auch nicht annähernd aufgezählt
bzw. beschrieben werden können.
Ganz allgemein wird häufig zwischen direkter bzw. personaler Gewalt und struktu-
reller, institutioneller sowie kultureller Gewalt unterschieden. (vgl. z. B. Maringer,
Steinweg 2000, S 24f, Dominikowski 1995, S. 151) Dabei kann die direkte Gewaltaus-
übung eine physische wie eine psychische sein.
Für die strukturelle Gewalt ist charakteristisch, dass zwar eine Schädigung festzustellen
ist (potentielle Entfaltungs- und Lebenschancen werden beschnitten) aber kein unmittel-
barer Täter zu identifizieren ist, da die Gewalt in den sozialen Strukturen steckt.
Unter kultureller Gewalt werden die in kulturellen Symbolsystemen wie Religionen,
Ideologien, Wissenschaft enthaltenen Diskriminierungen (z. B. ausgrenzender Sprach-
gebrauch, rassistische Einstellungen) verstanden, die zwar nicht unmittelbar selbst schä-
digen, aber andere Gewaltformen legitimieren und fördern können. (vgl. Dominikowski
1995, S. 151)
Institutionelle Gewalt ist durch eine Mischung von personalen und strukturellen Anteilen
gekennzeichnet. Einerseits begrenzen institutionelle Regeln und Vorschriften den Hand-
lungsspielraum von MitarbeiterInnen öffentlicher Einrichtung, andererseits schöpfen sie
diesen nicht immer zugunsten der betroffenen BürgerInnen aus. Daher werden „amtli-
che“ Entscheidungen nicht selten generell als Willkür und manchmal auch als Gewalt
empfunden (z. B. Kindesabnahmen). (vgl. Maringer, Steinweg 2000, S. 24)
Ein Bereich, in dem es zu häufigen personalen bzw. direkten Gewalthandlungen kommt,
soll hier als Beispiel für die Vielzahl an Erscheinungsformen dienen: intime Paarbezie-
hungen. „Je nach Definition von Gewalt können wir davon ausgehen, dass jede fünfte
bis zehnte Frau in einer intimen Beziehung von ihrem Partner misshandelt wird.“ (Egger
22
et. al. 1995, S. 32). Formen von Gewalt in Paarbeziehungen werden von Egger et al.
beschrieben, die gleichzeitig feststellen, dass meistens mehrere Formen von Gewalt aus-
geübt werden (vgl. Egger et. al. 1995, S. 30-32):3
- Physische Gewalt, also alle Formen von Misshandlungen, die Verletzungen ver-
ursachen können und teilweise bleibende Schäden wie ausgeschlagene Zähne,
Narben usw. nach sich ziehen.
- Zerstörung von Eigentum und Dingen, die für die Frau besonderen Wert haben.
- Belästigung und Terror, wie ständige Anrufe, Drohbriefe, Bespitzelung und Ver-
folgung.
- Drohungen (Morddrohungen, Drohungen gegen Kinder, Familienangehörige)
- Lächerlichmachen in der Öffentlichkeit, beleidigende Aussagen über den Cha-
rakter oder das Aussehen, wie: die Frau sei verrückt, psychisch krank, bilde sich
das alles nur ein, sei selbstmordgefährdet usw.
- Isolation der Frau
- sexuelle Gewalt, worunter alle sexuellen Handlungen zu verstehen sind, zu denen
die Frau direkt oder indirekt gezwungen werden: erzwungene vaginale, anale und
orale Penetration, Zwang zu anderen sexuellen Handlungen, erzwungenes An-
schauen von Pornographie usw.
Häufig werden Frauen nach Misshandlungen zum Geschlechtsverkehr ge-
zwungen, um zu erreichen, dass diese verzeihen.
Auslöser und Motive für diese Gewalthandlungen sind unterschiedlich, zu Gewalt kann
alles oder nichts führen. Es gibt allerdings einer Studie von Gelles zufolge bestimmte
Orte und Zeiten an denen das Misshandlungsrisiko steigt:
- Der typische Ort, an dem männliche Gewalt stattfindet, ist die Küche.
- Das Schlafzimmer ist der häufigste Ort, an dem Frauen getötet werden
- Das Badezimmer ist der Raum, in den Frauen am häufigsten flüchten.
- Am häufigsten finden Gewalttätigkeiten zwischen 20:00 Uhr u. 23:30 Uhr statt.
- Die Zeit des Abendessens ist die gefährlichste Zeit.
3 Egger et. al. sprechen in ihrem Buch „Gewalt gegen Frauen in der Familie“ ausschließlich von männli-cher Gewalt in Paarbeziehungen - Gewalt von Frauen gegenüber Männern findet, wenn auch in erheblich geringerem Maß, freilich statt.
23
- Wochenenden und Feiertage sind gefährlicher als Wochentage (zit. nach Egger
et. al. 1995, S. 32f)
5.2.2. psychische Gewalt
Psychische Gewalt wird mit Mitteln der Sprache, der Mimik, der Gestik ausgeübt. Men-
schen mit Hilfe der eigenen „Wortgewalt“ einschüchtern, ihnen drohen, sie erpressen,
anschwärzen, erniedrigen...
Dazu gehören auch die Mittel der sogenannten „schwarzen Pädagogik“ (Alice Miller),
die den Zweck hat den Willen eines Kindes zu brechen, um aus ihm ein fügsames und
gehorsames Wesen zu machen:
- verbale Gewalt,
- sadistische und abwertende Verhaltensweisen
- Ablehnung von Gefühlen,
- Anforderungen, die im Vergleich zu Alter des Kindes übertrieben oder unverhältnis-
mäßig sind,
- widersprüchliche oder unmögliche Verhaltensmaßregeln,
- Liebesentzug, Ablehnung....(vgl. Hirigoyen 2002, S. 51 f)
5.2.3. Zuschauen
Ein Gewaltgeschehen findet immer in einem sozialen Kontext statt, so dass es neben
TäterInnen und Opfern von Gewalt meist auch Zuseher gibt, also Menschen die dabei-
stehen, anstacheln, ermuntern, ignorieren, wegschauen, sich nicht einmischen wollen,
keine Stellungnahme gegen die Gewalttätigkeit abgeben und sie nicht zu verhindern
versuchen, obwohl sie es möglicherweise könnten. Beispiele sind aufmunternde Zurufe
von zuschauenden Jugendlichen, wenn jemand aus der Gruppe gewalttätig ist bis hin zu
Nachbarn, die von den Schreien aus der Nachbarwohnung nichts hören und sehen wol-
len oder Schaulustigen, die beim Abfackeln von Asylantenheimen applaudieren.
24
Aus zahlreichen Gesprächen mit PatientInnen, die Opfer von Gewalthandlungen gewor-
den waren ist mir in deutlicher Erinnerung, wie sehr diese Nicht-Stellungnahme zu noch
größerer Ohnmacht und Verwirrung bei den Opfern geführt hat. Gelegentlich hatte ich
beispielsweise den Eindruck, dass der Schmerz über das Nicht-Eingreifen der Mutter
gegen den prügelnden Vater beinahe gleich groß ist, wie der Schmerz den das Prügeln
selbst verursacht hat.
Wie auch immer diese unterlassene Hilfeleistungen verstehbar sein mögen, etwa als
mangelnde Zivilcourage, Angst selbst zu Gewaltopfer zu werden, mangelnde eigene
Entschiedenheit gegen Gewalt, heimliche Zustimmung oder eine Geht-mich-nichts-an-
Haltung o. ä., in jedem Fall stellt sich die Frage ob man selbst Gewalt ausübt, wenn man
Zeuge von Gewalt ist und nicht eingreift. Hügli meint dazu: „Wer handelt, unterlässt
damit, das zu tun, was er statt dessen tun könnte, und beides, sowohl das Unterlassen
wie das Tun, kann schuldhaft sein, sogar im strafrechtlichen Sinn.“ Und deshalb schlägt
er vor: „Auch Zusehen und Geschehenlassen von Gewalt ist ein Teil des Gewaltgesche-
hens, auch wenn es moralisch und rechtlich nicht dasselbe Gewicht haben mag wie die
direkte Tat.“ (Hügli 2005, S. 27)
Zu bemerken ist hier noch, dass auch dass Anschauen bzw. Erleben von Gewalt, auch
wenn man nicht direkt von Gewalt betroffen ist zu Traumatisierungen und Schädigungen
verschiedenster Art führen können.
Im Besonderen gilt dies für Kinder aus Gewaltbeziehungen. „Ein Gewalttätiges Famili-
enklima beeinträchtigt in jedem Fall das Kind in seiner gesunden Entwicklung. Die un-
erträglichen Spannungen, denen es ausgesetzt ist, drücken sich häufig in massiven Ver-
haltensstörungen aus. Die psychische Verletzung, die dadurch entsteht, dass sich eine
geliebte Person gewaltsam gegen ein geliebtes Familienmitglied wendet, sowie der Um-
stand, dass aus einem Beschützer ein Gewalttäter wir, ist auf eine andere Art ebenso
schädigend, wie wenn man selbst Opfer von Gewalt wird.“ (Sorgo 2006, S. 31)
5.2.4. Gewalt gegen die eigene Person
25
Ein spezieller Fall von Gewalt sind Selbstbeschädigung, Selbstverstümmelung und
Selbsttötung, da hier TäterIn und Opfer in einer Person vereint sind. Dennoch ist wohl
eindeutig von Gewalt zu sprechen.
Es bedürfte einer speziellen Untersuchung ob und wieweit sich die jeweilig unterschied-
lichen Folgen von Gewalt einerseits für TäterInnen (Schuld, Scham, Verdrängung,
Selbstwertverlust...) sowie andererseits für Opfer (Traumatisierungen in allen Grundmo-
tivationen) hier gewissermaßen in einer Person vereint auffinden lassen, wobei ich mei-
ne, dass einiges für diese Annahme spricht.
Zu bemerken wäre noch, dass Gewalt gegen die eigene Person sich häufig nicht von
Gewalt gegen andere zu trennen ist: Ich verstümmle mich, um andere damit zu treffen.
5.2.5. Gewalt verursachen
In einem gewissen Sinne gehört auch das Verursachen von Gewalt zu den Grundbe-
dingungen menschlichen Daseins, dann beispielsweise, wenn wir einen Unfall verur-
sachen ohne schuldhaftes Tun. Aus Versehen oder aus Irrtum oder durch eine Ver-
kettung sogenannter unglücklicher Umstände, kann jeder zum Verursacher gewaltsamer
Verletzungen werden. Diese Verursachung von Gewalt ist jedoch zu unterscheiden von
einer bewussten und willentlichen, also intentionalen Verursachung von Gewalt. Diese
Form der Gewaltausübung lässt, wie jedes intentionales Handeln, die Frage zu nach ei-
nem Warum und erwartet als Antwort eine Angabe von Gründen. „Intentionale Gewalt
steht darum auch im Fokus von Moral und Recht. Es ist ein Handeln, das gepriesen oder
verurteilt und mit Schuldfragen verknüpft werden kann.“ (Hügli 2005, S. 25). Barbara
Hiss meint dazu: “Gewalt hat also auch mit geltenden Maßstäben, mit gängiger Praxis,
mit den üblicherweise herrschenden Sitten und mit Gepflogenheiten zu tun. Die Identifi-
zierung von Gewalt setzt Gewissensbildung voraus. Erst auf dieser Grundlage kann be-
wertet werden, was als Gewalt eingestuft werden kann.“ (Hiss 2005, S. 115)
5.2.6. Zur Bewertung von Aggression und Gewalt
Vielleicht ist es hier angebracht, eine Unterscheidung zwischen Aggression und ge-
walttätigem Verhalten hinsichtlich ihrer Bewertung vorzunehmen: Wir haben gesagt,
Aggression ist eine reflexartig, automatisch ablaufende Schutzreaktion, wenn eine
26
Grundbedingung der Existenz in Gefahr ist. In diesem Sinne verstanden, ist Aggression
eine motivationale Kraft, die den Menschen dazu ermächtigt, sich zu behaupten und das
Leben zu bewahren. So gesehen ist Aggression zumindest wertneutral. Für den Aggres-
siven selbst beinhaltet Aggression in jedem Fall auch etwas Positives, eben den Schutz
eines existentiellen Grundwertes.
Für den Betroffenen von Gewalt gilt das nicht. Mag Aggression an sich wertneutral sein,
Gewalt hingegen ist es nicht. Gewalt ist nie wertneutral, weil sie stets in Kauf nimmt, die
Integrität des anderen in irgendeiner Form zu verletzen.
5.2.7. Entscheidung zur Gewalt
Hügli differenziert in Bezug auf die intentionale Gewaltausübung drei verschiedene
Formen: (Hügli 2005, S. 26).
- Die beabsichtigte Gewaltausübung, die ihr einziges Ziel in der Verletzung des
anderen hat (feindselige Gewaltausübung).
- Die instrumentelle Ausübung von Gewalt, die nicht primär gegen den anderen,
sondern auf ein anderes Ziel hin gerichtet ist.
- Die in Kauf genommene Verletzung des anderen, das heißt, die weder unmittel-
bar noch mittelbar beabsichtigte, aber voraussehbare Nebenfolge meines Tuns,
zum Beispiel die Tat eines Autorasers, der ein Kind überfährt.
In allen diesen Fällen liegt letztlich eine Entscheidung zur Gewalt vor. Dieser Aspekt der
Willensentscheidung im Zusammenhang von Gewalt wird von einigen Autoren betont.
So schreiben beispielsweise Lempert und Oelemann: „Jeder Gewalthandlung liegt eine
bestimmte Intention zugrunde, eine Entscheidung zur Gewalt. Gewalt ist ein willentli-
cher, selbst zu verantwortender Akt. Es gibt keine Gewalt aus dem Affekt. Der Ursprung
jeder Gewalttätigkeit ist eine bewusste, vorsätzliche Entscheidung. Wenn der Mann je-
manden schlägt, muss er ausholen, und in dem Moment in dem er ausholt, entscheidet er
sich bewusst dazu zuzuschlagen.“ (Lempert J, Oelemann B 1995, S.12). Die beiden Au-
toren räumen zwar ein, dass möglicherweise nach der Entscheidung zur Gewalt eine
Phase von affekthaften und unkontrollierten Verhaltensweisen kommen könne, aber vor
der Gewalttat bestehe eine Wahl. Unabhängig davon, ob diese – für einen Beratungspro-
27
zess möglicherweise notwendige (vgl. Wiedenhofer E. 2000) – Auffassung bzw. Hal-
tung der ausschließlichen Betonung der Entscheidung zur Gewalt geteilt wird, hat diese
Sichtweise eine grundsätzliche Nähe zur existenzanalytischen Anthropologie, die das
Freie im Menschen betont und davon ausgeht, dass der Mensch als Person gewisserma-
ßen Herr im eigenen Haus ist und potentiell „ja“ oder „nein“ sagen kann zu seinen Af-
fekten und aggressiven Impulsen.4
Wie die Entscheidung ausfällt bleibt dabei noch offen
und letztlich auch wer gewinnt: die Person oder der aggressive Impuls.
Ob es nun zu gewalttätigem Verhalten kommt oder nicht, hängt – soweit ich sehe – ei-
nerseits von innerpsychischen bzw. personalen Prozessen ab und andererseits von der
jeweiligen Eingebundenheit in eine spezifische gesellschaftlichen Lage und Le-
benssituation, die jeweils gewalttätiges Verhalten fördern oder bremsen können, denn
„wohl wenige Erscheinungsformen gesellschaftlich wirksamen Handelns sind in einem
derartigen Ausmaße sozial bestimmt, wie Aggression und Gewalt.“ (Schwendter 2000,
S. 117).
Im Folgenden werde ich zunächst versuchen diesen personalen Prozess anhand der
„Personalen Existenzanalyse“ (PEA) zu beschreiben.
4 Diese Freiheit ist eine potentielle und verliert sich einerseits durch aktive Nichtinanspruchnahme und andererseits durch die daraus resultierenden Haltungen (apersonale Haltungen). Vgl. auch unten S. 30 ff
28
6. VON AGGRESSION ZU GEWALT
6.1. Personaler Umgang mit Aggression
Die „Personale Existenzanalyse“ als Methode wurde von Alfried Längle entwickelt, der
damit das Franklsche Person-Verständnis operationalisiert hat. (vgl. Längle A. 1993a).
Ausgehend von der grundlegenden dialogischen Ansprechbarkeit der Person, beschreibt
Längle drei konstitutive Elemente als Voraussetzung eines Dialogs und damit die drei
Grundaktivitäten der Person: ansprechbar sein, verstehen können wovon die Rede ist
und zum Antworten fähig sein.
verstehend
ansprechbar antwortend
sich realisierend
Abb. 2 nach Längle (1993 a.) S. 139: Wie sich Person in der Begegnung zeigt und antreffen lässt.
Diesen drei Grundaktivitäten entsprechen drei subjektive Erlebnisweisen des Person-
seins:
Die Ansprechbarkeit wird subjektiv als Beeindruckbarkeit erlebt, wobei es sich um die
unmittelbaren, spontanen Empfindungen handelt, die Längle als „primäre Emotion“ be-
zeichnet. Sie beinhaltet eine affektive, primäre Bewertung des Wahrgenommen durch
Bezugnahme zum Grundwert. Damit verbunden ist ein Erregungsniveau, das zu einem,
auf der Handlungsebene angesiedelten, Impuls führt. (vgl. Längle 1993 b., S. 161)
Bevor die Person antworten kann, bedarf es der Stellungnahme. Dabei wird das Pri-
märempfinden in einen Zusammenhang gebracht mit allem, was der Person wertvoll ist
29
und womit sie sich verbunden fühlt, so dass dieser Schritt auch „integrierte Emotion“
genannt wird. Dies geschieht durch Bezugnahme auf das geistig Unbewusste, auf die
sogenannte Tiefenperson und damit auch auf das Gewissen, das hier seinen Ursprung
nimmt. (vgl. Frankl 1992, S. 15-29). Gewissen wird hier definiert als „das Gespür für die
Hierarchie der Werte in einer Situation im Hinblick auf das, was die Person insgesamt
für gut und richtig hält.(...) Erlebnismäßig repräsentiert sich das Gewissen als das Spüren
dessen, `was zu tun das Richtige´ (`Stimmige´) ist.“ (Tutsch L.2000). Die Stellungnahme
beinhaltet die Schaffung von Zusammenhängen zwischen dem Eigenen und dem Ande-
ren, weshalb sie mit dem Verstehen verknüpft ist.
Nachdem die Person in der Stellungnahme – angesprochen durch das Faktische – den
Eindruck persönlich transformiert hat, ihn also mit dem Eigenen verbunden und dem
eigenen Verstehen erschlossen hat, drängt es sie, sich zum Ausdruck zu bringen, indem
sie sich handelnd auf die Welt einlässt. Durch dieses Handeln verwirklicht sich die Per-
son selbst, was sie in der Folge zur Persönlichkeit macht. (vgl. Längle 1993 a., S. 141-
143).
(verstehend)
Stellung- nahme
SD nimmt Bezug ST
Gewissen PERSON
Eindruck Ausdruck
(ansprechend) (antwortend) SA
Abb. 3: Die subjektive Erlebnisseite personalen Geschehens. (SD = Selbst-Distanzierung, ST = Selbst-Transzendenz, SA = Selbst-Annahme). (leicht modifiziert nach Längle 1993 a., S. 142)
30
In unserem Kontext, also am Beispiel von Aggression und Gewalt, wäre demzufolge ein
entsprechendes personales Geschehen so zu beschreiben:
Primäre Emotion bzw. Eindruck
Eine Person gerät in eine Situation, die sie zunächst einmal anspricht. Dadurch, dass sich
die Person angesprochen fühlt, ist die Person erreicht. Im Fall der Aggression gerät die
Person in eine Situation, die für sie im Hinblick auf eine der existenziellen Grundbedin-
gungen bedrohlich ist, und die ein Gefühl der Ausweglosigkeit und Ohnmacht bewirkt.
Entsprechend der jeweils bedrohten Grundbedingungen der Existenz tritt dieses Gefühl
der Ausweglosigkeit (wie oben bereits beschrieben) dann auf, wenn etwas nicht mehr
auszuhalten ist (1. GM), wenn es durch mangelnde Beziehung zu kalt und leblos wird (2.
GM), wenn man sich selbst verloren geht oder das Eigene bzw. das, was einem wichtig
ist, zerstört wird (3. GM) oder dann, wenn die Situation als sinnlos erlebt wird und sich
keine sinnvolle Möglichkeit auftut (4. GM). Das bedeutet gleichzeitig, dass Flucht oder
Ankämpfen nicht möglich erscheint. Gleichzeitig treten aggressive Gefühle und Impulse
in den entsprechenden Varianten Hass (1. GM), Wut (2. GM), Zorn, Ärger und Trotz (3.
GM) sowie Empörung und Zynismus (4. GM) auf. Die damit verbundenen Impulse ha-
ben im Fall von Hass die Vernichtung, Beseitigung und Zerstörung zum Ziel, im Fall
von Wut geht es um ein Wachrütteln und Beziehung suchen, um selbst mehr leben zu
können. Treten Zorn, Ärger oder Trotz auf, so ist das Ziel, die Grenze zu ziehen bzw.
wieder herzustellen, um das Eigene zu schützen. Spielerische Aggression, Empörung
oder Zynismus bezwecken eine Kontextänderung, durch die man sich dem leeren Zu-
sammenhang entzieht und sich dabei mächtig, vital und wertvoll erlebt. (vgl. Längle
2003 b., S. 160). Wenn diese Affekte und Impulse zu heftig sind, können möglicherwei-
se die weiteren personalen Verarbeitungsschritte nicht vollzogen werden (siehe unten).
Integrierte Emotion bzw. Stellungnahme
Hier wird das Primärempfinden in Zusammenhang gebracht mit allem, was der Person
wertvoll ist und mit dem sie sich verbunden fühlt, weil es ihr Leben ausmacht. Dabei
wird zur primären Emotion Distanz aufgebaut, die erst ein Verstehen ermöglicht, und
zwar ein Selbstverständnis, ein Fremdverständnis und ein Unverständnis (vgl. Längle
2000, S.24-27). Im inneren Dialog steht die Person vor den Fragen: „Verstehe ich
mich?“ „Verstehe ich meine aggressiven Gefühle und Impulse?“ „Verstehe ich meinen
31
Hass, meine Wut, meinen Ärger usw.?“ „Warum wird es so eng? „Kenne ich Situationen
in meinem Leben, die Ähnliches ausgelöst haben?“
Gleichzeitig stellt sich Fragen nach dem Verständnis des Anderen, der Situation: „Kann
ich den anderen in seinem Handeln verstehen?“ „Kann ich die Situation einordnen?“
Und letztlich: „Was verstehe ich nicht?“
Auf Basis dieses Verstehens kann die Person nun eine Bewertung auf der Grundlage des
Gewissens machen: „Was spüre ich im tiefsten Innersten dazu?“ „Was halte ich grund-
sätzlich davon, von Gewalt, von meinen aggressiven Gefühlen, meinen Ge-
waltimpulsen?“ „Was sage ich persönlich dazu?“ Aufgrund dieser Bewertung kann es
schließlich zu einer Entscheidung, zu einem Entschluss kommen. „Was würde ich da am
liebsten tun wollen?“ Dieser Entschluss ist einer darüber, was die Person in dieser Situa-
tion für richtig und möglich hält. Hier fällt die grundsätzliche Entscheidung, ob sich die
Person für eine gewalttätige Form des Handelns entscheidet oder nicht. Hier ist anzu-
merken, dass eine vor dem Gewissen geprüfte Entscheidung zur Gewalt selbstverständ-
lich möglich und gelegentlich notwendig ist. Ein Beispiel dafür wäre etwa die Entschei-
dung dazu, jemanden mit Gewalt davon abbringen zu wollen, von einem Hochhaus zu
springen.
Ausdruck
Im Ausdruck realisiert (sich) die Person (durch) ihren Willen, wobei dieser hier noch
durch die Vernunft und durch die Scham gefiltert wird. „Was davon mag ich konkret
tun?“ „Wie?“ „Wann?“ „Wie viel?“ „Wem gegenüber?“ Der personale Ausdruck ist also
abgestimmt mit den Gegebenheiten, Möglichkeiten und Erfordernissen der realen Welt
und daher kein „blindes Ausagieren.“ (vgl. Längle 2000, S. 27). Im Zusammenhang mit
Gewalt ist bei dieser Realitätsprüfung vor allem an die Prüfung der möglichen Konse-
quenzen der Handlung zu denken: z.B. strafrechtliche Sanktionen, mögliche Trennung
etc.5
Dieser hier skizzierte personale Umgang mit bedrohlichen Situationen bzw. aggressiven
Affekten und Impulsen ist freilich ein idealtypischer. Die hier beschriebene Person ist in
sich so gefestigt und entsprechend strukturiert, dass sie sich frei und entschieden zu einer
Situation verhalten kann. Sie ist ihren Affekten und Impulsen nicht ausgeliefert, kann
ihnen standhalten, sich davon distanzieren, verstehen worum es geht und sich nach ge- 5 Die „personale Existenzanalyse“ als psychotherapeutisches Konzept bzw. ihre einzelnen methodischen Schritte werden im Kapitel „Zur Therapie von Aggression und Gewalt“ dargestellt.
32
wissenhafter Prüfung frei für eine Verhaltensweise entscheiden, die ihr in dieser Situati-
on am angemessensten erscheint und danach handeln. Diese Person wird sich –wissend
um die Folgen für ein mögliches Gewalt-Opfer – nur dann für eine gewalttätige Form
des Handelns entscheiden, wenn keine anderen Verhaltensvarianten zielführend erschei-
nen. Gewalt wird auch nur in dem unbedingt notwendigen Maße eingesetzt werden, also
soweit wie möglich verhältnismäßig sein. Diese Gewalt hat außerdem nicht den Charak-
ter eines affektgeladenen Ausagierens, sondern zu dieser Gewalt wird die gewalttätige
Person stehen können, sie begründen und mögliche Konsequenzen tragen können.
6.2. Impulsreaktion
Es kann jedoch freilich sein, und wird im Kontext von Gewalt meistens so sein, dass
dieser personale Prozess behindert bzw. gestört ist. Durch die mögliche Heftigkeit des
Eindrucks sowie durch einen Mangel an innerer Struktur, kommt es dann weder zu ei-
nem Verstehen, noch zur Gewissensprüfung, zur Stellungnahme oder Willensbildung.
Das heißt, die Situation in der die Person sich befindet bzw. die eingehende Information
erzeugt einen Eindruck, der starke Affekte und gleichzeitig starke Impulse auslöst, so
dass eine spontane Entkoppelung der Psychodynamik als Schutzreaktion vor möglichen
Schädigungen (Copingreaktion) eintritt. Da keine Stellungnahme besteht und die Infor-
mationsverarbeitung auf der Stufe der primären Emotion bleibt, kommt es zum impulsi-
ven Reagieren auf die Situation – und damit zur Gewalt. (vgl. Längle 2002, S. 148 u.
149).
aggressiver Affekt + Impuls Gewalt
Eindruck Ausdruck Abb. 4: Impulsreaktion
33
6.3. Voraussetzungen für einen personalen Umgang mit Aggression Der personale Umgang bzw. Vollzug ist, wie gesagt, einerseits dann behindert bzw. ge-
stört, wenn der Eindruck zu heftig ist und andererseits dann, wenn ein Mangel an innerer
Struktur herrscht. Als existenzanalytisches Strukturmodell dient das bereits mehrfach
erwähnte Konzept der „vier personalen Grundmotivationen“ (vgl. Längle 2001). Diese
vier Grundbedingungen der Existenz beziehen sich auf die Auseinandersetzung mit der
Welt, dem Leben, dem Person-Sein und der Zukunft bzw. dem eigenen Werden. D.h.
Vorraussetzung für einen personalen Umgang mit Aggression bzw. für eine erfüllte
Existenz liegen:
1. GM: in der Akzeptanz der Realität
2. GM: in der Zuwendung zu Beziehungen und Werten
3. GM: im Respekt der Individualität,
4. GM: in der Abstimmung mit dem Sinn, mit dem was werden soll
1. GM: in der Akzeptanz der Realität
Dafür braucht es das Erleben von ausreichend Schutz, Raum und Halt, um die Bedin-
gungen seines Daseins überhaupt annehmen und aushalten zu können. Dies wiederum
ist die Voraussetzung, um Vertrauen zu empfinden zur Welt, zu sich und seinen Ge-
fühlen. Das Mittel, das dazu führt, ist in erster Linie das Wahrnehmen, das genaue Be-
trachten dessen, was ist und wie es sich auf das eigene Dasein auswirkt. Gelingt dieses
„Ja zur Welt“ nicht, treten entweder entsprechende psychodynamische Schutzreaktionen
auf (hier u.a. Aggression in Form von Hass) oder – wenn diese nicht ausreichen – die
Verunsicherung, der drohende Haltverlust wird zur Angst.
In unserem Zusammenhang bedeutet dies, dass die 1. GM Voraussetzung dafür ist, die
existentiell bedrohliche Situation als solche wahrzunehmen und den aggressiven Ge-
fühlen und Impulsen zunächst einmal standhalten zu können. Es braucht genügend
Raum für Gefühle oder um ein Stück von ihnen auf Distanz gehen zu können.
Ist der Bereich der ersten GM aufgrund von Traumatisierungen sehr zerrüttet, fehlt also
bereits die Voraussetzung für den Eindruck, für die Wahrnehmung der primären Emoti-
on. Aber auch die notwendige Distanzgewinnung zu sich selbst und die Ruhe, die für
Verstehen und Stellungnahme notwendig sind, können nicht gefunden werden. Für einen
34
adäquaten Ausdruck ist Vertrauen in die Welt und in die eigenen Fähigkeiten sowie Mut
letztlich auch Demut (vor den Gegebenheiten der jeweiligen Situation) unabdingbar.
2.GM: in der Zuwendung zu Beziehungen und Werten
Dafür braucht es Beziehung, Zeit und Nähe, um die Qualität des Lebens fühlen zu kön-
nen. Gleichzeitig ist dies die Voraussetzung, um sich zuwenden zu können, um Zuwen-
dung erhalten und annehmen sowie geben zu können. Durch Zuwendung erhält der
Mensch Bezug zum Leben, zur Lebendigkeit und kann schließlich den Wert des Lebens
erfühlen. Dieser sogenannte Grundwert färbt sämtliche Emotionen und Affekte ein, auf
deren Basis eine Person etwas als Wert empfinden kann. Gelingt dieses „Ja zum Leben“
nicht, treten wieder entsprechende Schutzmechanismen auf – hier im Aggressionstypus
in Form Beziehung suchender Wut. Wenn Verluste verarbeitet werden, geschieht dies
über den Prozess der Trauer. Sind entweder Schutzmechanismen nicht ausreichend oder
gelingt Trauer nicht, führt das Gefühl des Lebensverlustes zu ständiger Belastung und
früher oder später zu depressiven Gefühlen.
Im Zusammenhang mit dem möglichen personalen Umgang mit aggressiven Gefühlen
und Gewaltimpulsen ist die 2. GM also die Voraussetzung dafür, sich seinen aggressiven
Gefühlen zuwenden zu können, um ihren verborgenen existentiellen Wert zu sehen und
zu spüren und um den Gehalt des Verstandenen mit dem in Verbindung zu bringen, was
die Person als wertvoll erlebt. Es braucht Nähe zu sich selbst und Zeit, um sich von
Wertvollem berühren zu lassen und mit dem Gewissen in Beziehung zu kommen, damit
eine authentische Stellungnahme möglich wird.
Ist der Bereich der 2. GM zerrüttet, so sind Gefühle und Vitalität eingeschränkt, so dass
auch die im Bereich der „primären Emotion“ auftretenden Gefühle reduziert sind und die
Person weniger „angesprochen“ ist. Eine primäre affektive Bewertung der existentiell
bedrohlichen Situation ist nicht möglich. Um sich im Ausdruck handelnd auf die Welt
einzulassen, ist Vitalität, ist Lebendigkeit und ein Leben-Mögen notwendig.
Außerdem ist eine intakte 2. Grundmotivation Bedingung, um sich in sein Gegenüber
einfühlen, um mitfühlen zu können und um abschätzen zu können, welches Leid durch
eine Gewalttat verursacht werden würde.
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3. GM: im Respekt der Individualität (der eigenen wie der anderen)
Voraussetzung dafür ist das Erleben von Rechtfertigung, Beachtung und Wertschätzung,
um innere Struktur, Identität, Authentizität und Ethik aufbauen zu können. Durch ge-
rechte Behandlung, An-Sehen und Gesehen-Werden, kann das Eigene gefunden und
nach außen abgegrenzt werden, so dass ein Selbst-Sein und Selbstwert und damit auch
eine personale Begegnung mit anderen möglich werden. Gelingt dieses „Ja zur Person“
nicht, setzen Copingreaktionen ein, die sich im Aggressionstypus hier in Form von Är-
ger und Zorn zeigen. Sind diese nicht ausreichend, führt der Selbstverlust zu Selbstent-
fremdung, Scham und hysterischen Entwicklungen.
Die 3. Grundmotivation ist also Voraussetzung dafür, dass die Stellungnahme gelingt,
dass die eigenen Gedanken und Empfindungen ernst genommen werden und dass die
Person zu sich, zu ihrem Gewissen und zu ihren Entscheidungen stehen kann, bei-
spielsweise auch dann, wenn „man“ in einer speziellen Situation mit Gewalt reagiert.
Ist der Bereich der 3. Grundmotivation aufgrund entsprechender Traumatisierungen er-
schüttert, kann die Verbindung zwischen der Situation und dem, was die Person insge-
samt für wertvoll hält, mangels „Eigenem“ nicht hergestellt werden. Ein Verstehen wird
verunmöglicht.
Im Zusammenhang mit der Ausübung von Gewalt ist außerdem von Bedeutung, dass
dies die Voraussetzung dafür ist, den anderen als potentielles Gewaltopfer in seinem So-
Sein respektieren, in dessen Eigenwert sehen und in dessen Grenzen achten zu können.
4. GM: in der Abstimmung mit dem Sinn, mit dem was werden soll
Voraussetzung dafür sind Strukturzusammenhänge, wie Familie, Arbeitsplatz u.ä. sowie
ein Tätigkeitsfeld, das mit Verantwortung verbunden ist und dem Menschen Aufgaben
stellt, Erlebnismöglichkeiten bietet, Einstellungen abverlangt. Durch diese Vernetztheit
menschlichen Daseins erhält dieses eine Wichtigkeit für andere und Bedeutung durch
andere. Durch den Kontext erhalten außerdem manche Möglichkeiten eine strukturbezo-
gene Wichtigkeit, die ein entsprechendes Handeln zum Werk, zur Tat werden lassen
können. Dies ermöglicht eine kontinuierliche Entwicklung, eine Entfaltung, ein Werden,
ein Wirken mit Ausrichtung auf die eigene Zukunft hin. Im Handeln, im Antworten auf
die in der jeweiligen Situation innewohnenden Wertmöglichkeiten, also im dialogischen
Austausch mit den anstehenden Aufgaben bzw. Erlebnismöglichkeiten, kommt die Per-
36
son zu ihrem Vollzug. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, erhält das Leben des Men-
schen Sinn.
Gelingt dieses „Ja zum Sinn“ nicht, entstehen Leere und entsprechende Coping-
reaktionen (als „aggressive“ Schutzreaktion Zynismus) und in der Folge Orientie-
rungslosigkeit, existenzielles Vakuum, Verzweiflung und Sucht.
Die 4. Grundmotivation ist also Voraussetzung für sinnvolles Handeln und dafür, dass
sich die Person in ihrem Handeln realisieren kann. Eine intakte 4. GM ist Voraussetzung
dafür, dass die Person nach Wahrnehmung und Bewertung von aggressiven Gefühlen
und Impulsen, nach Einordnung in einen Verstehenszusammenhang und damit verbun-
dener innerer Stellungnahme, Entscheidung und Willensbildung entsprechend zum Aus-
druck kommen kann. Ist dieser Bereich allerdings erschüttert oder nicht ausreichend
gegeben, so ist freilich auch die Fähigkeit zur Stellungnahme und die Bezugnahme auf
das Gewissen, also die Prüfung dessen, was insgesamt für gut gehalten wird, beeinträch-
tigt.
Werden alle vier Grundmotivationen aufgrund fortgesetzter Traumatisierung erheblich
erschüttert (und trifft dies auf eine dispositionelle Schwäche und entsprechende Lern-
prozesse), so ist im existenzanalytischen Verständnis von (der Entwicklung zu) einer
Persönlichkeitsstörung zu sprechen, die geradezu definiert ist durch eine anhaltende
Neigung zu spontaner Emotionalität, Affektivität (Affektbereitschaft, Impulsivität,
Stimmungsänderungen) und Reaktionsbereitschaft. (vgl. Längle 2002, S. 132 u. 139 -
146). Der personale Verarbeitungsprozess ist hier dermaßen beeinträchtigt, dass es auf-
grund der rasch einsetzenden Psychodynamik (Schutzreaktionen) nicht zur authentischen
Stellungnahme kommt. Durch starke Affekte und heftige Impulse, die aufgrund man-
gelnder Struktur nicht verarbeitet werden können, „schlägt der Input mit der Wucht des
Affekts auf die effektorische Seite durch, es kommt zum impulsiven Reagieren auf die
Situation.“ (Längle 2002, S. 148). Im Zusammenhang mit Gewalt sind hier vor allem die
Persönlichkeitsstörungen des Selbst und dabei vor allem die Borderline-
Persönlichkeitsstörung und die antisoziale Persönlichkeitsstörung von Bedeutung, offen-
bar auch die narzisstische und histrionische Persönlichkeitsstörung (vgl. Fischer-
Danzinger 2002, S. 70 und Kury 2001, S. 58).
37
Zusammenfassend lässt sich sagen: Gewalt bewirkt wiederum Gewalt. Ein Automatismus
zur Gewalt allerdings besteht nicht, auch nicht als Folge von Gewalt, die wiederum Ag-
gression (im Sinne von Copingreaktionen) und damit weitere Gewalt provoziert. Gleich-
zeitig lässt sich nach dem bislang Gezeigten aber auch nicht sagen, dass jeder Gewalttat
eine Entscheidung vorangeht, reine Impulsreaktionen bzw. Affekthandlungen sind mög-
lich.
Eine Person ist allerdings potentiell dazu in der Lage sich für oder gegen aggressive Im-
pulse und Gewalttätigkeit zu entscheiden, also einen sogenannten personalen Umgang
zu finden, der nicht den Charakter impulsiven Ausagierens hat. Voraussetzung dafür ist
eine entsprechende innere Struktur, die anhand der vier Grundmotivationen beschrieben
werden kann. Sind eine oder mehrere dieser Grundmotivationen beeinträchtigt, ist die
Möglichkeit für diesen personalen Prozess, also gewissermaßen die existenzielle Freiheit
reduziert.
6.4. Folgen von Gewalttätigkeit - Gewaltkreislauf
Grundsätzlich ist diese Potentialität allerdings immer gegeben, da Person als geistige
Dimension niemals erkranken, sondern letztlich nur in ihrem Vollzug behindert sein
kann. So sind wohl auch die nach (impulsiven) Aggressionshandlungen auftretende
Scham und damit verbunden Schuldgefühle zu verstehen, die möglichst verschwiegen
werden wollen. (vgl. Lempert / Oelemann 1995, S.45-50). Die Person kann ihre Schwä-
che (eben nichts entgegengesetzt zu haben) nicht annehmen (Scham) und zu ihrem Ver-
halten, zu dem was sie jemandem, einer anderen Person angetan hat, nicht stehen, weil
sie sich darin „angreifbar“ erlebt (Schuld). Diese Scham und Schuld bedrohen das
Selbstwertgefühl, was als schmerzlich erlebt wird und in der Folge (als Copingreaktion
des Personschutzes – Distanzierung) zu Verbergen und möglicherweise, wenn der
Schmerz unerträglich wird (Copingreaktion – Totstellreflex) zu Abspaltung führt (vgl.
Längle 2002 b., S. 162-164). Dies wiederum verunmöglicht eine persönliche Auseinan-
dersetzung mit dem eigenen Verhalten und begünstigt so eine neuerliche aggressive
Handlung.
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Scham/ Schuld
Wahrnehmen der Folgen Gewalthandlung drohender Selbstwertverlust
Schmerz Abspalten Verbergen Abb. 5: Folgen von Gewalttätigkeit - Gewaltkreislauf Diesem Gewaltkreislauf entsprechen jene Phasen in Paarkonflikten, die Lempert und
Oelemann beschreiben (Lempert / Oelemann 1995, S. 45-50):
Phase 0: „Im Moment der Gewalttat tritt eine Erleichterung, eine Entlastung ein, indem unangenehme Gefühle wie Ohnmacht und Hilflosigkeit `schlagartig´ abgewehrt werden durch Delegation an die Frau.“ Hinzu kommen Erinnerungslücken als Folge des Kon-trollverlusts. Phase 1: Wahrnehmung der verletzt und blutend am Boden liegenden Frau – Entsetzen über das, was er angerichtet hat. Phase 2: Phase von Schuldgefühlen, Reue und Entschuldigungen beim Mann, der gleichzeitig verspricht, dass es nie wieder vorkommen wird, Blumen bringt und oft un-mittelbar nach der Gewalttat darauf drängt, mit der Frau zu schlafen. Dadurch hofft er, die Tat ungeschehen zu machen, hofft, das „alles wieder gut“ ist. Für die Frau bedeutet Geschlechtsverkehr in dieser Situation eine Vergewaltigung, die sie aus Angst über sich ergehen lässt. (vgl. auch Egger et. al. 1995, S 30ff) Gleichzeitig stiftet der rasche Wechsel zwischen Gewalttätigkeit und „lieb und nett sein“ Verwirrung und Unsicherheit, v.a. weil die Situation jederzeit wieder umschlagen kann.. Die Frau tut so, „als sei alles nicht so schlimm“ und bagatellisiert das Geschehen, „ist schon gut“. Phase 3: Der Mann fängt an sich zu fragen, was schuld daran war, dass er seine Frau, die er ja so liebt, geschlagen hat und findet sie bei der Frau: „Was hat die Frau getan, um ihn zu reizen?“ „Sie hätte sich zusammenreißen müssen!“ Der Mann will die Verantwortung abschieben, indem er die Schuld bei der Frau sieht (Schuldabwehr). Die Frau ist in dieser Situation sehr oft dazu bereit, die Schuld auf sich zu nehmen, vor allem in der Vorstellung weitere Gewalthandlungen dadurch verhindern zu können. Die Konsequenz davon ist, dass sich der Mann dafür nicht mehr verantwortlich ist.
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Phase 4: Schweigephase, es wird so getan als sei nichts geschehen. Beide Partner be-mühen sich, die Gewalttat und die damit verbundenen Gefühle zu vergessen. Die Frau rührt das Thema nicht an, weil sie fürchtet, den Anlass für die Gewalt wieder anzurühren und damit neue Gewalt zu provozieren. Für den Mann ist „die Sache erst einmal erledigt.“ Außerdem hat er in der vorherigen Phase das Versprechen gegeben, dass „es nicht mehr vorkommen wird.“ „Wenn die Phase des Schweigens erreicht ist, können wir sicher sein, dass der Mann wieder gewalttätig wird. Es wird wieder einen Anlass geben, es wieder etwas schief lau-fen, und so schließt sich der Kreis.“ (Lempert / Oelemann 1995, S. 48) Lempert und Oelemann sehen die Dynamik der Gewalt in Paarbeziehungen primär in
der Vertauschung von Schuld und Verantwortung und der Delegation derselben an das
Opfer begründet, weshalb sie in ihren Beratungskonzepten und Definitionen, die Ver-
antwortung des Täters sowie die „Entscheidung zur Gewalt“ so sehr betonen.6
Diese Schuldabwehr oder auch Umkehr des Täter-Opfer-Verhältnisses findet sich aller-
dings nicht nur im häuslichen Bereich, sondern bei allen Formen von Gewalt bis hin zur
Weltpolitik. Verantwortung und Schuld werden von sich gewiesen, indem die Ursache,
der Anfang, das, was zur Gewalttat getrieben hat, bei anderen gesucht und festgemacht
wird. Diese Einstellung legitimiert Gewalthandlungen in bestimmten Situationen, gibt
den Opfern die Schuld an der Gewalt und lenkt von der Verantwortung der gewalttätigen
Personen ab. (vgl. Egger et. al. 1995, S 37). „`Es gibt keine Gewalt, es gibt nur berech-
tigte Gegengewalt´ heißt es in der Logik von Tätern.“ (Lempert / Oelemann 1995, S. 17)
Die oben beschriebene grundsätzliche Möglichkeit, sich für oder gegen Gewalt zu ent-
scheiden einerseits, und die mit Gewalt stets verbundene Zerstörung oder Verletzung der
Integrität des Gegenübers andererseits, bilden daher die Basis für eine ethische und
(rechtlich) wertende Beurteilung des jeweiligen Verhaltens. Die mögliche Bewertung ist
demzufolge nicht allein darin begründet, dass Gewalt bewusst, willentlich und intentio-
nal verursacht wird „und darum im Fokus von Moral und Recht steht, (...), das gepriesen
oder verurteilt und mit Schuldfragen verknüpft werden kann“ (Hügli 2005, S. 25), son-
dern im Respektieren des Personalen im Gewalttätigen sowie im Respekt vor der von
Gewalt betroffenen Person. Dies wird letztlich auch von der gewalttätigen Person selbst
(in Form von Scham und Schuldgefühlen) so empfunden.
6 Hier sei erneut angemerkt, dass freilich auch Frauen gelegentlich Gewalttäterinnen sind. Das große Übermaß von männlicher Gewalt rechtfertigt hier und in der Folge die Verwendung des Maskulinen bei der Bezeichnung von Gewaltausübenden. Gemeint sind aber immer beide Geschlechter.
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7. KULTURELLE UND GESELLSCHAFTLICHE ASPEKTE
Neben den beschriebenen psychischen bzw. personalen Prozessen und Voraussetzungen
hängt es auch von kulturellen und gesellschaftlichen Bedingungen ab, unter denen eine
Person jeweils lebt, ob eine vermehrte Gewaltbereitschaft besteht oder nicht. Diese Be-
dingungen beeinflussen maßgeblich individuelle Vorentscheidungen, Haltungen und
Einstellungen zur Gewalt. Einige dieser mannigfaltigen Einflussgrößen sollen, im Rah-
men dieser Arbeit freilich nur in aller Kürze, im Folgenden skizziert werden.
7.1. Gewalt ist „Männersache“
Sämtliche Studien zum Ausmaß von Gewalt kommen diesbezüglich zum gleichen Er-
gebnis: Gewalt wird zum größten Teil von Männern ausgeübt. Lempert und Oelmann
zitieren deutsche Kriminalstatistiken: Zwischen 90 und 95 Prozent aller Gewalttaten
gehen auf das Konto von Jungen und Männern. (Lempert/Oelemann 1995. S.17f). Zu-
lehner und Slama resümieren: “Fast jeder fünfte Mann ist ein Macho und neigt zu viel-
fältigen Formen der Gewalt.“ (Zuhlener, Slama 1994. S. 159) Renate Egger et al. zitie-
ren verschiedene Studien denen zufolge, je nach Gewaltdefinition, jede fünfte bis zehnte
Frau in einer intimen Beziehung misshandelt wird. (Egger et. al. 1995. S. 32). Sorgo
Marina, Leiterin des Gewaltschutzzentrums Steiermark, zitiert eine Studie des Bundes-
ministeriums für Umwelt Jugend und Familie aus dem Jahr 1991 demzufolge mindes-
tens jede fünfte in einer Beziehung lebende Frau Opfer körperlicher Gewalt ist und jede
zweite Frau einen derartigen Fall in ihrem näheren Umfeld kennt. (Sorgo 2006, S. 32)
Seit in Österreich 1997 das sogenannte Gewaltschutzgesetz7
in Kraft getreten ist, wurde
bis Ende 2005 gegen 5428 Personen aufgrund ihres gewalttätigen Verhaltens ein Betre-
tungsverbot ausgesprochen. Davon waren 95% Männer. (Sorgo 2006, S. 32)
Gleichzeitig wird von einigen Autoren auch immer wieder betont, dass Männer bzw.
Jungen am meisten von Gewalt betroffen sind: Lempert und Oelemann berichten, dass
sich zwei Drittel aller körperlichen Gewalttaten gegen das eigene Geschlecht richten.
7 Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie – GeSchG, BGBl. Nr. 759/1996, novelliert durch BGBl. Nr. 146/1999.
41
(Lempert, Oelemann 1995 S. 34). Dirk Bange meint unter Zuhilfenahme verschiedenster
Dunkelziffer-Studien, dass jeder elfte Junge sexuell missbraucht wird. (Bange 1995. S.
70). Rohrmann berichtet von verschiedensten Studien, die belegen, dass „wahrscheinlich
genauso viele Jungen wie Mädchen missbraucht werden,“ (Rohrmann 1994. S. 150) und
dass Jungen tendenziell häufiger geschlagen werden als Mädchen. Birchbauer berichtet,
dass die Geschlechterverteilung im Bereich Gewalt gegen Kinder signifikant unter-
schiedlich ist: während von körperlicher Gewalt eindeutig mehr Buben betroffen sind,
werden Mädchen ca. viermal häufiger Opfer von sexueller Gewalt. (Birchbauer 2006, S.
36) Insgesamt wird davon ausgegangen, dass ca. 10 bis 15% aller Kinder in Österreich
in einer Familie Leben, wo sie schwere körperliche, sexuelle und psychische Gewalter-
fahrungen machen bzw. von Vernachlässigung betroffen sind. (Birchbauer 2006, S. 35)
Das heißt einerseits, dass gewalttätige Menschen in der Regel Männer sind und ande-
rerseits, dass es zum Mann-Sein und Mann-Werden dazu gehört, Opfer von Gewalt zu
werden.
Feministinnen analysierten männliche Gewalttätigkeit als eine Option, die Männern
durch ein komplexes System von Ideen, Werten, Bräuchen und Institutionen ermöglicht
wird, wobei die Grundlage dafür die Macht von Männern über Frauen ist, sprich das
Patriarchat. Häufig wird mittlerweile statt dem Begriff „Patriarchat“ das Konzept der
„hegemonialen Männlichkeit“ von R. W. Connell genannt, womit ein Modell kultureller
Regelungen gemeint ist, das die sexuelle Vorherrschaft von Männern, ihre Dominanz
auf dem Arbeitsmarkt sowie ihr „angestammtes Recht“ der Gewaltausübung gegenüber
Fremden und Feinden legitimiert.(vgl. Rohrmann 1994, S. 69f und Diekmann A. 2002)
(vgl. Egger et al. 1995, S. 21-30):
Das „typische Männerbild“ für einen „richtigen Mann“ im 20. Jahrhundert zeichnet sich
durch „Rationalität, Virilität und geringe Bereitschaft, seine Gefühle zu zeigen (aus). Er
ist an physischer Aktivität interessiert, hart arbeitend, bereit, für ein Prinzip zu kämpfen,
üblicherweise unter Kontrolle, aber manchmal ungeduldig und immer bereit zu Sex“
(Egger et al. 1995, S. 22).8
Ferner beschriebene Faktoren sind:
8 Das dieses „typische Männerbild“ langsamen Veränderungen unterworfen ist zeigt beispielsweise die Studie von Zuhlener und Slama (1994). Dass es immer schon Veränderungen der Männlichkeitsrollen gab (v. a. aber in Folge der Frauenemanzipation), kommt in Ernst Hanischs Buch „Männlichkeiten. Eine ande-re Geschichte des 20. Jhdts.“ sehr anschaulich zum Ausdruck.
42
- Gewalterleben in der Ursprungsfamilie, sowie die Erfahrung, dass Gewalt gegen
Frauen in dieser akzeptiert ist.
- männliche Jungendlichen-Peer-Groups, die den Charakter von Männerbünden
haben und deren Grundregeln heißen: „Zeig nicht deine wahren Gefühle!“; „Sei
aggressiv!“; „Ziele erreichen“; Ausschluss und Entwertung der Frauen; Konfor-
mität, Homophobie
- Medien: Vermittlung stereotyper männlicher Rollen und Verharmlosung von
Gewalt
- Militär als Initiationsritus für die militärischen Ideale der Hypermaskulinität, wo-
bei gleichzeitig auf den Zusammenhang von Militär, Krieg und die Gewalt gegen
Frauen hingewiesen wird
- Pornographie, die u.a. zu einer Desensibilisierung von Gewalt beiträgt
Generell ist die Sozialisation von Jungen einerseits stark von Gewalt geprägt, anderer-
seits ist sie nach wie vor von folgenden Tatbeständen geprägt: Körperkontakte in Rich-
tung Zärtlichkeit werden frühzeitig abtrainiert; Gefühle von Schwäche, Traurigkeit,
Nachgiebigkeit und Schmerz müssen schon in frühen Jahren kontrolliert, respektive un-
terdrückt werden. Autarke Problemlösungen werden von Jungen in einem Alter erwartet,
in welchem sie dazu noch nicht fähig sind. Gleichzeitig müssen sich Jungen frühzeitig
und kontinuierlich beweisen, weshalb sie unter permanentem Leistungsdruck stehen.
(vgl. Hollstein 2003, S. 20-22).
„Der tiefste Grund für Männergewalt ist ein grundsätzliches Defizit an männlicher Be-
ziehungsfähigkeit. Während Mädchen in der Sozialisation vornehmlich auf Bezie-
hungsverhalten eingestellt werden, werden Jungen auf Leistungs- und Erfolgsverhalte
getrimmt. Sie lernen Ellenbogenmentalität, Wettbewerbsfähigkeit, Konkurrenzdenken,
Erfolgsfixierung und strategisches Überlegen u. ä.“ (Hollstein 2003, S. 22)
Zusammenfassend lässt sich mit Egger et al. feststellen: „Obwohl jedes Individuum
einmalig ist, gibt es doch viele mächtige Einflussfaktoren, die männliche Gewalt för-
dern, erlauben und legitimieren. Viele wichtige Institutionen in unserer Gesellschaft er-
mutigen Männer, gewalttätig zu sein.“ (Egger et al. 1995, S. 29)
43
7.1.2. Täterinnen
Zum tatsächlichen Ausmaß weiblicher Gewaltausübung liegen keine verlässlichen Stu-
dien vor. In allen gängigen Gewaltstatistiken ist der Anteil weiblicher Täterinnen jeden-
falls sehr gering. So beträgt beispielsweise der Anteil männlicher Gewaltopfer, die 2005
im Rahmen der Interventionsstelle gegen familiäre Gewalt in der Steiermark betreut
worden sind 5 %, wobei in 1,3% der Fälle die Ehefrau oder die Lebensgefährtin Gewalt
gegenüber dem Mann ausübte9
. (Sorgo 2006, S. 31) Die dabei vorherrschenden Definiti-
onen von Gewalt beziehen sich jedoch fast ausschließlich auf strafrechtlich relevante
Delikte oder auf physische Gewalt mit Verletzung- und Tötungsfolgen. Ein erweiterter
Gewaltbegriff um Kathegorien wie Stalking, Mobbing, psychische und verbale Gewalt
würde das Verhältnis wohl sehr zu „Ungunsten“ der Frauen verschieben.
Für den Bereich sexueller Gewalt gegen Kinder liegen einige Untersuchungen aus den
USA vor, die den Anteil von Täterinnen bei männlichen Opfern mit 13 – 25% beziffern,
und bei weiblichen Opfern von 6 – 13%. (Enders 1995, S. 103) Die Ursachen für die
auch in Fachkreisen häufige Ausblendung von sexueller Gewalt an Kindern durch Frau-
en ist nach Ansicht von Ursula Enders, die Vorstellung, dass „sexuelle Übergriffe ohne
Penis“ keinen Schaden anrichten und dass es vor allem Männer schwer fällt, die eigenen
kleinen Geschlechtsgenossen als mögliche Opfer sexueller Gewalt durch Frauen wahr-
zunehmen – das passe nicht ins Selbstbild von starken Mann. (Enders 1995, S. 103) Tim
Rohrmann meint dazu: „`Mutterliebe´ dagegen scheint nur etwas mit Fürsorglichkeit und
nicht mit Sexualität zu tun zu haben. Die häufige Idealisierung der Mutter-Kind-
Beziehung erschwert eine realistische Einschätzung des Problems.“ (Rohrmann 1994, S.
156)
Darüberhinaus ist sexuelle Gewalt durch Frauen ein Thema, „dessen Aufarbeitung an
den vermeintlichen Grundlagen des Patriarchats rüttelt. Es hinterfragt die Gültigkeit ei-
nes vereinfachten `Täter-Opfer-Schemas´, das stets von männlicher Macht gegenüber
weiblicher Ohnmacht ausgeht.“ (Enders 1995, S. 103)
9 In den übrigen 3,7% der Fälle waren es Opfer von anderen männlichen Familienmitgliedern.
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7.2. Gewaltklima
Mario von Cranach weist darauf hin, dass Gewalt nicht allein als individuelles Phä-
nomen zu betrachten ist, sondern stets in einem Kontext des Handelns ganzer Gruppen,
Organisationen und Gesellschaften zu sehen ist. Er meint, dass Gesellschaften oder ihre
Teile „Vorstellungen über die Häufigkeit, die Normalität und die Legitimität von Gewalt
und Gegengewalt“ entwickeln, woraus ein Gewaltklima entstehen kann, „ in dem die
Menschen Gewalt ausüben, mit Gewalt rechnen und sich darauf einrichten.“ (von Cra-
nach 1998, S. 32).
Merkmale einer derartigen Gewaltklimas sind u. a. (vgl. von Cranach 1998, S. 32):
- eine zunehmende oder erschreckende Häufigkeit von Gewalt
- Drogenmissbrauch, in Verbindung mit sozialer Verwahrlosung und Beschaf-
fungskriminalität
- die Häufigkeit von Gewalt wird von der Bevölkerung überschätzt
- Angst und Unsicherheit nehmen zu
- Gewalt wird akzeptiert, die Wertvorstellungen bezüglich Gewalt verändern sich
- für bestimmte Gruppen gehört Gewaltausübung zu den normalen Aktivitäten
- es entstehen mehr gewaltbereite Subkulturen
- Menschen, die sich hilflos fühlen, ziehen sich aus dem öffentlichen Raum zurück
- die Bereitschaft zur Hilfe gegen Gewalt nimmt ab
- Schutz vor Gewalt wird mehr zur privaten Aufgabe
- Formen struktureller Gewalt nehmen zu
- eine übertriebene Bereitschaft zur Gegengewalt entsteht
- die Staaten führen verschärfte Strafen bis hin zur Todesstrafe ein
- Gewalt, oft in brutalster Form, wird zum Spektakel, zur Unterhaltung, zum Ge-
schäft.
„Das Gewaltklima ist, über die betroffenen Menschen und sozialen Systeme hinaus, ein
Zustand jeweils ganzer Gesellschaften: ein Wirkungsgefüge aus den beschriebenen ein-
zelnen Faktoren, die sich gegenseitig hervorrufen und verstärken.“ (von Cranach 1998,
S. 32)
45
Von Cranach meint weiter: „(...) auch dort, wo eindeutig Individuen für sich allein han-
deln, hat Gewalt soziale Ursachen“. (von Cranach 1998, S. 32)
In der Tat ist es nahe liegend (ich erinnere an das Gefühl von Ohnmacht und Ausweglo-
sigkeit als situativem Auslöser für Aggression.), dass Arbeitslosigkeit, Armut, mangeln-
de Bildung, beengte Wohnungen, Mangel an Perspektiven, usw. die Entstehung von
Gewaltbereitschaft fördern. Diese Bedingungen werden in der Regel mit dem soziologi-
schen Begriff bzw. Konzept der „strukturellen Gewalt“ beschrieben, womit nach Johann
Galtung gesellschaftliche Bedingungen verstanden werden, die Menschen so beeinflus-
sen, dass ihre körperliche und geistige Entwicklung geringer ist als ihre potentielle. Nach
diesem Verständnis gehören soziale Ungerechtigkeiten zu den strukturellen Vorausset-
zungen der Gewalt. Sie äußern sich in ungleichen Machtverhältnissen und Lebenschan-
cen, und dies unabhängig davon, ob eine klare Subjekt-Objekt-Beziehung vorliegt. (vgl.
Mäder 2005, S. 149-151)
Wie strukturelle Gewalt auf den einzelnen Menschen wirkt zeigen beispielsweise die
umfangreichen und ausführlichen Interviews, die Pierre Bourdieu et al. mit Menschen
geführt haben, die sonst kaum zu Wort kommen noch gehört werden. Sie berichten über
ihr gewöhnliches Leben, ihre Hoffnungen und Frustrationen, Verletzungen und Leiden.
In der Zusammenschau zeigt sich ein Bild einer Gesellschaft, die geprägt ist von zuneh-
mendem Konkurrenzdruck, gesellschaftlicher Marginalisierung, struktureller Massenar-
beitslosigkeit und Sozialabbau, verstärkt durch den schleichenden Rückzug des Staates
aus seiner Verantwortung für das Gemeinwohl und die zunehmende Deregulierung von
Wirtschaft und Gesellschaft. (vgl. Bourdieu et al. 1997)
Eine Form von aktueller struktureller Gewalt an Kindern und Jugendlichen ist das Auf-
wachsen in Armut: in Östereich sind 113000 Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren
von akuter Armut betroffen. (Birchbauer 2006, S 36) Dies geht einher mit Einschrän-
kungen in der Gesundheitsversorgung und –vorsorge, mit Einschränkungen in sozialen,
kulturellen und ausbildungsbezognen Belangen. Gleichzeitig besteht eine erhöhte Gefahr
von Ausgrenzung und Isolation, so dass diese Belastungen insgesamt zu Beeinträchti-
gungen des emotionalen, sozialen, somatischen und physischen Wohlbefindens führen.
(vgl. Birchbauer 2006, S. 36)
Jean Ziegler, UNO – Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, meint dazu, dass
strukturelle Gewalt keineswegs ein abstrakter Begriff sei: „Sie zeigt sich in dem System
46
der Zuteilung der auf dem Planeten verfügbaren Ressourcen.“ (Ziegler 2005, S. 41) Er
meint, dass die verborgenen Mechanismen der strukturellen Gewalt in einer „Welt des
organisierten Mangels“ sichtbar werden und zitiert Jean-Paul Sartres „Kritik der dialek-
tischen Vernunft“: „In dem durch den Mangel modifizierten Wechselverhältnis erscheint
uns derselbe als Gegen-Mensch, insofern dieser selbe Mensch als radikal Anderer, das
heißt als Träger einer Todesdrohung für uns erscheint. Oder, wenn man will, wir verste-
hen in groben Zügen seine Ziele (es sind die unseren), seine Mittel (wir haben die glei-
chen) und die dialektischen Strukturen seiner Handlungen. Aber wir verstehen sie als
Merkmal einer anderen Art, unseres teuflischen Doppelgängers.“ (Ziegler 2005, S. 40f)
Und weiter: „In Wirklichkeit ist die Gewalt nicht notwendig eine Handlung (...), ebenso
wenig ist sie ein Merkmal der Natur oder eine verborgene Möglichkeit. Sie ist vielmehr
die ständige Unmenschlichkeit der menschlichen Verhaltensweisen als verinnerter Man-
gel, kurz das, was jeden in jedem den Anderen und das Prinzip des Übels sehen lässt.
Deshalb muss es, damit die Ökonomie des Mangels Gewalt ist, nicht notwendig zu
Massakern oder Einkerkerungen, also zu sichtbarer Gewaltanwendung kommen, auch
nicht einmal zu dem gegenwärtigen Plan ihrer Anwendung. Es genügt, dass die Produk-
tionsverhältnisse in einem Klima der Angst und des gegenseitigen Misstrauens von Indi-
viduen errichtet und aufrechterhalten werden, die immer bereit sind, zu glauben, dass der
Andere ein Gegen-Mensch ist und einer fremden Art angehört oder, mit anderen Worten,
dass der Andere, wer auch immer es sei, dem Anderen gegenüber immer als `derjenige,
der angefangen hat´, auftreten kann...“ (Ziegler 2005, S. 41)
7.3. Gewaltmonopol
Hügli bezeichnet das Ausmaß, in dem private personale Gewalt zum Verschwinden ge-
bracht werden kann, und dass das Monopol der Gewaltausübung an den Staat und seine
Institutionen übergeht, als Markenzeichen des zivilisatorischen Prozesses. (Hügli 2005,
S. 33). „Das staatliche Gewaltmonopol ist dadurch gekennzeichnet, dass sein Bestand
jegliche physische Gewaltanwendung dem Staat vorbehält.“ (Jauk 2004, S. 58). Der
Hauptunterschied zwischen der privaten und dieser institutionellen Gewalt ist der Um-
stand, dass institutionelle Gewalt an Gesetze gebunden ist und auf der Grundlage wohl
definierter Regeln erfolgt, die festlegen, wer, wann und auf welche Weise Gewalt an-
wenden darf. Der Inbegriff eines solchen Regelwerks ist die sogenannte Rechtsordnung.
Deren Hauptfunktion ist die Unterwerfung illegitimer privater Gewalt unter die legitime
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öffentlichen Gewalt und sie durch Androhung von Sanktionen in Schach zu halten. Die
Voraussetzungen für das Funktionieren einer derartigen Rechtsordnung bestehen in ei-
nem Gesetz, das die Regel der Gewaltausübung festschreibt, in der Möglichkeit darüber
zu diskutieren und die Regeln gegebenenfalls zu modifizieren (demokratische Verfas-
sung) sowie in der Institutionalisierung einer Durchsetzungsgewalt. (vgl Hügli 2005, S.
32-34)
Nur wenn diese drei Voraussetzungen gegeben sind, werden einerseits die Bürgerinnen
und Bürger, die dieser Rechtsordnung unterliegen, diese auch annehmen, womit es zu
einer Verringerung der privaten Gewalt kommt. Andererseits ist nur unter diesen Bedin-
gungen einigermaßen gewährleistet, dass es nicht zum Missbrauch der Macht durch die
jeweiligen Institutionen kommt. Dabei ist freilich weiterhin nicht auszuschließen, dass
sich personale und institutionelle Gewalt verschränken: auch in legitimen Institutionen
könne Rollenträger ihre Funktion missbrauchen. Ein Beispiel dafür: Der Polizist als
Schläger und Folterer. Der Begriff „Polizeigewalt“ ist daher immer in seiner Doppeldeu-
tigkeit zu sehen. (vgl. Jauk 2004, S. 71)10
10 Die Grazer Juristin Barbara Jauk beschäftig sich in ihrem Buch „Exekutive und Menschenrechte“ aus-führlich mit diesem Spannungsfeld von Polizeigewalt und Bürgerrechten sowie mit dem Ausmaß von Polizeiübergriffen in Österreich u. bes. in der Stmk..
48
8. ZUR THERAPIE VON AGGRESSION UND GEWALT
8.1. Therapie der Aggression - Damit Aggression nicht zur Gewalt wird 8.1.1. Personale Positionsfindung Alfried Längle empfiehlt für den therapeutischen Umgang mit Aggression die exis-
tenzanalytische Methode der „Personalen Positionsfindung“ bei der es mit Hilfe ihrer
drei Schritte darum geht, dass die Aggression sehend wird (vgl. Längle 2003 b, S. 167
f):
Die Personale Positionsfindung wurde in den Jahren 1984 bis 1987 von Alfried Längle
entwickelt und besteht aus drei Schritten, bei denen dreimal Position zu beziehen ist und
die u. a. bei Gefühlen des Ausgeliefertseins, der Ohnmacht und Passivität indiziert ist.
(vgl. zu Folgendem Fischer-Danzinger, Janout 2000 u. Längle 2003 b, S. 167f):
1. Schritt: „Position nach außen“
Hier geht es um Realitätsprüfung und um Abgrenzung gegenüber Generalisierungen,
nicht realitätsgerechten Annahmen und Einschätzungen. Notwendig dafür ist eine offene
Wahrnehmung und eine Zuwendung zur (bedrohlichen) Situation. Es geht um das Infra-
gestellen des scheinbar Gewussten. Der Blick wird vom Subjekt und seinem Erleben
weggelenkt und der Sachlage zugewendet, wodurch eine erste Auseinadersetzung be-
ginnt: wahrgenommene Wirklichkeit versus interpretierte Wirklichkeit.
Das Ziel der „Position nach außen“ in unserem Zusammenhang: Die Aggression soll
sehend werden nach außen: Was ist der Auslöser des Hasses? Worin liegt die Bedro-
hung?
2. Schritt: „Position nach innen“
Hier wird die Position zu den eigenen Ansprüchen, Erwartungen und Annahmen erarbei-
tet, wobei Generalisierungen, subjektive Theoriebildungen, Phantasien und Träume zu-
rückgestellt werden. Dabei „geschieht eine Auseinandersetzung mit den eigenen Zielen,
Erwartungen, Ansprüchen, den eigenen Wertvorstellungen und Einschätzungen der ei-
49
genen Kraft, eine Situation emotional auszuhalten und durchstehen zu können.“ (Fi-
scher-Danzinger, Janout 2000, S. 43)
Bei dieser „Position nach innen“ soll die Aggression sehend werden nach innen: „Was
schützt der Hass?“ Das, was die Aggression als Copingreaktion an Wertvollem schützt
soll sichtbar werden. Dadurch wird ein Verstehen möglich.
3. Schritt: „Position zum Positiven“
Da die Person nun nicht mehr äußeren und inneren Störeinflüssen ausgesetzt ist, kann sie
sich auf ihre eigenen und ursprünglichen Beweggründe beziehen, zu den eigenen Werte
und Motivationen stehen und sie verwirklichen.
„Position zum Positiven“: Die Aggression soll dahingehend sehend werden, wie sie ge-
lebt werden kann, wie mit ihr zielführend umgegangen werden kann. Die Aggression
soll zu ihrem Adressaten gelangen.
„Ziel des existenzanalytischen Umgangs mit Aggression ist, die Person neben der Psy-
chodynamik zu verankern, die Psychodynamik zu `personieren´.“ (Längle 2003 b, S.
167)
Die „Personale Positionsfindung“ ist eine stützende, wachstumsfördernde Methode, bei
der es um das Auffinden von Positionen durch Mobilisieren der vorhandenen freien
Kraftressourcen geht. Das Ziel ist die Stärkung des Selbst in emotional belastenden Situ-
ationen. (vgl. Fischer-Danzinger, Janout 2000, S. 45). Sie eignet sich daher primär für
den Umgang mit einmalig oder in bestimmten Situationen auftretenden aggressiven Ge-
fühlen. Geht es um stärker verfestigte aggressive Reaktions- und Verhaltensmuster, also
um häufig auftretende aggressive Affekte und Impulse oder häufigerem gewalttätigem
Verhalten, so ist wohl die „Personale Existenzanalyse“ als tiefgreifende, bearbeitende
und aufdeckende Methode, die an der Wahrnehmung, an den Emotionen, am Verstehen
und am Handeln ansetzt das Mittel der Wahl.11
11 Die einzelnen methodischen Schritte werden weiter unten dargestellt..
50
8.1.2. Abreagieren?
Längle weist außerdem noch darauf hin, dass es therapeutisch manchmal wichtig sein
kann, ein Übermaß an Aggression abzureagieren, oder aus einer ohnmächtigen Ag-
gression heraus durch Übung zu einer Aktivierung im Umgang mit Aggression zu kom-
men. Ziel eines entsprechenden Abreagierens ist es, „die Ohnmacht im Hass zu durch-
brechen, der Aggression ihre Über-Mächtigkeit zu nehmen und das ins Stocken geratene
personale Handeln wieder ins Fließen zu bringen.“ (Längle 2003 b, S. 169)
Die Wirksamkeit einer derartigen Katharsis, also das Herauslassen von Aggression und
Wut, wird allerdings von verschieenen AggressionsforscherInnen in Frage gestellt.
Daniel Golemann beruft sich beispielsweise auf Untersuchungsergebnisse von Dolf
Zillmann und Diane Tice und meint: „Dem Zorn freien Lauf zu lassen ist (...) eine der
schlechtesten Methoden, sich abzukühlen: Wutausbrüche treiben die Erregung des
emotionalen Gehirns zumeist in die Höhe, sodaß man sich hinterher noch zorniger fühlt
– und nicht weniger zornig. Wird die Wut an demjenigen ausgelassen, der sie provoziert
hat, ausgelassen, so wird die Stimmung dadurch im Endeffekt nicht beendet, sondern
verlängert.“ (Goleman 1995, S. 95). Herbert Selg faßt die Ergebnisse der Forschung zur
Katharsis-Funktion so zusammen: „Gelegentlich kann nach einer Aggression auch eine
Pseudo-Katharsis durch Erschöpfung auftreten. War die Aggression erfolgreich, ist nach
einer weiteren Erholung die Wahrscheinlichkeit weiterer Aggressionen erhöht.
Betrachtet man den Stand der Forschung zur Katharsis-Hypothese unter dem zeitlichen
Gesichtspunkt, so läßt sich auch schließen: solange die Betrachtung der
Aggressionfolgen nur über eine kurze Zeit hin erfolgt, ist man geneigt, nach
affektbesetzten Aggressionen kathartische Effekte wahrzunehmen. Bei langfristiger
Betrachtung vermehren jedoch Beobachtung und Ausführung erfolgreicher
Aggressionen die Ausführung weiterer Aggressionen.“ (zit nach Rost 2005, S. 378)
Als geeignetere Variante, um Zorn zu deeskalieren und sich physiologisch abzuregen,
empfiehlt Goleman das Ende des Adrenalinausstoßes in einer Umgebung abzuwarten, in
der mit weiteren Zornauslösern nicht zu rechnen ist. Das heißt beispielsweise, sich bei
einem Streit sich vom anderen zu entfernen, einen langen Spaziergang zu machen und
während der Abkühlungsphase allein zu sein. Weites sind verschiedenste Entspan-
nungsmethoden und körperliche Bewegung indiziert. (vgl. Goleman 1995, S. 87f)
51
Das Absinken des Erregungsniveaus ist Vorraussetzung für einen „kühlen Kopf“ und
dafür, dass Ruhe einkehren kann, um ein Stück Selbst-Distanzierung erlangen zu kön-
nen.
8.2. Täterarbeit – Therapie der Gewalttätigkeit Wesentlich erscheint mir zunächst der Hinweis, dass es sich bei der Behandlung von Ge-
walttätern weniger um eine klassische Psychotherapie mit dem Ziel der psychischen
Heilung handelt, sondern dass das zentrale Anliegen der Tätertherapie die Rückfalls-
prävention ist. Dabei sind Tätertherapie oder Täterarbeit Sammelbegriffe für eine Viel-
zahl von parallel angewandten psychotherapeutischen, soziotherapeutischen und vernet-
zenden Maßnahmen, die nur in dieser kombinierten Form zu entsprechenden Erfolgen
führen. (vgl. Kury, 2001, S. 79 f)
Dies ist einerseits im Zusammenhang mit der relativ schlechten Prognose bei den zum
Teil persönlichkeitsgestörten Gewalt-Delinquenten in den Haftanstalten zu sehen, und
andererseits mit der kaum vorhanden Eigenmotivation zur Verhaltensänderung, insbe-
sondere bei Sexualstraftätern. (vgl. Fischer-Danzinger 2002, S. 70 und Kury 2001, S. 67
- 79) Durch den Straf- bzw. Zwangskontext ist gleichzeitig der klassische psycho-
therapeutische Zugang, der von einer Freiwilligkeit ausgeht, nicht eins zu eins über-
tragbar und daher zu modifizieren. Darüber hinaus findet Psychotherapie mit Gewalt-
tätern in einem Spannungsfeld zwischen Klienten, gesellschaftlichen Normvorstellun-
gen, Behörden und Opfern statt und orientiert sich an den jeweiligen behördlich auf-
erlegten Rahmenbedingungen – Zwangskontext bzw. Druckzugang – die aufgrund der
mangelnden Eigenmotivation notwendig sind. Dabei ist von einem wirklichen Zwangs-
kontext nicht zu sprechen, da auch bei gerichtlichen Auflagen und Weisungen die Zu-
stimmung der betreffenden Person notwendig ist. Die rechtlichen Grundlage für Täterar-
beit „mit eingeschränkter Freiwilligkeit“ finden sich im Jugendwohlfahrts- und Fami-
lienrecht, im Gewaltschutzgesetz und vor allem im Strafrecht (Weisungen bei bedingter
Strafnachsicht, Strafvollzug, Maßnahmenvollzug, bedingte Entlassung, Forensische
Nachbetreuung, Diversion). (vgl. Stourzh 1999)
52
Im ambulanten Bereich, in der ambulanten Therapie von Gewalttätern liegt darüber hin-
aus der Fokus auf dem sogenannten Opferschutz. Dieser hat Priorität bei sämtlichen In-
terventionen. Das bedeutet, dass, bevor mit einer ambulanten Therapie begonnen werden
kann, so weit wie möglich sicher gestellt werden muss, dass von der Gewalt betroffene
oder bedrohte Personen möglichst geschützt sind. Dies verlangt enge Kooperation und
eine gemeinsame Vorgangsweise mit allen beteiligten Institutionen, wie z.B. Bewäh-
rungshilfe, Jugendämtern, Justiz und Opferschutzeinrichtungen, wie Kinderschutzzen-
tren, Frauenhäusern und Interventionsstellen gegen Gewalt. Meines Erachtens ist diese
Vernetzungsleistung in einer Privatpraxis nicht zu leisten, weshalb eine Tätertherapie
nur in speziellen Institutionen wie Männerberatungsstellen oder forensischen Ambulan-
zen durchgeführt werden soll und kann.
Entsprechende Standards für die Arbeit mit Gewalttätern wurden von einer Arbeitsgrup-
pe, der eine Vielzahl von mit Gewalt befassten Institutionen angehörten, entwickelt u.
vom BM für Umwelt Jugend und Familie publiziert.(vgl. Haydari H. 1999) Als Grund-
prämissen der Arbeit mit Gewalttätern wurden dabei formuliert:
-„Die Arbeit mit Gewalttätern dient dem Opferschutz und ist im Hinblick auf den Opfer-
schutz erforderlich.
-Primäres Ziel ist die Beendigung der Gewalt und die Verhinderung weiterer Gewaltta-
ten.
-Die Sicherheit von Frauen und Kindern ist ein wichtiges Anliegen der Arbeit mit Ge-
walttätern.
-Die Verantwortung für die Gewaltanwendung trägt allein der Täter – seine Übergriffe
sind weder durch störende Familiendynamiken, eigene Gewalterfahrungen oder Ähnli-
ches zu rechfertigen.
-Die Arbeit mit Gewalttätern erfordert eine Grundhaltung, die in ihm den `den gesamten
Menschen´ sieht, der Übergriffe begangen hat, daneben aber das Potential hat, sich und
sein grenzüberschreitendes Verhalten zu verändern.“ .( Haydari H. 1999, S. 58)
53
Als Standards für den Bereich “Gewalt gegen Frauen” wurden folgende Punkte formu-
liert (Auswahl)12
:
„-Die Kooperation und der Informationsaustausch zwischen den Einrichtungen, die mit
Tätern arbeiten und Opferschutzeinrichtungen ist unumgänglich.
-Die Partnerinnen der Gewalttäter sind über die Ziele der Arbeit mit ihren Männern zu
informieren. Sie sind zu warnen, wenn der Täter das Programm abbricht oder Drohun-
gen ausstößt.
-Auflagen, Weisungen und Maßnahmen sind zu kontrollieren. Es ist zu vereinbaren, wer
was kontrolliert.
-Die Kontrolle des Täters muss außerhalb des Vertrauensverhältnisses zwischen der Per-
son, die mit dem Täter arbeitet, und dem Täter selbst angesiedelt sein.
-Paarberatung und Mediation sind für die Opfer von Gewalt potentiell gefährlich und
daher als Erstintervention abzulehnen.
-Die MitarbeiterInnen von Einrichtungen, die Täterarbeit anbieten, müssen sich mit der
eigenen Gewaltbereitschaft, mit den eigenen sexistischen Vorstellungen und mit der
Dynamik von Gewalt gegen Frauen auseinander setzen.
-Täter- und Opferarbeit sollte personell getrennt sein.“ (Haydari 1999, S. 60f)
8.2.1. Beispiel Grazer Männerberatung
Ein Modell, das diese sämtlichen Aspekte mitberücksichtigt und im Rahmen in der Gra-
zer Männerberatung entwickelt worden ist, soll als Beispiel dienen. 13
Dieses besteht im Wesentlichen aus vier eng ineinander verzahnten Modulen von kli-
nisch-psychologischer Diagnostik, standardisiertem Risikobeurteilungsverfahren, psy-
12 Für den Bereich „Sexuelle Gewalt gegen Kinder“ wurden weitere ausführliche Standards formuliert. Wesentlich dabei: „Arbeit mit Missbrauchstätern darf nicht von der Freiwilligkeit des Täters abhängen“ (vgl. Haydari H 1999, 59) 13 Ein Beispiel für andere Modelle: Logar R, Rösemann U, Zürcher U (2002),
54
chotherapeutischen Interventionen und sozialarbeiterischer Begleitung (case-
manegement), wobei der sozialarbeiterischen Begleitung eine zentrale Bedeutung zu-
kommt. Diese/r SozialarbeiterIn wird für die notwendigen und zum Teil individuellen
Rahmenbedingungen für Klienten im sogenannten Druckzugang (psychosoziale Inter-
ventionen aufgrund von Weisungen oder Auflagen durch Behörden) bereitgestellt und
hat sozialarbeiterische Aufgaben gegenüber dem Klienten (Unterstützung, Kontrolle,
Konfrontation), den kooperierenden (psychosozialen) Institutionen und Behörden (Ver-
einbarungen, Informationsweitergabe, Kontrolle) sowie gegenüber Einzelpersonen (An-
gehörige). Gleichzeitig sorgt diese/r CasemanagerIn nach innen und nach außen in akti-
ver Weise für einen reibungslosen Durchlauf relevanter inhaltlicher Information und
bildet mit seiner/ihrer Tätigkeit eine Voraussetzung für das koordinierte Vorgehen aller
mit der Angelegenheit betrauten Organisationen und Einzelpersonen. (vgl. Voitle 2004
und Elmar, Nowrouzi 2003).
Wesentlich dabei ist, dass die vereinbarten Rahmenbedingungen (z.B. Konsequenzen bei
Therapieabbruch oder wann welche Informationen eingeholt oder weitergegeben wer-
den) möglichst klar und transparent gestaltet werden. Erst eine dementsprechende Klar-
heit bietet dem Klienten Orientierung und Halt als Voraussetzung für ein Sich-einlassen-
Können auf einen therapeutischen Prozess. Die Gewissheit, dass relevante Informatio-
nen (z. B. neuerliche Übergriffe), durch den bestehenden Kontakt zu Opfer, Opfer-
schutzeinrichtung, Bewährungshilfe u.ä. rasch in den therapeutischen Raum einfließen
werden, erlaubt eine größere Gelassenheit in der therapeutischen Arbeit. Obwohl für die
psychotherapeutische Arbeit im engeren Sinn weiterhin die gesetzliche Verschwiegen-
heit gilt, können durch den/die SozialarbeiterIn relevante Informationen, Einschätzungen
oder Risikobeurteilungen an die beteiligten Kooperationspartner weitergeben werden,
die wie z. B. Gerichte, Staatsanwaltschaften oder Jugendämter – als Vertreter gesell-
schaftlicher Normen – ein berechtigtes Interesse am Verlauf der therapeutischen Maß-
nahmen haben.
55
Klinische/r Klient/ Täter PsychologIn Jugendamt Gericht Staatsanwaltschaft Bewährungshilfe Opfer Angehörige Beratungseinrichtungen Kinderschutzzentrum Interventionsstelle
Abb. 6: Täterarbeit in der Grazer Männerberatung
8.2.2.1. Schematische Darstellung der Täterarbeit in der Grazer Männerberatung
Schematisch lässt sich der Ablauf einer Tätertherapie in der Grazer Männerberatung
folgendermaßen darstellen: (vgl. Elmar, Nowrouzi 2003)
Zuweisung durch
DiplomsozialarbeiterInnen des Jugendamtes PsychologInnen RichterInnen StaatsanwältInnen RechtsanwältInnen BewährungshelferInnen Fachkräfte aus div. Beratungsstellen vom Täter selbst
Klinische/r PsychologIn (Diagnostik)
Klient Psycho-therapeutIn
Klient
Klient Sozial-arbeiterIn casemanager
PsychologIn u. Sozial- arbeiterIn Risikobeurt.
56
Klärung
mit dem Klienten
Darstellung des Modells der MÄB Information über Vorgangsweisen, Inhalte und Aufgaben einer psychothera-
peutischen Intervention Frequenz der psychotherapeutischen Sitzungen Feststellung der Interventionsdauer Hinweis auf die notwendige psychologische Diagnostik Konsequenzen eines Therapieabbruches Ausmaß der Eigenmotivation Exploration möglicher hinderlicher Faktoren
mit der zuweisenden Einrichtung
Interventionsmöglichkeiten und Arbeitsweisen der Männerberatung Sicherstellung des Opferschutzes Finanzierung Druckzugang (Konsequenzen) Mögliche Kontraindikationen
mit anderen involvierten Einrichtungen und Einzelpersonen
Arbeitsweise der Männerberatung Sicherstellung des Opferschutzes Fragen möglicher und notwendiger Kooperationen gegenseitige Informationsweitergabe
innerhalb der Männerberatung
freie Ressourcen Bestimmung eines Psychotherapeuten Psychologische Diagnostik
Klinisch - psychologische Diagnostik, standardisierte Risikobeurteilung
Einschätzung hinsichtlich Therapiefähigkeit Prognose Erhebung möglicher Risikofaktoren psychiatrische Erkrankungen Empfehlungen hinsichtlich notwendiger psychiatrischer Begleitbehandlungen Zusatzinformation bezüglich psychotherapeutischer Strategien Evaluation Erhebung möglicher Kontraindikationen
57
Übergabegespräch
Benennung des Anlasses Stellungnahme des Klienten Rahmenbedingen der Psychotherapie
Verschwiegenheitspflicht des Therapeuten vorgeschriebene Stundenfrequenz, Absagemodalitäten
Zusammenfassung der vereinbarten Rahmenbedingungen
Kostentragung Konsequenzen eines möglichen Therapieabbruchs Infoweitergabe durch den Begleiter welche involvierten Einrichtungen
Übergabe der vorliegenden Unterlagen
Gerichtsurteile und –beschlüsse Gerichtsgutachten psychologische Gutachten Protokolle schriftliche Zuweisungen
Informationsaustausch zwischen Therapeut und Begleiter persönliche Erwartungen und Zielsetzungen des Klienten
Sozialarbeiterische Beratung und Begleitung
Beratung zu den Bereichen Wohnen, Arbeit, finanzielle Absicherung Begleitung zu Ämtern, Behörden und Gerichten
Anlassbezogene Gespräche
Wunsch nach Vertragsveränderungen (Frequenz, Teilkostenanpassung, etc.) Unregelmäßigkeiten bzw. gehäufte Ausfälle Weitergabe von Informationen die von anderen Beteiligten an die Männerberatung herangetragen
werden.
58
Therapieevaluationsgespräche
Hat sich die Einstellung des Klienten zu den begangenen Handlungen verändert? Haben sich Erlebens- und Verhaltensveränderungen beim Klienten aus seiner Sicht eingestellt? Wie wird die begangene Tat aus der gegenwärtigen Sicht gesehen und beurteilt? Sind Veränderungen hinsichtlich Verleugnungs- und Abspaltungstendenzen erkennbar? Wird Verantwortung für sein Verhalten übernommen? Hat sich die Empathiefähigkeit für das
Opfer erweitert? Inwieweit ist der Klient seinen persönlichen Zielsetzungen näher gekommen? Wurden seine Er-
wartungen erfüllt? Wurden individuelle, mit dem Therapeuten vereinbarte, Therapieziele erreicht? Hat sich die allgemeine Lebenssituation des Klienten verändert? Welche weiteren möglichen Therapieziele können erarbeitet werden?
Abb. 7: Schematische Darstellung der Täterarbeit in der Grazer Männerberatung
1.Anfrage / Zuweisung
Anfragen bzw. Zuweisungen an die Männerberatung im Rahmen der Täterarbeit erfol-
gen von DiplomsozialarbeiterInnen des Jugendamtes, PsychologInnen, RichterInnen,
StaatsanwältInnen, RechtsanwältInnen, BewährungshelferInnen, Fachkräfte aus div.
Beratungsstellen und vom Täter selbst.
Zu Beginn wird ein/e SozialarbeiterIn mit der weiteren Klärung betraut.
2. Klärung
Zielsetzung der Klärungsphase ist es einerseits festzustellen ob innerhalb der Rahmen-
bedingungen der Männerberatung für den jeweiligen Klienten eine sinnvolle Behand-
lung möglich und zielführend sein kann und andererseits gilt es die jeweiligen Erwar-
tungshaltungen der zuweisenden Institutionen mit dem Angebot der Männerberatung
abzustimmen.
Konkret heißt dies eine vierfache Abstimmung: 2.1 mit dem Klienten, 2.2 der zuweisen-
den Einrichtung, 2.3 mit anderen involvierten Einrichtungen bzw. Personen. , 2.4 inner-
halb der Männerberatung.
2.1. Klient
Der Täter wird zunächst über die Rahmenbedingungen und Arbeitsweisen unter denen
eine Behandlung in der Männerberatung möglich ist aufgeklärt.
59
Dies heißt im besonderen: Darstellung des Modells; Information über Vorgangsweisen,
Inhalte und Aufgaben einer psychotherapeutischen Intervention; Frequenz der psycho-
therapeutischen Sitzungen; Feststellung der Interventionsdauer; Fixierung des zu zah-
lenden Selbstbehaltes; Hinweis auf die notwendige psychologische Diagnostik.
In Rahmen dieser klärenden Gespräche werden außerdem die möglichen Konsequenzen
eines Therapieabbruches seitens des Klienten verdeutlicht.
Auf Basis dieser Abklärungsgespräche trifft der/die SozialarbeiterIn eine erst Einschät-
zung hinsichtlich Therapiefähigkeit, Ausmaß der Motivation sich mit seinem Delikt
bzw. Verhalten auseinander zu setzen und möglicher hinderlicher Faktoren.
2.2. zuweisende Einrichtung
Die zuweisende Einrichtung ( im wesentlichen sind das Gerichte, Staatsanwaltschaften
und Jugendämter) wird zunächst über die Interventionsmöglichkeiten und Arbeitsweisen
der Männerberatung informiert.
Diesbezüglich ist hervorzuheben, dass während der gesamten Dauer der soziotherapeuti-
schen Intervention ein/e VertreterIn der Männerberatung als ständige/r Ansprechpartne-
rIn für Informationsweitergabe und -austausch bzw. Teilnahme an Helferkonferenzen
zur Verfügung steht. Diese/r sogenannte/ BegleiterIn hat gleichzeitig die Funktion der
Kontrolle des Therapieprozesses bzw. der regelmäßigen Teilnahme des Klienten an der
psychotherapeutischen Intervention und gegebenenfalls der Rückmeldung an die zuwei-
sende Einrichtung bei Unregelmäßigkeiten, Therapieabbruch oder neuerlichen Gewalt-
handlungen.
In der Männerberatung wird v.a mit Männern die sexualisierte Gewalt ausüben aus-
schließlich unter Anwendung von bestimmte Formen von Druck oder Androhung von
Konsequenzen gearbeitet. Die zuweisende Einrichtung verpflichtet sich im Falle eines
Abbruchs der Behandlung bestimmte, zuvor vereinbarte Konsequenzen zu setzen. We-
sentlich ist, dass die Vermeidung dieser Konsequenzen hinreichende Motivation für den
Täter darstellt sich einer langfristigen psychotherapeutischen Intervention zu unterzie-
hen. Bei Bedarf wird die zuweisende Institution bei der Entwicklung eines passenden
Druckzugangmodells durch den/die BegleiterIn beraten bzw. unterstützt.
60
Nach Abschluss dieser Klärungsphase soll die überweisende Institution eine schriftliche
Zusammenfassung übermitteln in welcher der Überweisungsgrund, die vorgesehene
Interventionsdauer und die angedrohten Konsequenzen festgehalten sind.
2.3. andere involvierte Einrichtungen und Einzelpersonen
Bereits zu Beginn der Interventionen soll mit anderen involvierten Einrichtungen wie
Bewährungshilfe, psychosoziale Einrichtungen, Einrichtungen des Opferschutzes, invol-
vierte Einzelpersonen (Angehörige) Kontakt hergestellt werden, um Fragen möglicher
und notwendiger Kooperationen zu klären, wobei hier einerseits die Sicherstellung des
Opferschutzes im Vordergrund steht, andererseits der Therapieerfolg sicher gestellt
werden soll. Diese Einrichtungen werden seitens der Männerberatung über die Teilnah-
me des Klienten an der soziotherapeutischen Intervention informiert, die Arbeitsweise
der Männerberatung wird dargestellt und gleichzeitig wird die Kooperation bzw. die
gegenseitige Informationsweitergabe vereinbart. Wesentlich für ein gelingendes sozio-
therapeutisches Programm- vor allem im Hinblick auf den angestrebten Opferschutz - ist
ein rascher und umfassender Informationsaustausch im Fall etwaiger Vorfälle oder gra-
vierender Veränderungen (Umzüge, neuerliche Tätlichkeiten, Abbruch der psychothera-
peutischen Intervention, mangelnde Kooperationsbereitschaft des Täters, Informationen
über den Verlauf von Strafverfahren etc.).
2.4. innerhalb der Männerberatung
Parallel dazu werden innerhalb der Männerberatung freie Ressourcen abgeklärt und im
Rahmen einer Teamsitzung wird, nach umfassender Falldarstellung, einer Zusammen-
fassung des gesamten Zuweisungskontextes sowie einer persönlichen Einschätzung
durch den Begleiter, ein/e PsychotherapeutIn bestimmt.
In der Folge wird vom Begleiter bzw. der Begleiterin der Kontakt zwischen Klient und
Klinischem/r PsychologIn hergestellt, sodass vor Beginn der psychotherapeutischen In-
tervention eine psychologische Begutachtung stattfinden kann.
Diese sogenannte Klärungsphase ist meines Erachtens entscheidend für das Gelingen des
gesamten Maßnahme. Hier entscheidet sich ob es gelingt ein tragfähiges, transparentes,
61
klares und individuell abgestimmtes Setting für die nachfolgenden therapeutischen In-
terventionen zu schaffen.
Entscheidend ist ob es gelingt die Rahmenbedingungen dem Klienten aber auch dem
übrigen Umfeld möglichst klar zu formulieren und in der Folge selbst einzuhalten. Für
den Klienten ist diese Klarheit Voraussetzung, um sich orientieren zu können und zu
wissen was ihn erwartet bzw. worauf er sich einzulassen hat. Was passiert da? Auch die
präzise Formulierung der Konsequenzen bei eventuellem Therapieabbruch sind wesent-
lich dafür, dass nicht die meiste Zeit der Therapie mit der Klärung von Settingfragen und
mit dem ständigen Ausreizen der vorgegebenen Grenzen verwendet wird.
Existenzanalytisch formuliert geht es darum einen sicheren, tragfähigen (Therapie-)
Raum zu schaffen, der Sicherheit bietet und Halt vermittelt. (1. GM)
Weiters entscheidend ist, ob es bereits zu beginn gelingt mit dem Klienten eine Bezie-
hung herzustellen, in der er sich trotz seiner Delikte angenommen fühlen kann. Bereits
hier ist es wesentlich zu vermitteln, dass zwar die Taten des Klienten nicht gutgeheißen
werden, er aber als Person eingeladen ist mit Unterstützung alternativer Verhaltenswei-
sen zu erarbeiten. Dies verlangt (selbstverständlich) einen respektierenden, wertschät-
zenden Umgang, Zeit verschiedenste Fragen zu klären und ein langsame Hinführen zu
psychotherapeutischen Inhalten und Zielsetzungen. Soweit wie möglich sollten die im
Regelfall im Zwangskontext auftretenden Widerstände wahrgenommen, angesprochen
und zumindest soweit geklärt werden, dass der Klient zumindest versuchsweise dazu
bereit ist sich auf einen therapeutischen Prozess einzulassen.
3. Psychologische Diagnostik
Eine psychologische Begutachtung findet am Beginn, begleitend und vor Abschluss der
psychotherapeutischen Intervention statt. Außerdem bildet die psychologische Begutach-
tung eine wesentliche Entscheidungsgrundlage bezüglich anstehender Vertragsverlänge-
rungen.
Durch diese psychologischen Diagnostik soll eine Einschätzung hinsichtlich Therapiefä-
higkeit, Prognose und möglicher Risikofaktoren gewonnen werden, gleichzeitig werden
62
etwaige psychiatrische Erkrankungen erhoben. Auf Basis des gewonnenen Materials
werden einerseits Empfehlungen hinsichtlich notwendiger psychiatrischer Begleitbe-
handlungen (z.B. Medikation) gegeben, andererseits dient ein solches Gutachten als Zu-
satzinformation für die Erstellung der Strategien für die psychotherapeutische Interven-
tion.
Die mehrmalige Diagnostik während des soziotherapeutischen Programms erlaubt eine
umfassende Evaluation und liefert Daten zur Erfassung von Veränderungen im Verhal-
ten und Erleben des Klienten.
Das Ergebnis des Gutachtens wird dem Klienten durch den/die PsychologIn mündlich
mitgeteilt und inhaltlich erklärt.
Das schriftliche Gutachten wird dem Begleiter zur weiteren internen Verwendung zur
Verfügung gestellt. Wesentliche Informationen können im Bedarfsfall vom Begleiter
mündlich an relevante Kooperationspartner weitergegeben werden.
Sollte das Gutachten klare Kontraindikationen für eine ambulante Täterarbeit unter den
Rahmenbedingungen der Männerberatung aufzeigen bzw. bestätigen, wird das soziothe-
rapeutische Programm nach Rücksprache im Team an dieser Stelle beendet. Mögliche
Kontraindikationen sind beispielsweise: schwere psychiatrische Erkrankungen (Psycho-
sen), vordergründige Suchtproblematik, gewalttätiges Verhalten gegenüber den Mitar-
beiterInnen der Männerberatung usw.
4.Psychotherapeutische Intervention
4.1.Beginn der psychotherapeutischen Intervention (Übergabegespräch)
Zu Beginn der eigentlichen psychotherapeutischen Intervention findet ein gemeinsames
Gespräch zwischen Klient, BegleiterIn und PsychotherapeutIn statt, in dem der Anlass
für die Teilnahme an der soziotherapeutischen Intervention benannt, sowie die Zusam-
menfassung der vereinbarten Rahmenbedingungen festgehalten werden soll. Im Speziel-
len werden die vorliegenden Unterlagen (Gerichtsurteile und –beschlüsse, Gerichtsgut-
achten, psychologische Gutachten, Protokolle, schriftliche Zuweisungen etc.) an den
Therapeuten weitergegeben und besprochen.
63
Wesentlich dabei ist, dass der Anlass bzw. das Deliktszenario dabei zur Sprache kom-
men und dass der Klient dazu Stellung nimmt. Dies ist einerseits als diagnostisches Mit-
tel notwendig – wie geht der Klient mit seinen Taten um (Verleumden, abstreiten,
schlechtes Gewissen, Aggressionen....) – und dient erneut zur Feststellung, dass es der
Gesellschaft ein Anliegen ist, das sich die betreffende Person mit ihrer Gewalttätigkeit
auseinandersetzt und zur Verdeutlichung, das dies der Grund der Therapie ist. Das ge-
sellschaftliche Anliegen ist hier gewissermaßen stellvertretend durch den/die Sozialar-
beiterIn präsent.
Noch einmal wird im Beisein des Therapeuten die Rahmenbedingen der Psychotherapie
(Verschwiegenheitspflicht des Therapeuten, die vorgeschrieben Stundenfrequenz, Absa-
gemodalitäten u. a.) erklärt bzw. vereinbart. Die individuellen Rahmenbedingungen der
soziotherapeutischen Intervention werden dem Therapeuten zur Kenntnis gebracht (Kos-
tentragung, Selbstkostenanteil, Konsequenzen eines möglichen Therapieabbruchs, Info-
weitergabe durch den Begleiter, welche involvierten Einrichtungen, usw.). Betont wird,
dass der zukünftige Informationsaustausch zwischen Therapeut und BegleiterIn ohne
Beisein des Klienten nur mehr auf der organisatorischen Ebene (z. B. Stundenaufzeich-
nungen) stattfindet.
Abschließend werden die persönlichen Erwartungen und Zielsetzungen des Klienten an
die psychotherapeutische Interventionen erörtert.
4.2.Sozialarbeiterische Beratung und Begleitung
Während der gesamten Dauer der Intervention besteht für den Klienten, auf seinen
Wunsch hin die Möglichkeit zusätzlich sozialarbeiterische Hilfestellungen von Seiten
des/der BegleiterIn in Anspruch zu nehmen. Diese könnten beispielsweise Beratung zu
den Bereichen Wohnen, Arbeit, finanzielle Absicherung u. ä. oder Begleitung zu Äm-
tern, Behörden und Gerichten beinhalten. In der Praxis werden diese Tätigkeiten in der
Regel von BewährungshelferInnen wahrgenommen.
64
4.3. Probephase 2. –ca. 7. Einheit
In der Probephase (2- ca.7 Einheit) soll ein gegenseitiges Kennen lernen zwischen
Klienten und PsychotherapeutIn stattfinden und so weit wie möglich Arbeitsvereinba-
rungen bzw. Therapiekontrakte geschlossen werden.
Sollte eine derartige Arbeitsvereinbarung nicht zustande kommen, könnte zu diesem
Zeitpunkt noch ein TherapeutInnenwechsel in Erwägung gezogen werden.
4.4.Vertragsabschluss
Nach einer Probephase findet ein neuerliches Gespräch zwischen Klient, TherapeutIn
und BegleiterIn statt, in dem zunächst vom Klienten und Therapeuten mitgeteilt wird ob
eine gemeinsame Arbeitsübereinkunft getroffen wurde. Sollte dies der Fall sein, wird
von allen Beteiligten ein schriftlicher Vertrag unterzeichnet in welchem alle bisherigen
Vereinbarungen festgehalten sind und in dem der Klient ausdrücklich seine Zustimmung
zu den Festgeschriebenen Rahmenbedingungen erklärt.
4.5. anlassbezogene Gespräche
Während des gesamten weiteren Interventionsverlaufes können anlassbezogen Gesprä-
che zwischen Klienten, TherapeutIn und BegleiterIn stattfinden, die auf Wunsch jedes
einzelnen Beteiligten vereinbart werden können. Mögliche Anlässe sind beispielsweise:
Wunsch nach Vertragsveränderungen (Frequenz, Teilkostenanpassung, etc.), Unregel-
mäßigkeiten, gehäufte Ausfälle, Weitergabe von Informationen die von anderen Betei-
ligten an die Männerberatung herangetragen werden.
Vertragsveränderungen können nach Maßgabe der Möglichkeiten neu vereinbart wer-
den. Bei Unregelmäßigkeiten oder gehäuften Ausfällen dienen diese Gespräche in erster
Linie der Konfrontation durch den/die BegleiterIn im Beisein des/der Therapeuten/in,
der/die dadurch unter anderem wesentliche Informationen für den weiteren Therapiever-
lauf gewinnen kann. Sollte es notwendig sein wird der Klient von dem/der BegleiterIn
über allfällige Konsequenzen in Kenntnis gesetzt. Informationen von außen, die im
Rahmen eines solchen Gespräches weitergegeben werden, dienen primär dazu den/die
65
Therapeuten/in im Beisein des Klienten von allfälligen Entwicklungen in Kenntnis zu
setzen.
4.6.Therapieevaluationsgespräche unter Einbeziehung psychologischer Diagnostik
In der Mitte und vor Abschluss der psychotherapeutischen Intervention findet jeweils
eine erneute psychologische Begutachtung statt, die zur objektivierten Ermittlung von
allfälligen Veränderungen im Erleben und Verhalten des Klienten dient. Diese Befunde
werden bei den jeweiligen, je nach vereinbarter Interventionsdauerdauer, halbjährlich
oder jährlich stattfindenden Therapieevaluationsgesprächen als Basis verwendet.
Diese Gespräche führt der/die BegleiterIn mit dem Klienten im Beisein des/der Thera-
peuten/in. Folgende Themen kommen dabei in etwa zur Sprache:
Hat sich die Einstellung des Klienten zu den begangenen Handlungen verändert?
Haben sich Erlebens- und Verhaltensveränderungen beim Klienten aus seiner Sicht ein-
gestellt?
Wie wird die begangene Tat aus der gegenwärtigen Sicht gesehen und beurteilt?
Sind Veränderungen hinsichtlich Verleugnungs- und Abspaltungstendenzen erkennbar?
Wird Verantwortung für sein Verhalten übernommen?
Hat sich die Empathiefähigkeit für das Opfer erweitert?
Inwieweit ist der Klient seinen persönlichen Zielsetzungen näher gekommen?
Wurden seine Erwartungen erfüllt?
Wurden individuelle, mit dem Therapeuten vereinbarte, Therapieziele erreicht?
Hat sich die allgemeine Lebenssituation des Klienten verändert?
Welche weiteren möglichen Therapieziele können erarbeitet werden?
Auf Basis dieser Gespräche und unter Einbeziehung des gegebenenfalls zuvor erstellten
psychologischen Gutachtens sollen BegleiterIn und TherapeutIn eine Einschätzung über
den Interventionsverlauf gewinnen. Diese Einschätzung wiederum ist Grundlage für
etwaige Vertragverlängerungen und für Rückmeldungen des/der Begleiters/in an invol-
vierte Einrichtungen und Institutionen.
66
4.7.Therapieabschluss/ Rückmeldungen
Nach Ablauf der vereinbarten Interventionsdauer (im Regelfall 3 Jahre) findet unter
Einbeziehung des abschließenden psychologischen Gutachtens ein Abschlussgespräch
zwischen Klient, TherapeutIn und BegleiterIn statt. In diesem Gespräch soll wiederum
eine Einschätzung des Interventionserfolges getroffen werden. Der/die BegleiterIn wird
im Anschluss sämtliche involvierten Einrichtungen und Einzelpersonen von der Beendi-
gung der Intervention unterrichten und dabei gegebenenfalls seine Einschätzung über
den Verlauf mitteilen.
Mit Ablauf des Vertrages fallen die angedrohten Konsequenzen für einen etwaigen In-
terventionsabbruch, der Klient hat seine Auflagen erfüllt, womit ein wesentliches Inter-
ventionsziel erreicht worden ist. Es besteht allerdings die Möglichkeit für den Klienten
sich weiter einer freiwilligen Psychotherapie zu unterziehen oder andere Angebote der
Beratungsstelle in Anspruch zu nehmen.
8.2.2.2. Fallbeispiel
Dieses Modell der Grazer Männerberatung bzw. diese Vorgangsweisen soll im Folgen-
den anhand einzelner Sequenzen illustriert werden:
Herr. M. - Falldarstellung
Der psychologische Dienst einer Justizvollzugsanstalt fragt an, ob eine psychotherapeu-
tische Behandlung eines in absehbarer Zeit bedingt zu entlassenden Sexualdelinquenten
in der Grazer Männerberatung möglich wäre. Herr M wurde aufgrund des mehrjährigen
Missbrauchs einer seiner Töchter zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt und soll nun
kurz vor Ablauf seiner Haftstrafe bedingt entlassen werden, damit die Möglichkeit zur
Erteilung einer gerichtlichen Weisung zur Absolvierung einer psychotherapeutischen
Behandlung gegeben wäre.
67
8.2.3. Tätertherapie und Personale Existenzanalyse
Neben Rückfallsprävention und Opferschutz lassen sich inhaltlich folgende Themen-
bereiche bzw. Zielsetzungen der Täterarbeit beschreiben (vgl. Voitle 2004 und Haydari
1999, S. 62f):
- Motivationsarbeit
- Überwindung verschiedenster Abwehrformen
- Rekonstruktion der sexualisierten / körperlichen Gewalt
- Decodierung von Wahrnehmungsverzerrungen und Denkmustern
- Wahrnehmung des Gewalt- bzw. Missbrauchskreislaufs
- Erarbeitung von Empathiefähigkeit
- Förderung der Eigenwahrnehmung zur Sensibilisierung für Erregungszustände
- Entwicklung eines positiven Selbstwertgefühls
- Erarbeiten eines konstruktiven Umgangs mit Ängsten und Situationen, die den
Selbstwert bedrohen
- Gesamtverantwortungsübernahme für die begangenen Handlungen
- Bearbeitung der Risiko- und Verursachungsfaktoren, die zu diesen Handlungen
führen
- Kognitives Umstrukturieren von sexualisierten bzw. männlichen Mythen
- Entwicklung eines Rückfallvermeidungsplans
- Auseinandersetzung mit Macht und Kontrolle
Diese inhaltlichen Themenbereiche können leicht den vier Schritten der „personalen
Existenzanalyse“ (PEA) zugeordnet und entsprechend mit der PEA „behandelt“ werden
(vgl. Längle 2000 u. 2000 b):
1. Deskription – PEA 0
Die sachliche Beschreibung der Fakten dient der Beziehungsaufnahme durch das Spre-
chen über das Faktische. Dies geschieht durch Berichte, Beschreibungen, Erzählungen,
Fest-Stellungen oder Vergegenwärtigen konkreter Situationen („Szenarios“) und metho-
disch durch einfühlsames, interessiertes Rückfragen und durch die Klärung von Wider-
sprüchen. Die therapeutische Haltung dabei ist eher kognitiv.
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2. Phänomenologische Analyse – PEA 1
Hier geht es um das Bergen des subjektiven Eindrucks und der primären Emotionalität
und in der Folge um Selbstannahme durch Annahme der spontanen (auch ungewollten)
Empfindungen. Dies geschieht durch phänomenologische Schau, durch Einwirken lassen
des Gegenstandes der Betrachtung und durch Bergen der ursprünglichen Emotionalität.
Dabei soll möglichst auf Deutungen und Interpretationen verzichtet werden. Die thera-
peutische Haltung ist empathisch.
3. Innere Stellungnahme – PEA 2
Durch Provokation der inneren Stellungnahme kann zur „integrierten Emotion“ gelangt
werden und damit zu einer Selbstdistanzierung. Dies geschieht durch Verstehen und
Stellung nehmen (Beurteilen) und durch das Integrieren der Emotionalität in die Ge-
samtheit der Wertbezüge unter Bezugnahme auf das Gewissen. Als Methoden werden
dabei u.a. angewendet: die „Dialogische Methode“, Doppelte Stellungnahme (des Pati-
enten zum Inhalt und des/der TherapeutIn zum Verhalten des Patienten), Methode der
direkten Rede, Deutung, Konfrontation, Interpretation. Die therapeutische Haltung:
konfrontativ-begegnend.
4. die antwortende Ausführung (Handeln) – PEA 3
Durch Hinführung zum Ausdruck soll die Person zum Existenzvollzug gelangen. Dies
geschieht durch das Erstellen von Handlungsplänen, das Durchspielen von Szenarios
und durch Einbeziehung verschiedener Techniken aus Verhaltenstherapie, Psychodrama
und Systemischer Therapie. Die therapeutische Haltung dabei ist stützend und ermuti-
gend.
Die PEA hat also offenbar das methodische Potential zur Bearbeitung oben genannter
inhaltlicher Themen und bietet darüber hinaus durch biographische Vertiefung die Mög-
lichkeit das So-geworden-Sein der gewalttätigen Person zu erhellen und Trauma-
tisierungen zu bearbeiten. Ob aber letztlich von einer gelungener Therapie zu sprechen
sein wird, hängt wohl davon ab, wieweit es gelingt, der betroffenen Person das Ver-
spüren tiefer Reue zu ermöglichen, die wiederum Voraussetzung dafür ist, einen Um-
69
gang mit der eigenen Schuld zu finden und zu einer Verantwortungsübernahme zu ge-
langen. Dies kann die Basis für eine innere Stellungnahme gegen weitere Gewalt sein.
Voraussetzung dafür ist die Fähigkeit aller Mitwirkenden und insbesondere des/der The-
rapeutIn der gewalttätigen Person, trotz der vielleicht abstoßenden Taten, authentisch
mit Wertschätzung und Respekt zu begegnen. Dies verlangt immer wieder ein neues
Bemühen um Epoché, also eine Suspension des Urteils oder Einklammerung der Mei-
nungen, Haltungen und des Vorwissens, um in der „Phänomenologischen Haltung“ ver-
weilen und zu einer Begegnung gelangen zu können (vgl. Lleras 2000). Voraussetzung
dafür ist wohl, dass der/ die TherapeutIn mit der eigenen Gewaltgeschichte ausreichend
auseinandergesetzt hat, sei es als Opfer oder als TäterIn. „Habe ich eine Gewaltgeschich-
te? Kenne ich sie? Wie steht es mit meiner Gewaltbereitschaft? Kenne ich die Angst
davoor, dass ich meine Gewaltbereitschaft in die Tat umsetze? Kenne ich meine eigenen
Schwachpunkte, dort wo es für mich eng wird?...“ (Wiedenhofer 2000, S. 11) Ausrei-
chende diesbezügliche Selbsterfahrung ist unabdingbar, um mit den in der Begegnung
mit GewalttäterInnen auftretenden Gefühlen wie Wut, Aggressionen oder Angst und
Bedrohung o. ä. (Gegenübertragung) umgehen zu können, um sie adäquat einsetzen zu
können. Die eigene diesbezügliche Sicherheit (v. a. der eigenen Stellungnahme zu Ge-
walt) des/der Therapeutin ist in allen Schritten der PEA notwendig, entscheidend ist sie
allerdings dann, wenn es darum geht dem Klienten konfrontierend zu begegnen (PEA 2),
denn, wenn der/die Therapeutin beispielsweise in der Empathie verharrt, dann wird sich
der/die KlientIn in seiner/ihrer Scham, seinen/ihren Schuldgefühlen und seinem/ihrem
schlechten Gewissen nicht ernstgenommen fühlen und in der eigenen Opferrolle blei-
ben. (vgl. Wiedenhofer 2000, S.11)
Ist Psychotherapie in bei fehlender Eigenmotivation, also in einem Kontext von Auf-
lagen und äußerem Druck zielführend und möglich? - Das Gelingen einer Tätertherapie
hängt wohl nicht zuletzt davon hab, ob es gelingt, die gewalttätige Person vom Wert
einer Psychotherapie, vom Nutzen der Auseinandersetzung mit sich selbst und den be-
gangenen Delikten, zu „überzeugen“ bzw. ob es dieser gelingt, diesen Wert zu spüren.
Die anfängliche Fremdmotivation (Zwangskontext) muss zu einer Eigenmotivation wer-
den. Aus dem Auftreten von Schuldgefühlen, von Scham und dem Drang dies verbergen
zu wollen, wie oben unter dem Stichwort Gewaltkreislauf beschrieben, lässt sich folgern,
70
dass eine Person zumindest unbewusst unter der eigenen Gewalttätigkeit leidet und da-
her in sich einen Beweggrund zur Verhaltensänderung vorfindet.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass eine ambulante Tätertherapie auch bei Ein-
bettung in beste Strukturen nicht in jedem Fall zielführend und indiziert ist. Vor allem
bei schweren Persönlichkeitsstörungen ist ein Modell wie das der Männerberatung nicht
ausreichend. Eine entsprechende Therapie ist, wenn überhaupt, dann nur in einem statio-
nären Setting durchführbar.
71
9. SCHLUSS
Diese Arbeit hat meines Erachtens zunächst eines aufgezeigt: eine Differenzierung zwi-
schen Aggression und Gewalt ist sinnvoll und zielführend und zwar in mehrfacher Hin-
sicht:
- unterschiedliche Phänomene können damit beschrieben werden, wodurch das
Verstehen erleichtert wird
- eine differenzierte Bewertung von Emotion und Tat wird möglich
- ein Prozess von Aggression zu Gewalt kann erkannt und bezeichnet werden
- es zeigt sich, dass Aggression nicht automatisch zu Gewalt wird und umgekehrt,
dass Gewalt nicht immer mit Aggression zu tun hat
- der soziale Aspekt von Aggression und Gewalt rückt mehr in den Blick
- Aggression und Gewalt benötigen eine unterschiedliche therapeutische Herange-
hensweise.
Zum eigentlichen Thema der Arbeit, dem Prozess, der von aggressiven Gefühlen und
Impulsen zu gewalttätigem Handeln führt, lässt sich zusammenfassend sagen, dass die-
ser mit den Mitteln der Existenzanalyse, im Besonderen mit der PEA und dem Modell
der vier Grundmotivationen gut beschreibbar ist und zu einem vertieften Verständnis
dieses Vorgangs führen kann.
Ein personaler, das heißt ein freier und entschiedener Umgang mit Aggression bzw. mit
bedrohlichen Situationen ist grundsätzlich möglich. Dieser personale Umgang, der an-
hand der PEA beschrieben werden kann, ist dann behindert, wenn die Impulse zu heftig
sind und/oder wenn ein Mangel an innerer Struktur gegeben ist. Die Folge sind gewalttä-
tige Impulshandlungen.
Dies bedeutet außerdem: Gewalt kann wiederum Gewalt bewirken. Ein Automatismus
zur Gewalt allerdings besteht nicht.
Ob eine Person in ihr ausweglos erscheinenden Situationen dazu neigt aggressiv zu rea-
gieren, hängt neben angeborenen Persönlichkeitseigenschaften v.a. von der jeweiligen
Lebensgeschichte ab, also von Traumatisierungen und Lernerfahrungen im Zu-
sammenhang mit Aggression sowie von persönlichen Haltungen, Einstellungen oder
weltanschaulichen Gewissheiten bezüglich Aggression und Gewalt. Diese werden maß-
72
geblich von kulturellen und gesellschaftlichen Bedingungen beeinflusst unter denen eine
Person jeweils lebt.
Aus der Sicht der Existenzanalyse ist dabei zentral, dass eine Person ihren Aggres-
sionstendenzen nicht hilflos ausgeliefert ist, es besteht – auch wenn reine Impuls-
handlungen möglich sind – zumindest potentiell ein Freiraum, um sich für oder gegen
Gewalthandlungen zu entscheiden. Dieser potentielle Freiraum wird schließlich thera-
peutisch angesprochen bzw. muss erst wieder durch die verfestigten Haltungen hindurch
erlebbar gemacht werden und in die Eigenverantwortung genommen werden, da sonst
möglicherweise einzuwenden ist, dass diese Sicht der Person eine sehr idealtypische ist
und einen hohen Anspruch an die Person stellt, der in der Praxis nicht leicht zu erfüllen
ist. Insbesondere bei schweren Störbildern ist diese potentielle Freiheit oft sehr einge-
schränkt.
Gleichzeitig wurde aufgezeigt, dass die Existenzanalyse das theoretische und metho-
dische Potential für die Therapie von Aggression und Gewalttätigkeit besitzt.
Mir persönlich hat die Auseinandersetzung mit diesem Thema einerseits ermöglicht, den
Wert von Aggression, eben als Schutz existentieller Grundbedürfnisse, deutlicher wahr-
zunehmen und andererseits wurde mein Blick erneut dafür geschärft, dass Ge-
waltausübung deswegen noch lange keine zwingende Notwendigkeit ist. Gewalt ist als
solche benennbar und entsprechend kann sie bewertet und verurteilt werden. Gleich-
zeitig kann ihr auf verschiedensten Ebenen, in der berechtigten Hoffnung Gewalt-
kreisläufe und Gewaltspiralen unterbrechen zu können, begegnet werden: psychothe-
rapeutisch, pädagogisch, (sozial-) politisch und kulturell.
Im Übrigen ist mir bewusst, dass vielfältige Fragestellungen und Aspekte von Aggres-
sion und Gewalt hier nicht besprochen worden sind und weiterführender Arbeiten be-
dürfen bzw. mit den hier skizzierten Mitteln möglicherweise nicht ausreichend ver-
stehbar gemacht werden können. Ich denke hier v.a. an die vielfältigen Formen sexu-
alisierter Gewalt, an kriegerische Auseinandersetzungen, an Massenphänomene u.ä. Ein
weiterer Aspekt der genauer zu analysieren wäre, ist das Phänomen der Gewalt gegen
die eigene Person.
73
Ganz allgemein ist zu hinterfragen ob, die dargestellte Sichtweise von Aggression wirk-
lich für alle Formen von Aggressivität bzw. insbesondere von Gewalttätigkeit zutreffend
ist. Alfried Längle gibt dazu einen kurzen Hinweis, wenn er fragt: „Ist Berechnung oder
Bösartigkeit mit Aggression gleichzusetzen? Ist es nicht ehrlicher und sinnvoller, den
Täter nicht als aggressiv zu bezeichnen, wenn er nicht aus einem dynamisierten, aggres-
siven Affekt gehandelt hat?“ Er meint dazu weiter: „Es würde den Begriff der Aggressi-
on verwässern, wenn er mit Böswilligkeit und Bösartigkeit gleichgesetzt wäre – dann
würde Aggression aufhören, eine psychische Schutzreaktion für den Menschen darzu-
stellen.“ (Längle 2003 b, S. 166)
74
10. LITERATURVERZEICHNIS
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