Zisterer, Monika 2012. Über Das Kopftuch
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ber das Kopftuch
13.12.2012Die Frage des muslimischen Kopftuches ist
aktuell ein gesellschaftlich brisantes Thema.
Monika Zisterer hat sich ihr von der Seite der
muslimischen Frauen genhert und entdeckte
selbstbewusste Frauen, die das Kopftuch ohne
Zeichen von Fremdbeeinflussung tragen.
Foto: Hinter dem Stck Stoff verbirgt sich aus der Sicht vonMusliminnen vielmehr als nur ein Symbol des Islam. (Foto:istockphoto.com)
Die westliche Vorstellung der islamischen Frau ist geprgt von stigmatisierenden
Bildern, die vor allem durch Gesellschaft und Medien tradiert werden. Der
eurozentrische, westliche Blick auf den Islam und den Orient hat eine lange Tradition,
der oftmals mit Orientalisierungsfantasien einhergeht, wie dem Bild der verschleierten
Frau im Harem, das sehr stark sexuell besetzt ist, oder der unterdrckten muslimischen
Kopftuchtrgerin. Diese negative Vorstellung im Westen wird genhrt durch
Medienberichte ber islamische Gesellschaften: Vorrang des Mannes in der Familie,
Polygamie, Ausschluss der Frau aus dem gesellschaftlichen Leben. Nicht fr alle
Musliminnen ist das Kopftuch ein Zeichen der Unterdrckung. Viele entscheiden sich
bewusst und eigenstndig fr das Tragen eines Kopftuches, erklrt Dr. Monika
Zisterer. Sie fhrte Interviews mit muslimischen Frauen mit trkischem
Migrationshintergrund im Alter von zwanzig bis dreiig Jahren und traf auf
selbstbewusste Musliminnen mit Kopftuch, ohne Anzeichen von Unterdrckung oder
Fremdbeeinflussung. Das hat mich irritiert und zugleich aber auch neugierig gemacht,
weil es die gngige Vorstellung von muslimischen Frauen verworfen hat, so die
Bildungswissenschaftlerin.
Motivationen fr das Kopftuch
Hinter dem Stck Stoff, das in den Medien immer wieder stark diskutiert wird, verbirgt
sich aus der Sicht von Musliminnen vielmehr als nur ein Symbol des Islam. Es
reprsentiert eine Lebenseinstellung. Der Glaube an Allah ist fr die Frauen das
wichtigste Motiv fr das Tragen eines Kopftuchs. Es ist aber nur als Teil einer
Universitt InnsbruckiPoint - das Informationsportal der Universitt Innsbruck
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ganzheitlichen Glaubenspraxis zu begreifen, erlutert Monika Zisterer das zentrale
Motiv der Musliminnen. Das Kopftuch ist fr die Frauen nur ein Puzzleteil einer
Ganzheit. Das Kopftuchtragen allein ist im Hinblick auf den muslimischen Glauben nicht
ausreichend. Es entfaltet seine Wirkung erst dann, wenn auch alle anderen Gebote des
Islam eingehalten werden und eine ganzheitliche islamische Glaubenspraxis gelebt
wird. Aus der Sicht der Musliminnen ist dies das grte Motiv, aber natrlich gibt es
noch weitere Motivationen, die die Frauen bewegen ein Kopftuch zu tragen. Bei den
Frauen, die ich interviewt habe, handelt es sich um die erste bzw. zweite Generation
von Migrantinnen. Dementsprechend spielt auch die Migrationsgeschichte eine Rolle,
so Zisterer. Fr einige der Frauen fhrten Ausgrenzungserfahrungen dazu, sich
verstrkt mit ihrem Glauben auseinanderzusetzen und sich dem Islam zuzuwenden.
Bin ich sterreicherin oder Trkin? Die Frage nach der Identitt spielt bei der
Entscheidung fr das Kopftuch und somit fr den islamischen Glauben eine nicht
unwesentliche Rolle. Die Frauen sehen den Islam als Ausweg, da sie sich weder mehr
als sterreicherin, noch mehr als Trkin fhlen, sondern als sterreichische Muslima
mit trkischem Migrationshintergrund. Sozusagen eine dritte Identitt zwischen den
natio-ethnokulturellen Identitten. Hinsichtlich der Zugehrigkeitsordnungen schafft
der Glaube eine enorme Erleichterung fr die Frauen, weil sie fr sich selber einen
auerordentlichen Standpunkt, auerhalb dieser Eingliederungsdebatte, gefunden
haben. Ein weiteres Motiv ist die Kritik an der Sexualisierung des weiblichen Krpers,
also die Darstellung der Frauen als Sexualobjekte in den Medien und im tglichen
Leben. Die Verschleierung durch das Kopftuch bietet ihnen einen Schutz vor dieser
Sexualisierung. Muslimische Frauen mchten mehr als Persnlichkeit wahrgenommen
werden, denn als Objekt der Begierde.
Diskriminierung der Musliminnen
So selbstbewusst das Kopftuch auch getragen wird, stellt es leider dennoch viel zu oft
ein Hindernis bei der gesellschaftlichen Teilhabe der muslimischen Frauen, vor allem in
beruflicher Hinsicht, dar. Von den Interwiewpartnerinnen sind viele Frauen
Studentinnen, die nach dem Abschluss gern einen Beruf ergreifen und dabei nicht auf
das Kopftuch verzichten mchten, dies aber zumeist gefordert wird, sagt Zisterer und
ergnzt, dass darin die Absurditt der Debatte begraben liegt. Einerseits spricht die
Gesellschaft von den armen unterdrckten Musliminnen, andererseits werden
Emanzipationsbestrebungen unterbunden. Emanzipation soll immer nur in eine
Richtung erfolgen und zwar in die Richtung, die von der Mehrheitsgesellschaft
vorgesehen ist. Dementsprechend ist noch ein groer Schritt in Richtung Gleichheit,
Freiheit und Solidaritt zu tun, um die gesellschaftliche Stigmatisierung der
glaubensberzeugten Kopftuchtrgerinnen zu unterbinden.
Zur Person
Monika Zisterer studierte Erziehungswissenschaft mit den Schwerpunkten
Psychoanalytische Pdagogik sowie Psychosoziale Arbeit und schrieb ihre
Diplomarbeit zum Titel Mediale Vaterbilder und partnerschaftliche Vatervorstellungen.
Zustzlich absolvierte sie den Lehrgang des psychotherapeutischen Propdeutikums an
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Bro fr ffentlichkeitsarbeit und Kulturservice | Universitt Innsbruck
der Universitt Innsbruck. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt in der Kritischen
Migrations- und Frauenforschung. Fr ihre Dissertation Verschleierungen. Gesprche
ber das Kopftuch... erhielt Monika Zisterer am 6. November dieses Jahres den Preis
fr frauen-/geschlechtsspezifische/ feministische Forschung an der Universitt
Innsbruck, der mit Euro 3.000 dotiert ist.
(nh)
Druckversion: http://www.uibk.ac.at/ipoint/news/2012/ueber-das-kopftuch.html.de | gedruckt am:14.12.2012
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