Zeolithe – Maßgeschneiderte „Reaktionsgefäße“ mit ...

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Wissenschaftliche Zeitschrift der Technischen Universität Dresden • 56 (2007) Heft 1 – 2 • Nanowelt 67 Der Beitrag gibt einen kurzen Überblick zum Stand und zu Perspektiven zeolithischer Molekularsiebe als vielseitige mikroporöse Materialien für Wissenschaft und Technik. Zeolithe sind kristalline Gerüst- Alumosilicate. Das regelmäßige Porensystem der Zeolithe mit Hohlräumen und Kanälen in Subnanometerdimensionen sowie die daraus resultierenden charakteristischen Eigenschaf- ten prädestinieren sie für einen breiten Einsatz als Ionenaus- tauscher, Adsorbentien und Katalysatoren in der chemi- schen Technik. Die neueren Erkenntnisse der Zeolith- forschung belegen, dass das Anwendungspotenzial zeolithi- scher Molekularsiebe noch lange nicht erschöpft ist und dass vielfältige Teilgebiete der Chemie, Physik, Biologie, Mikrostrukturtechnik etc. dieser Substanzklasse zunehmendes Interesse entgegenbringen. This contribution presents a short overview of the state-of- the-art and prospects of zeolitic molecular sieves as versatile microporous materials for sci- ence and technology. Zeolites are crystalline framework alumi- nosilicates. The regular pore system of the zeolites, with cavities and channels of subna- nometre dimensions, as well as the characteristic properties resulting therefrom, predestine them for a broad range of appli- cations as ion exchangers, adsorbents and catalysts in che- mical technology. The most recent results of zeolite rese- arch prove that the potential of zeolitic molecular sieves is still far from being exhausted, and that various subsections of che- mistry, physics, biology, micro- structure technology, etc. are directing increasing interest to this substance class. 1 Entdeckung und Anwendung Als der schwedische Mineraloge Baron AXEL FR. CRONSTEDT im Jahre 1756 zum ersten Mal die bis dahin unbekannte Mi- neralgruppe der wasserhaltigen Gerüst- silicate beschrieb [1] (Bild 1), konnte er nicht ahnen, welche beispielhafte Entwick- lung diese Stoffklasse, die er als „Zeolithe“ bezeichnete, in den folgenden 250 Jahren durchlaufen würde. CRONSTEDT leitete den Namen „Zeolith“ aus dem Griechischen ab, was im Deutschen „Siedestein“ bedeutet (zeos – sieden und lithos – Stein). Diese Be- zeichnung geht auf die Beobachtung des tüchtigen und aufmerksamen Forschers zurück, dass das in der Natur vorkommende Zeolithgestein beim Erhitzen unter Wasser- abgabe „[...] im Feuer vor dem Lötröhrchen wallet und schäumet [...] fast wie Borax“. Spätere Untersuchungen zeigten, dass, wenn den natürlichen Zeolithen das Wasser entzogen wird, sie danach wiederum was- seranziehend wirken und somit für die Nutzung als Trockenmittel prädestiniert sind. Später erkannte MCBAIN [2] zusätzlich die trennende Wirkung einiger natürlicher Zeolithe, die in der Lage sind, Gas- und Dampfgemische je nach Molekülgröße in ihre Bestandteile zu zerlegen. Daraufhin gab er den Zeolithen den treffenden Gebrauchs- namen „Molekularsiebe“. Nachdem seit Mitte des 20. Jahrhunderts auf der Grundlage systematischer Untersu- chungen von BARRER [3] die Synthese von Zeolithen nach dem Vorbild der Natur auch im technischen Maßstab möglich wurde [4], begann der eigentliche Siegeszug der Zeo- lithe, die heute als effektive Ionenaus- tauscher, Adsorbentien und Katalysatoren in zahlreichen Wirtschaftszweigen außeror- dentlich breite Anwendung finden [5]. Zeolithe können deshalb so vielseitig ge- nutzt werden, weil diese porösen Feststoffe aufgrund zahlloser Mikroporen mit Abmes- sungen im Nanometerbereich eine giganti- sche „innere“ Oberfläche entwickeln. Zum Beispiel erreichen weniger als zehn Gramm des Festkörpers die Größe eines ganzen Fußballfeldes. Dadurch bieten sie unendlich viel Platz zur Aufnahme von Molekülen und Ionen, wobei Letztere im hydratisierten Zustand frei beweglich sind und daher pro- blemlos gegen andere Ionen ausgetauscht werden können. Aus diesem Grund wird der synthetische Zeolith NaA zum Beispiel als Ionenaustauscher in Waschmitteln einge- setzt. Seine Hauptaufgabe besteht dabei darin, das Waschwasser durch den Aus- tausch von Natriumionen des Zeoliths gegen Calcium- und Magnesiumionen des Wassers zu enthärten. Da man in der Lage ist, durch wechseln- de Zusammensetzung solcher Zeolithe bei einer definierten Struktur die Porengröße und damit auch den Zugang zum Zeolith- inneren gezielt für ganz bestimmte Mole- küle und Ionen je nach ihrer Gestalt und Größe „maßzuschneidern“, können unter- schiedlich große Moleküle voneinander getrennt werden (aussieben). Die Wirkung der Zeolithe als Molekularsiebe wird bereits seit mehreren Jahrzehnten mit großem Erfolg in Stofftrennverfahren der Raffine- rietechnik genutzt. So werden mit dem Zeolith CaA die zur Herstellung von Ten- siden benötigten „schlanken“ langkettigen Kohlenwasserstoffe von den „sperrigen“ verzweigten Molekülen aus Mitteldestillat selektiv abgetrennt. Zeolithe haben die Besonderheit, dass ihre Porenwände je nach chemischer Zu- sammensetzung ein breites Spektrum von stark sauren bis stark basischen Oberflä- (Wiss. Z. TU Dresden 56 (2007) Heft 1 – 2) Wladimir Reschetilowski und Helge Toufar Zeolithe – Maßgeschneiderte „Reaktionsgefäße“ mit Nanodimensionen

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Wissenschaftliche Zeitschrift der Technischen Universität Dresden • 56 (2007) Heft 1 – 2 • Nanowelt

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Der Beitrag gibt einen kurzen

Überblick zum Stand und zu

Perspektiven zeolithischer

Molekularsiebe als vielseitige

mikroporöse Materialien für

Wissenschaft und Technik.

Zeolithe sind kristalline Gerüst-

Alumosilicate. Das regelmäßige

Porensystem der Zeolithe mit

Hohlräumen und Kanälen in

Subnanometerdimensionen

sowie die daraus resultierenden

charakteristischen Eigenschaf-

ten prädestinieren sie für einen

breiten Einsatz als Ionenaus-

tauscher, Adsorbentien und

Katalysatoren in der chemi-

schen Technik. Die neueren

Erkenntnisse der Zeolith-

forschung belegen, dass das

Anwendungspotenzial zeolithi-

scher Molekularsiebe noch

lange nicht erschöpft ist und

dass vielfältige Teilgebiete der

Chemie, Physik, Biologie,

Mikrostrukturtechnik etc. dieser

Substanzklasse zunehmendes

Interesse entgegenbringen.

This contribution presents a

short overview of the state-of-

the-art and prospects of zeolitic

molecular sieves as versatile

microporous materials for sci-

ence and technology. Zeolites

are crystalline framework alumi-

nosilicates. The regular pore

system of the zeolites, with

cavities and channels of subna-

nometre dimensions, as well as

the characteristic properties

resulting therefrom, predestine

them for a broad range of appli-

cations as ion exchangers,

adsorbents and catalysts in che-

mical technology. The most

recent results of zeolite rese-

arch prove that the potential of

zeolitic molecular sieves is still

far from being exhausted, and

that various subsections of che-

mistry, physics, biology, micro-

structure technology, etc. are

directing increasing interest to

this substance class.

1 Entdeckung und Anwendung

Als der schwedische Mineraloge BaronAXEL FR. CRONSTEDT im Jahre 1756 zumersten Mal die bis dahin unbekannte Mi-neralgruppe der wasserhaltigen Gerüst-silicate beschrieb [1] (Bild 1), konnte ernicht ahnen, welche beispielhafte Entwick-lung diese Stoffklasse, die er als „Zeolithe“bezeichnete, in den folgenden 250 Jahrendurchlaufen würde. CRONSTEDT leitete denNamen „Zeolith“ aus dem Griechischen ab,was im Deutschen „Siedestein“ bedeutet(zeos – sieden und lithos – Stein). Diese Be-zeichnung geht auf die Beobachtung destüchtigen und aufmerksamen Forscherszurück, dass das in der Natur vorkommendeZeolithgestein beim Erhitzen unter Wasser-abgabe „[...] im Feuer vor dem Lötröhrchenwallet und schäumet [...] fast wie Borax“.

Spätere Untersuchungen zeigten, dass,wenn den natürlichen Zeolithen das Wasserentzogen wird, sie danach wiederum was-seranziehend wirken und somit für dieNutzung als Trockenmittel prädestiniertsind. Später erkannte MCBAIN [2] zusätzlichdie trennende Wirkung einiger natürlicherZeolithe, die in der Lage sind, Gas- undDampfgemische je nach Molekülgröße inihre Bestandteile zu zerlegen. Daraufhin gaber den Zeolithen den treffenden Gebrauchs-namen „Molekularsiebe“.

Nachdem seit Mitte des 20. Jahrhundertsauf der Grundlage systematischer Untersu-chungen von BARRER [3] die Synthese vonZeolithen nach dem Vorbild der Natur auchim technischen Maßstab möglich wurde [4],begann der eigentliche Siegeszug der Zeo-lithe, die heute als effektive Ionenaus-tauscher, Adsorbentien und Katalysatoren inzahlreichen Wirtschaftszweigen außeror-dentlich breite Anwendung finden [5].

Zeolithe können deshalb so vielseitig ge-nutzt werden, weil diese porösen Feststoffeaufgrund zahlloser Mikroporen mit Abmes-sungen im Nanometerbereich eine giganti-sche „innere“ Oberfläche entwickeln. ZumBeispiel erreichen weniger als zehn Grammdes Festkörpers die Größe eines ganzenFußballfeldes. Dadurch bieten sie unendlichviel Platz zur Aufnahme von Molekülen undIonen, wobei Letztere im hydratisiertenZustand frei beweglich sind und daher pro-blemlos gegen andere Ionen ausgetauschtwerden können. Aus diesem Grund wird dersynthetische Zeolith NaA zum Beispiel alsIonenaustauscher in Waschmitteln einge-setzt. Seine Hauptaufgabe besteht dabeidarin, das Waschwasser durch den Aus-tausch von Natriumionen des Zeoliths gegenCalcium- und Magnesiumionen des Wasserszu enthärten.

Da man in der Lage ist, durch wechseln-de Zusammensetzung solcher Zeolithe beieiner definierten Struktur die Porengrößeund damit auch den Zugang zum Zeolith-inneren gezielt für ganz bestimmte Mole-küle und Ionen je nach ihrer Gestalt undGröße „maßzuschneidern“, können unter-schiedlich große Moleküle voneinandergetrennt werden (aussieben). Die Wirkungder Zeolithe als Molekularsiebe wird bereitsseit mehreren Jahrzehnten mit großemErfolg in Stofftrennverfahren der Raffine-rietechnik genutzt. So werden mit demZeolith CaA die zur Herstellung von Ten-siden benötigten „schlanken“ langkettigenKohlenwasserstoffe von den „sperrigen“verzweigten Molekülen aus Mitteldestillatselektiv abgetrennt.

Zeolithe haben die Besonderheit, dassihre Porenwände je nach chemischer Zu-sammensetzung ein breites Spektrum vonstark sauren bis stark basischen Oberflä-

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Wladimir Reschetilowski und Helge Toufar

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„Reaktionsgefäße“ mit

Nanodimensionen

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chenzentren enthalten können. Dadurch können die chemi-schen Bindungen eingedrungener Moleküle leichter, schnel-ler und zielgerichteter gespalten und neu gefügt werden, wasals „katalytische Wirkung von Zeolithen“ bezeichnet wird.Harmonieren darüber hinaus die Moleküldurchmesser mitder Größe der Zeolithhohlräume und -kanäle als „Reak-tionsgefäße“, so spricht man von der „Molekülform-selekti-ven Katalyse“. Ein Paradebeispiel für die quantitativ gese-hen wichtigste Anwendung der Zeolithe als Katalysatorenist das so genannte FCC-Verfahren (Fluid CatalyticCracking). Dabei werden schwere Erdölfraktionen inGegenwart sauer wirkender Zeolithe als Aktivkomponentezu hochoctanigen Kraftstoffen gespalten.

2 Aufbau, Struktur und Charakterisierung

Die vielseitige Nutzung der Zeolithe beruht in erster Linieauf der Vielfalt ihrer möglichen Gerüststrukturen. Diesebestehen aus über Sauerstoffatome miteinander eckenver-knüpften (AlO4/2)-- und (SiO4/2)-Tetraedern als primäreBaueinheiten und sind mit einzigartigen Festkörper-Ober-flächeneigenschaften verbunden. Diese Baueinheiten kön-nen auf verschiedene Weise zu sekundären Baueinheiten

(sogenannte SBUs – Secondary Building Units) bzw.Polyedern und letztlich zu Tertiärstrukturen unterschied-lichster Art zusammengesetzt werden. Dadurch entstehenzahllose Hohlräume und Kanäle, die in der Regel aus-tauschbare Metallkationen Mn+ zur Kompensation der nega-tiven Ladung des Anionengerüstes sowie Wassermoleküleenthalten. Daraus resultiert die chemische Zusammen-setzung von Zeolithen mit der allgemeinen Formel: M2/nO •Al2O3 • xSiO2 • yH2O, wobei x die Werte >/= 2 annimmt.

Bild 2 zeigt beispielhaft den schematischen Aufbau un-terschiedlicher zeolithischer Grundstrukturen aus Kubo-oktaedern, die aus 24 (AlO4/2)-- und (SiO4/2)-Tetraedernbestehen und entweder direkt oder über viergliedrige bzw.sechsgliedrige Sauerstoff-Doppelringe miteinander verbun-den werden. So lassen sich die Strukturen der Zeolithe SOD(Sodalith) mit einer Poreneingangsöffnung von 0,25 nm, A (LTA; 0,41 nm), X oder Y (FAU; 0,74 nm) sowie EMT(0,74 • 0,65 nm) abbilden (siehe auch Tabelle 1). Die aktuel-le Datenbank der bisher bekannten Zeolithe umfasst insge-samt 167 Strukturtypen, davon kommen ca. 40 in der Naturvor [6].

Die Poreneingangsöffnungen zu Hohlräumen und Kanä-len der Molekularsiebe sind mit dem Moleküldurchmesserder einfachen Kohlenwasserstoffe vergleichbar und liegen

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Bild 1. Faksimile des Titelblatts und Beginn des Beitrags von AXEL FR. CRONSTEDT über Zeolithe in den „Abhandlungen aus der Naturlehre“ aus dem Jahre1756 in der deutschen Übersetzung

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im Bereich zwischen 0,3 und 1 nm (Tabelle 1). Damit ist dasfreie Volumen im Zeolithinneren als Adsorptions- undReaktionsraum nur für Moleküle dieser Größe ungehindertzugänglich. In Bild 3 sind die „Porenfenster“ als Zugangzum zeolithischen „Nanoreaktor“ am Beispiel des ZeolithsZSM-20 (Zeolite Socony Mobil) sehr anschaulich darge-stellt. Die Ausmaße der Hohlraum- oder Kanalzugänge sindvon der strukturellen Verknüpfung der SBUs, der Art derKationen, dem Si/Al-Verhältnis oder dem Grad der isomor-

phen Substitution von Aluminium oder Silicium imZeolithgitter durch andere Elemente abhängig. Besondershervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Syntheseeiner ganzen Reihe von siliciumreichen Zeolithen, derenHauptvertreter der ZSM-5 ist. Die Gesamtheit seiner struk-turellen und oberflächenchemischen Eigenschaften, verbun-den mit der verhältnismäßig hohen thermischen und chemi-schen Stabilität, machten ihn zu einem der meist untersuch-ten zeolithischen Materialien der letzten Jahrzehnte.

An der Schwelle zum 21. Jahrhundert hat die Mobil OilCorporation neue Synthesewege entwickelt, die zu neuarti-gen oberflächenreichen Materialien vom Typ MCM-41(Mobil Composition of Matter) mit Porendurchmessern von1,5 bis über 10 nm führten [7]. Diese Materialien, die aushexagonalen Packungen von Kanälen mit amorphen silicati-schen Wänden bestehen, eröffneten aufgrund ihrer geordne-ten Struktur und der enormen Variationsbreite im Poren-durchmesser neue Möglichkeiten, in andere molekulare Di-mensionen der Reaktionsführung vorzudringen.

Doch bevor die Zeolithe als Ionentauscher, Adsorbensoder Katalysator eingesetzt werden, müssen sie in der Regeldurch verschiedene thermische oder chemische Behand-lungen modifiziert werden. Dabei werden maßgeschneider-te Materialien mit einem der Anwendung angepassten Po-rensystem und definierten oberflächenchemischen Eigen-schaften hergestellt. Schließlich werden die synthetischenoder natürlichen Zeolithpulver für die technische Nutzungdurch Extrusion, Granulation oder Sprühtrocknung unterVerwendung von Ton- oder kieselsäurehaltigem Materialverformt.

Die Güte der Zeolith-Syntheseprodukte sowie ihre struk-turelle und texturelle Unversehrtheit nach der Modifizierungbzw. die Aufklärung ihrer oberflächenchemischen Beschaf-fenheit werden mit einer Reihe von modernen physikalisch-chemischen Charakterisierungsmethoden bestimmt. Tabelle

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Bild 2. Aufbauprinzip zeolithischer Grundstrukturen aus dem Kubo-oktaeder

Tabelle 1Vergleich der Porendimensionenrepräsentativer Molekularsiebemit dem kinetischen Durchmesserverschiedener Moleküle

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2 gibt einen Überblick über ausgewählte festkörperanalyti-sche Messmethoden und die damit ermittelten Charakte-risierungsdaten.

3 Ursprung der katalytischen Wirksamkeit

Aufgrund der besonderen Gitterstruktur lassen sich inZeolithen gezielt Zentren unterschiedlicher Natur generie-ren. So können die für die Ladungsneutralität des anioni-schen Gerüstes verantwortlichen Metallkationen prinzipiell

durch die Protonen ausgetauscht werden, wodurch soge-nannte Brücken-OH-Gruppen mit hoher Säurestärke entste-hen, die als BRÖNSTED-Säurezentren in protonenkatalysier-ten Reaktionen katalytisch wirksam sind:

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Bild 3. TEM-Aufnahme des Zeo-liths ZSM-20 (Vergrößerung 1 : 840 000,Maßstab 1 mm = 1,2 nm)

Tabelle 2Übersicht über die festkörperana-lytischen Messmethoden undCharakterisierungsdaten

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Eine thermisch initiierte Dehydroxylierung von acidenBrücken-OH-Gruppen führt zur Ausbildung von LEWIS-Säurezentren, deren katalytische Wirkung bei säurekataly-sierten Reaktionen allein und im Zusammenwirken mit denBRÖNSTED-Säurezentren ebenfalls diskutiert wird:

In vielen Fällen ist es notwendig, die Hohlräume und Kanälemodifizierter Zeolithe mit weiteren aktiven Spezies (Me-tallcluster, Metallkomplexe etc.) zu beladen, die für diebeabsichtigte Anwendung unentbehrlich sind. Dies ist zumBeispiel im Bereich der bifunktionellen Katalyse der Fall,bei der ein Katalysator eine Doppelfunktion besitzt undsowohl säurekatalysierte Isomerisierungsreaktionen alsauch metallkatalysierte Hydrier-/Dehydrierreaktionen be-schleunigen muss.

Gemäß dem Reaktionsschema in Bild 4 wird für den Fallder Isomerisierung von unverzweigten Paraffin-Kohlenwas-serstoffen zunächst durch die Dehydrierung des Paraffin-moleküls am Metall ein Olefin gebildet, das anschließend zueinem BRÖNSTED-Säurezentrum diffundiert, sich hier unterMitwirkung des Protons über ein sogenanntes Carbokationals Zwischenstufe umlagert und nach erneuter Diffusion undReaktion an einem metallischen Hydrierzentrum dieses alsiso-Paraffin verlässt. Beim Überwiegen einer der beidenZentrenarten können auch verstärkt Nebenreaktionen ablau-fen, z. B. das Cracken an den aciden Zentren oder dieHydrogenolyse an den metallischen Zentren.

Die Wirksamkeit eines bifunktionellen Katalysatorsys-tems sollte umso ausgeprägter sein, je enger die beiden kata-lytisch aktiven Zentren benachbart sind. Diese geometrischeAnordnung kann in nanodimensionierten Hohlräumen undKanälen eines Zeoliths am besten gewährleistet werden. Ineiner solchen Symbiose der metallischen und der acidenZentren nimmt verständlicherweise die Wahrscheinlichkeiteiner starken Metall-Proton-Wechselwirkung zu, sodassfolglich die elektronischen Eigenschaften und somit dasadsorptive und katalytische Verhalten des komplexenZentrums beiderseits stufenlos und reversibel steuerbar ist

[8]. In der Praxis kann diese Erkenntnis bei der zielgerichte-ten Entwicklung technischer Metall/Zeolith-Katalysatorenvon großem Nutzen sein.

4 Effekt der Porengeometrie und -größe

Darüber hinaus muss aber auch berücksichtigt werden, dassfür die Leistungsfähigkeit zeolithischer Katalysatoren inStoffwandlungsreaktionen neben dem Vorhandensein, derQuantität und der Qualität der katalytisch aktiven Zentrenauch ihre Zugänglichkeit für reagierende Moleküle einegroße Rolle spielt. Formal können diese Zentren vornehm-lich im Inneren des Zeolithkristalls liegen und folglich nurMoleküle adsorbieren und umsetzen, die auch in der Lagesind, an diese Stellen zu gelangen. Dieser Effekt beruht, wieoben bereits demonstriert, auf der Größenähnlichkeit derPorendurchmesser von Molekularsieben mit dem kineti-schen Durchmesser der umzusetzenden Moleküle (Mole-külform-Selektivität) [9].

Wie in Bild 5 schematisch dargestellt, können formselek-tive Effekte nicht nur Folge der Reaktanden-Selektivitätsein, sondern auch dann auftreten, wenn nicht alle im zeoli-thischen Porensystem gebildeten Reaktionsprodukte befä-higt sind, das Porensystem zu verlassen (Produkt-Selek-tivität). Die geometrischen Gegebenheiten des Porensys-tems können zugleich die Ausbildung bestimmter Über-gangszustände behindern (oder fördern), ohne dass beiEdukten und Produkten Diffusionshemmungen vorliegenmüssen, und somit auch für die Lenkung der Reaktions-richtung mitverantwortlich sein. Diese sogenannte Über-gangszustand-Selektivität ist für solche komplexen Reak-tionen zu erwarten, bei denen gleichzeitig bi- und monomo-lekulare Umlagerungen möglich sind.

Bei vielen technisch wichtigen Reaktionen, die durchZeolithkatalysatoren beschleunigt werden, kann die effekti-ve Reaktionsgeschwindigkeit zusätzlich durch Diffusions-prozesse (z. B. Porendiffusion) begrenzt und damit die Reak-tionsselektivität ungünstig beeinflusst werden. Um diegewünschte Selektivitätssteuerung von Reaktionen mit einemeffizienten Stofftransport zu kombinieren, müssen mikropo-röse Zeolithkristalle in geeignete Matrizes eingebettet wer-den, die eine ausreichende Anzahl von Transportporen(Mesoporen) zur Verfügung stellen und auch selbst schonüber eine bestimmte katalytische Aktivität verfügen.

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Bild 4. Reaktionsschema der bi-funktionell katalysierten Isomeri-sierung von Paraffin-Kohlenwas-serstoffen

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Ein Beispiel für ein solches gemischtes Katalysatorsystemmit mikro- und mesoporösen Komponenten stellt der kom-merzielle FCC-Katalysator zum Cracken von hochsieden-den Erdölfraktionen dar, deren Hauptbestandteile der „ultra-stabile“ Zeolith Y und die amorphe alumosilicatische Matrixsind. Da das katalytische Cracken säurekatalysiert verläuft,ist in erster Linie die hohe Oberflächenacidität der alsAktivkomponenten eingesetzten Zeolithe für ihre intrinsi-sche Aktivität verantwortlich. Auf der anderen Seite kanndie katalytische Spaltung von Kohlenwasserstoffen dengeometrischen Restriktionen zeolithischer Aktivkompo-nenten unterliegen und somit zusätzlich durch Porenzugäng-lichkeit bzw. Diffusionslimitierungen entscheidend beein-flusst werden. Mit zunehmender Größe der Poreneingangs-öffnungen wird auch für größere Moleküle der Zugang zuden katalytisch aktiven Zentren ermöglicht, sodass danneine ungehinderte und damit effiziente Umsetzung dieserMoleküle erfolgen kann.

5 Katalytisches Spalten nach Maß

In welchem Maße die Oberflächenacidität und die Po-renzugänglichkeit die katalytische Wirkung von Aktiv-komponenten bestimmen, kann beim Spalten eines schlan-ken Moleküls, z. B. n-Hexadecan mit einem Molekül-durchmesser von ca. 0,5 nm, und eines sperrigen Moleküls,z. B. 1,3,5-Triisopropylbenzen (1,3,5-TIPB) mit einemMoleküldurchmesser von 0,94 nm, jeweils an einem acidenmikroporösen Y-Zeolith (0,74 nm) und an einem acidenmesoporösen MCM-41 (2,46 nm) verdeutlicht werden [10].Als der aktivere Katalysator beim Spalten von n-Hexadecanerweist sich der verwendete Y-Zeolith, bei dem auch stärke-re acide Zentren vorhanden sein müssen. Wird zum kataly-tischen Spalten anstelle von n-Hexadecan das wesentlichgrößere 1,3,5-TIPB unter gleichen Bedingungen eingesetzt,so dominiert der Effekt der Porenzugänglichkeit derKatalysatorproben. Während am MCM-41 aufgrund einer

sehr guten Porenzugänglichkeit eine tiefe Spaltung erreichtwird, geht die Tiefe der Spaltung in Gegenwart von Y-Zeolith stark zurück, da das Einsatzmolekül zu groß ist, umsich am Reaktionsgeschehen im Festkörperinneren beteili-gen zu können.

6 Ausblick

Eine Konsequenz für die Entwicklung von Katalysatoren,bei denen die gewünschte Formselektivität der Aktiv-komponente mit einem effizienten Stofftransport kombiniertwerden soll, ist ein Design von Zeolithsystemen mit einerhierarchischen Porenarchitektur, die neben ihren charakte-ristischen Mikroporen auch Mesoporen enthalten. Dadurchkönnen höhere Reaktionsgeschwindigkeiten bei diffusions-limitierten Reaktionen, bessere Selektivitäten für die ge-wünschten Produkte, eine geringere Neigung zur Desak-tivierung durch Koksablagerung sowie eine einfachereRegenerierung beim Koksabbrennen erreicht werden [11].

Man kann auf die Zukunft solcher Design-Katalysatorengespannt sein, die aufgrund der Variationsbreite derPorengestalt und -größe sowie nach entsprechender Mo-difizierung gute Chancen haben, sich nicht nur bei petro-chemischen Prozessen, sondern auch bei der hochselektivenHerstellung von organischen Zwischenprodukten und Fein-chemikalien als äußerst effiziente Katalysatoren zu bewei-sen. Beispielsweise gelingt es, mit Hilfe der formselektivenKatalyse an Titan-haltigen Zeolithen das Phenol mitWasserstoffperoxid in hoher Selektivität zu Hydrochinon zuoxidieren, das als wichtiges Zwischenprodukt für dieHerstellung von Foto-, Farbstoff- und Agrochemikaliendient. Ebenso lassen sich Polysaccharide zeolithkatalysiertin einem einzigen Verfahrensschritt zu Polyalkoholen wieD-Sorbit, einem wichtigen Produkt für Diabetikerzucker,umwandeln. Außerdem eröffnet die einstellbare Größe vonwohldefinierten zeolithischen Reaktionsräumen in Nano-dimensionen eine Reihe von neuen Anwendungs-

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Bild 5. Schematische Darstellungder formselektiven Wirkung vonZeolithen an repräsentativen Bei-spielen: Reaktanden-Selektivitätbeim Spalten von unverzweigtenund verzweigten Kohlenwasser-stoffen, Produkt-Selektivität beider Methylierung von Toluen undÜbergangszustand-Selektivität beider Disproportionierung vonm-Xylen

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möglichkeiten außerhalb der traditionellen Einsatzgebieteder Zeolithe. Dazu gehören beispielsweise neuere Ent-wicklungen im Bereich der nichtlinearen Optik, der opti-schen Informationsspeicher, der Nanosensorik, der pho-tonischen Funktionselemente oder der Lab-on-the-chip-Technologie [12 bis 14].

Literatur

[1] Cronstedt, Axel Fr.: Akad. Handl. Stockholm 18 (1756), S. 120 – 130[2] McBain, J. W.: The Sorption of Gases and Vapors by Solids. Kap. 5. London:

Rutledge and Sons, 1932 [3] Barrer, R. M.: Zeolites and Clay Minerals as Sorbents and Molecular Sieves.

London: Academic Press, 1978[4] Milton, R. M.: Zeolite Synthesis. In: ACS Sympos. Ser. 398. Washington D.C.:

American Chemical Society, 1989. S. 1 – 10[5] Puppe, L.: Zeolithe – Eigenschaften und technische Anwendungen. In: Chemie

in unserer Zeit 20 (1986) 4, S. 117 – 127[6] Database of Zeolite Structures. http://www.iza-structure.org/databases

[7] Kresge, C. T.; Leonowicz, M. E.; Roth, W. J.; Vartuli, J. C.; Beck, J. S.: Orderedmesoporous molecular sieves synthesized by a liquid-crystal template mecha-nism. In: Nature 359 (1992), S. 710 – 712

[8] Reschetilowski, W.: Metal-Support Interaction in Bifunctional Metal ZeoliteCatalysts and the HSAB Principle. In: Erdöl Erdgas Kohle 112 (1996) 11, S. 467– 470

[9] Csicsery, M. S.: Shape-selective catalysis in zeolites. In: Zeolites 4 (1984) 3, S.202 – 213

[10] Roos, K.; Liepold, A.; Koch, H.; Reschetilowski., W.: Impact of Accessibility andAcidity on Novel Molecular Sieves for Catalytic Cracking of Hydrocarbons. In:Chem. Eng. Technol. 20 (1997), S. 326 – 332

[11] Hartmann, M.: Zeolithe mit hierarchischer Porenarchitektur – eine bewährteStrategie zur Kombination von Formselektivität mit effizientem Stofftransport.In: Angew. Chem. 116 (2004), S. 6004 – 6006

[12] Ozin, G. A.; Kuperman, A.; Stein, A.: Advanced Zeolite Materials Science. In:Angew. Chem. 101 (1989) 3, S. 373 – 390

[13] Schüth, F.: Nanoporöse Kristalle als Vielseitige Wirtsmatrices. In: Chemie inunserer Zeit 29 (1995) 1, S. 42 – 52

[14] Calzaferri, G.; Huber, S.; Maas, H.; Minkowski, C.: Wirt-Gast-Antennen-materialien. In: Angew. Chem. 115 (2003) 32, S. 3860 – 3888

Manuskripteingang: 21.8.2006Angenommen am: 30.10.2006

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Reschetilowski,WladimirProf. Dr. rer. nat. habil.Studium Chemie von 1967 bis 1972 in Kiew undMerseburg ♦ 1979 Promotion zum Dr. rer. nat. ♦1987 Habilitation zum Dr. rer. nat. habil. ♦ von1988 bis 1990 Professor für Technische Chemiean der Universität Leipzig und von 1991 bis 1996bei DECHEMA e. V. Frankfurt am Main ♦ seit1996 Professor für Technische Chemie an derFachrichtung Chemie und Lebensmittelchemie,Fakultät Mathematik und Naturwissenschaftender TU Dresden

Toufar, Helge Dr. rer. nat.Studium Chemie von 1984 bis 1989 an der Tech-nischen Hochschule Leuna-Merseburg ♦ 1992Promotion zum Dr. rer. nat. ♦ von 1993 bis 1995EU-Stipendiat an der Katholischen UniversitätLeuven ♦ von 1995 bis 1997 WissenschaftlicherMitarbeiter an der Martin-Luther-UniversitätHalle-Wittenberg ♦ seit 1997 Leiter Entwicklungund Anwendungstechnik bei der Zeosorb GmbHin Bitterfeld (seit 1999 Tricat Zeolites GmbH)