windstark
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Inhalt
4 Geleitwort
6 Vestas – globale Lösungen
14 15 Jahre – Rotorblätter aus Lauchhammer
26 Wandel – neue Energie für die Lausitz
36 Hightech – effiziente Rotorblätter
44 Produktion – zukunftsfähige Arbeitsplätze
62 Logistik – aus Lauchhammer in die Welt
70 Qualität – gemeinsam für die Energiewende
80 Impressum
15 Jahre Vestas Blades Lauchhammer
windstark
4 Vestas Blades Lauchhammer
Geleitwort
2017 sind es 15 Jahre, in denen Vestas in Lauchham-
mer Rotorblätter für Windenergieanlagen produziert.
Ein Zeitraum, der in Anbetracht der sich sehr dynamisch
entwickelnden Windindustrie wie eine Ewigkeit anmutet.
Von Anfang an hat mich diese Rotorblattfabrik in der
Lausitz fasziniert: die Ruhe und die Präzision in der
Produktion, gepaart mit dem unbändigen Willen und der
Freude am Erfolg. Dies sind inzwischen Markenzeichen
für diesen Standort.
Das Werk in Lauchhammer ist ein Paradebeispiel für die
Möglichkeiten der Energiewende. Menschen aus der Kohle
bekamen eine neue berufliche Zukunft. Die Entwicklung
der Mitarbeiterkompetenzen durch die guten Ausbildungs-
und Qualifizierungsmöglichkeiten für Facharbeiter in der
Lausitz taten das Übrige, um ihnen neue Perspektiven
zu eröffnen. Aus der Zusammenarbeit von Region und
Industrie entstanden innovative Arbeitsplätze und Erfolgs-
geschichten wie wir sie in diesem kleinen Band exempla-
risch erzählen wollen.
Wir arbeiten bereits am nächsten Kapitel, um weiterhin
erfolgreich zu sein. Die Windindustrie ist gereift. Nach der
Pionierstimmung der Anfangsjahre stehen wir heute vor
Anforderungen, wie sie für etablierte Industrien Standard
sind. Diesen Ansprüchen an Professionalität und Wirt-
schaftlichkeit stellen wir uns in Lauchhammer.
Dass wir hochwertige Rotorblätter fertigen können, hat
sich inzwischen herumgesprochen. Dass wir auch im
globalen Wettbewerb durch unsere besonderen Qualitäten
wie Flexibilität, Geschicklichkeit und Neugier bestehen
können, werden wir auch in Zukunft unter Beweis stellen.
Wir sind aufgrund unserer Erfahrung und Kultur gut auf-
gestellt.
Es liegt uns sehr am Herzen, die Rotorblattfabrik in Lauch-
hammer stets weiterzuentwickeln. Große Teile des Firmen-
geländes sind im Jahr 2017 eine Baustelle. Wir schaffen
Platz für die Fertigung der nächsten Generation von Rotor-
blättern. Ich persönlich freue mich sehr, mit dem gesamten
Team diese Umstellung zu begleiten. Dabei ist die äußer-
liche Veränderung der kleinere, sichtbare Teil. Wir arbeiten
intern kontinuierlich an der Verbesserung unserer Zusam-
menarbeit, an unserem Zusammenhalt und unserer
Unternehmenskultur.
Wir können stolz sein auf das Erreichte und freuen uns
auf das Kommende. Denn wir wollen auch in den nächsten
15 Jahren unsere Kunden mit Qualitätsprodukten begeis-
tern.
Hanne Dinkel
Geschäftsführerin Vestas Blades Deutschland GmbH
Mai 2017
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6 Vestas Blades Lauchhammer
Vestas – globale Lösungen
6
Der kalifornische Windenergieboom in den 1980er Jahren
war das Initial, dass aus dem kleinen jütländischen Familien-
unternehmen Vestas ein global agierender Konzern mit
heute rund 22.000 Beschäftigten auf sechs Kontinenten
wurde. Im High Wind Project im Solano County zwischen
San Francisco und Sacramento betreibt der Energieversorger
FPL 90 Windenergieanlagen vom Typ Vestas V80-1.8 MW.
7
83,3Gigawatt installierte Leistung
haben die 60.530 Windenergie-
anlagen, die Vestas bis Ende
März 2017 weltweit errichtet
hat.
8 Vestas Blades Lauchhammer
Vestas gehört seit Jahrzehnten zu den weltweit führenden
Unternehmen im Bereich Windenergie. Die 1945 in Lem
vom Schmied und Stahlbauer Peder Hansen als VEstjysk
STaalteknik A/S gegründete Firma entwickelte sich unter
dem gängigeren Namen Vestas bis heute zu einem der
größten Unternehmen Dänemarks. Aus kleinsten An-
fängen entstand durch unternehmerische Weitsicht und
zukunftsfähige Produkte ein global operierender Konzern.
Zunächst stellte Vestas Haushaltsgeräte und Landmaschi-
nen her, später Kühler für Turbolader und Hydraulikkräne
für Lastkraftwagen. Als sich 1970 abzeichnete, dass
der Preis des Erdöls deutlich steigen würde, wandte sich
Unternehmensgründer Peder Hansen der Windenergie
zu. Nach wenig befriedigenden Experimenten mit einem
Darrieus-Rotor testete er 1979 eine dreiflüglige Wind-
energieanlage mit horizontaler Achse nach dem klassi-
schen Dänischen Konzept. Diese von Karl Erik Jørgensen
und Henrik Stiesdal entwickelte 30-kW-Maschine war
ein stallgeregelter Luv-Läufer mit 10 Metern Rotordurch-
messer. Ein Jahr später begann die Serienproduktion.
Damit hatte Vestas das richtige Produkt zur richtigen Zeit,
als in Kalifornien der Windenergieboom einsetzte. Groß-
aufträge aus den USA sorgten für ein kräftiges Wachstum
der Firma. Ein schwerer Schaden an einem Rotorblatt
veranlasste das Unternehmen 1981 zum Aufbau einer
eigenen Rotorblattfertigung. Design und Qualität der
Rotorblätter wollte man in Zukunft selbst kontrollieren und
verantworten. Da die starren Rotorblätter der Stallmaschinen
zu hohe Lasten auf die Anlage übertragen, entwickelte
Vestas 1985 ein in der Längsachse drehbares, pitchgere-
geltes Rotorblatt. Diese OptiTip-Technologie verstellt das
Rotorblatt stets so, dass eine maximale Energieausbeute
erzielt wird bei geringerer Belastung der Maschine. Mit den
beiden Prototypen V23-180 kW und der V25-200 kW
erlangte Vestas einen Technologievorsprung. Als die Firma
im Oktober 1986 wegen ausbleibender Zahlungen aus
den USA Insolvenz anmelden musste, war diese Technolo-
gie das ideelle Startkapital für den Neuanfang.
Als Vestas Wind Systems A/S konzentrierte sich das
Unternehmen ab 1987 ausschließlich auf die Herstellung
von Windenergieanlagen. Mit weiteren Großaufträgen
aus den USA sowie Bestellungen aus weiteren Ländern
rund um den Globus erholte sich Vestas schnell. Die Firma
wuchs zu einem Global Player der Windenergie, der auch
auf dem sich Ende der 1980er Jahre entwickelnden deut-
schen Markt eine führende Rolle spielen sollte. Die erste
Vestas-Anlage in Deutschland hatte der nordfriesische
Landwirt Karl-Heinz Hansen bereits 1983 im Cecilienkoog
aufgestellt. Die V15 mit einer Leistung von 55 Kilowatt
ist bis heute in Betrieb. Zwei Jahre später begann Vestas
in Husum mit einem Einmannbüro den Vertrieb in Deutsch-
land aufzubauen. Am 1. Juli 1986 wurde Klaus Burmeister
der erste Mitarbeiter in der neu gegründeten Vestas
Vestas – globale Lösungen
Deutschland GmbH. Die wichtigste Aufgabe für den Inge-
nieur bestand zunächst darin, für die dänischen Anlagen in
Deutschland Typenprüfungen zu bekommen. Damit hatte
Vestas als erste dänische Windenergiefirma eine Depen-
dance in Deutschland.
Technologisch setzte Vestas weiter auf Kostensenkung
durch Gewichtsreduzierung. Mit der Umstellung von Nass-
laminat auf vorimprägnierte Fasern, sogenannte Prepregs,
revolutionierte Vestas 1990 das Design der Rotorblätter.
So wurde das Gewicht des damals standardmäßig einge-
setzten Rotorblattes um mehr als zwei Drittel gesenkt und
die Basis für die heute noch gängige Technologie bei der
Vestas – globale Lösungen 9
Herstellung von Rotorblättern im Unternehmen eingeführt.
Um Rotorblätter und Triebstrang weiter zu entlasten,
führte Vestas nach den verstellbaren Rotorblättern nun
die variable Rotordrehzahl ein. Diese OptiSlip-Technologie
kam erstmals bei der V44 zum Einsatz, einer 600-kW-
Anlage, die 1994 auf den Markt kam.
Im Jahr darauf realisierte Vestas mit dem Windpark Tunø
Knob sein erstes Offshore-Projekt. Die zehn Windenergie-
anlagen mit jeweils 500 Kilowatt Leistung produzieren im
Kattegat seit 22 Jahren zuverlässig Strom. Im selben Jahr
errichtete Vestas die damals weltgrößte Serien-Windener-
gieanlage, die V66. Mit 32 Meter langen Rotorblättern
erreichte sie eine Leistung von 1,65 Megawatt.
Im Jahr 1998 war Vestas erstmals der weltgrößte Her-
steller von Windenergieanlagen. Nunmehr waren es die
Märkte in Deutschland und in Spanien, die das Größen-
wachstum der Anlagen forcierten. So errichtete Vestas den
Prototyp der 2-MW-Maschine im schleswig-holsteinischen
Sörup. Diese 1999 zunächst mit einem Rotor von 66
Metern Durchmesser ausgestattete Anlage erhielt im
August 2000 die neuen, 39 Meter langen Rotorblätter. Als
die V80 in Serie gehen sollte, entschied das Management,
für die Produktion dieser Blätter ein Werk in Deutschland
zu errichten, größer und zentraler in Europa gelegen als die
dänischen Rotorblattwerke in Lem und Nakskov. Die Wahl
fiel auf Lauchhammer in Brandenburg.
Auch der Prototyp der 3-MW-Anlage V90 mit 44 Meter
langen Rotorblättern wurde 2002 wieder in Schleswig-
Holstein getestet. In jenem Jahr leistete Vestas mit
der Errichtung des Offshore-Windparks Horns Rev
mit 160 Megawatt Leistung auch Pionierarbeit für die
Entwicklung der Offshore-Windenergie. Der erste große
Windpark in der Nordsee stellte für das Unternehmen
eine extreme technische und finanzielle Herausforde-
rung dar. Die Probleme sollten mit dem zum Jahresende
2003 annoncierten Zusammenschluss mit NEG Micon
zunächst nicht kleiner werden. Doch langfristig zahlte
sich die Fusion aus, stabilisierte der so entstandene
Großkonzern doch damit seine führende Position auf
dem Weltmarkt.
Zwei Jahre später formulierte Vestas den Anspruch, die
Windenergie zur wettbewerbsfähigen Stromquelle
weiterzuentwickeln. Strom aus Windenergie soll in
wenigen Jahren nicht teurer sein als Strom aus fossilen
Energien. Dazu soll vor allem die nächste Neuentwicklung
beitragen. Die V112 kam 2009 als Windenergieanlage
mit 55 Meter langen Rotorblättern und drei Megawatt
Leistung auf den Markt. Sie kann sowohl an Land als
auch auf See Strom erzeugen. Die 3 MW Plattform wurde
seitdem kontinuierlich weiterentwickelt und seit Dezember
2016 wird der Prototyp der V136-3.45 MW im dänischen
Østerild erprobt. Noch 2017 soll diese Anlage, die mit
136 Metern Rotordurchmesser für schwache und mittlere
Windstandorte ausgelegt ist, in die Serienproduktion
gehen. Das innovative 67-Meter-Rotorblatt wird dann in
Lauchhammer produziert.
Der Vorstand lenkt das Unternehmen seit 2009 von Aarhus
aus. Im Jahr 2016 erwirtschaftete Vestas mit knapp
22.000 Mitarbeitern in 33 Ländern auf sechs Kontinenten
einen Umsatz in Höhe von etwas mehr als zehn Milliarden
Euro. Mit dem Motto »Wind. It means the world to us.«
unterstreicht Vestas seine Position als führender Wind-
energieanlagenhersteller und betont zugleich die Über-
zeugung, dass die Windenergie eine der nachhaltigsten
Energiequellen für unseren Planeten ist.
Vestas war früh auf den
wichtigsten Märkten aktiv:
Onshore in den USA und
Offshore in Großbritannien.
Die erste von heute über
7.600 Vestas-Anlagen
in Deutschland läuft seit
1983 im Cecilienkoog.
10
Vestas – globale Lösungen 11
Länder, in denen Blätter aus
Lauchhammer im Einsatz sind
Produktionsstandorte für
Vestas-Rotorblätter
Forschungszentrum für
Rotorblattentwicklung:
Newport, Isle of Wight (UK)
Vestas Headquarters
Aarhus (Dänemark)
Vestas-Rotorblätter weltweit
Alternative zu Atomkraft, Öl
oder Kohle: Vestas-Wind-
energieanlagen in Frankreich,
im Iran und in Polen
Nick Trobisch und David Hönisch stellvertretende Teamleiter Rootspar,
seit 2003 bei Vestas
Die Skulptur »Die Woge« auf der Dresdner Albertbrücke
mahnt die globale Dimension des Klimawandels an. Dass
dem nur durch weltumspannende Lösungsansätze begeg-
net werden kann, ist bei Vestas fest in der Unternehmens-
philosophie verankert.
Nick Trobisch und David Hönisch gehörten 2003 zu den
ersten drei Auszubildenden, die im Werk Lauchhammer
eine Lehre zum Verfahrensmechaniker für Kunststoff- und
Kautschuktechnik aufnahmen.
Die globale Ausrichtung des Unternehmens eröffnete den
beiden Jungfacharbeitern nach ihrer Übernahme in den
Betrieb die Perspektive, auch im Ausland beruflich tätig zu
sein. Sie reisten zu Schulungen nach Dänemark und später
als Prozessinstruktoren nach Spanien und in die USA, wo
sie ihrerseits Mitarbeiter trainierten.
Beide sind nunmehr seit 14 Jahren im Unternehmen und
arbeiten als stellvertretende Teamleiter in der Abteilung
Rootspar. Nick Trobisch ist außerdem im Launch Team für
das neue 67-Meter-Rotorblatt der V136.
In den USA unterhält der
Vestas-Konzern zwei Rotor-
blattfabriken. Die Kollegen
wurden auch in Lauchham-
mer geschult.
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»Elbehochwasser 2002 – Spiegel
der Fluten andernorts« – die Inschrift
an der Skulptur »Die Woge« auf
der Dresdner Augustusbrücke
mahnt zur globalen Verantwortung
für das Klima.
13
14
15 Jahre – Rotorblätter aus Lauchhammer
Im Mai 2002 startete in Lauchhammer die Produktion
von Rotorblättern für Vestas-Windenergieanlagen.
Auf einer ehemaligen Industriebrache war eines der
modernsten Rotorblattwerke der Welt entstanden.
Mit jedem neuen Anlagentyp wurde das Werk erweitert
und der Produktionsprozess optimiert. Im 15. Jahr des
Bestehens macht die Belegschaft das Rotorblattwerk
fit für die vierte Generation von Windenergieanlagen
in Lauchhammer. Mitte 2017 startet die Fertigung der
67-Meter-Blätter für die Vestas V136.
15
Rotorblätter wurden seit dem
Produktionsstart im Jahr 2002
bis Ende des Jahres 2016 im
Werk Lauchhammer produziert.
15.709
16 Vestas Blades Lauchhammer
Lem und Nakskov waren jedoch zur Jahrtausendwende
an ihre Kapazitätsgrenzen gelangt. Daher entschied das
Management von Vestas, die Rotorblätter für die 2-MW-
Maschine, deren Prototyp seit September 1999 getestet
wurde, in Deutschland zu fertigen. Es ist bis heute der
wichtigste Markt in Europa und zentral gelegen. Die kon-
krete Standortfindung oblag der Dependance in Husum.
Mehrere Faktoren sprachen für Lauchhammer. Seit der Er-
richtung des Windparks Klettwitz gab es gute Kontakte zu
Entscheidungsträgern in der Region. Die Landesregierung
Brandenburg bemühte sich intensiv um neue Industrie-
15 Jahre – Rotorblätter aus Lauchhammer
Am 6. Mai 2002 bringt Bernd Winkler das erste Mal den
Gelcoat-Auftrag in die 39-Meter-Form ein. Diese äußerste
Kunststoffschicht bildet nach dem Aushärten die Ober-
fläche des Rotorblattes. »Da haben mehr Personen zuge-
schaut als mitgearbeitet«, erinnert sich der damalige
Prozessleiter für den Bereich Schale. Stolz blickt der heute
63-Jährige auf die Fertigung des ersten Rotorblattes in
Lauchhammer vor nunmehr 15 Jahren zurück. Seit dem
31. März 2017 ist er im Vorruhestand. Die Führungsriege
der ersten Generation hat den Staffelstab nunmehr an
jüngere Kollegen übergeben.
Für Bernd Winkler und die meisten seiner damaligen Kol-
legen war die Produktion von Rotorblättern absolutes Neu-
land, als sie bei Vestas begannen. Für das Unternehmen
selbst jedoch nicht, denn bereits seit 1981 fertigt es eigene
Rotorblätter. Die beiden dänischen Rotorblattwerke in
26. Juli 2001: Erster Spatenstich durch
Bundesumweltminister Jürgen Trittin.
März 2002: Die Halle 1 steht im Rohbau
(Bild unten).
15 Jahre – Rotorblätter aus Lauchhammer 17
arbeitsplätze im ehemaligen Kohlerevier. »Der damalige
Ministerpräsident Manfred Stolpe hat sich persönlich um
die Ansiedlung der neuen Fabrik auf einer der von der Treu-
hand verwalteten Flächen im Land Brandenburg bemüht«,
erinnert sich Klaus Burmeister, der damalige Technische
Direktor von Vestas in Deutschland. Die Standortentschei-
dung fiel dann relativ zügig, da auch die Stadt Lauchham-
mer sehr schnell reagierte. »Bei der Wirtschaftsförderung
der Stadt rannten wir offene Türen ein«, weiß Burmeister, der
von Vestas‘ Seite für das Bauvorhaben verantwortlich war.
Der Bau des Werkes auf dem Gelände der ehemaligen
Brikettfabrik 69 startete am 26. Juli 2001 mit dem ersten
Spatenstich durch Bundesumweltminister Jürgen Trittin.
Als am 7. März 2002 die erste Form für das 39-Meter-
Rotorblatt auf der Baustelle angeliefert wird, weilen Bernd
Winkler und die anderen Kollegen der ersten Stunde
schon in Dänemark. Acht Wochen lang werden sie in
Theorie und Praxis der Rotorblattfertigung unterwiesen.
Anfang Mai kehren sie zum Produktionsstart nach Lauch-
hammer zurück.
»Das Interesse von Medien und Politik war in der ersten
Zeit riesig«, erinnert sich Bernd Winkler. Die Politiker
gaben sich die Klinke in die Hand, denn die Ansiedlung des
Werkes bedeutete zukunftsfähige Industriearbeitsplätze
in einer von hoher Arbeitslosigkeit gebeutelten Region.
Der offizielle Produktionsstart wurde am 22. Mai 2002 im
Beisein von Bundeskanzler Gerhard Schröder und Bran-
denburgs Ministerpräsidenten Manfred Stolpe vollzogen.
Jürgen Trittin kam am 20. August ein zweites Mal nach
Lauchhammer zur feierlichen Einweihung des Werkes.
Vestas hatte 65 Millionen Euro in den Standort investiert.
Nach nur 13 Monaten war die Baumaßnahme für Klaus
Burmeister beendet. Er übergab den Schlüssel für das
Werk an Frank Weise, der es von nun an bis 2015 leitete.
Bis Jahresende verließen die ersten 221 Rotorblätter die
Produktion und 377 Mitarbeiter waren fest eingestellt. Im
Jahr 2003 nahmen die ersten 15 Auszubildenden eine
Facharbeiterlehre bei Vestas auf. Zunächst stellte Vestas
die 39 Meter langen Rotorblätter für die V80 her. Parallel
dazu startete 2004 der Umbau auf vier Fertigungslinien
für die 44 Meter langen Rotorblätter der V90. Dabei
wurde erstmals Carbon verarbeitet und für die Fertigung
der Carbonflanken die Abteilung Shimoda eingerichtet.
Die vollautomatische Lackierhalle ging 2008 in Betrieb.
Im Jahr 2010 begann die Umstellung der Produktion für
die Anlagen der neuen 3 MW Plattform. Um die nunmehr
55 Meter langen Blätter für die V112 herstellen zu
können, war ein kompletter Umbau des gesamten Werkes
notwendig. Die Produktionshalle 1 wurde vollständig
20. August 2002: Frank
Weise, der erste Geschäfts-
führer des Werkes, erhält
zur feierlichen Einweihung
den symbolischen Schlüssel.
Er leitete die Rotorblattfabrik
bis 2015.
22. Mai 2002: Offizieller
Produktionsstart mit Bundes-
kanzler Gerhard Schröder,
Brandenburgs Ministerpräsi-
dent Manfred Stolpe und
Klaus Burmeister, der das Bau-
vorhaben für Vestas leitete.
18 Vestas Blades Lauchhammer
temporären Halle für den Zuschnitt und die Carbon-
Pultrusion. Anfang April wurde ein erstes 67-Meter-
Rotorblatt aus Dänemark nach Lauchhammer gebracht,
um die Schleif- und Lackierroboter einzurichten sowie
die logistischen Prozesse zu testen. Am 7. April wurde die
erste V136-Form geliefert. Bis Mitte des Jahres soll die
Produktion des neuen Blattes starten.
Für die Einführung der neuen Fertigungstechnologie wur-
de extra ein V136 Launch Team von erfahrenen Kollegen
gebildet. Bernd Winkler ist dann nicht mehr dabei. Nach-
dem er zwölf Jahre den Bereich Schale leitete und zuletzt
drei Jahre als Assistent der Produktionsleitung fungierte,
verabschiedete er sich Ende März in den Vorruhestand.
In diesen 15 Jahren trug er seinen Teil dazu bei, dass sich
das Werk zu einem der wichtigsten Industriebetriebe der
Lausitz und zu einer tragenden Säule im Vestas-Konzern
entwickelte. Nun beginnt mit der V136 ein neuer Zeit-
abschnitt in Lauchhammer.
der Grobschleifkabine drastisch gesenkt werden. Diese
Umbaumaßnahmen optimierten nicht nur den Produk-
tionsprozess, sondern verbesserten auch die Arbeits-
bedingungen für die Mitarbeiter enorm.
Als 2011 die Produktion für die 55-Meter-Blätter anlief,
war Lauchhammer die modernste Rotorblattfabrik im
Vestas-Konzern. Mehr als zehn Prozent der Mitarbeiter
besuchen regelmäßig die Schwesterwerke in Dänemark,
Spanien, Italien, Indien, China und den USA, um Produkt-
umstellungen zu begleiten und Prozessverbesserungen
zu unterstützen. Dabei findet ein intensiver Informations-
und Erfahrungsaustausch sowie Technologietransfer statt.
Das interkulturelle Arbeitsumfeld und der Kontakt mit den
Kollegen in aller Welt wirken auch inspirierend auf den
Standort Lauchhammer.
Seit 2015 werden hier auch die Blätter für die V117 her-
gestellt. Die dafür nötigen Prozessänderungen waren je-
doch lange nicht so gravierend wie bei der Umstellung auf
die V112. Die 57-Meter-Blätter erhalten einen größeren
und zwei Meter längeren Blattanschluss, werden ansons-
ten in der gleichen Form im selben Verfahren hergestellt.
Einschneidender wird hingegen der Wechsel zur neuen
Technologie bei den 67-Meter-Blättern der V136 sein.
Die Umbauarbeiten begannen im März 2017 mit der
Demontage von zwei V112-Formen und dem Bau einer
entkernt und die unterirdischen Leitungen für Heizung
und Prozessluft erneuert. Entlang der Formschalen wurde
ein Gantry-System errichtet, das die Gelcoat-Apparatur,
die Werkzeuge zum Auslegen der Prepregs und die
Leimmaschine aufnehmen kann. »Das war eine enorme
Arbeitserleichterung«, findet Bernd Winkler. »Bis zu den
V90-Blättern war in der Schale vieles Handarbeit und sehr
anstrengend.« Der Bereich Rootspar bekam eine eigene
Halle. Im Finish konnte die Staubbelastung durch den Bau
28. August 2008: Besuch
von Bundesaußenminister
Frank-Walter Steinmeier
im Werk
2010/2011: Komplettumbau des Werkes
für die Produktion der V112
15 Jahre – Rotorblätter aus Lauchhammer 19
Das Werk wurde mit jeder
Umstellung auf einen neuen
Anlagentyp erweitert. Zuletzt
wurde die temporäre Halle für
Zuschnitt und Carbon-Pultru-
sion für die V136 errichtet.
20 Vestas Blades Lauchhammer
Bernd Winkler Assistent der Produktionsleitung bis März 2017
»Mein Bewerbungsgespräch im Februar 2002 dauerte
nur zehn Minuten. Danach ging es Schlag auf Schlag: zwei
Monate Schulung und Training in Dänemark, anschließend
Fertigung der ersten Rotorblätter in Lauchhammer. Es war
eine intensive Zeit und die Arbeitstage waren lang.
Als ich voller Stolz den allerersten Coat-Auftrag in der
39-Meter-Form durchführte, haben mehr Personen
zugeschaut als mitgearbeitet. Als ich erstmals die Form
schließen ließ, war mir die große Verantwortung eigentlich
gar nicht bewusst. Vielleicht ist es mir deshalb leichter
gefallen, die notwendigen Entscheidungen zu treffen.
Dank der Unterstützung der dänischen Kollegen wuchsen
wir in unsere neuen Aufgaben hinein und wurden immer
besser. Unser Selbstvertrauen wuchs mit jedem fertig-
gestellten Rotorblatt.
Noch nie zuvor hatte ich einen Arbeitgeber, der eine so
große Vielfalt von Lehrgängen und Qualifizierungsmaß-
nahmen anbot. Dazu passt, dass schon im Sommer 2004
die eigenverantwortliche Qualitätsüberwachung einge-
führt wurde. Es war ein großer Vertrauensbeweis.«
6. Mai 2002: Das erste
Rotorblatt in Lauchhammer
wird gefertigt. Als ersten
Arbeitsschritt zur Fertigung
der Schale bringt das Team
um Bernd Winkler den Gel-
coat-Auftrag in die Form ein.
7. März 2002: Die erste
39-Meter-Form für die Blätter
der V80 wird in Lauchhammer
angeliefert.
»Es ist uns immer wieder gelungen,
auch im Moment aussichtslos
erscheinende Anforderungen an die
Fertigung zu bewältigen.«
Bernd Winkler
21
7. April 2017: Die erste Form
für das 67-Meter-Rotorblatt
der V136 wird in vier Teilen
angeliefert und erst in der
Halle zusammengesetzt.
22
15 Jahre – Rotorblätter aus Lauchhammer 23
28. März 2017: Ein Proto-
typenblatt für die V136 wird
aus Dänemark geliefert, um
die Roboter einzurichten
und die logistischen Abläufe
im Werk zu erproben.
März 2017: Neben Halle 1
beginnt der Bau einer tempo-
rären Halle für Zuschnitt und
Carbon-Pultrusion für die
Blätter der V136.
24 Vestas Blades Lauchhammer
Steffi Berger und Lars Klausch mit Tochter Lucy Produktionsmitarbeiter seit 2008
»Wir haben beide im Jahr 2008 bei Vestas angefangen,
Lars im Bereich Schale und ich im Bereich Finish. Ich
bediente dort den Blade Grinder, mattierte die Blätter
und montierte die Vortexgeneratoren.
Im Mai 2011, als die Umbauphase von der V90 auf die
V112 begann, bewarben wir uns beide unabhängig von-
einander für die ausgeschriebenen Tätigkeiten. Lars arbei-
tete bei der Errichtung des neuen Gantry-Systems und ich
war für die Ein- und Ausgangskontrollen verantwortlich.
So sahen wir uns täglich und wechselten die ersten Worte.
Irgendwie hat alles gepasst und nach 14 Tagen tauschten
wir unsere Telefonnummern aus. Kurz danach waren wir ein
Paar. Am 24. November 2012 wurde unsere Tochter Lucy
geboren. Wir fühlen uns sehr wohl bei Vestas. Lars war
zwischenzeitlich für Vestas schon in Dänemark, in den USA
und in Italien, um dort Kollegen anzulernen.
Als die V136 eingeführt wurde und die nächste Umbau-
phase begann, haben wir uns beide wieder auf aus-
geschriebene Stellen beworben und neue Aufgaben
übernommen. Ich weise jetzt Fremdfirmen in unsere
Sicherheitsstrategie ein und Lars hilft bei der Errichtung
der Formen.«
Die Zahl der Mitarbeiter hat
sich in den 15 Jahren fast ver-
doppelt. Der stellvertretende
Prozessleiter René Funke weist
das Team Schale der D-Schicht
in die Aufgaben des Tages ein.
»Wir freuen uns schon auf
die nächsten 15 Jahre.«
Steffi Berger
25
Wandel – neue Energie für die Lausitz
2,1Hektar groß ist die Fläche, auf
deren Abbaggerung verzichtet
werden kann, wenn der Strom
statt in einem Kohlekraftwerk
an einem durchschnittlichen
Standort in der Lausitz von einer
Vestas V112 erzeugt wird.26
Das 20. Jahrhundert war in der Lausitz das Jahrhundert
der Braunkohle. Um die Jahrtausendwende fand in der
Energieregion Lauchhammer ein Paradigmenwechsel
statt. Auf der rekultivierten Hochkippe des Tagebaus
Klettwitz-Nord entstand 1999 der Windpark Klettwitz.
Die 38 Vestas V66 waren damals der größte Windpark
Europas und für Vestas das Initial für die Ansiedlung
der Rotorblattfabrik in Lauchhammer. In der Wiege des
Lausitzer Braunkohlenreviers entstand zwei Jahre später
auf dem Gelände einer abgerissenen Brikettfabrik ein
Leuchtturmprojekt für die erneuerbaren Energien.
27
28 Vestas Blades Lauchhammer
»Dem Energiethema bin ich mein ganzes Berufsleben treu
geblieben – erst im Braunkohlenbergbau, dann bei der
Sanierung der Gruben und zuletzt bei Vestas in der Rotor-
blattproduktion.« Der berufliche Werdegang von Gerd
Meffert, dem langjährigen Produktionsleiter bei Vestas,
ist eng verknüpft mit dem Wandel, der sich in den letzten
drei Jahrzehnten in der Bergbau- und Industrieregion um
Lauchhammer vollzog.
Die Gegend nördlich der Schwarzen Elster zwischen
Lauchhammer und Senftenberg ist geprägt durch den
extensiven Abbau und die Veredlung der Braunkohle im
20. Jahrhundert. Es gibt hier kaum einen Fleck, der in den
letzten 150 Jahren auf der Suche nach Kohle nicht umge-
graben wurde. In der Stadt gab es acht Brikettfabriken und
eine Kokerei, die mit Kohle aus den umliegenden Tagebauen
versorgt wurden. Ruß, Gasgeruch und die Sandstürme –
»wenn die Kippen wandern« – machten Lauchhammer zu
einer der am meisten durch Luftverschmutzung belasteten
Städte in der DDR. Andere Altlasten des Bergbaus, wie
ungesicherte Altgruben oder verseuchte Böden, sind bis
heute präsent.
Gerd Meffert verschlug es 1975 nach Lauchhammer. Nach
Beendigung des Studiums der Elektrotechnik wies ihm die
Absolventenvermittlung eine Stelle als Betriebsingenieur
im Braunkohlenkombinat (BKK) Lauchhammer zu. Anfang
der 1980er Jahren wechselte er in das BKK Senftenberg.
Braunkohlenbergbau und -veredlung, sowie die Strom-
erzeugung in den Kraftwerken waren die tragenden
Industriezweige in der Lausitz und die Basis der Energie-
versorgung des Landes. Der wachsende Energiebedarf
der DDR-Wirtschaft wurde durch den Aufschluss neuer
Tagebaue gestillt.
Die exzessive Braunkohlenförderung in der Lausitz fand
mit dem Neuaufschluss des Tagebaus Klettwitz-Nord
ihren Höhepunkt. Im September 1988 begann die Kohle-
förderung, kurz darauf der Bau der Abraumförderbrücke
F60. Nach zwei Jahren Bauzeit begann dieser 502 Meter
lange Stahlkoloss am 11. März 1991 mit der Förderung
von Abraum. Die Stromversorgung der Förderbrücke ge-
hörte damals schon mit in Gerd Mefferts Aufgabengebiet.
Seit der Umstrukturierung der Braunkohlenkombinate war
er für die Elektroinstandhaltung der Tagebaugroßgeräte
und die Stromversorgung des Tagebaus Klettwitz-Nord
verantwortlich. Er arbeitete zu dieser Zeit zwar schon mehr
als 15 Jahre in der Braunkohle, die F60 war jedoch auch für
ihn eine völlig neue Dimension. Die Förderbrücken dieses
Typs sind die größten beweglichen Maschinen, die jemals
hergestellt wurden. Die F60 im Tagebau Klettwitz-Nord
war die letzte Abraumförderbrücke, die gebaut wurde.
Doch bereits 14 Monate nach ihrer Inbetriebnahme wurde
am 30. Juni 1992 die Kohleförderung eingestellt.
Für den Industriestandort Lauchhammer bedeuteten die
Schließung der Kokerei, der Brikettfabriken und das daraus
resultierende Ende der Kohleförderung in der Nachwende-
dekade den Verlust von mehr als 15.000 Industriearbeits-
plätzen. Gerd Meffert gehörte zu den wenigen, die von
den Nachfolgefirmen der Braunkohlenkombinate über-
nommen wurden. Fortan arbeitete er für die Rekultivie-
rung der Gruben. Ab Mitte der 1990er Jahre war er in
der Hauptverwaltung der Bergbau- und Landschafts-
sanierung (BUL) Brandenburg für technische Fragen bei
der Sanierung der Tagebaue Meuro, Klettwitz und Klett-
witz-Nord zuständig.
Wie die Kohleförderung zu DDR-Zeiten war auch die Sanie-
rung der Tagebaugebiete ein Mammutprojekt. Die Lausitz
entwickelte sich zur größten Landschaftsbaustelle Europas.
Im Vorfeld der Internationalen Bauausstellung Fürst-
Wandel – neue Energie für die Lausitz
Wandel – neue Energie für die Lausitz 29
Pückler-Land, in der zwischen 2000 und 2010 Modell-
projekte für neue Perspektiven der Bergbauregion ent-
wickelt wurden, gab es auch eine Initiative zum Erhalt der
Förderbrücke F60. »Die haben wir mit viel bergmänni-
schem und technischem Aufwand aus der Grube heraus-
gefahren«, erinnert sich Gerd Meffert an die spektakuläre
Aktion. Es mussten Rampen geschüttet und deren
Standsicherheit sichergestellt werden. Auch die Antriebe
wurden aufgerüstet, um den 13.500 Tonnen schweren
Giganten an seine Endposition bei Lichterfeld zu fahren.
Der »liegende Eiffelturm der Lausitz« wurde zum stähler-
nen Industriedenkmal für die zu Ende gegangene Ära des
Braunkohlenbergbaus im Raum Lauchhammer.
In Sichtweite zur stillgelegten Förderbrücke brach im Jahr
1999 ein neues Zeitalter für die Energieregion an. Auf
der Hochkippe des Tagebaus Klettwitz-Nord entstand
ein Windpark mit 38 Maschinen vom Typ Vestas V66.
Es war der erste große Windpark in der Lausitz und mit
einer Gesamtleistung von 62,7 Megawatt seinerzeit der
größte Windpark Europas. Für Vestas war er zugleich das
Initial für die Ansiedlung einer Rotorblattfertigung für
die nächste Anlagengeneration V80 auf dem Gelände
der ehemaligen Brikettfabrik 69 in Lauchhammer-Süd.
Seit dem Baustart des Werkes im Sommer 2001 war
Klaus Burmeister, der damalige Technische Direktor der
Vestas Deutschland GmbH, nicht nur mit der Koordination
der Baustelle betraut, sondern musste sich auch um die
Einstellung von Mitarbeitern kümmern. Nach einer öffent-
lichen Firmenpräsentation und Anzeigen in der Presse
hatte er die Qual der Wahl, unter 3.600 Bewerbern rund
200 geeignete Fachkräfte für das Werk auszusuchen.
Gerd Meffert erfuhr aus der Zeitung von dieser Stellenaus-
schreibung. Er fand das Konzept der Windenergiewand-
lung interessant und technisch anspruchsvoll. Da seine
Zukunft in der Bergbausanierung ungewiss war, suchte
der damals 49-Jährige eine neue berufliche Perspektive
und bewarb sich bei Vestas als Elektroingenieur. Im Vor-
stellungsgespräch fragte ihn Klaus Burmeister, ob er sich
die Leitung der Produktion zutraue. Ohne lange nachzu-
denken, sagte er zu, hatte er doch zuvor ein Kollektiv von
120 Leuten geleitet. Und doch sollte vieles neu und ganz
anders sein, als er es bisher kannte.
Am 6. Januar 2002 war Gerd Mefferts erster Arbeitstag
bei Vestas. Einen Tag später war er schon auf dem Weg
nach Dänemark. In den Rotorblattwerken Lem und
Nakskov durchlief er als »Lehrling« verschiedene Stationen.
Zurück in Lauchhammer, bestand seine wichtigste Aufgabe
im Aufbau der Abteilung Produktion, die er dann 14 Jahre
lang leitete.
Schulungen gehörten dabei zum festen Bestandteil der
Mitarbeiterqualifikation. Gerd Meffert wählte neue Füh-
rungskräfte bevorzugt aus dem Kreis der Kollegen aus.
Durch spezifische Lehrgänge qualifizierte er sie für ihre
neuen Aufgaben. Als er sich im Februar 2016 in den Ruhe-
stand verabschiedete, konnte er so die Produktionsleitung
ruhigen Gewissens seinem Stellvertreter André Broschwitz
übertragen, mit dem er sich die Aufgaben bereits in den
letzten fünf Jahren geteilt hatte.
Unter Gerd Mefferts Leitung produzierten seine Kollegen
in den Rotorblatt-Fertigungslinien V80, V90, V112 und
V117 insgesamt über 14.500 Rotorblätter. So hat er nach
dem Braunkohlenbergbau und der Sanierung der Tage-
baue an einem dritten Großprojekt in der Region mitge-
wirkt – der Energiewende in der Lausitz.
Der Abriss der Brikettfabri-
ken steht sinnbildhaft für
den Zusammenbruch der
DDR-Wirtschaft nach 1989,
der die Stadt Lauchhammer
besonders hart traf.
Bild linke Seite: Auf dem
Gelände der Brikettfabrik
»Emanuel«, deren ältester
Betriebsteil im Jahr 1901
errichtet wurde, entstand
100 Jahre später das Rotor-
blattwerk von Vestas.
30 Vestas Blades Lauchhammer
Die in Lauchhammer gefertig-
ten Abraumförderbrücken vom
Typ F60 stellen die Spitze der
Entwicklung der Bergbautech-
nik in der Lausitz dar. Mit bis zu
600 Metern Länge sind sie die
weltweit größten beweglichen
Maschinen, die jemals herge-
stellt wurden.
Viele Brikettfabriken in der
Lausitz entstanden bereits zu
Beginn des 20. Jahrhunderts
und waren fast 100 Jahre
in Betrieb. Die Brikettfabrik
Meurostolln in Hörlitz produ-
zierte von 1889 bis 1995.
Mit der Stilllegung des Tage-
baus Klettwitz-Nord im Juni
1992 endete die Ära des
Braunkohlenbergbaus im
Raum Lauchhammer. Die F60
wurde aus der Grube heraus-
gefahren und als »liegender
Eiffelturm der Lausitz« zum
technischen Denkmal für die-
ses Zeitalter.
31
32 Vestas Blades Lauchhammer
»Dem Energiethema bin ich mein gan-
zes Berufsleben treu geblieben – erst
im Braunkohlenbergbau, dann bei der
Sanierung der Gruben und zuletzt bei
Vestas in der Rotorblattproduktion.«
Gerd Meffert
32
Gerd Meffert Produktionsleiter von 2002 bis 2016
»Die ersten 26 Jahre meines Berufslebens arbeitete ich als
Elektroingenieur im Braunkohlenbergbau, zunächst in der
Projektierung, später als Betriebsingenieur im Netzbetrieb.
Nach dem Ende der Kohleförderung war ich für die Elektro-
instandhaltung und Stromversorgung bei der Rekultivie-
rung der Tagebaue zuständig.
Als Vestas 2001 Mitarbeiter für die neue Rotorblattfabrik
in Lauchhammer suchte, sah ich darin eine interessante
berufliche Perspektive und bewarb mich als Elektroinge-
nieur. Aufgrund meiner Berufserfahrung wurden mir Auf-
bau und Leitung der Produktion anvertraut.
Das war eine reizvolle Aufgabe, denn die Herstellung
von Rotorblättern war ein völlig neues Feld für mich. Ich
sah mich auch mit ungleich strengeren Qualitäts- und
Umweltstandards konfrontiert, als ich es aus der Kohle
gewohnt war. Auch die Leitungshierarchien funktionierten
bei Vestas anders als in den Braunkohlenbetrieben.
Die betrieblichen Verbindlichkeiten waren strenger gere-
gelt, die Vorgaben wurden mit mehr Nachdruck eingefor-
dert. Sich auf dem Erreichten ausruhen, das gab es nicht.
Hatte man heute die Lösung für ein Problem, dann gab
es am nächsten Tag eine neue Herausforderung.«
Nach der Stilllegung des Tage-
baus Klettwitz-Nord wurden
die Tagebaugroßgeräte in die
noch aktiven Tagebaue Wel-
zow, Nochten und Reichwalde
gefahren. Ein Eimerketten-
bagger passiert die Autobahn
A13 bei Freienhufen.
Neue Perspektive am Hori-
zont: Bis die Rekultivierung
der Tagebauflächen im Raum
Lauchhammer abgeschlos-
sen sein wird, weht noch
viel Wind über die Kippen.
Im Windpark Kostebrau nut-
zen ihn seit dem Jahr 2000
sechs Vestas V66.
33
34 Vestas Blades Lauchhammer
Auf der Anschnitthalde des
Tagebaus Klettwitz-Nord
entstand 1999 der Windpark
Klettwitz. Es war der erste
große Windpark in der Lausitz
und mit einer Gesamtleistung
von 62,7 Megawatt damals
der größte Windpark Europas.
2015 wurden im Windpark
Klettwitz die Anlagen der ersten
Generation durch Vestas V112
ersetzt. Anders als bei Tagebau-
flächen dauert die Rekultivie-
rung nicht Jahrzehnte, sondern
nur ein paar Wochen.
Im Rahmen des IBA-Themen-
jahres Energieland Lausitz
verwandelte das Kunstprojekt
WINDMOVE des Künstlers
Christoph Ernst im Oktober
2007 eine Vestas V90 im
Windpark Klettwitz in ein
leuchtendes Symbol für den
Strukturwandel der Region.
Es gibt eine Perspektive nach
der Kohle. Windenergie ist
schon heute ein wesentlicher
Bestandteil der regenerativen
Energieversorgung. In Lauch-
hammer, Klettwitz und Koste-
brau hat die Energiezukunft
schon begonnen.
35
Hightech – effiziente Rotorblätter
2,89Millionen Kilometer Carbon-
fasern wurden bisher im Werk
Lauchhammer verarbeitet.
Das entspricht dem 7,5fachen
der Entfernung zwischen Erde
und Mond.36
Moderne Rotorblätter sind Hightechbauteile, die im
20-jährigen Betrieb rund 100 Millionen Wechselbelas-
tungen unter harten klimatischen Bedingungen ausge-
setzt sind. Vestas hat den Anspruch, dass Rotorblätter
leicht, flexibel, aerodynamisch und langlebig sein
müssen. Der sparsame und intelligente Einsatz hoch-
wertiger Materialien und die hohe Fertigungsqualität
sichern Leichtigkeit, Flexibilität und Langlebigkeit
der Rotorblätter. Enge Fertigungstoleranzen und sauber
gearbeitete Oberflächen sorgen für gute aerodynamische
Eigenschaften und damit für maximale Erträge.
37
38 Vestas Blades Lauchhammer
Der Rotor einer Windenergieanlage wandelt die kineti-
sche Energie der Luftströmung in mechanische Energie.
Längere Rotorblätter steigern die Leistung. Doch mit
dem Rotordurchmesser wachsen auch die Lasten, die auf
das Rotorblatt und den Triebstrang einwirken. Die Kunst
des Rotorblattdesigns besteht darin, dem Rotorblatt die
optimale Form zu geben, um den maximalen Ertrag aus dem
Luftstrom zu erzielen und dabei durch eine intelligente
Struktur und den Einsatz hochwertiger Materialien die
Belastung der Anlage so weit wie möglich zu reduzieren.
Die Blattentwickler bei Vestas verfolgen dabei die Philoso-
phie, dass Rotorblätter leicht, flexibel, aerodynamisch und
langlebig sein müssen. Sie haben frühzeitig erkannt, dass
man nur mit dem Einsatz von hochwertigen und leichten
Materialien erstklassige Rotorblätter herstellen kann.
Moderne Rotorblätter bestehen vor allem aus glasfaser-
verstärktem Kunststoff (GFK) und Carbonfasern. Das
Grundkonzept der bisher in Lauchhammer gefertigten
Rotorblätter für die Windenergieanlagen V80, V90, V112
und V117 besteht darin, dass relativ dünne Blattschalen
dem Blatt die aerodynamische Form geben. Die Kräfte
werden vom Tragbalken, der zwischen den Schalen ver-
klebt ist, aufgenommen und an die Rotornabe abgeleitet.
Die Blattschalen werden überwiegend aus harzgetränkten
Glasfasermatten hergestellt, den sogenannten Prepregs.
Der Vorteil der vorimprägnierten Glasfasermatten ist die
optimale Dosierung des Harzes und die damit verbundene
Minimierung des Blattgewichts. Sie gewährleisten zudem
eine optimale Fasergeradlinigkeit. Sandwich-Lagen aus
Hartschaum, die in den Glasfaserverbund integriert wer-
den, verbessern die Stabilität der Schalen.
Beim Rotorblatttyp V80 mit 39 Metern Länge, mit dem
im Jahr 2002 in Lauchhammer die Produktion begann,
wurden die dünnen Rotorblattschalen noch durch einen
Tragbalken aus GFK stabilisiert. Das änderte sich aber
schon im Jahr 2004 bei der Umstellung auf die V90 mit
44 Metern Rotorblattlänge. Die Blattschalen wurden zwar
weiterhin aus Glasfasern hergestellt, doch der Tragbalken
bestand erstmals überwiegend aus Carbonfasern.
Vestas verarbeitet Carbonfasern von der Rolle in einer
eigenen Shimoda-Anlage zu Carbonflanken. Die Heraus-
forderung besteht darin, das Carbon in eine Epoxyd-Matrix
einzubetten, die keine Luft- oder Fremdkörpereinschlüsse
zulässt. Denn diese Einschlüsse stellen Schwachstellen
dar, die unter Belastung zu signifikanten Schäden führen
könnten.
Hightech – effiziente Rotorblätter
Um die Beanspruchung der Blattstruktur permanent zu
überwachen, werden die Rotorblätter mit Lastsensoren
ausgestattet, die Einfluss auf die Pitchregelung haben.
Im Zusammenspiel von sehr flexiblen Rotorblättern mit
einer schnell reagierenden hydraulischen Pitchregelung
sowie der drehzahlvariablen Fahrweise der Maschine
können Lastspitzen in Windböen deutlich reduziert wer-
den. Nicht nur der Rotor, auch die gesamte Anlage kann
dadurch leichter und kostengünstiger hergestellt werden.
Im Jahr 2011 erfolgte die Umstellung auf die V112 mit
55 Meter langen Rotorblättern. Die Erfahrungen, die man
mit der V90 bis dahin gewonnen hatte, wurden im V112-
Konzept noch einmal deutlich verfeinert und optimiert.
V80(2002)
V90(2004)
V112(2011)
V136(2017)
Hightech – effiziente Rotorblätter 39
In ein Rotorblatt sind noch zahlreiche Raffinessen einge-
baut, die einen sicheren Betrieb gewährleisten oder die
Leistung der Rotorblätter steigern. Für exponierte Bau-
werke wie Windenergieanlagen ist ein Blitzschutzsystem
unentbehrlich. Vorderkantenbeschichtung schützt die
Blätter vor Erosion. Im Bereich der Blattwurzel erzeugen
aufgeklebte Vortexgeneratoren kleine Wirbel und ver-
zögern so den Strömungsabriss. Für Regionen mit einer
erhöhten Gefahr von Eisansatz bietet Vestas seinen
Kunden mit dem Vestas De-Icing System die Option,
die Rotorblätter von innen durch ein Heißluftgebläse
zu beheizen. Als schallmindernde Maßnahme werden
Im Jahr 2015 wurde durch eine Verlängerung des Tragbal-
kens die Rotorblattlänge auf 57 Meter vergrößert. Daraus
entstand die V117.
Die steigende Nachfrage nach immer effizienteren Wind-
energieanlagen für schwache und mittlere Windstandorte
beantwortet Vestas mit der Entwicklung der V136. Für
die Fertigung der 67-Meter-Rotorblätter entschloss
man sich zu einer grundlegenden Technologieänderung.
Vestas verzichtet bei den neuen Blättern auf den Balken
als kräfteführendes Element und greift stattdessen auf die
Structural Shell Technology (SST) zurück. Das ist ein klassi-
scher Blattaufbau, bei dem die Kräfte direkt über tragende
Blattschalen an die Nabe abgeleitet werden. Die beiden
Schalenhälften werden durch Scherstege, sogenannte
Shear Webs, auf Abstand gehalten und stabilisiert.
Vestas hat im Konzern schon früher Blätter in dieser Bau-
weise im Infusionsverfahren hergestellt, bei dem das Harz
über Vakuum in die vorab eingelegten Glasfasermatten
gesaugt wird. Diese Technologie ist einfacher zu hand-
haben, das Gewicht der Blätter jedoch höher. Um diesen
Nachteil zu kompensieren, kombiniert Vestas bei der V136
die Structural Shell Technologie mit der Hybridbauweise.
Der wichtigste Vorteil der Hybridtechnologie ist die durch
den sparsamen Einsatz von Harz erzielte Gewichtsreduzie-
rung. Das neue 67-Meter-Rotorblatt ist nur unwesentlich
schwerer als das 57-Meter-Blatt einer V117.
optional Hinterkantenkämme, sogenannte Trailing Edge
Serrations, an der äußeren Blatthinterkante montiert,
die Luftverwirbelungen und die damit verbundene Schall-
emission verringern.
Diese Features gewährleisten zusammen mit dem
innovativen Blattdesign und dem Einsatz hochwertiger
Materialien, dass die Vestas-Rotorblätter inzwischen
den Anforderungen fast aller Standorte weltweit
gewachsen sind. Dank der neuen Technologie macht
Vestas wieder einen wichtigen Schritt zu noch effizien-
teren Rotorblättern.
Für einen wirksamen Blitz-
schutz sind von der Blattspit-
ze beginnend mehrere Blitz-
schutzrezeptoren entlang
des gesamten Rotorblattes
angebracht und über Kabel
mit der Nabe verbunden.
Bild unten links: Vortexgene-
ratoren steigern die Effizienz
und reduzieren Strömungs-
geräusche.
40 Vestas Blades Lauchhammer
Janine HinzerBereich Logistik/V136 Launch Team
»Ich kam gleich nach meinem Abitur im August 2004
zu Vestas und habe dort eine Ausbildung zur Industrie-
kauffrau absolviert. Nach meinem berufsbegleitenden
Betriebswirtschaftsstudium widmete ich mich der Ver-
besserung von Logistik- und Produktionsabläufen.
Jetzt gehöre ich zum V136 Launch Team und kümmere
mich um die im Umbau anfallenden logistischen Heraus-
forderungen. Zwei unterschiedliche Fertigungstechno-
logien ermöglichen uns, zukünftig Rotorblätter in drei
verschiedenen Längen und mehr als 25 Blattvariationen
auf insgesamt sechs Linien in Serie zu produzieren. Die-
ses weit gefächerte Spektrum erfordert gut koordinierte
Materialflüsse und deutlich mehr Lagerkapazitäten. Für
das neue Rotorblatt müssen über 120 neue Materialien
eingelagert und verwaltet werden.
Erste Maßnahme dabei war die Überprüfung der im
Warenhaus vorhandenen Artikel, um Überbestände zu
reduzieren und Ladenhüter zu eliminieren. Etwa 80 Euro-
paletten Stellplätze konnten damit freigesetzt werden.
Wir optimieren stetig unsere Abläufe, denn das gehört
zum Logistikkonzept, welches wir im Rahmen des Um-
baus entwickelt haben.«
Die Schalen der Rotorblätter
werden aus vorimpregnierten
Glasfasermatten gefertigt.
Im Bereich Cutting/Stringer
werden diese Prepregs für
jeden Rotorblatttyp maß-
genau zugeschnitten. Janine
Falkenberg und Cornelia
Schwarzer programmieren
die Zuschnittmaschine.
»Wir halten ständig Kontakt zu den
Kollegen in Dänemark und China und
tauschen Erfahrungen aus, um eine
reibungslose Produkteinführung bei
laufender Fertigung zu gewährleisten.«
Janine Hinzer
41
»Für Vestas war ich schon weltweit
unterwegs. Durch die Zusammen-
arbeit mit den Kollegen aus den unter-
schiedlichsten Kulturkreisen habe
ich für mich und meine Arbeit enorm
viele Erfahrungen gesammelt.«
Lutz Fritzsch
42
Hightech – effiziente Rotorblätter 43
Lutz FritzschSpecialist Advanced Product Quality Planning (APQP)
»Als Tischler habe ich millimetergenaues Arbeiten und
das Verstehen von technischen Zeichnungen gelernt.
Das half mir bei der Arbeit am Rotorblatt, als ich im März
2002 bei Vestas als Operator in der Schale angefangen
habe, und auch später als Schichtleiter.
Eine Ausbildung in England und Australien machte mich
2006 mit der Infusionstechnik vertraut. Ein Jahr später
wurde ich Senior Process Instructor und habe als Trainer
und Supervisor die Kollegen in den Rotorblattwerken in
China, Spanien und den USA eingearbeitet.
Von 2008 bis 2015 arbeitete ich als Project Coordinator,
zunächst für Prozessentwicklung, Test und Einführung
neuer Materialien und untersuchte weltweit Rotorblatt-
schäden. Als die V112 eingeführt wurde, leitete ich die
erforderlichen Produkt- und Prozessänderungen in
unserem Werk ein. Seit zwei Jahren unterstütze ich als
Spezialist für APQP die Entwicklung für das Blatt der
V136. Ich war bei den ersten Tests in England dabei und
auch bei der Fertigung der Prototypen in Dänemark.
Auch wenn die Hybridbauweise für mich nicht völlig neu
ist, weil wir schon Prototypenblätter für die V110 nach
diesem Verfahren gefertigt haben, ist das neue Blatt eine
Herausforderung in Bezug auf Prozess und Qualität.«
Bei der Fertigung der Balken
setzt Vestas seit 2004 Car-
bonfasern ein. Ingo Pitschula,
Ines Leisner-Musche und
Enrico Künanz fertigen einen
Midrootspar an der Wickel-
maschine.
Nach dem Aushärten scannt
Kerstin Müller mittels Ultraschall
den Midrootspar auf Luft- und
Fremdkörpereinschlüsse. Die
Erfahrung bei der Verarbeitung
von Carbon wird auch in die
neue Technologie für die V136
einfließen.
Produktion – zukunftsfähige Arbeitsplätze
300neue Arbeitsplätze entstehen
im Werk Lauchhammer mit der
Serienproduktion der Blätter
für die V136.44
Die Produktion von Rotorblättern ist ein arbeitskräfte-
intensiver Prozess. Mit der Standortentscheidung für
Lauchhammer vor 15 Jahren bekam Vestas Zugriff auf gut
ausgebildete Fachkräfte in einer Region, deren Industrie
sich im Umbruch befand. Sowohl im Werk als auch im
Vestas-Konzern gibt es eine Vielzahl von Maßnahmen
zur regelmäßigen Qualifizierung der Mitarbeiter, um die
steigenden Qualitätsstandards des Fertigungsprozesses
sicherzustellen. Die Vestas Blades Deutschland GmbH
in Lauchhammer ist der zweitgrößte Arbeitgeber im Land-
kreis Oberspreewald-Lausitz.
45
46 Vestas Blades Lauchhammer
In Deutschland sind mittlerweile über 140.000 Menschen
in der Windenergiebranche beschäftigt, davon 2.400
bei Vestas. Ein Großteil davon ist am Standort Lauch-
hammer tätig, denn die Herstellung der Rotorblätter ist
nicht so leicht mechanisierbar und daher nach wie vor
mitarbeiterintensiv.
Die Produktion in Lauchhammer begann 2002 auf vier
Fertigungslinien, d. h. an vier Formen für die Blätter der
V80. Zunächst wurde nur in der Tagschicht gearbeitet,
nach ein paar Monaten dann im Schichtsystem. Auch
mit den Umbauten des Werkes auf die V90 und die
V112/117 blieb es bei vier Fertigungslinien im Werk.
Der Produktionsprozess läuft im Wesentlichen für alle
Blätter von der V90 bis zur V117 ähnlich ab. Im Bereich
Front End wird der tragende Balken gefertigt, der seit der
V90 zum größten Teil aus Carbon besteht. Die Carbon-
flanken für den Balken werden im Werk selbst, im Bereich
Shimoda, hergestellt. Um den Balken schneller zu produ-
zieren, wird er in fünf Teilen an separaten Maschinen parallel
gefertigt. Der Rootspar bildet die Blattwurzel, in der die
Gewindedorne für die Verbindung zur Nabe eingearbeitet
sind. Die Faserlagen von Mainspar, Midrootspar, Midtip-
spar und Tipspar werden einzeln im Wickelverfahren auf
Aluminiumdornen aufgebaut und thermisch unter Vakuum
ausgehärtet. Die fertigen Segmente des Balkens werden
anschließend auf dem Main-Dorn zusammengefügt.
Während im Bereich Front End in hohem Maß Maschinen
zum Einsatz kommen, ist der Bereich Back End, wie die
Fertigung der Schale genannt wird, sehr arbeitskräfte-
intensiv. Zunächst werden in den Formen für die wind-
seitige und leeseitige Blatthälfte die beiden Halbschalen
hergestellt, die dem Rotorblatt die äußere Gestalt geben.
Im ersten Schritt wird die Form mit Gelcoat beschichtet,
einem Kunststoff, der am Ende des Prozesses die äußere
Oberfläche des Blattes bildet. Nach dem Anhärten des
Gelcoats werden die mit Harz getränkten Glasfasermatten
Schicht für Schicht in die Form eingelegt und auch das
Sandwich-Material für die Stabilisierung der Schale. An-
schließend werden mit einem Vakuumverfahren die letzten
Luftblasen aus dem Gelege herausgesaugt, damit sich das
Harz flächig und lückenlos ausbreitet. Danach werden die
Schalen unter Temperatureinwirkung ausgehärtet.
Der nächste Fertigungsschritt vereinigt Balken und Blatt-
schalen. Mit großer Präzision wird der Balken in der wind-
seitigen Schalenhälfte verklebt. Ist dieser Fertigungsschritt
beendet, werden die beiden riesigen, über 55 Meter langen
Formen mit einer hydraulischen Vorrichtung zusammenge-
klappt und die Halbschalen sowie der Balken miteinander
verklebt. Unter Temperatureinfluss härten die Klebeverbin-
dungen in der geschlossenen Form einige Stunden aus.
Das Rotorblatt hat nun seine fertige Gestalt und wird nach
der Kontrolle der Klebeverbindungen aus Halle 1 in die
Schleifhalle des Bereichs Finish gebracht. Das Schleifen
der Klebekanten erfolgt seit 2010 in der Grobschleifkabi-
ne. Bei diesem sehr staubintensiven Arbeitsschritt werden
die Arbeiter mit Motormasken vor dem Schleifstaub ge-
schützt. Die Luft in der Kammer wird permanent abgesaugt
und gereinigt. Anschließend werden die Maßhaltigkeit der
Blätter geprüft, die Blitzschutzrezeptoren in die Blattfläche
eingesetzt und die Anströmkanten mit einem speziellen
Überzug vor Erosion geschützt.
Die Blätter werden über den Hof in die 2008 eingerichtete
Lackierhalle gezogen. Zur Vorbereitung der Beschichtung
durchfährt das Blatt den Schleifroboter. Die gesamte Ober-
Produktion – zukunftsfähige Arbeitsplätze
Produktion – zukunftsfähige Arbeitsplätze 47
fläche wird gleichmäßig angeraut, damit die Lackschicht
besser haftet. In einer 130 Meter langen Lackierkammer
fährt das Rotorblatt danach an den Lackierrobotern ent-
lang, die den Lack gleichmäßig auf der Oberfläche versprü-
hen. Abschließend verbleibt es bis zum Trocknen der Farbe
und Ausdunsten der Gase in der Trockenkabine.
Im Final Assembling werden die Enteisungsanlage, die
Load-Sensoren und das Blitzschutzsystem an der Blatt-
wurzel installiert sowie Sonderfeatures wie Zacken an der
Abströmkante und Vortexgeneratoren aufgeklebt. Der
letzte Fertigungsschritt heißt »Pitch & Weight«. Hier wird
zunächst der Pitchwert angezeichnet, der den Monteuren
später beim Aufbau die exakte Ausrichtung der Blätter
ermöglicht. »Weight« steht für das Wiegen und Ausglei-
chen des Blattgewichts. Die Differenz darf innerhalb eines
Blattsatzes fünf Kilogramm nicht überschreiten. Zu große
Gewichtsunterschiede führen zur Unwucht und belasten
den Triebstrang.
Das fertige Blatt wird dem Bereich Logistik übergeben, der
es bis zum Abtransport auf die Baustelle auf der Freifläche
des Werkes zwischenlagert.
Seit März 2017 wird die Produktion auf die Fertigung der
67 Meter langen Blätter für die V136 umgestellt. Dafür
wurden zwei der vier Formen und die entsprechenden
Maschinen für die Fertigung der Balken zurückgebaut.
An ihrer Stelle entstehen bei laufender Produktion vier
neue Linien für die Fertigung der V136-Blätter. Das
bedeutet nicht nur ein neues Fertigungsverfahren, sondern
auch, dass in Zukunft in sechs Linien gearbeitet wird.
Um diese Umstellung zu bewältigen, will Vestas in Lauch-
hammer bis Ende des Jahres rund 300 neue Mitarbeiter
einstellen. Zudem ist eine Qualifizierung des Mitarbeiter-
stamms unerlässlich, um das erforderliche Qualitätsniveau
bei der Hybridtechnologie zu sichern. Für alle Mitarbeiter
wurden Schulungen angeboten, in denen über das neue
Rotorblatt, die Hybridtechnologie und über die neuen
Arbeitsplätze informiert wurde. Jeder Mitarbeiter bekam
die Chance, sich innerbetrieblich auf die neuen Jobs zu
bewerben. 50 Trainer wurden im Trainingscenter in Lem,
Dänemark, für die neuen Prozesse geschult. Sie bekamen
auch spezielle Kurse zu Trainingsmethoden, die sich als
sehr effektiv erwiesen, um die Mitarbeiter binnen kürzester
Zeit auf das neue Produkt anzulernen, ohne von den hohen
Qualitätsansprüchen abzurücken.
Die Ausbildung von Facharbeitern ist ebenfalls fester
Bestandteil des Qualifizierungsprogramms in Lauch-
hammer. Seit 2003 wurden 148 Lehrlinge zu Verfahrens-
mechanikern für Kunststoff und Kautschuktechnik,
Mechatronikern, Lagerlogistikern und Industriekaufleuten
ausgebildet. Nahezu alle Auszubildenden wurden von
Vestas übernommen.
Wie die laufende Qualifizierung des Personals, die Arbeits-
sicherheit und die hohen Qualitätsstandards hat auch
die Mitarbeiterzufriedenheit einen hohen Stellenwert im
Unternehmen. Teambildende Maßnahmen, wie Sommer-
feste, Weihnachtsfeiern und Sportveranstaltungen,
tragen dazu bei, dass sich die Belegschaft als eine große
Gemeinschaft begreift. In dem Maß, wie die Mitarbeiter
erfahren, dass sie durch hohe Eigenverantwortung und
aktive Mitbestimmung die Prozesse selbst mitgestalten
können, steigt die Motivation jedes Einzelnen. Darin liegt
der Schlüssel für die Qualität der Produkte und den Erfolg
des Unternehmens.
Zwei von Tausenden Hand-
griffen für ein Rotorblatt der
V117: Lutz Obermeyer
schleift die Blitzplatten am
Balken (linke Seite), Sina Krähe
und Thomas Rathmann be-
festigen das Vestas De-Icing
System im Final Assembling.
48 Vestas Blades Lauchhammer
Thomas PlonczynskiLead Engineer Technical Support Equipment
»Bevor das Werk in Lauchhammer errichtet wurde,
arbeitete ich für die Firma IMBAU, die Betonfertigteile
wie die Binder und Stützen für unsere Produktionshallen
geliefert hat. Auf diese Weise war ich schon am Aufbau
des Werkes beteiligt.
Im September 2002 habe ich hier angefangen und nach-
einander vier Abteilungen durchlaufen. Anfangs war es
die Leitung der Qualitätsabteilung als QSE-Manager.
2003 wurden wir erfolgreich nach ISO 9001 zertifiziert
und in den folgenden Jahren auch nach ISO 14001 und
ISO 18001. Acht Jahre später wechselte ich in die
Maintenance-Abteilung und beschäftigte mich ab 2013
mit dem Projekt Formwartung. Ziel war es, den Zeitauf-
wand für die Wartung zu verkürzen. Damals dauerte die
Formwartung 140 Stunden, später brauchten wir nur noch
durchschnittlich 82 Stunden. In diesem Jahr übernahm ich
die Abteilung Technical Support Equipment.
Sport spielt für mich eine große Rolle. Ich habe etliche
Sportveranstaltungen im Vestas-Firmenverbund orga-
nisiert. Am schönsten waren die europaweiten Turniere.
Dann kamen Volleyball-Mannschaften aus den Rotor-
blattfabriken in Dänemark, Deutschland, England und
Italien zusammen.«
Formwartung: Die Abteilung
Technical Support Equipment
ist für die Wartung und Instand-
haltung der Maschinen verant-
wortlich. Die Oberfläche der
Form muss nach 80 bis 100
Abdrücken überprüft und bei
Bedarf verschliffen werden.
»Man trifft mich selten am
Schreibtisch an, sondern eher in der
Produktion. Die Kollegen schätzen
es, wenn jemand vor Ort ist,
der Entscheidungen treffen kann.«
Thomas Plonczynski
49
»Wir sind ein eingeschworenes
Maintenance-Team, wenn einer Hilfe
braucht, gibt es immer Kollegen,
die unterstützen!«
Thomas Wünsche
50
Produktion – zukunftsfähige Arbeitsplätze 51
Thomas WünscheIngenieurassistent/Techniker Shimoda
»Ich gehöre zu den Mitarbeitern der ersten Stunde. Mein
Vorstellungsgespräch führte ich im Dezember 2001
im Container auf der Baustelle und gleich nach Neujahr
konnte ich anfangen. Nach einer dreimonatigen Aus-
bildung in Dänemark habe ich ab April 2002 zusammen
mit fünf Kollegen in Lauchhammer die Maschinen auf-
gebaut, die die Prepreg-Zuschnitte herstellen. Danach
konnte die Produktion beginnen. Anschließend wurde ich
zum Prozessleiter der zentralen Instandsetzung ernannt.
Seit 2012 habe ich die Verantwortung für den Prozess im
Bereich Shimoda. Wir fertigen mit Robotern die schwarzen
Carbongelege, die in den Balken verbaut werden.
Außerdem bin ich als Energy Control Coordinator dafür
verantwortlich, dass die gespeicherten Energien keinen
Schaden anrichten können, wenn wir nach Abschaltung
der Anlagen daran arbeiten müssen. Das bedeutet zum
Beispiel, dass die Hydraulik entspannt und dass die
Kondensatoren entladen sind, bevor ich grünes Licht
gebe. Außerdem bin ich als verantwortliche Elektro-
fachkraft hier am Standort für die Ausbildung der Mecha-
troniker verantwortlich.«
Im Bereich Shimoda werden
in einem automatisierten
Prozess die Carbongelege
hergestellt. Die Qualität der
Carbonverarbeitung in der
Balkenfertigung kontrolliert
Jens Schmiele mit einem
NDT-Scan, einer zerstörungs-
freien Prüfung.
52 Vestas Blades Lauchhammer
Sebastian Adam Rootspar, Shimoda und Balken
»Zu Vestas bin ich durch meine Fremdsprachenkenntnisse
gekommen. Als ich noch Ingenieurstudent war, suchte
Vestas einen Dolmetscher mit technischem Hintergrund,
da im Werk einige spanische Kollegen trainiert werden
sollten. Das war eine fantastische Gelegenheit, einen
tiefen Einblick in die Produktion und den Charakter des
Unternehmens zu bekommen und sehr viel über die Rotor-
blattfertigung zu lernen.
Später waren meine Englischkenntnisse gefragt, als Kolle-
gen aus den USA im Werk trainiert wurden. Dadurch blieb
ich mit Vestas in Kontakt, und als bald darauf ein Ingenieur
gesucht wurde, hat man mich angesprochen. Weil ich
an der Uni Kunststofftechnik mit Schwerpunkt Leichtbau
studiert hatte, durfte ich 2010 als der neue Shimoda-
Ingenieur durchstarten.
Fünf Jahre später wurde ich gefragt, ob ich mir nicht auch
die Produktionsleitung zutrauen würde. Weil ich wusste,
dass ich mit André einen erfahrenen Produktionsleiter
an meiner Seite haben würde, zögerte ich nicht lange und
konnte meine neue Aufgabe im Januar 2016 beginnen.«
Das Front End umfasst den
gesamten Herstellungspro-
zess des Balkens, einschließ-
lich der Bereiche Rootspar
und Shimoda. Christian
Schwabe und Olaf Pohlan
ziehen eine Leimkante im
Rootspar zur Vorbereitung
des Vakuumprozesses.
»Als studentischer Dolmetscher für
Spanisch und Englisch habe ich im
Werk angefangen und ich hätte mir
nie träumen lassen, dass ich ein paar
Jahre später hier die Produktions-
leitung übernehmen würde.«
Sebastian Adam
53
»Die Tätigkeit in der Schale zusammen
mit dem großen Team, geprägt von
einer ausgelasteten Produktion,
hat mir immer viel Freude gemacht.«
André Broschwitz
54
Produktion – zukunftsfähige Arbeitsplätze 55
André Broschwitz Produktionsleiter Back End
»Von Anfang an hat mich der dänische Einfluss des Kon-
zerns beeindruckt – die Kollegialität, das selbstverständ-
liche »Du« in allen Ebenen und die Aufbruchsstimmung.
Als die Produktion ab Juli 2002 hochgefahren wurde,
arbeitete ich zunächst im Bereich Schale und bekam einige
Monate später die Chance, dort stellvertretender Prozess-
leiter zu werden. Es war eine schöne und bereichernde Zeit.
In den Jahren 2004 und 2005 habe ich das Serviceteam
begleitet und war häufig mit dem Hubsteiger in Nord-
deutschland unterwegs, um Rotorblätter zu reparieren.
Zwei Jahre später lernte ich ferne Länder kennen, als ich
die Begutachtung von Rotorblättern unterstützte.
Bald darauf kehrte ich in den Produktionsbereich Schale
zurück, zunächst als Assistent des damaligen Produktions-
leiters Gerd Meffert und später als dessen Stellvertreter.
Mein Fernstudium mit Abschluss als Qualitätsmanager
und Produktionsmanager war dafür eine gute Vorausset-
zung. Im Februar 2016 übernahm ich als Produktionsleiter
das Back End des Werks. Die vergangenen 15 Jahre waren
eine stetige Bereicherung und eine Erfahrung fürs Leben.«
Die Fertigung der Schalen, das
Verkleben mit dem Balken sowie
Finish und Final Assembling
bilden das Back End des Produk-
tionsprozesses. Mitarbeiter
der D-Schicht bringen die erste
Glasfaserlage in die Schale.
Zur Stabilisierung der Schalen
werden PET-Hartschaumplat-
ten in Sandwich-Bauweise in
die Glasfaserlagen eingebettet.
56 Vestas Blades Lauchhammer
Vor dem Verleimen kontrollieren
René Funke, Jörn Katzschke
und Hartwig Stach die Pass-
genauigkeit des Balkens in der
windseitigen Schalenhälfte.
Für ein Rotorblatt der V112
bringen Lutz Obermeyer,
Torsten Janscher und Holger
Dörsel den Leim zum Ver-
kleben des Balkens im Root-
bereich der Schale ein.
Mit dem Schließen der Form
werden die beiden Schalen-
hälften und der Balken
miteinander verklebt. Unter
Temperatureinfluss härten
die Klebeverbindungen über
mehrere Stunden aus.
Am Ende jedes Prozessbe-
reichs passiert das Rotorblatt
ein Quality Gate. Nach dem
Abformen im Bereich Schale
kontrollieren Roland Baudach
und Holger Dörsel die Qualität
der Klebeverbindung mittels
Thermografie.
57
58 Vestas Blades Lauchhammer
Finish: Das Schleifen der Klebe-
kanten erfolgt seit 2010 in der
Grobschleifkabine. Bei diesem
sehr staubintensiven Arbeits-
schritt werden die Mitarbeiter
mit Motormasken vor dem
Schleifstaub geschützt.
Maßhaltigkeit: Daniel Bordihn,
Nick Steinbach und Paul Opitz
vermessen die Blattspitze.
Entlang des Blattes werden
mehrere Blitzrezeptoren
montiert. Ronny Schneider
schleift den Blitzschutzbolzen
plan mit der Oberfläche.
59
Die Oberfläche des Rotorblattes
wird vor dem Lackieren mit den
Schleifrobotern zur besseren
Haftung des Lacks aufgeraut.
»Die stetigen Veränderungen
zu bewältigen ist nur möglich,
wenn man ständig ein Ohr an der
Produktion hat und sich mit den
Kollegen täglich austauscht.«
Sven Ulke
60
Produktion – zukunftsfähige Arbeitsplätze 61
Sven UlkeProzessingenieur Final Assembly
»Als ich im September 2007 als frischgebackener Inge-
nieur bei Vestas Blades anfing, war ich zunächst für das
zerstörungsfreie Prüfen verantwortlich. Ein Jahr später
betreute ich die Umstellung der Lackierung auf vollauto-
matischen Betrieb. Der nächste große Schritt kam zwei
Jahre später, als wir uns auf die Produktion des Blattes
der V112 vorbereiteten. Das Finish wurde auf eine Art
Fließbandproduktion umgestellt und diesen Prozess
habe ich vier Jahre lang ingenieurstechnisch betreut.
Zehn Jahre sind nun vergangen und rückblickend staune
ich immer noch darüber, wie viel sich stetig verändert hat
und wie lebendig die Produktion ist. Das Gute ist, dass sich
alle hier im Werk darauf einlassen und dass man dadurch
die beste Unterstützung für Veränderungen bekommt.
In diesem Sog bekommt man einen Überblick über das
große Ganze. Zurzeit läuft der Umbau für die V136 und
diese Konversion ist für mich persönlich die spannendste
Zeit. Es ist faszinierend, wie viele Ideen, auch ungewöhnliche
und radikale, auf allen Ebenen entstehen und dass alle
mitgerissen werden, um die besten Ideen umzusetzen.«
Der Lackierroboter fährt
30.000 einzelne Punkte an,
um das Rotorblatt komplett
zu lackieren. Sowohl das Blatt
als auch der Roboter bleiben
dabei ständig in Bewegung,
damit der Lack gleichmäßig
aufgetragen wird.
Logistik – aus Lauchhammer in die Welt
Rotorblätter gehören zu den längsten Bauteilen, die auf
der Straße transportiert werden. Nacht für Nacht verlassen
Sondertransporte das Werk in Lauchhammer. So spekta-
kulär diese auf Außenstehende wirken, für das Logistik-
team in Lauchhammer besteht die Herausforderung darin,
effiziente Routinen zu finden, um die Transportkosten
zu senken. Am 28. März 2017 wurde der Prototyp des
neuen 67-Meter-Blattes für die V136 aus Dänemark nach
Lauchhammer geliefert. Vor Beginn der Serienproduktion
werden damit die Transportabläufe im Werk trainiert und
die Bearbeitungsmaschinen für dieses Blatt eingerichtet.
62
67 Meter misst das neue Rotor-
blatt für die Vestas V136.
Entsprechend groß wird die
logistische Herausforderung.
In der Spitze verlassen
15 Schwertransporte am Tag
das Werk in Lauchhammer.
63
64 Vestas Blades Lauchhammer
Logistik – aus Lauchhammer in die Welt
Rotorblätter moderner Windenergieanlagen gehören zu
den längsten Bauteilen, die gegenwärtig auf der Straße
transportiert werden. Bei Rotorblatttransporten handelt es
sich jedoch nicht um einmalige Spezialtransporte, die über
Jahre vorbereitet werden und gegebenenfalls schwere
bauliche Eingriffe in die Route gestatten, sondern um
allnächtliche Routine auf den Autobahnen. Als Langtrans-
porte verursachen sie eine »übermäßige Straßennutzung«
und benötigen daher eine Sondergenehmigung und unter-
liegen bestimmten Sperrzeiten.
Wachsende Blattlängen haben die Entwicklung der Trans-
portfahrzeuge forciert. Vor zehn Jahren konnten die
Rotorblätter noch mit konventionellen Teleskopaufliegern
transportiert werden. Bei der V90 wurden die Blattspitzen
auf Europaletten gelagert. Diese Lösung war nicht gerade
anspruchsvoll, jedoch einfach und kostengünstig. Doch
Blattlängen über 50 Meter erfordern extra für Rotorblätter
ausgelegte Spezialfahrzeuge, weil die Rotorblätter nicht
nur länger, sondern auch breiter werden. Außerdem bieten
die extrem langen Rotorblätter dem Wind mehr Angriffs-
fläche. Die für den Rotorblatttransport konstruierten
Auflieger sind deshalb sehr torsionssteif und schwer,
sodass sie auch bei starkem Seitenwind sicher auf der
Straße rollen.
Moderne Telesattelpritschen, die sich vierfach auf rund
60 Meter Länge teleskopieren lassen, sind gegenwärtig
Stand der Technik. Sie können Rotorblätter bis zu
70 Metern Länge transportieren. Die Hinterachsen,
auf denen die Spitze des Rotorblattes gelagert ist, sind
einzeln lenkbar, um auch enge Kurven zu bewältigen.
Auch die Bodenfreiheit ist variierbar. Damit lassen sich
auch die neuen 67-Meter-Rotorblätter fast auf dem
gesamten europäischen Fernstraßennetz transportieren.
Damit die Rotorblätter planmäßig ihr Ziel erreichen, wird
vorher die Strecke geprüft. Enge Kurven werden weitest-
gehend vermieden, Verkehrsschilder falls notwendig ab-
gebaut und Äste gestutzt. Bei sehr engen Ortsdurch-
fahrten in der Nähe des Windparks oder wenn der Weg
im Gebirge über Serpentinen führt, kann ein schwerer,
selbstfahrender Rotorblatttransporter erforderlich sein.
Das Rotorblatt wird daran nur mit der Blattwurzel ange-
flanscht, sodass es sich während des Transports bei Bedarf
bis zu 60° oder 70° nach oben schwenken lässt. Um dem
Wind dabei möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten, kann
es auch in der Längsachse gedreht werden.
Aus rein technischen Gesichtspunkten ist fast jeder Stand-
ort für Rotorblatttransporte erreichbar. Doch über ihre
Realisierbarkeit entscheiden, wie so oft in der Industrie, in
erster Linie die ökonomischen Kriterien, vor allem, wenn sie
Alltagsgeschäft sind.
Der Produktionsprozess verlangt Kontinuität, die Liefe-
rung auf die Baustellen hingegen soll möglichst just in
time erfolgen. Um diese Diskrepanz auszugleichen,
gibt es auf dem Werksgelände Lagerflächen für einige
Hundert Blätter. Von dort aus verlassen täglich drei bis
sechs Transporte das Werk. In der Spitze waren es 15,
was jedoch die Grenze des Machbaren für das Team der
Abteilung Versand und Transport bedeutet. Das Prozedere
ist in Lauchhammer seit Jahren eingespielt. Vormittags
fahren zwei Mobilkräne auf den Lagerplatz und heben die
Rotorblätter auf die Trailer, damit um 14 Uhr die Trans-
porte fahrbereit sind. Der frühe Termin ist erforderlich,
65
weil die Fahrer ihre vorgeschriebenen Ruhezeiten einhalten
müssen. Erst acht Stunden später, um 22 Uhr, setzen sich
die Sattelzüge in Bewegung. Es handelt sich wegen der
Länge um Sondertransporte und deshalb dürfen sie nicht
früher auf die Straße.
Im Laufe der Nacht können die Fahrzeuge die meisten
Standorte in Deutschland erreichen. Vestas Blades hat von
Lauchhammer aus aber auch schon nach Schweden und
Finnland geliefert, oder zum Seehafen nach Esbjerg.
Dafür brauchen die Transporte zwei Nächte. Von Esbjerg
aus werden die Rotorblätter in die ganze Welt exportiert.
Der logistische Aufwand ist enorm hoch und birgt noch
gehöriges Einsparpotenzial. Jeder Transport benötigt
Genehmigungen, Begleitfahrzeuge und bis zur Autobahn
auch polizeiliche Begleitung. Die Kosten dafür trägt
zunächst einmal der Lieferant. Oft kam es vor, dass die
polizeilichen Einsatzkräfte gebunden waren und der Start
der Transporte sich verzögerte. Vestas hat daher mit dem
Landesbetrieb Straßenwesen des Landes Brandenburg
ein zunächst einjähriges Pilotprojekt für den polizeifreien
Transport bis zur Autobahn A13 im Test und verspricht
sich davon mehr Flexibilität und Senkung der Transport-
kosten. Die Behörden hingegen erwarten davon Entlas-
tung für ihre Beamten.
Auch den Versand auf der Schiene und auf dem Wasser-
weg hat Vestas mit dem Ziel der Kosteneinsparung
getestet. In den Jahren 2006 bis 2011 wurden Transporte
von den Häfen in Mühlberg und Dresden über die Elbe
abgewickelt. Neben dem Unsicherheitsfaktor des oft zu
niedrigen Wasserstandes stellte sich heraus, dass das ein-
zelne Rotorblatt auf diesem Weg zu oft umgeladen werden
muss, bevor es seinen Bestimmungsort erreicht.
Dieses Manko zeigte sich auch beim Transport mit der
Bahn, den Vestas zwischen 2012 und 2013 für zwei
Projekte in Schweden und Finnland erprobte. Insgesamt
162 Rotorblätter für V112 wurden mit Tiefladern zum
Gleisanschluss in das nahe gelegene BASF-Werk in
Schwarzheide gefahren und dort auf Waggons verladen.
Auch diese Transportvariante lohnt sich derzeit nur für
einzelne ausgewählte Projekte. Das Know-how dafür
ist vorhanden. Mit einem eigenen Gleisanschluss kann
der Transport auf der Schiene einst wieder ein Thema
werden. Bis dahin jedoch werden die Logistiker aus dem
Versand auch in den folgenden Nächten wieder drei oder
sechs und manchmal auch 15 Langtransporte auf die
Straße schicken.
Vorbereitung und Organisation
der Transporte unterliegen
dem Bereich Versand. Dazu
gehört neben der Lagerung
der Blätter vor allem die
Abfertigung der allnächtlichen
Straßentransporte. Vestas
testete auch den Transport von
Rotorblättern mit der Bahn.
66
»Vestas bringt alle Rotorblätter sicher
ans Ziel, auch wenn es mal eng wird.«
Heiko Dorn
Logistik – aus Lauchhammer in die Welt 67
Heiko Dorn Prozessleiter Versand/Transport seit August 2002
»Ich bin von Anfang an dabei. Ende Juli 2002 hatte ich
mein Vorstellungsgespräch im gerade erst fertiggestellten
Bürogebäude und schon 14 Tage später bekam ich die
Zusage. Ich konnte also praktisch gleich anfangen.
Obwohl die Blätter seitdem immer länger und breiter
wurden, hat sich am Transport bisher nichts Grundsätz-
liches geändert. Die Fahrzeuge wurden den erhöhten
Anforderungen angepasst. Manches ist sogar einfacher
geworden. Für den Fahrweg bis zur Autobahn brauchten
wir früher eine polizeiliche Begleitung. Zurzeit testen
wir, ob auch das Begleitfahrzeug eines privaten Unter-
nehmens genügt.
Nach wenigen Kilometern erreicht der Transport die
Autobahnauffahrt. Sie ist wegen des engen Kurvenradius
ein möglicher Engpass. Bisher reicht es noch, die Spitze
des Rotorblattes streicht in der Kurve über die Leitplanke
hinweg. Für das neue 67 Meter lange Rotorblatt planen
wir einige Umbaumaßnahmen.
Auf der Autobahn gibt es keine Probleme, das Rotorblatt
passt unter jeder Brücke hindurch. Erst wenn es auf Neben-
straßen ins Mittelgebirge geht, wird es wieder kompliziert.
Manch einen Trailer manövrierten wir schon kilometerweit
rückwärts durch den Wald zur Baustelle.«
Die Logistik beginnt im
Werk. Um bei kontinuier-
licher Produktion jeder-
zeit bedarfsgerecht und
pünktlich zu liefern, gibt es
als Puffer Lagerplätze für
einige Hundert Rotorblätter
auf dem Werksgelände.
68 Vestas Blades Lauchhammer
Warten auf die Nacht: Der
Konvoi steht bereit für die
Abfahrt. Ab 22 Uhr dürfen
die Spezialtransporte mit den
Rotorblättern auf die Straße.
Innerhalb einer Nacht können
sie fast alle Ziele in Deutsch-
land erreichen.
69
Präzisionsarbeit in 119 Metern
Höhe: Die 55 Meter langen
Rotorblätter werden einzeln
an der Nabe einer Vestas
V112-3.0 MW im Windpark
Ballstädt montiert.
70
Qualität –gemeinsam für die Energiewende
15,1Terawattstunden Energie haben
die 7.600 in Deutschland instal-
lierten Vestas-Anlagen im Jahr
2016 in das Stromnetz einge-
speist. Das entspricht mehr als
drei Viertel des Stromverbrauchs
von Brandenburg.
Hohe Qualität bei der Fertigung von Windenergieanlagen
ist Voraussetzung für ihren effizienten Betrieb. Regionale
Wertschöpfung, aktive Bürgerbeteiligung und -mitbestim-
mung sowie ihre Nachhaltigkeit sind wesentliche Faktoren
für die Akzeptanz der Windenergie. Ihr dezentraler
Charakter macht sie zu einer demokratischen Form der
Stromerzeugung. All das stellt eine neue Qualität bei der
Stromproduktion dar, bei der Hersteller und Betreiber
von Windenergieanlagen als Partner ein gemeinsames
Ziel verfolgen: das Voranbringen der Energiewende.
71
72 Vestas Blades Lauchhammer
Eine Windenergieanlage soll mindestens 20 Jahre zuver-
lässig Strom erzeugen. Allen Kunden ist bewusst, wie viel
dabei vom Rotorblatt abhängt. Über die gesamte Lebens-
dauer der Anlage soll das Rotorblatt bei Sturm und Regen,
Schnee und Hagelschlag ausdauernd seine Arbeit leisten.
Es ist die exponierteste und deshalb auch empfindlichste
Komponente der Windenergieanlage. Kleine, oberfläch-
liche Schäden können repariert werden, aber sehr große
Schäden infolge von Materialfehlern oder Mängeln am
Blitzschutzsystem können zum Verlust des gesamten
Blattes führen.
Aus diesen Gründen ist das Vertrauen der Kunden in die
Qualität des Produktes so wichtig. Vertrauen gewinnt man
nur durch Offenheit und Aufklärung. Das Werk in Lauch-
hammer steht für alle Kunden offen, die sich ein Bild von
der Fertigung, den Arbeitsabläufen und der Qualitätskont-
rolle machen wollen.
Wenn die Kunden das Werk besuchen, sehen sie zuerst
die Ordnung und Sauberkeit im Werk und das ist eine
wichtige Voraussetzung für Qualität. Sobald sie genauer
hinschauen, können sie die Strukturen des Arbeitsablaufs
und die Stabilität der einzelnen Prozessschritte erkennen.
Sie können daraus auf die Qualität schließen, die durch die
stabile Interaktion von Mensch, Maschine, Material und
Umgebungsbedingungen gesichert wird.
Außerdem erhalten die Kunden Auskunft über die Maß-
nahmen, die zur Sicherung der Qualität unternommen
werden. Die Quality Gates am Ende jedes Prozessbereichs
sind wichtige Stationen bei allen Kundenbesuchen. Dort
geben die Mitarbeiter Auskunft über die visuellen Kontrol-
len und die zerstörungsfreien Prüfungen. Von großem Inte-
resse ist auch stets das Quality Gate der Lackierung. Dort
erfahren die Kunden, wie die Dicke der Lackschicht geprüft
wird und wie die Leading Edge Protection aufgebaut ist,
die Schutzschicht gegen Erosion an der Anströmkante.
Qualität – gemeinsam für die Energiewende
Harald WegersQuality & Engineering
»Ich bin seit 2009 Qualitätsmanager hier im Werk. Vestas
definiert diese Aufgabe als Schnittstellenfunktion zu
unseren Kunden, denn Kundenzufriedenheit ist immer der
Maßstab für Qualität. Weil Qualität durch stabile Prozesse
entsteht, wurden 2017 die Abteilungen Quality und Tech-
nical Support zusammengelegt.
Besuche hier im Werk helfen den Kunden, die Qualität
»erleben« zu können. Sie wollen sehen, wie die Rotorblätter
produziert werden, die später in ihren Windparks Strom
erzeugen. Kunden nehmen immer dann einen positiven
Eindruck von unseren Prozessen mit, wenn diese in einer
sicheren und sauberen Umgebung, kontrolliert und ohne
Hektik ablaufen. Sie empfinden die Prozesse als stabil,
wenn die Mitarbeiter einen fokussierten Eindruck machen
und die Struktur des Arbeitsablaufs erkennbar ist.
Ursprünglich komme ich aus dem Rheinland und wohne
nun mit meiner Frau und unserem Sohn in Dresden. Ich
schätze vor allem die Zuverlässigkeit, Eigenmotivation und
Loyalität der Mitarbeiter hier in unserem Werk. Sie sind ein
wesentlicher Erfolgsfaktor für unser Unternehmen.«
»Qualität kann in unsere Blätter
nicht reingeprüft, sondern muss
reinproduziert werden. Verlässliche
Qualität ist immer das Produkt von
stabilen Prozessen.«
Harald Wegers
73
74 Vestas Blades Lauchhammer
Blitzschutz ist ein sehr wichtiges Thema für die Kunden,
denn die Gefährdung des Rotorblattes bei Gewitter ist
jedem klar. Also erhalten die Kunden auch umfassend
Auskunft darüber, wie das Blitzschutzsystem funktioniert
und wie es eingebaut wird.
Die bedeutendste Qualitätssicherungsmaßnahme ist
das Wissen der Mitarbeiter. Sie kennen die Bedeutung
der Prozesse, für die sie verantwortlich sind, und wissen,
wie wichtig ihr Beitrag für das Produkt ist. Der wichtigste
Garant für hohe Qualität ist also das Commitment der
Mitarbeiter. Einige Kunden wollen aber nicht nur wissen,
unter welchen Rahmenbedingungen die Rotorblätter in
Lauchhammer produziert werden, sondern sie legen auch
Wert auf die regionale Wertschöpfung. Sie wollen durch
lokale Projekte mit Bürgerbeteiligung die Wirtschaft in
der Region fördern.
An dieser Stelle überschneiden sich weitestgehend die
Interessen des Werks und seiner Kunden, die in Süd-
brandenburg und Sachsen Windparks errichten. Wenn
Rotorblätter aus Lauchhammer in dieser Region zum
Einsatz kommen, dann ist es auch leichter, die Brücke zur
Bürgerbeteiligung zu schlagen und die Akzeptanz der
Windparkprojekte zu erhöhen. Die Bürger sind dann nicht
nur am Ertrag des Windparks beteiligt, sondern wissen
auch, dass sie zur Sicherung von Arbeitsplätzen in der
Region beitragen.
Bereit zur Auslieferung:
Rotorblätter auf dem
Lagerplatz im Werk
Qualität – gemeinsam für die Energiewende 75
»Als führender Windparkentwickler und größter Kunde von
Vestas in Deutschland entwickeln und betreiben wir seit
18 Jahren Windparks. Daher wissen wir: Um langfristig
erfolgreiche Windparks zu realisieren, braucht es ein gutes
Produkt und engagierte Mitarbeiter, die an dieser Qualität
kontinuierlich arbeiten. Das Rotorblattwerk in Lauchham-
mer hat es geschafft, weltweit Maßstäbe hinsichtlich Qua-
lität und Fertigungskompetenz zu setzen. Die Geschäfts-
führung in Lauchhammer hat mit großem Engagement und
mit Augenmaß seit 2002 den Grundstein zu diesem Erfolg
gelegt. Davon konnten wir uns bei Werksbesichtigungen
und Kundengesprächen überzeugen. Wir gratulieren zum
15-jährigen Bestehen allen Mitarbeitern am Standort in
Lauchhammer.«
Dr. Kay Dahlke
Geschäftsführer UKA-Gruppe
Was 1999 mit drei Mitarbeitern begann, hat sich zu
einer Unternehmensgruppe mit rund 500 Beschäftigten
entwickelt, die zum zweitgrößten Windparkentwickler
in Deutschland aufgestiegen ist. In den vergangenen
18 Jahren hat die UKA-Gruppe mehr als 40 Windparks
errichtet. Der Projektentwickler ist zu einem Motor der
dezentralen Energiewende geworden.
UKA legt Wert auf den Interessenausgleich aller Beteilig-
ten und die Bindung an die Regionen, in denen die Wind-
parks stehen. Deshalb hat die Unternehmensgruppe dort
die acht Firmenstandorte angesiedelt: in Meißen, Cottbus,
Rostock, Erfurt, Oldenburg, Bielefeld, Hannover und Loh-
men (Mecklenburg).
Nach Auffassung der UKA kann die Energiewende nur als
gesellschaftliches Projekt gelingen, das von den Bürgern
in den Gemeinden getragen wird. UKA-Bürgerwindmodelle
sollen die nachhaltige Gemeindeentwicklung unterstützen,
indem sie die Menschen vor Ort zu aktiven Gestaltern
der Energiewende machen. Das Ziel ist, die lebendige
Bürgerschaft zu fördern und lokale gesellschaftliche
Initiativen und Organisationen zu unterstützen, darunter
viele Sportvereine.
Die UKA-Gruppe ist größter Vestas-Kunde in Deutschland
und wird noch in diesem Jahr in Lieskau, Brandenburg,
die weltweit erste V136-Windenergieanlage in Betrieb
nehmen.
UKA-Gruppe
Windenergiepark Calau-Schadewitz Windfest im Windenergiepark Barkow
76 Vestas Blades Lauchhammer
Als im Deutschen Technikmuseum in Berlin ab 2011 die
Sonderausstellung »Windstärken« gezeigt wurde, sollte
ein Originalrotorblatt vor dem Museum für die Ausstellung
werben. Der Windenergieanlagen-Hersteller Vestas hat
dafür ein in Lauchhammer gefertigtes, 44 Meter langes
Rotorblatt einer Vestas V90 zur Verfügung gestellt. Die
Firma NOTUS energy übernahm federführend die Planung
und Realisierung des Vorhabens. Aufgrund der erfolgrei-
chen Zusammenarbeit mit langjährigen Geschäftspart-
nern konnte das Projekt als 100-prozentiges Sponsoring
realisiert werden.
Weil das Rotorblatt im Winkel von 70 Grad steil in den
Himmel ragen sollte, war eine Sondergründung aus Stahl
und Stahlbeton notwendig. Die Berechnung des Funda-
ments erforderte die fachübergreifende Zusammen-
arbeit zwischen den ausführenden Fachplanern und den
Vestas-Entwicklungsingenieuren. Bei praktischen Hebe-
versuchen in der Rotorblattfertigung wurde getestet,
wie das Rotorblatt in die geplante Montageposition
gebracht werden kann.
Am 30. November 2011 wurde das Rotorblatt vor dem
Museum montiert und blieb zunächst für drei Jahre dort
stehen. Auf Wunsch des Museums wurde das Fundament
im Dezember 2015 ertüchtigt, sodass das Rotorblatt nun
dauerhaft mitten in Berlin für die Windenergie wirbt.
Mit ihrem Hauptsitz in Potsdam sowie ihren Niederlassun-
gen in Anklam, Köln, Cottbus, Feldberg und Schönwalde
ist NOTUS energy in weiten Teilen Deutschlands vertreten,
wobei die Schwerpunkte im Raum Brandenburg und Meck-
lenburg-Vorpommern liegen. Ein Team von spezialisierten
Mitarbeitern vereint Ingenieure, Geografen, Kartografen,
Naturwissenschaftler, Ornithologen und Juristen, um in
Eigenregie alle Aufgaben bewältigen zu können, die für
eine erfolgreiche Projektentwicklung erforderlich sind.
NOTUS energy
»Das Vestas-Rotorblattwerk in Lauchhammer habe ich
das erste Mal im Frühjahr 2002 besucht, wenige Monate
vor der Fertigstellung. Seither begleitet es uns bei fast
allen unseren Projekten. Bereits unser erster Windpark
mit 14 Vestas V80 wurde mit Flügeln aus Lauchhammer
ausgestattet. Seither hat uns das Werk regelmäßig in
zahlreichen Windparks beliefert. Von 2010 an haben wir
auch die V112 neben der Werkhalle geplant und 2012
die Bauleitung übernommen. Wir von NOTUS beglückwün-
schen Vestas zum 15-jährigen Werksjubiläum und freuen
uns auf eine weitere lange Zusammenarbeit.«
Heiner Röger
Geschäftsführer NOTUS energy
Qualität – gemeinsam für die Energiewende 77
Ökologisch nachhaltige Stromerzeugung ist ein wichtiger
Baustein der globalen Energiewende. Der Anspruch der
Nachhaltigkeit muss aber auch für die Region gelten.
Die Windenergie bietet den großen Vorteil, dass wir durch
lokale Projekte mit Bürgerbeteiligung die regionale Wirt-
schaft fördern können.
Dazu gehört nicht nur die Einrichtung eines Büros in der
Windparkregion, sondern auch, dass wir möglichst viele
Dienstleistungen und Produkte aus der Region beziehen –
selbstverständlich auch Rotorblätter aus Lauchhammer.
Wir haben uns außerdem vorgenommen, in diesen länd-
lichen Räumen die Selbstversorgung auszubauen. Dafür
setzen wir uns mit unserer Windparkexpertise ein. Wir
wollen, dass die direkten Anrainer von unseren Windparks
profitieren. Mithilfe unserer Hausbank haben wir das
Projekt Grüne Spareinlage aufgelegt. Wer zwischen 500
und 5.000 Euro für mehrere Jahre fest anlegt, erhält eine
garantierte Verzinsung von drei Prozent. Die Zinsen tragen
die Windparks, die Einlage wird durch die beteiligte Bank
vollständig und mündelsicher abgesichert. Darüber hinaus
bieten wir für Anrainer auch unternehmerische Beteiligun-
gen (als Kommanditeinlage) an, was nunmehr durch die
Bundesregierung mit den Regelungen im neuen EEG als
Bürgerenergiegesellschaft unterstützt wird.
MLK-Gruppe
»Nachhaltigkeit und regionale Wertschöpfung stehen im
Vordergrund unserer Windparkplanungen. Deshalb legen
wir großen Wert darauf, dass die Rotorblätter in Branden-
burg hergestellt werden.«
Heinrich Lohmann
Gründer und Geschäftsführer der MLK-Gruppe
Windparkplaner seit 1989
Schließlich setzen wir uns dafür ein, dass die Stromkosten
der Windparknachbarn kräftig sinken. Wir haben mit der
Naturstrom AG einen Anrainertarif entwickelt, der eine
Versorgung mit Ökostrom sicherstellt und außerdem
deutlich günstiger ist als der normale Tarif. Im Rahmen des
Anrainertarifs erhalten Anrainer einen Zuschuss zu den
Stromkosten in Höhe von 120 Euro pro Jahr. Eine weitere
soziale Komponente für kinderreiche Familien wird derzeit
vorbereitet. Es werden engagierte Unternehmen wie
Vestas gebraucht und Unternehmer, die sich für die Region
und im Land Brandenburg starkmachen.
Windpark Odervorland in Jacobsdorf
78 Vestas Blades Lauchhammer
BOREAS greift auf 27 Jahre Windenergieerfahrung zurück.
Gemeinsam mit bayrischen Windpionieren errichtete Jörg
Kuntzsch, heutiger Geschäftsführer von BOREAS, 1992
auf dem 890 Meter hohen Hirtstein im Erzgebirge den
ersten Windpark im deutschen Mittelgebirge.
An diesem Extremstandort produzieren die Anlagen von
Vestas seit 25 Jahren zuverlässig Windstrom. Das setzt
Maßstäbe und definiert den Anspruch, den BOREAS
heute an Windenergieanlagen und Rotorblätter stellt.
»Das Prinzip der Einfachheit, Zuverlässigkeit und Lang-
lebigkeit der 250-kW-Anlagen muss auf dreißigfach
stärkere Windturbinen hochskaliert werden. Damit werden
die nächsten Anlagengenerationen deutlich preiswerteren
Strom als fossile Kraftwerke produzieren und diese aus
dem Markt verdrängen.«
Jörg Kuntzsch hat Anfang der 1990er Jahre gemeinsam
mit Partnern mehrere flächendeckende Windmessungen,
Windpotenzial- und Machbarkeitsstudien in Sachsen,
Brandenburg und Thüringen erarbeitet. In der 1995
veröffentlichten Studie »Windenergienutzung auf Kohle-
halden in Brandenburg« wurde die generelle Eignung der
Lausitzer Braunkohlenhalden als Standorte für Wind-
energieanlagen nachgewiesen. Neben Windpotenzial,
Gründungssicherheit und Wirtschaftlichkeit wurden auch
die Möglichkeiten zur Schaffung von Arbeitsplätzen und
von regionaler Wertschöpfung untersucht. Ausgehend von
den vor 22 Jahren gängigen 500-kW-Anlagen wurde pro-
gnostiziert: »Der Bau der rund 1.000 Windräder auf den
Kohlehalden über einen Zeitraum von zehn Jahren kann
etwa 1.000 zukunftssichere Arbeitsplätze binden.«
Was die Arbeitsplätze betrifft, ist diese Prognose aufge-
gangen. Daran hat Vestas mit dem 2002 eröffneten Rotor-
blattwerk den entscheidenden Anteil.
Mit zunehmendem Windenergieausbau rückten Fragen
der Ästhetik von Windparks stärker in den Fokus. Eine
Arbeitsgemeinschaft unter Mitwirkung des Ingenieur-
büros Kuntzsch hat sich 2001 im Rahmen der Internatio-
nalen Bauausstellung Fürst-Pückler-Land dem Thema
neuer ästhetischer Energielandschaften und der Kombi-
nation von Wind- und Solarparks mit Biomasse und
Energiespeichern gewidmet. BOREAS konnte diese Ideen
ansatzweise mit dem Bau des Energieparks Elsterheide
umsetzen. Die elf im Jahr 2006 errichteten Vestas V90
wurden 2011 mit einer 20-MW-Photovoltaik-Anlage er-
weitert. So entstand auf der rekultivierten Tagebaufläche
»Terra Nova« am Rand der Lausitzer Seenkette eine neue
Energielandschaft.
»Die Energiewende wird noch ein hartes Stück Arbeit,
bei der Hersteller, Planer und Betreiber von Windenergie-
anlagen zuverlässig miteinander arbeiten müssen.
BOREAS freut sich auf kommende Innovationen und
leistungsstarke Rotorblätter von Vestas aus Lauchham-
mer und hält es auch in Zukunft mit dem Spruch von
Erich Kästner: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.«
Jörg Kuntzsch
Geschäftsführer BOREAS Energie GmbH
BOREAS Energie GmbH
Neue Energielandschaft: Im
Energiepark Elsterheide pro-
duzieren elf Vestas V90 und
eine Solaranlage zusammen
jährlich rund 60 Millionen
Kilowattstunden Strom. Das
entspricht dem Stromver-
brauch von 20.000 Durch-
schnittshaushalten – ausrei-
chend für die Einwohner der
Stadt Hoyerswerda und der
angrenzenden Gemeinden.
79
80 Vestas Blades Lauchhammer
Herausgeber
Vestas Blades Deutschland GmbH
John-Schehr-Straße 7
01979 Lauchhammer
www.vestas.de
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geber und den Fotografen.
© 2017 Vestas Blades Deutschland GmbH
Lauchhammer
Texte
Detlef Koenemann
Frank Drogla
Jan Oelker
Fotos
Jan Oelker, www.janoelker.de
alle Fotos außer:
MLK Archiv S. 77 u.
MLK/Mario Radoi S. 77 o.
Paul Langrock, www.paul-langrock.de
S. 64, 67, 68
Stadt Lauchhammer S. 28
Steffen Rasche S. 18 r.
UKA/Jan Gutzeit S. 75 o.
Vestas Archiv S. 18 l., 20
Gestaltung
kano. | Gestaltung für Technik
Jens Mangelsdorf
Volkmar Spiller
www.kano-design.de
Herstellung
Druckerei Thieme Meißen GmbH
www.druckereithieme.de
Impressum
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