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Goethe-Universit¨at Frankfurt am Main Institut f¨ ur Philosophie Wie lese ich einen philosophischen Text? Andr´ e Fuhrmann (April 2008) April 2015 150414.0945 wieLesen 150414.0945

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Goethe-UniversitatFrankfurt am MainInstitut fur Philosophie

Wie lese icheinen philosophischen Text?

Andre Fuhrmann

(April 2008) April 2015

150414.0945

wieLesen 150414.0945

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Erster Teil

Erster Teil

Die Aufgabe und das Handwerkszeug

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Die Aufgabe

Die Aufgabe

• Der Autor will etwas von Ihnen: Sie sollen zu einer neuen Uberzeugung kom-men.

• Der Autor hat daher eine Bringeschuld bei Ihnen: Er muß Sie dazu veranlassen,Ihre Uberzeugungen zu andern.

• Das einzig vernunftige Mittel dazu sind Argumente.

• Im vorliegenden Fall ist das Medium der Uberzeugungsanderung ein Text.

• Sie mussen also im Text nach Argumenten suchen und diese auf Herz und Nierenprufen.

• Am Ende mussen Sie sich fragen (“Gretchen-Frage”), ob der Autor sein Zielerreicht hat. Wenn das nicht der Fall ist, wurde der Autor gerne wissen wollen,warum. Sie sollten ihm (sich selbst) eine Antwort auf diese Frage geben konnen.

◦ Die Antwort auf die Gretchen-Frage kann auch so ausfallen: Um die These des Au-tors zu beurteilen, mußte ich eigentlich mehr uber XYZ wissen.

◦ In diesem Fall wissen Sie schon, was Sie als nachstes lesen mussen. So kann sich einroter Faden durch Ihr Studium ziehen.

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Das Handwerkszeug

Das Handwerkszeug

• Eine gute Ausgabe des zu lesenden Textes.

• Ein weicher Bleistift (B oder HB), Spitzer und weißes Radiergummi.

• Einige gute Farbstifte: Gelb, Grun, Blau, Rot. (Besser nur zwei Farben.)

• Schmierpapier.

• Kariertes Papier im Format A5.

◦ Sorgfaltig ausgewahlte Sekundarliteratur.

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Die Spielregeln

Die Spielregeln

• Der Autor will Ihnen etwas sagen.

· Sie bemuhen sich, ihn richtig zu verstehen

• Der Autor halt das, was er Ihnen sagen mochte, fur wichtig.

· Sie schießen ihm dafur etwas Sympathie vor und wollen erfahren, warum der Au-tor glaubt, daß Sie sich dafur interessieren sollten.

• Der Autor will Sie von etwas uberzeugen.

· Sie sind skeptisch (aber nicht verstockt) und kontern standig mit Gegenuberle-gungen. – Wie wurde der Autor (nicht Sie!) auf diese Gegenuberlegungenantworten?

• Philosophische Autoren sind unbescheiden: Diese reden nicht von mehr oderweniger belegbaren Hypothesen; sie meinen vielmehr:“Was ich behaupte, mussen auch Sie sich zu eigen machen, es sei denn Sie ver-schließen sich unvernunftigerweise meinen zwingenden Argumenten!”

· Ihre Aufgabe besteht im wesentlichen darin, angeblich zwingende Argumente zuprufen und ggf. zu widerlegen.

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Wozu eine gute Textausgabe?

Wozu eine gute Textausgabe?

“Ich guck mal ob ich was aufm Grabbeltisch finde oder geh innen Kopierladen.Steht doch uberall dasselbe drin.”

• Nichts gegen gebrauchte Texte: In Antiquariaten finden Sie oft fur wenig Geld guteTextausgaben. (Achten Sie darauf, das diese keine oder nur wenige, radierbare An-merkungen oder Unterstreichungen enthalten!)

· TIP: Im Antiquariat finden Sie vielleicht die fest in Leinen gebundene Aus-gabe mit Fadenheftung zu einem Preis, den Sie neu fur das Pappbandchen mitgeleimten Seiten zahlen mußten. (Das gilt insbesondere, aber nicht nur, fur diephilosophischen Klassiker aus dem Meiner Verlag.)

• In den verschiedenen Ausgaben eines Buches steht oft nicht derselbe Text. Das giltinsbesondere fur Ubersetzungen wo es manchmal Unterschiede gibt, deren Bedeu-tung Sie zunachst gar nicht beurteilen konnen.

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Wozu eine gute Textausgabe?

· Wahr ist aber auch: Philosophische Texte leiden nicht sehr unter dem Prozeßder Ubersetzung. Echte Mißverstandnisse kommen selten vor. Wichtig ist, daßSchlusseltermini erkannt und einheitlich ubersetzt werden. Alle Ubersetzermachen das (seit etwa 1900) im wesentlichen richtig. Kommt es einmal aufgenaue sprachliche Formulierungen an, mussen Sie eh im Original nachschauen.Der Wert von Neuubersetzungen wird oft uberschatzt.

• Es ist der Arbeit im Seminar unzutraglich, wenn mit verschiedenen Ausgaben gear-beitet wird. Die Paginierungen stimmen nicht uberein und bei Ubersetzungen sinddie Schlusseltermini oft verschieden.

• Nur aus einer Standardausgabe konnen Sie mit Seitenangabe zitieren. Nicht-Stan-dardausgaben sind nicht zitierfahig.

• Sie sollten sich eine gute Ausgabe gonnen, damit Sie diese dann “guthalten”konnen: Ein sorgfaltig bearbeiteter Text (s.u.) ist ein wertvoller Besitz.

• Wenn Sie mit Photokopien arbeiten mussen – manchmal unausweichlich –, gehenSie auch mit diesen sorgfaltig um! Auch hier gilt: Ein sorgfaltig bearbeiteter Text(s.u.) ist ein wertvoller Besitz.

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Warum Blei- und Farbstifte?

Warum Blei- und Farbstifte?

“Wozu gibts denn die schonen bunten Hiliter?”

• Kurze Antwort: Jedenfalls nicht fur die Arbeit mit philosophischen Texten!

· Hiliter sind zu grell: Sie lenken Ihre Aufmerksamkeit von Stellen ab, die, genaueroder unter einer etwas anderen Fragestellung betrachtet, ebenfalls wichtig sind.

· Hiliter sind nicht radierbar: Uberstrichene Passagen drucken Ihre Hypothesenuber den Text aus. Stellen sich diese als falsch heraus, wird der bearbeitete Textunbrauchbar: Er lenkt Ihre Gedanken immer in eine falsche Richtung.

• Markierungen mit (weichem) Blei- oder Farbstift lassen sich radieren (und schlagennicht durch). Sie tragen damit der Tatsache Rechnung, daß Sie (d.h. Ihre Text-hypothesen) fehlbar sind.

• Wie man Blei- und Farbstifte richtig einsetzt, besprechen wir gleich.

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Wozu Papier?

Wozu Papier?

“Ich dachte ich soll lesen, nicht schreiben.”

• Zwei Uberzeugungsstrategien:

· Uberreden

· Uberzeugen (Argumentieren)

• Beim Uberreden wirkt die gewahlte sprachliche Formulierung: Die eine Wendungwirkt, die andere nicht. – Uberreden uberlebt die Paraphrase nicht.

· Wenn Sie sich uberreden lassen wollen, schreiben Sie bitte den Gedankengangnicht noch einmal in eigenen Worten auf! (Der Zauber konnte sonst verfliegen.)

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Wozu Papier?

• Beim Argumentieren kommt es auf den logischen Zusammenhang an: Gleich-gultig, wie sie Pramissen und Konklusion ausdrucken, der Zusammenhang bestehtoder er besteht nicht. – Argumentieren uberlebt die Paraphrase.

· Wenn Sie sich uberzeugen lassen wollen, dann sollten Sie den Gedankengang ineigenen Worten aufschreiben.

· Dabei sollten Sie ihn auf das Wesentliche reduzieren und ihn moglichst als logi-schen Schluß aus plausiblen Pramissen darstellen. (Daruber gleich mehr.)

• Weitere Verwendung von Papier

· Eigene kritische Uberlegungen

· Zusammenstellung wichtiger Definitionen

· Indizes wichtiger Stellen zu Schlusseltermini

· Graphische Darstellung (Pfeile, Linien, etc.) des Zusammenhangs von Schlussel-termini

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Wozu Papier?

• Schmierpapier: Fur Anmerkungen und Kritzeleien wahrend der Lekture.

• A5 kariert (holzfrei): Zum sorgfaltigen Festhalten, dessen, was Sie fur dasVerstandnis des Textes fur wichtig halten.Ihre Notizen sollten Sie so aufschreiben, daß Sie sie auch in ein paar Jahren nochentziffern und dem Text zuordnen konnen. Diese Blatter legen Sie in das Buch ein.(Ggf. zurechtschneiden.)

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Wozu Sekundarliteratur?

Wozu Sekundarliteratur?

Erster (guter) Einwurf

Ich dachte, wir wollten jetzt diesen Text einmal grundlich lesen. Lenkt es nicht ab,sich Kommentatoren aus der zweitern Reihe zuzuwenden?

• Darin steckt ein guter Punkt:Gute, klassische Autoren schreiben Bucher, die fur sich stehen konnen. Der Autorstellt alles zur Verfugung, was Sie zum Verstandnis der Theorie benotigen.

· In einem klassischen philosophischen Text finden Sie nie Anmerkungen der Art:“Das hat N.N. in seinem Werk XY uberzeugend dargelegt.” Oder: “Wie ich ananderer Stelle nachgewiesen habe ...”

• Soweit die Absicht des Autors. Besonders bei alteren Texten setzt der Autor jedochmanchmal Dinge voraus, mit denen sein zeitgenossischer Leser sicher noch vertrautwar.

• Manchmal fehlt uns daher einfach gewisses Wissen, das uns nur in gezielt aus-gewahlter Sekundarliteratur zuganglich ist.

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Wozu Sekundarliteratur?

Zweiter (schlechter) Einwurf

“Ich versteh bei dem Text schon nur Bahnhof. Warum soll ich mir dann noch nen an-deren hinlegen?”

• Genau deshalb!

Wie finde ich wichtige Sekundarliteratur?

• Sie gehen in die Bibliothek.

• Sie suchen sich zwei bis drei Bucher neueren Datums zum Thema heraus.

· Sind die Autoren dieser Bucher verlaßlich? – Schauen Sie in den Literaturver-zeichnissen nach, ob die Autoren der Bucher zu dem Thema schon publizierthaben oder von anderen Autoren zitiert werden.

• Welche Arbeiten (Bucher, Aufsatze) werden in diesen Buchern haufig zitiert unddiskutiert? — Auf diese Arbeiten sollten Sie Ihr Geld setzen!

• Den richtigen Umgang mit den Risiken und Nebenwirkungen dieses Verfahrens ler-nen Sie nur durch eigene Erfahrung.

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Zweiter Teil

Zweiter Teil

Die Verwendung des Handwerkszeugs

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A. Struktur 1. Struktur a) Struktur

A. Struktur 1. Struktur a) Struktur

Kennen Sie das?

• Sie kommen in eine fremde Stadt, gehen herum, finden das eine oder andere mehroder weniger interessant und haben keine Ahnung, wo Sie sind: Wo liegt das Zent-rum? Wie komme ich zuruck zum Bahnhof? Lohnt es sich hier noch weiterzuge-hen? In welcher Richtung liegt eigentlich der Fluß?

• Sie kaufen sich einen Stadtplan und plotzlich finden Sie sich zurecht: Sie “verste-hen” jetzt die Stadt.

Genauso ist es mit einem philosophischen Text :

• Sie beginnen nicht einmal ansatzweise den Text zu verstehen, bevor Sie sich nichtein Bild von seiner Struktur, einen “Textplan” gemacht haben.

• Glucklicherweise ist es gar nicht schwierig, sich einen Textplan zu machen ...

• Sie verstehen den Text erst, wenn Sie sich im Text zurechtfinden: Wenn Sie dieTeile identifizieren konnen und wissen, warum diese so und nicht anders auf einan-der folgen.

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A. Struktur 1. Struktur a) Struktur

Thesen

Der Autor eines philosophischen Textes wirbt fur eine oder eine Gruppe zusammenge-horiger Thesen (eine “Theorie”), die sich auf eine Frage beziehen. Daraus ergibt sichdie zu erwartende Struktur eines solchen Textes. Sie durfen erwarten, auf folgendeTeile zu stoßen:

(• = Pflicht, ◦ = Kur)

• Der Autor erklart, welche Frage(n) er beantworten mochte. (Problemstellung)

◦ Der Autor erklart, warum der Leser sich fur diese Frage(n) interessieren sollten.(Motiv)

• Der Autor stellt seine Thesen vor. (Thesen)

◦ Der Autor argumentiert, daß andere die Fragen falsch oder gar nicht beantwortethaben. (Kritik)

◦ Soweit irrtumliche Antworten plausibel erscheinen, erklart der Autor, wie es zumAnschein der Plausibilitat kommt. (Irrtumstheorie)

• Der Autor leitet seine Thesen aus bestimmten Annahmen ab. (Argumente)

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A. Struktur 1. Struktur a) Struktur

• Soweit der Autor seine Annahmen nicht als selbstverstandlich unterstellt, argumen-tiert er fur die Annahmen. (Annahmen)

◦ Der Autor erwagt mogliche oder tatsachliche Einwande gegen sein Annahmen undThesen und entkraftet sie. (Erwiderungen)

◦ Der Autor zeigt, daß seine These bzw. Theorie vieles erklart, was vorher unerklartbleiben mußte. (Erklarungskraft)

◦ Der Autor zeigt, daß seine Thesen im Einklang stehen mit anderen Theorien (wis-senschaftliche, philosophische oder theologische), von denen er annimmt, daß derLeser mit ihnen sympathisiert. (Harmonie)

◦ Der Autor behauptet, daß Große Vorganger im Grunde dasselbe wie er behauptethaben. (Autoritat)

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A. Struktur 1. Struktur a) Struktur

Das Gesetz der Kleinen Zahlen

Das war jetzt eine endliche aber doch recht umfangreiche Liste moglicher Textteile.In der Praxis ist die Sache jedoch erstaunlich einfach.

• Autoren haben, wie alle Menschen, einen Hang zur Ubersichtlichkeit. Sie planenihre Texte meist anhand eines einfachen Schemas: Der Text wird in eine kleine An-zahl von Teilen gegliedert und diese Teile bestehen selbst noch einmal aus einigenwenigen Teilen.

• Manche Autoren sind geradezu besessen von Schemata, variierenden Wieder-holungen und kleinen Zahlen (meist 3 oder 4). (Beispiele: Immanuel Kant, dieMarchenerzahler der Gebruder Grimm.)

• Beinahe alle philosophischen Texte lassen sich grob in drei Teile gliedern. Ganz ba-nal:

Einleitung — Hauptteil — Schluß

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A. Struktur 1. Struktur a) Struktur

Zoomen

• Der Hauptteil gliedert sich dann selbst noch einmal in ubersichtlicher Weise; z.B.so:

Kritik — Argument — Erwiderungen

• Jeder einzelne dieser Punkte hat wiederum eine offensichtliche Struktur.

· Kritik : Meist ist es nicht ein einziger Grund, warum der Autor alternativeAntworten fur falsch halt. Verschiedene Einwande, jeweils an verschiedene Theo-rien gerichtet, sind zu unterscheiden.

· Argumente bestehen aus einzelnen, d.h. logisch voneinander unabhangigenPramissen und einer Konklusion.

· Erwiderungen: Meist wird der Autor auf verschiedene, in der Regel voneinanderunabhangige mogliche Einwande eingehen wollen.

Diese Strukturen sollten Sie deutlich im Text markieren und die wichtigstenGliederungspunkte auf einem Beiblatt ubersichtlich (zB mit Einruckungen) festhal-ten.

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A. Struktur 1. Struktur a) Struktur

• Wenn Sie einen Textteil identifiziert haben, machen Sie sich unbedingt klar, worumes dem Autor in diesem Teil geht.

• Das gilt insbesondere fur solche Textteile, die der Autor fur den Leser abgrenzt:

2. Meditation

oderKapitel III.

oder einfach nur4.

• Tipp: Manchmal hilft es, sich eine kurze, beschreibende Uberschrift fur den betref-fenden Teil auszudenken.

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A. Struktur 1. Struktur a) Struktur

Orientierungsmarken

Der Autor gibt Ihnen Hinweise, die Sie ernstnehmen sollten:

• Oft stellt der Autor seinem Text ein Inhaltsverzeichnis voran; manchmal sogar einsog. analytisches Inhaltsverzeichnis.

· Daraus sollten Sie keinesfalls schließen, daß mit der Lekture eines solchen In-haltsverzeichnisses Ihre Strukturierungsarbeit beendet ist: Der Autor hat Ihnenden Anfang nur erleichtert.

• Meist zeigen typische Wendungen wichtige Zasuren an:

· Wir wenden uns nun ...

· Es bleibt zu klaren ...

· Dagegen konnte eingewandt werden ...

· Nachdem wir so ...

· Eine andere Auffassung ...

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A. Struktur 1. Struktur a) Struktur

• Argumente sind immer schnell zu erkennen:

· Wir wollen annehmen ...

· Nehmen wir fernen an ...

· Es folgt daher ...

· So werden wir gedrangt zu der Auffassung ...

· Also/Deshalb/ ...

• Aufzahlungen und Alternativen sind immer zu beachten:

· Ersten ... Zweitens ... Drittens ...

· Die eine ... Die andere ...

· Die starke These ... Die schwachere Version der These ...

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Argumente

Argumente

Philosophische Argumente sind beinahe immer deduktiv oder “abduktiv” (Peirce).

• Deduktive Argumente leiten logisch zwingend eine Konklusion aus Pramissenher. Die in philosophischen Texten am haufigsten vorkommenden Formen:

· Modus Ponens

· Modus Tollens

· Kettenschlusse

· Reductio ad absurdum

· Leibniz’ Prinzip

• Abduktive Argumente sind Schlusse auf die beste Erklarung.

· Der Autor argumentiert, daß seine These/Theorie unter allen konkurrierendenAlternativen die zu erklarenden Phanomene am besten erklart.

· Abduktive Argumente sind also so etwas wie ein Ruck(warts)schluß: von einerKonklusion (dem Explanandum) auf die plausibelsten Pramissen (Explanantes)aus denen die Konklusion abgeleitet (erklart) werden kann.

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Argumente

Formen deduktiver Argumente

Modus Ponens:Wenn A, dann B A

B

Modus Tollens:Wenn A, dann B nicht B

nicht A

oder auch:Wenn nicht A, dann nicht B B

Aetc.

Kettenschluß (Transitivitat von wenn...dann...):

Wenn A, dann B Wenn B, dann C Wenn C, dann D

Wenn A, dann D

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Argumente

Reductio:A Wenn A, dann Widerspruch!

nicht A(meist mit Hintergrundspramissen)

Leibniz’ Prinzip: Wenn a = b, dann gilt fur alle Eigenschaften φ: φa gdw φb

Als eine Art von Modus Tollens ergibt sich daraus das folgende Argument:

[Leibniz’ Prinzip] Es gibt eine Eigenschaft φ : φa aber nicht φb

a 6= b

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Markierungen

Markierungen

Zwecke

• Orientierung: Textstruktur hervortreten lassen.

• Abstraktion: Fur die Zwecke des Autors wesentliche Stellen herausstellen.

• Erinnerung: Wichtige Stellen markieren, um sie ggf. spater (auch noch nachJahren!) wiederzufinden.

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Markierungen

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Markierungen

Arten von Markierungen

• Zasuren: Hier fangt etwas neues an.

• Probleme und Fragen: Hier formuliert der Autor das Problem, um das es gehensoll.

• Argumente: Hier sind die Pramissen; da ist die Konklusion errreicht.

• Einwande und Erwiderungen: Hier diskutiert der Autor mogliche oder tatsachlichvorgebrachte Einwande.

• Witziges und Griffiges: Hier formuliert der Autor etwas besonders witzig oder zu-packend.

• Verweise (a) auf andere Autoren oder (b) auf andere Textstellen oder (c) andereTexte desselben Autors.

• Definitionen und Charakteriserungen: Hier fuhrt der Autor einen wichtigen Begriffein, definiert ihn oder nennt eine wichtige Bedingung, die der Begriff erfullen soll.

• Merkwurdiges: Hier sagt der Autor etwas, was ich (noch?) nicht verstanden habe.

• Fragwurdiges: Hier sagt der Autor etwas, das ich fur falsch halte oder gegen dasman etwas vorbringen konnte, was der Autor selbst nicht in Betracht zieht.

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Markierungen

• Zusammenfassungen: Der Autor faßt noch einmal etwas Wichtiges zusammen.

Ein praktischer Vorschlag

• Markieren Sie sparsam und gut radierbar. Drucken Sie den Stift nicht stark insPapier. Auch hauchfeine Markierungen werden Ihnen im gedruckten Text immergleich ins Auge fallen.

• Unterstreichen Sie nie ganze Satze! — Markieren Sie Anfang und Ende einerStelle [zB mit eckigen Klammern] und setzen Sie in den Rand einen Punkt oderAhnliches.

• Gliedern Sie den Text durch Randmarken nach einem Gliederungsschema; zB so:

I, II, III, ...;A,B,C, ...; 1, 2, 3, ...; a, b, c, ...

Auf einem Beiblatt konnen Sie dann allen oder nur den hoherstufigen Gliederungs-punkten Uberschriften geben. Das ist dann Ihr Textplan.

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Markierungen

• Stellen Sie sich auf ein einfaches Gliederungsschema sowie einige wenige Arten vonRandmarken ein und bleiben Sie dann dabei: Bei allen Texten, lebenslang.Hier ist eine Liste von Randmarken mit der Sie auskommen konnen:

· Hinweis auf irgendwelchen [markierten Text]. Den Punkt konnen Sie kleineroder großer machen, je nachdem, wie wichtig die Textstelle ist.

→ Problem-/Fragestellung

. Wichtige Schlußfolgerung, Kernthese

Df Definition

× Einwand oder Fragwurdiges. Dazu gehoren neben Ihren eigenen Einwandenauch Einwande, die der Autor im Text erwahnt um dann darauf zu antworten.

? Merkwurdiges (“Habe ich nicht verstanden.”)

! Witziges (“Kann ich vielleicht mal zitieren.”)

Σ Zusammenfassung

• Trennen Sie zwischen Markierungen die den Text an sich und solchen, die eherIhre Reaktion auf den Text betreffen. Die einen (· ,→, .,Df,×,Σ) gehoren inden Außenrand, die anderen (×, ?, !) in den Innenrand.

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• Stellen Sie sich ebenfalls auf ein einfaches Farbschema ein und bleiben Sie danndabei.

· Als Grundregel gilt: Mit Farbe nur ausnahmsweise markieren.

· Ein mogliches Schema sieht so aus:

Gelb hebt Begriffe dort hervor (z.B. durch leichte Unterstreichung), wo sie defi-niert werden.

Grun hebt Verweise auf andere Autoren hervor.

Blau hebt Verweise auf andere Textstellen oder Texte desselben Autors hervor.

· Noch einmal: Farbe nur ganz sparsam einsetzen!

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Markierungen

Ein gutes Verstandnis

gelingt Ihnen nur auf der Grundlage

eines so aufbereiteten Textes.

Er gibt dann gleichsam von selbst Referate her

und sie finden sich auch nach vielen Jahren

schnell wieder darin zurecht.

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