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3 Welternährung ökologisch & fair WHO FEEDS THE WORLD? 15. Witzenhäuser Konferenz 04. bis 08. Dezember 2007 Dokumentationsband

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Welternährung ökologisch & fairWHO FEEDS THE WORLD?

15. Witzenhäuser Konferenz 04. bis 08. Dezember 2007

Dokumentationsband

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Herausgeber: Projektteam der 15. Witzenhäuser Konferenz 2007 Lan Dinh, Meike Grosse, Betelihem Lakew, Juliane Löwen, Mathias Meyer, Sara Preißel, Lena Priesemann, Moritz Reckling, Jörg-Simon Schmid, Daniel Seymour

Redaktion: Meike Grosse und Juliane Löwen

www.uni-kassel.de/agrar/

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de/ abrufbar

ISBN: 978-3-89958-416-5URN: urn:nbn:de:0002-4163 kassel university press GmbH, Kasselwww.upress.uni-kassel.de

Layout: Metaldesigngroup Pty Ltd. / Susanne Pasquella Berndobler

Druck und Verarbeitung: Unidruckerei der Universität Kassel Printed in Germany

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Welternährung ökologisch & fair Inhalt

Inhalt

Vorwort

EinführungWelternährung heute – Ansätze für Ökologischen Landbau und Fair TradeBernhard Walter – Brot für die Welt, Stuttgart

Ökologisierung vs. IntensivierungWelthandel zertifizierter Ökoprodukte und die Chancen weniger entwickelter LänderHelga Willer – FiBL, Frick/Schweiz

Sicherung der Welternährung durch Innovationen und Intensivierung der LandwirtschaftFranz Heidhues - Uni Hohenheim

ErnährungssicherungDie multidimensionale Natur der Ernährungssicherung Lukas Kilcher – FiBL, Frick/Schweiz

Hindernisse für Kleinbauern im BiohandelJohannes Kotschi – AGRECOL, Marburg

Ökologische Landwirtschaft im TschadAbdallah Diop – ESTAF/Tschad

Fördern durch HandelVeränderungen im internationalen BiohandelBernward Geier – Colabora, Alefeld

Fairer Handel – Vom Idealismus zu Qualität und ZertifizierungThomas Speck – GEPA, Wuppertal

Gruppenzertifizierung und Interne Kontrollsysteme: Öko-Zertifizierung vonKleinbauernorganisationenManfred Fürst – Naturland, Gräfelfing

Fairbinden – Verschiedene Grundsätze für faires HandelnThomas Speck – GEPA, WuppertalChristine Müller – Weltladen Dachverband, MainzFolkert Mohrhof – Café Libertad, Hamburg

Ausblick und VisionenWho feeds the world? – Die Zukunft der WelternährungArmin Paasch – FIAN, Köln

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Welternährung ökologisch & fairInhalt

Was wir schon immer über Welternährung wissen wollten – aber nie zu fragen wagtenHelmy Abouleish – SEKEM/ÄgyptenArmin Paasch – FIAN, KölnMatin Qaim – Uni GöttingenGabi Bott – Gesellschaft für angewandte Tiefenökologie, PoppauModeration: Katrin Zander – Uni Kassel

Sekem – gelebte VisionHelmy Abouleish – SEKEM/Ägypten

WorkshopsBildungsprojekt WeltGartenKatharina Desch – DITSLAnna-Gertrud Siekmann – Weltladen, Witzenhausen

Agrartechnische ÜbungenAnne Noetzel – Uni KasselChristian Schellert – Uni Kassel

Natürliche Medizin in den TropenHannelore Klabes - anamed, Kassel

Ökolandbau in den TropenAbdallah Diop – ESTAF/Tschad

ZertifizierungssystemeManfred Fürst – Naturland, Gräfelfing

Beratung für KooperativenJörn Berger – IMO, Konstanz

Nachhaltiger und Fairer TourismusRolf Pfeifer – forum anders reisen, Freiburg

Impressionen Visionenraum

Multimediashow: Biashara – Tief in AfrikaHardy Fiebig

Rahmenprogramm

Sponsoren und Danksagung

Evaluierung

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Welternährung ökologisch & fair Vorwort

Vorwort

„Welternährung - ökologisch und fair“ - die 15. Witzenhäuser Konferenz vom 04. bis 08. De-zember 2007 griff ein Thema auf, das vor demHintergrund der Allmachtsphantasien der moder-nen Biotechnologie immer wieder in denHintergrund gedrängt zu werden droht. DerFachbereich Ökologische Agrarwissenschaftenist stolz auf das Studienelement „Konferenz-gruppe“, erlaubt es doch immer wieder brandak-tuelle Themen der Ökologischen Landwirtschaftauf die Agenda zu setzen und mit hoherReferentenkompentenz nach Witzenhausen zuholen. Quasi nebenbei erwerben die Teilnehmerder Vorbereitungsgruppe einen „Großen Schein“und berufliche Kompetenz. Das ist lebendigesStudium nahe an der Wirklichkeit.

Dank an das Konferenzteam und die Teilnehmer!

Jürgen Heß

V.l.n.r.: Stefan Seuring (Betreuung), Juliane Löwen, Daniel Seymour, Mathias Meier, Lan Dinh, Simon Schmid, Meike Grosse, Betelihem Lakew, Lena Priesemann, Holger Mittelstraß (Betreuung), Sara Preißel und Moritz Reckling

Das Konferenzteam der 15. Witzenhäuser Konferenz 2007.

Jürgen HeßDekan FB Ökologische Agrarwissenschaften

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Marginalisie-rung kann ver-schiedene Ele-mente beinhal-ten. Das ver-fügbare Landist zu klein,wie beispiels-weise in Süd-asien, wo vieleFamilien nurKleinstländereien im Schnitt von weniger alseinem halben Hektar besitzen. Oder die Höfe lie-gen oft in ökologischen Ungunstgebieten, an stei-len Hängen, in Dürreregionen oder in Über-schwemmungsgebieten. Marginalisierung kannauch bedeuten, dass die Landtitel nicht abgesi-chert sind, dass die Bauernfamilien – geradewenn wie von Frauen angeführt werden – keinenZugang zu Krediten und damit auch zu Saatguthaben. Fehlende Transportmöglichkeiten undInfrastruktur machen die Familien oft von weni-gen Zwischenhändlern abhängig. Agrarberatungist in der Regel inexistent. Die Kombination die-ser Faktoren ist bei vielen dieser marginalisiertenFamilien dafür verantwortlich, dass sie sich als

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Welternährung ökologisch & fairEinführung

Bernhard WalterBrot für die Welt, Stuttgart

Dr. sc. agr Bernhard Walter, 48 Jahre alt, ist seitSeptember 2005 der Leiter des Referats Land-wirtschaft, Ernährung und Umweltschutz in derAbteilung Politik und Kampagnen bei „Brot fürdie Welt". Bernhard Walter ist Agrarwissen-schaftler (Uni Hohenheim) und war mehrereJahre in Afrika in landwirtschaftlichen Projektentätig. Zu den wichtigsten Aufgaben seiner Stellerechnet er die Förderung der nachhaltigenLandwirtschaft im Süden und die Anpassung derAgrarsysteme dort an den Klimawandel, Fragender Hungerbekämpfung und des Agrarhandels.

„Brot für die Welt“ ist eine Hilfsaktion der evan-gelischen Landes- und Freikirchen in Deutsch-land. In mehr als 1.000 Projekten leistet sie ge-meinsam mit einheimischen Kirchen und Part-nerorganisationen in Afrika, Asien, Lateinamerikaund Osteuropas Hilfe zur Selbsthilfe. Leitmotivder Arbeit ist: Den Armen Gerechtigkeit.

Von den (derzeit) 854 Millionen Hungerndenleben etwa 820 Millionen in Entwicklungslän-dern. In Afrika leidet weltweit der höchsteProzentsatz der Gesamtbevölkerung unterHunger, auch die Zunahme ist hier am größten.Die letzte genauere Analyse über das Ausmaßvon Hunger in verschiedenen Teilen der Welt undunter verschiedenen Gruppen wurde für dieVereinten Nationen 2004 von der Hunger TaskForce des „Millennium Project“ von UNDP vor-gelegt.1 Sie bringt das folgende Bild: Hunger istimmer noch vorwiegend ein ländlichesPhänomen. Knapp 80 Prozent aller Hungerndenleben derzeit noch auf dem Land. Auch die von„Brot für die Welt“ und lokalen Partnern durch-geführten Hungerstudien in neun Ländern(Kenia, DR Kongo, Äthiopien, Niger, BurkinaFaso, Bangladesch, Nepal, Indien, Nikaraguaund in Sao Paolo) kommen zu ähnlichenErgebnissen2. Die Hälfte aller Hungernden undUnterernährten leben in kleinbäuerlichenFamilien. Obwohl diese Familien als Bauernleben, können sie sich von den vorhandenenRessourcen nicht ausreichend ernähren. Gut zweiDrittel dieser Familien können als besondersmarginalisiert bezeichnet werden.

Welternährung heuteAnsätze für Ökologischen Landbau und Fair Trade

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Welternährung ökologisch & fair Einführung

Voraussetzung dafür ist, dass partizipativeBeratungsmethoden eingesetzt werden, dieTechnologieentwicklung moderieren und nichtnur weitergeben.

Jedoch treten bei der Einführung nachhaltigerLandbausysteme auch immer wieder Problemeauf, die meist Resultate ungünstiger sozioökono-mischer Rahmenbedingungen sind, zumBeispiel:

• Mangel an Wissen und Beratung, wie die mangelnde kulturelle Anpassung der Beratungsin-halte oder die geringe Berücksichtigung indi-genen Wissens

• Mangel an Investitionen in ökologische Agrarforschung und geringe politische Unterstützung

• Marktwirtschaftliche Strukturen, die ökologi-schen Anbaumethoden entgegenstehen, wie zum Beispiel unzureichende Internalisierung der externen Kosten konventioneller Landwirtschaft

• Zusätzliche Verzerrungen der Marktpreise durch staatliche Subventionen externer Betriebsmittel, wie zum Beispiel die Förderung synthetischer Stickstoffdünger4

Daraus lässt sich ableiten, dass landwirtschaftli-che Produktionsmethoden allein die vielfältigenUrsachen ländlicher Armut nicht beseitigen kön-nen. Dazu bedarf es der äußeren Rahmenbedin-gungen von gerechter Landverteilung und politi-scher Förderung für landwirtschaftliche For-schung, Beratung und Infrastruktur.

Die zertifizierte Ökologische Landwirtschaftermöglicht durch Standardisierung undGütesiegel eine klare Unterscheidbarkeit vonanderen nachhaltigen Formen, repräsentiert abernicht den gesamten Ökolandbau. Neben denVorteilen der höheren Preise beim Verkauf zerti-fizierter Ökoprodukte und der zur Zeit stetigwachsenden Nachfrage, hauptsächlich in denIndustrieländern, stehen eine Reihe vonHemmnissen dem Wachstum des Ökolandbaus inEntwicklungsländern entgegen:

Bauern nicht von ihrem Land ernähren können.Diese Familien sind zudem hochgradig verletz-lich gegenüber externen Risiken und Schocks,wie Wetterunregelmäßigkeiten, oder einemerhöhten Importdruck.

Weitere 22 % der Hungernden und Unterernähr-ten gehören zu Familien, die ohne Zugang zuLand sind und meist als Landarbeiter versuchen,ein ausreichendes Einkommen zu verdienen.Jede wirkungsvolle Strategie zur Reduktion derZahl der Hungernden und Unterernährten mussdeshalb mit Maßnahmen beginnen, welche diebesonderen Zugangs-Probleme dieser Gruppenverbessern. Diese Gruppen wurden gerade in derbisherigen Landwirtschafts- und auch Entwick-lungspolitik zu oft übersehen. Frauen erfahrendabei oft eine doppelte Marginalisierung oderDiskriminierung. Zusätzlich zur allgemeinenVernachlässigung ländlicher Räume werdenihnen vorhandene Dienstleistungen in ländlichenRäumen vorenthalten, wie Zugang zu sicherenLandtiteln, Zu-gang zu Agrarberatung, Zugangzu Krediten etc.

Für diejenigen Bevölkerungsgruppen, dieZugang zu Land haben und grundsätzlich in derLage sind, ihre Situation aus eigenen Anstren-gungen heraus zu verbessern, ist der nachhaltigeLandbau eine vielversprechende Alternative. Wieauch in einer im Auftrag von Greenpeace undBrot für die Welt von der University of Essex in200 Projekten in Entwicklungsländern durchge-führten Studie gezeigt werden konnte, erreichtder nachhaltige Landbau besonders auf margina-len Standorten im Durchschnitt höhere Erträge alstraditionelle Formen der Landbewirtschaftung.3

Besonders wichtig ist für Familien, die mit derLandwirtschaft vor allem ihre eigene Versorgungsichern, die höhere Ertragssicherheit (Vermei-dung von Risiken) und die geringere Abhängig-keit von externen Betriebsmitteln (Gefahr derVerschuldung). Auch kann der nachhaltigeLandbau zu einer Stärkung lokaler Strukturenführen und ist von der ländlichen Bevölkerungmit traditionellem Wissen besser beherrschbar.

1 http://www.unmillenniumproject.org/reports/tf_hunger.htm2 Rottach, Peter, Hungerbekämpfung – Nicht mit neoliberalen Konzepten, Social Watch Report Deutschland, 20053 Pretty/Hine, „Ernährung sichern. Nachhaltige Landwirtschaft — eine Perspektive aus dem Süden“, Brandes&Apsel,

Frankfurt, 20014 Forum Umwelt und Entwicklung, Ökologische Landwirtschaft – Ein Beitrag zur nchhaltigen Armutsbekämpfung in

Entwicklungsländern?, Bonn 2005

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Welternährung ökologisch & fairEinführung

• Während Methoden des nachhaltigen Landbaus oft schon seit Jahrzehnten oder Jahrhunderten praktiziert werden, ist die Erfahrung mit zertifiziertem Ökolandbau eher gering.

• hohe Zertifizierungskosten mit großem administrativer Aufwand

• unzureichende Harmonisierung bzw. gegensei-tige Anerkennung nationaler Standards

• Erzeuger werden bei der Ausarbeitung natio-naler Richtlinien in Entwicklungsländer oft nur unzureichend einbezogen.

• oft wenig entwickelte lokale Märkte Exportorientierung

• kaum Zugang zu Informationen über Märkte und Preise

• Ökoprodukte aus Entwicklungsländern kon-kurrieren auf Märkten mit stark subventionier-ten Lebensmitteln aus Industrieländern.

• Produkte müssen hohen Qualitätsanforderun- gen und Sicherheitsstandards gerecht werden.

• Es bestehen in Industrieländern zunehmend Präferenzen für lokal produzierte Lebensmittel.5

Insgesamt lässt sich feststellen, dass Zertifizie-rung nicht unbedingt das geeignete Instrumentist, wenn es um die Ernährungssicherung vonHungernden und kleinbäuerlichen Betriebengeht, die für den Eigenverbrauch produzieren.

Aber auch in den Fällen, wo sie für die Vermark-tung Vorteile brächte, wird sie dann fragwürdig,wenn sie mit einem hohen Dokumentations-, Kon-troll- und Organisationsaufwand verbunden ist.

Einige der oben aufgeführten Probleme, wie zumBeispiel die extreme Abhängigkeit von Exporten,die zu einer gefährlichen Abhängigkeit derErzeuger von Zwischenhändlern und den oftstark schwankenden Weltmarktpreisen führt, hatder Handel mit Ökoprodukten mit dem konven-tionellen Handel gemein. Bei diesen Problemensetzen auch die Prinzipien des Fairen Handels an:

• Abfederung schwankender Weltmarktpreise durch Mindestpreisgarantie

5 United Nations Conference on Trade and Development, Trading Opportunities For Organic Food Products FromDeveloping Countries, United Nations New York and Geneva, 20046 Nadja Thürbeck, Fair trade - Ansatz, Umsetzung und Entwicklungspotentiale eines alternativen Handelskonzepts,Universität Hohenheim, 2007

• Zahlung einer Prämie zur Finanzierung sozialer Projekte (meist auch zusätzliche Ökoprämie)

• Vermeidung von Verschuldung durch Vorfinanzierung

• Aufbau von demokratischen Kooperativen und langfristigen Handelsbeziehungen zur Vermeidung von Marktkonzentration und Monopsonstrukturen

Ähnlich wie der Biomarkt ist auch der FaireHandel ein Nischenmarkt mit beeindruckendenWachstumsraten (2006 gaben die Konsumentenweltweit 1,6 Milliarden € für zertifizierte FairTrade Produkte aus, dies entspricht eineZunahme um 40 % gegenüber 2005).

Ein Großteil der in Deutschland verkauften FairTrade Produkte sind auch bereits öko-zertifiziert:70 % der Produkte mit Transfair-Siegel trugen2006 auch das Bio-Siegel.6

Und genau wie der Biomarkt steht der FaireHandel gerade durch diese enormen Wachstums-raten vor der Frage, wie auch in Zukunft selbst-gesetzte Standards und damit die eigeneGlaubwürdigkeit erhalten und gleichzeitig einimmer größerer Kundenkreis für ökologische undfaire Produkte gewonnen werden kann. Auch derBildungs- und Öffentlichkeitsarbeit kommt hier-bei eine wichtige Bedeutung zu.

In den Entwicklungsländern sollte dem längerfri-stigen Aufbau lokaler Märkte besonderesAugenmerk gewidmet sein, da auf ihnen auchProdukte, die nicht zu den klassischen CashCrops zählen (z.B. lokale Gemüsearten) abge-setzt werden können und somit die Exportabhän-gigkeit und die Konzentration auf einige wenigeProdukte verringert wird.

Um auch Kleinbauern die Teilnahme anZertifizierungssystemen, sei es öko und/oder fair,müssen diese an die lokalen soziokulturellenBedingungen angepasst sein und nationaleRichtlinien gemeinsam mit den Produzenten erar-beitet werden.

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Welternährung ökologisch & fair Einführung

Diskussion

Zusammenfassend lässt sich sagen: Welternährung heute – Ansätze fürökologischen Landbau und Fair Trade

• 80 % der Hungernden leben in marginalen Gebieten auf dem Land.

• Stimmen die sozialen und ökonomischen Voraussetzungen, können Methoden der nachhaltigen Landbewirtschaftung einen Beitrag zur Hungerbekämpfung leisten.

• Zertifizierter, auf den Export ausgerichteter, ökologischer Landbau geht an den Bedürfnissender am meisten marginalisierten Gruppen vorbei.

• Für Erzeuger, die bereits über Marktzugang verfügen, bedeutet der faire Handel eine wesentliche Verbesserung ihrer Situation.

Bestrebungen, soziale Normen in die Richtlinienfür ökologische Landwirtschaft zu integrieren,wie es beispielsweise der Anbauverband Natur-land tut, sind richtungsweisend.

Die Entwicklung gemeinsamer Richtlinien derÖko- und Fair Trade-Verbände könnte am Endeeiner solchen Entwicklung stehen.

Um einen nachhaltigen Effekt auf die weltweitenProduktions- und Handelsstrukturen zu erreichenwäre es darüber hinaus wünschenswert, wenn dieBewegungen des ökologischen Landbaus unddes fairen Handels ihren Einfluss auf dieEntwicklungs-, Agrar- und Handelspolitik stär-ken könnten.

Wenn die Zertifizierung ein Hemmnis fürKleinbauern ist, um an Märkte zu kommen, wärees nicht besser, wenn die Verbände ihreRichtlinien heruntersetzen würden?

Das wäre fatal für den ökologischen Landbauund dessen Glaubwürdigkeit. Die Zertifizierungist zwar noch nicht der richtige Weg, sie mussnoch verbessert werden, damit Kleinbauern daauch reinkommen.

Die Organisationsfähigkeit dieser Gruppenmüsste verbessert werden z.B. durch Bildungs-arbeit und über Gruppenzertifizierung. Außer-dem ist es wichtig, dass Richtlinien zusammenmit den Bauern in den jeweiligen Ländern ent-wickelt werden, damit sie den Bedingungen vorOrt entsprechen.

Was halten Sie von der Möglichkeit einerStufenzertifizierung?

Stufenzertifizierung dürfte vermutlich schwierigsein, da ja dann auch der Preis unterschiedlichsein müsste.

Ist Zertifizierung kontraproduktiv für dieEntwicklung eigener Märkte? Sollte man in derEntwicklungszusammenarbeit nicht doch davonabsehen?

Die Zertifizierung ist aus der Nachfrage der In-dustrieländer gekommen. Aber auch in Schwel-lenländern wie z.B. Brasilien und Indien ist eineNachfrage nach zertifizierten Bioprodukten vor-handen. Zertifizierung muss kein Ausschlusskri-terium sein.

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Welternährung ökologisch & fairEinführung

Bitte geben Sie eine Definition von „nachhalti-gem Landbau“!

„Nachhaltiger Landbau“ ist hier weitgehendgleichgesetzt mit „ökologischem Landbau“(wobei nicht notwendigerweise das Wirtschaftennach festgesetzten Richtlinien wie der EU-Öko-verordnung gemeint ist), d.h.

• standortgerechtes Wirtschaften im Einklang mit der Natur

• ressourcenschonendes Wirtschaften und Reduzierung externer Inputs

• Verzicht auf synthetische Pflanzenschutz- und Düngemittel

• Verbesserung der BodenfruchtbarkeitIntegration von Tierhaltung und Ackerbau

• etc.

Unterschied: Über die „technischen“ Kompo-nenten hinaus sollte der nachhaltige Landbauauch soziale Komponenten verbessern und diewirtschaftliche Nachhaltigkeit mitberücksichti-gen – von „nachhaltigem Landbau“ kann manalso erst dann sprechen, wenn auch beim Verkaufund der Vermarktung Gerechtigkeit herrscht.Die Definition eines Teilnehmers lautet folgen-dermaßen: von „Nachhaltigkeit“ kann man dannsprechen, wenn die Produktion so gestaltet ist,dass in der Zukunft die Produktion noch besserablaufen kann.

Nur 20 % der Produkte, die als fair gehandeltverkauft werden könnten, werden auch als solcheverkauft, der Rest konventionell. Ist das ok?

Natürlich ist das nicht gut, aber der Absatz isteinfach zu gering, man kann nur hoffen, dass dasbesser wird.

Ist die starke Exportorientierung des ökologi-schen Landbaus in Entwicklungsländern eineKonkurrenz zur Subsistenzwirtschaft?

Die Art der Vermarktung ist nicht allein einProblem von Ökoprodukten sondern von denLändern allgemein. Manche Bauern setzen sehrauf Cash Crops. Das Risiko dabei ist, dass diePreise nicht stimmen, dass durch Überproduktionoder Preisschwankungen die Erlöse so geringsind, dass es für die Subsistenzsicherung dannnicht mehr reicht. „Brot für die Welt“ rät immerzu einer Diversifizierung und zum Anbau für dieeigene Ernährung.

Gibt es eine Gefahr des Wachstums der Märktevon Bio und Fair?

Natürlich ist es prinzipiell zu begrüßen, es gibtaber auch Gefahren des Booms: das Wachstummüsste organisch vonstatten gehen und dürftenicht so plötzlich über die Bevölkerung kommen.Die Bevölkerung und die Strukturen inProduktion, Handel, Verarbeitung und Kontrollemüssen in diesem Wachstumsprozess mitgenom-men werden, dies ist ein längerfristiger Prozess.

Die Entwicklung lokaler Märkte ist ein langwie-riges und mühseliges Geschäft, exportorientierteFairtradeprodukte sind wesentlich erfolgreicher.Wird Entwicklungsorganisationen für den Aufbaulokaler Märkte überhaupt noch Geld gegeben?Was ist die Erfahrung von „Brot für die Welt“?

Die Entwicklung lokaler Märkte war immersozusagen der „Königsweg“ der Entwicklungszu-sammenarbeit. Inzwischen hat man das Problem,dass die Supermarktketten immer mehr Einflussauf die Vermarktung in den Entwicklungsländern

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Welternährung ökologisch & fair Einführung

nehmen, d.h. die Vermarktungsstruktur geht nichtmehr so stark zu den lokalen Märkten, sonderndie Landwirte müssen zu einem bestimmtenZeitpunkt bestimmte Waren liefern. Bei „Brot für die Welt“ ist die Subsistenzsiche-rung zentral, dann als weiterer Punkt dieEntwicklung lokaler Märkte. Export ist nichtgrundsätzlich schlecht, aber Export und lokaleMärkte sollten sich ergänzen.Die „Wirkungsdokumentation“, also auch dasVorweisen von Erfolgen, ist inzwischen einwesentlicher Punkt in der Entwicklungszusam-menarbeit, man steht dort jetzt unter Erwar-tungsdruck. „Brot für die Welt“ dokumentiertzusammen mit anderen Nicht-Regierungsorgani-sationen die Wirkungen der Projekte. „Brot fürdie Welt“ will seinen Partnern jedoch nicht nurvorgeben, dass sie jetzt dokumentieren müssen,sondern will diese Prozesse gemeinsam mitihnen entwickeln.

In welchen Bereichen ist „Brot für die Welt“ aktiv?

Schwerpunkt in der Arbeit von „Brot für dieWelt“ ist die Ernährungssicherung im Sinne derFörderung nachhaltiger Landwirtschaft; Land-reform und wirtschaftliche, soziale und kulturel-le Rechte sind weitere Punkte in der ländlichenEntwicklung.

Was passiert mit den Landlosen?

20 % der Hungernden haben kein Land, für dieseGruppe ist das Hauptproblem der Zugang zuLand und nicht Fragen wie „Bio“ oder„Zertifizierung“. Auch „Brot für die Welt“ hattatsächlich Schwierigkeiten, diese Ärmsten der Ar-men zu erreichen. Um mit dieser Herausforderung

umzugehen wird versucht, die Partner so weit zuqualifizieren, dass diese Bevölkerungsgruppenerreicht werden können. Das ist aber schwierigund nur begrenzt möglich. Es wird versucht,schon bei der Konzeption von Projekten zielgrup-pengerechte Maßnahmen einzuleiten und„Hardcore Poors“ zu erreichen. Ein weiterer wich-tiger Punkt ist die Diskussion um eine sozialeGrundsicherung im Sinne eines Grundeinkommens.

Ökologischer Landbau auf marginalen Stand-orten führt zu bemerkenswerten Ertragssteige-rungen. Warum wird Bioanbau in solchenLändern nicht zum Selbstläufer?

Wichtig ist, dass das Konzept von Bauer zu Bauerweitergegeben wird. Hierfür werden gezieltBauern ausgebildet, die in ihrem Land dann alsMultiplikatoren wirken. Es gibt aber hemmendeFaktoren, wie z.B. die politischen Rahmen-bedingungen, die durch Subventionen die kon-ventionelle Landwirtschaft unterstützen. Außer-dem herrscht auch in Entwicklungsländern ein„Mainstream“, der die konventionelle Landwirt-schaft unterstützt.

Wie schätzen Sie den Klimawandel und Säure-einträge durch Niederschläge im Hinblick auf dieErnährungssicherung in Entwicklungsländern ein?

Momentan gibt es bei „Brot für die Welt“ einegemeinsam mit Germanwatch durchgeführte Stu-die zu der Frage, wie sich der Klimawandel aufdie marginalisierten Gruppen in den Ländern desSüdens auswirkt. Es zeigt sich, dass sie mit amstärksten vom Klimawandel betroffen sind. Säureeinträge bewirken erwiesenermaßenErtragseinbußen. <<

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Welternährung ökologisch & fairÖkologisierung vs. Intensivierung

Helga Willer FiBL, Frick/Schweiz

Helga Willer ist Leiterin der FachgruppeKommunikation am Forschungsinstitut für biolo-gischen Landbau (FiBL) in Frick/Schweiz, wosie unter anderem in den Bereichen Internet,

Welthandel mit zertifizierten Ökoprodukten und die Chancenvon Entwicklungs- und Schwellenländern

Stand des Biolandbaues weltweit, Ende 2006:

Publikationen und Konferenzorganisation tätigist. Seit 2000 ist sie Mitherausgeberin desJahrbuchs zum Biolandbau weltweit, welchesvom FiBL gemeinsam mit der InternationalenVereinigung Biologischer Landbaubewegungen(IFOAM) und Stiftung Ökologie & Landbau(SÖL) mit Unterstützung der NürnbergMessepubliziert wird.

Helga Willer studierte Englisch und Geographiean den Universitäten Heidelberg, Freiburg undDublin/Irland. Sie promovierte zum ökologi-schen Landbau in der Republik Irland(Universität Freiburg, 1991). Vor ihrer Tätigkeitbeim FiBL arbeitete sie für zwölf Jahre bei derStiftung Ökologie & Landbau.

Beim FiBL hat neben der praxisrelevantenForschung der Wissenstransfer in die Praxisdurch Beratung, Kurse, Expertisen sowie ver-schiedene moderne Methoden derDokumentation einen hohen Stellenwert. DasFiBL engagiert sich seit vielen Jahren für dieEntwicklung des Ökolandbaus auch auf interna-tionaler Ebene.

Aktuell werden weltweit etwa 30,4 MillionenHektar Landwirtschaftsfläche biologisch bewirt-schaftet, was ca. 0,65 % der Weltagrarfläche aus-macht1. Hinzu kommen noch fast 34 MillionenHektar Wildsammlungsflächen hinzu.

Schätzungsweise gibt es weltweit etwa 700.000Bioproduzenten. Der globale Markt wird für2006 auf etwa 40 Milliarden US$ geschätzt, wasca. 30 Milliarden € entspricht.

Abbildung 1: Biofläche in den Kontinenten 2006 (Willer 2008)

1 Die Zahlen zum ökologischen Landbau weltweit werden jährlich vom Forschungsinstitut für biologischen LandbauFiBL in Kooperation mit der Stiftung Ökologie & Landbau SÖL und der Internationalen Vereinigung ÖkologischerLandbaumethoden IFOAM erhoben. Gefördert wird diese Arbeit durch die NürnbergMesse, der Veranstalterin derBioFach.

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Welternährung ökologisch & fair Ökologisierung vs. Intensivierung

Betrachtet man die zertifizierten Bioflächenweltweit (Stand 31.12.2006), so sieht man, dassAustralien bzw. Ozeanien mit 12,4 MillionenHektar 42 % der weltweit bewirtschaftetenBiofläche stellt.Europas Bioflächen ergeben, mit 7,4 Millionen

Hektar 24 % der weltweit zertifizierten Fläche,gefolgt von Lateinamerika (16 %), Asien (10 %)und Nordamerika (7 %).

Afrikas Bioflächen spielen mit 1 % der weltwei-ten Biofläche bis jetzt so gut wie keine Rolle.

Abbildung 2: Verteilung der Biofläche nach Kontinenten (Willer 2008)

Auf der Länderebene ver-fügt Australien über dieweitaus größtenBioflächen, gefolgt vonChina, Argentinien, USA,Italien, Uruguay, Spanien,Brasilien, Deutschlandund das VereinigteKönigreich.

Abbildung 3: Die zehn Länder mit der größten Biofläche 2006 (Willer 2008)

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In diesem Fall sind die Länder als Entwicklungs-und Schwellenländer definiert, die auf der DAC-Liste der Organisation für wirtschaftlicheZusammenarbeit und Entwicklung OECD geli-stet sind und somit berechtigt sind Entwicklungs-gelder zu bekommen. In diesen Ländern werdenfast neun Millionen Hektar biologisch bewirt-schaftet. Das entspricht knapp zwei Dritteln derglobalen Biofläche, macht aber nur 0,2 % dergesamten landwirtschaftlichen Fläche in diesenLändern aus. Die Wildsammlungsflächen in die-sen Ländern hingegen sind mit 25,6 MillionenHektar viel größer als in den entwickeltenLändern (8,1 Millionen Hektar).

In den Entwicklungs- oder Schwellenländerngibt sehr viele Klein- und Kleinstbetriebe. Dieserklärt auch, warum 2/3 der Bio-Betriebe (ca.eine halbe Million Betriebe) aus diesen Teilender Welt kommen. Der Großteil der der biolo-gisch erzeugten Waren wird exportiert. Daten zuheimischen Märkten, sofern es überhaupt einenMarkt für Bioprodukte gibt, liegen kaum vor.

Die größten Bioflächen dieser Länder (Stand31.12.2006) hat China, gefolgt von den latein-amerikanischen Ländern Argentinien, Uruguay,Brasilien und Mexiko.

Betrachtet man hingegen in den einzelnenEntwicklungs- und Schwellenländern die Anteileder biologischen Flächen, sind es erstaunlicher-weise die Inselstaaten wie Timor Leste (6,3 %),Vanuatu (6,1 %) und Samoa (5,3 %), die die höchsten Anteile haben. In Uruguay wer-den 6 % der Landwirtschaftsfläche ökologischbewirtschaftet.

Entwicklung des Biolandbaus

Seit der ersten Erhebung zum globalen Bioland-bau im Jahr 2000 (Willer/Yussefi 2000) hat sichdie Fläche des biologischen vervierfacht. Warenes 2000 noch 7,5 Millionen Hektar biologischbewirtschaftete Fläche, sind es heute über 30Millionen Hektar (Stand Ende 2006).

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Abbildung 4: Anteile der Biofläche an der gesamten Landwirtschaftsfläche:

Die 10 führenden Länder 2006 (Willer 2008).

Stand des Biolandbaues in den Entwicklungs- und Schwellenländern

Vergleicht man auf natio-naler Ebene den Anteilder biologischen Flächenim Vergleich zur konven-tionellen Flächen, so stelltsich heraus, dass Europahier führend ist. Liechten-stein führt diese Liste miteinem sehr hohen Anteilan (29 %). Als nächstesfolgen die AlpenländerÖsterreich (13 %),Schweiz (11 %) und Italien (9 %).

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Australien / Ozeanien

Hier werden über zwölf Millionen Hektar biolo-gisch bewirtschaftet. Das entspricht 2,7 % derlandwirtschaftlichen Nutzfläche Ozeaniens und42 % der globalen landwirtschaftlichen Nutzflä-che. Wachstumsfaktor für den biologischenLandbau ist in erster Linie die Nachfrage inEuropa, Nordamerika und Japan. Der heimischeMarkt hingegen ist kaum entwickelt. Neuseelandund Australien z.B. sind vor allem in denBereichen der Exportförderungen aktiv. BeideLänder gehören auch der EU-Drittlandsliste an,wodurch sie problemlos Produkte in die EU expor-tieren können.

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Welternährung ökologisch & fair Ökologisierung vs. Intensivierung

Abbildung: Entwicklung der biologischen Landwirtschafts- und der zertifizierten

Wildsammlungsflächen 1998-2006 (Willer/Yussefi 2000-2008)

Im Jahr 2006 hat die biologisch bewirtschafteteFläche um fast zwei Millionen Hektar zugenom-men. 2005 hingegen gab es einen Rückgang, weilin China (1,2 Millionen Hektar), Chile (0,6Millionen Hektar) und Australien (0,3 MillionenHektar) große Flächen rückumgestellt wurden,wobei es sich überwiegend um extensiveGrünlandflächen handelte. So ist innerhalb eines

Jahres die Biofläche in Chile von über 600.000Hektar auf 9000 Hektar zurückgegangen. Das größte Wachstum findet zurzeit in Europaund Nordamerika statt. In den Entwicklungs- undSchwellenländern ist das Wachstum eher verhal-ten. Zum allgemeinen Verständnis muss man sichdie Vorgänge auf den einzelnen Kontinentenanschauen.

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Afrika

In Afrika gibt es zusammengenommen ca. 0,4Millionen Hektar biologisch bewirtschafteteFlächen. Dies entspricht 1 % der globalenBiofläche. Wichtigster Wachstumsfaktor ist hierauch wieder die Nachfrage der industrialisiertenLänder, wobei aber auch der Schutz derBodenfruchtbarkeit oder die Ernährungssiche-rung eine Rolle spielen. Der heimische Markt fürBiowaren ist aufgrund geringer Kaufkraft undder erst wenig entwickelten lokalen Zertifizie-rung sehr klein. Als Ausnahmen gelten hierÄgypten und Südafrika, wo sich immer mehr auchein heimischer Markt für Bioprodukte entwickelt.

Asien

Hier gibt es etwa drei Millionen Hektar biolo-gisch bewirtschaftete Flächen. Das entsprichtetwa 10 % der globalen Biofläche. Der größteMarkt besteht zurzeit in Japan, wobei es aberauch heimische Märkte mit steigender Nachfragenach biologisch erzeugten Produkten in China,Malaysia, Philippinen, Singapur und Thailandgibt. Die Zertifizierung erfolgt meistens nichtdurch heimische Zertifizierungsstellen; gesetzli-che Regelungen werden aber gerade in Ländernwie Thailand, China und Indonesien erstellt.

Lateinamerika

Hier werden knapp fünf Millionen Hektar biolo-gisch bewirtschaftet, was etwa 16 % der globalenBiofläche entspricht. Der Großteil der Biopro-dukte wird exportiert. Die Unterstützung derRegierungen ist in einigen Ländern Lateiname-rikas durch Gesetzgebung, Exportförderung undAktionsplänen recht gut.

Europa

7,4 Millionen Hektar werden biologisch bewirt-schaftet, was etwa 24 % der globalen Bioflächeausmacht. 6,8 Millionen Hektar sind es in denLändern der Europäischen Union (EU-27). VierProzent der landwirtschaftlichen Nutzfläche inder EU werden biologisch bewirtschaftet.Spitzenreiter sind hier Italien, Spanien und

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Deutschland. Die größten Anteile haben Öster-reich, Schweiz und Italien. Die staatlicheUnterstützung ist in der EU durch Gesetzgebung,Aktionsplänen und Forschungsförderung imVergleich zu anderen Kontinenten sehr weit ent-wickelt.

Nordamerika

Mit 2,2 Millionen Hektar liegen etwa 7 % derglobalen biologisch bewirtschafteten Flächen inNordamerika. Zurzeit wird hier ein großesMarktwachstum festgestellt, was auch dazu führ-te, dass auch hier die Bioflächen in letzter Zeitsehr gewachsen sind.

Bodennutzung im ökologischen Landbau

Für den größten Teil der biologisch bewirtschaf-teten Flächen liegen Angaben zur Bodennutzungvor (über 90 %). Zwei Drittel der biologischbewirtschafteten Flächen werden für Dauergrün-land genutzt (67 %). 15 % der Flächen sindAckerland, 5 % Dauerkulturen und 5 % sind wei-tere Anbauflächen, zu denen aber keine Detailsvorliegen. Schaut man sich die Bodennutzung auf den ver-schiedenen Kontinenten an, sieht man, dass inOzeanien die Bioflächen hauptsächlich grünland-wirtschaftlich genutzt wird. Nordamerika hinge-gen hat ein recht ausgewogenes Verhältnis zwi-schen Ackerland und Grünland. In Afrika, alsexportorientierter Kontinent, ist der Anteil anDauerkulturen wie z.B. Oliven oder Kaffee rechthoch. Sehr viel Dauergrünland ist in Lateiname-rika vorzufinden, vor allem in Uruguay undArgentinien. Des Weiteren gibt es hier auch rela-tiv viele Dauerkulturen wie z.B. Kaffee, Kakaound Zuckerrohr.

Zertifizierte Wildsammlung weltweit

Gemäß der EU-Verordnung über den ökologi-schen Landbau gilt das Sammeln essbarerWildpflanzen und ihrer Teile, die in der freienNatur, in Wäldern und auf landwirtschaftlichenFlächen natürlicher Weise vorkommen, als

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Erzeugung im Rahmen des ökologischenLandbaus. Voraussetzung ist, dass die Flächen indrei Jahren vor dem Sammeln nicht mit anderenMitteln als die, die in der EU-Verordnung zuge-lassen sind, behandelt worden sind und dass dieStabilität und Erhaltung der Arten imSammelgebiet nicht beeinträchtigt werden. ImBiolandbau wird die Wildsammlung immerwichtiger. Die zertifizierten Wildsammlungsflä-chen (fast 34 Millionen Hektar) verteilen sichglobal gesehen ganz anders als dieBiolandwirtschaftsflächen. In Nordamerika undOzeanien gibt es kaum Wildsammlungsflächen,während große Flächen in Afrika, Asien undLateinamerika, aber auch in Europa vorhandensind. Etwa 26 Millionen Hektar befinden sich inden Entwicklungs- und Schwellenländern wäh-rend nur acht Millionen Hektar in den industria-lisierten Ländern vorzufinden sind (Stand31.12.2006). Die Wildsammlung hat in denEntwicklungs- und Schwellenländern eine höhe-re Bedeutung, da diese Flächen mit einem gerin-gen Maß an Organisation und Technik bewirt-schaftet werden können. Produkte, die aus derWildsammlung anfallen sind vor allem Obst,Beeren, Kräuter, Heilpflanzen, Nüsse und Pilze.Auch Seetang gehört zu den Produkten derWildsammlung.

Der globale Markt für Bioprodukte:

Der globale Umsatz mit Bioprodukten wird aufetwa 40 Milliarden US$ geschätzt (2006), und erwächst weiterhin stark. Prognosen gehen dahin,dass bis 2012 der Umsatz auf 70 Milliarden US$ansteigen wird. Heute ist es schon so, dass inEuropa und Nordamerika die Nachfrage teilwei-se gar nicht gedeckt werden kann, wodurch großeImportmärkte entstanden sind. 52 % des globalenUmsatzes mit Bioprodukten wird in Europagemacht; in Nordamerika sind es 45 % (Sahota2008). Der Rest der Welt spielt mit 3 % eine sehrkleine Rolle am Marktgeschehen.Betrachtet man das geschätzte Wachstum desBiomarktes nach den verschiedenen Kontinen-ten, erkennt man, dass fast auf jedem Kontinenteine Verdoppelung des Marktes diagnostiziertwird, wobei die für 2012 geschätzten Umsätzefür Asien und Lateinamerika mit 2,2 MilliardenUS$ bzw. 230 Millionen US$ immer noch sehrklein sind (Sahota 2007). Gründe, warum sich

die Nachfrage auf Europa und Nordamerika kon-zentriert sind das höhere Verbraucherbewusstseinund die hohe Kaufkraft. Hinzu kommt, dass dergesetzliche Schutz hier weit entwickelt ist undeine klare Kennzeichnung von Bioproduktenvorhanden ist. In den anderen Teilen der Welt istdas nicht so. Besonders in den Entwicklungs-und Schwellenländern gibt es so gut wie keinWissen und Bewusstsein über den ökologischenLandbau. Die Produkte sind schlecht gekenn-zeichnet. Es gibt keine gesetzlichen Grundlagen,die Verbraucher sind verunsichert und dieProdukte sind teuer, werden also oft als Luxus-güter wahrgenommen. Im Vergleich zu Europaund Nordamerika sind die Chancen auf diesenMärkten nicht gut für Bioprodukte.

Chancen auf dem europäischen Markt

In Europa werden über die Hälfte derBioprodukte weltweit umgesetzt. Hier gibt esauch viele Akteure in der Verarbeitung. DieChancen, verarbeitete Produkte aus anderenLändern nach Europa zu exportieren, sind deswe-gen nicht so gut. Diese Produkte müssen gut pro-filiert sein, um auf dem europäischen Markt eineChance zu haben. Nicht verarbeitete Produktehaben eine bessere Chance, da es einen Bedarf anObst, Gemüse, Kräuter, Gewürze, Getreide undtropischen Produkten gibt. Wenn man in die EUexportieren möchte, dann müssen diese Produktegemäß der EU-Verordnung produziert wordensein. Die meisten Bioprodukte werden innerhalbder EU gehandelt. Ein sehr großer Anteil derProdukte, die von außerhalb der EU importiertwerden, sind die klassischen Cash Crops, dieunter europäischen Anbauverhältnissen nichtoder nur begrenzt angebaut werden können wiez.B. Bananen, Zuckerrohr, Kakao, Kaffee.

Chancen auf dem nordamerikanischen Markt

Die Chancen für Bioprodukte auf dem nordame-rikanischen Markt sind besser als auf dem euro-päischen Markt. Die Wachstumsraten sind hierzur Zeit noch höher als in Europa. Der nordame-rikanische Markt lässt sich leichter erschließen,da er homogen ist und nicht so fragmentiert wie

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in Europa: Nordamerika besteht aus zweiLändern, während die 27 Staaten der EU einzelnerschlossen werden müssen. Auch hier werdenim Grunde genommen alle biologischen Produk-te benötigt, besonders aber Obst und Gemüse.

Chancen auf dem asiatischen Markt

In Asien ist der Markt, mit Ausnahme von Japan,eher klein. Besonders gute Chancen ergeben sichhier für die schon verarbeiteten Produkte, da es indiesen Ländern so gut wie keine Verarbeitungs-infrastruktur gibt. Gesetzlichen Schutz gibt es inelf Ländern, in acht weiteren werden derzeitGesetzgebungen erarbeitet.

Chancen auf dem lateinamerikanischen Markt

Die Produktion hier ist überaus stark exportori-entiert. Etwa 95 % der dort erzeugten Biopro-dukte werden exportiert. Heimische Märkte ent-wickelt sich zurzeit in Brasilien, Argentinien undMexiko, wobei diese noch sehr klein sind. Eswerden sehr wenige Produkte importiert und dieVerarbeitung ist erst wenig entwickelt.

Bedeutung von Exporten für Entwicklungs- undSchwellenländer

Die Exporte sind ökonomisch sehr interessantund tragen zur Einkommenssicherung in diesenLändern bei. Gleichzeit werden die Betriebe anden internationalen Standard für biologischerzeugte Produkte herangeführt und mitQualitätsmanagement vertraut gemacht, waswiederum bei der Entwicklung des Biosektors inden Ländern selber hilft. Probleme entstehenaber, wenn Länder ausschließlich für den Exportproduzieren. Die Glaubwürdigkeit der Produkteleidet – dieser Punkt unterstreicht die Wichtigkeitdes Aufbaus heimischer Märkte.

Bedeutung des Exports für die Entwicklung lokaler Märkte

Um die Exportabhängigkeit zu verringern, ist es

wichtig lokale Märkte zu entwickeln. So könnenBioprodukte auch den lokalen Konsumentenangeboten werden. Weiterhin sind heimischeMärkte wichtig, damit Produkte, die nicht expor-tiert werden können (zumeist tierische Produkte)auf dem heimischen Markt abgesetzt werdenkönnen. Ein weiterer Punkt ist, dass durch heimi-sche Märkte die Glaubwürdigkeit für Exportpro-dukte geschaffen wird.Im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeitgibt es zahlreiche Projekte, in denen lokaleMärkte aufgebaut werden. Es wird in diesenFällen den Produzenten vor Ort bei derEntwicklung von Wertschöpfungsketten gehol-fen. Hierbei werden bestimmte Produkte auf denMarkt gebracht, es wird eine fachlicheBegleitung von Vermarktungsinitiativen durch-geführt, die Marktforschung, Labelentwicklung,Qualitätsmanagement und Öffentlichkeitsarbeitunterstützt. Es wird auch bei der Verarbeitungund beim Zertitifizierungsprozess geholfen.

Gesetzgebungen im Biolandbau

Gesetzgebungen sind ein wichtiger Faktor fürden internationalen, nationalen und lokalenHandel mit Bioprodukten. Die wichtigstenGesetze sind die EU-Verordnung und das ameri-kanische Biogesetz - in den USA und Europawerden die größten Umsätze mit Bioproduktengemacht; entsprechend müssen die hierherimportierten Produkte nach diesen Standardsproduziert werden. Sowohl die USA als auch Kanada haben einBiogesetz, in Europa habe immerhin 82 % derLänder eine gesetzliche Regelung. Etwa 36 %der lateinamerikanischen Länder verfügen übereine Gesetzgebung zum biologischen Landbau.In Asien (20 %), Australien/Ozeanien (14 %) undAfrika (4 %) sind die Anteile der Länder mitBiogesetz geringer.

Gesetzgebungen sind wichtig, damitExportmärkte erschlossen werden können. DieGesetze dienen auch zum Schutz der heimischenKonsumenten. Bemerkenswert ist, dass häufigwenn sich ein Staat mit der Gesetzgebung für denbiologischen Landbau auseinandersetzt (zurUnterstützung des Exports), das Interesse amBiolandbau allgemein geweckt wird und in derFolge die staatliche Förderung für den

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Willer, Helga, Minou Yussefi-Menzler and Neil Sorensen (Eds.) (2008): The World of Organic Agriculture. Statistics and Emerging Trends 2008 International Federationof Organic Agriculture Movements IFOAM, Bonn, Germany and Research Institute of Organic Agriculture FiBL, Frick, Switzerland

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angekurbelt wird. Gesetzgebungen sind einewichtige Grundlage für die Umsetzung vonFörderprogrammen und Aktionsplänen.

Weltweit gibt es ca. 468 Zertifizierer, wovon diemeisten in Europa (172) und Nordamerika (83)ansässig sind (2006). In Asien sind dieZertifizierer in Japan, China und Südkorea kon-zentriert. In Afrika gibt es nur sehr wenig lokaleZertifizierer. Viele nordamerikanische und euro-päische Firmen zertifizieren auch im Ausland,denn viele Länder sind auf ausländische Firmenangewiesen, obwohl dies nicht immer vorteilhaftist. Lokale Zertifizierer haben das lokale KnowHow und es ist die kulturelle Nähe gegeben.Lokale Zertifizierungsstellen können die lokaleEntwicklung des Biosektors vor Ort unterstützenund arbeiten auch wesentlich kosteneffizienter.Sind erst einmal lokale Zertifizierungstellen ein-gerichtet, spielen diese auch eine wichtige Rollebei der Einrichtung der Richtlinienkompetenz imLand.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass diePotentiale der Entwicklungs- und Schwellenlän-dern auf dem Weltmarkt gut sind, da die Märktewachsen.

Es gibt viele Projekte der Entwicklungszusam-menarbeit, die dabei helfen, internationale undlokale Märkte zu erschließen. Als limitierendeFaktoren gelten, dass die Biobewegungen in vie-len Entwicklungs- und Schwellenländern nochnicht so gut organisiert sind, dass Regierungenkein Interesse am biologischen Landbau habenund es oft keine Informationen für Landwirte undKonsumenten gibt. Heimische Märkte sind in derRegel unterentwickelt und lokale Zertifizierungs-stellen fehlen. Oft werden auch so kleine Mengenproduziert, dass sich die Kosten eine Zertifizie-rung nicht rechtfertigen und somit auch keinefinanziellen Anreize für den Anbau biologischerProdukte vorhanden sind.

Fazit

Die Chancen für Entwicklungs- undSchwellenländer sind im Moment sehr gut, da dieMärkte wachsen. Wichtig für die Erschließungdieser Märkte ist aber, dass Gesetzgebungenbezüglich des biologischen Landbaues eingeführtwerden, lokale Märkte aufgebaut werden undeine anerkannte Zertifizierung in den jeweiligenLändern aufgebaut wird.

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Für hunderte von Millionen von Menschen invielen Entwicklungsländern ist die Sicherung derErnährung auch heute noch immer nicht gewähr-leistet. Über 800 Millionen Menschen leidenheute unter Hunger, eine gewaltige Zahl, wennman sich vergegenwärtigt, dass dies mehrMenschen sind als in Nordamerika und Europazusammen leben. Die größte Anzahl derHungernden lebt in Indien, China und anderenLändern Asiens, gefolgt von Subsahara-Afrikaund Lateinamerika. Die Staaten haben sich aufdem Welternährungsgipfel verpflichtet, imRahmen der Millennium Entwicklungsziele dieAnzahl der Hungernden bis 2015 zu halbieren.Wenn auch weltweit dieses Ziel möglicherweiseerreicht wird, ist das vor allem dem erfolgreichenWirtschaftswachstum und damit verbunden derReduzierung des Hungers in China und Indien zuverdanken. Andere Regionen, insbesondereAfrika, zeigen jedoch eher steigende Zahlen derHungernden. Mit anderen Worten, für weite

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Franz Heidhues Uni Hohenheim

Tropen und Subtropen (Universität Stuttgart-Hohenheim) seit 1982.

Er hat einen Doktor in Volkswirtschaftslehre(Universität Münster, 1969) und arbeitete von1969-1982 für die Weltbank in Washington D.C.in der Kapitalmarktanalyse, der Bewertung vonWirtschaftspolitik, Projektidentifizierung sowieBewertung und Überwachung landwirtschaftli-cher und ländlicher Entwicklungsprojekte. SeineForschungsschwerpunkte liegen auf Strategiender Armutsreduzierung, Ernährungssicherung,nachhaltigem Management natürlicherRessourcen und Institutionenentwicklung imländlichen Raum mit besonderer Orientierungauf ländliche Finanzmärkte.

Franz Heidhues ist unter anderem Mitglied desZentrums für tropische Landwirtschaft der UniHohenheim, des Wissenschaftlichen Beirates fürdas Ministerium für Wirtschaftliche Zusammen-arbeit und Entwicklung (BMZ), dem Vorstandder Deutschen Welthungerhilfe, der BoschStiftung, und dem IFPRI.

Franz Heidhues ist Professor für Entwicklungs-theorie und ländliche Entwicklungspolitik amInstitut für Agrar- und Sozialökonomie in den

Sicherung der Welternährung durch Innovationen undIntensivierung der Landwirtschaft

Regionen dieser Erde wird das Ziel derHalbierung des Hungers bis 2015, also des erstenMillennium Entwicklungsziels, nicht erreichtwerden. (siehe Schaubild 1 und 2)

Schaubild 1

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Ob dies 2050 noch möglich sein wird, ist fraglichund hängt ganz entscheidend von denMaßnahmen und Strategien ab, die heute initiiertwerden. Aber selbst wenn weltweit genügendNahrungsmittel produziert werden, ist dasHungerproblem durch eine gerechtere Verteilungder Nahrung aus verschiedenen Gründen nichtlösbar. Einmal würde eine Lösung desHungerproblems durch Verteilung im wesentli-chen voraussetzen, dass die Industrieländer, wodie Überschüsse produziert werden, bereit seinmüssten, die Nahrung an die Entwicklungsländermit Hungerproblemen zu übertragen.

Dies setzt eine Bereitschaft zu einem enormenRessourcentransfer voraus, die bei der gegebenenpolitischen Situation in den Industrieländern illu-sorisch erscheint.

Die Ursachen von Unterernährung sind vielfältigund daher einfachen Lösungen schwer zugäng-lich. Armut ist wohl die häufigste Ursache vonUnterernährung; gleichzeitig kann Armut aberauch das Ergebnis von Unterernährung sein,wenn diese die Produktivität und Gesundheituntergräbt. Entsprechend der Multikausalität vonErnährungsunsicherheit existieren eine Mengevon Programmen und Projektansätzen zu ihrerBekämpfung. Die Abstimmung von Programmenzur Sicherung der Nahrungsmittelverfügbarkeitmit solchen, die den Zugang zu Nahrungsmitteln,verbesserter Gesundheit, Hygiene, Bildungsowie Förderung von Frauen bezwecken, ist zen-trales Problem in der Verbesserung derErnährungssituation. Die Formulierung vonStrategien zur Hungerbekämpfung muss von derUrsachenanalyse ausgehen. Ursachen sind aufverschiedenen Ebenen zu finden. Auf einergrundlegenden Ebene sind politische Faktorenwie Politikversagen und schlechte Regierungs-führung, hohes Bevölkerungswachstum und dieunzureichende Ausstattung mit natürlichenRessourcen, wie Wasserknappheit und mangeln-de Bodenfruchtbarkeit bestimmend. Institutio-nelle, organisatorische und strukturelle Rahmen-bedingungen folgen auf einer zweiten Ebene.

Diese bedingen Stand, Einsatz und Entwicklungvon technologischem Wissen, vor allem in derLandwirtschaft, und das Funktionieren oderVersagen von Märkten als Bestimmungsgründevon Hunger. Auf Haushalts- und individuellerEbene schließlich sind Verfügbarkeit und Zugangzu Nahrungsmitteln, Gesundheitsaspekte undFürsorge und Wissen wichtige Determinanten.

Politik kann maßgeblichen Einfluss auf alle dieseUrsachen in positivem wie in negativem Sinnehaben. Ziel muss es sein, diese Beziehungendeutlich zu machen und Konzepte und Program-me zu formulieren, mit deren Hilfe eine nachhal-tige Verbesserung der Ernährungslage inEntwicklungsländern erreicht werden kann.

Eine kontrovers diskutierte Frage ist die nach derLösung des Hungerproblems durch Ausdehnungder Produktion oder durch eine gerechtereVerteilung der vorhandenen Nahrungsprodukti-on. Weltweit wird ausreichend Nahrung produ-ziert, um alle Menschen mit der von der FAOausgesprochenen Ernährungsempfehlung (2.300kcal pro Kopf und Tag) zu versorgen (s. Schaubild 3).

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Schaubild 2

Schaubild 3

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Bei der zunehmenden Knappheit an Land- undWasserressourcen bei gleichzeitig nach wie vorstark wachsender Bevölkerung wird auch inZukunft der Produktivitätssteigerung in derLandwirtschaft eine entscheidende Rolle zukom-men. Eine einfache Überlegung vermag diesdeutlich zu machen.Die Entwicklung der Nahrungsnachfrage wirdbestimmt einmal von der Wachstumsrate derBevölkerung und zum anderen von derWachstumsrate des Pro-Kopf-Einkommens inVerbindung mit der Einkommenselastizität derNachfrage nach Nahrung.

Wenn man annimmt, dass in einem Land bei-spielsweise die Wachstumsrate der Bevölkerung2,5 % pro Jahr beträgt, wir von einerEinkommenselastizität ß von 0,7 ausgehen (eineGrößenordnung, die für Niedrigeinkommens-länder bei wichtigen Grundnahrungsmitteln eheram unteren Ende der Beobachtungen liegt) undman weiter davon ausgeht, dass das Land sichentwickelt, d.h. das Pro-Kopf-Einkommenzunimmt – in unserem Beispiel mit 3 % pro Jahr,dann ergibt sich für das jährliche Wachstum derNahrungsnachfrage ein Wert von über 4 %. Mankann natürlich die Parameter in diesem Beispielje nach Vorliegen unterschiedlicher Bedingungenverändern. Aber bei der Wahl realistischer Wertefür Niedrigeinkommensländer wird sich kaumein jährliches Wachstum der Nahrungsnachfragevon unter 3 % ergeben. Dies bedeutet für solcheLänder, dass sie, falls der Hauptteil ihrerNahrung aus eigener Produktion bereitgestelltwerden soll, jährliche Produktionssteigerungen

Zweitens ist eine Verteilungslösung auch ausSicht der Länder mit Ernährungsunsicherheitenkaum wünschenswert; sie würden sich in derVersorgung eines der wichtigsten Güter vonIndustrieländern abhängig machen. Dass dieseAbhängigkeit auch zur Ausübung politischenDrucks genutzt werden könnte, ist nicht auszu-schließen.

Drittens sprechen logistische Probleme gegeneine Verteilungslösung. Da die meisten derArmen in entfernt gelegenen, schwer zugängli-chen ländlichen Gebieten leben, ist allein schonaus Transport- und administrativen Gründen eineVersorgung von außen in vielen Fällen nichtmöglich.

Schließlich spricht gegen eine solche Lösungauch die Tatsache, dass die Hauptressourcen derArmen, ihre Arbeitskraft und die vorhandenenLandressourcen nicht in vollem Umfang genutztwürden und, abgesehen von der ökonomischenIneffizienz einer solchen Lösung, würde sie auchder Würde und Selbstachtung der Menschen ent-gegenwirken. Eine nachhaltige Ernährungs-sicherung erfordert die Nutzung der eigenenRessourcen und Möglichkeiten.

In der Sicherung der Ernährung spielt dieLandwirtschaft die entscheidende Rolle. Ihrevorrangige Bedeutung beruht in erster Linie aufihrer wichtigen Rolle, die benötigte Nahrung inder gewünschten Qualität und Menge zu erzeu-gen. Zweitens hat sie das Potential, direkt undindirekt Beschäftigung und Einkommen zuschaffen, insbesondere in Ländern mit niedrigemEinkommen.

In beiden Funktionen, in der Bereitstellung vonNahrung wie auch in der Beschäftigungs- undEinkommensschaffung haben in der Vergangen-heit Innovationen und Produktivitätssteigerungeneine zentrale Rolle gespielt und werden auch inZukunft unverzichtbar sein.

Wie das folgende Schaubild zeigt, hat dieNahrungsproduktion seit Beginn der 1960erJahre sich auf mehr als das 2,5-fache erhöht,wobei die Ackerfläche nur gering zugenommenhat. Die Differenz geht auf technischen Fort-schritt, Innovationen und Produktivitätssteige-runge zurück.

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Schaubild 4

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ländern mehr Obst, Gemüse und tierischeProdukte mit entsprechenden Veredlungsverlu-sten. Diese Entwicklungen bedeuten für dieForschungs- und Innovationsentwicklung zusätz-liche Aufgaben.

Neben der hohen Priorität, die der Agrarfor-schung und Technologieentwicklung zur Lösungdes Ernährungsproblems zuzuordnen ist, gehörenauch die Förderung und Verbesserung derRahmenbedingungen ländlicher Entwicklung zuden wichtigen Aufgabenbereichen der Sicherungder Ernährung. Im Einzelnen gehört dazu dieStärkung von Beratungs- und Ausbildungssyste-men, um die erfolgreiche Adoption von Inno-vation zu fördern. Dazu gehören ebenfallsInvestitionen in Grund- und weiterführendeBildung in ländlichen Regionen, insbesondereauch für Frauen. Ein weiterer wichtiger Bereichliegt im Auf- und Ausbau der ländlichenInfrastruktur durch Straßen- und Wegebau, durchVerbesserung von Vermarktungsinstitutionen und–kanälen und durch Bereitstellung vonElektrizitäts- und Kommunikationsverbindun-gen. Ebenso von zentraler Bedeutung sind derZugang zu sauberem Trinkwasser und eineadäquate medizinische Grundversorgung. DerInvestitionsbedarf für diese Erfordernisse isthoch, allerdings bei einer Anhebung derEntwicklungshilfe an das von den reichenLändern verabschiedete 0,7 % des Bruttosozial-produkts Ziel durchaus finanzierbar. Dabei mussberücksichtigt werden, dass natürlich zusätzlicheFinanzmittel zur Finanzierung dieser Investitio-nen erforderlich sind, dass es aber vor allem aufdie sinnvolle und effiziente Verwendung derMittel ankommt. Dazu gehört vor allem, dass dieinstitutionellen und politischen Rahmenbedin-gungen verbessert werden, die eine gute Regie-rungsführung, vor allem partizipative Entschei-dungsprozesse unter Beteiligung der lokalenBevölkerung, Transparenz und Nachprüfbarkeitin der Mittelverwendung fördern und ein fairesund auch für die Armen durchsetzbares Rechts-system geschaffen wird. Solange diese Voraus-setzungen nicht realisierbar sind, wird für dieEntwicklungszusammenarbeit die Arbeit vor Ortmit lokalen Institutionen und Gruppen imRahmen klar definierter Programme und Projekteunverzichtbar sein. Insbesondere Nichtregierung-sorganisationen haben hier eine wichtige Rolle zuspielen. <<

Darüber hinaus ist noch zu beachten, dass dasErnährungsproblem insgesamt komplexer wird.Neben den über 800 Millionen hungerndenMenschen leiden ca. drei Milliarden Menschenan Mikro-Nährstoffmangel wie Eisen, Zink,Vitamine und anderen. Eine ausgewogeneErnährung erfordert vor allem in Entwicklungs-

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Schaubild 5

der Nahrungsmittelproduktion von drei oder ent-sprechend höheren Prozentsätzen pro Jahr erzie-len müssen. Dies sind Wachstumsraten für land-wirtschaftliche Produktionssteigerungen; die vorallem, wenn sie aus Produktivitätserhöhungenresultieren müssen, enorme Anstrengungen not-wendig machen. Das erfordert den Einsatz desBesten, was Forschung und Wissenschaft zurVerfügung stellen können. Wenn man zusätzlichnoch berücksichtigt, dass zusätzliche Produktionüber Flächenexpansion für viele Länder nichtmehr möglich ist und zusätzlich durchUrbanisierung, durch Erosion, Versalzung undanderen Degradationserscheinungen und durchKlimawandel der Hauptteil dieser Produktions-steigerung über technischen Fortschritt undInnovation erfolgen muss, wäre es unverantwort-lich a priori neue Technologien und Innovations-möglichkeiten nicht zu nutzen. Dazu gehört auchdas Wissen aus der organischen Landwirtschaftzu nutzen ebenso wie biotechnologischeInnovationen. Die Herausforderungen an dieInnovationsentwicklung und insbesondere dieAgrarforschung sind enorm, vor allem wenn mandiese Herausforderung vor dem Hintergrundabnehmender Produktivitätszuwachsraten seitden 1960er Jahren bei Hauptgetreideartenbetrachtet (s. Schaubild 5).

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Lukas Kilcher FiBL, Frick/Schweiz

Landwirtschaft mit Vertiefung in Agrarökonomie(Dipl. Ing. Agr., 1991). Er arbeitete als Journalistund Editor im Landwirtschaftlichen Informati-onsdienst in Bern (1991–1992), und legte eineMachbarkeitsstudie über LandwirtschaftlicheBeratung in Kuba an (LandwirtschaftlichesMarketing Projekt, 1992 – 1993). Von 1995 bis1998 war er Mitglied des Vorstands derVereinigung Schweizer Biolandbau-Organisatio-nen (BIO SUISSE), und 1996 bis 2000 Dozentan der Schweizerischen Hochschule fürLandwirtschaft (SHL) in Zollikofen/CH.

Er arbeitete beim FiBL seit 1993 als Herausgeberder Zeitschrift "bio aktuell" (1993 – 1998), alsBeratungsleiter (1994 - 1998), und an folgendenSchwerpunkten: Projektmanagement, Machbar-keitsstudien, Umstellungsplanung, Schulung undBeratung, Marktabklärungen und Marktstudien,Hofinspektionen und Dokumentation.Beim FiBL hat neben der praxisrelevantenForschung der Wissenstransfer in die Praxisdurch Beratung, Kurse, Expertisen sowie ver-schiedene moderne Methoden der Dokumenta-tion einen hohen Stellenwert. Das FiBL engagiertsich seit vielen Jahren für die Entwicklung desÖkolandbaus auch auf internationaler Ebene.

Lukas Kilcher ist Fachgruppenleiter "Internatio-nale Zusammenarbeit" und seit 1998 Mitglied derGeschäftsleitung am Forschungsinstitut für biolo-gischen Landbau (FiBL) in der Schweiz. Lukas Kilcher studierte an der EidgenössischenTechnischen Hochschule (ETH) Zürich/CH

Die multidimensionale Natur der Ernährungssicherung

Die FAO (Food and Agriculture Organization)definiert „Ernährungssicherheit“ folgenderma-ßen: Wenn alle Menschen jederzeit physischen,sozialen und wirtschaftlichen Zugang zu genü-gend, sicherer und wertvoller Nahrung erhalten,um ihre Ernährungsbedürfnisse und Ernährungs-präferenzen für ein aktives und gesundes Lebenbefriedigen zu können (World Food Summit,1996). Dies gilt auf internationalem und nationa-lem Niveau sowie für Haushalte.

Folgende Dimensionen spielen dabei eine Rolle:• Erhältlichkeit

(Produktion, Ressourcen, Märkte),• Zugang (Wissen, Ressourcen, Kredite, Märkte),• Stabilität (im Hinblick auf Umwelt-Variabilität,

Ressourcenschutz etc.),• Verwendung (Ernährungssicherheit, Qualität,

Gesundheit).

Der Beitrag diskutiert fünf Dimensionen derErnährungssicherheit (unvollständig; in Anleh-nung an FAO):

1. Produktivität: gilt gemeinhin als die ultimativeMessgröße um die Leistung von Systemen undAnbaumethoden zu vergleichen;2. Input/Output Effizienz: für den Vergleich vonProduktionssystemen jedoch die wichtigereMessgröße;3. Angepasste Technologie: diese Dimension isteiner der wichtigsten Erfolgsfaktoren des Bio-landbaus;4. Anpassungsfähigkeit des Systems Biolandbau,zurzeit intensiv diskutiert im Rahmen des Klima-wandels;5. Markt: wie kann der Biolandbau den Haushal-ten, Gemeinden und Ländern Nahrungsmittelzugänglich machen und wie auf internationalerEbene?

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Welternährung ökologisch & fair Ernährungssicherung

1. Produktivität

Biolandbau ist eine einmalige Kombination vonLow external Input-Technologie, Umweltschutzund Input/Output Effizienz. Immer mehr Bauernsteigen auf biologischen Anbau um mit dem Ziel,nachhaltig die Produktion zu sichern und ihrEinkommen zu verbessern.Die Hauptfragen bezüglich der Produktivität sindfolgende:1. Sind diverse Biolandbau-Anbausysteme pro-duktiver als vereinfachte konventionelle Systeme?2. Kann der Biolandbau die wachsenden Ernäh-rungsbedürfnisse decken?Für die Umstellungsperiode haben wir folgendeErfahrungen gesammelt:

• In allen Klima- und agrarökologischen Zonenverhalten sich die Erträge in der Umstellungszeitentsprechend der Intensität der Vorbewirtschaf-tung:

• Bei einer Umstellung eines Low Input-Systemssind Ertragsreduktionen meist niedrig. Nach derUmstellung können die Erträge in derBiobewirtschaftung sogar die konventionellenErträge übersteigen, sofern die Bewirtschaftungund Pflege dank Biolandbau verbessert undintensiviert wird.

• Bei einer Umstellung eines High Input-Systemssind Ertragsreduktionen meist größer. DieErträge erholen sich häufig nach einigen Jahren,aber selten auf das konventionelle Niveau.

Im gemäßigten Klima finden sich gute Böden, oftmechanisierte Betriebe und Bewässerung. DieBauern haben Zugang zu Inputs und dieAbsatzmärkte funktionieren.Generell sind hohe Erträge möglich, dabei wer-den aber oft die Ökosysteme über ihre Kapazitä-ten hinaus strapaziert. Feldversuche in verschie-densten Ländern zeigen, dass die Bioerträge imSchnitt 0 - 40 % unter den konventionellen lie-gen. In der Umstellungszeit sinken die Erträgedeutlich, mittel- bis langfristig steigen sie wieder,sobald sich die Bodenfruchtbarkeit erholt hat.Niedrigere Erträge in diesen Regionen sind häu-fig auf ungenügende Verfügbarkeit von Stickstoffzurückzuführen, auf ungenügende Kompostie-rungstechnik und mangelnde Gründüngung inder Fruchtfolge.

Landwirtschaft in ariden Gebieten ohne Bewäs-serung ist häufig subsistenzorientiert. Kleinbauern können sich landwirtschaftliche

Inputs meist nicht leisten. Eine Intensivierungder Produktion führt oft zu einer Überbewirt-schaftung und den damit verbundenenUmweltproblemen. Hohe Erträge im Bioanbaukönnen nur dann erreicht werden, wenn genü-gend Biomasse im System erhältlich ist undwenn Nutztiere in die Produktion integriert sind(tierische Dünger). Die größte Herausforderungin diesem Klima ist der Umgang mit Knappheitund mit der durch Trockenheit unterbrochenenC-Dynamik. Der Schlüssel für höhere Erträgesind Bodenfruchtbarkeit und Bewirtschaftungs-maßnahmen wie:

• integrierte Pflanzen- und Tierproduktion,• effiziente Kompostierung,• Einführung von Gründüngung und Cover Crops,• P-Defizite in den Griff zu bekommen.

Humide Regionen sind gekennzeichnet durcharme Böden, raschen Abbau der Biomasse sowiehöheren Krankheits- und Schädlingsdruck.Kleinbauern können sich Inputs nicht leisten.Eine Umstellung erfordert Diversifizierungs-schritte, meist durch Fruchtfolge, Intercropping,Agroforestry, Integration von Nutztieren undAquakultur. Bioerträge in der Fruchtfolge sindmeist ähnlich wie konventionelle (z.B. Reis). Beimehrjährigen Kulturen ist jedoch mit 20 - 50 %weniger Ertrag zu rechnen (z.B. Bananen,Kaffee). Die größte Herausforderung in diesemKlima ist die Diversifizierung mit dem Ziel einergrößeren Stabilität des Systems und derSchaffung neuer Einkommensquellen.

Charakteristika tropischer Berggebiete sindextreme Wetterbedingungen, arme erosionsanfäl-lige Böden, dafür aber niedrigerer Krankheits-und Schädlingsdruck. Große Distanzen erschwe-ren häufig den Zugang zu Ressourcen undAbsatzmärkten. In den ersten Umstellungsjahrenerfolgen nur geringe Ertragsreduktionen, soferndie Techniken des Biolandbaus (Kompost) ange-wendet werden. Grosse Herausforderungen die-ser Regionen sind der Zugang zu Fachwissen,landwirtschaftlichen Produktionsmitteln undAbsatzmärkten.

2. Effizienz

Wichtiges Entscheidungskriterium von Bauernfür die Umstellung sind die Ertragserwartungen.Die Produktivität ist jedoch nur ein Aspekt fürdie Ernährungssicherung; jeder Vergleich vonAnbausystemen ist wertlos, wenn nicht ihre

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Fragen:1. Sind diverse Bio-Anbaus-Systeme nachhaltigerund lokal angepasster als simplifizierte Systeme?2. Sind diverse Systeme lokal akzeptiert?

Es gibt Diversität in Zeit x Diversität in Raum:Fruchtfolgen: Biofruchtfolgen sind vielfältigerund dauern länger. Beispiel lndien: je nach MarktBaumwolle, Weizen. Chili, Gemüse, Gründün-gung. Dort sind Biolandbau-Techniken gutakzeptiert, erhalten jedoch Konkurrenz aus demSaatgutbusiness (Beispiel BT-Bauwolle).Mischkulturen: Traditionsreiche Oasengärtenmit Gemüse, Reis, Obst, Datteln, Nutztieren etc.wurden von Dattel-Monokulturen verdrängt.Bioproduzenten in Hazoua (Tunesien) z.B.bemühen sich um eine Diversifizierung undbauen Aprikosen, Gemüsesaatgut und andereKulturen an. Das ergibt ein besseres Gleich-gewicht, weniger Schädlinge und eine bessereNutzung des Wassers sowie neue Einkommens-quellen. Mischkulturen auf Biobetrieben sind indieser Region gut akzeptiert.Agroforstsysteme: Sie sind die Maximalvariantehinsichtlich der Diversifizierung und werden vorallem in den feuchten Tropen praktiziert. Aufderselben Fläche findet sich eine enormeArtenzahl und das System bietet die größte mög-liche Biomasse, was seine Bedeutung imKlimaschutz hat (Agroforestry ist eine der weni-gen Methoden, die Förderung von Klimafondserhalten). Das System bietet insgesamt breiteEinkommens- und Ernährungsmöglichkeitendank einer Diversität aus Cash Crops undKulturen für die eigene Versorgung. Der Anteilvon Agroforst in der weltweiten Agrarflächedürfte weiterhin sinken durch Konkurrenz ausPlantagen, das System wird jedoch vor allem vonBioproduzenten geschätzt und gefördert. DerNachholbedarf ist jedoch groß (Ananas, Kakao,Kaffee etc.).

4. Anpassungsfähigkeit

Bio-Management ist angepasst, wenn es auflokales Wissen und Erfahrung aufbaut. Diesmuss die Grundlage sein, denn Biolandbau istwissensintensiv. Anpassungsfähigkeit inAgrarökosystemen zeigt sich im:• Aufbau der Bodenfruchtbarkeit als zentrale

Strategie des Biolandbaus;• Mikro- und Makroflora und Fauna stützen das

System; diese sollte man bewusst fördern;• Diversität in Zeit und Raum;• Genetische Diversität.

Effizienz angeschaut wird. Die Ressourcen sindimmer beschränkt, also muss das Input/Output-Verhältnis eines Systems im Zentrum desInteresses stehen.

Nun gibt es zwei Hauptfragen bezüglich derEffizienz:1. Können im Bioanbau Ressourcen effizient ein-gesetzt werden?2. Liefert der Biolandbau den erwarteten Nutzenfür die KonsumentInnen?

Ressourceneffizienz (Input/Output Relation):• Einzelne Techniken des Biolandbaus verbrau-

chen weniger fossile Energie und Ressourcen als konventionelle (keine synthetische Dünger und keine Pestizide);

• Andere Techniken des Biolandbaus verbrau-chen mehr Treibstoff, vor allem wenn Handarbeit durch Mechanisierung ersetzt wird (z.B. Kompost, Unkraut-Management);

• In Entwicklungsländern wird generell weniger fossile Energie verbraucht aufgrund der gerin-geren Mechanisierung.

Ökonomische Effizienz (Kosten/Nutzen Relation)• die Literatur analysiert meist den Nettoerlös

statt der Effizienz (Kosten/Nutzen);• Bioerträge sind im Schnitt niedriger, die Preise

dagegen höher;• die Produktionskosten variieren stark je nach

Betriebstyp;• Biobetriebe können teure Inputs durch betriebs

eigene Stoffe ersetzen;• Mehrarbeit ist nötig für Unkraut-Management,

Kompost, Cover Crops oder biodynamische Präparate;

• der Erlös (ohne Bioprämie) variiert stark;• in Europa ist Bio rentabel, auch dank Bioprä-

mien und Subventionen;• in Entwicklungsländern sind die Nettoerlöse aus der Bioproduktion in der Regel stabiler, was sehr wichtig ist, da Subventionen meistens fehlen.

3. Angepasste Technologie

Biolandbau beinhaltet die Förderung derBodenfruchtbarkeit und Biodiversität sowie dieVerwendung angepasster Technologien. Diver-sität stabilisiert das delikate Ökosystem undreduziert die Anfälligkeit auf Trockenheit,Krankheiten und Schädlingsbefall. Biolandbauist somit eine Alternative zu simplifiziertenProduktionssystemen.

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Frage: Sind Biolandbau-Systeme anpassungsfä-higer, insbesondere im Hinblick auf denKlimawandel?Stellvertretend für zahlreiche Untersuchungensei hier der DOK-Versuch (dynamisch/orga-nisch/konventionell) des FiBL erwähnt, welchereine bessere Aggregatsstabilität, besseresWasserrückhaltevermögen und zahlreiche weite-re positive Auswirkungen des Biolandbaus aufdie Bodenfruchtbarkeit zeigt. Auch die Prioritätauf Prävention und die Minimierung kurativerInterventionen erhöhen die Anpassungsfähigkeitder Systeme und damit die Ernährungssicherheit.Große Bedeutung erhält das Potenzial desBiolandbaus zur Bremsung des Klimawandels.Biolandbau kann dazu auf drei Arten beitragen:

1. CO2 aus der Atmosphäre binden durch Diver-sifizierung und Erhöhung der Biomasse imAgrarsystem (Maximalvariante Agroforst);2. C im Boden stabilisieren und binden (Kom-post, Gründüngung etc);3. C-Abbau vermeiden (sanfte Bodenbearbei-tung/pfluglose Bodenbearbeitung).

Hier besteht ein großes Potenzial für denBiolandbau. Hingegen ist das Potenzial fürAgrartreibstoffe (fälschlicherweise meist„Biotreibstoffe" genannt) kleiner als erhofft:Betrachtet man die gesamte Umweltwirkung,schneiden nur Ernterückstände und Nebenpro-dukte der Lebensmittelindustrie (Schnittabfälle,Trester, Schlachtabfälle etc.) gut ab. Lebensmit-tel im Süden für Tanks im Norden anzubauenschneidet definitiv schlecht ab und sorgt für schäd-liche Preisschwankungen auf den Agrarmärkten.

5. Markt

Zurzeit werden lediglich 0,6 % der Welt-Anbaufläche biologisch bewirtschaftet, derAnteil am Lebensmittelmarkt beträgt etwa 2 %.Wie können Bioproduzenten (in Entwicklungs-ländern) höhere Einkommen erzielen? Wie kannder Biosektor den Zugang für qualitativ hoch ste-hende Nahrungsmittel für Haushalte, Nationenund auf internationaler Ebene verbessern? DasBeispiel der Frauenkooperative Wadi El Tayimaus dem Libanon zeigt, dass die Entwicklung vonlokalem Handel mit Bioprodukten dieErhältlichkeit von qualitativ hoch stehendenNahrungsmitteln direkt verbessern kann. Dankder stabileren Bioerträge und größeren Diversitätliefern Biobauern mehr Nahrungsmittel undreduzieren die Abhängigkeit von externen

Ressourcen. Damit verbessern solche OMI`s dielokale Versorgung und die Eigenständigkeit deslokalen Ernährungssystems. Die größte Herausfor-derung für die lokalen Biomärkte ist, dass bisherder überwiegende Anreiz durch Exporte entsteht,also dass es lokale Märkte erst ansatzweise gibt.Die großen Herausforderungen auf internationa-ler Ebene sind Produzenten, Verarbeiter undHandelsfirmen in neuen Partnerschaften zusam-menzubringen, fairen Handel (auch wo nicht zer-tifiziert) und internationalen Marktzugang fürBauern in Entwicklungsländern zu verbessern.

Herausforderungen für die Zukunft

Erst ein kleiner Teil der KonsumentInnen profi-tiert vom Biolandbau. Damit ist sein Einfluss aufdie Ernährungssicherung noch begrenzt. AufProduktionsebene ist der Aufbau derBodenfruchtbarkeit die größte Herausforderung.Speziell in ariden Gebieten, wo es niedrigenHumusgehalt und lange Trockenphasen gibt.Biolandbau ist wissensintensiv. Der Zugang zuFachwissen und Informationen ist eine großeHerausforderung. Mangelndes Fachwissen hat invielen Fällen zu „Substitutions-Biolandbau“ undMissmanagement geführt.

Eine weitere große Herausforderung ist die lang-same Entwicklung lokaler Märkte aus folgendenGründen:• Bewusstseinsmangel bei den Produzenten undKonsumenten;• mangelnde Kaufkraft für Bioprodukte mitAufpreis;• mangelnder Marktzugang und fehlendeMarktinformation.

Sich entwickelnde lokale Märkte sind eineVoraussetzung für ein gesundes Wachstum desBiolandbaus in einem Land, auch um dieWertschöpfung der gesamten Fruchtfolge- bzw.Agroforstkulturen zu erhöhen.

Fazit: Der Einfluss des Biolandbaus auf dieErnährungssicherung muss durchVerbesserungen auf allen Ebenen erhöht werden:• Forschung und Entwicklung,• Bildung und Beratung,• Entwicklung von Märkten und

Wertschöpfungsketten,• Entwicklung von lokalen und alternativen

Zertifizierungssystemen, Harmonisierung von Gesetzgebungen,

• Entwicklung von agrarpolitischen Aktionsplänen.

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Vorbei ist die Zeit, in der die ÖkologischeLandwirtschaft ihre Existenzberechtigung unterBeweis stellen musste. Heute geht es vielmehrum Standortbestimmung und konstruktiveSelbstkritiki. Ist die Ökologische Landwirtschaftnoch auf dem richtigen Weg?

Mit zweistelligen jährlichen Zuwachsraten vonBio-Produkten blicken wir heute auf ein boo-mendes Marktsegment und „mainstreaming“ istzu einem Lieblingswort der internationalenBiobewegung gewordenii. Gemeint ist, die Öko-logische Landwirtschaft auszuweiten und aus der„Nische“ zu holen. Die Umsetzung soll derbewährten Strategie folgen, die sich auf detail-lierte Richtlinien, regelmäßige Kontrolle undZertifizierung stützt. Den Verbraucherschutz imBlick wird die vollkommen nachweisbare, „glä-serne“ Produktion angestrebt. Gleichzeitigmöchte man die Regelwerke harmonisieren, umden grenzüberschreitenden, globalen Güteraus-tausch zu förderniii und damit letztlich auch diekleinbäuerliche Landwirtschaft fördern – hier inEuropa und ebenso in den Entwicklungsländern.Herr Dr. Kotschi hält die zertifizierte Ökologi-sche Landwirtschaft für überreguliert und wider-sprüchlich. Außerdem hält er es für fraglich, ob

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Welternährung ökologisch & fairErnährungssicherung

Johannes Kotschi AGRECOL, Marburg

Dr. Johannes Kotschi ist Mitbegründer undVorstandsmitglied von AGRECOL (Associationfor AgriCulture and Ecology).

Er studierte Landwirtschaft mit der FachrichtungPflanzenbau und Bodenkunde an der TUMünchen (Dipl. Ing. agr., 1973).

Seine Dissertation machte er zur Wirkung biolo-gisch-dynamischer Präparate auf Qualität undErtrag landwirtschaftlicher Kulturpflanzen an derUniversität Gießen (1980).

Seit mehr als 20 Jahren ist Johannes Kotschiunabhängiger Berater und Sachverständiger fürnationale, internationale und zivilgesellschaftli-che Organisationen, die in der ländlichenEntwicklung tätig sind.

Hindernisse für Kleinbauern im Biohandel

sie die fundamentalen Anliegen ökologischerLandwirtschaft voranbringen kann.

Das ursprüngliche Anliegen jedenfalls ist heutenur wenigen bewusst. Wer weiß noch, dass prak-tizierende Bauern und Bäuerinnen über fünfJahrzehnte an einem umfassenden Neuverständ-nis von Landwirtschaft und Ernährung arbeite-ten. Als Begründer der biologisch-dynamischenWirtschaftsweise widmeten sie sich Leitbildern,Prinzipien und Methoden ökologischer Land-wirtschaft. Die ersten Richtlinien 1928, die„Normschrift für Demeter Qualitäten“ warenkurz, einfach und dienten nur der patentrechtli-chen Sicherung des Warenzeichens Demeteriv.Heute entscheidet das Gesetz was „Bio“ ist (z.B.EU-Ökoverordnung 2092/91). So werden dieLandwirtInnen entmündigt und es stellt sich dieberechtigte Frage „Who owns organic?“v.

Erfolgreiche Marktentwicklung. Ob Getreideund Milch aus heimischer Produktion, GrünerTee aus China, Kaffee aus Mexiko oderBaumwolle aus Tansania: Weltweit werden öko-logische Nahrungsmittel und Textilien vor allemfür den wohlhabenden Norden erzeugt, Tendenzsteigendvi.

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Die dabei zu beobachtende Konzentration trägtklassische Züge eines liberalisierten Marktes. Inden USA z.B. verarbeitet Horizon Organic Dairyfast 70 % der Ökomilchvii; das Unternehmen isteine Tochter der Firma Dean Foods, die wieder-um 30 % des konventionellen Milchmarktes kon-trolliert und zu den fünf größten der Welt gehört.Solche Konzentrationsentwicklungen existierenebenso in Deutschland, wie z.B. die GroßhändlerAlnatura und Denree mit dem Aufbau eigenerSupermarktketten demonstrieren. Die Konven-tionalisierung der Ökologischen Landwirtschaftzeigt sich heute sehr deutlichviii. „Bio“ ist heuteein Markt wie jeder andere.

Dilemma der Richtlinien. Aus Sicht derProduzenten, vor allem der Kleinbauern und –Kleinbäuerinnen gerät die zertifizierte Ökologi-sche Landwirtschaft immer mehr in eineSackgasse. Auf der einen Seite sind Richtlinienfür den Verbraucher vertrauensbildend und dieGrundlage wachsender Nachfrage. Andererseitswerden sie zunehmend zum Würgegriff – vorallem für die Erzeuger. Dem Wesen vonRegulierung folgend, werden die Richtlinienimmer detaillierter und aufwändiger, und ihreEntwicklung hat sich verselbständigt. Auch stehtdie Absicht nach Harmonisierung (Vereinheit-lichung) verschiedener Richtlinien bei gleichzei-tiger Detaillierung im Widerspruch zu denGrundprinzipien ökologischer Landwirtschaft.Der „sich selbst regulierende Betriebs-Organismus“ bedarf der Freiheit der Gestaltungund der Eigenverantwortung, wenn er sich unterseinen standortspezifischen Gegebenheiten opti-mal entwickeln soll. Die heutigen Richtlinienengen diesen Freiraum für Entwicklung immermehr ein. Wem nützt diese Detaillierung? Es darfbezweifelt werden, dass der Markt von dieserEntwicklung wirklich profitiert, denn dieRegelungskosten sind erheblich. Viel bedenkli-cher ist aber, dass wesentliche Ziele ökologischerLandwirtschaft wie Ernährungssicherung,Umwelt- und Ressourcenschutz zunehmend ausdem Blick geraten.

Ernährungssicherung? Der Boom ökologieori-entierter Kleinbauerninitiativen in Entwicklungs-ländern ist ein Indiz, dass die ÖkologischeLandwirtschaft konventionellen Lösungswegenüberlegen ist - vor allem in Armutsgebietenix.Daher sehen Viele, dem vorherrschenden

Paradigma der Globalisierung entsprechend, deninternationalen Markt auch als Motor für land-wirtschaftliche Entwicklung im Süden. Entwick-lungsorganisationen greifen dies auf und lockendie Erzeugergruppen auf der Südhalbkugel mitPremium-Preisen ökologisch zu produzieren. Zubesonders positiven Beispielen gehört die Arbeitvon CEDECO in Nicaragua (Kaffee) und Epopain Ost-Afrika (Baumwolle u.a.). ErfolgreicheErzeuger-Gemeinschaften im Süden bilden einenkleinen und konstanten Anteil am internationalenMarkt und spielen eine wichtige Rolle in derBemühung um weltweite Ökologisierung. Aberdie Möglichkeit, sich dem internationalen Bio-markt anzuschließen und damit die Ernährungs-sicherung zu verbessern, bleibt den meistenProduzentengruppen versperrt.

Hierzu ein Beispiel: in Nord-Sumatra,Indonesien, haben zahlreiche BauerngruppenAlternativen zum chemischen Pflanzenschutzentwickelt und eigene Richtlinien undGarantiesysteme definiert, um ihre Produkte ausökologischer Landwirtschaft auf den Markt zubringenx. Die Nachfrage für Gemüse, das freivon chemischem Pflanzenschutz ist, scheintenorm – in den Städten Nord-Sumatras und imbenachbarten Singapur. Beim Blick auf dieRichtlinien wird schnell klar: Die Verwendungsynthetischer Mineraldünger soll vermindertaber nicht ausgeschlossen werden, da organischeDüngung zum Beispiel über eine Intensivierungder Tierhaltung auf absehbare Zeit keine ausrei-chende Option darstellt. Im Zuge der GrünenRevolution wurden die Wasserbüffel abgeschafftund durch Mineraldünger und Traktoren ersetzt –eine Entwicklung, die sich nicht ohne weiteresrückgängig machen lässt. Die Verwendung syn-thetischer Mineraldünger wäre aber ein klarerVerstoß gegen die internationalen Rahmenricht-linien der IFOAM und gegen die damit konfor-men nationalen Richtlinien Indonesiens, die inVorbereitung sind.

Fairer Handel? Es gibt andere Gruppen, die dieRichtlinien zwar erfüllen können, aber trotzdemkeinen Zugang zum internationalen Markt erhal-tenxi. Dafür gibt es verschiedene Gründe:

• Ihre produzierten Mengen an Nahrungsmitteln sind oft zu gering, die Qualitäten zu wenig homogen.

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• Es werden Produkte angeboten, die auf dem internationalen Markt nicht nachgefragt werden, oder die zu leicht verderblich sind (z.B. Gemüse). Auch sind mögliche Vermarktungs-partner und –wege kaum bekannt.

• Die Bio-Zertifizierung ist oft zu teuer und zu kompliziert; das gilt auch für die günstigere Variante der Gruppenzertifizierung für Klein-bauern, die gemeinsam vermarkten. Einige Vermarktungsorganisationen berichten, dass der höhere Verkaufspreis (Premium) gerade die Zertifizierungskosten zu decken vermag.

So lautet das Fazit: Zwar wächst der Bio-Marktdeutlich und kontinuierlich, aber die gegenwärti-ge Praxis zertifizierter ökologischer Landwirt-schaft ist keine Option für Ernährungssicherungoder Armutsbekämpfung, denn größtenteils sinddie Kleinbauern im Süden vom internationalenMarkt ausgeschlossen. In ihrer Bemühung umÖkologisierung können sie von dieser Seite keineFörderung erwarten. Nur die auf Export orien-tierten Gruppen erhalten Förderungen in Formvon Beratung und Ausbildung. Deshalb gilt eslokale, nationale und regionale Märkte aufzubau-en. Dazu wären idealerweise vielfältigeRichtlinien und auch Garantiesysteme denkbar,die aus dem jeweiligen natürlichen, kulturellenund sozio-ökonomischen Kontext heraus entwik-kelt, anstatt „von außen“ vorgegeben werden.

Alternativen zu der Export-Orientierung?In Süd-Asien unterstützen verschiedenste nicht-staatliche Organisationen (NRO) bäuerlicheGruppen in politischer Bewusstseinsbildung. Sothematisieren beispielsweise Navdanya in Nord-Indien und Ubinig in Bangladesh die Folgen derWTO, globale Handelbeziehungen, Farmer’sRights und Erhalt der Biodiversität und verknüp-fen dies mit praktischer Beratung zur Umstellungauf Ökologische Landwirtschaft. Diese Kom-bination von politischer Arbeit und landwirt-schaftlicher Beratung ist recht erfolgreich.

Ein Beispiel aus einem Dorf in HimachalPradeshxii, mag dies verdeutlichen: Mehr undmehr Familien sind überzeugt, dass die Ökologi-sche Bewirtschaftung machbar und eineAlternative zur konventionellen Produktion ist.Neue Methoden des alternativen Pflanzenschut-zes im Reisanbau und die verbesserte Nutzungtierischer Dünger durch Kompostierung brachten

den Durchbruch. Ein mit Bauern durchgeführterVergleich öko versus konventionell im Reisanbaumit einer überschlägigen Berechnung desDeckungsbeitragsrechnung führte zu folgendemErgebnis: Die physischen Erträge unter ökologi-scher und konventioneller Bewirtschaftung lagenbei fünf Tonnen pro Hektar und waren gleichhoch. Die variablen Kosten der konventionellenVariante waren – bedingt durch den Einsatz vonMineraldünger und chemischem Pflanzenschutzwesentlich höher als bei ökologischerProduktion. Daher erreichen die ökologisch wirt-schaftenden Bauern einen um ca. 90 % höherenDeckungsbeitrag. Dies mag ein Extrembeispielsein. In der Tendenz bestätigt es eine häufiggemachte Erfahrung in der Beratung solcherGruppen: Ökologische Landwirtschaft kann sehrkonkurrenzfähig sein. Ein höherer Preis ist nichtnotwendig, „premium“ ist nicht die treibendeKraft. Aber die Menschen möchten als ökolo-gisch wirtschaftende Bauern und Bäuerinnenanerkannt werden. Mindestens ebenso wichtigwie die wirtschaftliche Verbesserung ist das mitder Umstellung verbundene gestiegeneSelbstwertgefühl der Menschen. Ökologisierungist eben auch eine Frage der Würde und derUnabhängigkeit gegenüber Staat und Industrie-Lobby.

Wir müssen umdenken. Richtlinien sind zwei-fellos notwendig, und ein Bio-Markt ohne sie istnicht denkbar. Aber anstelle zunehmenderDetaillierung sollten sie wesentlich vereinfachtund allgemeiner gehalten werden. Nur dannmachen Bemühungen um Äquivalenz - bei allerVielfalt der Standorte - einen Sinn. Auch sollteeinmal grundlegend über eine Prozess- anstelleeiner Produktzertifizierung nachgedacht werden,wie z.B. praktiziert vom Sustainable AgricultureNetwork in Zusammenarbeit mit der RainforestAlliance. Wäre es nicht richtiger den Prozess zufördern anstatt das Endprodukt?

Zweitens: wir sollten uns vom starren System derRichtlinien lösen und zum Wertediskurs zurück-finden. Dabei sollten Prinzipien und Leitbilderökologischer Landwirtschaft ausgebaut und wie-der stärker zum Beurteilungsmaßstab werden.Dieser Diskurs ist u.a mit der Überschrift„Organic Revision“ auch Thema bei der IFOAMgeworden und findet seinen Niederschlag in derneuen EU-Ökoverordnung.

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i Kotschi, J (2006): Überregulierung im Ökolandbau- eine Herausforderung für die Biobewegung. Ökologie undLandbau. 133/1. 27-29.ii Weinberg, S (2003): Mainstreaming and the Organic Mission. Moving beyond the 2% Market US Perspective. 7thIFOAM International Conference on Organic Trade. November 7, 2003. Bangkok, Thailand. IFOAM.iii Westermayer C, B Geyer (2003): The Organic Guarantee System. The need and strategy for harmonisation andequivalence. IFOAM. Tholey-Theley. 146p.iv Lebendige Erde (2004): 80 Jahre biologisch-dynamisch. Lebendige Erde 6/2004, S.19.v Sligh, M and C Christman (2003): Who Owns Organic? The Global Status, Prospects and Challenges of a ChangingOrganic Market. Rural Advancement Foundation International. Pittsburgh USA. 35p.vi Willer, H and M Yussefi (2004): The world of Organic Agriculture 2004 – Statistics and emerging trends. IFOAM,Bonn.vii Brewster, E (2002): Ready to rule: organic beverages expect boost from new labelling requirements. BeverageIndustry 93 (3): 61-66. viii Felger, J und K. Hirte (2007): Konventionalisierung des Ökolandbaus – eine Reflexion auf die Debatte. In: Öko-landbau – mehr als eine Verfahrenslehre? Ökologie und Wirtschaftsforschung 70. Marburg.ix Kotschi, J (2004): Mehr Ökologie – weniger Hunger? Ernährungssicherung und Ökologische Landwirtschaft.Politische Ökologie 90. 59-61.x Kotschi, J (2004): Agriculture in harmony with nature – A joint initiative in North Sumatra, Indonesia.Consultancy Report for Brot für die Welt and EED Germany (unveröffentlicht).xi Kotschi, J (2000): Poverty alleviation in the South – can Organic Farming help? In: Alföldi T.W., Lockeretz, W.and Niggli, U. 2000: Proceedings 13th International IFOAM Scientific Conference, Basel. 652-655.xii Kotschi, J (2003): Evaluation Navandanya, India (unveröffentlicht).xiii Flörchinger, F, A Bernd, T Becker, B Schrimpf and J Kotschi (2007): Local marketing of organic products indeveloping countries. Guidelines for practitionners. AGRECOL. Bonn. www.agrecol.de/index.php?option=com_con-tent&task=view&id=65&Itemid=76

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Welternährung ökologisch & fair Ernährungssicherung

Drittens: die Bedeutung des globalen Marktes fürdie Entwicklung der ökologischen Landwirt-schaft wird überschätzt. Ökologische Leistungenlassen sich nur sehr begrenzt über Premium-Preise finanzieren. Ziele wie Ernährungssiche-rung, Umwelt und Ressourcenschutz werdenvom Markt kaum bedient. Im übrigen findet derglobale Markt sich selbst und braucht unsereHilfe nicht. Vielmehr müssen regionale Märkteaufgebaut werden, um den Marktzugang zu ver-einfachen und Wertschöpfung in den Regionenzu erreichen. Neben der anbautechnischenBeratung benötigen diese Bauerngruppen eineFörderung der Vermarktung: Preisermittlung,Harmonisierung von Angebot und Nachfrage,Vermarktungsstrategien und schließlich dieNotwendigkeit zum Zusammenschluss zuErzeugergemeinschaften, wenn die produzierteMenge zu gering ist. AGRECOL hat sich diesesThemas angenommen und eine Beratungsbro-schüre zur Unterstützung von Erzeugergemein-schaften und Beratern erstelltxiii.

Vorreiterrolle der Ökologischen Landwirt-schaft beibehalten. Wir sollten uns rückbesin-nen auf die Vorreiterrolle, die für den mainstreamkontinuierlich Innovationen generiert. Sie sollteallerdings nicht selbst zum mainstream werden.Von nachhaltiger Produktion sind wir noch weitentfernt; das gilt auch für die Ökologische

Landwirtschaft. Vielleicht aber ist sie am ehestenberufen, entsprechende Zukunftsaufgaben wahr-zunehmen. Ich sehe vier Bereiche:

Die verstärkte Förderung von Initiativenim Süden als Ergänzung zum internationalenMarkt. Im Hinblick auf Produktion undVerarbeitung, Richtlinien und Zertifizierungsowie Vermarktung müssen regionale Lösungengesucht werden; Die Reduzierung des Energieverbrauchs

bei Erzeugung, Verarbeitung und Transportsowie die systematischere Nutzung erneuerbarerEnergien in der Landwirtschaft; Die aktivere Mitwirkung bei Konzepten

und Strategien zur Umsetzung derBiodiversitätskonvention; Beiträge zum Klimaschutz durch

Verbesserung von Landnutzungssystemen dieden Ausstoß von Treibhausgasen (vor allemMethan und Stickoxide) minimieren und dieKohlenstoffbindung steigern.

Eine derartige Neuorientierung wird all unsereKräfte brauchen. Sie ist aber notwendig, um mitden Anforderungen in einer sich rasch verändern-den Welt Schritt zu halten. Weitblick ist gefragt,um das enge System zertifizierter ÖkologischerLandwirtschaft weiterzuentwickeln.

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Welternährung ökologisch & fairErnährungssicherung

Abdallah DiopESTAF/Tschad

Quelle:www.oasereisen.de

Abdallah Diop ist in der land- und forstwirt-schaftlichen technischen Hochschule (ESTAF)im Tschad als Lehrer für Pflanzenernährung tätigund ist Koordinator der pädagogischen, finan-ziellen, materiellen sowie administrativenAngelegenheiten seit 2004.In N’Djaména im Tschad geboren, studierteAbdallah Diop Internationale Agrarwirtschaft

und ökologische Umweltsicherung an derUniversität Kassel in Witzenhausen und arbeiteteanschließend am Institut für Nutzpflanzkunde(INK) in den Fachgebieten Pflanzenernährungund Pflanzenbau für sechs Jahre als wissen-schaftlicher Mitarbeiter. Von 1993 bis 1999arbeitete er bei den Europäischen FreiwilligenProgrammen (EFP) der Gesellschaft fürTechnische Zusammenarbeit (GTZ) und desDeutschen Entwicklungsdienstes (DED) imDeutschen Institut für Tropische undSubtropische Landwirtschaft (DITSL) inWitzenhausen.

Von 1999 bis 2003 war er Vorstandsmitglied desArbeitskreises Afrikanischer und AsiatischerAkademiker und Akademikerinnen (AAAAA) inGöttingen und war hier zuständig für dieKonzeption, Organisation und Durchführung ent-wicklungspolitischer Reintegrationsseminareüber Umwelt, Energie, Landwirtschaft, Wasserusw. für die in Deutschland aus- und/oder fortge-bildeten Afrikaner und Asiaten. Von 1994 bis2003 arbeitete er aktiv bei STUBE-Hessen undWorld University Service (WUS) an der Planung,Organisation und Leitung der Seminare undAkademien für ausländische Studierende inHessen sowie als Referent zu verschiedenenThemen.

Ökologische Landwirtschaft im Tschad

Im Folgenden werdenAspekte der Landwirtschaftim Tschad erläutert.

Nach einer kurzenVorstellung des Landes wirdüber die Möglichkeiten undGrenzen der Landwirtschaftim Tschad eingegangen, ins-besondere auf die Ökologi-sche Landwirtschaft.

Ferner wird die Problematikder Ernährungssicherung imTschad behandelt undschließlich über dasHandelssystem berichtet.

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Möglichkeiten und Grenzen der Landwirtschaft

Die Landwirtschaft im Tschad ist hauptsächlichvon den Niederschlägen abhängig. Bewässertwerden nur Zuckerrohrplantagen und imEinzelfall Gemüsefelder.Im Süden des Landes kann es bis 1.470 mm proJahr regnen, in anderen Gebieten im Norden hates seit 30 Jahren nicht mehr geregnet.Grundsätzlich nehmen vom Norden nach Südendie Niederschläge zu und dementsprechend istauch die Landwirtschaft ausgeprägt.Im Norden gibt es eine Vollwüste mit Nomaden-tum. Je weiter man Richtung Süden geht ändernsich die Vegetation und dementsprechend auchdie angebauten Kulturpflanzen. In der Sahelzone,die sich vom Sudan bis zum Senegal erstreckt, istdie Viehwirtschaft stark ausgeprägt. Die häufig-ste Tierart sind Rinder, aber es gibt auch Schafe,Ziegen und Geflügel.In anderen Gebieten des Tschad wird vielPerlhirse angebaut und auch Erdnüsse, Sesam,Mais, Zuckerrohr und Baumwolle.75 % der berufstätigen Bevölkerung ist in derLandwirtschaft beschäftigt. Die Landwirtschaftträgt 50 % zum Bruttonationalprodukt bei. Bis2003 hatte sie sogar einen noch größeren Anteildaran, aber ab da gehört der Tschad zu den Erdölexportierenden Ländern. Nur 4,5 % der Flächedes Tschads sind ackerbaulich genutzt. WeiteresPotential für Landwirtschaft wäre vorhanden.

Es gibt limitierende Faktoren für die Landwirt-schaft wie politische, technische, organisatori-sche und klimatische Faktoren. Die klimatischenFaktoren sind natürlich nicht beeinflussbar, aberdie anderen durchaus. Dadurch könnte auch dieLebenssituation für die Produzenten verbessertwerden. Zirka 450 km südwestlich von N’Djamena wirdSorghum bicolor angebaut. Diese Pflanze ist sehrgut an die Standortbedingungen angepasst, da sieeine sehr wassertolerante Pflanze ist. Sie ist dasGrundnahrungsmittel in dieser Region und wirdaußerdem zur Bierherstellung verwendet.

Bis auf wenige private Betriebe, die auchTraktoren einsetzten, arbeiten die meistenMenschen dort immer noch mit der Hacke oder,wer es sich leisten kann, mit Ochsen. Teilweisewerden diese Tiere gegen Gebühr auch an andereBauern verliehen, das kann sich aber nicht jederleisten. Die Zuckerrohrproduktion beträgt ca. 500.000 tpro Jahr, doch das reicht noch nicht einmal fürden eigenen Verbrauch. In der Produktion vonGummi Arabicum steht der Tschad an zweiterStelle in Afrika hinter dem Sudan. Die Menge anGetreide, die geerntet wird, kann eine MillionTonnen/Jahr betragen, sie variiert aber starkabhängig vom Niederschlag. Hieraus ergibt sicheine Ernährungsproblematik.Das Problem schlechthin bei der Produktion istWassermangel. Mais z.B. ist im Gegensatz zu

Der TschadVon der geographischen Lage her kann man nicht genau sagen,ob der Tschad zu Ost-, West-, Nord- oder Zentralafrika gehört.Meist wird er zu Westafrika oder zu Zentralafrika gezählt,wozu er wirtschaftlich gehört.Der Tschadsee hat eine große Bedeutung für dieLandwirtschaft des Landes. Dort wird vor allem Gemüse, Maisund Zuckerrohr angebaut. Vom Tschadsee wird täglich zurHauptstadt N’Djamena Gemüse für die Märkte der Stadt gelie-fert. Es gibt weitere kleine Seen im Land sowie zweiHauptflüsse (Chari und Logone), die als Bewässerungsquellevor allem für Gemüseproduzenten dienen.N’Djamena hat etwas über eine Million Einwohner und derTschad insgesamt ca. zehn Millionen. Die Fläche ist etwa dreiMal so groß wie die der Bundesrepublik Deutschland. DieBevölkerungs-dichte beträgt ca. 7,6 Einwohner pro km², diesvariiert aber stark vom Norden (ca. 0,8 Einwohner/km²) zumSüden (ca. 25 Einwohner/km²). Die Staatsform ist eine präsi-diale Republik und unabhängig seit dem elften August 1960. Die Amtssprachen sind tschadischesArabisch und Französisch. Es gibt aber über 250 weitere Sprachen im Land. Die Religionen sind derIslam und das Christentum und die so genannten Naturreligionen.

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jahrelang lagern kann ohne Schaden zu nehmen.Diese Getreidespeicher sollten überall verwendetwerden, aber die kulturelle Akzeptanz stellt mei-stens ein Hindernis dar.

Den Niembaum findet man überall im Tschad.Die Bauern benutzen ihn aus Eigeninitiative ohneBeratung als natürliches Insektizid.Niempresskuchen als Rückstände der Ölherstel-lung werden als Dünger verwendet. Bei derAnwendung von 2 - 4 ml Niemöl pro kgBohnensamen kann man diese über ca. ein halbesJahr erfolgreich gegen Samenkäfer schützen. Esgibt auch die Möglichkeiten, Extrakte vonChilischoten oder Tabakblättern sowie Asche-mischungen zu verwenden. Es wäre die Aufgabedes nationalen Amtes für ländliche Entwicklungdiese Methoden zu verbreiten.

Viele Gemüseproduzenten und Ackerbauernkönnten für die ökologische Produktion gewon-nen werden, wenn sie von der Ertragssicherheitdieser Methode überzeugt sind. Wenn der Ertrageinigermaßen stimmt und gleichzeitig dieAusgaben für externe Betriebsmittel eingespartwerden könnten, wäre für viele Bauern dieseProduktionsmethode vorstellbar. Sensibilisierungin Bezug auf Ökologische Landwirtschaft,Bildung, Beratung und Unterstützung sind wich-tig damit die Ökologische Landwirtschaft alsModell für eine Weiterentwicklung der bisheri-gen Subsistenzlandwirtschaft eine Chance hat.Die Schaffung passender Rahmenbedingungenist ebenfalls von Bedeutung, wie z.B. gerechteLandverteilung, politische Förderung von land-wirtschaftlicher Forschung und Ausbildungsowie die Verbesserung der Infrastruktur. Sinddiese Rahmenbedingungen gegeben stellt dieÖkologische Landwirtschaft ein ganz wichtigesInstrument für landwirtschaftliches Wachstum,die Sicherung der Ernährungslage, Schaffung vonArbeit im ländlichen Raum und für eineMöglichkeit zur Verbesserung des Einkommensdar.

Die Ernährungssicherung im Tschad

Rein quantitativ betrachtet wird im Tschad lautdes nationalen Amtes für Ernährungssicherung(Angaben von 2006) noch genügend Nahrungproduziert, um alle Menschen ausreichend zuernähren. Hunger ist nicht die Folge mangelnderNahrungsproduktion sondern vielmehr verur-sacht durch ungleiche Verteilung von Nahrungs-

Sorghum sehr empfindlich – schon eine WocheWassermangel während der Fruchtbildung hateinen deutlichen Ertragsrückgang zur Folge.Oft gibt es schlechtes Wasser zum Bewässern, esgibt keine Untersuchungen über die chemischenund physikalischen Inhaltsstoffe des verwende-ten Wassers.In der Baumwollproduktion kommt der Tschadan vierter Stelle in Afrika nach dem Sudan, Maliund Burkina Faso. Baumwolle wird vor allem imSüden des Landes angebaut und zwar auf denbesten Böden. Sie wird ausschließlich in konven-tioneller Weise mit Mineraldüngern undPestiziden angebaut. Früher gab es einen großenGewinn durch Baumwolle, daher wurden diebesten Böden dafür verwendet, was allerdingseinen Rückgang der Nahrungsmittelproduktionzur Folge hatte.

Die ökologische Landwirtschaft

Folgende Definition der Ökologischen Land-wirtschaft steht den Landformen im Tschad amnächsten: „Unter Ökologischer Landwirtschaftversteht man alle Produktionsformen, die explizitauf einer lokalen Technologieentwicklung basie-ren und vorhandenes bäuerliches Wissen derstandortspezifischen Umweltfaktoren mit wis-senschaftlichen Erkenntnissen ergänzen. Dabeiist die Berücksichtigung der lokalen Ressourcenund traditionelles Wissen von Bedeutung.“Das Forum „Umwelt und Entwicklung“ ist derMeinung, dass das Konzept von „Eco-Farming“und die standortgerechte Landwirtschaft wichti-ge Beiträge für die Entwicklung eines Konzeptsder Ökologischen Landwirtschaft darstellen.Inwieweit ist die jetzige Landwirtschaft imTschad als standortgerecht zu bezeichnen undwie steht sie zur Ökologischen Landwirtschaft?Der Anteil der ökologisch bewirtschaftetenFläche beträgt am Kontinent Afrika lediglich einProzent. D.h. Ökologische Landwirtschaft spieltin Afrika nur eine untergeordnete Rolle obwohlgroßes Produktionspotential vorhanden ist. Diemeisten traditionell bewirtschafteten Flächenentsprechen nahezu dem IFOAM-Standard fürÖkologische Landwirtschaft.Bauern, die Tiere halten verwenden den Mistihrer Tiere für ihre eigenen Äcker oder verkaufenihn z.B. an Gemüseproduzenten, die meistenskeine Tiere halten. Im Süden des Landes findetman offene Getreidespeicher, wo das gelagerteGetreide der Witterung ausgesetzt ist. ImSüdwesten findet man andere Getreidespeichervon einer anderen Volksgruppe, wo das Getreide

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• Gesundheitsschutz der ProduzentInnen durch Vermeidung von Pestizidvergiftungen

• Kostensenkung durch Wegfall von chemischem Input

• Sicherung bzw. Stärkung des Absatzes auf lokalen Märkten.

Die Ökologische Landwirtschaft muss also inLändern wie dem Tschad die inländischeVersorgung vor Augen haben und darf nicht vomExport abhängig werden. Nur so kann sie nach-haltig bestehen.

Diskussion

Können Sie etwas zur Analphabetenrate imTschad sagen? Gibt es Schulungen über dasRadio und das nationale Fernsehen?

Bei der Analphabetenrate kommt es darauf an,auf welche Sprache man sich bezieht. Wenn ichmich auf Französisch beziehe, sind 50 - 55 %alphabetisiert. Wenn ich mich auf Arabisch bezie-he sind es vielleicht ungefähr 70 %. Schulungenüber Radio und Fernsehen gibt es auch undSendungen, die sich mit der ländlichenEntwicklung befassen.

Betreiben die Großhändler, von denen Sie spre-chen, nur Handel im Inland oder auch für denExport?

Dieser Großhandel exportiert nicht, sondern ver-kauft auf Märkten oder an Einzelhändler. Es gibtjetzt allerdings auch zwei bis drei Gesellschaften,die für den Export von Gummi Arabicum arbei-ten. Für den Baumwollexport gibt es eine staatli-che Firma, die das Monopol darauf hat. DieBauern sind gezwungen, weiterhin Baumwolleanzubauen für einen niedrigen Preis.

Nach Liberia, Kamerun, in den Kongo und ande-re Nachbarländer werden Rinder exportiert. Aberdie meisten Bauern betreiben Subsistenzland-wirtschaft.

Gibt es Lebensmittelimporte, obwohl genugeigentlich genug Lebensmittel im Land produ-ziert werden?

Es wird Reis aus südwestasiatischen Ländernimportiert. Dieser Reis ist auf den Märkten billi-ger als im eigenen Land angebauter, was dietschadischen Reisproduzenten benachteiligt.

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mitteln, ungleichen Zugang zu Land, Raubbau anden natürlichen Ressourcen und ungerechte Han-delsordnungen. Hungerprobleme entstehen aberauch durch mangelnde Straßen (Transportpro-blem) und kriegerische Auseinandersetzungen.Diese von Menschen gemachten Ursachen soll-ten auch von Menschen gelöst werden.

Der Handel im Tschad

Die Bauern sind oft sehr arm und müssen zumZeitpunkt der Ernte einen Teil davon verkaufen.Zum Teil nutzen Händler diese Situation aus,kaufen diese Sachen, lagern sie und verkaufendiese Produkte zu einem späteren Zeitpunkt wie-der. Die Bauern sind, um ihre Familien ernährenzu können, manchmal gezwungen, sich zu ver-schulden um ihre eigenen Produkte zurückkaufenzu können. Die Familienangehörigen der Gemü-seproduzenten betreiben oft Direktvermarktung.Die Produkte werden entweder frisch odergetrocknet und eventuell gemahlen angeboten.Tierproduzenten verkaufen ihre Waren direkt,ohne Zwischenhändler.Aber den Großteil der sonstigen Waren nehmenGroßhändler ab und verkaufen das an Verbrau-cher über Familienangehörige oder an denEinzelhandel.

Wenn die Bauern direkt vermarkten würden, hät-ten sie das Risiko, dass die Ware verfault unddann könnten sie diese nicht mehr verkaufen.

Schlussbetrachtung

Die Ökologische Landwirtschaft kann sich unterUmständen negativ auf die Ernährungssicherheitoder Armutsbekämpfung auswirken, wenn sienicht auf die standortspezifischen, sozioökono-mischen und ökologischen Verhältnisse desLandes wie hier des Tschads eingeht, wenn siesich darauf beschränkt, hochklassige Luxusgüterzu produzieren und wenn die Umweltverträg-lichkeit zu sehr von der westlichen Weltbestimmt wird. Sollten die für die Weiterent-wicklung der Ökologischen Landwirtschaft not-wendigen Rahmenbedingungen erfüllt bzw.geschaffen werden, dann kann sie in Bezug aufdie Nachhaltigkeit folgendes leisten:• Sicherung der Bodenfruchtbarkeit• Erhaltung der Biodiversität• Schutz vor Erosion• Schutz von Boden, Wasser und Luft vor

Verunreinigungen

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Neben der Frage „Quo vadis?“ (Wohin gehstdu?) stellt sich für den Ökolandbau immer mehrdie Frage „Woher kommt die Ware?“. Der welt-weite und schnell wachsende Handel mit Bio-Produkten ist eine Realität. Auf der einen Seitebedeutet dies vor allem auch für Bäuerinnen undBauern in Entwicklungsländern eine Chance,ihre Produkte zu einem angemessenem Preis zuverkaufen. Andererseits ist der weltweite Waren-strom eine Herausforderung für die ganzheitli-chen Prinzipien des ökologischen Landbaus.

Welche Möglichkeiten gibt es, die ökonomischeAusweitung und Globalisierung der Ökobrancheso zu gestalten, dass es zu keinem Ausverkauf

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Welternährung ökologisch & fairFördern durch Handeln

Bernward Geier Colabora, Alefeld

Bernward Geier ist Direktor des Beratungsunter-nehmens Colabora mit den Schwerpunktaktivi-täten Kommunikation & PR, Projektentwick-lung, Veranstaltungen und Marketing undbetreibt zusammen mit seiner Ehefrau einen Bio-Landwirtschaftsbetrieb mit SchwerpunktPferdezucht.

Bernward Geier leistete nach der Schule einenFriedensdienst im Ghetto von WashingtonD.C./USA.

Er studierte Spanisch und lateinamerikanischeKulturgeschichte an der Nationalen Universität(UNAM) in Mexico City (1976 – 1977), unddanach Agrarwissenschaft an der UniversitätKassel/Witzenhausen (1978 – 1981), wo eranschließend für sechs Jahre als wissenschaftli-cher Mitarbeiter und Dozent arbeitete. 1987wurde er Direktor für Internationale Beziehun-gen der International Federation of OrganicAgriculture Movements (IFOAM), dem weltwei-ten Dachverband der biologischen Landbau-bewegungen. Er beteiligte sich außerdem aneinem biologischen Milchviehbetrieb in Tholey-Theley/Deutschland.

Bernward Geier ist seit über 25 Jahren aktiv imBereich der Landwirtschafts- und Umweltpolitik,hat Vorträge und Moderationen in ca. 80 Ländernwahrgenommen und war 20 Jahre langChefredakteur des IFOAM Magazins „Ecology& Farming“. In seiner Berufslaufbahn und mitseinem Unternehmen COLABORA sammelte erBeratungs- und Lobby-Erfahrungen mit ver-schiedenen Organisationen der UNO, der FAO,der WTO, den OECD und der EU-Kommissionsowie Regierungen und Ministerien und arbeite-te mit nationalen und internationalen Organi-sationen wie Greenpeace, IUCN, WWF,Rainforest Alliance und Pesticide ActionNetwork zusammen. Außerdem ist er Berater und Aktivist von SlowFood (International).

BIO - Lokal, regional, global - ganz egal ?Veränderungen im internationalen Biohandel

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Angebot beeinflusst. Lange schon werden die Verarbeitung und derHandel mit Öko-Lebensmitteln auch von einerBio-Industrie geprägt. In einem Artikel der NewYork Times war gar bereits von „Bio-Industriellen Komplexen“ die Rede. KleinereUnternehmen haben sich zu imposanten Firmenentwickelt, von denen bereits einige Umsätze vonHunderten von Millionen Euro machen. Abernicht nur Pionierunternehmen wurden groß, auchviele multinationale Konzerne sind mitBioprodukten bereits bestens „im Geschäft“.Selten offerieren diese Unternehmen dieProdukte unter ihren Konzernnamen. Es ist eherdie Regel, dass sie gut etablierte Biounternehmenaufkaufen und deren Markennamen beibehalten.In den letzten Jahren ist ein wahrer Firmen-Kaufrausch auf dem Biosektor zu beobachten. So engagieren sich bereits neun der zehn welt-weit größten multinationalen Konzerne derLebensmittelbranche im Biosektor! EinBranchenkenner schätzt, dass mehr als zweiDrittel des Bio-Umsatzes in den USA letztendlichvon großen Konzernen gemacht wird. Man kanndavon ausgehen, dass die meisten Verbraucherbiologischer Produkte nicht wissen, dass sie mitihrem Kauf oft zum Reichtum der Aktienbesitzervon Konzernen wie Nestle, Pepsi Cola, Unilever,Kraft und Cargill beitragen.

Die Branche ist längst auch für Investoren undVermögensgesellschaften ein lohnendes Objekt.So hat die Schweizer ASI Nature Holding AGeigene Bio-Firmen und besitztMehrheitsbeteiligungen in Deutschland, BritishVirgin Island, Frankreich, Spanien und Ungarn.Dazu kommen beachtliche Beteiligungen an derFirma Rapunzel sowie gleich an drei deutschenBio-Supermarktketten).

Der in die Schlagzeilen und wirtschaftlicheSchieflage gekommene italienische Molkerei-Konzern Parmalat ist mit Bio-Milchprodukten inAustralien erfolgreich auf dem Markt. Und sokönnten noch viele weitere Beispiele aus der Bio-Branche aufgezählt werden.Aber auch gut etablierte und erfolgreiche Bio-Unternehmen sind längst zu „Global Playern“geworden. So hat die bereits erwähnte FirmaRapunzel nicht nur in Spanien, Frankreich undder Türkei, sondern auch in den USA eigeneUnternehmen. Die Kindernahrungsmittel -Firma

der Werte kommt, die den Ökolandbau bislangauch als alternative Wirtschaftsweise auszeichnen? Kaffee, Tee, Schokolade und Bananen waren bisvor ein paar Jahrzehnten noch Luxusprodukte.Allein die Tatsache, dass in Deutschland derVerbrauch von Kaffee höher ist als der von Biermacht klar, dass die dogmatische Forderung, aus-schließlich lokale und regionale Produkte nach-zufragen, völlig unrealistisch ist. BewusstesGenießen gehört zur ökologischen Esskultur.Weshalb soll man sich also nicht an einer Bio-Banane bzw. einer Tasse fair gehandeltenBiokaffees oder auch an einer Tafel Schokoladeerfreuen dürfen?

Weit gereiste Bioprodukte wie etwa Getreide ausden USA gibt es bereits seit den 1970er-Jahren.Mit einem weltweiten Umsatz von mittlerweileetwa 30 Milliarden US-Dollar befindet sich dieVermarktung biologischer Produkte vielerortsdeutlich auf dem Weg aus der Nische. Längstkommen nicht mehr nur Kaffee, Tee oder exoti-sche Früchte, sondern auch Soja, Gemüse, Obstoder Wein aus „aller Herren Länder“ in Bio-Qualität auf unseren Tisch.

Wir leben heutzutage in einem System der„modernen Fernfütterung“ (Ivan Illich). An die-ser Tatsache kann die Ökologische Landwirt-schaft per se nichts ändern. Auf einem Biohofproduzierte Lebensmittel verändern nicht auto-matisch Verbraucherverhalten, aber sie könnenund sollten Ausgangspunkt sein für notwendigeVeränderungen im Konsumverhalten.

Große Geschäfte – Geschäfte der Großen

Bioprodukte werden zunehmend weltweit gehan-delt und selbst die Fastfood-Kette McDonald´shat Bio bereits in ihre Marketingstrategie einge-bunden. Während in Deutschland angesichts desMengenbedarfes nur symbolische Mengen anBio-Rindfleisch eingekauft werden, wird schonseit vielen Jahren bei McDonald´s in Schwedenund England Biomilch angeboten. Neuerdingsgibt es sogar in der USA fair gehandelten Kaffee.Egal ob man diese Entwicklung begrüßt oderablehnt: sie ist ein Zeichen dafür, dass die stei-gende Nachfrage nach biologischen und „fairen“Lebensmitteln selbst schon bei McDonald´s das

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Hipp ist mit ihren ca. 1000 Mitarbeitern wohlnach wie vor weltweit der größte Bio-Verarbeiter.Man bezieht nicht nur die Rohwaren aus allerWelt, sondern ist auch europaweit sehr erfolg-reich auf dem Markt präsent.

Parallel zu den Entwicklungen der multinationa-len Lebensmittelkonzerne gibt es ähnlicheTrends im Lebensmittelhandel. Gibt es überhauptnoch eine nennenswerte Supermarktkette, dienicht auch Öko-Produkte offeriert? Vor allem ingroßen Städten sind zunehmend exklusive Bio-Supermarktketten anzutreffen. EngagierteSupermarktketten wie tegut in Deutschland oderCoop in der Schweiz machen schon bis zu zehnProzent ihrer gesamten Umsätze mit Biowaren.Die Kette Rewe profiliert sich inzwischen miteigenen Bio-Supermärkten und der weltweitagierende Discounter Aldi verkauft inDeutschland die meisten Biokartoffeln und 70 %aller Bio-Möhren.

Kann es verwundern, dass die Biobranche solcheine Entwicklung vollzieht? Schließlich wirt-schaften auch die Bio-Unternehmen imKapitalismus mit all seinen Spielregeln undZwängen. Wer kann ernsthaft erwarten, dassangesichts der nachhaltigen profitablen Entwick-lung der Biobranche auch multinationale Kon-zerne sich die Profitmöglichkeiten entgehen las-sen? Hat die Branche auf ihrem Weg aus derNische unter den gegebenen Umständen über-haupt eine Chance, sich dem herrschendenWirtschaftssystem zu entziehen (falls sie dasüberhaupt wollte)?

Den Alternativen eine ChanceDie einen werden sich über diese Entwicklungfreuen und sie als Erfolgsstory begrüßen. Anderemögen es als Schicksal hinnehmen. Für dieGlaubwürdigkeit des ökologischen Landbaussollte dies aber Anlass sein, nicht nur darüber kri-tisch zu reflektieren und zu diskutieren, sondernsich auch verstärkt um die Weiterentwicklungvon Alternativen zu bemühen. Mit Ab-Hof-Vermarktung, Wochenmärkten, einer vielfältigenNaturkostladenszene, Abokisten-Hauslieferun-gen etc. gibt es bereits eine Menge an Möglich-keiten, genau dies zu tun.Gerade die Zusammenarbeit mit dem fairenHandel ist in diesem Zusammenhang von zentra-

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ler Bedeutung. Die neu gegründete Arbeits-gemeinschaft „Bio, regional und fair“ ist einaktuelles Beispiel, wie man sich der Globalisie-rung stellen kann1. In dieser Gemeinschaft habensich in Bayern eine Vielzahl von Gruppierungenaus dem Bereich des fairen Handels, Verbrau-cherverbände, kirchliche Organisationen, regio-nale Initiativen und Biobauern zusammenge-schlossen. Diese Initiativen haben erkannt, dasssie letztendlich dieselben Ziele verfolgen.Nämlich der Landwirtschaft ein gerechtes undExistenz sicherndes Einkommen zu ermöglichen,regionale Wirtschaftskreisläufe zu stärken unddabei Umwelt und Natur zu schützen. In solchenBündnissen sehe ich auch für die Slow FoodBewegung eine Aufgabe und insbesondere fürdie Arche Produkte auch eine große Chance.Mehr als 60 % der fair gehandelten Produktekommen inzwischen schon aus biologischemAnbau. (Man könnte natürlich auch kritisieren,dass noch immer 40 % des fairen Kaffees nochnicht Bio sind.) Bislang keine verlässlicheAntwort gibt es auf die Frage, wie viele Bio-Produkte den Ansprüchen des fairen Handelsgerecht werden. Auch hier gibt es noch einiges zuverbessern. Aber ohne Zweifel wächst eindeutigund dynamisch zusammen, was zusammengehört.

Es gibt gerade auch aus der Sicht der so genann-ten Entwicklungsländer solide Argumente fürden internationalen Handel von Bioprodukten.Für viele dieser Länder ist der Export vonLebensmitteln und landwirtschaftlichenProdukten mit die einzige Möglichkeit, am inter-nationalen Handel teilzunehmen. DankProduktions- und Standortvorteilen wie etwadezentralisierten, kleinbäuerlichen Strukturenund niedrigeren Lohnkosten können dieseLänder Lebensmittel und landwirtschaftlicheRohstoffe wettbewerbsfähig produzieren. Hinzukommt, dass gerade aus diesen Ländern aufgrundder geo-klimatischen Bedingungen (tropischbzw. subtropisch) viele Lebensmittel kommen,die auf der nördlichen Hemisphäre gar nichtwachsen. Für die Bäuerinnen und Bauern dieser Länder istder bessere Preis für Bioprodukte besonderswichtig und bietet vor allem in der Kombinationmit dem Mehrpreis für fair gehandelte Produkteoft im wahrsten Sinn des Wortes eine Überle-benschance.

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oder Förderkreis-Projekten gute Vermarktungs-möglichkeiten im Qualitäts- und Prämium-bereich. Auch hier sollte mehr zusammenkom-men was zusammen gehört.

Anbaurichtlinien für den ökologischen Landbauund auch die staatliche Gesetzgebungen beinhal-ten keine Vorgaben zur Regionalität, Saisonalitätoder gar für den Energieaufwand bei derVerarbeitung, der Verpackung und demTransport. In der Diskussion sind diese Aspekteaber allemal. Zunehmend finden wir zumBeispiel bereits Regelungen zu sozialen Aspektenim ökologischen Landbau2.

Reflexionen und auch Konsequenzen über den„ökologischen Fußabdruck“3 sind gerade auchim Zusammenhang mit Lebensmitteln akuter undnotwendiger denn je. Hier bietet der Ökolandbaumit seinem bestens entwickelten Kontroll- undZertifizierungssystem die Möglichkeit, Produktevom Rehgal bis zu ihrem Ursprung zurückver-folgen zu können. Der Biosektor selbst hat etwamit dem System „Nature and More“ dieMöglichkeit geschaffen, den Verbrauchern größt-mögliche Transparenz der Warenströme undProduktionsbedingungen zu ermöglichen4. Werwill kann somit bestens informiert seinKonsumverhalten werteorientiert ausrichten.

Konkrete Lösungsansätze

In der Regel erhalten biologische Bauern undBäuerinnen einen fairen und somit besserenPreis, aber auch hier gilt die Realität desKapitalismus:

Geld wird kaum mit der Produktion von landwirt-schaftlichen Rohstoffen verdient, sondern vorallem durch Verarbeitung, Transport und Handel.So bleibt es nach wie vor eine der größtenHerausforderungen für die Verarbeiter und denHandel, sicherzustellen, dass auf den Bio-Bauernhöfen ein fairer Anteil des Umsatzesbleibt. In diesem Zusammenhang ist die erfolg-reiche Einführung eines „Fair Preis“-Aufschlagesvon fünf Cent (der direkt an die Bauern geht) aufden Liter Milch der deutschen Upländer Molkereiein spannendes und beispielgebendes Modell5,das inzwischen auch schon von einer niederländi-schen Molkerei übernommen wurde.

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Welternährung ökologisch & fair Fördern durch Handeln

Wenn man sich anschaut, welch positiveAuswirkungen die Umstellung auf biologischenKaffeeanbau (vor allem in Verbindung mit demfairen Handel) etwa für Kleinbauern in Mexikohat, dann kann man eine Tasse fair gehandeltenBiokaffees nicht nur aufgrund des hervorragen-den Geschmackes genießen, sondern es gibteinem auch das gute Gefühl, mit derKaufentscheidung die Lebensbedingungen derKleinbauern in fernen Ländern merklich zu ver-bessern.Bei vielen, wenn nicht den meisten dieserBetriebe in den Entwicklungsländern geschiehtdie Umstellung nicht nur für „Cash Crops“ wieKaffee oder Tee; vielmehr wird der Anbau allerKulturen umgestellt – teilweise in ganzenRegionen. Dies bedeutet, dass auch die bäuerli-chen Familien und Verbraucher in der RegionLebensmittel in biologischer Qualität genießenkönnen.

Die Kaufkraft der Verbraucher in den reichenLändern macht es allerdings oft sehr schwierig,wenn nicht sogar unmöglich, dass Biolebens-mittel in nennenswertem Umfang in denEntwicklungsländern vermarktet werden. DiePreisunterschiede für Bioprodukte in diesenLändern sind oft astronomisch hoch. So kannetwa Biogemüse in China durchaus 400 Prozentmehr als konventionelles Gemüse kosten. Unddies in einem Land, das gerade wegen seinerenorm günstigen Lohn- und Produktionskostenweltweit auch auf dem Biomarkt für Furoresorgt.

Wohl für die meisten Verbraucher ist derHauptgrund für den Konsum biologischerLebensmittel die eher egozentrische Motivation,gesund zu bleiben oder zu werden. In diesem Fallist es dem Verbraucher egal, wie weit dieLebensmittel transportiert werden oder ob sieunter sozial akzeptablen Bedingungen erzeugtund gehandelt werden. Aber immer mehrMenschen wollen auch wissen, wo dieLebensmittel herkommen und unter welchenBedingungen sie produziert wurden, weshalb eserfreulicherweise eine wachsende Nachfrage fürProdukte gibt, die sowohl „bio“ als auch „fair“zertifiziert sind.

In diesem Kontext bieten sich auch für vieleErzeuger und Produkte von Slow Food Arche

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„Denke global und handle lokal“ ist sehr populär.Wie so oft bei Slogans greift aber auch dieser zukurz. Soll man etwa das globale „Handeln“ nurder Welthandelsorganisation (WTO) und multi-nationalen Konzernen überlassen? Und wieerfolgreich kann eigentlich lokales Handeln sein,ohne dabei auch zu „denken“? Konsequenter-weise kann es doch demnach nur heißen, dass wirsowohl lokal, regional und global denken undhandeln müssen.

Anmerkungen

1. Nähere Informationen zu bio-regional-fair,einer Kampagne für nachhaltigen Konsum ineiner globalisierten Welt, finden sich imInternet unter www.bio-regional-fair.de.

2. Vgl. hierzu den Beitrag von Thomas Cierpkaund Mute Schimpf: Soziale Gerechtigkeit imÖkolandbau. Ein neuer Verhaltenskodex aufinternationaler Ebene – ein erster Streik inDeutschland. In: Der kritische Agrarbericht 2004, S. 110-114,insb. Teil I (S. 110-112).

3. Der ökologische Fußabdruck berechnet dieverschiedenen Ressourcen, die eine bestimmteBevölkerung oder in diesem Fall eine bestimmteProduktionsweise verbraucht, und drückt diesein Einheiten produktiven Landes aus, die nötigwären diese Ressourcen bereitzustellen. Derökologische Fußabdruck dient als ein Indikatorder Nachhaltigkeit bzw. Nicht-Nachhaltigkeiteiner Lebens- und Produktionsweise.

4. Nähere Informationen hierzu finden sich imInternet unter www.natureandmore.com.

5. Vgl. hierzu den Artikel von Anja Sobczak imKritischen Agrarbericht 2006

6. Vgl. hierzu das Buch von Ibrahim Abouleish,dem Gründer von Sekem: Die Sekem Vision –Eine Begegnung von Orient und Okzident ver-ändert Ägypten. Aufgezeichnet von BarbaraScheffler. Stuttgart/Berlin 2004.

7. Nähere Informationen und Begründungen fürdie Preisverleihung im Internet unter:www.rightlivelihood.org/recip/2003/sekem.htm.

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Welternährung ökologisch & fairFördern durch Handeln

Die internationale Biobewegung und insbesonde-re die IFOAM (Internationale Vereinigung biolo-gischer Landbaubewegungen) setzen sich bereitsseit längerem nicht nur theoretisch mit derGlobalisierung auseinander, sondern unterstützenzahlreiche Pilot-Projekte und Initiativen für loka-le und regionale Vermarktung in Entwicklungs-ländern. Mit dem entsprechenden Engagementkann Erstaunliches erreicht werden. So hat eszum Beispiel die biologisch-dynamische Sekem-Initiative in Ägypten geschafft, dass ihr biologi-sches Teesortiment zur Nummer eins in diesemTeetrinkerland wurde6.

Zu Beginn hatte Sekem 80 % seiner Biowarenexportiert, aber inzwischen ist es etwa dieserProzentsatz, der im eigenen Land vermarktetwird. Auch wegen dieser Leistung bekam Sekem2003 den so genannten „alternativen Nobel-preis“. Damit wurden vor allem die Pionierlei-stungen und die innovativen Strategien bei derVermarktung der Bioprodukte gewürdigt, dieeinen wichtigen Beitrag zur Entwicklung derlokalen Ökonomie leisten7. Vision und Prinzi-pien von Sekem waren auch eine Grundlage fürdie IFOAM-Bewegung, einen Verhaltenskodexfür den Bio-Handel zu entwickeln und nunschrittweise umzusetzen.Die Entwicklung lokaler, regionaler und nationa-ler Vermarktung wird durch Aktivitäten unter-stützt, die vor allem darauf zielen, dassZertifizierung nicht nur einfacher, sondern vorallem auch für Kleinbauern finanzierbar wird.IFOAM hat bereits vor einigen Jahren gemein-sam mit den Betroffenen ein spezielles Gruppen-Zertifizierungssystem für organisierte Kleinbau-ern entwickelt, dass unter dem Namen „InternesKontroll-System“ bekannt ist und sogar von derEU-Gesetzgebung anerkannt wurde. Inzwischenkoordiniert die IFOAM auch die Entwicklung sogenannter „Partizipatorischer Garantiesysteme“für Bio-Bauern, die nicht nur in Entwicklungs-ländern, sondern überall in der Welt im Entstehensind.Diese Bemühungen und Aktivitäten sind notwen-dig, wenn auch (klein-)bäuerliche Familien-strukturen eine faire Chance behalten oderbekommen sollen, am Erfolg des Biomarktesteilzuhaben. Und dies ist letztendlich eineGrundvoraussetzung dafür, dass sichAlternativen beim „Handel(n)“ weiterentwickelkönnen.

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„Jute statt Plastik“, dies war die ersteMarkenbildung in den 70er Jahren, die im fairenHandel stattgefunden hat. Angefangen als kleineBewegung aus Holland wurde 1975 GEPAgegründet, mit Nichtregierungsorganisationen alsGesellschafter. GEPA ist kein Zuschussunter-nehmen ist und muss somit sein eigenesWachstum finanzieren. Die Gewinne werden inden Fairen Handel reinvestiert.

Seit der Gründung hat sich viel getan und auseiner Bewegung wurde ein Markt, der vonVerbrauchern, Einzelhandel und Öffentlichkeitnicht mehr übersehen werden kann. GEPA ist aufeuropäischer Ebene mit etwa zehn anderenOrganisationen in einem europäischen Verbundvernetzt (European Fair Trade Assoziation).GEPA hat mittlerweile in Deutschland etwa 170Mitarbeiter und realisiert einen Jahresumsatz vonca. 55 Millionen €.

Doch was sind Faire Handelsbeziehungen undwarum ist das Modell so erfolgreich?

GEPA hat das Ziel, auf dem deutschen Markt - alsTeil der europäischen Fair-Trade-Bewegung -den Fairen Handel zu einem gewichtigen wirt-schaftlichen und politischen Faktor zu machen.

Wie kann man das messen? Wirtschaftlich wich-tig sind wir dann wenn wir in unserenKernmärkten (z.B. Kaffee) Marktanteile vonmindestens 5 % realisieren.

Ein Indiz für politische Bedeutung ist es, in denMedien als (wirtschaftliche) Avantgarde für so-zialverantwortlichen Handel akzeptiert zu werden.

Der Faire Handel soll wirksam gestaltet werdenund zwar in allen drei Funktionen, die der FaireHandel hat.

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Welternährung ökologisch & fair Fördern durch Handeln

Thomas Speck ist Geschäftsführer der GEPAGesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mitder Dritten Welt.

Herr Speck studierte Deutsch und Sozialwissen-schaften auf Lehramt und schloss mit demReferendariat ab. Während seines Studiums warer in der Friedens- und Umweltbewegung aktiv.

Es folgte eine Ausbildung zum Systemanalytiker,eine Mischung aus BWL und EDV, und anschlie-ßend nahm er eine Beschäftigung alsSystemanalytiker bei der Hoechst AG an.

Seit 1990 ist Thomas Speck beim GEPA FairHandelshaus angestellt. Zunächst arbeitete er beider GEPA drei Jahre als kaufmännischer Leiter.Von 1993 bis 1997 war er einer der zweiGeschäftsführer, seitdem ist er der alleinigeGeschäftsführer der größten FairHandelsorga-nisation Europas.

Das GEPA Fair Handelshaus steht seit über 30Jahren für einen sozial- und umweltverträglichenHandel. Sein Vollsortiment bezieht es von über

Thomas Speck GEPA, Wuppertal

170 Genossenschaften und Vermarktungsorgani-sationen weltweit und verkauft bundesweit anWeltläden, Aktionsgruppen, den Lebensmittel-einzelhandel und Kantinen.

Fairer Handel Vom Idealismus zu Qualität und Zertifizierung

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1. Direkt bei Produzentenorganisationen imSüden eine Entwicklungschance zu schaffen:durch langfristige Handelsbeziehungen, Dialogemit den Partnern im Süden über Entwicklungs-ziele vor Ort, Partnerschaftsvereinbarungen zugemeinsamen Projekten, Beratung bei derProduktentwicklung, Zahlung fairer Preise,Vorfinanzierung beim Handelspartner undFörderung des ökologischen Landbaus.

2. Etwas in den Köpfen und Herzen derMenschen im Norden zu verändern, indem überdie Produkte politische, wirtschaftliche und vorallem soziale Themen aus dem Süden in den(Verbraucher)Alltag der Menschen im Nordengetragen werden. Menschen und ihre sozialeLebenssituation werden so über das Produkt unddie begleitende Kommunikation sichtbar.

3. Einen Beitrag dafür zu leisten, dassWelthandelsstrukturen sich ändern: beispielhaftvorangehen, andere Wirtschaftsakteure dazuermuntern, zu kontrollierten Bedingungen amFairen Handel teilzunehmen oder Eisbrecher seinfür – im Niveau durchaus niedrigere – Sozial-standards anderer Unternehmen in der Breite.

Wie können diese drei Funktionenumgesetzt werden?

Diese Funktionen zu verbinden bedeutet, dassInnovation und Risiko zusammen gehören.Wichtig ist die soziale Seite, d.h. Projekte mitOrganisationen zu realisieren, die Perspektivenauch für stark durch den Weltmarkt benachteilig-te Kleinproduzenten schaffen. Durch die langfri-stige Bindung und den Dialog mit denOrganisationen kann Entwicklung vor Ort statt-finden.

Durch die Zahlung fairer Preise wird einMehreinkommen für die Bauern bewirkt.Außerdem kann so in gemeinschaftliche Projekteinvestiert werden, beispielsweise die Verbes-serung der Trinkwasserversorgung, Bau vonHäusern, Gemeinschaftszentren, medizinischenZentren und Vorschulen oder Kindergärten.

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Welternährung ökologisch & fairFördern durch Handeln

Mit der Vorfinanzierung – einem weiteren wich-tigen Instrument des Fairen Handels – wirdKleinproduzenten der Zugang zu Kapitalgeschaffen bzw. Kapital zu niedrigen Zinsen zurVerfügung gestellt.

Je besser der Markt aufgebaut und je größer dieAbnahmemenge ist, desto stärker wachsen undverbessern sich auch die sozialen Wirkungenbeim Handelspartner im Süden .

GEPA geht dabei durchaus bewusst das Risikoein, mit Partnern zu starten, bei denen schlechteArbeits- und Lebensbedingungen vor Ort existie-ren, und diese dann schrittweise positiv zu verän-dern - und ermöglicht es so den Kleinproduzen-ten vor Ort sich zu entwickeln.

Die GEPA Eigentümer haben im Jahre 1989beschlossen, dass GEPA über den Bereich derWeltläden hinaus handeln darf. Ab diesemZeitpunkt konnte GEPA an Endkunden, Bio-geschäfte, Supermärkte und Firmenkantinen ver-kaufen und somit den Umsatz deutlich steigern.

Die Anzahl der Weltläden haben sich im gleichenZeitraum verdreifacht – ein Zeichen dafür dassdie „Konkurrenz“ des normalen Einzelhandelsnicht geschadet hat.

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Enorm wichtig ist darüber hinaus auch dieVerabeitung. Hier arbeitet GEPA mit mittelstän-dischen Unternehmen zusammen, da diese flexi-bel sind. Auf eine schonende Langzeitröstungnach GEPA Vorgabe legen wir Wert.

Damit GEPA die Marktnische vergrößert führtsie ein konsequentes Qualitätsmanagement durchund will sich auf dem Markt als „Bester“ behaup-ten, da man heutzutage nur auf dem Markt beste-hen kann, wenn man der Billigste oder der Besteist.

Da die Fairen Preise an die Lieferanten derGEPA es verhindert, dass GEPA billig anbietet,haben wir eine Wachstumschance nur wenn wirdie Besten, d.h. Premiumanbieter, sind.

Doch nicht nur die Qualität soll diePositionierung auf dem Markt verbessern, son-dern vielmehr auch neue Marketingstrategien.

Vor 1990 wurde Kaffee auf den Markt gebracht,der mit dem Leid der ganzen Welt geworbenwurde – das gab einen bitteren Nachgeschmack,welches für viele Menschen schwer zu ertragenwar. Mit dieser Strategie wurden negativ behafte-te Emotionen hervorgerufen und nicht wenigerMenschen erreicht als wir uns gewünscht haben.

Heute wirbt die GEPA mit positiven Emotionenund Leidenschaft und vermittelt, dass FaireHandel dem Produzenten und dem Verbrauchergut tut.

Indem GEPA Öffentlichkeitsarbeit betreibt, undsomit die Politik und Gesellschaft im Nordenversucht aufzurütteln und Handelshemmnisse fürwirtschaftlich und sozial schwache im Süden öff-net, und sich als Unternehmen seinen Visionentreu bleibt, schafft es die GEPA die wirtschaftli-che Komponente mit der politischen- und dersozialen Komponente zu vereinen.

So wird aus Idealismus ein erfolgreiches undanerkanntes Unternehmen.

Trotz des steigenden Bekanntheitsgrades vonFair- Produkten, besetzt der Faire Handel nachwie vor eine kleine Nische auf dem deutschenMarkt.Bisher wurden ca. ein Prozent Marktanteilbei Kaffee (Kaffee ist das stärkste Produkt imFairen Handel weltweit) in Deutschland erreicht.

Dass es etwa in England ca. 20% und in derSchweiz ca. 5% Marktanteil sind, zeigt welchesPotential und welche Herausforderung wir aufdem deutschen Markt haben.

Damit Marktanteile im Fairen Handel deutlichgesteigert werden und die Breitenwirkungerhöht wird, sollte der Faire Handel kampagnen-fähiger werden.

Der Faire Handel hat die Verantwortung gesell-schaftliche Themen öffentlichkeitswirksamanzusprechen.

Und deswegen sollen Handel und KampagnenHand in Hand arbeiten und sich gegenseitig stär-ken.

Während es vor den 1990er Jahren nur dieSozialqualität als Qualitätsebene im FairenHandel gab und allein mit dieser Qualität nurwenig Menschen erreicht wurden, blieb dieProduktqualität auf der Strecke.

Heute vertritt die GEPA: „Nur wennProduktqualität, soziale Qualität, Servicequalitätund –wenn möglich – ökologische Qualität aufhöchster Ebene sind, können wir unsere Zieleerreichen“.

Das Qualitätsmanagement beginnt z. B. beimKaffeestrauch und beim Bauern, das macht schonca. 50 % der Qualität aus. Es werden ausführlicheDialoge zu Qualitätsentwicklung geführt undeine genaue Rückmeldung zur geliefertenQualität geht an die Produzenten.

Im Kaffeelabor der GEPA werden Qualitätskon-trollen durchgeführt, Komposition von neuenMischung, sowie Tassenverkostungen gemacht.

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In den letzten zwanzig Jahren haben eine Vielzahlvon Kleinbauerngruppen in Lateinamerika,Afrika und Asien ihre landwirtschaftlicheProduktion nach den Richtlinien des Ökologi-schen Landbaus umgestellt. Die ökologischeBewirtschaftung des immer knapper werdendenAgrarlandes bringt den Bauern stabilere und teil-weise sogar höhere Ernten und bei erfolgreicherBio-Vermarktung einen höheren Erzeugerpreis.Im Jahre 2003 waren es etwa 350 Kleinbauern-organisationen mit 150.000 Kleinbauern, dierund 70 % der importierten Bioprodukte in dieEU abdeckten (Van Elzakker & Rieks, 2003). Inden letzten vier Jahren sind in Afrika, Asien undLateinamerika viele neue Genossenschaftendazugekommen, die Bio-Produkte exportieren.

ProblematikUm gegenüber EU-Produkten als gleichwertiganerkannt zu werden, müssen Ökoprodukte nach-weisen, die aus Nicht-EU-Ländern so genanntenDrittländern in die EU importiert werden, dasssie nach Richtlinien produziert und kontrolliertwerden, die den Anforderungen der EU-Ökover-ordnung entsprechen. Das heißt wennKleinbauernkooperativen ihre ökologischeErzeugnisse in die Europäische Union vermark-ten wollen, müssen sie sich mindestens einmalpro Jahr einer Kontrolle gemäß der EU Ökover-ordnung 2092/91 bzw. gemäß den NaturlandRichtlinien unterziehen. D.h. alle in einerGenossenschaft organisierten kleinbäuerlichenBetriebe müssen kontrolliert werden.

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Welternährung ökologisch & fairFördern durch Handeln

Manfred Fürst Naturland, Gräfelfing

Manfred Fürst arbeitet seit 2000 in der internatio-nalen Abteilung des ökologischen Anbauverban-des Naturland. Er ist Ansprechpartner für Fragenzur Zertifizierung, Textil, Verarbeiter undSozialrichtlinien. Bei Naturland hat er maßgeb-lich die Einführung von Sozialrichtlinien und fai-ren Partnerschaften vorangetrieben.

Beim Weltdachverband der BiobewegunngIFOAM war Manfred Fürst in der Arbeitsgruppezu Sozialstandards und federführender Mitautorder entsprechenden Handreichung.

Vor seiner Tätigkeit bei Naturland war Herr Fürstrund zehn Jahre in Projekten der ländlichenEntwicklung in Mittelamerika (Honduras) undOstafrika (Sambia) für die deutscheEntwicklungszusammenarbeit tätig. Für denAgraringenieur mit einem Abschluss derUniversity of London (MSc) in Bodenfruchtbar-keit ist der Ökolandbau die nachhaltigsteBewirtschaftungsform der oft fragilen Ökosyste-me in Entwicklungsländern. Ökolandbau darfaber nicht nur auf die Belange der Umwelt schau-en, sondern muss kleinbäuerliche Existenzennachhaltig sichern. Darum setzt sich Herr Fürstfür langfristige Handelsbeziehungen und faireErzeugerpreise ein.

Naturland fördert den ökologischen Landbauweltweit und ist mit über 46.000 Bauern einer dergrößten ökologischen Anbauverbände.

Als zukunftsorientierter Verband gehören fürNaturland Öko-Kompetenz und soziale Verant-wortung zusammen.

Gruppenzertifizierung und Interne Kontrollsysteme: Öko-Zertifizierung von Kleinbauernorganisationen

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In den Jahren 2001 bis 2003 führte IFOAM indrei Workshops eine Harmonisierung zurHandhabung Interner Kontrollsysteme durch(van Elzakker & Rieks, 2003). Bauern, Expor-teure, Importeure, Kontrollstellen, Anbauver-bände und Behörden zusammen legten Defini-tionen und Anforderungen eines internen Kontroll-systems fest. Das darauf aufbauende IFOAMHandbuch über ICS setzte weltweit den Maßstabdafür, welche Anforderungen an interne Kontroll-systeme gestellt werden (Lechleitner & Eisen-lohr, 2004). Das IFOAM Handbuch bestätigte dieNaturland Anforderungen an interneKontrollsysteme.

Definition: Interne Kontrollsysteme“An Intern Control System is a documented qua-lity assurance system that allows the externalcertification body to delegate the annual inspec-tion of individual group members to an identifiedbody/unit within the certified operator” (IFOAM 2005).

Eigene Mitarbeiter der Kooperativen werden zuqualifizierten lokalen Inspektoren ausgebildet,um die EU-Inspektoren (externe Kontrolle) beiihrer aufwendigen Kontrollarbeit zu unterstützen.Die lokalen Inspektoren übernehmen dieKontrolle aller Kleinbauernbetriebe nach der EU-Ökoverordnung 2092/91 oder NOP und JAS,falls die Produkte nach USA oder Japan verkauftwerden. Der externe Inspektor überprüft, ob dasinterne Kontrollsystem einwandfrei funktioniert,checkt die Abläufe in der Verarbeitung undVermarktung der Ökoprodukte und überprüft denWarenfluss von der Ernte bis zum Export imHafen (Fürst & Wilhelm, 2002).

Die externe Kontrollstelle prüft einmal im Jahr,ob das interne System ordentlich funktioniert undbesucht einige Bauern zur Stichprobe. Naturlandarbeitet dabei sowohl mit einheimischen Kontroll-stellen (wie Certimex, ECOA oder ACT in Mexiko,Ägypten und Thailand), als auch mit örtlichen Nie-derlassungen europäischer Zertifizierer zusammen.

Schritt für Schritt zum Internen Kontrollsystem

Internes Regelwerk entwickelnDie Kleinbauernorganisation erarbeitet ein inter-nes Regelwerk über den ökologischen Anbau der

Bei großen Organisationen, bei denen mehrerehundert oder sogar tausend Kleinbauern in meh-reren Dörfern auf einer Fläche von bis zu 10.000km2 organisiert sind, ist dies von einem externenInspektor in einem vernünftigen Zeit- undKostenrahmen nicht zu schaffen (Herrmann &Heid, 2000).

Doch um den unterschiedlichen Verhältnissengerecht zu werden, hat die EU-Ökoverordnungden Spielraum der Gleichwertigkeit im Detailnicht festgelegt (VanderHoff, 2000). DieHerausforderung bestand darin, ein Verfahren zuentwickeln, mit dem Kleinbauerngruppen mit biszu 2.000 Mitgliedern effizient und zu möglichstgeringen Kosten kontrolliert werden können, beigleichzeitiger Wahrung der Vorgaben derQualitätssicherung.

Die Mitglieder des 1982 gegründeten gemeinnüt-zigen Ökoanbauverbands Naturland sind mehr-heitlich Bauern. Naturland hatte sich von Anfangan die weltweite Förderung des ökologischenAnbaus zum Ziel gesetzt und dementsprechendseine Arbeit schon bald international ausgewei-tet. 1989 kontrollierte und zertifizierte Naturlanddie erste Kleinbauernorganisation in Mexikonach den Naturland Richtlinien.

Heute zählt Naturland International über 43.000Mitglieder in 31 Ländern. Über 90 % der interna-tionalen Naturland Mitglieder sind Kleinbauern,die in rund 100 Genossenschaften organisiertsind (Naturland 2007). Das bedeutet auch, dasssich Naturland schon sehr früh engagierte, umein den Kleinbauernorganisationen gerecht wer-dendes Zertifizierungsverfahren zu definieren.

Naturland entwickelte zusammen mit verschie-denen internationalen Zertifizierern und inAbstimmung mit dem IFOAM Akkreditierungs-programm IOAS schon Mitte der neunziger Jahreein internes Kontrollsystem. Dies wurde imLaufe der Jahre gemeinsam mit der internationa-len Kontrollorganisation IMO und den Klein-bauernkooperativen weiterentwickelt. Anfangdes Jahres 2000 veröffentlichte Naturland daserste „Handbuch zur Qualitätssicherung – Ökolo-gische Produktion in Kleinbauernorganisatio-nen“, ein Leitfaden, wie ein internes Kontroll-system aufgebaut wird. Das Handbuch wurde imJahr 2002 überarbeitet (Augstburger et al.).

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Weist das interne Kontrollsystem Mängel auf, er-höht sich die Anzahl der Kleinbauern, die vomexternen Inspektor kontrolliert werden, bis auf100 %.

Beispiel: Eine Kaffeekooperative in Mexiko hat2.100 Mitglieder. Das interne Kontrollsystemweist keine Mängel auf und die Risikoanalyseergibt einen normalen Risikofaktor. Quadratwur-zel aus 2.100 beträgt 46. Das heißt, bei der gefor-derten Stichprobenkontrolle durch den externenInspektor müssen 46 Kleinbauern extern kontrol-liert werden. Im Rahmen des organisationseige-nen Kontrollsystems sind alle 2.100 Mitglieder

dokumentiert nachweisen und Erzeugerlistenführen. Ankaufslisten und sämtliche Unterlagen,die den Warenfluss bis zum Export dokumentie-ren, sind ebenfalls Bestandteil der organisations-eigenen Qualitätssicherung.

Kritische Kontrollpunkte feststellen, analysieren und ggf. gegensteuern Vor der ersten externen Kontrolle führt dieKleinbauerngenossenschaft eine Risikoanalysedurch. Kritische Kontrollpunkte werden disku-tiert und Möglichkeiten besprochen, wie gegen-gesteuert werden kann.

Externe Kontrollen werden durchgeführtDas interne Kontrollsystem wird jährlich voneinem externen EU-Inspektor überprüft. Bis 2003hatten die Behörden verlangt, mindestens 10 %aller intern kontrollierten Kleinbauern derOrganisation nochmals mittels Feldbegehungenund Interviews überprüft werden. Im Rahmen derIFOAM Harmonisierungsworkshops für InterneKontrollsysteme wurden Statistiker befragt, wiehäufig Stichproben notwendig sind, um Betrugs-fälle aufzudecken mit folgendem Ergebnis:

angebauten Kulturen und in Übereinstimmungmit der Ökoverordnung 2092/91 bzw. denNaturland Richtlinien. Ferner legt das Regelwerkfest, welche Bedingungen an einer Teilnahmeverbunden sind und legt die internen Verfahrenund Sanktionen fest. Die internen Vorgaben wer-den in angemessener Form an alle Öko-Erzeugerder Organisation vermittelt.

Verträge abschließenZwischen den einzelnen Kleinerzeugern und derOrganisation besteht ein Vertragsverhältnis.Dieses verpflichtet die Erzeuger, die festgelegtenInternen Richtlinien einzuhalten und das regelt,welche Sanktionen beim Verstoß der Richtlinienausgesprochen werden. Es ist die Organisation,die dann auch die Verträge mit der Kontrollstelleund ggf. mit Verarbeitungsbetrieben undAnbauverbänden abschließt.

Personal schulenICS Manager, interne Inspektoren und Personalfür die interne Anerkennungskommission werdenausgebildet. Die Verantwortlichkeiten innerhalbdes Internen Kontrollsystems sind zu klären undklar zu trennen. Für jeden Angestellten wird einePersonalakte geführt.

Funktionierendes Beratungssystem aufbauenEine fundierte Beratung ist für die erfolgreicheAnwendung und Weiterentwicklung ökologi-scher Anbaumethoden unerlässlich. Dies kanndurch einen externen Beratungsdienst oder durchorganisationseigene Berater realisiert werden.

Interne Kontrollen durchführenJeder Kleinproduzent muss mindestens einmalpro Jahr kontrolliert werden. Diese Kontrollenwerden von speziell geschultem und qualifizier-tem Personal der Kleinbauernorganisationen, denlokalen Inspektoren, durchgeführt. Sie besuchenalle Parzellen der Kleinbauern. Das Ergebnisihrer Kontrollbesuche wird auf ausführlichenErhebungsbögen inklusive Skizzen dokumen-tiert. Es wird darauf geachtet, dass die lokalenInspektoren nicht in ihren eigenen Dörfern einge-setzt werden.

Organisationsstrukturen und gesamten Warenfluss dokumentierenDie Organisation muss das Ergebnis derKontrollen vor Beginn der Ernte vollständig

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Anzahl derGruppenmit-glieder = n

NormalerRisikofaktor1

MittlererRisikofaktor1.2

HoherRisikofaktor1.4

Mindest-anzahl

10 12 14

n Quadrat-wurzel aus n

1.2 Quadrat-wurzel aus n

1.4 Quadrat-wurzel aus n

Mindestanzahl der Kleinbauern, die vom externen Kontrollinstitut vor Ort kontrolliert werden

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Quellenverzeichnis/Bibliography

Augstburger, F., Rüegg, E., Eisenlohr, U. and Wilhelm. B. (2002) Manual for Quality Assurance - aGuideline for Internal Controls Systems (ICS) in Smallholder Organisations.

Naturland e.V., Gräfelfing. http://www.naturland.de/publications.html#c1202

Fürst, M. & Wilhelm B. (2002) Internal Control Systems - a chance for smallholder groups. Ecologyand Farming. IFOAM, Tholey-Theley, Germany.

Herrmann, G.A. und Heid, P. (2000) The weakest go to the wall: Inspection and certification overkillfor small farmers. Proceedings 13th International IFOAM Scientific Conference, p. 559-561, Basel,Switzerland.

Van Elzakker, B. & Rieks, G. (2003) Smallholder Group Certification, Compilation of Results.Proceedings of three workshops (February 2001, February 2002, February 2003).

IFOAM ICS Compilation, Bonn, Germany.

IFOAM (2005) Internal Control Systems (ICSs) for Group Certification. IFOAM, Bonn.http://www.ifoam.org/about_ifoam/standards/ics.html.

Lechleitner, F. & Eisenlohr, U. (2004) Smallholder Group Certification: Guidance Manual for ProducerOrganizations. Revised IFOAM Producer Manual for Setting Up and Harmonizing an Internal ControlSystem (ICS). IFOAM, Bonn, Germany.

Naturland (2007) About us. Naturland e.V., Gräfelfing. www.naturland.de/aboutus.html.

VanderHoff, F. (2000) Is it posible to export organic products from third world countries to the EU?Proceedings 13th International IFOAM Scientific Conference, p. 571, Basel, Switzerland.

van Elzakker B. & Rieks, G. (2003) Smallholder Group Certification - Compilation of results.Proceeding of three workshops 2001, 2002, 2003. IFOAM, Tholey–Theley, Germany.

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schon von internen Inspektoren überprüft worden. In diesem Fall werden 2,2 % der Kleinbauernnoch mal extern kontrolliert. Vor dem Jahr 2003wären mindestens 10 % der Bauern, d.h. 210Bauern extern kontrolliert worden.

Der externe Inspektor überprüft den Wahrheits-gehalt der Dokumentation der internen Kontrolleund nimmt sich Zeit für die Feldbegehungen undInterviews mit den Kleinbauern. Etwa vier bis zuacht Kleinbauern pro Tag (je nach geographi-schen Lage der Schläge) können vom externenInspektor besucht werden.

ZusammenfassungDer große Vorteil von internen Kontrollsyste-men, die Zertifizierungskosten auf ein Maß zu

verringern, dass es den Kleinbauern ermöglicht,zertifizierte ökologische Produkte zu erzeugen,liegt auf der Hand. Doch die Erfahrungen derletzten Jahre zeigen auch, dass die soziale Kon-trolle innerhalb der Mitglieder der Genossen-schaften entscheidend dazu beiträgt, richtlinien-gemäß zu produzieren und Unregelmäßigkeitenschnell und zuverlässig aufzudecken.

Darüber hinaus haben die internen Kontroll-systeme in vielen Genossenschaften die Quali-tätssicherung der Organisationen entscheidendverbessert: die Zuständigkeiten sind geklärt unddokumentiert, das Personal geschult. Der gesam-te Warenfluss ist im internen Kontrollsystemdokumentiert. Die Liste der anerkannten Bauernlegt fest, von wem und wie viel Ökoware lautErnteschätzung aufgekauft wird.

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Folkert Mohrhof ist Mitbegründer des CaféLibertad Kollektivs, seit 1999 als dessenGeschäftsführer und seit 2007 im Vorstand tätig.

Café Libertad betreibt solidarischen Handel mitzapatistischen Kleinbauernkooperativen dermexikanischen Provinz Chiapas als Teil ihrerpolitischen Arbeit zur Unterstützung der zapati-stischen Bewegung in der indigenen mexikani-schen Bevölkerung.

Folkert Mohrhof ist gelernter Verlagskaufmannund berufstätig in kaufmännischen Tätigkeitenim Verlagsbereich, im Naturkostgroßhandel undeinem Bio-Produktionsbetrieb. Er ist seit 30Jahren Gewerkschaftsaktivist der FreienArbeiterinnen- und Arbeiterunion.

Christine Müller arbeitet seit 1999 in der AGKriterien des Weltladen-Dachverbandes, wo siekontinuierlich an der Erstellung des „ATO-TÜV“s mitwirkt und repräsentiert den deutschenWeltladen Dachverband im Vorstand vonNEWS! (Network of European Worldshops).

Christine Müller ist seit 1988 ehrenamtlich imFairen Handel aktiv. Damals war sieGründungsmitglied der Eine-Welt-Gruppe e.V.Ochsenfurt und baute den dortigen Weltladenauf, wo sie bis 2005 in verschiedenen Positionenmitarbeitete und Vereinsvorstand war. 1998 bis2000 war sie Regionalsprecherin der Weltladen-Region Mainfranken. 2000 trat sie dem Vorstanddes Weltladen-Dachverbandes für sechs Jahrebei, wobei ihre Arbeitsschwerpunkte aufMitgliederbetreuung, Europäischer Zusammen-arbeit und Personalführung lagen. Seit 2005wirkt sie an der Konzeption und Umsetzung einesMonitoring-Systems für Weltläden mit.

Der Weltladen-Dachverband ist die Interessen-vertretung der Weltläden bundesweit und koope-riert europaweit mit Dachverbänden andererLänder im Network of European World Shops(NEWS!). Inhaltliche Grundlage für die Arbeit desDachverbandes ist die Konvention der Welt-läden, in der die Grundkriterien für den FairenHandel der Weltläden festgeschrieben sind.

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Christine Müller Weltladen Dachverband, Mainz

Folkert Mohrhof Café Libertad, Hamburg

Thomas Speck GEPA, Wuppertal (s. Seite 43)

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ganzen Bevölkerung offen stehen. Zu denWirkungen des Handels kommt aber noch diepolitische Ebene: die zapatistischen Kaffee-kooperativen, von denen Café Libertad ihreProdukte bezieht, strahlen eine politischeVorbildwirkung im Land aus, aber auch hier inEuropa wurden schon Initiativen undEinzelpersonen durch den solidarischen Handelinspiriert. Und nicht zuletzt engagieren sich dieAkteure des Fairen Handels im Norden, um einBewusstsein für Entwicklungs- und Konsum-problematiken zu schaffen. In diesem Bereichsind vor allem die Weltläden aktiv, welche mitKampagnen und gezielter Bildungsarbeit versu-chen die Konsumenten zu erreichen.

Die Fair-Handels-Bewegung ist in Deutschlandeng mit der Kirche verbunden. Wie eineEinflussnahme der Kirche auf eine so politischausgerichtete Bewegung zu beurteilen ist, istumstritten und sicherlich stark von persönlicherInterpretation abhängig. Folkert Mohrhof sieht essehr kritisch.

Er sagt: „Es wird so getan, als wenn es hier imNorden nichts mehr zu verbessern gäbe und dieWelt in Ordnung wäre. Warum fördern dieKirchen durch fairen Handel angeblichSelbstverwaltungsstrukturen und fordern in denunterentwickelt gehaltenen Ländern Lateiname-rikas, Asiens und Afrikas die Durchsetzung vonArbeitnehmer/innenrechten ein, während sie hierganz profan kapitalistisch handeln?

Handelshäuser von Kolonialwaren sind keineGenossenschaften sondern GmbHs undAktiengesellschaften, und die Kirchen verwei-gern in ihren Tendenzbetrieben Mitbestim-mungsrechte und betreiben Lohn- undTarifdumping. Wo bliebt bei allen Projekten diekritische Haltung gegenüber den hiesigen, nichtgöttlichen Spielregeln des kapitalistischenAlltags und der Politik? ....

Moralische Appelle an christliche Grundsätzesind in einer kapitalistischen Welt nichts weiterals Kosmetik, die das schlechte Gewissen beruhi-gen sollen und letztendlich sagen: Macht weiterso!“

Der faire Handel hat den Anspruch, Eigeninitia-tive und Unabhängigkeit benachteiligter Men-schen in Entwicklungsländern zu fördern –womit er sich auch gerne versucht von derEntwicklungshilfe abzugrenzen, frei nach demMotto „Handel statt Hilfe“. Dementsprechendwar zum Anfang der Fair-Handels-Bewegung derBegriff des ‚partnerschaftlichen Handels’gebräuchlich, also Partnerschaft als Begegnungauf Augenhöhe. 90 % der fair gehandeltenProdukte der GEPA stammen aus selbst verwalte-ten Kooperativen. Eine Mitbestimmung derBauern in ihren Kooperativen und der Arbeiter inihren Betrieben wird gesichert, regelmäßigeWeiterbildungen werden ermöglicht und so dasSelbstbewusstsein gesteigert. Doch das Beispieleiner Teeplantage der GEPA in Asien zeigte, dassder Mut zum Mitreden und eigenverantwortli-chen Handeln sich erst über einen Zeitraum, teilslänger als eine Generation, in diesem Beispielzehn Jahre, aufbauen kann.

Café Libertad fördert selbst organisierteKooperativenstrukturen, neben einem höherenEinkaufspreis bei den Kaffee-Genossenschaftenwelcher höher ist als der von der FLO für Bio-Kaffee vorgesehene Preis, und der 2008 noch-mals raufgesetzt wurde, zusätzlich dadurch dassein großer Anteil an festgelegten und kalkuliertenFördergeldern an einen Fonds überwiesen wird.

Doch der faire Handel will bei den wenigenProduzenten, die das Glück hatten Zugang zudiesem Nischenmarkt zu bekommen, keineWohlstandsinseln schaffen. Daher ist ein wichti-ger Einkaufsgrundsatz für alternative Handels-organisationen auch, dass der Einkauf auf ver-schiedene Lieferanten verteilt wird, um Abhän-gigkeiten zu verringern und vielen Produzentenden Zugang zum Markt zu ermöglichen.

Auf diese Weise wird erreicht, dass möglichstviele Produzenten die extremen Tiefpreisphasenauf dem Weltmarkt überleben. Auch wirkt sichdie gesteigerte Kaufkraft auf den lokalen Marktaus, und die benachbarte Bevölkerung profitiertvon verbesserter Infrastruktur wie Schulen undGesundheitszentren, die u. a. von den Fair-Handels-Prämien finanziert werden, aber der

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Fairbinden – Verschiedene Grundsätze für faires Handeln

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Christine Müller und Thomas Speck zufolge istder faire Handel jedoch eher unabhängig.

Viele Weltladengruppen haben sich im Laufe derZeit von dem Einfluss der Kirche „freige-schwommen“, so Frau Müller, und dieReaktionen kirchlicher Geldgeber entsprächenhäufig nicht den Erwartungen. Problematisch sei,wenn katholische und evangelische Organisatio-nen Parallelstrukturen schaffen, und manchmalauch der eher karitative Blick kirchlicherOrganisationen einer wirklichen Partnerschaft imWege stehen kann.

Ein wichtiger Baustein für Entwicklung sinddemokratische Strukturen bei den Produzenten,und viele Akteure fordern sie auch für dieHandelsorganisationen im Norden ein. Im ATO-TÜV des Weltladen-Dachverbandes werdendiese daher auch bei den Handelsorganisationenabgefragt und stellen ein Beurteilungskriteriumfür die Handelspartner der Weltläden dar. DieGEPA ist z.B. von ihrer Rechtsform her eineGmbH, also eigentlich dem maximalen Gewinnihrer Gesellschafter verpflichtet.

Doch da die Gesellschafter sechs kirchlicheOrganisationen sind, werden keine Gewinne ent-nommen sondern kontinuierlich reinvestiert.Auch das Gehaltgefüge ist fair, wie ThomasSpeck betont, denn es ist sehr viel gestauchter alsbei normalen Unternehmen. Es gibt jedoch kei-nen Einheitslohn wie bei Café Libertad wo alleden gleichen Stundenlohn erhalten.

Das 15-jährige Jubiläum des Fair-Trade Siegelsvon Transfair sehen die Gesprächsteilnehmer mitgemischten Gefühlen. Denn das Transfair-Siegelist ein Produktsiegel, das die Einhaltung der Fair-Handels-Kriterien in der Produktion bescheinigt,der Lizenznehmenden Handelsfirma jedochkeine Bedingungen auferlegt.

Dieses Siegel hat dem konventionellen Handeleine Chance zum Einstieg in den Fairen Handelgegeben und so den Produzenten zusätzlicheAbsätze ermöglicht. Christine Müller betont, dass der anonymeVerkauf im Supermarkt das Interesse weckenkann, aber zusätzlich Bildungs- und Öffentlich-keitsarbeit, wie sie die Weltläden betreiben, nötig

ist. Folkert Mohrhof sieht in dieser Verkaufsstra-tegie jedoch eine Unterstützung des Kapitalis-mus, denn seiner Meinung nach „ist es absurd,faire Produkte die einen ganz anderen Anspruchhaben, in ein kapitalistisches Regal zu stellen wodie Mitarbeiter keine Rechte haben“. Dies solltenicht auch noch durch die ehrenamtliche Arbeitder Weltläden unterstützt werden. Ein Produktmit überzeugendem politischem Anspruch, wieder zapatistische Kleinbauernkaffee, erschließtsich von selbst über Mundpropaganda neueAbsatzwege. Diese Erfahrung hat zumindestCafé Libertad gemacht.

Je nach den Ergebnissen der derzeitigenBesinnungsphase in der Fair-Handels-Bewegungrund um die Frage der Zusammenarbeit mit demkonventionellen Handel ist auch die GEPA nichtsicher, ob sie die Zusammenarbeit mit demSiegel Transfair weiter fortsetzen wird. Laut

Thomas Speck, sieht sich die GEPA aber noch„in einem Boot” mit der Siegelorganisation, auchwenn in einzelnen Punkten Kritik besteht.

Die GEPA versucht sich aber in ihrerAußendarstellung soweit wie möglich von demSiegel unabhängig zu machen, so dass eigeneWege ohne Siegel gegangen werden könnenwenn Transfair eine Richtung einschlägt welchedie GEPA nicht mitgehen will.

Die vergangenen 15 Jahre seit Gründung desTransfair-Siegels bewerten sowohl ThomasSpeck wie auch Christine Müller eher alsErfolgsgeschichte, denn durch das Siegel hat derfaire Handel mehr öffentliche Aufmerksamkeitauf sich gezogen und Marktteilnehmer habeneinen Einstieg in den Markt gefunden.

Cafe Libertad arbeitet nicht mit Transfair zusam-men, nicht nur weil die Produkte im Supermarktstehen sondern auch weil die politischeNeutralität des Siegels, nach Aussage FolkertMohrhofs, nicht gegeben ist, denn hinterTransfair stehen, wie er sagt, die beiden großenKirchen und die Stiftungen der PolitischenParteien welche nichts mit Fairen Handel zu tunhaben und teils ihr Demokratieverständnis, wel-ches ein westliches ist, in Lateinamerika durch-setzen wollen. Dieses wird, seiner Ansicht nach,

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auch durch den Fairen Handel transportiert. Einerege Diskussion entfacht auch die Beurteilungvon Handelsfirmen die Produkte als fair gehan-delt verkaufen, für die sie eigene, von denGrundregeln der Fairtrade Labeling Organization(FLO) abweichende, Kriterien entwickeln. Zwarsollten solche Firmen grundsätzlich alsBündnispartner gesehen werden, jedoch kristalli-sieren sich für die GesprächsteilnehmerAbgrenzungskriterien heraus.

So reicht eine Fair-Handels-Prämie, die denEinkaufspreis stets über Weltmarktpreis hält, inZeiten extrem niedriger Weltmarktpreise auchnicht zum Decken der Produktionskosten aus,solange es keinen fest definierten Mindestpreisgibt, wie ihn FLO fordert.

Des Weiteren ist es wichtig, dass die Produzentenüber die Verwendung ihrer Fair-Handels-Prämieselbst entscheiden. Langfristige Zusammenarbeitund der Aufbau bzw. die Unterstützung von eige-nen Organisationsstrukturen machen für dieGesprächsteilnehmer einen partnerschaftlichenHandel aus.

Im fairen Handel ist Umweltverträglichkeitgenau so ein Kriterium, wie Fairness einer dervier IFOAM-Basisstandards für ÖkologischeLandwirtschaft ist. Eine stärkere Zusammen-arbeit ist also für die langfristige Glaubwürdig-keit beider Bewegungen von Bedeutung.

Doch auch wenn 70 % der von der GEPA fairgehandelten Produkte ökologisch sind, kann öko-logische Produktion im Fairen Handel keineEinstiegsvoraussetzung sein. Vielmehr ermög-licht erst die beratende und finanzielleUnterstützung durch den Fairen Handel vielenProduzenten die Umstellung und Zertifizierungihrer Produktion.

Folkert Mohrhof findet, dass die Möglichkeit zurAutozertifizierung nach eigenen ökologischenRegeln eine wichtige Zukunftschance darstellenkönnte, ein Thema woran die Universität Veracruzderzeit arbeite. Bei der Vermarktung gibt es einenUnterschied in der Hauptkäufergruppe.

Während Bio-Konsumenten mit ihrerKaufentscheidung hauptsächlich sich selbstdurch die hohe Qualität und Natürlichkeit etwasGutes tun wollten, stünde beim Kauf von fairgehandelten Produkten eher der Beitrag zurLebensqualität der Menschen in Entwicklungs-ländern im Vordergrund, so Christine Müller.

Für sie gehören aber Bio und Fair eng zusammen,denn es macht keinen Sinn Sozialstandards ein-zuführen und dennoch die Umwelt mit Pestizidenzu verseuchen und somit wieder das Wohl derMenschen zu gefährden.

Vom Fachbereich Ökologische Agrarwissen-schaften wünschen sich die Teilnehmer in diesemZusammenhang, dass Fairer Handel Einzug indas Curriculum findet und so die Möglichkeitenund Facetten der Zusammenarbeit dargestelltwerden können.

Und wie sieht die Zukunftsvision aus? ChristineMüller definiert das Ziel des Fairen Handels sodass er sich selber überflüssig macht und jedervon dem leben kann was er erwirtschaftet.

Einen 100-prozentigen Marktanteil für ökologi-sche und fair gehandelte Produkte hält ThomasSpeck für unrealistisch, denn in diesemWirtschaftssystem seien die Potentiale auf einenNischenmarkt begrenzt.

Daher sei es die Hauptaufgabe des FairenHandels, die unfairen und unökologischenMechanismen des derzeitigen Systems in Fragezu stellen. „Der Faire Handel ist nicht dieAntwort, aber er hat Keime, Themen,Diskussionansätze und Anregungen in sich, die inJahrzehnten zu antworten führen können“, soThomas Speck.

Des Weiteren sieht er den Fairen Handel alsMosaikstein, der in Verbindung mit z.B. CaféLibertad, den Weltläden und anderen politischenInitiativen aus anderen Bereichen ein großesGanzes und damit die Kraft zu wirklich signifi-kanten Veränderungen ergeben kann.

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Land vertrieben wird. Drittens muss der Staat dasRecht auf Nahrung gewährleisten, d.h. er mussalle Möglichkeiten progressiv ausschöpfen umdas Recht auf Nahrung für alle Menschen umzu-setzen. Diese drei Ebenen gelten für alleMenschenrechte.

Wer ernährt die Welt? Diejenigen die die Welternähren sind paradoxerweise auch diejenigen,die überdurchschnittlich oft von Hunger betrof-fen sind d.h. in erster Linie Kleinbauern undLandarbeiter. Die aktuellen FAO Zahlen sagen

FIANS Ansatz ist der Einsatz für das Menschen-recht auf Nahrung! Das Menschenrecht aufNahrung ist nicht nur ein frommer Wunsch vonFIAN sondern Teil des internationalen Pakts überwirtschaftliche, soziale und kulturelleMenschrechte von 1976 welcher von 156 Staatenweltweit ratifiziert wurde. Das heißt, das Rechtauf Nahrung ist tatsächlich fester Bestandteil desVölkerrechts.

Recht auf Nahrung bedeutet nicht das Rechtgefüttert zu werden, sondern das Recht sichselbst zu ernähren. Grob gesagt gibt es dreiMöglichkeiten dies zu gewährleisten: Durch denZugang zu produktiven Ressourcen auf demLand wie z.B. Land, Saatgut und Wasser, men-schenwürdige Lohnarbeit und soziale Siche-rungssysteme.

Zur Umsetzung dieses Rechts sind die einzelnenStaaten auf drei Ebenen verpflichtet: Erstensdurch Respektierung, d.h. ein Staat darf nieman-den z.B. wegen eines Staudammprojektes vonseinem / ihrem Land vertreiben. Zweitens durchSchutz, d.h. der Staat muss verhindern, dass dieeigene Bevölkerung durch private Akteure wiez.B. Großgrundbesitzer und Goldkonzerne vom

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Welternährung ökologisch & fairAusblick und Visionen

Armin Paasch FIAN, Köln

Armin Paasch ist Historiker M.A. und arbeitet alsHandelsrefernt für die deutsche Sektion der inter-nationalen Menschenrechtsorganisation FIAN(Food First Informations- und Aktionsnetzwerk).

FIAN setzt sich dafür ein, dass alle Menschen freivon Hunger leben und sich eigenverantwortlichernähren können.

Auf der Basis internationaler Menschenrechts-abkommen berät FIAN die UNO und unterstütztvon Menschenrechtsverletzungen Betroffene mitAktionen, Kampagnen und langfristigerFallarbeit.

Armin Paasch ist außerdem Mitglied desLeitungskreises des Forums Umwelt undEntwicklung, welches die Aktivitäten deutscherNichtregierungsorganisationen in internationalenPolitikprozessen zu nachhaltiger Entwicklungkoordiniert.

Who feeds the world? – Die Zukunft der Welternährung

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dass momentan 854 Millionen Menschen chro-nisch unterernährt sind und die Analysen der UN"Task Force on Hunger", die zu den "MillenniumDevelopment Goals" gebildet wurde, sagen, dass80 % der Hungernden auf dem Land leben.Davon sind 50 % Kleinbäuerinnen und Klein-bauern, 22 % Landlose und 8 % Nomaden undFischer. Der erste Grund dafür ist, dass dieLandwirtschaft in den Entwicklungsländern inden letzten Jahren sehr stiefmütterlich behandeltworden ist. Im südlichen Afrika leben 70 % derMenschen auf dem Land, doch nur 5 % derStaatsausgaben fließen in den ländlichen Raum.

Es gibt eine Tendenz, die Stadtbevölkerung zubevorzugen, da diese mehr politische Macht aus-üben können. Noch wichtiger sind als Grund aberdie Strukturanpassungsmaßnahmen, die den mei-sten Entwicklungsländern vom IWF und von derWeltbank aufgedrängt wurden. Der Zugang zuKrediten, Saatgut und Dünger und Vermark-tungshilfen wurde privatisiert, und viele, die inden 1960er und 1970er Jahren noch relativ vielUnterstützung vom Staat bekamen, sind heute aufsich allein gestellt, und das in einer globalisiertenMarktwirtschaft. Ein weiterer Grund ist derRückzug der Entwicklungshilfe aus der ländli-chen Entwicklung, besonders aus der landwirt-schaftlichen Unterstützung. Insgesamt wurdenzwischen 1983 und 1987 im Schnitt noch 5,14Mrd. US-$ für die Landwirtschaft ausgegebenund zwischen 1998 und 2002 waren es nur noch2,22 Mrd. US-$. Besonders auch Deutschland hatsich sehr aus der Entwicklungshilfe für den länd-lichen Raum zurückgezogen (nachzulesen ineinem Aufsatz von Christoph Kohlmeyer (BMZ)in der Zeitschrift "Ländliche Entwicklung").

Hunger ist natürlich nicht nur ein Mangel an Geldund Investitionen, noch wichtiger sind strukturel-le Ursachen. An erster Stelle ist hier dieKommerzialisierung von ländlichen Ressourcenwie z.B. Land, Saatgut und Wasser zu nennen.Die ungerechte Verteilung von Land ist unbestrit-ten eine zentrale Ursache von Hunger. Die FAOsagt, dass die Länder mit den umfassendstenLandreformen auch den Hunger am erfolgreich-sten bekämpft haben. Beispiele für relativ effek-tive Landumverteilungsmaßnahmen sind z.B.China, Kuba und Vietnam. Kuba hat z.B. jetztschon das Ziel des Welternährungsgipfels vonRom, nämlich die Halbierung der Zahl der

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Welternährung ökologisch & fair Ausblick und Visionen

Hungernden, erreicht. Natürlich ist die Land-reform nicht die einzige Maßnahme, die dasermöglicht hat. Leider wird trotz dieserErkenntnis der Zugang zu Land immer mehrliberalisiert und flexibilisiert, zur Ware und han-delbar. Dies fördert den mehr oder weniger frei-willigen Verkauf von Land aber auch dieVertreibung z.B. durch Großgrundbesitzer undBergbaufirmen. Diese Gefahr ist durch denBoom der Agroenergie heute größer denn je.Zugang zu Land ist natürlich nicht alles, dennKleinbauern wollen nicht nur essen, sondernauch andere Grundbedürfnisse stillen wie z.B.Kleidung, den Zugang zu Medikamenten undBildung. Dafür brauchen Sie den Zugang zu denMärkten! Dies ist durch die Liberalisierung derAgrarmärkte der Entwicklungsländer in den ver-gangenen Jahren allerdings immer mehrerschwert worden.

Der durchschnittliche Zollschutz für Agrarpro-dukte ist laut Weltbank z.B. zwischen 1990 und2000 von 30 % auf nur noch 18 % zurückgegan-gen. Entgegengesetzt übrigens zur Entwicklungder immer noch subventionierten Märkte derIndustrienationen wie USA und EU. Eine Studievon FIAN (zusammen mit Brot für die Welt)zeigt am Beispiel der Reisbauern von Ghana,Honduras und Indonesien, dass es dort nach derLiberalisierung wahre "Importfluten" gegebenhat. Die von FIAN besuchten Kleinbauern wur-den also massiv von den lokalen Märkten heraus-gedrängt. Die Verkäufe sind gesunken und damitdie Einnahmen, was eine angemessene Ernäh-rung nicht mehr ermöglichte. Besonders in derZeit, wenn die alte Ernte aufgebraucht ist und dieneue noch nicht da ist (ca. drei Monate), könnensich in Ghana ein Großteil der Familien nur nocheine Mahlzeit pro Tag leisten. Das ist eine klareVerletzung des Menschenrechts auf Nahrung.Instrumente zur Liberalisierung sind neben denBretton Woods Institutionen auch dieWelthandelsorganisation WTO und derzeitbesonders bilaterale Freihandelsabkommen. Einaktuell besonders dramatischster Fall sind dieEPA's (Economic Partnership Agreements), diegerade zwischen der EU und den AKP-Staaten(Afrika, Karibik, Pazifik) ausgehandelt werden. Hier verlangt die EU, dass diese Staaten ihreMärkte innerhalb der nächsten 15 - 20 Jahre für80 % der europäischen Importe komplett libera-lisieren (Zoll auf 0 %).

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Die Ausgrenzung der Bauern von ihren lokalenMärkten wird auch noch durch eine andere neue-re Entwicklung vorangetrieben, nämlich dieVerdrängung des kleinen Einzelhandels und derinformellen Märkte durch die Supermärkte, d.h.die Expansion des "Modells Supermarkt". InLateinamerika hatten die Supermärkte 1990 imLebensmittelbereich nur einen Marktanteil von10 - 20 % und 2002 schätzt man den Anteil auf50 - 60 %. In Europa hat sich dieser Prozess auchvollzogen, allerdings viel langsamer. Auch pro-blematisch ist dabei, dass der Anteil der 30 größ-ten Supermärkte 29 % beträgt und ihnen so eineenorme Markt- und Nachfragemacht verschafft.Durch die erhöhte Verarbeitung der Lebensmittelkönnen die Preise für die Bauern weiter gedrücktwerden und durch die erhöhten Standards glei-chen die Binnenmärkte auch immer mehr denExportmärkten. Die Kleinbauern können dieseStandards und die Effizienzanforderungen oftnicht einhalten und werden so aus derProduktionskette immer mehr herausgedrängt.Das führt dann zum Prinzip „Wachse oderWeiche!“ Und zur Jobsuche in den Städten oderauf den Farmen der Großgrundbesitzer...

Eine neue Entwicklung ist auch die weltweiteNahrungsmittelverknappung. Momentan istHunger global betrachtet jedenfalls in ersterLinie ein Verteilungsproblem. Im Trend ist aller-dings erkennbar, dass in den letzten Jahren dieGetreidevorräte zurückgegangen sind. EinHauptgrund ist der Klimawandel, der die Erntenvor allem in Lateinamerika und Afrika bedroht.Die Welthungerhilfe befürchtet, dass bis 2030 dieErnten mancherorts in Afrika um bis zu 50 % sin-ken könnten. Auch die gestiegene Nachfragenach Fleischprodukten in den Schwellenländern(vor allem China und Indien) ist problematisch.Dadurch steigt die Nachfrage nach Futtermittelnwomit wieder weniger für den direkten Konsumdurch den Menschen übrig bleibt. Die zunehmen-de Konkurrenz zwischen Nahrung und Energiedurch die zunehmende Produktion von "Agro-Fuels" wird zu erhöhter Flächenkon-kurrenz undmehr Landkonflikten (z.B. Indonesien,Kolumbien, Brasilien) führen. Herr Paasch sagtbewusst Agro- und nicht Bio-Fuels, da bei derProduktion (je nach Technologie) sogar mehrCO2 verbraucht wird als hinterher eingespartwird. Besonders bedenklich können vor diesemHintergrund die Ziele der EU gewertet werden,

bis 2010 bereits 6 % der Treibstoffe aus "Bio-Sprit" zu bestreiten und bis 2020 sogar 10 %.Übertroffen wird diese Unverantwortlichkeitnoch von unserer Bundesregierung. Herr Gabrielsprach ja sogar schon von 20 %, die im Jahr 2020erfüllt sein sollen. Natürlich nur, wie in einerPressemitteilung von vor drei Wochen noch zulesen war, unter Einhaltung von Sozialstandards(ILO usw.) die in einer Nachhaltigkeitsverord-nung festgeschrieben seien. Genau diese sindaber ganz aktuell durch die Bundesregierungbereits gestrichen worden und am Ende nur nochbutterweiche Öko-Standards übrig geblieben.

Ein positiver Trend ist, dass die Ausgaben für dieLandwirtschaft seit neuestem wieder steigen.Natürlich dürfen jetzt nicht wieder die gleichenalten Strategien in neue Gewänder verpackt wer-den. Produktionssteigerungen, Grüne Gentech-nik, Liberalisierungen der Land- und Agrar-märkte, Expansion der Supermärkte und Export-orientierung der landwirtschaftlichen Produktionsind die Schlagworte für die Entwicklungszu-sammenarbeit, wie sie z.B. im Weltentwick-lungsbericht 2008 der Weltbank recycelt werden.Sollte es nur darum gehen, befürchten wir eineweitere Verschlechterung der Situation für dieländliche Bevölkerung. Ich werde jetzt einenBlick in die Zukunft wagen und versuchen zuerklären, was also aus Sicht von FIAN geschehenmüsste, damit das Recht auf Nahrung für alleMenschen umgesetzt werden kann: Zuerst müs-sen umfassende Agrarreformen zur Sicherungder Landrechte von besonders verwundbarenGruppen wie den Frauen und indigenen, traditio-nellen Gemeinschaften durchgeführt werden. InLändern wie Brasilien muss Land radikal umver-teilt werden, damit Landarbeiter und LandloseZugang zu den produktiven Ressourcen bekom-men. Landreformen reichen allerdings nicht aus,wenn sie nicht in eine Strategie zur ländlichenEntwicklung eingebettet sind, die den Kleinbau-ern Zugang zu Krediten, Dienstleistungen,Beratung, Dünger, Vermarktungskanälen usw.verschafft. Die reichen Länder müssen außerdemdas Preisdumping und den Liberalisierungsdruckbeenden, vor allem in Ländern die sowieso schonvon Importfluten heimgesucht werden!Bezüglich des Preisdumpings heißt das nicht,dass von heute auf morgen alle Subventionenabgeschafft werden sollen, sondern vor allemExportsubventionen! Interne Unterstützungen

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müssen stärker sozial und ökologisch ausgerich-tet werden. Die Überproduktion muss beendetwerden und dem Konsum angepasst werden. DieMarktmacht und der Machtmissbrauch durch dieSupermärkte muss begrenzt werden. Das heißtzuerst die Dienstleistungsabkommen in der WTObegrenzen aber auch verbindliche soziale,arbeitsrechtliche und ökologische Standards ent-lang der ganzen Zuliefererkette zu sichern. DieProduktstandards müssen in Zusammenarbeit mitden Bauern an deren Produktionsbedingungenund Bedürfnissen ausgerichtet werden und nichtvon oben diktiert werden (Größe, Form, Gewichtusw.). Klimaschutz muss mit Menschenrechts-schutz verbunden werden und darf nicht gegen-einander ausgespielt werden. Dies kann mögli-cherweise mit einer Nachhaltigkeitsverordnungmit Sozialstandards und Menschenrechtspaktenerreicht werden, allerdings nur wenn dieser dannauch streng kontrolliert wird.

Schließlich und endlich muss das Menschenrechtauf Nahrung auch vor Gerichten einklagbar sein!Daher muss das Recht auf Nahrung in dieVerfassungen aufgenommen werden. Orientierenkönnte man sich dabei an den freiwilligenLeitlinien für das Recht auf Nahrung die von derFAO entwickelt worden sind. Dabei darf diesnicht an den Ländergrenzen enden, sondern dasRecht auf Nahrung muss international einklagbarsein. Was derzeit diskutiert wird ist ein so ge-nanntes Fakultativ-Protokoll zum Pakt für wirt-schaftliche, soziale und kulturelle Menschen-rechte, welches vorerst die Möglichkeit derEinreichung einer Beschwerde schaffen würde,wenn man Opfer von Verletzungen sozialerMenschenrechte geworden ist. So ein Individual-beschwerdeverfahren gibt es bereits für bürgerli-che und politische Menschenrechte, nicht aberfür soziale Rechte. Letztendlich muss aber ganzklar die Einklagbarkeit das Ziel sein!

DiskussionEs sollte nicht von Entwicklungsländern sondernvon „unterentwickelt gehaltenen Ländern“gesprochen werden. Außerdem nicht vonKleinbauern sondern von Kleinbäuerinnen wennüber Subsistenzlandwirtschaft gesprochen wird.Der Zugang zu Land muss denen gegeben wer-den die die Familie ernähren…

Ja, der Gender Aspekt wurde zu wenig betrach-tet. Besonders bei der Landverteilung gibt essozial gesehen nicht nur eine ungerechteLandverteilung von unten nach oben gibt, son-dern auch zwischen Frauen und Männern.Besonders problematisch ist die Situation inAfrika und auch in Lateinamerika wo bei derLandverteilung besonders die Männer begün-stigt wurden. So etwas darf in modernenAgrarreformen nicht vorkommen.Oft sind auch Landreformen in denen umver-teilt wurde gescheitert, weil nicht genug umver-teilt wurde oder die Bauern zu wenigUnterstützung bekamen und auch keinenZugang zu den Märkten bekommen haben.Dann wurde das Land aus Einkommensmangelzum Teil sogar weit unter dem eigentlichenWert wieder verkauft!

Anmerkung aus dem Publikum:In Venezuela wird in der neuen Verfassung ver-bindlich gemacht, dass Boden für Genossen-schaften auch bei Pleiten unverkaufbar ist undnur für landwirtschaftliche Produktion genutztwerden darf. Meiner Meinung ist das ein inter-essanter Ansatz.

Gibt es in China durch die Landreform wirklichpositive Ergebnisse bei der Armutsbekämpfung?

Landreform war natürlich nicht die einzigeMaßnahme die zur Armutsbekämpfung beige-tragen hat. Auch die Global Donor Platformund sogar die Weltbank sind sich allerdingseinig, dass gerechtere Verteilung von Land fürdie ländlichen Armen, die damit Zugang zuLand hatten bzw. haben, eine Vorraussetzungwar, damit Hungerbekämpfung überhaupt statt-finden konnte. Die Bekämpfung der Armut hathauptsächlich in den 80er bis Mitte 90er Jahrenstattgefunden. Heute taucht z.B. in denStatistiken der „Millenium DevelopmentGoals“ immer noch auf, dass ein Großteil derArmutsbekämpfung in China stattgefunden hat.Seit 1995 ist die Armut wieder gewachsen.China ist inzwischen auch der WTO beigetretenund im Zuge dessen gab es auch vielLiberalisierung, Reformen und Marktöffnung(China importiert inzwischen Reis) undEntrechtungen (z.B. Bergbau und Landbewoh-ner). Obwohl es dafür natürlich nicht nur mo-nokausale Erklärungen geben kann...

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Professor Matin Qaim ist Agrarökonom und hältseit diesem Jahr den Lehrstuhl für Welternäh-rungswirtschaft und Rurale Entwicklung an derUniversität Göttingen inne. Nach seinem Diplom in Kiel und Promotion inBonn war er als Post-Doc an der Universität vonKalifornien in Berkeley tätig. Danach arbeitete erals Forschungsgruppenleiter am Bonner Zentrumfür Entwicklungsforschung. Von 2004 bis 2007war er Professor an der Universität Hohenheimin Stuttgart.

Matin Qaim beschäftigt sich forschungstechnischmit Fragen zu Hunger, Armut und ländlicherEntwicklung. Unter anderem untersucht er dieRolle neuer Agrartechnologien im Entwicklungs-prozess. So hat er empirische Studien zu denwirtschaftlichen und sozialen Auswirkungengentechnisch veränderter Pflanzen und andererSaatguttechnologien in verschiedenen LändernAsiens, Afrikas und Lateinamerikas durchge-führt. Spezielles Augenmerk seiner Forschungliegt dabei auch auf den institutionellenRahmenbedingungen für Innovation – wiezunehmende Privatisierung der Forschung, stär-ker werdende geistige Eigentumsrechte – unddamit zusammenhängende Implikationen.Andere Projekte, die er leitet, beschäftigen sichmit ökonomischen Aspekten von Mangel- undFehlernährung und mit Wertschöpfungsketten fürhochwertige Agrarprodukte.

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Welternährung ökologisch & fairAusblick und Visionen

Matin Qaim Uni Göttingen

Gabi Bott Gesellschaft für angewandteTiefenökologie, Poppau

Armin Paasch FIAN, Köln (s. Seite 54)

Helmy Abouleish SEKEM/Ägypten (s. Seite 74)

Gabi Bott arbeitet als Vorstandsmitglied undTrainerin in der Gesellschaft für AngewandteTiefenökologie. Die Gesellschaft für AngewandteTiefenökologie hat es sich zur Aufgabe gemacht,Wege zu entwickeln und anzubieten, die es mög-lich machen, sich für die Erfahrung eines tiefgrei-fenden Wandels und einer ganzheitlichen Bildungzur Nachhaltigkeit zu öffnen.

Gabi Bott studierte Landschaftsökologie, wurdebei der Gesellschaft für Angewandte Tiefenöko-logie ausgebildet und in den USA weiter fortge-bildet. Sie ist Trainerin für Tiefenökologie,Seminarleiterin und Yogalehrerin mit langjähri-ger buddhistischer Meditationserfahrung.

Sie arbeitete sieben Jahre lang als Geschäftsfüh-rerin bei Bündnis 90/Die Grünen in Freiburg.

Seit Anfang 2001 lebt Gabi Bott im Ökodorf Sie-ben Linden, einer Gemeinschaft mit derzeit circa100 Menschen im Norden von Sachsen-Anhalt.

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mir die Tiefenökologie über den Weg gelaufen,bei der es darum geht, die Ganzheitlichkeit wie-der anzuerkennen und zu leben, alles von ver-schiedenen Seiten aus zu beleuchten, z.B. dieSpiritualität wieder in die Politik zu bringen, diePolitik wieder in die Spiritualität – kurz: auseinem Bewusstsein heraus zu handeln, das allesmit Allem verbunden ist und unser HandelnEinfluss in der Welt hat.

Parallel zu meiner damaligen Tätigkeit alsGeschäftsführerin bei den Grünen in Freiburg,habe ich ein Training in Tiefenökologie bei derGesellschaft für angewandte Tiefenökologie hierin Deutschland gemacht. Danach war ich ein Jahrin Amerika, wo ich u.a. mit Joanna Macy gearbei-tet habe, einer mittlerweile 78-jährigen Reli-gionswissenschaftlerin und Systemtheoretikerin,die noch immer um die ganze Welt reist und dieMethode der Tiefenökologie in vielen Seminarenund Workshops den Menschen nahe bringt.Bewusstseinswandel spielt in der Arbeit derTiefenökologie eine große Rolle. Es geht nichtdarum, sich etwas Neues einreden zu lassen odermanipuliert zu werden, sondern es geht darum,die inne liegende Weisheit, die jede und jeder vonuns mitbringt aus der ganzen Evolutions-geschichte, wieder lebendig werden zu lassen undein Gefühl zu haben wie: Das was ich tue, in dieWelt einbringe, ist friedvoll und heilvoll für michund die Welt. Immer wenn Menschen ganzheit-lich gelebt, gedacht, gehandelt haben, kann dastiefenökologisch genannt werden. Von daher istdas nur ein neuer Ausdruck, den Arne Næss, inden 70er Jahren, ein Umweltphilosoph und -akti-vist aus Skandinavien, geprägt hat. Er sagte:Deep ecology heißt, tiefe Fragen an das Leben zustellen. In der Tiefenökologie lernt man Übungenund Erlebensräume kennen, durch die menschsich immer wieder an dieses uralte Wissenandocken kann. Im Falle des Bauern, der von oben angeordnet einBiotop schützen soll, heißt das, dass er von sichaus sagt: ich fühle mich für dieses Land verant-wortlich, ich bin Hüter des Landes, mir ist esegal, ob das Biotop A, B oder C ist. Ich möchte esin seiner Schönheit und Einmaligkeit erhalten fürmeine nachkommenden Generationen.

Helmy Abouleish: Ich werde im Anschluss andiese Podiumsdiskussion etwas zum Visionen-raum beizutragen. Das Thema dieser Konferenzhalte ich für äußerst wichtig - für hier, für Ägyp-ten, für die ganze Welt -, und ich hoffe, dass wirzusammen zu interessanten Inspirationen kom-men werden.

Gabi Bott: Ich arbeite als Vorstandsmitglied undTrainerin in der Gesellschaft für angewandteTiefenökologie. Vor langer Zeit habe ichLandschaftsökologie in Weihenstephan studiert,um – so meine Intention – damit etwas Solidesfür den Umweltschutz tun zu können. Nach demAbschluß habe ich Biotope kartiert. Bis Biotopeals schutzwürdig anerkannt werden, also in diePläne eingezeichnet werden, die Instanzen durch-laufen haben und dann rechtsgültig werden, ver-gehen in der Regel ein bis zwei Jahre – mancheBiotope gab es dann gar nicht mehr, oft aus demGrund, dass der Bauer sich nicht vorschreibenlassen wollte, was er mit seinem Land tun soll.Das hat mich etwas deprimiert und frustriert. Umdiese Zeit – das ist jetzt gut zehn Jahre her – ist

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Moderation: Katrin Zander Uni Kassel

Was wir schon immer über Welternährung wissen wollten – aber nie zu fragen wagten

Vorstellung derDiskussionsteilnehmer

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ernähren ein auf der Basis des Paktes für wirt-schaftliche, soziale und kulturelle Rechte, denich genannt hatte. Wir arbeiten fallorientiert, d.h. nicht nur aufabstraktem Niveau, indem wir Politikmaßnah-men benennen, die umgesetzt werden müssten,um den Hunger in der Welt zu bekämpfen, son-dern indem wir bei denen ansetzen, die vonHunger betroffen und damit Opfer vonVerletzungen des Rechts auf Nahrung gewordensind: zum Beispiel Leute, die in Kolumbien vonHolzfirmen vertrieben werden, weil auf ihremLand Ölpalmen angebaut werden sollen, Leute,die in Ghana durch Goldminen verdrängt werdenoder BlumenarbeiterInnen, deren soziale Rechtein den Gewächshäusern nicht beachtet werden,das heißt: konkrete Menschen - und wir machendaraus konkrete Menschenrechtsfälle. Wir unter-stützen sie z.B. durch Protestbriefaktionen. Alsinternationale Organisation arbeiten wir auch mitanderen, z.B. Bauern-Organisationen zusammen.Wenn also jemand vertrieben wurde undUnterstützung durch Partnerorganisationen ange-fragt wird, untersuchen wir den Fall zunächst,machen dann Briefaktionen, die internationalgestreut werden und rufen die Mitglieder in denLändersektionen, in denen wir vertreten sind undMitglieder von anderen Organisationen auf, dieseProtestbriefe an die verantwortliche Regierungzu richten.

Unserer Erfahrung nach führt das oft dazu, dassein gewisser öffentlicher Druck - auch auf diejeweilige Regierung – entsteht, was langfristigdazu führt, dass solche Menschenrechtsverlet-zungen eingestellt werden – punktuell zumindest.Darüber hinaus machen wir Untersuchungsrei-sen, z.B. zur Agrar-Reform in Paraguay, wo einstrukturelles Problem vorliegt. Wir untersuchenmehrere Fälle zusammen mit den Bauern- undanderen Organisationen, machen Berichte, legendiese der Regierung vor, sprechen auchEmpfehlungen aus und versuchen auch, die deut-sche Entwicklungszusammenarbeit darüber zubeeinflussen, indem wir über bestimmteProbleme aufklären, die wir in Ländern, in denendie deutsche Entwicklungszusammenarbeit aktivist, festgestellt haben.

Außerdem versuchen wir die Politik im Nordenzu beeinflussen; die Regierungen im Nordensowie internationale Organisationen wie die

Also fernab von allen Gesetzen und Regelungenund aus sich selber heraus – das ist mitBewusstseinswandel gemeint.Zurück aus Amerika und entschlossen, dasGelernte und Erlebte durch die Methode derTiefenökologie weitergeben zu wollen, kam ich –vor etwa sieben Jahren – in das Ökodorf SiebenLinden, eine Gemeinschaft im Norden vonSachsen-Anhalt in der Altmark gelegen. AlsÜberschrift heißt es da: die Einheit in derVielfalt, ein ganzheitliches Dorf soll entstehen.Für mich war und ist es ein tiefenökologischesProjekt. Damals lebten 25 Menschen im Öko-dorf. Heute sind wir 110 Menschen – 80Erwachsene und 30 Kinder -, und was einmaligist in Deutschland: wir dürfen ein ganz neuesDorf bauen, mit bis zu 300 Menschen, einenKilometer von dem bestehenden kleinen DorfPoppau entfernt mit 160 Einwohnern. Im Moment haben wir 77 ha - viel Wald, aberauch Ackerflächen, die wir noch nicht nutzen. ImAlltag, im Zusammenleben achten wir darauf,nachhaltig, also zukunftsfähig zu leben. So bauenwir beispielsweise Strohballen- und Lehmhäuserund ernähren uns von ökologischen Lebensmit-teln. Bei Konflikten im sozialen Miteinander –und die gibt es natürlich bei so vielen Leuten –wird gefragt: wie gehen wir damit um, wasmachen wir damit. Lösen wir sie imZweiergespräch, in der Klein- oder Großgruppe,durch Supervision etc. Immer wieder gibt esZeiten, in Kreisen zusammenzukommen, sich zusehen, zu hören und - das Wichtigste (wie auchin der Tiefenökologie): in Beziehung zu gehenmit sich selbst, mit dem Gegenüber - ob Mensch,Tier oder Pflanze -, mit dem Leben an sich - unddabei nicht nur das Verbale, sondern alle Sinnemit einzubeziehen. Ganzheitlichkeit und Vielfaltist jeden Tag Thema.

Vor drei Wochen ist der erste Mensch bei unsgestorben. Geburten hatten wir schon einige; eineeigene Sterbekultur zu gestalten, zu sehen und zuerleben, wie Leben und Tod zusammen kommen,hat die Ganzheit noch ganzer gemacht.

Armin Paasch: Ich habe bisher wenig überFIAN erzählt, sondern eher die Analysen vonFIAN präsentiert. Das möchte ich kurz nachho-len. FIAN ist eine internationale Menschen-rechtsorganisation für das Recht auf Nahrung,d.h. wir setzen uns für das Recht, sich selbst zu

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internationalen Finanzinstitutionen spielen unse-rer Meinung nach eine wichtige Rolle, z.B. beider Durchsetzung von Strukturanpassungsmaß-nahmen.

FIAN ist eine mitgliederbasierte Organisationmit mehreren Sektionen in 16 Ländern undMitgliedern in 50 Ländern. Der Hauptteil unsererArbeit wird ehrenamtlich von Mitgliedern getra-gen, die sich an Aktionen beteiligen. In mehrerenStädten, z.B. auch in Göttingen, gibt es FIAN-Gruppen, die sich einen Fall von Verletzung desRechts auf Nahrung herausgreifen, gezielt dazuarbeiten und sich mit Themen beschäftigen, diedamit in Zusammenhang stehen, beispielsweiseAgrarliberalisierung, Goldbergbau, Blumenpro-duktion usw.

Daneben gibt es hauptamtliche Mitarbeiter – ichgehöre dazu. In unserem Büro in Köln arbeitenungefähr sieben Mitarbeiter. Sie unterstützen dieArbeit der Gruppen und machen Lobbyarbeit,was von Ehrenamtlichen eher weniger geleistetwerden kann - es sei denn sie sind ohnehin beruf-lich in diesem Feld aktiv; die Prozesse zu verfol-gen gestaltet sich durchaus zeitaufwendig.

Matin Qaim: Ich habe an der UniversitätGöttingen den Lehrstuhl für Welternährungs-wirtschaft und Rurale Entwicklung inne undbeschäftige mich forschungtechnisch mit Fragenvon Hunger, Armut sowie kleinbäuerlicherLandwirtschaft aus ökonomischer Sicht. In denvergangenen Jahren haben mein Team und ichuns eingehender mit der Frage befasst, welcheRolle neue Agrartechnologien für Kleinbauernspielen können, u.a. haben wir in Indien,Argentinien, Mexiko, Kenia und einigen weite-ren Ländern Studien zu gentechnisch verändertenPflanzen gemacht, worauf ich noch näher einge-hen werde.Auf die Frage, was wir schon immer überWelternährung wissen wollten, will ich zunächstetwas breiter einsteigen und auf eine Frage ein-gehen, die häufig in der Öffentlichkeit gestelltwird: Ist das Welternährungs- bzw. das Welthun-gerproblem eher eine Frage der Produktion oderder Verteilung? Die Antwort darauf: es ist beides.

Weltweit werden Nahrungsmittel produziert, diemehr als 6,5 Milliarden Menschen ernährenkönnten. Dennoch leiden fast 15 Prozent der

Weltbevölkerung an Hunger und Unternährung.Ganz offensichtlich ist das ein Verteilungspro-blem. Es aber nur darauf zu beschränken wäreeine sehr statische Sichtweise. Dass wir heutediese Mengen, diese Nahrungsmittelverfügbar-keit auf der Welt haben ist letztendlich zurückzu-führen auf starke Produktionssteigerungen in derVergangenheit. Weltbevölkerung und Ansprüchewerden auch weiterhin steigen, d.h. wir brauchenauch zukünftig Produktionssteigerungen, umzumindest die jetzige Situation aufrecht erhaltenund um sagen zu können: Ja, wir hätten prinzi-piell genug Nahrung, wäre sie anders verteilt.Man geht davon aus, dass - bei den heutigenBevölkerungs- und Einkommensprognosen - inden nächsten 25 Jahren etwa 50 Prozent mehrNahrungsmittel produziert werden müssen. Dasist prinzipiell möglich, aber eine Herausforde-rung. Es ist also zum einen die Verfügbarkeit vonNahrung, die mit der Produktion zusammen-hängt, zum anderen der Zugang zu Nahrung –und das hat etwas mit Verteilung zu tun. Diesebeiden zentralen Aspekte müssen berücksichtigtwerden, um Maßnahmen und Strategien zurHungerbekämpfung bewerten zu können.Technologie kann zu beiden Aspekten etwas bei-tragen.

Was die Produktionssteigerung betrifft: es istrelativ offensichtlich und auch wenig unbestrit-ten, dass neue Technologien Erträge steigernkönnen. Ein Beispiel ist die „Grüne Revolution“in den 1960er, -70er und -80er Jahren: durch denEinsatz von Hochertragsleistungssorten kombi-niert mit landwirtschaftlichen Inputs konnten vorallem in Asien und Lateinamerika die Erträgevon Grundnahrungsmitteln verdoppelt, teilweisesogar verdreifacht werden.

Angemessene und angepasste neue Agrartechno-logien können auch zur Steigerung vonEinkommen im Kleinbauernsektor beitragen – indem Sektor also, der die meisten hungerndenMenschen birgt. Mithilfe von Einkommensstei-gerung durch neue Technologien kann auch einbesserer Zugang zu Nahrung stattfinden, weil dieBauern mehr Ressourcen, ein höheresEinkommen haben. Auch hierfür kann man dasBeispiel „Grüne Revolution“ nehmen. Darüberhinaus zeigen jüngere Studien, dass die öffentli-chen Investitionen, die beispielsweise an deninternationalen Agrarforschungszentren, den

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CGIAR-Instituten getätigt werden, allein in den90er Jahren mehr als 50 Millionen Menschen ausder Armut befreit haben - soweit eine kürzlichveröffentlichte Studie.

Andere Studien, die neben der Effektivität auchauf die Effizienz eingehen, zeigen, dass heutzuta-ge im Schnitt nur etwa 150 US-Dollar jährlich inöffentliche Agrarforschung investiert werdenmüssen, um einen Menschen nachhaltig aus derArmut zu befreien - aus sozialer und gesell-schaftlicher Sicht durchaus lukrativeInvestitionen, meine ich. Diese Zahlen beziehensich auf Asien und Afrika. In Lateinamerika siehtes ein klein wenig anders aus, was damit zusam-menhängt, dass in Lateinamerika Hunger undArmut zwar auch, aber weniger stark ländlichePhänomene sind als in Asien und Afrika. Mansollte also differenzieren und solche Aussagen nicht verallgemeinern.

Auch der Bereich der Gentechnik kann imEinzelfall Einkommen im Kleinbauernsektorsteigern, Armut reduzieren und damit denZugang zu Nahrung verbessern.

Der Einsatz von insektenresistenter Bt-Baumwolle insbesondere in Indien und China –das zeigen unsere Studien mittlerweile eindeutig– trägt dazu bei, dass Kleinbauern ihrEinkommen im Schnitt erheblich verbessernkonnten.

Neue Technologien – das sollte man sicherlichauch erwähnen – können natürlichUmweltrisiken mit sich bringen. Ja, auch dieGrüne Revolution hat zu Umweltproblemen, zumVerlust von Agrobiodiversität und zu negativenExternalitäten im Zusammenhang mitDüngemitteln und Pestiziden geführt.

Aber neue Technologien sind nicht prinzipiellschädlich für die Umwelt. Beispiel Bt-Baumwolle: Hier wurden allein in China imBaumwollanbau 50 Prozent der chemischenInsektizide durch diese neue Technologie zurück-gefahren. Man sollte die Umweltrisiken undUmweltprobleme mit Weitsicht betrachten und -ganz wichtig - mögliche Probleme managen.

Ich will auf gar keinen Fall den Eindruck vermit-teln, Technologie sei ein Allheilmittel für

Hunger- und Armutsbekämpfung. Es gibt eineVielzahl von Dingen, die mindestens ebensowichtig sind, angefangen von angemessenemZugang zu Märkten, Ausbildung, Kleinkrediten,Inputs, vernünftige Infrastruktur usw. Deswegensollte man Hunger- und Armutsbekämpfung ausmeiner Sicht nicht ideologisch betrachten, indemman einzelne Maßnahmen propagiert und andereverteufelt. Die Zusammenhänge sind komplex,und ebenso komplex müssen auch die Strategienzur Hungerbekämpfung sein.

Zum Ökologischen Landbau: Die meistenLangzeitstudien, die durchgeführt wurden – essind nicht sehr viele, aber doch über verschiede-ne Länder und Kontinente verteilt – zeigen zwar,dass Ökologischer Landbau weniger negativeUmweltauswirkungen hat als konventionelleLandwirtschaft. Sie zeigen aber ebenso deutlich,dass die Erträge niedriger sind als in einer inten-siv bewirtschafteten, konventionellen Landwirt-schaft. Das heißt für mich, dass ÖkologischerLandbau nicht das Paradigma für dieWeltlandwirtschaft sein kann, denn - wie bereitserwähnt - ist die Nahrungsmittelverfügbarkeit isteine wichtige Voraussetzung. Bei einer komplet-ten Umstellung der Weltlandwirtschaft auf Öko-landbau könnte die notwendige Verfügbarkeit anNahrungsmitteln nicht zu gewährleisten.Dennoch hat der Ökologische Landbau seinePotentiale – mehr auf lokaler Ebene.

Es gibt genug Beispiel aus Entwicklungsländern,die aufzeigen, dass Ökolandbau in bestimmenProjektsituationen auch Erträge und vor allenDingen das Einkommen von Kleinbauern stei-gern kann. Wenn diese Kleinbauern mit ihrerÖko-Produktion vernünftig an Märkte ange-schlossen werden, ist das aus meiner Sicht aufjeden Fall sehr förderungswürdig. Aber das sind kleine, sehr beratungsintensiveProjekte, die sich nicht ohne Weiteres auf denKleinbauernsektor als Ganzes und weltweit über-tragen lässt.

Mein Plädoyer für die Hungerbekämpfung lautetalso: Ideologien über Bord werfen, einzelneAnsätze weder als Allheilmittel propagieren nochverteufeln, sondern standortspezifische, ange-passte Lösungspakete zusammenstellen - und dassollte von vornherein alle Alternativen beinhal-ten: sowohl technische als auch nicht-technische.

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Diskussion

Wäre es denkbar oder praktikabel, eine ArtRetortennahrung, z.B. Eiweißpasten herzustel-len, die variabel wie Tofu, Seitan, Süßlupinen etc.als Fleischersatz zur Nahrung dienen kann?

Qaim: Vieles ist vorstellbar, gesellschaftlichjedoch unerwünscht. Dazu gehört aus meinerSicht mit Sicherheit auch Retortennahrung.Natürlich wäre das unter Umständen möglich,aber ein Care-Paket im Sinne von Pasten, die allenötigen Nährstoffe enthalten, könnte es niemalslosgelöst von der Landwirtschaft geben; dieRohprodukte dafür müssen schließlich irgendwoherkomme. Nahrung hat, denke ich, auch einfachso viel mit Kultur zu tun, dass Retortennahrungetwas ist, was wir uns lieber gar nicht vorstellenwollen.

Sie sagten, der Ökolandbau könne im Prinzip nurmit viel Beratung, aber dennoch für KleinbauernErtragssteigerung bringen, für die breite Massesei er eher kein Lösungsansatz. Denken Sie, dieGentechnik ist ein solcher?

Qaim: Bei Studien zum Ökolandbau und inBezug auf die Ertragssteigerung, kommt esnatürlich ganz entscheidend auf dieReferenzsituation an. Nicht alle Probleme - auchnicht alle agronomischen Probleme - werden sichmit Hilfe der Gentechnik beheben lassen. Daskann jeweils nur eine Problemanalyse vor Ort

zeigen. Die Gentechnik wird in einigen Fälleneine Rolle spielen, in anderen nicht. Nehmen wireine Situation mit sehr wenigen oder keinenInputs wie zum Beispiel in derSubsistenzlandwirtschaft – die kein Ökolandbauist, weil zum Ökolandbau mehr gehört als keinezugekauften Inputs einzusetzen; vielmehr ist erein sehr wissensintensives System. Natürlichkönnen Sie unter Umständen auch in derSubsistenzlandwirtschaft, mit Ökolandbau -durch entsprechende Beratung - Erträge steigern.Auch mit Gentechnik können Sie das tun. AberGentechnik sollte nicht missverstanden werdenals ein weiteres Paradigma; sie wird auf gar kei-nen Fall konventionelle Pflanzenzüchtung erset-zen! Was Sie mit der Gentechnik in der Lage sindzu tun ist es, einzelne, aus agronomischer oderernährungsphysiologischer Sicht interessantePflanzenmerkmale wie zum Beispiel dieInsektenresistenz in Pflanzensorten hineinzubrin-gen. Trotzdem müssen Sie diese Pflanzensortenstandortspezifisch anpassen - und das muss auslokaler Selektion und Züchtung hervorgehen. DieGentechnik sollte verstanden werden als ein rela-tiv neues, zusätzliches Instrument imWerkzeugkasten von Pflanzenforschern, dasinsofern Potentiale birgt - aber auch Probleme,die es zu meistern gilt.

Abouleish: Meine Erfahrung in Ägypten sagtmir, dass es möglich ist, dass der ökologischeLandbau zukünftig den konventionellen odergentechnologiegestützten Anbau ersetzen kann.

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allein zu haben, es wird damit gleich ein ganzesTechnologie-Paket geliefert. Das bedeutet leiderauch, dass man abhängig wird von großenFirmen und so wirtschaften muss, wie es von die-sen vorgesehen ist.Ich möchte überhaupt nicht sagen, dassProduktionssteigerung nicht notwendig ist. Diesist aber nicht nur durch Gentechnik zu erreichen,sondern viel besser durch lokal angepasste nach-haltige Produktionsmethoden. Ich sympathisiereauch sehr mit Ihrer Position, Herr Abouleish,dass Ökologische Landwirtschaft global möglichist. Ich würde aber mittelfristig erst einmal nichtso weit gehen, dass alles auf ökologischenLandbau umgestellt werden muss.Organisationen wie Brot für die Welt oderMisereor sprechen von standortgerechtemAnbau, d.h. nachhaltig, sozial- und umweltge-recht, aber unter der Bedingung, dass es lokalverfügbare Ressourcen und relativ günstigeAnbaumethoden sein sollen. DieseOrganisationen haben sehr positive Erfahrungengemacht mit zahlreichen Projekten und habendiese auch untersucht. Greenpeace hat eine grö-ßere Studie gemacht, die ergab, dass solcheProjekte in Sachen Produktionssteigerung mitden Hochtechnologieprojekten durchaus mithal-ten können. Der entscheidende Vorteil besteht darin, dassdiese Anbaumethoden auch billiger sind, dass dieProduktionskosten damit niedriger sind. Dasmuss man natürlich in Betracht ziehen. Man kannnicht nur den Output betrachten: Wie stark stei-gert man die Produktion? Sondern man mussauch danach fragen, wieviel das kostet. Derstandortgerechte Anbau ist eine Möglichkeit, dieProduktion zu steigern – aber auf eine sozial undökologisch nachhaltige Weise, die dann denjeni-gen zugute kommt, die Hunger leiden. Man muss sich bei der ganzen Diskussion auchklar machen, wer überhaupt Hunger leidet: dassind die Landarbeiter, die Kleinbauern, das heißt:jede Verbesserung der Produktion muss zunächsteinmal auch diese Leute begünstigen. Bei teurenTechnologie-Paketen ist das schwer umzusetzen.Wenn man von Verfügbarkeit spricht undModellrechnungen aufstellt, wie weit man dieProduktion steigern muss, um dieWeltbevölkerung in zehn, zwanzig Jahren zuernähren, muss man auch in Betracht ziehen, wiediese Nahrung verwendet wird, und nach einerErklärung suchen, wieso das Nahrungsangebot

Ich glaube, dass Ökolandbau Teil eines größeren,nachhaltigeren, neuen Lebens sein wird. Es gilt,beim Vergleich von ökologischem und konven-tionellem Landbau auch über Klimawandel unddie Folgekosten zu sprechen, nicht nur auf denErtrag zu schauen. Man könnte heute die ganzeWelt ökologisch ernähren, wenn man die vorhan-denen Flächen ökologisch richtig und sinnvollbewirtschaftet. Für mich steht fest: ÖkologischerLandbau ist die Zukunft.Interessante Frage: Retortennahrung oder nicht?Neben den quantitativ messbaren Inhaltsstoffengibt es laut einer neuen Studie - von denEngländern dieses Jahr herausgebracht – auchdie qualitativen. Was macht ein Lebensmittelqualitativ aus? Was hebt ein Lebensmittel vonseinen chemischen Inhaltsstoffen ab? Vielleichtkann ich einen Apfel in der Retorte nachprodu-zieren. Aber ist dieser Apfel dann auch ein Apfel,wenn ich ihn esse? Gibt er mir die Lebenskraft,die ich brauche? Das ist für mich die großeFrage. Ein Produkt im Hinblick auf Qualitätganzheitlich anzuschauen ist einer von vielenAspekten, die die Frage nach der bloßenQuantität relativieren. Mein Traum einer ökolo-gischen Landwirtschaft für die ganze Welt -gesunde, qualitativ hochwertige Nahrung fürjeden – steht unangetastet im Raum. Auch wenndie Technologie/Gentechnologie meint, mankönne etwas auf der Überholspur schneller oderbesser hinkriegen - daran glaube ich nicht.

Paasch: Ich stimme Ihnen natürlich zu, HerrQaim. Hunger ist eine Sache von VerfügbarkeitUND Verteilung. Allerdings wird vonBefürwortern der Gentechnik oft vergessen, dassTechnologien nicht verteilungsneutral sind, d.h.wenn man bestimmte Produktionsmethodenanwendet, kann das einen bestimmtenVerteilungseffekt haben. Sie haben Indien alsPositivbeispiel hingestellt – es gibt aber auchBerichte und Analysen, die zeigen, dass vieleBaumwollfarmer, die mit Gentechnik gearbeitethaben, dadurch enorme Investitionen tätigenmussten und sich überschuldet haben. Es gibt inIndien eine Welle von Selbstmorden, die natür-lich nicht allein darauf zurückzuführen ist. Aberder Einsatz von Gentechnik ist dort ein Faktor fürdie Überschuldung, die über die Bauern herein-gebrochen ist – neben anderen wie kein Zugangzu Märkten usw. Man muss dazu auch sagen,gentechnisch verändertes Saatgut ist ja nicht

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diese Technologie heute im Wesentlichen anwen-det. Wenn wir diese Technologie zunächst mallosgelöst von Monsanto betrachten und sehr vielstärker auch im öffentlichen Sektor anwendenwürden, könnten wir dem entgegenwirken, dasseinzelne Firmen und Multinationals in irgendei-ner Weise zu starke Dominanz bekommen. Das Beispiel Bt-Baumwolle zeigt, dass privateFirmen wie auch Monsanto in bestimmten kom-merziellen Bereichen – wie es Baumwolle nunmal ist -, auch für Kleinbauern interessanteTechnologien bereitstellen können. Aber ichkann mindestens ebenso viele Beispiele aufzäh-len, die für Kleinbauern relevant wären, dieMonsanto niemals auf den Markt bringen würde- einfach, weil es dort kein lukratives Geschäftgibt. Ich denke dabei an dürretolerante Hirse,virusresistente Cassava-Sorten, striger-resisten-ten Sorghum oder Reis in vielen GegendenAfrikas – Sachen, an denen Monsanto nicht inter-essiert ist, bei denen aber Technologie interessan-te Ansätze bieten könnte. Die Frage ist: Wer hatdie Technologie in der Hand. Durch gute Politikmuss man dem gegensteuern, dass große Firmenund private Firmen einzig und allein dieseTechnologien nutzen und diese Patente erhalten.Ich würde mir dennoch wünschen, in dieserDiskussion eine stärkere Trennung zu haben zwi-schen Monsanto auf der einen und Gentechnikauf der anderen Seite.

Dass Bt-Baumwolle in Indien unökologischersein soll als konventionelle Baumwolle kann ichnicht nachvollziehen. Unsere Studien und alleanderen Studien hierzu, die wissenschaftlichenStandard haben, zeigen, dass der Pestizideinsatzin allen Ländern, in denen Bt-Baumwolle ange-wendet wird - nicht nur Indien, sondern auchChina, Argentinien und Mexiko - zwischen 50

so verknappt. Das hat mit dem Klimawandel zutun, mit steigendem Fleischkonsum, mit denAgrofuels etc. - all diese Faktoren müssen miteinkalkuliert werden. Auch ist darauf zu achten,dass eine nachhaltige Verwendung stattfindet.Dann ist eine derart horrende Produktionssteige-rung auch nicht notwendig.Herr Qaim hatte eine Zahl genannt – 150 US-Dollar -, die investiert werden müsse bzw. not-wendig sei, um einen Mensch durchAgroforschung vom Hunger zu befreien. Ichmöchte mich an solchen Zahlenspielen nichtbeteiligen, ich finde sie nicht sehr zielführend, dadie Grundlage dafür äußerst wackelig ist und vonsehr vielen Faktoren abhängt. Hunger ist aucheine soziale Frage, es ist eine Frage vonMachtverhältnissen. Es genügt nicht, oben – wiein einen Flipper – einen Euro hineinzuwerfen -und unten kommen fünf Bälle heraus. So einfachist das nicht. Ich denke, dass finanzielleUnterstützung von Konsumenten sehr sinnvollsein kann, weil sie dazu führt, dass dieNahrungsmittel lokal gekauft werden. Wenn manNahrungsmittel liefert, hat das den sehr negati-ven Effekt, dass es oft eine andere Form vonDumping fördert.

Zitat eines griechischen Philosophen: „Wer dasSaatgut hat, hat die Macht“. Können Sie aus-schließen, dass Agro-Konzerne wie Monsantoz.B. mit Hilfe der Terminator-Technologie dieWeltherrschaft über das Saatgut gewinnen wol-len, um so die Landwirtschaft der Welt in ihreAbhängigkeit zu zwingen?Und: Wie kann Gentechnik die Welt ernähren?Zeigt nicht schon dass Beispiel Bt-Baumwolle,dass diese unökologischer ist als herkömmliche?

Qaim: Es ist ein Phänomen, dass Gentechnik inder öffentlichen Diskussion immer synonymgenannt wird mit Monsanto. Es ist auf der einenSeite nicht verwunderlich, weil Monsanto beiüber 80 % aller gentechnisch verändertenPflanzen, die tatsächlich angewendet werden,seine Finger mit im Spiel hat. Ich sehe es auch alsProblem, wenn diese Konzentrationsprozesse,die übrigens durch starke Patente gefördert wer-den, weiter stattfinden.

Aber wir sollten uns vor Augen halten, dass wirüber zwei unterschiedliche Dinge reden: einmalüber eine Technologie und einmal darüber, wer

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Hungerbekämpfung nur an der Agrarforschungaufzuhängen ist ein zu enger Fokus, weil Fragenwie Zugang zu den Ressourcen, Umverteilung,Handelspolitik etc. eine ganz wichtige Rolle spie-len und durch Agrarforschung nicht abgedeckt wer-den. Investition ist auch eine Ressourcenfrage.

Haben Sie Konzepte bezüglich des hohen Inputsder intensiven Landwirtschaft gerade im Zugeder Verknappung der fossilen Rohstoffe?

Qaim: In der Vergangenheit war Intensivierungvor allem eine Frage von mehr Bewässerung,mehr Düngemitteln und mehr Pflanzenschutz-mitteln kombiniert mit konventionell gezüchte-ten Pflanzensorten, die ein höheres Ertrags-potential hatten. Wenn wir uns anschauen, wiedie weltweite Verteilung von Düngemitteln ist,werden wir viele Gebiete auf der Erde finden, woeine Intensivierung im Hinblick auf Düngemittelund Pestizide gänzlich unerwünscht ist aufgrundder Ressourcenintensität und der negativen öko-logischen Folgen. Hierzu gehören Länder wieJapan, Deutschland, die USA, weite TeileWesteuropas und Asiens (z.B. China). An diesenStandorten wird es vor allen Dingen darumgehen, neue Pflanzensorten zu entwickeln,durchaus auch auf konventionellem Wege, dieweniger inputintensiv sind, dadurch dass sieStresstoleranzen schon stärker genetisch einge-baut haben. Das bedeutet nicht nur Stresstole-ranzen gegen Insekten und Krankheiten, wasauch wichtig ist, sondern auch z.B. gegenüber zuwenig Stickstoff im Boden, indem man stick-stofffixierende Pflanzen züchtet, die ihren eige-nen Stickstoff aus dem atmosphärischenStickstoff mit Hilfe von Knöllchenbakterienfixieren können. Es wird auch darum gehen, käl-tetolerante Pflanzen für viele Standorte zu züch-ten. Insgesamt ist also eine Entwicklung vonTechnologien wichtig, die Input ersetzen können.Es gibt aber sehr viele andere Standorte, wo einebessere Versorgung mit Düngemitteln durchauserwünscht wäre. Zum Beispiel Subsahara Afrika:dort beträgt die Menge an Stickstoffdünger imSchnitt 9 kg/ha. Zum Vergleich: in Japan habenwir im Schnitt 200 kg N/ha! Man muss das alsosehr differenziert betrachten, weltweit gesehenheißt das nicht unbedingt, dass mehr Düngemittelund Pestizide angewendet werden – an einigenStandorten ja, an anderen wäre es sehr sinnvoll,diese weiter zu reduzieren.

und 80 % zurückgegangen sind. Insofern ist dieFrage sicherlich eine wichtige, lässt sich aber mitdem, was wir empirisch beobachten, bisher nichtbelegen.Um noch kurz auf einen Aspekt einzugehen, denHerr Paasch angesprochen hat: Ich habe nungerade nicht gesagt, dass Technologie allein dieglobale Nahrungsverfügbarkeit steigern kannund damit ausreichend wäre. Vielmehr habe ichversucht, aufzuzeigen, dass Technologie einenwichtigen Beitrag leisten kann, Kleinbauernein-kommen zu steigern und Armut zu reduzieren.Natürlich nicht jede Technologie – vieleTechnologien sind gänzlich ungeeignet fürKleinbauern. Ein Beispiel: herbizidtoleranteSojabohnen - wir haben dazu Studien inArgentinien gemacht: eine Technologie, die fürGroßbauern interessant ist, aus meiner Sicht aberüberhaupt kein Potenzial für die kleinbäuerlicheLandwirtschaft hat. Die Hochrechnung - 150 US-Dollar pro Kopfund Jahr an Investition in die Agrarforschungwürden reichen, das Hungerproblem zu lösen –ist keine Prognose, sondern eine Analyse für das,was in der Vergangenheit beobachtet werdenkonnte.

Paasch: Interessant finde ich, dass Sie sagen: dasind die Kosten der Agrarforschung gerechnetworden. Das würde ja heißen, dass – wenn manjetzt 150 Dollar pro Jahr und pro Kopf in dieAgrarforschung stecken würde - das dann denHunger bekämpfen würde. Das stärkt eigentlichmeine Zweifel an der Sinnhaftigkeit solcherPrognosen. Die Prognose wäre dann ja, wennman soundsoviel investieren würde, würde dasausreichen.

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dass das Saatgut nicht teurer als soundso verkauftwerden darf. Das führte dazu, dass dieSaatgutfirmen gar nicht so viel anbieten konntenwie die Nachfrage war. Es entwickelten sichSchwarzmärkte, wo die Bauern bis zum doppel-ten des Preises für dieses Saatgut bezahlten. Esgibt natürlich auch Bauern, die in einem Jahrnicht von dem Saatgut profitierten und im näch-sten Jahr wieder anderes Saatgut anbauten, aberwenn man jetzt diese Bauern nimmt und zuStudien zusammenfasst, wie das in einigenStudien von NGO’s geschah, die ich kenne, dannhalte ich das für Augenwischerei und für denbewussten Willen, falsche Dinge in die Öffent-lichkeit tragen zu wollen.

Ist es vorstellbar, dass es für Kleinbauern jemalsdie Chance geben wird, gentechnisch veränder-tes Saatgut selbst herzustellen?

Abouleish: Ich hoffe nicht! Ich möchte noch eineSache aus meiner ägyptischen Erfahrung berich-ten: vor 30 bis 40 Jahren haben Wissenschaftlernach dem damaligen neuesten Stand derWissenschaft gesagt, DDT sei ein absolut siche-res Spritzmittel. Die ganze Welt hat damals mit„Cotton Dust“ gespritzt und heute wünschen essich manche Leute in Ägypten wieder, dann hät-ten sie weniger Mäuse etc. Aber heute wissen wiralle, was DDT wirklich auf den Feldern bewirkt– es gibt in Ägypten Felder, die so verseucht fürdie nächsten 200 Jahre sind, dass wir heute wis-sen, damals haben wir einen riesigen Fehlergemacht. In diesem Sinne möchte ich gerne wis-sen, wie wir in 40 Jahren auf die Gentechnikzurückschauen!

Ich möchte nun gerne ein neues Thema anschnei-den bzgl. Regionalität – „Global denken, lokalhandeln“ und eine weitere Frage aus derFragenbox an das Podium richten. Wie vielKonsumverzicht ist hier nötig, um die Welt ökolo-gisch und fair ernähren zu können? Dürfen wirhier täglich Bananen und Schokolade essen,auch wenn diese ökologisch und fair sind?

Bott: In meiner Arbeit mit der Tiefenökologieoder im Leben, so wie ich es verstehe, geht esdarum, zu gucken, wie kann und möchte ichleben und zwar nicht auf Kosten von anderenLebensformen, die mit mir im Moment leben,und schon gar nicht auf Kosten von zukünftigen

Abouleish: Ich kann das nicht im Geringsten sosehen. Das ist Piraterie, was Länder wie Japan,Amerika und Europa heute machen mit Afrikaund anderen Ländern, indem sie anteilsmäßigmehr Kohlenstoffdioxid ausstoßen als Afrika.Wenn Afrika weniger ausstößt, als es könnte,dann ist das Glück für die Welt. Denn sonst wäredie Katastrophe noch schneller da, was im FalleÄgyptens als eines der zehn Länder, die am stärk-sten vom Klimawandel betroffen sind konkrethieße: innerhalb der nächsten 70 bis 80 Jahrewürde der Wasserstand soweit steigen, dass dieHälfte des Delta unter Wasser stünde, wenn wirin Afrika mehr Kunstdünger einsetzten. Ich glau-be, die Frage ist, wie man Kunstdünger mehr ein-schränken kann, so dass die 17-19 % Kohlen-stoffdioxidemissionen, die in der Landwirtschaftverankert sind, nämlich beim Kunstdünger undanderen unökologischen Anbaumethoden, ver-ringert werden, so wie auch die Industrie undjeder einzelne seinen Energiebedarf einschrän-ken sollte! Wir müssen an die Zukunft und annachfolgende Generationen denken! So geht esnicht weiter und mit Kunstdünger geht es gar nir-gendwo hin.

Kennen Sie die Studien bezüglich Gentechnik vonHerrn Dr. Johannes Kotschi, wonach es jetzt beigentechnisch veränderten Pflanzen Probleme mitsekundären Pflanzenkrankheiten gibt?

Qaim: Ich kenne die akuten Studien von HerrnKotschi nicht. Wir führen unsere Studien dauer-haft seit fünf Jahren durch und unsere letztenBefragungen sind gerade drei Monate her.Wir haben repräsentative Daten erhoben, sie sindveröffentlicht worden und andere Studien, diedas gleiche zeigen auch. Alle Studien, die ichkenne, die von NGO’s durchgeführt wurden undunsere Studien kritisieren, sind niemals inirgendwelchen wissenschaftlichen Zeitschriftenveröffentlicht worden. Ich will nicht sagen, dassdiese Studien falsch sind. Aber betrachten wirmal folgenden Fall: In Indien gibt es inzwischenvier Millionen Kleinbauern, die BT-Baumwolleanbauen – keiner zwingt sie dazu, sie könnenjederzeit aussteigen. Auf 50% der AnbauflächeIndiens (oder sogar mehr wegenSchwarzhandels) wird diese Technologie ange-baut, das zeigt doch offensichtlich, dass dieBauern einen Nutzen daraus ziehen. Die indischeRegierung hat letztes Jahr Höchstpreise erlassen,

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kann also was machen. Und man darf eine Sachenicht vergessen: ich wundere mich immer, wennich nach Deutschland komme und alle Leute sichbeklagen, wie schlecht es ihnen ginge. DasEinkommen pro Kopf beträgt in Deutschland imDurchschnitt 30000 €/Jahr, in Ägypten 1000 undin China oder Indien ca. 350 US-Dollar/Jahr. Dasmuss man sich vor Augen führen, wenn man vomVerbraucher spricht, man muss schauen, welcherWohlstand dahinter steht. Aber mit 30.000 € kannman sinnvolle Sachen machen. Und ich glaube,dass ein Bedarf an Fairgehandelten Produkten daist, dieser Bereich wächst ja auch. Fairtrade istTeil eines nachhaltigen Ernährens der Welt, mankann nicht die ökologische Produktion vomFairtrade trennen. Wenn man schaut, wie derBioanbau entstanden ist – biodynamisch, orga-nisch etc. so vor ungefähr 70 bis 80 Jahren –dann sieht man, dass er immer verbunden warmit einer transparenten Wirtschaftsweise, es gingum Kooperation und darum, wie man gerechtverteilt, was an Mehrwert entsteht. Für mich sinddiese Fragen nicht zu trennen und es gehört zueinem sinnvollen ökologischen und nachhaltigenzukünftigen Menschen- und Weltbild, dass man„fair“ miteinander umgeht.

Sehen Sie wirklich eine Chance, dass der Öko-landbau und der faire Handel irgendwann einenGroßteil der Welternährung stellen können?Besonders angesichts der derzeitigenWirtschaftssysteme, die auf Wettbewerb undGewinn ausgerichtet sind. Oder ist es ohneVeränderung des Wirtschaftssystems, z.B.Regionalwährung und einem gesellschaftlichenWandel/Bewusstseinswandel gar nicht möglich?

Abouleish: Das ist ja eine interessante Frage –Globalisierung oder Nicht–Globalisierung, wiestehen wir dazu? Es gibt sehr kontroverseDiskussionen dazu. Schauen wir mal, was dieWTO in den letzten 40 Jahren bewirkt hat ineinem System, wo eigentlich jedes Land eineChance hat, vieles zu stoppen, was da beschlos-sen wurde, denn bei der WTO werdenEntscheidungen nur im Konsens getroffen. Abernatürlich war den Leuten, die da saßen, nicht klargenug, was sie da gerade unterschrieben, und sohat die WTO bis jetzt eine gerechteGlobalisierung nicht gefördert. Was sich freibewegen kann in der Welt sind z.B. industrielleGüter – wie viele davon produziert und exportiert

Generationen. In der bundesweiten Aufbruch-initiative „anders besser leben“, bei der ich seit2002 mitarbeite, beschäftigen sich die Menschengenau damit, selbstorganisiert zusammenzukom-men und zu schauen, wie können wir Ressourcenschonen, wie können wir unsere innere und äuße-re Ökologie miteinander teilen oder unser Wissenoder unsere materiellen Güter, wie können wiruns austauschen, so dass es nicht um Verzichtgeht, sondern darum, dass jeder seineBedürfnisse leben kann. Für mich das grundle-gende Bedürfnis von Mensch/Tier/Pflanze ist, inBeziehung zu gehen - ein Bedürfnis, sich auszu-tauschen, Zuneigung und Liebe zu zeigen, zugeben und zu bekommen. Dieses Bedürfnis überKonsum und Luxusgüter zu erwerben, damit manglücklich ist, ist etwas, was die Werbung ja ganzgroß propagiert. Sich immer wieder zu fragen:muss ich das jetzt wirklich kaufen, brauche ichdas wirklich? Oder ist das etwas, womit ich mirein Stück Glück erwerben will? Das ist auchetwas, was wir in der Gemeinschaft immer wie-der anschauen – was liegt da drunter, unter demKonsumwunsch. Wir versuchen, uns bewusst zumachen, wofür gebe ich Geld aus, was ist mirwichtig, zu haben oder nicht zu haben. Das heißtnicht, dass ich jetzt keine Bananen oder keineSchokolade mehr essen darf, aber ich bin mir(immer öfters) bewusst, was daran hängt. Das hatviel mit Wissen und Bildung zu tun, daher istauch das Wichtigste, Wissen und Bildung in dieWelt zu geben. Also: Wissen was mensch tunkann kann, damit ich nicht auf Kosten andererlebe.

Ich würde gerne die Frage zitieren, ob nicht jeg-licher Handel „fair“ sein sollte oder was dage-gen spricht.

Abouleish: Ich denke ja, er sollte fair sein. JederVerbraucher auf dieser Welt kann etwas tun undtut auch etwas. Wenn man sich sie letzten 20 bis30 Jahren anschaut, wer die ökologischeBewegung gestartet hat, das waren nicht die mul-tinationalen Konzerne, nicht der Einzelhandel,nicht die Wissenschaft und nicht die Politik, son-dern es waren Verbraucher. Jeder kleineVerbraucher, auch wenn er nicht glaubt, dass erdie Welt verändern kann, kann durch das, was erkauft, die Welt verändern. Das ist beim Ökologi-schen so, das ist beim Fairtrade so und beimUmgang mit klimaneutralen Produkten, man

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man diese Produkte kauft, die Möglichkeit, eineandere Produktionsweise zu unterstützen.Allerdings handelt es sich bei ökologischen undfairgehandelten Produkten meiner Meinung nachimmer noch um eine Nische und man muss schonbreiter ansetzen und insgesamt faireWelthandelsbedingungen schaffen. Ich teileHerrn Abouleishs Skepsis gegenüber der WTO,vor allem deswegen, weil sie sehr ideologisch aufLiberalisierung ausgerichtet ist. Bei der WTOgeht es darum, Zölle zu senken, Märkte zu öffnenund den Welthandel zu steigern undSubventionen abzubauen. Das ist eine ideologi-sche Position, die dahinter steht, Fairer Handelkann nicht heißen, dass alles liberalisiert wird, esmuss die Möglichkeit für Länder im Süden wieauch im Norden bestehen, ihre Landwirtschaft zuschützen, wenn Menschenrechte oder auch öko-logische Produktion das notwendig machen. Ichglaube nicht, dass die Lösung für Afrika darinbesteht, die gesamten Produkte nach Europa zuexportieren. Studien von IFPRI, die eigentlichBefürworter von viel Welthandel sind, zeigen,dass die Potenziale in Afrika gar nicht da sind,um so viel Überschüsse für den Export zu produ-zieren. Abgesehen davon würde eine Überflutungder europäischen Märkte die Landwirtschaft hierbeenden, was auch nicht wünschenswert wäre.Das Problem ist, dass Globalisierung immer mitLiberalisierung gleichgesetzt wird.Globalisierung kann sehr positive Aspekte haben,zum Beispiel den Kontakt mit Menschen andererKontinente, dieser Austausch ist auch ein Aspektder Globalisierung! Aber wenn Globalisierungnur Liberalisierung und Marktöffnung bedeutet,dann denke ich, dass das eher soziale Verwerfung

z.B. Ägypten und wie viele Deutschland? Ichglaube, die Globalisierung wird kommen, und eskönnen auch Länder wie Ägypten eine Chancebekommen, aber dann müssen ganz andereWeichen gestellt werden. Was im Moment in derWTO und der Globalisierungsbewegung stattfin-det, ist eine totale Benachteiligung der Länder,die es nicht besser wissen. Gerade bei denAgrarprodukten ist es so, dass sich in Europa einpaar tausend Bauern davor schützen, dass inAfrika Millionen Bauern eine bessere Lebens-grundlage bekämen, wenn man den Markt öffnenkönnte. Für mich ist die Frage, wie können wir inZukunft mit der Globalisierungsfrage umgehenin der Tat noch sehr offen, ich glaube an dieGlobalisierung als eine Chance für Entwick-lungsländer, aber ich glaube, dass das, was dabisher in der Politik passierte, das nicht unter-stützt. Insofern hoffe ich, dass jeder einzelnewirklich in seinem Umfeld darauf drängt, dassman durch ein sinnvolle Globalisierung dieMöglichkeiten für die Armen, die nun mal mehrauf der landwirtschaftlichen Seite stehen als aufder industriellen Seite, verstärkt und durchschnelleres Wachstum höhere Einkommen zuerreichen sucht, indem man ihnen die Märkte öff-net.

Paasch: Es war die Frage gestellt worden, ob wirauf Nahrung verzichten müssen, um den Hungerin der Welt zu beheben. Der Kölner KabarettistJürgen Becker, der auch als Prominenter fürFIAN wirbt, hat einmal auf die Frage, wie manden Hunger in der Welt bekämpfen könne,gesagt: „Gut essen und FIAN unterstützen“. Ichdenke, man kann das schon so sehen; es gehtnicht um Verzicht, wir brauchen eine guteLebensqualität und gutes Essen, und das mussTeil der Lösung sein. Mit Verzichtpredigten kannich nicht so viel anfangen, denn es hilft keinemMenschen in der so genannten Dritten Welt,wenn hier Menschen hungern. Herr Abouleishhat eine Zahl genannt von 30.000€/Jahr, ichmöchte gerne eine andere Zahl nennen, und zwarleben nach neuen Studien vom Kinderhilfswerk14% der Kinder in Deutschland in Armut undeine angemessene Ernährung von Kindern beieinem Hartz IV-Regelsatz ist nicht möglich. ZuÖko und Fairtrade: Man hat als Verbraucherschon eine gewisse Marktmacht, man kann sichdafür entscheiden, in den Weltladen und denBioladen zu gehen und man hat dadurch, dass

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Abouleish schon sagte, im Konsens entschieden,es gibt kein anderes Handelsgebilde, wo das derFall ist und die Entwicklungsländer von der Zahlher dominieren. Wenn man anerkennt, dassHandel Wohlstand bringen kann – und das ist ausmeiner Sicht nicht ideologisch sondern von denökonomischen Gesetzmäßigkeiten dann der Fall,wenn der Marktzugang stimmt – dann kann esnicht das Ziel für Entwicklungsländer sein, aut-ark und subsistent zu sein. Wenn einEntwicklungsland besonders gut Baumwolle,Kakao etc. produzieren kann, warum nicht, wennes damit ein ordentliches Einkommen im Exportverdient, aber die Regeln müssen fair sein.

Abouleish: Ich stimme damit überein und möch-te es an einem Beispiel verdeutlichen: wenn inÄgypten ein Bauer einen Hektar Bohnen anbautund den Ertrag dieses Hektars Bohnen nachEuropa etc. exportieren kann, kann er dann vondem Erlös den äquivalenten Ertrag von fünfHektar Getreide einkaufen. Autonomie oder„Zumachen“ der Märkte hieße dann für diearmen Länder arm bleiben bzw. in Folge ihresBevölkerungswachstums noch ärmer werden.Ägypten importiert übrigens 40% seinerLebensmittel sowieso! Es ist gar nicht autark undkann das auch nicht werden. Es ist also keineLösung, in einem Entwicklungsland den Marktzuzumachen und sich dann davon eine bessereLage für die Bauern oder die Bevölkerung zuerhoffen.

Warum klagen die afrikanischen Länder nichtgegen die ungerechten WTO-Regelungen amBsp. Baumwolle, warum nehmen sie da so wenigEinfluss darauf? Warum passiert dann so wenigtrotz des relativ starken Stimmrechts?

Qaim: Sie klagen ja vermehrt, in derVergangenheit haben sie das zu wenig getan, zumeinen, weil der Agrarsektor immer schwierig warund zum anderen, weil auch die Zusammenhängenicht so ganz klar waren. Aber das bessert sichund ich bin in der Hinsicht optimistisch, wenndie reichen Länder das nicht blockieren. DasProblem dabei ist, dass in Entwicklungsländerndie Interessen auch sehr verschieden sein kön-nen. Zum einen gibt es die Baumwollexportie-renden Länder Westafrikas, die gegen dieSubventionen im Baumwollanbau der USA pro-testieren, auf der anderen Seite gibt es aber auch

und Menschenrechtsverletzung zur Folge hat alsmehr Wohlstand für alle.

Was halten Sie von der Idee, ein Gesetz zu ent-werfen, das es Ländern verbietet zu exportieren,solange die eigene Bevölkerung nicht ernährtwerden kann, z.B. Soja in Brasilien oder Afrika?

Qaim: Ich halte überhaupt nichts von so einemGesetz. Auch wenn ich mit Herrn Paasch über-einstimme, dass Handel und Freihandel nicht dasalleinige Patentrezept gegen Hunger und Armutsein können ist Handel dennoch ein Mittel, wasWohlstand steigern kann. Ich stimme sehr mitHerrn Abouleish überein, dass das jetzigeHandelsregime nicht unbedingt förderlich fürEntwicklungsländer ist und dass da insbesonderedie entwickelten Länder sehr viel tun müssen. Ichglaube nicht, dass es hilft, gegen die WTO zuschimpfen, die eigentlich das einzige organisier-te Gebilde darstellt, in denen Entwicklungsländerwirklich eine Chance hätten, etwas zu bewirken,sondern vielmehr sollte man versuchen, WTO-Abkommen so zu gestalten, dass sie fürEntwicklungsländer förderlich sind. Leider tutsich da im Moment sehr wenig, es geht schritt-weise in die richtige Richtung, aber es sind tat-sächlich die EU und USA, vor allem imAgrarsektor, wo sie nicht bereit sind, dieProtektion und den versperrten Marktzugang fürandere Länder, vor allem Entwicklungsländer, zugewährleisten. D.h. wenn wir hier Textilien ausChina verwenden und Bananen aus Ecuadoressen, dann ist das prinzipiell nichts schlechtes,sondern es schafft Einkommen und Wachstum indiesen Ländern, aber der Handel muss fair seinund das ist er heutzutage nicht. Die WTO sollteman nicht verdammen, es wird, wie Herr

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Handelspolitik selber zu gestalten, d.h. auchMärkte zu schützen oder Bauern zu unterstützen,wo das notwendig ist.

Bott: Einstein hat einmal gesagt, dass dieProbleme dieser Welt nicht mit demselbenDenken, wie sie entstanden sind, gelöst werdenkönnten. Ich denke, dass wir sehr viel wissen,aber nur wenig verstehen. Wenn wir wieder mehrunsere anderen Sinne mit einbeziehen, fällt esuns vielleicht immer leichter zu verstehen undandere Lösungswege zu sehen, also nicht linearweiterdenken, sondern auch mal alles verwerfenkönnen und neu denken, sich selbst überraschen.Selbstverantwortung, Selbstermächtigung unddie Wahrnehmung sind ganz wesentliche Punkte.Wie nehme ich – mit all meinen Sinnen - z.B. einökologisch angebautes Produkt wahr und wie einmit Pestiziden und Kunstdüngern hergestelltesProdukt? Und diese Wahrnehmung dann auszu-dehnen auf alle Bereiche in meinem Leben,Werte neu definieren zu können oder zu wandeln,auch ein wichtiger Punkt in der Arbeit derTiefenökologie. Und immer wieder geht esdarum, miteinander in Beziehung zu treten,Gefühle und Wahrnehmungen auszutauschen undaus diesem Miteinander dann etwas Neues ent-stehen zu sehen. Wir haben alle noch so vieleFähigkeiten, die wir so selten einbringen insLeben, weil wir oft aus Gewohnheit in der glei-chen Schiene weitermachen. Da mal auszubre-chen und etwas anderes auszuprobieren, dafürkann ein „in Gemeinschaft leben“ unterstützendsein.

Ich würde gerne wissen, mit welchen Werten Siehier Ihre Argumente vorbringen, für welcheWerte Sie einstehen, denn Werte sind ja doch dieGrundlage für das Handeln, wenn man etwas inder Welt verändern möchte.

Bott: Meine Werte sind, dem was keine Stimmehat, eine Stimme zu geben, d.h. für die Kreatur,die nicht für sich selber sprechen kann. Oder fürMenschen, die unterdrückt werden und auch fürnachfolgende Generationen, für die, die hoffent-lich noch eine lebenswerte Zukunft auf diesemwunderschönen Planeten Erde vor sich haben.

Paasch: Ich bin tief davon überzeugt, dass jederMensch das Recht auf eine angemesseneErnährung und einen angemessenen

viele der ärmsten Länder, die Getreide importie-ren und die durchaus die Protektion und damitdas Dumping von Getreide auf dem Weltmarktals positiv ansehen. D.h. es gibt nicht eineStimme von Entwicklungsländern und deswegenwerden wir auch keine Koalition finden, wo alleEntwicklungsländer sich zusammentun.

Paasch: Ein Gesetz, das Exporte verbietet, istauf jeden Fall abzulehnen. Man muss immer dieKolonialgeschichte sehen, viele Länder sind –auch durch Europa – dazu gebracht worden, fürden Export zu produzieren, und wenn wir jetztsagen würden, wir nehmen die Produkte über-haupt nicht mehr, weil bei euch Hunger besteht,dann wäre das eine weitere Ungerechtigkeit undwürde kein Problem lösen. Die Entwicklungs-richtung muss auf eine Verbesserung der Arbeits-und Handelsbedingungen hinauslaufen.Allerdings heißt Handel nicht unbedingt interna-tionaler Handel, in Afrika besteht auch ein großesPotential in den lokalen Märkten. Durch dieMarktöffnung, die vor allem von IWF undWeltbank durchgesetzt wurde, sind die lokalenMärkte häufig überflutet worden und die Bauernwurden von den lokalen Märkten verdrängt unddiese (wenigen) Bauern werden kaum Zugang zuden internationalen Märkten finden.Zur Frage, warum diese Länder nicht klagen:Klagen ist sehr teuer und es ist aufwändig zubeweisen, dass Handelsregeln verletzt wordensind. Man muss sich auch fragen, was es bringt,wenn man eine Klage bei der WTO gewinnt. Dasbedeutet nämlich: man darf das Land bestrafen,das gegen ein Handelsrecht verstoßen hat. Wenndie WTO beispielsweise entscheidet, dass dieUSA durch Subventionen o.ä. gegen einbestimmtes Handelsrecht verstoßen hat z.B.gegenüber Sambia, dann darf Sambia die USAbestrafen. Womit sollte Sambia die USA bestra-fen? Den Markt vielleicht für Mais schließen?Das würde vermutlich nicht viele Leute in denUSA stören. Deshalb überlegen es sich solcheLänder sehr gut, ob sie eine Klage anstrengen.Multilaterale Handelsregeln zu finden ist durch-aus sinnvoll, allerdings ist dieses Konsensprinzipnicht ausreichend, um die Demokratie herzustel-len. Die Gewichte spiegeln natürlich auch dieGewichte in den weltweiten Machtverhältnissenwider, wichtig ist, dass Handlungsspielräumeentstehen, die den so genannten Entwicklungs-ländern die Möglichkeiten geben, ihre

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Globalisierung im positiven Sinne. Außerdemhaben wir viele Gäste, die uns besuchen kom-men, entweder Seminargäste oder Menschen, diemal eine Woche, einen Monat oder länger mitar-beiten, um einfach mal die Gemeinschaft kennenzu lernen.Es ist uns ein wichtiges Anliegen, nach außen zuwirken, wir wollen, dass die BesucherInnen soviel wie möglich mitnehmen und weitertragen.

Herr Bürkert hat mich gebeten, die gleiche Fragezu stellen, die er auch an das andere Podiumgestellt hat. Stellen Sie sich vor, Sie wären BillGates, was würden Sie mit all dem Geld machen,um die Welt zu verändern?

Abouleish: Investierung und Implementierung indie Forschung von ökologischen und Fairtrade-Landwirtschaftsprojekten in der ganzen Welt.

Bott: Ich würde das nicht in wissenschaftlicheForschung, weil ich glaube, dass wir sehr vielwissenschaftliches Wissen schon haben. Mir fal-len da die alternativen NobelpreisträgerInnen ein,die mit ihrem Wissen und ihren Lösungsansätzenin ihren weltweit umgesetzten Projekten aufSynergie und Kooperation setzen - die würde ichmit dem Geld unterstützen.Außerdem würde ich viele der „Graswurzel-initiativen“, die es ja überall in der Welt gibt -wunderbare Projekte, denen leider oft das Geldfehlt - finanziell unterstützen, damit diese enga-gierten Menschen ihre ganze Kraft undLeidenschaft ihrem Projekt widmen können. Ichglaube daran, dass viele kleine Sprosse, die vonunten kommen, also wie diese Graswurzeln, diedurch den Beton durchkommen, dass die die Weltverändern können und werden.

Paasch: Was macht Gates? Er fördert eine neuegrüne Revolution in Afrika. Es gibt einRiesenprojekt zusammen mit der Rockefeller-stiftung und diese beiden Stiftungen haben einBudget das über das der UN-Organisationen fürLandwirtschaft (FAO) weit hinausgeht. Ichdenke, das ist ein falscher Ansatz, ich würde die-ses Geld zunächst einmal in die Unterstützungvon lokalen sozialen Bewegungen und interna-tionalen Netzwerken investieren. Und ich denke,ich würde tatsächlich ein „basic food income“einführen, das es wenigstens erlauben würde,dass die Leute drei Mahlzeiten pro Tag haben.

Lebensstandart hat, auf Kleidung, Unterbringungetc. Ich habe Glück insofern, als mein persönli-cher Wertekatalog schon in dem Pakt für wirt-schaftliche, soziale und kulturelleMenschenrechte eingeschlossen ist und nur nochumgesetzt werden muss.

Qaim: Mein Wert in diesem Zusammenhang ist,dass Hunger und Armut im 21.Jahrhundert mitdem Wissen, das wir haben, absolut inakzeptabelsind und alles darangesetzt werden muss, um daszu überwinden.

Abouleish: Ich glaube, dass jeder Mensch dasRecht auf ein nachhaltiges Leben haben muss,frei und in Frieden leben können muss und dassjeder Mensch hoffentlich eine Inspirationsquellehat, die ihn befähigt, die Brücke zur geistigenWelt in einer ihm gemäßen Form zu schlagen.

Es gibt ja einige Ökodörfer, in denen man neueLebensformen ausprobieren kann und wir habenja schon darüber gesprochen, wie man alsKonsument in das Weltgeschehen eingreifenkann, dass das aber nicht alles ist. Mich würdeinteressieren, inwieweit Sie mit dieserLebensgemeinschaft auch nach außen wirken?

Bott: Mir persönlich war es sehr wichtig, keineInsel zu kreieren mit den Menschen, die sich inGemeinschaft zusammenfinden. Jedes lebendeSystem muss sich dem öffnen, was im Außen ist,das Feedback vom Außen reinlassen und es inseine nächsten Schritte integrieren. Wir experimentieren sehr viel, z.B. wasStrohballen- und Lehmbau angeht, wir schauen,dass unser Wissen in die DIN-Norm eingeht.Jeder Architekt/jede Architektin in Deutschlandkann inzwischen aus Strohballen Häuser bauen(ohne Einzelgenehmigung), weil wir die dazunotwendigen Grundlagen geschaffen haben.Auch der „Fachverband Strohballenbau“ ist ausunserer Intitiative heraus gegründet worden, imSommer fand eine internationale Konferenz zumThema Strohballenbau bei uns statt.Zwei Frauen aus unserem Dorf sind in den imGemeinderat gewählt worden, eine Zusammen-arbeit auf kommunaler Ebene. 2008 wird das nächste GEN (global ecovillagenetwork)-Treffen (Netzwerk weltweiterGemeinschaften) bei uns stattfinden, wir habenviel Austausch mit der ganzen Welt, also

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Qaim: Ich glaube, das was die „Bill and MelindaGates Foundation“ da macht, ist ganz hervorra-gend. Ich finde das beachtenswert, dass dajemand Milliarden von privaten Geldern wirklichin die Vision steckt, Forschung zu betreiben, diein der allerersten Linie wirklich den Ärmstenzugute kommt. Angefangen hat das mitGesundheitsforschung, insbesondere im BereichHIV/AIDS, Malaria und anderes, dann ging eszunehmend in den Bereich der Agrarforschunghinein. Hier gibt es interessante Entwicklungen,wie die „Alliance for green revolution in Africa“.Ich würde das Portfolio vielleicht noch um zweiBereiche erweitern: das eine ist der Bereich derInfrastruktur, gute Infrastruktur im ländlichenRaum, was so vieles auslösen kann, besserenZugang zu Märkten und Institutionen. Das zwei-te ist der Bereich der Ausbildung für Mädchenund Jungen im ländlichen Bereich. Ich glaube,dass diese vier Dinge: Agrarforschung,Infrastruktur, Ausbildung und Gesundheitsver-sorgung inklusive Zugang zu Trinkwasser das ist,was wir für die ländliche Entwicklung dort, woHunger und Armut am größten sind auch amdringendsten benötigen.

Ich bin gebeten worden, den Abschluss so zugestalten, dass ich das Wort an das Publikumgebe und folgendes frage: Jetzt müssen aus denGesprächen und Diskussionen Handlungenerfolgen, sonst verliert eine Veranstaltung wiedie „Witzenhäuser Konferenz“ ihren Sinn. Wersoll aus Ihrer Sicht handeln und in welcheRichtung soll gehandelt werden?

1. Die reichen Länder müssen handeln. Verschul-dung und Abhängigkeiten muss man sowohl aufder persönlichen Ebene (durch fairen Einkauf)entgegenwirken als auch auf der politischenEbene.

2. Ich glaube, dass wir hier in den Industrielän-dern, die wir eine sehr gute Bildung genießenund ein sehr freies Leben führen können, diejeni-gen sind, die handeln sollen. Von uns hängt esganz maßgeblich ab, jeder Einzelne hat einenHandlungsspielraum. Es gibt Bücher über dieMacht der Konsumenten, da liegt ein ganz großesPotential, wenn man die Handlungen, die manausübt, viel bewusster ausübt und dafür auch ein-steht, also Stellung nimmt.

3. Jeder einzelne Bürger, besonders wir in denIndustrienationen, hat die Verpflichtung, mit sei-nem eigenen Portemonnaie tätig zu werden. Undwir haben eine zweite Verpflichtung, nämlich diePolitiker, die wir ja wählen und denen wir hier soviel durchgehen lassen zur Rechenschaft zu zie-hen. Wir sollten uns ein bisschen Zeit nehmenund denen wirklich mal auf die Füße treten inBürgersprechstunden oder bei öffentlichenVeranstaltungen und sie dann mit ihren Tatenkonfrontieren. Das kann vom Bürgermeister biszum Bundestags- oder Europaabgeordnetengehen, das können wir mit ganz wenigen Mittelntun und das kann jeder vor Ort tun.

4. Der Arbeitskreis „Eine Welt“ hier in Witzen-hausen unterhält einen Weltladen in derMarktgasse 15, da kann man wunderbar einkau-fen. Außerdem brauchen wir dringend jüngereMitarbeiter!

5. Ich würde mir wünschen, dass die konventio-nelle und ökologische Landwirtschaft mehrzusammenarbeiten, wie es ja auch hier bei derTagung geschah. Damit meine ich auch die UniGöttingen, ich kenne einige Studenten, die dortmit der Lehre nicht ganz zufrieden sind und viel-leicht wäre eine stärkere Zusammenarbeit mitdem Standort Witzenhausen sinnvoll.

6. Ich würde mich freuen, wenn es auch inDeutschland eine Landreform gäbe, also wennauf viel günstigem Pachtland, was jetzt in staatli-cher oder kirchlicher Hand ist, Ökodörfergeschaffen werden könnten. Beispielsweisebeziehen die Menschen in Lesum für 90 € imMonat Pacht, Strom, Wasser, haben ihren eigenenGarten und ihr Strohballenhaus mit 50 m² Größe,das finde ich einen wahren Exportschlager!

7. Wichtig ist auch, dass man versucht, sieKinder und Jugendlichen zu motivieren, damitsie von vornherein anfangen, bewusster zu han-deln und vielleicht sogar ihre Eltern mitziehen.Gerade im Bereich von „Globalem Lernen“ gibtes tolle Ansätze.

Vielen Dank an die Dame und die Herren desPodiums und danke auch für die regen Beiträgedes Publikums!

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Ich nehme Sie mit auf eine kleine Reise, an derenEnde Sie etwas über Sekem wissen werden –über das, was wir erreicht haben, über unsereProbleme und über meine Visionen für dieZukunft.

Sekem entstand aus einer Idee meines Vaters her-aus. Eine Rundreise durch Ägypten 1976/77 mitunserer Familie, die ihn mit dem desolatenZustand des Landes auf vielen Ebenen konfron-tierte brachte etwas bei ihm ins Rollen. SeineVision war ein ganzheitlicher Entwicklungs-impuls für Ägypten auf wirtschaftlicher, sozial-kultureller und politischer Ebene.

So führten wir die biologisch-dynamischeLandwirtschaft in Ägypten ein - die ersteInitiative dieser Art in der arabischen Welt undAfrika. Die Produkte daraus sollten nicht nurexportiert werden. Es ging auch darum, einen

Helmy Abouleish ist Geschäftsführer der ägypti-schen SEKEM-Initiative, einer Firmengruppe,die aus sechs Firmen aus den Bereichen biolo-gisch-dynamischer Landwirtschaft, ÖkologischeTextilien, pflanzliche Medikamente und ökologi-sche Gebrauchsartikel besteht.

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Helmy Abouleish SEKEM/Ägypten

Helmy Abouleish studierte Handel undGeschäftsführung an der Cairo University undder American University in Kairo. Er war,zusammen mit seinem Vater Ibrahim Abouleishtief involviert in die Gründung der SEKEMInitiative, wo er verschiedene Aufgaben derEntwicklung und Geschäftsführung wahrnahm.Während seiner langjährigen Tätigkeit beiSEKEM gründete und initiierte er eine Vielzahlan ägyptischen und internationalen Organisatio-nen für Ökologische Landwirtschaft, nachhaltigeEntwicklung, ökologische Baumwolle, Wirt-schaftspolitik und Unternehmensführung.Die SEKEM Firmengruppe beschäftigt 2.000Menschen und bezieht Produkte von Bauern ausganz Ägypten und verkauft ihre Produkte inÄgypten, Deutschland und weltweit. Für ihrEngagement für die Entwicklung einer ganzenRegion, unter anderem durch die Schaffung vonArbeitsplätzen, den Aufbau eines Gesundheits-zentrums, einer Schule, die Verbreitung ökologi-scher Landwirtschaft und Schaffung vonEinkommens- und Bildungsmöglichkeiten fürarbeitende Kinder bekam die SEKEM Initativeden “Right Livelihood Award 2003“ für nachhal-tige Entwicklung, besser bekannt als AlternativerNobelpreis und wurde Mitglied der SchwabStiftung für herausragende soziale Unternehmer.

Sekem – gelebte Vision

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wenden und arbeiten gerade im Moment mit derUni Graz an Subsoilirrigationen.

Das Optimieren der Wasserversorgung ist eineexistenzielle Frage für Ägypten und auch fürunseren Betrieb. Die Wasserhaltekapazität unse-rer Böden, also biologisch-dynamisch entwickel-ter Böden ist um 20, 30 und bis 35 % höher alsdie von anderen Böden.

Das heißt, man kommt mit weniger Wasser aus,weil das Wasser länger im Boden bleibt undweniger verdunstet. Mit diese Voraussetzung undmodernen Bewässerungsmethoden kann man mitrelativ wenig Wasser große Flächen bearbeiten.

Nach den schweren Anfangsjahren hatten wirzumindest landwirtschaftliche Produkte.Daraufhin begann mein Vater, der aus der phar-mazeutischen Industrie kommt, Extrakte undpharmazeutische Produkte aus Heilpflanzen her-gestellt.

Als wir anfingen, hatten wir schon schon genugdamit zu tun, biologisch-dynamisch anzubauen;da gab es auch noch keine EU-Verordnung undDemeter bzw. die Demeter-Zertifizierung wargerade am Entstehen.

Mittlerweile gibt es Demeter, EU-Öko-VO, inEngland die Soil Association, in der SchweizBioswiss, in Amerika das NOP, in Israel dieKosher-Zertifizierung, für Japan braucht manJAS – also eine Unmenge an Zertifizierungen,die man heute im Bewusstsein haben und emana-gen muss.

Sehr kompliziert, sehr schwer zu verstehen, zudokumentieren oder zu bekommen für kleineBauern in Ägypten. Für diesen Bereich derZertifizierung des biologischen Landbaus gibt esaus meiner Sicht großen Veränderungs-Entwicklungs- und Vereinfachungsbedarf, wennman den biologischen Anbau in denEntwicklungsländern wirklich fördern will.

Für unsere Bauern wäre es finanziell sicher nichtmöglich, außerhalb des Sekem-Umfeldes dieseSachen umzusetzen. Dies begrenzt natürlich dieEntwicklung der biologisch-dynamischenLandwirtschaft in Ägypten und bindet sie anSekem.

lokalen Markt für biologisch-dynamischeProdukte in Ägypten aufbauen, um die eigeneBevölkerung versorgen – und in die Menschen zuinvestieren, die in dieser Wertschöpfungskettearbeiten. Gleichzeitig wurde die Sekem-Stiftunggegründet, die aus dem Mehrwert, den dieFirmen erwirtschafteten, einen Kindergarten undeine Schule, medizinische Versorgung, Erneu-erung des Bildungswesens und des medizini-schen Versorgungswesens in Ägypten initiierensollte.

Die ersten sieben Jahre waren äußerst schwerwaren. Zunächst ging es darum, Strom undWasser zu haben und die Wüste urbar zu machen.Wüste und biologisch-dynamisch?

Da hat man natürlich ein Problem: Ein biolo-gisch-dynamischer Bauer in Deutschland hateinen Kuhstall, Mist und damit Kompost. Wohernehmen? Das war die erste Frage. Wir importier-ten dann Kühe aus dem Schwarzwald,Braunvieh.

Da war schon die nächste Frage: wie versorgtman die Kühe in der Wüste? Es gab also genugHerausforderungen.

Heute ist Sekem eine kleine Oase in der Wüste,wo wir Kompost zusammen mit unseren Partnernsehr effizient herstellen. Wir machen nicht nurKompost für uns selbst, die eigenen Höfe und dieHöfe der unseren Bauern, sondern auch für vielelandwirtschaftliche Betriebe in Ägypten – 60.000Tonnen Kompost im Jahr – und waren damit daserste Projekt weltweit, das mit einemKompostprojekt Kohlendioxidreduktionszerti-fikate bekommen hat.

Wir konnten nachweisen, dass wir durch denKompost und alle landwirtschaftlichen AbfälleKohlendioxid reduzieren. Dafür bekommen wirZertifikate, die wir in Europa über unserePartner, in dem Fall GLS und Triodos, vermark-ten.

Bewässerung ist ein Problem in der ganzen arabi-schen Welt, auch in Ägypten. Bewässerung wirdbis jetzt größtenteils mit Flutbewässerunggemacht, also überschwemmt, was sehr ineffi-zient ist. Wir haben versucht, auf allen unserenFeldern, moderne Bewässerungsmethoden anzu-

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Diskussion

Sie haben gesagt, dass Sie einen sehr großenMarkt in Ägypten für ihre Produkte aufgebauthaben. Wie?

Im Prinzip einfach dadurch, dass man viel vondem, was man zu Markt, Marketing, strategischesMarketing und Management, Positionierung usw.lernt, auch umsetzt.

Wie hoch ist Ihr Umsatz? Wie bekannt ist Sekem?

Wir haben momentan einen Umsatz von etwa 200Millionen Pfund, lokaler Markt etwas 55 %. Isis – eine unserer Lebensmittelmarken - hat eineBekanntheit von 94 % und kommt in Ägyptendamit gleich nach Coca Cola. Das schafft manzum Beispiel, indem man Werbekampagnenfährt, im Fernsehen, in der Zeitung, im Radio,indem man investiert, indem man gutesMarketing macht, und indem man die Message,die man am Ende dem Kunden rübergibt, mit derZeit diesen Bewusstseinsgrad auch entwickelt.

Erst hat jeder gesagt: biologisch-dynamischeProdukte – das interessiert doch keinen Ägypter.Aber wir haben dann über Gesundheit, Umweltusw. was aufgebaut. Heute – wie man sieht – sinddie alle organisch ausgezeichnet. Aber Isis hatdaneben noch eine Markenbedeutung als hoch-wertiges Qualitätsprodukt.

Aber über die ganzen anderen Aktivitäten wurdedie Bekanntheit exponentiell größer über die letz-ten drei bis vier Jahre, seit 2003 – AlternativerNobelpreis –, dass wir jetzt in der Zwischenzeit

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Welternährung ökologisch & fairAusblick und Visionen

Unsere Vision ist es, dass innerhalb der nächsten20, 30 Jahre Ägypten komplett biologisch ist. Andieser Stelle gibt es Entwicklungsbedarf undUnterstützungsbedarf. Systeme, die nicht belebtund ausgefüllt sind, in denen die Menschen, diesie umsetzen, nicht selbst intruiert sind, wasdamit zu tun, reichen meistens nicht.

Teil der Sekem-Vision ist es, ständig in dieAusbildung der Mitarbeitern zu investieren undzwar in ihrer Arbeitszeit, das heißt: 10 bis 15 %der Arbeitszeit aller Mitarbeiter - in derZwischenzeit etwa 2000 - fließt in Weiterbildungfachliche, aber auch kultureller Art.

Wir sind überzeugt: Bei der Effizienz vonMitarbeitern gibt es einmal die individuelleEffizienz und Produktivität eines jeden, die starkvon seiner persönlichen Qualifikation abhängt.

Zum anderen ist ein Großteil dessen, wasEffizienz ausmacht, der Grad an Selbstmotivati-on, und Identifikation mit dem, was man tut.

Jede Arbeitsgruppe trifft sich am Morgen ineinem Kreis, es gibt Feste, die wir zusammen fei-ern und bei denen alle 2.000 Mitarbeiter zusam-menkommen. Wir kultivieren den Teamspirit.Nur über diesen Bereich konnten wir in den letz-ten 30 Jahren das „Wunder“ Sekem weiterent-wickeln.

Für die Effizienz des Wertschöpfungsstroms gibtes großen Entwicklungsbedarf: Technologien,Qualitätsmanagementsysteme bis hin zu totalquality Managementsystemen, bei denen jedereinzelne in der Kette verantwortlich ist für dieQualität dessen, was er tut - und auch da ist wie-der seine Intention entscheidend.

Was ich mir für die Zukunft von Sekem erträumeist, dass daraus Synergien entstehen, die weitüber das hinausgehen, was einzelne Kulturen - obeuropäisch, arabisch oder amerikanisch - alleinerreichen können, und dadurch ein kleinerBeitrag zu einer besseren Zukunft Ägyptens undder ganzen Welt möglich ist.

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ziemlich bekannt sind in den Medien, aber auchin der Politik und in den meisten entscheidendenCouncils und Comittees vertreten sind: fürBildung, Forschung, Entwicklung, Landwirt-schaft und vieles mehr.

Also brauchen wir uns über mangelndeBekanntheit nicht zu beklagen, eher müssen überdie Nebenwirkungen von Bekanntheit. Wirwaren wahrscheinlich, was die Entwicklungunseres Projektes angeht, bis 2003 effizienter,weil wir weniger Zeit damit verbracht haben, daszu erzählen, was wir jetzt erzählen dürfen.

Wie groß war die Basis, aus der heraus Sekementstanden ist? Wie wichtig sind dabei Kontakte?Die Basis – Kapital oder Kontakte – irgendwasmuss ja da gewesen sein.

Ich weiß – das ist jetzt überzeichnet: Aber daswirkliche Kapital meines Vaters war die Idee, dieVision. Es gibt kein anderes Kapital. Geld ist nurein Mittel, um etwas zu erreichen. Geld war nieunser Problem – in der arabischen Welt ist mas-senhaft Geld im Umlauf, es gibt es vieleGeldhaufen, aber keine Idee, kein Geist dahinter,wie man es nutzt. Von daher war das Kapital mei-nes Vaters seine ungeheuere Durchhaltekraft – ander Idee dran zu bleiben.

Es waren auch nicht irgendwelche speziellenBeziehungen oder Kontakte, es war wirklich dieArbeit an der Wüste, das Tun an der Sache selber.

Können Sie sich Sekem als Organismus auchwoanders vorstellen? Können Sie einenRichtplan weitergeben, was die Reihenfolge oderIntensität bestimmter Schritte angeht?

Inwieweit werden die anthroposophischenHintergründe von Sekem von der Bevölkerungakzeptiert und wie verhält sich das zum Islam?

Zur Frage nach dem Multiplizieren: Wir arbeitenmit Projekten und Freunden in Südafrika,Uganda, Sudan, Iran, Arabien, Libanon zusam-men.

Wir versuchen zu helfen, auch in Ägypten an vie-len Stellen. Wir sind sehr offen nach außen,haben zum Beispiel jeden Donnerstag Tag der

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Welternährung ökologisch & fair Ausblick und Visionen

offenen Tür, d.h. jeder Ägypter kann kommenund uns besuchen, was wichtig war für unserVerhältnis mit den Islamisten undFundamentalisten.

Trotzdem erlebe ich, dass man keine Idee multi-plizieren oder replizieren kann. Sie muss zumjeweiligen Standort, zu den dortigen Menschen,zu der Gruppe passen, die sie umsetzt und leben-dig sein. Insofern kann man keine Rezepte schrei-ben für das, was zu tun ist. Ich würde gern mehrsolche Projekte sehen.

Was den anthroposophische Hintergrund betrifft:der war weder vor- noch nachteilig. Anthroposo-phie ist keine Ideologie oder Weltanschauung,sondern eine Erkenntnisgrundlage – ob fürChristen, Moslems oder Buddhisten –, um sichspirituell zu schulen oder etwas besser zu verste-hen.

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Anna-Gertrud Siekmann ist verantwortlich fürdie Bildungsarbeit im Eine-Welt-LadenWitzenhausen und bringt ihre Arbeit imKooperationsprojekt WeltGarten Witzenhausenmit ein. Sie engagiert sich außerdem alsVorsitzende des Arbeitskreises Eine Welt e. V.Von Beruf ist Anna-Gertrud Siekmann Grund-schulleiterin. Mittlerweile ist sie pensioniert.

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Welternährung ökologisch & fairWorkshops

Katharina Desch DITSL

Anna-Gertrud Siekmann Weltladen, Witzenhausen

Katharina Desch arbeitet beim Deutschen Institutfür tropische und subtropische Landwirtschaft(DITSL) in Zusammenarbeit mit dem Tropen-gewächshaus als Projektkoordinatorin desWeltGartens Witzenhausen seit 2006.Während ihres Studiums der InternationalenAgrarwirtschaft an der Universität Kassel/Witzen-hausen (1990 – 1995) sammelte Katharina DeschAuslandserfahrungen bei einem einjährigenPraktikum bei der Steyler Mission in Indonesienund arbeitete als Studentische Hilfskraft imTropengewächshaus. Sie führte ihr Studium ander Georg-August-Universität Göttingen fort(1995 – 1998), und führte für die GTZ eineHospitation in Ecuador durch. Daneben arbeitetesie als freie Mitarbeiterin in einer Firma fürLandschaftsplanung.Anschließend war sie fünf Jahre langProjektleiterin für Ländliche Entwicklung undFinanzierung von Kleinprojekten beim Deut-schen Entwicklungsdienst (DED) in Kamerun.

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Bildung für nachhaltige Entwicklung. WeGa hatsich zur Aufgabe gesetzt, globale Zusammen-hänge darzustellen und Handlungsoptionen auf-zuzeigen.

Ziel ist es, dass die BesucherInnen ein Bewusst-sein für Zusammenhänge zwischen eigenemlokalem Handeln und globalen Prozessen entwik-keln, individuelle Einflussmöglichkeiten kennenlernen und im Sinne einer nachhaltigenEntwicklung handeln.

In den Bildungsveranstaltungen werden je nachLernort die verschiedenen Aspekte der Nachhal-tigkeit aufgegriffen Ökologie im Tropenge-wächshaus, Ökonomie im Weltladen undSoziales/Kulturelles im Völkerkundemuseum.Die Themen reichen von Regenwald überVielfalt, Fairer Handel, Gerechtigkeit, Leben undWirtschaften in Ländern des Südens bis zuGlobalisierung.

Zielgruppe des WeltGartens sind in erster LinieSchülerInnen, aber auch MultiplikatorInnen. DasProgramm reicht von einfachen Unterrichtsgän-gen bis hin zu Projekttagen und mehrtägigen

Der Workshop über das Bildungsprojekt„WeltGarten Witzenhausen“ beinhaltete eineVorstellung des Projektes sowie eine Besich-tigung der drei dazugehörigen Lernorte Völker-kundemuseum, Weltladen und Tropengewächs-haus, an denen sich die TeilnehmerInnen mit denInhalten und Methoden der Bildung für nachhal-tige Entwicklung vertraut machen konnten.

Katharina Desch erklärte das Bildungsprojekt alsein Kooperationsprojekt von sechs Einrichtungenaus der entwicklungs- und umweltpolitischenBildungsarbeit: Deutsches Institut für tropischeund subtropische Landwirtschaft (DITSL GmbH);Arbeitskreis Eine-Welt e.V. Witzenhausen;Deutscher Entwicklungsdienst (DED)/RegionaleBildungsstelle Göttingen; InternationalesBildungszentrum Witzenhausen (IBZW); Öku-menische Werkstatt Kassel der EvangelischenKirche von Kurhessen-Waldeck; Tropenge-wächshaus/Universität Kassel.

Das Bildungsprojekt WeltGarten (WeGa) verbin-det die Erfahrungen der Netzwerkpartner sowiederen Lernorte Tropengewächshaus, Weltladenund Völkerkundemuseum zu einer gemeinsamen

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Lassen Sie sich Fair-Führen - Bildung öko und fairWeltGarten Witzenhausen

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Klassenfahrten, die mit abwechslungsreichenMethoden wie praktisches Arbeiten, Erkundun-gen, Rallyes, Vorträge, Rollenspiele undStationenlernen gestaltet werden. Für seineArbeit wurde der WeltGarten als offiziellesProjekt der UNESCO-Weltdekade Bildung fürnachhaltige Entwicklung in 2006/2007 ausge-zeichnet.

m Anschluss an die Projektvorstellung stelltensich die WorkshopteilnehmerInnen einander vor,wobei sie mit Themen wie „Kinder“, „Waffen“oder „Weltmarkt“ beschriftete Fähnchen aufeiner Weltkarte platzierten, und so das durch eineMischung von Informationen, Vorurteilen undpersönlichen Erfahrungen geprägte Weltbild derGruppe vor Augen führten.

Bei der Gewächshausführung durch KatharinaDesch lernten die Teilnehmer wichtige tropischeund subtropische Nutzpflanzen wie Baumwolle,Kaffee oder Kakao sowie Modelle traditionellerHausgärten kennen. Diese Nutzpflanzen, derenProdukte zu unserem Alltag gehören, bietenAnknüpfungspunkte an die eigene Lebenswelt

ebenso wie an Lebens- und Produktionsbedin-gungen in den Anbauregionen und schließlichauch an weltwirtschaftliche Verflechtungen.

Als Beispiele seien hier die Auswirkungen groß-flächiger Baumwollproduktion auf den Wasser-haushalt oder Kinderarbeit im Kakaoanbaugenannt.

Durch die besondere Atmosphäre desTropengewächshauses, wo die Pflanzen nicht nurbestaunt, sondern auch berochen (z.B. Tee), erta-stet (z.B. Baumwolle) und gekostet (z.B. Kakaound Kaffeekirschen) werden können, lassen sichkomplexe Fragestellungen für Kinder wieErwachsene auf sehr anschauliche Weise erläu-tern. Im Witzenhäuser Weltladen wurden innova-tive Bildungsmethoden nach dem Motto„Weltladen entdecken“ durch Anna-GertrudSiekmann für die WorkshopteilnehmerInnenerlebbar. Zunächst wurde eine Weltkarte nach derPetersprojektion erklärt, die die Kontinente, imGegensatz zu den üblichen auf die Nordhalb-kugel zentrierten Weltkarten, flächengetreu abbil-det. Vor dem Hintergrund dieses korrigierten

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Weltbildes durfte nun geschätzt werden: wenndie 15 Workshopteilnehmer die Weltbevölkerungrepräsentieren würden, wie viele von ihnen wür-den auf den jeweiligen Kontinenten leben undwelchen Anteil am Welteinkommen, repräsen-tiert durch eine Tafel Schokolade mit ebenfalls15 Stücken, dürften sie unter sich aufteilen?

Die drei Botschafter Europas und Nordamerikaserhielten zehn Schokoladenstücke, während sichein Lateinamerikaner eines nehmen konnte, neunAsiaten vier Stück unter sich aufteilen durftenund die beiden Afrikaner leer ausgingen (derAnteil Afrikas am Welteinkommen beträgt 0,3 %).Diese Methode lässt sich auf verschiedeneGruppengrößen anpassen und demonstriert kind-gerecht und mit Spaß ungerechte Wohlstands-verteilungen in der Welt, und lässt Raum umnebenbei die Organisation der Bildungsarbeit imWeltladen zu erklären.

Eine Tafel Schokolade lässt sich auch auf die ver-schiedenen Teilnehmer der Wertschöpfungsketteverteilen – wer verdient am Verkauf wie viel?

So verdient der Kakaobauer gerade einmal einStück Schokolade, während neun an die Fabrikgehen, acht in den Handel und sechs in Kostenfür Zutaten und Verpackung fließen: eineProblematik, die auch auf unser Zollsystem hin-weist, welches den Import verarbeiteter Produktemit lokaler Wertschöpfung gegenüber Rohstoffenerschwert.

Auch wenn die Alternativen Handelsorganisa-tionen (ATOs), von denen Weltläden ihreProdukte beziehen, einen direkteren Handel mitgeringeren Kosten betreiben, sieht diesesEinnahmenverhältnis für den Bauern im fairenHandel zwar günstiger, aber nicht wesentlichanders aus - aufgrund geringer Verkaufsmengen,divers strukturierter Absatzwege und kostenin-tensiver Öffentlichkeitsarbeit.

Stattdessen ermöglichen die Fair-Handels-Prinzipien Vorfinanzierung, Abnahmegarantieund konstanter Mindestpreis (der immer überWeltmarktniveau liegt) den Produzenten ein

sicheres Auskommen ohne Hunger undKinderarbeit und Investitionen in die Zukunft:Fortbildungen, Infrastruktur, Gesundheitszentrenetc.

Beim so genannten Stationenlernen konnten dieTeilnehmerInnen nach verschiedenen Methodenaufbereitete Themen selbstständig entdecken,und mit Weltladenmitarbeitern und miteinanderins Gespräch kommen. Eine Station regt an, dieHintergründe der ausgestellten Produkte zuerkunden, indem einzelne interessant erscheinen-de Artikel mit einer Digitalkamera fotografiertund der Gruppe anschließend vorgestellt werden.

Es bot sich weiterhin eine „SpurensucheSchokolade“ an, das Thema Bananenanbau mitLebensläufen von Bananenbauern und einer ana-log zur Schokolade auf die Wertschöpfungsketteaufzuteilende Banane (dabei entfallen 4 % desVerdienstes auf den Plantagenarbeiter, 14 % aufden Plantagenbesitzer, 22 % auf Transport undSteuern und 60 % auf den Handel).

Besonderes Interesse weckte eine spielerischeAnnäherung an den Aufbau und die Organisationeines Weltladens (unter Mithilfe der Weltladen-mitarbeiterin Johanna Koch) sowie ein Video-beitrag über die Produktion von fair gehandeltenFußbällen. Er zeigte die Problematik vonKinderarbeit aber auch des Verbots vonKinderarbeit auf. Unter dem öffentlichen Druck zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 wurde Kinderarbeit imFußballexportland Pakistan verboten – eineMaßnahme, die viele Kinder zum Betteln oder indie Illegalität zwang. Denn die Familien warenauf deren Einnahmen angewiesen. Der faireHandel versucht deshalb, den Eltern Löhne zuzahlen, die ausreichen, die Familie zu ernährenund den Kindern den Schulbesuch ermöglichen.

Schließlich nutzten viele TeilnehmerInnen dieMöglichkeit, aufgeworfene Fragen und Diskus-sionsbedarf in gemütlicher Runde bei Tee undKaffee noch nach dem Workshop weiter zubesprechen, und den Workshop so ausklingen zulassen.

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wie die Archimedische Schraube, eine„Seilpumpe“ und einen „hydraulischen Widder“sehen. Verschiedene Pumpen wurden erläutertund am Modell gezeigt, z.B. die Kolbenpumpe(Prinzip der Verdrängung) und die Kreiselpumpe(Prinzip der Beschleunigung).

In der nächsten Station ging es umMikrobewässerung. Sie wird verwendet, um opti-mal zu bewässern und Wasser zu sparen, sie hateinen sehr hohen Wirkungsgrad aufgrund gerin-

In diesem Workshop wurden verschiedeneBewässerungs- und Messtechniken vorgestellt.23 TeilnehmerInnen trafen sich hierfür beimAgrartechnischen Demonstrationsgelände „AmSande“, was hervorragend mit Bewässerungs-und Messinstrumenten ausgestattet ist. Aufgrunddes schlechten Wetters konnte der Workshop nurdrinnen stattfinden.

Im Teilbereich „Wasserförderung“ konnten dieTeilnehmerInnen Vorrichtungen zum Wasserheben,

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Anne Noetzel Uni Kassel

Christian Schellert Uni Kassel

Anne-Merit Noetzel ist seit 2006 wissenschaftli-che Bedienstete am Fachgebiet Agrartechnik derUniversität Kassel/Witzenhausen. Nach einerhandwerklichen Ausbildung zur Maschinen-bauerin (1988 – 1990) absolvierte sie ein land-wirtschaftliches Praktikum auf einem Schweine-zuchtbetrieb als Einstieg ins anschließendeStudium der Agrarwissenschaft in Witzenhausen.Von 2000 bis 2003 arbeitete sie als technischeAngestellte im Forschungsprojekt „Optimierungeingestreuter Nutztierhaltungssysteme“.

Christian Schellert ist Technischer Angestellterim Fachgebiet Agrartechnik der UniversitätKassel/Witzenhausen. Er absolvierte eine land-wirtschaftliche Lehre in Argentinien und Mexiko,wo er aufgewachsen ist, und studierte daraufhinAgrarwissenschaften in Witzenhausen (1980 –1984).

Agrartechnische Übungen – Grundlagen zur Bewässerungstechnik

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Reflectometry (TDR) und dem Tensiometer auchmit der Dehydrationsmethode bestimmt.Normalerweise wird dazu eine Probe für 24Stunden bei 105 °C getrocknet, wir verwendetenaber eine Methode, die sich leicht „im Feld“ ein-setzen lässt.

Dazu werden etwa 20 bis 30 g Boden, möglichstohne Steinchen, genau eingewogen, mit Spiritusübergossen und angezündet (bei uns mehrfach).Nach dem vollständigen Trocknen wird die Probewieder gewogen und der Wassergehalt kannerrechnet werden. Der Nachteil der Methodebesteht darin, dass die organische Substanz mit-verbrennt, und somit sollte diese Methode nichtauf ausgesprochen humusreichen Böden einge-setzt werden.

Alles in allem ein Workshop, der Interesse an ver-tiefenden Übungen geweckt hat!

ger Verdunstungsverluste. Im Gegensatz zurFurchen- oder Überstaubewässerung benötigtman hier ein Drucksystem zur Wasserverteilungund physikalisch ganzsauberes Wasser, damit diefeinen Kanäle der Düsen und Tropfer nicht ver-stopfen. Bezüglich der Durchflussleistung vonSiphons konnten wir bei einem Versuchsaufbaufeststellen, dass der Einfluss verschiedenerFaktoren (Durchmesser, Länge und Material desSiphons und die „Höhe“ des Wasserauslaufes)unterschiedlich stark ist, z.B. konnte man sehen,dass die Ausflusshöhe einen stärkeren Einflussauf die Menge Wasser, die herauskommt, hat alsdie Länge des Schlauches.

Hinsichtlich der Reinheit von Wasser sind diechemische und physikalische Reinheit wichtig.Der Salzgehalt wurde mit einem Konduktometerbestimmt, das die elektrische Leitfähigkeit desWassers misst. Die Klassifikation der FAO defi-niert Trinkwasser als nicht-salzhaltiges Wasser(elektrische Leitfähigkeit < 0,7 dS/m, Salzkon-zentration < 500 mg/l) und Bewässerungswasserals nicht-salzhaltiges bis leicht-salzhaltigesWasser (elektrische Leitfähigkeit 0,7-2 dS/m,Salzkonzentration 500-1500 mg/l). Dennochmuss, wo bewässert wird, der Boden entsalztwerden, da sich auch ganz geringe Salzkonzen-trationen im Boden über die Zeit akkumulierenund so schädliche Mengen erreichen können. Somuss das Feld aufgrund der Gefahr derVersalzung von Zeit zu Zeit überwässert werden,damit dasSickerwasser das Salz in tiefereSchichten mitnimmt, wo es gegebenenfalls durcheine Drainage abgeführt wird. Der Wassergehaltdes Bodens wurde neben der Time-Domain-

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Hannelore Klabes anamed, Kassel

Hannelore Klabes legt als Lehrfach Kräuter- undGemüsegärten mit den Jugendlichen in verschie-

Natürliche Medizin in den Tropen

denen Zentren in Burundi und Tansania an. DerSchwerpunkt liegt dabei in Heilkräutergärten zurBekämpfung von Malaria und an zweiter StelleAIDS. Mit dem Freundeskreis der Anamedgruppe vonDr. Hans-Martin Hirt arbeitet sie mit der sogenannten Wunderpflanze in der Malaria-bekämpfung, Artemisia annua seit vier Jahren inBurundi. Sie gibt Aufklärungsseminare überAnbau, Verarbeitung und die disziplinierteAnwendung. Derzeit betreut sie vier Pflanzpro-jekte in Burundi und eines in Tansania.

Hannelore Klabes hielt 15 Jahre lang ein Lehramtim Bereich Hauswirtschaft und Schneiderhand-werk an der Gesamtvolkshochschule Kassel. Ab1986 war sie als Seniorin im Entwicklungshilfe-dienst in Weißrussland, Indien, Tunesien undüberwiegend in Zentralafrika tätig. Durch vieleUmstände ging es nicht nur um das Errichten,Einrichten und Lehren von Hauswirtschaft undSchneiderhandwerk, sondern mit der Zeit wurdesie im positiven Sinne in alle Probleme mit einbe-zogen.

Der Workshop von Frau Klabes beschäftigte sichmit dem Projekt namens Gitega in Burundi, wel-ches sie fördert und bei dessen Aufbau sie maß-geblich beteiligt war. Außerdem ging es um dasProblem der Malaria in tropischen Ländern undihrer Bekämpfung auf natürlicher Basis.

Frau Klabes ist Senioren- Entwicklungshelferinin Burundi. Der Grund für ihre dortige Tätigkeitliegt in ihrer Kindheit; mit acht Jahren bekam sieein Patenkind, welches in Burundi lebte. DasPatenkind meldete sich viele Jahre später und ludFrau Klabes in sein Heimatland ein. 1980 unter-nahm sie eine Reise dorthin und hat sich dann indieses Land verliebt. Sie ist seit 1986 in Burundiin der Entwicklungshilfe tätig. Jährlich fährt siefür sechs bis acht Wochen in das Projekt undbetreut dieses und noch verschiedene andere.

Frau Klabes zeigte in einer Powerpoint -Präsentation Bilder von ihrem Projekt und erläu-terte die Problematik der Malaria und die

Möglichkeit ihrer Bekämpfung auf natürlicherBasis. Sie sagte, dass Ökolandbau die wichtigsteVoraussetzung für Entwicklungsländer sei, denndieser fördere die gesunde Ernährung und dienatürliche Medizin. Das Ergebnis sei ein Schrittin Richtung selbstständiger Unabhängigkeit.

Das Projekt hat eine große Kuhherde, danebenwerden auch Ziegen gehalten. Es wird Weißkohlangebaut und der Mist aus der Viehzucht alsDünger verwendet. 1989 wurden Biotoiletteneingerichtet und der davon abfallende Torf alsDünger verwendet.

Auch werden Kartoffeln, Auberginen und Maisangebaut und Maniok, Papaya und Avocado.Kunstdünger ist unbezahlbar, daher wirdKompost eingesetzt. Für die Trockenzeit gibt esTröpfchenanlagen. Frau Klabes entwickelte dieIdee, statt Plastiktöpfe zu nutzen, Töpfe ausBananenblättern für die Jungpflanzen zu fertigen.Bohnen sind das wichtigste Nahrungsmittel in

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Burundi. Aus Mais wird „Pat“ gemacht, dieserwird zusammen mit Bohnen, getrocknetenFischen und grünen Maniokblättern gegessen.

Neuheiten wie zum Beispiel den Rechen zurArbeitserleichterung auf dem Feld werden nurlangsam angenommen. Vorratswirtschaft kennensie nicht, denn es gibt zwei Ernten pro Jahr.

Die Medizinmänner, die noch das Wissen überdie traditionelle Medizin haben, sterben aus unddie Jugend hat kein Interesse daran, diesesWissen zu wahren.

Mit der Entwicklungshilfe kamen auch dieWellblechdächer ins Land, unter denen sichbevorzugt die Malaria übertragenden Mückenaufhalten, sodass diese Krankheit recht häufig,wenn keine Moskitonetze vorhanden sind, auf-tritt. Das einzige Mittel gegen Malaria ist z. Zt.Artemisin, ein Wirkstoff der Pflanze Artemisiaannua. Es reichen drei bis vier Büsche dieserPflanze für eine Familie, um aus diesem Rohstoffin eigener Hilfe zu profitieren.

Die Pflanze ist einjährig, allerdings ist der Sameneine Hybridzüchtung, d.h. er ist infertil.

Die Pflanze hat noch 60 andere positiveEigenschaften in ihren Blättern.

Die Pharmaindustrie stellt Tabletten her in demArtimisin enthalten ist, die definitiv zu teuer fürdie Bevölkerung sind und in abgelegene Dörfernicht zur Verfügung stehen.

Die richtige Pflanzenaufzucht, Ernten, Trocknenund Anwendung des Rohstoffes Artemisia annuabedarf noch viel Aufklärung bei der Bevölkerung.Vor allem bei denen, die weit ab von der Zivilisa-tion leben und auf Hilfe zur Selbsthilfe imLandwirtschaftlichen und Gesundheitlichen Be-reich angewiesen sind.

Bei dem Workshop konnte an einer ca. ein Meterhohen Pflanze das Ernten und Vorbereiten zumTrocknen und das Vermehren durch Stecklinge inder Gruppe praktiziert werden.

Der Hinweis, in Entwicklungsländern keinPlastik zu verwenden, ist oberstes Gebot. Pflanz-behälter werden aus getrockneten Bananenblätt-ern gefertigt und zum Verpacken Papier oderStofftüten verwendet mit einer beigelegten Ge-brauchsanweisung in Kirundi, der Landessprache.

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Ziel dieses Workshops war es, den TeilnehmernEinblicke in die Besonderheiten der ökologi-schen Landwirtschaft in den Tropen mit ihrenpolitischen, sozialen, kulturellen und wirtschaft-lichen Möglichkeiten und Grenzen zu vermitteln.In Gruppenarbeit wurden die Themen Pflanze,Boden, Ökonomie und Tier behandelt. EineGruppe beschäftigte sich jeweils mit einem die-ser Themen. Die Gruppen wurden von HerrnDiop inhaltlich beraten. Am Ende derGruppenarbeit wurden die Ergebnisse in einemgemeinsamen Plenum vorgetragen und disku-tiert. ²

Die Gruppe „Pflanze“ machte sich Gedankenüber die ökologischen und wirtschaftlichen Vor-und Nachteile von Plantagenwirtschaft inMonokulturen und Subsistenzwirtschaft. Wirktdie Monokultur zunächst effizienter, so fand dieGruppe heraus, dass ihnen die Subsistenzwirt-

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Abdallah Diop ESTAF/Tschad (s. Seite 34)

Besonderheiten der Ökologischen Landwirtschaft in den Tropen

schaft „naturnäher“ erscheint und durch eine rei-che Mischkultur und Zwischenfrüchte dieBiodiversität gestärkt wird. Bei der Vermark-tungsfrage erschien der Zusammenschluss zuKooperativen besonders sinnvoll. Um solcheKooperativen auch in Richtung ÖkologischeLandwirtschaft zu beraten, so sollte dies nur ineinem Dialog stattfinden unter Berücksichtigungder kulturellen Gegebenheiten.

Für die Gruppe „Boden“ war es zunächst wichtig,sich mit den verschiedenen Einflussfaktoren, wieTemperatur, Wasserverfügbarkeit, Verdunstungusw. zu beschäftigen. Anschließend wurden dieProbleme der Böden in den Tropen herausgear-beitet, wie z.B. Degradation durch Erosion,Versalzung und Auswaschung von wichtigenNährstoffen. Abschließend präsentierte dieGruppe ihre Lösungsansätze. OrganischeDüngung sei zum Humusaufbau und zur

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Verbesserung der Bodenqualität unersetzlich,darüber hinaus sollten Techniken wieFruchtfolgen sowie Gründüngung genutzt wer-den. Der Anbau von Leguminosen sowieSysteme wie Agroforst wurden ebenfalls inBetracht gezogen.

Die „Ökonomie“ Gruppe beschäftigte sich mitden gegebenen Ressourcen und stellte fest, dassArbeit z.B. sehr günstig und viel vorhanden ist.

Der Zusammenschluss zu Kooperativen wurdeauch hier als ein möglicher Weg gesehen umeinen Marktzugang für Kleinbauern zu ermögli-chen. Die Exportorientierung wäre ebenfalls einmöglicher Weg aber mit sehr hohem Aufwand fürdie Qualitätssicherung verbunden. GrundlegendeFrage war die Einkommenssicherung zu gewähr-leisten und hiermit in Verbindung die zentraleFrage ob die Ökologische Landwirtschaft dieseerhöhen kann. Die Subsistenzlandwirtschaft wurde auch hierberücksichtigt obwohl diese nicht für den Marktproduzieren kann aber als fester Bestandteil derTradition auch einen Wert hat, nämlich „Ort derKultur“ zu sein.

Versuchten die anderen Gruppen nicht standort-spezifisch zu sein, schaffte die Gruppe Tier einenÜberblick über die Klimazonen und die dortVorkommenden Tierarten. Der Klimazone Aridwurden Pferde, Kamele und Ziegen zugeordnet,der Zone Semi-Arid Ziegen, Schafe, Kamele,Hühner, Schweine und Rinder und der HumidenKlimazone Schweine, Enten, Hühner, Bienen,Fische und Rinder. Darüber hinaus wurden dieverschiedenen Nutzungen der Tiere besprochenwie z.B. als Zugtiere oder im Nomadentum alsVersicherung für schlechte Zeiten. DasZurückgreifen auf den Wildtierbestand alsNahrungsmittel wurde als besondere Spezialitäteingestuft und für Extremsituationen in denenNahrungsmittelknappheit herrscht.

Insgesamt konnte der Workshop besonders deneneinen Überblick über Landwirtschaft und beson-ders Ökologische Landwirtschaft in den Tropengeben, die zuvor nur wenig Gelegenheiten dazuhatten. Da der Workshop von Herrn Diop durch-geführt wurde, welcher tagtäglich mit dem Feldder Ökologischen Landwirtschaft in den Tropenkonfrontiert ist, waren die Hilfestellungen undkritischen Anmerkungen besonders authentisch.

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Manfred Fürst Naturland, Gräfelfing (s. Seite 46)

Zertifizierungssysteme

Zertifizierungssysteme war das Thema desWorkshops von Manfred Fürst (Naturland). Diesieben Teilnehmer setzten sich dabei mit derVerbreitung, der Struktur, dem Aufbau und derAufgabenverteilung bei der Gruppenzertifizie-rung auseinander und beleuchteten die Voraus-setzungen und Chancen, aber auch Risikofakto-ren.Eingangs ging Manfred Fürst auf die Rolle derInternem Kontrollsysteme (ICS) als nützlichesWerkzeug bei der Zertifizierung von ökologischwirtschaftenden Kleinbauern ein.In Gruppenarbeit sollten anschließend Schrittezur Initiierung, zum Aufbau und Ablauf vonZertifizierung erarbeitet werden. Ziel war esdabei, Gruppenzertifizierung und insbesondereinterne Kontrollsysteme als Prozess zu begreifen.Die Teilnehmer befassten sich dabei näher mitdem Warenfluss von Kaffee ab der Ernte.

Zertifizierung ökologisch wirtschaftender Kleinbauernorganisationen

In den vergangenen zwölf Jahren stellten vieleKleinbauerngruppen, insbesondere in Latein-amerika, ihre landwirtschaftliche Produktion aufÖkolandbau um. Dies führte zu sichereren undteils sogar höheren Erträgen und damit zu einerVerbesserung der Lebensbedingungen vonKleinbauern, die bis dahin wirtschaftlich benach-teiligt waren.

Es traten jedoch Schwierigkeiten auf: Kleinbau-ernkooperativen, die ihre Produkte in die EU ver-kaufen, müssen sich nach der EU-Öko-Verordnung 2092/91 mindestens einmal jährlicheiner Kontrolle unterziehen. Das bedeutet: Jeder

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Betrieb, der Mitglied einer Kleinbauernkoopera-tive ist, muss kontrolliert werden. Dort, wo sichdiese Organisationen aus mehreren hundert odertausend Kleinbauernbetrieben zusammensetzen,die sich über ein Gebiet von bis zu zehnQuadratkilometern verteilen, ist es für einenexternen Kontrolleur unmöglich, dieser Aufgabeschnell genug nachzukommen, und würde enor-me Kosten aufwerfen.

Interne Kontrollsysteme (ICS)

Es galt also, ein Kontrollsystem zu entwickeln,das es erlaubt, Kleinbauerngruppen mit bis zu2000 Mitgliedern effektiv und so günstig wiemöglich zu kontrollieren. Um 100 % kontrollier-te ökologische Produktion zu garantieren, schu-fen Naturland und verschiedene internationaleZertifizierer vor einigen Jahren ein internesKontrollsystem, das von Naturland, IMO, einerinternationalen Ökokontrollorganisation und denKleinbauernkooperativen über die Jahre hinwegweiterentwickelt wurde.Der große Vorteil voninternen Kontrollsystemen liegt darin, dieZertifizierungskosten auf ein für Kleinbauernsinnvolles Maß zu reduzieren. Voraussetzung fürdie erfolgreiche Einrichtung eines internenKontrollsystems ist ein umfangreicherWissenstransfer von der Zertifizierungsorgani-sation zu den Kleinbauernkooperativen, um diesezu befähigen, einen Teil der Kontrollarbeit imRahmen der nach der EU-Öko-Verordnung erfor-derlichen Kontrolle selbst zu leisten.

Angestellte der Kooperativen werden geschult,um den EU-Kontrolleuren zuzuarbeiten, wenndiese ihre komplizierten externen Kontrolltourenunternehmen.

Diese örtlichen Kontrolleure sind verantwortlichfür die Kontrolle aller Kleinbauern, die nach EU-Richtlinien produzieren.

Der externe Kontrolleur überprüft das interneKontrollsystem auf korrekte Abwicklung, doku-mentiert die Herstellungs- und Verkaufsabläufeund untersucht den Warenfluss von der Ernte biszur Ausfuhr im Hafen.

Anfang 2000 veröffentlichte Naturland das„Handbuch für Qualitätssicherung: Ein Leitfadenfür Interne Kontrollsysteme (ICS) inKleinbauernorganisationen”, das 2002 überarbei-tet wurde. Die Publikation beschreibt die einzel-nen Schritte beim Aufbau eines internesKontrollsystems wie die Entwicklung von inter-nen Standards, die Schulung von Qualitätssiche-rungs-Managern und örtlichen Kontrolleuren, eineffektives Beratungssystem, die Durchführungqualifizierter Kontrolle und die lückenloseDokumentation des Warenflusses.

Durch die Lobbyarbeit von Naturland gelang es,die EU-Autoritäten davon zu überzeugen, dasspunktuelle Kontrollen in der Praxis ziemlicheffektiv funktionierten.

Im Februar 2001 hielt IFOAM das erste Seminarzur Harmonisierung der internen Kontrollsystemverschiedener Länder und Zertifizierer ab - einentscheidender Schritt auf dem Weg, einheitlicheKriterien für ein internes Kontrollsystem festzu-legen.

Fazit:

Die Teilnahme am Workshop war hilfreich fürjeden, den Fragen beschäftigten wie: Warumbrauchen wir Kontrollsysteme? Und: Wie sollendiese aufgebaut sein?

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Welternährung ökologisch & fairWorkshops

Jörn Berger IMO, Konstanz

Jörn Berger arbeitet beim Institut fürMarktökologie (IMO, Konstanz) in derInspektion, Evaluation von Inspektionsberichten

Beratung für Kooperativen

und Zertifizierung ökologischer Landbau-,Handels- und Verarbeitungsunternehmen seit1999. Seit 2000 führt er auch Inspektionen nachverschiedenen internationalen Standards, auchSozialen Kriterien, in der Schweiz, Afrika, Asienund Lateinamerika durch. Seit diesem Jahr nimmter außerdem eine Weiterbildung in systemischerOrganisationsentwicklung wahr.

Jörn Berger machte nach einer biologisch-dyna-mischen Grundausbildung eine landwirtschaftli-che Lehre mit staatlicher Abschlussprüfung aufeinem demeter-Hof, die er durch biologisch-dynamische Kurse an der Freien LandbauschuleBodensee ergänzte (1992 – 1994).

Daraufhin studierte er ökologische internationaleAgrarwirtschaft an der Universität Kassel/Wit-zenhausen (1994 - 1999).

Für den Naturland-Verband beschrieb er im Jahr2000 den ökologischen Anbau von Sesam,Erdnuss und Macadamianuss als eine beispielhaf-te Erklärung der ökologischen Landwirtschaft inden Tropen.

Schwerpunkt dieses Workshops war dieGegenüberstellung zweier grundlegend verschie-dener Beratungsansätze; der Expertenberatungund der Prozessberatung. Nach einer Einleitungwurden in Gruppenarbeit diese beidenBeratungsrichtungen erlebbar und dienten derReflexion der eigenen Position.

In einem Interview mit dem jeweiligenNachbarteilnehmer wurde versucht herauszufin-den, warum dieser sich für das Thema derKonferenz und das des Workshops interessiertund was sein Hintergrund ist. Danach wurdegewechselt und der zuvor Interviewte wurde zumInterviewer. Anschließend wurden dieErgebnisse in der Gruppe vorgetragen. So ent-stand eine sehr lebendige Vorstellungsrunde undzugleich wurde deutlich, wie schwierig

Kommunikation ist – denn in den Vorstellungender Interviewpartner schlichen sich doch einigeFehler ein.Herr Berger führte die Gruppe anschließend indie Gruppenarbeit ein. Anhand eines brisantenBeratungsauftrages in Chiapas (Mexico) sollteeine Gruppe die Rolle des Expertenberaters undeine andere die des Prozessberaters einnehmen.Das Fallbeispiel handelte von den Kaffee produ-zierenden Kleinbauern, welche stark durch ihreAutonomiebewegung geprägt sind. Neben demerfolgreichen Anbau von Biokaffee für denExport leben die Menschen immer noch teilweisevon der Subsistenzlanwirtschaft. Dadurch, dassdie fruchtbaren Flächen der Tiefebene für denlukrativen Kaffeeanbau genutzt werden, stößt dastraditionelle „Milpa-System“ (Mischkultur ausKürbis, Mais und Bohnen) an den Hanglagen an

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seine Grenzen. Die schlechten Standorte (Ero-sion, mangelnde Bodenfruchtbarkeit etc.) unddas Bevölkerungswachstum, welches kaumBrachejahre erlaubt, führen zu einer unzurei-chenden Produktion und einer Verarmung derKleinbauern.Die Gruppe der Fachberater ging ganz pragma-tisch an das Problem heran und empfahl alsLösung, die Pflanzendichte zu erhöhen undTerrassen anzulegen. Ebenfalls wurde vorge-schlagen, die Bauern mit dem Problem zu kon-frontieren und bei den Lösungsansätzen auf einehohe Partizipation zu setzen.

Die Prozessberater spielten das Szenario derBeratungssituation in Kleingruppen in einemRollenspiel vor. Es wurde deutlich wie schwieriges ist, ein Beratungsgespräch in die gewollte

Richtung zu lenken, ohne in „Fettnäpfchen“ zutreten, zu drängen, Fragen zu stellen, die nur einevorgegebene Antwort zulassen und dennochInformationen zu vermitteln und Denkanstöße zugeben.

An den Ergebnissen wurde deutlich, dass beson-ders in der Zusammenarbeit mit Organisationenwie Kooperativen die reine Expertenberatungmethodisch an ihre Grenzen stößt. Die Beraterstehen hier vor der Herausforderung, dieArbeitsprozesse der Organisation in den Blick zunehmen und mehr in Richtung Prozessberatungmit Expertenwissen im Hintergrund zu agieren.

Schlussfolgernd sind beide Formen der Beratungwichtig und sollten vom Berater beherrscht undim richtigen Moment eingesetzt werden können.

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wenn sie langfristig ökologisch tragbar, wirt-schaftlich machbar, sowie ethisch und sozialgerecht ist. Um dieses gewähren zu können sind dieReiseveranstalter verpflichtet einen Kriterien-katalog einzuhalten. Der Kriterienkatalogumfasst Aspekte aus Ökologie, Ökonomie undSoziales bezogen auf die Reisen und dieUnternehmensebene.

Nach dem Kriterienkatalog sind umweltschonen-de Transportmittel bevorzugt, das heißt es wer-den keine Zielgebiete unter 700 km Entfernungangeboten, der Aufenthalt in Zielgebieten zwi-schen 700 und 2 000 km Entfernung darf nichtunter acht Tagen liegen und bei Zielgebieten, die2 000 km entfernt sind sollte der Aufenthalt min-destens 14 Tage sein, wegen der Umweltver-schmutzung.Die Reiseteilnehmerzahl wird je nach Reiseartund Zielregion angepasst und beschränkt sowieBeherbergungsbetriebe mit abfallarmer Beschaf-fungspolitik und umweltgerechten Einsatz vonReinigungsmitteln und Energienutzung bevor-zugt, um nur einige wenige Beispiele aus dem Kri-terienkatalog des forum anders reisen zu nennen.Hinsichtlich der ökonomischen Nachhaltigkeits-kriterien sollten die externen Kosten in denReisepreis mit einbezogen werden. Die ökonomi-sche Partizipation der einheimischen

Was ist nachhaltiger und fairer Tourismus? Wiesieht ein solches Reiseprodukt aus und welcheMarktchancen hat ein solches Produkt? Kanndenn Reisen Sünde sein?

Um diese Fragen beantworten zu können mussman erst die Hintergründe der globalen Touris-musbranche beleuchten.Die Tourismusbranche zählt weltweit zu dengrößten Wirtschaftszweigen. Grenzüberschrei-tende Reisen machen ca. 25 – 30 % des Welt-handels im Dienstleistungsbereich aus. Im Jahre2004 hatte der Tourismus mit ca. 100 Mio.Beschäftigten einen Gesamtumsatz von ca. 623Mrd. US-Dollar. Dabei sind die Einnahmen ausdem Tourismus global ungleich verteilt. 50 % derEinnahmen haben sieben Industrienationen(USA, GB, Deutschland, Frankreich, Italien,Spanien, Österreich) und nur 5 % die gesamte„Dritte Welt“. Sämtliche Zielmärkte verzeichnenein Plus: Asien 8 %, mittlerer Osten 6 %, Europa4 % und Afrika 10 %. Preise für Pauschalreisensinken und der Trend zu Flugreisen steigt.

Was ist Nachhaltiger und fairer Tourismus?

Aus Sicht des forum anders reisen ist eineNachhaltige Tourismusform nur dann nachhaltig,

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Welternährung ökologisch & fairWorkshops

Rolf Pfeifer forum anders reisen, Freiburg

Rolf Pfeifer ist Geschäftsführer des forum andersreisen e.V. (Freiburg) seit 2002. Seit 2006 setzt ereinen CSR-Prozess bei den Mitgliedern desforum anders reisen zur Kontrollierbarkeit derNachhaltigkeit um.

Rolf Pfeifer studierte nach einer Ausbildung zumChemisch-technischen Assistenten (1981 – 1983)Feinwerktechnik an der FH Aalen (1984 – 1989,Dipl. Ing.). Von 1989 bis 1995 war er wissen-schaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter am

renommierten Öko-Institut in Freiburg. Inhalt-liche Schwerpunkte seiner Arbeit waren Ökobi-lanzierung und Produktlinienanlysen vonProdukten und Industrieprozessen.

Er baute den Reiseveranstalter avenTOURa(Freiburg) auf, der ausschließlich Reisen inlateinamerikanische Länder mit einemSchwerpunkt auf Projektcharakter und Einhal-tung sozialer Kriterien anbietet (1995 – 2002).

Aus dem forum anders reisen heraus initiierte er2004 das Projekt atmosfair, das zwischenzeitlichzu einer eigenständige Firma wurde.

Nachhaltiger und Fairer Tourismus

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unterstützen und alternative Einkommensquellender Einhei-mischen zu sichern, sowie dieUmweltbildung der Reisenden zu erweitern.

Welche Marktchancen hat ein solches Produkt?

Im Jahr 2006 hatte das forum anders reisen eineGesamtkundenzahl von 110 000 und besetzt inDeutschland damit lediglich eine Nische. DiePreise für ein Nachhaltiges Reiseprodukt liegeneher über dem Durchschnitt und sprechen dahermeist das gehobenere Bildungsbürgertum an.

Kann denn Reisen Sünde sein?

Ja, eine verantwortungslose Reise kann Sündesein, aber eine verantwortungsbewusste Reisemuss keine Sünde sein, sondern kann Beitrag lei-sten zum Umweltschutz, zur nachhaltigenEntwicklung benachteiligter Regionen und zurArmutsbekämpfung, zu mehr Gerechtigkeit undzur interkulturellen Kommunikation, Völkerver-ständigung und voneinander lernen.Was passiert, wenn die großen Reiseveranstalternachziehen und auch „nachhaltige“ Produkteanbieten und mit niedrigeren Preisen die gleichenReiseziele anbieten? Wieder Massentourismus?

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Bevölkerung wird unterstützt, indem kleine undlokale Strukturen bevorzugt werden und einefaire Bezahlung gewährleistet wird.

Damit das Reiseprodukt wirklich nachhaltig ist,müssen die Einheimischen bereits in derPlanungs- und Durchführungsphase miteinbezo-gen werden. Es finden sorgfältige geplanteBesuche bei ethnisch und kulturell fremdenKulturen nur mit sog. „Mediatoren“ statt undsehr wichtig ist Respekt und Anerkennung desVerhaltenscodex zum Schutz von Kindern vorsexueller Ausbeutung (ECPAT).

Die Mitglieder des forum anders reisen unterstüt-zen kleine lokale Initiativen im Umweltschutz,Bildung, Medizin, indem Reisen zu denProjekten organisiert werden.

Um den Aspekt des Umweltschutzes aufzugrei-fen werden Fahrradreisen angeboten, welche diepolitische Gegenposition zum schnellen Hin- undWeg- Tourismus der heutigen Zeit darstellt.

Mit den Fahrradtouren wird der Fokus auf lang-sames, bewusstes und begegnungsorientiertesReisen gelegt. Hier sei als konkretes Beispiel die175-tägige Fahrradreise von Athen nach Pekinggenannt, die in 2008 stattfinden wird. Es werden auch Reisen zu WWF-Projekten ange-boten, um die gezielt Naturschutzprojekte zu

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Für Afrika: „Viel Selbstbewusstsein, Unabhän-gigkeit und kein Bürgerkrieg wegen Spenden ausden Industrieländern.“

Für Südamerika: „Keine Regenwaldabholzun-gen mehr für Sojaplantagen und „Bio-Sprit“sowie gerechte Landverteilung.“

Für Nordamerika: „Sofortiger Stopp der GMO-Freisetzungen, eine freie Presse, weniger TV undweniger Häftlinge, mehr Einsicht…“

(Naher) Osten: „Freiheit und Frieden!“ (Restleider nicht lesbar)

Für Europa: „Weniger Zäune vor den Häusernund mehr Zeit für Spiel, Tanz und Bewegung.“(Rest leider nicht lesbar)

Länderübergreifende Wünsche: „Freies Saat-gut und Boden für alle! Mehr positive Denk-ansätze und natürlich…. ….den Eisbären vielGlück….!“

Auf unsere Frage „Ich will die Welt verändern!Aber Wie?“ wurde z.B. der Ruf nach „100 %erneuerbaren Energien und einer Transaktions-steuer für alle Börsengeschäfte“ laut. Zudem sol-len „zeitlich begrenzte Freiräume geschaffenwerden und Tiere in Zukunft unsere Freunde undnicht nur unsere Nahrung sein…!“

Bei der Frage „Bio&Fair - Was wünscht Du Dirdafür“ kamen unter anderem folgende Wünscheans Tageslicht: „Mehr Agro-Forst Systeme undfreien/fairen Zugang zu Land.“

Außerdem der dringende Wunsch, dass sich dieUni in Witzenhausen stark am Thema beteiligenund sich endlich mit Fair Trade beschäftigenmöge!

Sehr interessant waren auch die Wünsche für dieganze Welt! Um nur einige zu nennen:

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Welternährung ökologisch & fairImpressionen

Visionenraum

Vieles gibt es zu erzählen über denVisionenraum…

Zuerst einmal hat es uns sehr gefreut zu sehen,dass „unser Experiment“ der Visionenraum, imLaufe der Konferenz mehr und mehr das Interes-se der Besucher auf sich zu ziehen vermochte undschließlich auch der einen oder anderen Visionzur Manifestierung verholfen werden konnte.

Viele nutzten den Raum um sich eine kleineEntspannungspause in der Bücherecke zu gönnenoder ließen sich von Zeitungsartikeln, Bildernund der FIAN-Ausstellung inspirieren.

Wieder andere ergriffen schnell die günstigeGelegenheit um sich kreativ und/oder künstle-risch auf den von uns vorbereiteten Leinwändenauszutoben!

Natürlich wollen wir Ihnen die Highlights ausvier Tagen ungebremster „Visionensuche“ nichtvorenthalten und stellen Ihnen jetzt imFolgenden ein paar auserwählte Kostproben zurAnsicht:

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Wie schon aus dieser kleinen Auswahl unschwerzu erkennen ist, scheint die Welt noch mehr alsgenug Platz für unsere Wünsche zu haben. Undwenn auch nur einer der aufgeschriebenenWünsche in Erfüllung geht, dann hat sich derGang in den Visionenraum schon allein deshalbgelohnt!

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Welternährung ökologisch & fair Impressionen

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Biashara (Kisuaheli: „Handel“) beschreibt eineBilderreise durch die Länder Tansania, Ugandaund Kenia, zwischen zauberhaftem Sansibar undder Gipfelbezwingung des Kilimandscharo.Hartmut Fiebig fasst 16 Jahre voller abenteuerli-cher Expeditions- und Recherchereisen zusam-men und erzählt vom Thema Welthandel. Seineersten Afrika-Erfahrungen sammelte er auf einerabenteuerlichen Fahrradtour durch den gesamtenKontinent direkt nach seinem Schulabschluss.Dass Ostafrika seine zweite Heimat ist, merktman diesem Schatz an Impressionen und Bildernan.

Hartmut Fiebig bricht von der heute zu Tansaniagehörenden Insel Sansibar auf, der einstigenHandelsmetropole im Indischen Ozean. Sie warder weltgrößte Produzent von Gewürznelken undHauptumschlagsplatz für Gewürze, Elfenbein

und das „Schwarze Gold Afrikas“: Sklaven.Durch die Handelskontakte in Ostafrika, Arabienund Indien bis in den fernen Osten und dieHerrschaft durch das Sultanat Oman wurde dieseInsel multikulturell und von Toleranz geprägt. Sovereint die Sprache Suaheli in sich auf Basiseiner Bantusprache spielerisch arabische undenglische Einflüsse.

Die Reise folgt den Spuren von Sklavenhändlern,Entdeckern und Kolonialisten bis ins abgelegeneQuellgebiet des Nils. Entlang des mächtigenStroms führt die Route in den unbekanntenSüdsudan und zurück an die Palmenstrände desIndischen Ozeans, immer begleitet von HartmutFiebigs Geliebter, dem Fahrrad Filfilla, das ihmnach treuen Diensten auf dem ganzen Kontinentin Stuttgart gestohlen wurde. Die Reise ist durchund durch afrikanisch – voller Härten und

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Multimediashow

Hardy Fiebig

Hardy Fiebig ist als Autor, Fotograf undModerator tätig. Bisher hat er vier Bücher zu sei-nen Spezialgebieten Afrika und Orient verfasst,

seine Fotografien und Texte werden in internatio-nalen wie deutschen Zeitungen und Magazinenveröffentlicht. Ein wiederkehrendes Thema sei-ner fotojournalistischen Arbeit ist der Wandelvon traditionellen Kulturen in einer globalisier-ten Welt. Die mehrfach prämierten Vorträge desFotojournalisten sind für Humor, sprühendeRhetorik und sensible Fotografie bekannt.

Für die Live-Reportage TIEF IN AFRIKA, dieauf der Photokina 2006 internationale Premierefeierte und seinen Kenia-Reiseführer – inzwi-schen ein Standard-Werk über das ostafrikani-sche Land – wurde er zum EhrenbotschafterKenias ernannt. Hardy Fiebig ist berufenesMitglied der Gesellschaft für Bild und Vortrag(GBV). Neben seiner Arbeit als Fotojournalist initiierteHardy Fiebig grenzgang, das Forum für Reisen,Kultur und Medien, sowie die Long DistanceBikers, ein jährliches Treffen von Reiseradlernauf der IFMA-Fahrradmesse in Köln. Bei seinenLive-Reportagen wirbt er um Unterstützung fürden Fairen Handel und die Fliegenden Ärzte vonOstafrika.

Biashara – Tief in Afrika

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Humor, gesteuert von Wundern und kleinenKatastrophen, gebeutelt von tragischenSchicksalsschlägen – aber umso mehr beschenktvon paradiesischer Natur und beeindruckendenMenschen. Sie sind die eigentlichen Protago-nisten, mit denen der aufgeschlossene Reisenderührende, heitere, aber auch tragische Begeg-nungen erlebt: Kaffeebauern und Nomaden,Rebellen und smarte Hauptstadtbewohner.

Und viele Bauern, die unter dem Welthandel lei-den und denen fairer Handel eine entscheidendeVeränderung des Lebens verspricht. So lernen dieZuschauer Rosenpflückerinnen kennen, denen derfaire Handel die Aussicht eröffnet, ihre Säuglingeeines Tages auf die Universität zu schicken.

Die politische und geografische Reise durchOstafrika, welche in atemberaubenden Bilderndie ganze Schönheit von Landschaft und Tierweltzeigt, gipfelt in der Besteigung des Kilimanjaro,bei der Touristen verpflichtet sind, zwei Männervom Volk der Chagga als Träger zu beschäftigen. Doch die körperlich herausfordernde Erfahrungund das beeindruckende Naturschauspiel werdenvon dem Anblick der mit kiloschweren Lastenbeladenen Träger getrübt, die die Wanderer bar-fuß oder in Sandalen überholen.

So wird es dem Zuschauer verständlich, dassHartmut Fiebig aus seiner zweiten Heimatzurückkehrte, um mit seiner fotojournalistischenArbeit voller Humor, sprühender Rhetorik undsensibler Fotografie den Zuschauern den Wandelvon traditionellen Kulturen in einer globalisier-ten Welt nahe zu bringen, zur Diskussion einzu-laden und um Unterstützung für den FairenHandel zu werben.

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Rahmenprogramm

Einen abwechslungsreichen Rahmen für dieKonferenz bot das bunte Abendprogramm mitinteressanten kulturellen und genussvollenAngeboten.

Zum Auftakt der Konferenz waren die Teilneh-mer zum feierlichen Sektempfang im ehrwürdi-gen Alten Zeichensaal am Standort der Univer-sität in der Steinstraße 19 geladen. Die fetzigeMusikdarbietung der African Culture Group ver-zauberte die Anwesenden dabei mit traditionellenRhythmen, Songs und Tänzen aus Ghana undGambia. Die neu gegründete Tanz- und Trom-melgruppe aus Göttingen ist durch das von nunan jährlich stattfindende African Culture GroupFestival im Herbst bekannt geworden und ver-breitet afrikanische Rhythmen und Reggae vonOsnabrück bis Bremen. Aktuell wird an derAufnahme einer CD zum Thema „Ecofarming“gearbeitet. Für die Liedtexte streben die Musikerdie Zusammenarbeit mit Menschen aus der Bio-Branche an.

Begleitend zur Konferenz war im Foyer derNeuen Aula in der Nordbahnhofstraße kostenlosdie Ausstellung „Von Körnern und Knollen -Nahrungsmittel weltweit“ der DeutschenWelthungerhilfe zu besichtigen.

Eine Vielfalt von Grundnahrungsmitteln soll dieErnährung der Menschen auf der Welt sichern.Neben Reis, Mais, Weizen, Kartoffeln undManiok gibt es eine Vielzahl traditionellerKörner und Knollen. Sie gehören in vielenKulturen zu den grundlegenden Nahrungsmit-teln, die sich in nahezu jedem Gericht wieder fin-den; ihre Zubereitung ist so vielfältig wie dieKörner und Knollen selbst.

Die Ausstellung wagte einen Blick über den eige-nen Tellerrand und schaute in die Küchen undTöpfe der Welt. Von Amaranth bis Weizen wurdedie große Vielzahl der Körner und Knollen vor-gestellt; mit einer Menge Wissenswertem überHerkunft der Pflanzen, ihre Verwendung undVerarbeitung in verschiedenen Kulturen. Auchdas globale Ernährungsproblem wurde in derAusstellung aufgegriffen.

Ansätze zur Lösung zeigte sie an den Beispielenvon Projekten der Deutschen Welthungerhilfe inThailand, Uganda, Burkina Faso und derDominikanischen Republik.

Das Buffet am Freitagabend bot vom Rinderbra-ten bis zur vegetarischen Currypfanne eineVielzahl von Köstlichkeiten aus aller Welt an -

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Atmosphäre des Abends bei. Sons ist Dozent fürdiese Instrumente an der KulturwerkstattGermaniastraße in Frankfurt/Main sowie als pri-vater Musiklehrer tätig und Mitglied derFrankfurter Vereinigung selbständiger Musik-und Instrumentalpädagogen „Musik im Hof“.

Regelmäßig veranstaltet er Jazzworkshops undImprovisationskurse für Erwachsene undJugendliche. Er hat als Solosaxophonist in unter-schiedlichsten Big Bands (Jazz Invaders, Uni-Big Band Bielefeld, derzeit Nordend 19) undJazzformationen gespielt, mit denen er Auftrittein verschiedene europäischen und außereuropäi-schen Ländern absolvierte.

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Welternährung ökologisch & fair Impressionen

zubereitet vom Partyservice „Sinnenfreuden“von Anja Randau aus Witzenhausen-Ziegenhagen. Bekannt ist die sympathische undengagierte Köchin unter anderem für ihre ausge-fallenen Süßspeisen und blütengeschmücktenHochzeitstorten sowie für ihren hohen Anspruchan die Frische und Reinheit der verwendetenZutaten: Fleisch aus artgerechter Haltung,Speisen ohne Fertigpulver, künstliche Aromenoder Farb- und Konservierungsstoffe und über-wiegend Rohstoffe aus ökologischem Anbau.

Die sinnlichen Gaumenfreuden wurden unterstri-chen von anregender Akustik: Eric Sons trug mitabwechslungs- und improvisationsreichem Jazzauf Saxophon und Klarinette zur unvergesslichen

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Welternährung ökologisch & fairSponsoren und Danksagung

Sponsoren und Danksagung

Vielen Dank an alle, die zum Gelingen der 15. Witzenhäuser Konferenzbeigetragen haben:

• an die Sponsoren, die den finanziellen Rahmen geschaffen haben, damit diese Konferenz überhaupt stattfinden konnte.

• an alle, die uns durch Sachspenden unterstützt haben• an das Cateringteam Lena und Maren für ihren Einsatz• an die zusätzlichen Helfer• an die Hausmeister für den in dieser Zeit besonders intensiven Einsatz• an Frau Randau und ihr Team vom Partyservice Sinnenfreuden für das

tolle Buffet• an Herrn Prof. Dr. Bürkert und Frau Dr. Zander für die Moderationen der

beiden Podiumsdiskussionen• an Herrn Prof. Dr. Fremerey für das Teamtraining• an unsere Betreuer, vor allem Herrn Mittelstraß, der uns während der

gesamten Vorbereitung seit April 2007 hilfreich zur Seite stand• an die Referenten für ihre interessanten Beiträge

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Mit freundlicher Unterstützung von:

HMULV Hessisches Ministerium für Umwelt, ländlichen Raum undVerbraucherschutzWerra-Meißner-KreisSoftware-AG-Stiftung, DarmstadtStiftung Umverteilen, BerlinGNE Gesellschaft für Nachhaltige Entwicklung mbH, WitzenhausenDITSL Deutsches Institut für tropische und subtropische Landwirtschaft GmbHBundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugend im ländlichen RaumStoll-Vita-Stiftung, WaldshutInternationales Bildungszentrum Witzenhausen GmbH

Buffet und Catering wurden unterstützt von:

Alnatura Produktions- und Handels GmbH, BickenbachBäckerei Bretthauer, WitzenhausenBäckerei Erner, WitzenhausenBäckerei Schill, BerkatalByodo Naturkost GmbH, MühldorfDietrich Füllgrabe, GleichenEl Puente GmbH, NordstemmenFamilie Dinh GEPA, WuppertalNaturata, MurrReformhaus Walger, WitzenhausenSchachtelhalm, Witzenhausen

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Zusätzlich wurde von Besuchern geäußert, dasses inhaltliche Wiederholungen gab und zu wenigGegenpositionen dargestellt wurden. Es gab aberandererseits auch viele die geschrieben haben,dass ihnen die Zusammensetzung der Themenund die Auswahl der Referenten sehr gut gefallenhat, und gute Diskussionen zustande kamen.

Auf positive Resonanz ist auch der Visionen-Raum gestoßen.

Das Abendprogramm, speziell das Buffet, wurdeimmer wieder sehr gelobt, wobei mancheTeilnehmer kritisierten, dass nicht das kompletteBuffet aus biologischen Lebensmitteln bestand.

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Welternährung ökologisch & fairEvaluierung

Evaluierung

Die meisten Besucher der Konferenz warenStudenten aus Witzenhausen. Es haben aber auchviele interessierte Menschen, teils Studenten vonanderen Universitäten, an der Konferenz teilge-nommen. Die weiblichen Teilnehmer waren,gegenüber den männlichen, leicht in der Über-zahl.

Inhaltliche Bewertung der einzelnen Tage

(P.D. = Podiumsdiskussion, W.S.= Workshops)

Das durchschnittliche Alter betrug knapp 26Jahre, wobei die Altersspanne von 18 bis 72 Jahrereichte.

Die Besucher der Konferenz beurteilten dieStofffülle und den eigenen Lernerfolg wie folgt:

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Welternährung ökologisch & fair Evaluierung

Organisatorische Bewertungen

Bei der Organisation wurde häufig das Zeit-Management, vor allem der verspätete Beginnmancher Veranstaltung und die zu kurzenPausen, kritisiert. Manche Teilnehmer hätten sich

mehr Raum für Fragen, Austausch undDiskussion gewünscht.Alles in allem gab es aber sehr viel Lob derTeilnehmer, die Organisation betreffend. <<

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