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FACTS 2-3/2018 42 FACTS-TITEL Digitalisierung Zukunft 5.0 wer verpasst den Anschluss? Kein Diskussionsbeitrag, kein Fernsehbericht, kein Vortrag, der sich nicht auf den mittlerweile zum universalen Schlachtwort mutierten Begriff Digitalisierung bezieht. Sogar Politiker haben die magische Parole für sich entdeckt und dozieren darüber in allen Variationen. Doch wie sieht die Realität aus? Wie weit sind Unternehmen mit der Umsetzung der digitalen Transformation? Und wie können sie die Herausforderungen, die sie stellt, meistern und die Potenziale, die sie birgt, erschließen?

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FACTS 2-3/201842

FACTS-TITEL Digitalisierung Moderne Arbeitswelten

Zukunft 5.0 – wer verpasst den Anschluss?Kein Diskussionsbeitrag, kein Fernsehbericht, kein Vortrag, der sich nicht auf den mittlerweile zum universalen Schlachtwort mutierten Begriff Digitalisierung bezieht. Sogar Politiker haben die magische Parole für sich entdeckt und dozieren darüber in allen Variationen. Doch wie sieht die Realität aus? Wie weit sind Unternehmen mit der Umsetzung der digitalen Transformation? Und wie können sie die Herausforderungen, die sie stellt, meistern und die Potenziale, die sie birgt, erschließen?

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2-3/2018 FACTS 43

Moderne Arbeitswelten

D ie digitale Transformation

überrollt Gesellschaft und

Wirtschaft in einem nie da

gewesenen Tempo. Kein Bereich, der vom

Wandel unberührt bleibt. Was die Folgen die-

ser tiefen Veränderung unserer gesamten Welt

angeht, so sind manche bereits seit Jahren er-

kennbar und prägen unseren Alltag. Andere

dagegen bleiben unvorhersehbar oder zumin-

dest nur sehr ungenau darstellbar.

Und doch scheinen alle darüber Bescheid

zu wissen, allen voran die Politik. So halten

Vertreter verschiedenster Parteien, ungeachtet

ihrer sonstigen Ansichten, unermüdlich die

gleiche Rede. Stets geht es darum, im Rahmen

einer perfekten Vernetzung von Wirtschaft

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Moderne ArbeitsweltenFACTS-TITEL Digitalisierung

und Wissenschaft den Technologietransfer

zu forcieren und Innovationen zu erschaffen.

Dabei wolle man die Industrie unterstützen

und Forschung sowie Bildung fördern.

Zweifellos schöne Parolen und idyllische

Aussichten. Wenn da nicht die ernüchternde

Realität wäre. „Derzeit schöpft Deutschland

lediglich zehn Prozent seines digitalen Po-

tenzials aus und bleibt damit nicht nur weit

hinter dem Spitzenreiter USA (18 Prozent)

und anderen führenden Ländern wie Großbri-

tannien (17 Prozent), Schweden (15 Prozent)

oder Frankreich (12 Prozent) zurück, sondern

liegt auch deutlich unter dem europäischen

Durchschnitt von 12 Prozent“, schreiben die

Verfasser der von McKinsey Anfang 2017 ver-

öffentlichten Kurzstudie „Die Digitalisierung

des deutschen Mittelstands“. Im Umkehr-

schluss bedeute dies: Würde es Deutschland

gelingen, zur internationalen Spitze aufzu-

schließen, ließe sich bis 2025 eine zusätzliche

Wertschöpfung zwischen 374 und 603 Milli-

arden Euro jährlich generieren.

EIN LANGER WEG

Doch davon sind wir noch weit entfernt.

„Die Umfrageergebnisse machen besonders

eines deutlich“, betonen die Autoren. „Zwar ist

das Thema Digitalisierung im Mittelstand an-

gekommen, doch die meisten mittelständi-

schen Unternehmen haben erst in Ansätzen

die notwendigen Schlüsse aus dieser ,Revolu-

tion in Lichtgeschwindigkeit‘ gezogen – und

sind auch deshalb bislang nur eingeschränkt

in der Lage, ihr Geschäftsmodell zu digitalisie-

ren und Digitalisierung ,at scale‘ umzusetzen.“

Soll heißen: Der Mittelstand erkenne die Re-

levanz der Digitalisierung, betrachte diese aber

primär noch als bloßes IT-Phänomen und als

Hebel allein zur Produktivitätsverbesserung,

weshalb nicht nur attraktive Chancen wie et-

wa die Erschließung neuer Geschäftsfelder

mittels Digitalisierung auf der Strecke blieben,

sondern mittel- und langfristig auch die Wett-

bewerbsfähigkeit Schaden nehmen könne.

Dabei eröffnet die digitale Transformation

mittelständischen Unternehmen viele Chan-

cen, denn mit dem wohlklingenden Begriff

ist die Entwicklung von Technologien ge-

meint, die es erlauben, Daten in elektroni-

scher Form zu erfassen und aufzubereiten, zu

speichern und zu übertragen. Der Einsatz

dieser digitalen Technologien und die Bereit-

stellung der Daten, die sie produzieren, ver-

DIGITALE TRANSFORMATION: Sie erweist sich als eine komplexe Angelegenheit und stellt alle Wirtschaftsakteure vor immense Herausforderungen.

hilft Unternehmen und Organisationen zur

Schaffung neuer Produkte, Dienstleistungen

und Geschäftsmodelle. „Die Digitalisierung

bietet vielfältige Möglichkeiten, gerade auch

für den Mittelstand: Neue Produkte können

schneller hergestellt, Kundenwünsche besser

berücksichtigt, neue Geschäftsfelder und

Services angeboten werden“, schildert das

Bundesministerium für Wirtschaft und Ener-

gie (BMWi). Vor allem für kleinere Unterneh-

men erleichtere das Internet die Teilhabe an

Wertschöpfungsketten und verändere die

Beziehungen zu Beschäftigten, Kunden und

Lieferanten grundlegend.

BRANCHENUNTERSCHIEDE

Um die Digitalisierung voranzutreiben,

arbeiten 20 Prozent der Unternehmen mit

Partnern aus der eigenen Branche zusam-

men, 15 Prozent auch branchenübergrei-

fend. Aber nur etwa vier Prozent der Unter-

nehmen kooperieren aus diesem Grund

bislang mit Start-ups. Diese Zahlen liefert

der Monitoring-Report „Wirtschaft DIGITAL

2017“ – jedes Jahr misst der Monitor die Fort-

schritte bei der digitalen Transformation der

deutschen Wirtschaft und wird im Auftrag

des Bundeswirtschaftsministeriums von

Kantar TNS und dem Zentrum für Europäi-

sche Wirtschaftsforschung (ZEW ) Mann-

heim erstellt. Der diesjährige Report be-

richtet, dass sich der Digitalisierungsgrad

mittelständischer Unternehmen im Ver-

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NACHHOLBEDARF: Die meisten mittelständischen Unternehmen sind bisher nur bedingt in der Lage, ihr Geschäftsmodell zu digitalisieren.

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FACTS-TITEL Digitalisierung Moderne Arbeitswelten

MEHR UNTERSTÜTZUNG BITTE: Viele Mitarbeiter in Unternehmen fühlen sich auf die neuen Begebenheiten nicht ausreichend vorbereitet.

gleich zum Vorjahr zwar etwas verbessert

habe und dass die deutsche Wirtschaft er-

freulicherweise zunehmend in Industrie 4.0

investiere. Allerdings nutze nur jedes dritte

Unternehmen „Smart Services“ und nur je-

des fünfte „Big Data“. Künstliche Intelligenz

stehe noch am Anfang. Weitere Entwick-

lungspotenziale liegen in der Internationali-

sierung und der Exportorientierung der

deutschen IKT-Unternehmen.

Der digitale Wandel betrifft die gesamte

Wirtschaft, doch es gibt deutliche Bran-

chenunterschiede. „Die Digitalisierung trifft

die einzelnen Branchen in unterschiedlicher

zeitlicher Abfolge und mit unterschiedlicher

Wucht“, stellen die McKinsey-Analysten

fest. „Weniger anlagenintensive Branchen

beispielsweise sehen sich bereits jetzt deut-

lich stärker durch digitale Wettbewerber

unter Druck gesetzt als solche – wie etwa

Fabriken – mit großen physischen Assets

(Anlagevermögen).“ Und auch beim Thema

Personalgewinnung gebe es eine ungleiche

Lage je nach Branche. So falle die mittel-

und langfristige Bindung von digitalen

Fachkräften insbesondere Unternehmen des

Groß- und Einzelhandels schwer. Gründe

dafür seien häufig das vergleichsweise we-

nig attraktive Image mittelständischer Un-

ternehmen sowie ihr Standort. Speziell Be-

triebe, deren Hauptsitz sich in Städten mit

weniger als 300.000 Einwohnern befindet,

seien davon betroffen.

UNZUREICHENDE VORBEREITUNG

Umso wichtiger ist es vor diesem Hinter-

grund, die bereits vorhandenen Mitarbeiter

bei dem Wandel zu begleiten. Doch auch

hier macht sich Nachholbedarf bemerkbar.

Laut einer im Juli 2017 durchgeführten

Google-Umfrage von OpenText, einem An-

bieter von Enterprise-Information-Ma-

nagement (EIM), bei der 300 Deutsche im

Alter von 18 bis 70 Jahren zum Thema digi-

tale Transformation im Arbeitsumfeld in-

terviewt wurden, fühlen sich Arbeitnehmer

nicht ausreichend vorbereitet. Der Erhe-

bung nach seien rund 45 Prozent der Mei-

EINSEITIGES VERSTÄNDNIS: Laut Experten erkennt der Mittelstand die Relevanz der Digitali-sierung, betrachtet diese aber primär noch als bloßes IT-Phänomen.

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FACTS-TITEL Digitalisierung Moderne Arbeitswelten

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nung, dass Arbeitgeber ihre Ausbildungs-

pflichten im Hinblick auf die Digitalisierung

vernachlässigen. „Vor allem Männer (49 Pro-

zent) finden, dass Unternehmen mehr dafür

tun sollten, um Angestellte auf die digitale

Zukunft vorzubereiten. Bei den weiblichen

Befragten beläuft sich die Zahl auf 36 Pro-

zent“, fanden die Experten heraus. Außer-

dem wünschen sich 40 Prozent aller

Befragten, stärker in technologische Ent-

scheidungen einbezogen zu werden. Neue-

rungen in digitalen Prozessen sollen klar

kommuniziert werden. Höchst bedenklich:

28 Prozent der Interviewten beklagen, dass

Arbeitgeber von ihnen erwarten, neue

Technologien ohne angemessene Einarbei-

tung zu nutzen.

Eine Folge dieser Missstände ist, dass

22 Prozent aller Befragten aufgrund der an-

haltenden Diskussionen über die digitale

Transformation um ihren Job bangen, da sie

befürchten, den steigenden Ansprüchen auf-

grund technischer Neuerungen nicht ge-

wachsen zu sein.

Diese Ängste rund um digitale Prozesse

zeigen vorrangig ältere Generationen – Mil-

lennials (18 bis 34 Jahre) sind gelassener und

schauen viel positiver in die Zukunft. „Die

Sorge um einen Jobverlust ist in dieser Grup-

pe am geringsten“, fand die Studie heraus.

„61 Prozent der Millennials stehen der digita-

len Transformation völlig unbekümmert ge-

genüber.“ Die Älteren dagegen wünschen

sich verstärkt Weiterbildung und Hilfe im

Zusammenhang mit der Digitalisierung. Für

Unternehmen bedeute dies, dass sie mög-

lichst zeitnah reagieren und in die Aus- und

Weiterbildung digitaler Kompetenzen ihrer

Arbeitnehmer investieren müssen, gerade

bei der Generation 40 plus.

„Obwohl Digital Natives einen immer

größeren Anteil der Mitarbeiter ausmachen

und somit für Unternehmen relevanter wer-

den, darf die Generation 40 plus nicht außer

Acht gelassen werden“, warnt Roger Illing,

Vice President Sales DACH bei OpenText.

„Unternehmen müssen auf Management-

ebene reagieren und zusätzliche Weiterbil-

dungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer sowie

passende Softwarelösungen bereitstellen.“

Außerdem müsse sichergestellt werden,

ANGST UND BANGE: Untersuchungen ergaben, dass sich ein beträchtlicher Anteil der Arbeitnehmer um ihren Job sorgt und befürchtet, den technischen Anforderungen des digitalen Wandels nicht gewachsen zu sein.

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Moderne Arbeitswelten

FACTS 2-3/201848

Anne M. Schüller & Alex T. Steffen Fit für die Next EconomyZukunftsfähig mit den Digital NativesWiley-VCH Verlag1. Auflage April 2017271 Seiten, Hardcover EUR € 19,99 ISBN: 978-3-527-50911-9

In Zeiten des Wandels von der Industrie- zur Netzgesellschaft ändern sich die Spielregeln grundlegend. Wer diese nicht beherrscht, hat bereits heute schlechte Karten und der Anschluss an die Netzökonomie wird für Unternehmen zu einer Überlebensfrage.

Hier können die Digital Natives helfen, sind sich Bestseller-Autorin und Busi-ness-Coach Anne M. Schüller und Alex T. Steffen, Unternehmensberater mit Fokus Innovation und Digitale Transformation, sicher. Denn die Millennials gehören zu der bestausgebildeten und zugleich kreativsten Generation, die es jemals gab. Dank ihrer digitalen Kernkompetenzen und eines ausgeprägten Sinns für Innovationen fördern sie neuartige Geschäfts-, Arbeits-, Finanzie-rungs-, Kommunikations-, Kauf- und nicht zuletzt Lebensmodelle.

Wie die Old Economy davon profitieren kann und wie sich klassische Organisati-onen auf die Zukunft vorbereiten können, erläutern die Autoren ausführlich und empfehlen zudem eine ganze Reihe von Vorgehensweisen, um Arbeitsumge-bungen zeitgemäßer und Geschäftsmodelle kundenfreundlicher zu gestalten.

LITERATURTIPPE-PubEUR 17,99ISBN: 978-3-527-81216

MobilEUR 17,99ISBN: 978-3-527-81215-8

FACTS-TITEL Digitalisierung

dass die ältere Generation ihre Branchen-

expertise und das Know-how an jüngere Ar-

beitskräfte weitergibt.

Doch auch die jüngeren Generationen

können die älteren unterstützen. Warum die

„Alten“ die „Jungen“ ebenfalls brauchen,

erläutern Managementdenkerin, Bestseller-

Autorin und Business-Coach Anne M. Schüller

und Alex T. Steffen, Unternehmensberater

mit Fokus Innovation und Digitale Transfor-

mation, in ihrem Buch „Fit für die Next Eco-

nomy – Zukunftsfähig mit den Digital Nati-

ves“ (siehe Infokasten auf dieser Seite). Es

geht für Unternehmen darum, sich die digi-

tale Kompetenz der Jüngeren zunutze zu ma-

chen, um sich auf die Zukunft und ihre im-

mer schnelleren Zyklen einzustellen und sich

die dafür nötigen Eigenschaften anzueignen:

digitaler denken, kollaborativer handeln und

agiler werden.

Und die Umstellung ist dringend: „Wis-

senschaftler gehen davon aus, dass bis zum

Jahr 2025 rund 40 Prozent der heutigen For-

tune-500-Firmen verschwunden sein wer-

den“, schreiben die Autoren. „Der häufigste

Grund dafür: Managementirrtümer – allen

voran das Festhalten an veralteten Struktu-

ren, Geschäftsmodellen und Wertschöp-

fungsketten.“ Neben den sich daraus erge-

benden Veränderungsblockaden erweise sich

auch der unerschütterliche Glaube an die

unternehmerische Überlegenheit oder per-

sönliche Unersetzlichkeit, also Selbstüber-

schätzung und Selbstherrlichkeit, als höchst

gefährlich. „So was macht blind und taub für

mögliche Angriffe von außen. Und intern

züchtet man damit einen hypergefährlichen

Jasager-Kult.“

EINE FRAGE DES ÜBERLEBENS

Also eine Überlebensfrage. Doch eins ist

sicher: Ob jung oder alt, Mitarbeiter brauchen

ein auf die neuen Anforderungen abgestimm-

tes Arbeitsumfeld. Speziell die IT-Mittel soll-

ten neue Arbeitsweisen unterstützen können

– dies auch, wenn sie, wie bereits erläutert, nicht

das Wundermittel sind, um eine gelungene digi-

tale Transformation herbeizuzaubern. „Digitale

Transformation bedeutet für die europäischen

Unternehmen, fundamentale Veränderungen

vorzunehmen“, besagt die von Matrix42 unter-

stützte Studie PAC (Pierre Audoin Consultants)

„Digital Workplace in Europe“. Die Ziele der Digi-

talisierung seien zwar unterschiedlich – Erhöhung

der Agilität, Verbesserung der Servicequalität, Pro-

zessoptimierungen oder Innovationsförderung;

zentraler Ausgangspunkt für die Veränderungen

sei aber stets die Arbeitsumgebung der Mitarbei-

ter: „Die Performance der Mitarbeiter ist entschei-

dend in der digitalisierten internationalen

Wissenswirtschaft. Dementsprechend weisen

drei Viertel der von PAC befragten IT- und HR-

Manager in Europa und sogar 90 Prozent der in

Deutschland Befragten der Qualität der IT-

Arbeitsumgebung große Bedeutung für den Un-

ternehmenserfolg zu.“

Klingt wohl einleuchtend, und dennoch tut kei-

ner richtig etwas. „Das Wissen um die Bedeu-

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FACTS-TITEL Digitalisierung Moderne Arbeitswelten

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Josef Glöckl · Dieter BreitheckerActive OfficeWarum Büros uns krank machen und was dagegen zu tun istSpringer Gabler Verlag200 Seiten, Hardcover EUR 29,99 ISBN 978-3-658-05927-9

E-Book EUR 22,99ISBN 978-3-658-07516-3

Schnell, vernetzt und bequem: Das sind die Eigenschaften, die ein moderner Arbeitsplatz unbedingt aufweisen sollte. Alles nur einen Mausklick entfernt. Doch dabei läuft der Mensch Gefahr, aufgrund chronischen Bewegungsman-gels Fitness und Gesundheit einzubüßen.

Im Active Office dagegen – dem Büro der Zukunft – wird im Einklang mit der menschlichen Natur gelebt und gearbeitet. Basierend auf Erkenntnissen der Anthropologie, Biochemie, Osteopathie und Psychologie sowie der klinischen Psycho-Neuro-Immunologie und der Bewegungslehre stellt das von Josef Glöckl, Bau- und Wirtschaftsinge-nieur, Gründer und Inhaber des insbesondere für ihren „swopper“ bekannten Unternehmens aeris, und Dieter Breithecker, Sport- und Bewegungswissenschaftler, entwi-ckelte Konzept mit seinen elf Elementen den Erhalt von Gesund-heit und Leistungsfähigkeit sicher.

LITERATURTIPP

tung der Workplace-Modernisierung spie-

gelt sich bei der Mehrheit der Unternehmen

bislang noch nicht in deren Investmentagen-

da wider“, haben die Studienverfasser festge-

stellt. „Derzeitige Digitalisierungsinitiativen

zielen primär auf die Verbesserung der Inter-

aktion mit den Kunden, die Einführung von

Internet-der-Dinge-Infrastrukturen sowie von

Big-Data-Lösungen.“ Wurden Projekte zur Ar-

beitsplatzmodernisierung früher jedoch in

erster Linie aus Effektivitätsgründen angegan-

gen, müsse nun die Realisierung bestimmter

Geschäftsziele im Mittelpunkt stehen, wie et-

wa eine erhöhte Mitarbeiterzufriedenheit

oder die Förderung von Zusammenarbeit und

Innovation.

Nicht zuletzt auch gelte es, höchsten Si-

cherheitsansprüchen zu genügen und Kos-

teneffizienz zu schaffen. „Die Zeit, in der es

ausreichend war, neue Endgeräte oder neue

Applikationen einzuführen, ist vorbei. Die

anspruchsvollen Digitalisierungsziele der

Unternehmen sind nur mit modernen, inte-

grierten IT-Arbeitsplatzumgebungen zu er-

reichen. Viele Unternehmen werden daher

ihre Budgets entsprechend ausrichten und

sich am Markt nach geeigneten ganzheitli-

chen Lösungen umsehen, mit denen sich

diese Ziele bei gleichzeitig professionellem

Betrieb und Service inklusive hoher Anwen-

derausrichtung und (Daten-)Sicherheit er-

reichen lassen“, erklärt Oliver Bendig, CEO

von Matrix42.

Höchst bedenklich: Im europäischen Ver-

gleich hinken deutsche Unternehmen bei

der Modernisierung der Arbeitsplätze laut

der Studie deutlich hinterher. Dies gelte ins-

besondere für die Einführung von Cloud-

Lösungen und bei der Implementierung von

flexiblen Nutzerkonzepten.

UND DIE GESUNDHEIT?

Doch nicht nur im Bereich der techni-

schen Mittel stellt Digitalisierung neue An-

forderungen an die Arbeitsplätze. „Das Büro

der Zukunft wird sich stärker an die durch

Digitalisierung und Globalisierung verän-

derten Arbeitsabläufe, Kommunikationsbe-

dürfnisse und neuen Modelle der Zusam-

menarbeit anpassen“, lautet das Fazit der im

Auftrag der Messe Frankfurt für die Paper-

world – eine führende Fachmesse für Papier,

Bürobedarf und Schreibwaren – vom Pragma

Institut durchgeführte Studie „Working

Spaces 2025“. Immerhin seien 61 Prozent der

befragten deutschen Büroarbeiter der Mei-

nung, sie brauchten flexiblere Strukturen in

der Büroumgebung und wollten in Zukunft

nicht mehr auf einen einzigen räumlich fest-

gelegten Arbeitsplatz im Unternehmen be-

schränkt sein. Wobei allerdings die Mehrheit

von ihnen es ablehnt, in Cafés, Parks oder

anderen öffentlichen Räumen zu arbeiten.

Insbesondere dem Erhalt der Gesundheit

durch ergonomische Büroeinrichtung, die

den Bedürfnissen und der genetischen Ver-

anlagung des Menschen entspricht, kommt

eine zunehmend wichtige Bedeutung zu.

„Wir benötigen Bewegung, um gesund zu

überleben“, schreibt Josef Glöckl, Bau- und

Wirtschaftsingenieur und Gründer sowie In-

haber der aeris GmbH in dem Buch „Active

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FACTS-TITEL Digitalisierung Moderne Arbeitswelten

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Office – Warum Büros uns krank machen und

was dagegen zu tun ist“, das er gemeinsam

mit dem Sport- und Bewegungswissen-

schaftler Dieter Breithecker verfasst hat (sie-

he Infokasten auf Seite 50). „Bekommt unser

Körper zu wenig davon, werden wir zuerst

krank, wie es die steigende Zahl der Zivilisa-

tionskrankheiten zeigt, verlieren unsere

Leistungsfähigkeit und Lebensqualität und

werden schließlich zum Pflegefall, bevor un-

ser Leben zu Ende geht.“

VIEL LUFT NACH OBEN

Glöckls Antwort darauf ist Active Office,

ein Konzept, das die Arbeitsorganisation da-

hingehend verändert, dass jedes Bedürfnis

des Menschen – etwa nach Information,

nach einem neuen Vorgang, nach Ablage

oder nach dem Telefon – regelmäßig intuiti-

ve, komplexe, abwechslungsreiche Bewe-

gung hervorruft – und zwar in allen drei Di-

mensionen durch Aufstehen, Gehen, in-die

-Hocke-Gehen, Stehen oder Strecken. Dies

wird durch zwei Maßnahmen erreicht: Die

gesamte Ablage befindet sich im „Orga-

board“, wobei der Schreibtisch lediglich zum

Arbeiten dient. Und statt an einem Schrei-

tisch arbeitet man an einer Steharbeitsfläche

und einer Sitzarbeitsfläche, die jeweils nur

halb so groß sind wie ein konventioneller

Schreibtisch, wobei beide mit Bildschirm,

Tastatur und Maus ausgestattet sind. Dank

der Active-Office-Software wandert der Bild-

schirminhalt nach einem bestimmten,

selbstgewählten Intervall von einer Arbeits-

fläche zur anderen. „Zum Telefonieren steht

man auf, denn das Headset befindet sich auf

dem ,zentralen Computerblock“‘, beschreibt

Glöckl die Einrichtung. „Zum Durchsuchen

der Terminvorlage geht man in die Knie,

denn diese befindet sich in einem Auszieh-

fach unten. Zum Abholen eines neuen Vor-

gangs streckt man sich, denn dieser befindet

sich im Orgaboard oben. Die Befriedigung

jedes Bedürfnisses bedingt Bewegung.“

In den meisten Büros ist man allerdings

von diesem Idealzustand noch weit entfernt

und es gibt viel Luft nach oben: „Insgesamt

zeigen sich 41 Prozent der Büroarbeiter un-

zufrieden mit ihrem aktuellen Arbeitsplatz-

umfeld und geben fehlende Möglichkeiten

der Mitgestaltung sowie unbefriedigende

ergonomische, lichttechnische und akusti-

sche Bedingungen als Gründe an.“ Laut

„Working Spaces 2025“ erwarte mehr als die

Hälfte der Befragten von ihren Arbeitgebern,

dass sich ihr Büroumfeld bis 2025 entweder

massiv in der Qualität verbessert oder es so-

gar eine grundlegende Neuorientierung in

der Gestaltung gibt.

Sicher ist auf jeden Fall: Die digitale

Transformation erweist sich als eine komple-

xe Angelegenheit und stellt alle Wirtschafts-

akteure vor immense Herausforderungen.

Eine unabdingbare Voraussetzung, um diese

Hürden zu nehmen, ist das absolute Ver-

ständnis der neuen digitalen Welt, ihrer

Merkmale und der Umbrüche, die sie in un-

serem Arbeitsalltag mit sich bringt.

Wichtig ist es zudem, zu begreifen, dass

dieses Thema nicht nur technisch anspruchs-

voll ist. Wer es als Unternehmen versäumt,

Mitarbeiter in die Veränderungsprozesse ein-

zubeziehen und Raum für offenen Austausch

zu schaffen, sodass sie zum digitalen Wandel

eine positive Einstellung entwickeln und ihn

als Chance wahrnehmen, läuft Gefahr, den

Anschluss zu verlieren und schließlich seine

Zukunft aufs Spiel zu setzen.

Graziella Mimic g

UNVERANTWORTLICH: Marktbeobachter monieren, dass sich bei der Mehrheit der Unternehmen das Wissen um die Bedeutung der Workplace-Modernisierung bislang noch nicht in deren Investmentagenda widerspiegelt.