Vorlesungsskript Numerical Hydraulics
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3 Wasserspiegellagenberechnung
3.1 Grundgleichungen Die Berechnung der Wasserspiegellage in Gerinnen basiert auf der Kontinuitätsgleichung (3-1) und den Navier-Stokes Gleichungen (3-2).
0=∇u (3-1)
!( ) ! ! "#$%"%#$
kraftibungs
kraftSchwer
kraftDruck
gungBeschleuniadvektive
gungBeschleunilokale
ugpuutu
−−−
Δ++∇−=
⎟⎟⎟⎟⎟
⎠
⎞
⎜⎜⎜⎜⎜
⎝
⎛
⋅∇•+∂∂
Re
ρνρρ (3-2)
Die x-Achse wird parallel zur Gerinneachse gelegt. Dadurch wird uux ≡ und die Geschwindigkeiten quer zur Gerinneachse können vernachlässigt werden ( 0, ≈zy uu ). Gleichung (3-2) vereinfacht sich so zu:
uxzg
xp
xuu
tu Δ+
∂∂−
∂∂−=
∂∂+
∂∂ ρνρρρ (3-3)
Die Integration über die Querschnittsfläche ergibt (mit uv = )
Al
xh
gxvv
tv bp 0' τρραρ −
∂∂
−=∂∂+
∂∂
(3-4)
α’ ist ein Korrekturfaktor, der das Geschwindigkeitsprofil berücksichtigt (Beachte: 22 vv ≠ ). Er
wird im folgenden jedoch zu 1 gesetzt. hp ist definiert als Summe aus Sohlhöhe und Wassertiefe (z + h). Die inneren Reibungskräfte heben sich bei der Integration auf. Es bleibt die Sohlschubspannung, analog zum Fall des Rohres, wo die Wandreibung übrigbleibt. Bei Integration der Kontinuitätsgleichung über den Querschnitt muss berücksichtigt werden, dass der Wasserspiegel ein beweglicher Rand ist:
⎩⎨⎧
=∂∂+
∂∂
qtA
xQ 0
(3-5)
beziehungsweise für ein Rechtecksgerinne mit A = bh, b = const, q = 0:
0)( =∂∂+
∂∂
th
xhv
(3-6)
Die Reibungskraft pro Volumeneinheit ist definiert als (Abb. 3-A):
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Abb. 3-A: Berechnung Reibungskraft
hy
bibung RA
lVolumenKaftf 00
Reττ === , (Rhy = hydraulischer Radius) (3-7)
mit:
K = τ0lbΔx (3-8)
V = AΔx (3-9)
Für τo kann der folgende empirische Ansatz verwendet werden:
20 8
vρλτ = , mit ⎟⎟⎠
⎞⎜⎜⎝
⎛=
hyRKRe,λλ (Darcy Weisbach) (3-10)
Der Energieabfall ΔE kann als Arbeit der Reibungskräfte interpretiert werden:
xfVE
ibung Δ⋅=ΔRe =>
hyRxVE 0/ τ
=Δ
Δ (3-11)
Das Energiegefälle IE ist dementsprechend:
gv
RgRgxvEI
hyhyE 2
14
/ 20 ⋅⋅==
⋅ΔΔ= λ
ρτ
ρ (3-12)
Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird im weiteren ein Rechtecksgerinne betrachtet. Mit xzIS ∂∂= werden aus Navier-Stokes- und Kontinuitätsgleichung letztendlich die 2 Gleichungen
0
)(
=∂∂+
∂∂+
∂∂
∂∂−−=
∂∂+
∂∂
xvh
xhv
th
xhgIIg
xvv
tv
ES
(3-13)
Diese Gleichungen nennt man St.-Venant-Gleichungen (rsp. Flachwasserwellengleichungen). Die Gleichungen können auch allgemein in Q und A für beliebige Gerinne formuliert werden.
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3.2 Stationäre Lösung
3.2.1 Näherung
Bei der Näherung wird die Annahme getroffen, dass SIxhg
xvv <<
∂∂
∂∂ , ist. Im stationären Fall gilt
weiter: 0=∂∂=
∂∂
th
tv .
Daraus folgt die Normalabflussbedingung, dass das Sohlgefälle IS gleich dem Energiegefälle IE ist (IS = IE). Das Energiegefälle ist definiert als:
gv
RI
hyE
218λ= (3-14)
dementsprechend ist die Geschwindigkeit v:
λhySRgI
v8
= (3-15)
Diese Gleichung ist auch mit dem Reibungskoeffizient nach Strickler kstr statt mit λ formulierbar (Siehe Hydraulik I). Die Normalabflusstiefe hN muss iterativ bestimmt werden.
3.2.2 Exakte Lösung
Die Kontinuitätsgleichung für die stationäre Bedingung lautet:
dxdh
hv
dxdv −= (3-16)
Wird die Kontinuitätsgleichung in die stationäre Bewegungsgleichung eingesetzt, erhält man daraus:
0)( =+−−dxdhgIIg
dxdvv ES (3-17)
Dividiert man Gleichung (3-17) durch g und fasst die Ableitungen zusammen, so erhält man:
ES IIghv
dxdh −=⎟⎟⎠
⎞⎜⎜⎝
⎛−
2
1 (3-18)
Mit 22
Frghv = (Fr: Froude-Zahl) wird die Gleichung (3-18) zu:
21 FrII
dxdh ES
−−= (3-19)
Die Grenztiefe zwischen schiessen und strömen, für die Fr = 1 gilt, wird berechnet mit:
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2
gbQhgr = (3-20)
Die Froude-Zahl kann auch mit dieser Grenztiefe ausgedrückt werden:
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⎟⎟⎠
⎞⎜⎜⎝
⎛=
hh
Fr gr (3-21)
Aus (3-19) lässt sich der Wasserspiegelverlauf numerisch leicht berechnen. Bei strömendem Abfluss rechnet man vorteilhaft von der unterstromigen Randbedingung rückwärts, bei Schiessen umgekehrt.
Durch Diskussion von Gleichung (3-19) lässt sich der prinzipielle Verlauf der Wasseroberfläche diskutieren. Als Beispiel wird das Wasserspiegelprofil einer Rückstaukurve bei stationärem Abfluss betrachtet (Abb. 3-B):
Abb. 3-B: Beispiel für Wasserspiegelprofil
Es wird ein Ausgangspunkt im Oberstrom gewählt mit einer Wassertiefe, die etwas höher als die Normalabflusstiefe ist. Ausserdem sei hN > hgr (strömender Normalabfluss, mildes Gefälle)
Wir erhalten: 0>dxdh
, da Nenner und Zähler in (3-19) grösser Null sind:
1 - Fr2 > 0 wegen strömendem Abfluss (h > hgr und Normalabfluss ist strömend). IE < IS da h > hN (IE = IS, wenn h = hN => IE > bzw. < IS, wenn h < bzw. > hN) Damit nimmt die Wassertiefe in Fliessrichtung zu. In Richtung Oberstrom geht die Wassertiefe gegen die Normalabflusstiefe.
0,: →→→dxdhIIhh ESN
Man erhält die typische Rückstaukurve. Die numerische Integration erfolgt zweckmässigerweise vom Einstau her in Richtung stromauf.
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3.3 Instationäre Lösung Die instationäre Bewegungsgleichung und die Kontinuitätsgleichung sind in Gleichung (3-13) für ein Rechteckgerinne beschrieben. Folgende Näherungen können für die Bewegungsgleichung gemacht werden:
!!!!!! "!!!!!! #$
!!! "!!! #$
!"!#$
Welle Dynamische:Exakt
Welle Diffusive:2.Näherung
Welle heKinematisc:1.Näherung
)( ES IIgxhg
xvv
tv −+
∂∂−
∂∂−=
∂∂
(3-22)
3.3.1 I. Näherung: Kinematische Welle
Für die Approximation der kinematischen Welle wird angenommen, dass SgIxvv <<∂∂ ,
SIxh
tv <<
∂∂
∂∂ , .
Daraus folgt, dass das Energiegefälle gleich dem Sohlgefälle ist (IE = IS). Der Abfluss Q ist dadurch nur eine Funktion der Wassertiefe (Q = Q(h(x)).
Setzt man xh
hQ
xQ
∂∂⋅
∂∂=
∂∂ in die Kontinuitätsgleichung 0=
∂∂+
∂∂
tA
xQ ein, erhält man:
0=∂∂+
∂∂⋅
thb
xh
dhdQ
(3-23)
Dies entspricht der Form einer Wellengleichung:
0=∂∂+
∂∂
xhc
th
, mit c = Wellengeschwindigkeit (3-24)
Die Lösung der Wellengleichung entspricht einer Funktion der Form: f(x-ct). In unserem Falle ist:
bdhdQc /= (3-25)
Mit dem Ansatz von Strickler gilt
hR
RhIkRIk
dhbbhRIkd
bdhdQc
hyhySstrhySstr
hySstr
∂∂⋅⋅⋅⋅+⋅⋅
=⋅
==
− 3/12/13/22/1
3/22/1
32
)(/
(3-26)
Für ein breites Gerinne ist der hydraulische Radius etwa gleich der Wassertiefe: hRhy ≈ Die Wellenausbreitungsgeschwindigkeit c wird dann zu:
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vhIkc Sstr 35
35 3/22/1 =⋅⋅≈ (3-27)
Die Wasserwelle (Druckwelle) ist also schneller als eine Welle von Wasserinhaltsstoffen, die sich
mit der mittleren Wassergeschwindigkeit bewegen.
Eine konstante Wellengeschwindigkeit kann nur für kleine Amplituden (Wellenhöhen) angenommen werden. Allgemein ist die Wellengeschwindigkeit eine Funktion der Wassertiefe c = c(h). c ist also grösser für grössere Wassertiefen. Dies führt zu einem Aufholeffekt und zu einem Aufsteilen der Wellenfront. Da die Wellengleichung 0=
∂∂+
∂∂
xhc
th von 1. Ordnung ist, ist nur
eine Randbedingung (Einströmrand) erforderlich. Eine Ausbreitung erfolgt nur in positiver x-Richtung, daher ist keine Rückwirkung vom unteren Rand möglich. Für die Berücksichtigung eines Rückstaus ist eine partielle Differentialgleichung 2. Ordnung erforderlich.
3.3.2 II. Näherung: Diffusive Welle
Es gilt wieder die Annahme: SgIxvv
tv <<
∂∂
∂∂ ,
Durch die Näherung in Gleichung (3-22) gilt:
ES IIxh −=∂∂
, mit 218
vRg
Ihy
Eλ=
Der Abfluss Q, der über v in IE enthalten ist, ist nun eine Funktion der Wassertiefe und ihres
Gradienten: ⎟⎠⎞⎜
⎝⎛
∂∂=xhhQQ , . Setzt man diese Bedingung in die Kontinuitätsgleichung
⎟⎠⎞⎜
⎝⎛ =⎟
⎠⎞⎜
⎝⎛∂∂+
∂∂ 01
xQ
bth ein, erhalten wir:
0)/(
112
2
=∂∂⋅
∂∂∂∂⋅+
∂∂⋅
∂∂⋅+
∂∂
xh
xhQ
bxh
hQ
bth
(3-28)
Die Gleichung (3-28) hat die Form einer Advektions-Diffusionsgleichung:
02
2
=∂∂⋅−
∂∂⋅+
∂∂
xhD
xhc
th
(3-29)
mit einer Ausbreitungsgeschwindigkeit:
hQ
bc
∂∂⋅=1
(3-30)
und einem Diffusionskoeffizienten:
)/(1
)/(1
xhQ
bxhQ
bD
∂∂∂∂⋅=
∂∂∂∂⋅−= (3-31)
Für das breite Rechtecksgerinne (h = Rhy) lässt sich mit der Stricklergleichung schreiben:
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2
2
3/5
)(235
xh
xhIubh
xhbu
xQ
xhIbhkbhvQ
S
Sstr
∂∂
∂∂−−
∂∂=
∂∂
∂∂−=⋅⋅=
(3-32)
Eingesetzt in die Kontinuitätsgleichung ergibt sich:
02
2
=∂∂⋅−
∂∂⋅+
∂∂
xhD
xhc
th
mit
vc35=
und
xhIchD
S ∂∂−=103
D ist immer positiv, da das Energieliniengefälle xhII SE ∂∂−= in Fliessrichtung immer positiv ist. Die Welle verläuft nun diffusiv während sie sich stromab bewegt. Rückstau ist durch die erforderliche unterstromige Randbedingung möglich.
Die vollen St.-Venantgleichungen können heutzutage problemlos numerisch gelöst werden. Dies wird in einem späteren Kapitel getan. Die diffusive Welle ist eine Näherung, die für praktische Zwecke oft genügt.
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