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Wasserstoffbestimmung und Wasserstoffversprödung – Sinn und Nutzen. W. Paatsch, Berlin Zur Beurteilung der Gefahr einer Wasserstoffversprödung hochfester Bauteilen wird häufig über die Möglichkeit einer Wasserstoffbestimmung im Bauteil diskutiert. Angenommen, dies wäre mit der erforderlichen Sicherheit möglich, so bestünde hier grundsätzlich die Chance einer schnellen und zudem je nach Verfahren zerstörungsfreien und damit direkt am Bauteil durchzuführenden Prüfung. Demgegenüber wäre der wirtschaftliche Aufwand durch eine entsprechend erforderliche und meist aufwändige Gerätetechnik sicher zu vernachlässigen. Zur Klärung dieses Fragenkomplexes muss zunächst noch einmal kurz auf die Ursachen und die Charakteristik der Wasserstoffversprödung eingegangen werde. 1. Grundlagen der Wasserstoffversprödung. Bei galvanotechnischen Beschichtungsprozessen von Bauteilen, die bzgl. einer Gefährdung gegenüber wasserstoffinduzierter Rissbildung in einem kritischen Werkstoffzustand vorliegen, besteht durch das Eindringen von an der Oberfläche entwickeltem Wasserstoff (Vorbehandlung, galvanotechnische Metallabscheidung) in das Bauteil und dessen Wechselwirkungen mit dem Metallgitter die Gefahr des wasserstoffinduzierten verzögerten Sprödbruches („Wasserstoffversprödung“). Es handelt sich hierbei um eine Systemeigenschaft, wobei das Auftreten dieser Schädigung immer das kritische Zusammenwirken der im Bild 1 dargestellten drei Einflussgrößen voraussetzt: anfälliger Werkstoffzustand (Versprödungsanfälligkeit), mechanische Beanspruchung (Gefährdungspotenzial), wasserstofflieferndes Medium (Wasserstoffgefährdungspotenzial).

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Wasserstoffbestimmung und Wasserstoffversprödung – Sinn und Nutzen.

W. Paatsch, Berlin

Zur Beurteilung der Gefahr einer Wasserstoffversprödung hochfester Bauteilen wird häufig über die

Möglichkeit einer Wasserstoffbestimmung im Bauteil diskutiert. Angenommen, dies wäre mit der

erforderlichen Sicherheit möglich, so bestünde hier grundsätzlich die Chance einer schnellen und

zudem je nach Verfahren zerstörungsfreien und damit direkt am Bauteil durchzuführenden Prüfung.

Demgegenüber wäre der wirtschaftliche Aufwand durch eine entsprechend erforderliche und meist

aufwändige Gerätetechnik sicher zu vernachlässigen. Zur Klärung dieses Fragenkomplexes muss

zunächst noch einmal kurz auf die Ursachen und die Charakteristik der Wasserstoffversprödung

eingegangen werde.

1. Grundlagen der Wasserstoffversprödung.

Bei galvanotechnischen Beschichtungsprozessen von Bauteilen, die bzgl. einer Gefährdung

gegenüber wasserstoffinduzierter Rissbildung in einem kritischen Werkstoffzustand vorliegen,

besteht durch das Eindringen von an der Oberfläche entwickeltem Wasserstoff (Vorbehandlung,

galvanotechnische Metallabscheidung) in das Bauteil und dessen Wechselwirkungen mit dem

Metallgitter die Gefahr des wasserstoffinduzierten verzögerten Sprödbruches

(„Wasserstoffversprödung“). Es handelt sich hierbei um eine Systemeigenschaft, wobei das Auftreten

dieser Schädigung immer das kritische Zusammenwirken der im Bild 1 dargestellten drei

Einflussgrößen voraussetzt:

• anfälliger Werkstoffzustand (Versprödungsanfälligkeit),

• mechanische Beanspruchung (Gefährdungspotenzial),

• wasserstofflieferndes Medium (Wasserstoffgefährdungspotenzial).

Bild 1. : Voraussetzungen für das A

Gefährdet hinsichtlich wassersto

Stahlteile (Versprödungsanfälligke

Norm DIN 50969 [1] als hochfest

(ggf. auch lokal begrenzt, z. B

Schweißnahtbereich) ist die Gefäh

Zur Klarstellung sei erwähnt, dass

der irreversible Schädigungsvor

Wasserstoff an inneren Fehlstelle

den entstehenden Druck übertrof

Zum Wasserstoffgehalt von Stähle

und ohne jede weitere Oberfläc

gemessen wird. Es handelt sich üb

gelösten Wasserstoff. Bild 2 zeig

daraus ergebende Gitterverzerrun

für die Wasserstoffbestimmung ge

as Auftreten eines wasserstoffinduzierten Sprödbru

rstoffinduzierter Rissbildung bis hin zum Bruch si

lligkeit). Eine scharfe Festigkeitsgrenze ab der ein

fest gilt, kann nicht angegeben werden. Ab Festig

z. B. bei einsatzgehärteten oder kaltverformten

efährdung durch eine Wasserstoffversprödung beso

ass es hier nicht um den Wasserstoff in weichen Stä

vorgang in einer Rekombination von atomarem

tellen besteht und dabei die Festigkeitswerte des

troffen werden.

ählen ist festzustellen, dass dieser auch nach der St

flächenbehandlung in einer Größenordnung von e

h überwiegend um den im Gitter in Zwischengitterp

zeigt schematisch für einen solchen Fall das Metal

rrung, die wie weiter unten beschrieben zu messte

g genutzt werden kann.

dbruchs

h sind alle hochfesten

ein Stahl im Sinne der

stigkeiten ≥ 1 000 MPa

ten Gefügen oder im

besonders zu beachten.

n Stählen geht, bei dem

arem zu molekularem

des Werkstoffes durch

r Stahlherstellung stets

n etwa 0,4 bis 1 ppm

terplätzen (interstitiell)

etallgitter und die sich

sstechnischen Effekten

Bild 2.: Beispiele verschiedener Punktdefekte im Gitter. Wie

schematisch dargestellt, können weitreichende elastische Verzerrungsfelder um die

Defekte entstehen

Im Gegensatz zu normalen martensitischen Stählen weisen rostträge austenitische Stählen ein

deutlich höheres Löslichkeitsvermögen für Wasserstoff auf und zeigen eine um etwa 3

Zehnerpotenzen verminderte Diffusion. Sie sind damit weit weniger gefährdet, erreichen aber

natürlich auch nicht die häufig geforderten Festigkeiten. Zudem kann durch Kaltverformung und eine

damit verbundene Austenit-Martensit-Umwandlung durchaus ein Problem entstehen. Es ist also

stets atomarer Wasserstoff im Werkstoff vorhanden und entscheiden für das Auftreten eines

wasserstoffinduzierten verzögerten Sprödbruchs ist nun, ob diffusionsfähiger Wasserstoff lokal im

Bereich einer durch mechanische Zugspannungen hervorgerufene plastische Verformungszone einen

kritischen Wert erreicht. Zur Veranschaulichung zeigt Bild. 3 den allgemein akzeptierten

Mechanismus der hier diskutierten wasserstoffinduzierten Rissbildung.

Bild 3. : Mechanismus der Wasser

Der atomare Wasserstoff diffundVerformungszone, was experime

Gitterbindungskräfte (Dekohäsion

angelegten Zugspannung. Bei höh

beschriebene Vorgang der Rissbild

( Ab initio Total Energy Calculati

folgt hieraus, dass an einer kritisc

die lokale Wasserstoffkonzentrat

kritische Wasserstoffkonzentrati

Berechnungen an idealen Kristal

Dennoch soll im Folgenden

Wasserstoffmessungen im Hinblic

2. Analytische Bestimmun

Einschränkend für die Prüfung vo

Wasserstoffbestimmung in Festk

durchgeführt werden können. H

chemischen Bindung erfasst wird

atomaren Wasserstoff und dem

Schichten eingebauten InhibWerkstoffversprödung nicht rele

während andere Verfahren eine

Tiefenprofilen erlauben. Einen Üb

sserstoffversprödung

ffundiert aus energetischen Gründen in den Bereimentell nachgewiesen ist [2] und führt dort durc

sionstheorie) zu einem Anriss vorwiegend senkrech

i höherfesten Stählen treten vorwiegend interkrista

bildung ist durch theoretische Berechnungen an id

lations) grundsätzlich nachgewiesen [3]. Für die d

ritischen Stelle im Werkstoff sowohl das lokale Span

tration zu messen wären und darüber hinaus die

tration bekannt sein müßte. Im Gegensatz zu

tallgittern erscheint dies für reale Werkstoffe der

den darauf eingegangen werde, welchen N

blick auf die Versprödungsproblematik bieten.

mungsmethoden des Wasserstoffgehaltes in Ba

g von Bauteilen ist, dass die meisten analytischen

estkörpern nur an kleinen Probekörpern nicht je

n. Hinzu kommt, dass i.a. der Wasserstoff unab

wird. Es kann dabei also nicht immer zwischen dem

dem beispielsweise als Hydrid oder in Form von

nhibitormolekülen unterschieden werden, brelevante Faktoren . Einige Verfahren ermitteln

eine lokale Auflösung und damit die Ermittlung

Überblick über die wichtigsten Methoden bietet Ta

ereich der plastischen urch Verringerung der

recht zu der von außen

ristalline Risse auf. Der

n idealen Kristallgittern

ie diskutierte Thematik

Spannungsfeld als auch

die für eine Rißbildung

z zu den erwähnten

derzeit nicht möglich.

Nutzen und Sinn

n Bauteilen

hen Methoden für die

t jedoch an Bauteilen

nabhängig von seiner

dem diffusionsfähigen

von in abgeschiedene

beides für eine tteln integrale Werte,

lung von Wasserstoff-

t Tabelle 1.

Tabelle 1.: Methoden zur Wasserstoffbestimmung

Mit der Heißextraktion ist eine quantitative, jedoch integrale Bestimmung des gesamten

Wasserstoffs eines Probekörpers im Bereich bis 50 ppm mit einer Genauigkeit von 0,1 ppm möglich.

Eine lokale Analyse und somit ein Tiefenprofil können nicht erstellt werden. Bei beschichteten

Proben ist durch geeignete Vorbehandlung, etwa durch Strahlen bei tieferen Temperaturen, die

Schichtabtragung [4] möglich, ohne dass das Untersuchungsergebnis verfälscht wird. Somit kann eine

Aussage über den Wasserstoffgehalt des Grundkörpers selbst gemacht werden. Daneben ist durch

Variation der Temperatur bei der Extraktion eine Aussage über die energetische Verteilung des

Wasserstoffs im Gitter (Spektrum der Bindungsenergie) möglich [2]. Wenn nun in einer Fertigung

stets alle Parameter (!) identisch konstant sind, ist hier eine begrenzte Aussage über eine

Wasserstoffversprödung gegeben. Hierzu muß durch unabhängige Untersuchungen (statische

Zugversuche-Zeitstandversuche, siehe Abschnitt 4) an identischen Bauteilen/Probekörpern eine

Korrelation zwischen dem Wasserstoffgehalt versprödeter und einwandfreier Proben erarbeitet

werden. Unter diesen sehr engen Bedingungen kann die Wasserstoffbestimmung einen deutlichen

Hinweis auf das Vorliegen einer Versprödung bzw. Versprödungsfreiheit bieten.

Eine ebenfalls weit verbreitete Analysenmethode ist die Glimmentladungsspektroskopie (GD-OES).

Hierbei können alle Elemente und somit auch der leichte Wasserstoff, dieser mit einer Genauigkeit

von etwa 1 ppm lokal detektiert werden. Somit sind mit diesem Verfahren Tiefenprofile möglich. Die

laterale Auflösung ist durch den Brennfleck der Glimmentladung bestimmt. Bild 4 zeigt Tiefenprofile

von Wasserstoff sowie weiterer Element für eine Cd-Abscheidung auf Stahl ohne (4a) und nach einer

Wärmebehandlung (4b). Es ist deutlich erkennbar, dass sich der Wasserstoff bei der Cd-Abscheidung

vermehrt an der Phasengrenze Metall/Schicht konzentriert ,durch die Wärmebehandlung

offensichtlich durch die Schicht effundiert und sich gleichzeitig bei verminderter Konzentration eine

Gleichverteilung im Grundwerkstoff einstellt. Der Vergleich entsprechend beschichteter Probekörper

für Zugversuche zeigt im Falle der Beschichtung ohne Nachbehandlung eine Versprödung, während

die Proben nach der Wärmebehandlung keine Versprödung aufweisen [5]. Dies ist auch für andere

Beschichtungen/Beschichtungssysteme gültig. Eine quantitative Messung des Wasserstoffs ist derzeit

jedoch nicht möglich, da eine zertifizierte Referenzprobe hierfür nicht existiert. Es gibt jedoch

Ansätze, nach denen in die Schichten eingebaute organische Substanzen (Additive, Inhibitoren) und

deren Vergleichsmessung mit einer absoluten Bestimmungsmethode zu einer solchen Referenz

führen können [6]. Als Beispiel hierfür zeigt Bild 5 den in der Schicht durch unterschiedliche

Additivgehalte im Elektrolyten in die Schichten eingebauten Wasserstoff. Die Voraussetzung einer

Analytical

Method

Detection

of H

Quantification

of H

Limitations

HotE √√√√ √√√√ no local information

(i.e., no depth profiles)

NRA √√√√ √√√√ analysed depth of up to only 1-2 µm

LoDH ~10 ppm

ERDA √√√√ √√√√ „

SIMS √√√√ – lack of H-CRM,

thin layers

GD-OES √√√√ – lack of H-CRM

homogenen Verteilung in der Schicht und der notwendigen Langzeitstabilität des Systems ist dabei

gegeben.

Bild 4a.: Wasserstoffprofil einer Stahlprobe nach Cd-Abscheidung (Bem. Das Cd-Profil ist nicht

gezeigt)

Bild 4b.: Wasserstoffprofil einer Stahlprobe nach Cd-Abscheidung und einer Wärmebehandlung

( 180 Grad C, 2 h)

0 50 100 150 200

0

5

10

Sputtering time /s

(a)

Cd layer

Steel

substrate

NO C

H

Fe

Intensity (a. u.)

0 50 100 150 200

0

5

10

(b)

NO

C

H

Fe

Intensity (a. u.)

Sputtering time /s

Bild 5.: Elementprofile von Zn-Schichten abgeschieden mit hoher (1) und geringer (3)

Additivkonzentrationen. Entscheidend ist bei dieser Darstellung das Verhältnis Zink/Wasserstoff.

Für die GD-OES gilt bezüglich einer Aussage über die Wasserstoffversprödung galvanotechnisch

beschichteter Bauteile das für die Heißextraktion ausgeführte. Vorteilhaft bei der GD-OES ist, dass

hierbei nicht nur kleine definierte Probekörper, sondern grundsätzlich auch Bauteile untersucht

werden können.

Die übrigen in der Tabelle aufgeführten Analysenmethoden sind eher bei größeren Institutionen zu

finden. So wird bei der NRA ( Nuclear Reaction Analysis) der Wasserstoffnachweis durch eine

Kernreaktion geführt. Hierbei reagieren schnelle Stickstoff(15)isotope mit Wasserstoff zu

Kohlenstoff(12) bei einer gleichzeitig abgegebenen Gamma-Strahlung, deren Intensität ein Maß für

0 50 100 150 200

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

1

N

MnO

C

Zn

H

Fe

Sputtering time /s

Intensity (a. u.)

0 50 100 150 200

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Mn

Fe

N OC

H

Zn

3

Intensity (a. u.)

Sputtering time /s

die an der Reaktion beteiligten Wasserstoffatome ist. Diese absolute Messmethode ist gut für die

Zertifizierung eines Wasserstoff-Referenzmaterials geeignet. Die Profiltiefe der Methode beträgt 1

bis 2 Mikrometer, die Nachweisgrenze für Wasserstoff 10 ppm.

ERDA (Elastic Recoil Detection Analysis) ist ebenfalls eine absolute Methode, die auf einem

atomphysikalischen Hochenergiestreueffekt beruht. SIMS (Secondary Ion Mass Spectrometry) ist

eine sehr empfindliche Analysenmethode, die ein Vakuum verlangt und für sehr dünne Schichten

geeignet ist. Für quantitative Aussagen wird ein zertifiziertes Referenzmaterial benötigt.

3. Weitere Verfahren zur Charakterisierung von Wasserstoff in Metallen

Durch die Änderung des Spannungszustandes des Metallgitters bei einer Wasserstoffaufnahme

verändern sich eine Reihe physikalischer Größen, die grundsätzlich zu einer Charakterisierung des

Bauteilzustandes genutzt werden können. Die Problematik besteht nun darin, eine geeignete

Messgröße zu finden, deren Veränderung mit der Menge des aufgenommenen Wasserstoffs im

Hinblick auf eine kritische Konzentration korreliert werden kann und die in der Praxis durchführbar

ist. Die im Bereich einiger ppm aufgenommene Wasserstoffmenge führt zwar zu Änderungen der

Gitterkonstanten, jedoch ist diese so gering (etwa 10-6 der Gitterkonstanten), dass eine Messung

makroskopischer Längen- oder Volumenänderungen keinen Sinn macht.

3.1 Schwingungsmeßmethoden

Aussichtsreich sind dagegen Schwingungsmessmethoden. Bei Aufnahme von Wasserstoff im

Metallgitter verändern sich die inneren Spannungszustände, was bei erzwungenen Schwingungen zu

einer inneren Reibung führt. Die damit verbundene Abweichung vom idealen (unbeeinflußten)

elastischen Verhalten kann messtechnisch erfasst werden. Der Nachweis von Wasserstoff ohne

bereits erfolgte Werstoffschädigungen kann durch Messung der Schwingungsamplitude im

Resonanzfall erfolgen. Bei einer Wasserstoffbeladung nimmt die Schwingungsamplitude von

Resonanzschwingungen des Prüfkörpers (Zugprobe) kontinuierlich mit zunehmender Beladezeit und

damit zunehmendem Wasserstoffgehalt ab. Dies zeigt Bild 6.

Bild 6.: Zunahme des Wasserstoffgehaltes und Abnahme der Schwingungsamplitude einer

Resonanzschwingung während einer Wasserstoffbeladung – Werkstoff 50CrV4, 1n H2SO4,

Stromdichte 20 mA/cm-2 [7]

In gleicher Weise läßt sich wie in Bild 7 gezeigt, durch Messung der Amplitudenabnahme einer

Resonanzschwingung die Wasserstoffeffusion aus einem Werkstoff durch Auslagerung verfolgen.

Bild 7.: Amplitudenabnahme einer scheibenförmigen Probe und damit des Wasserstoffgehaltes der

Probe in Abhängigkeit von der Auslagerungszeit

Werden die ermittelten Werte der Abnahme der Schwingungsamplitude (und der Wasserstoffgehalt)

mit für die Wasserstoffversprödung relevanten Werten der Brucheinschnürung und Zugfestigkeit

korreliert, so kann ein „Wasserstoffversprödungsindex“ definiert werden. Dieser stellt ein Maß für

die Wasserstoffversprödungsgefährdung dar [8].

Die Messung der Resonanzfrequenz selbst in Abhängigkeit vom aufgenommenen Wasserstoffgehalt

erfordert sehr genaue Messungen oder einen hohen Wasserstoffgehalt, wie er in der Praxis der

galvanotechnischen Verfahren nicht auftritt. Dieses Verfahren erscheint daher weniger geeignet.

Einen Sonderfall der Schwingungsmessungen stellt die messtechnische Nutzung des „Gorsky“ -

Effektes dar [9]. Hierbei wird durch das einmalige Aufbringen (Puls) einer Biege- oder

Torsionsbelastung die anelastische Diffusionsnachwirkung ermittelt. Dieser Effekt ist gekennzeichnet

durch die Bewegung von interstitiellen Defekten im Gitter (innere Reibung), durch welche auch die

Diffusion von Wasserstoff erfolgt. Die Diffusion des Wasserstoffs erfolgt hierbei von

Werkstoffbereichen der Gitterkontraktion zu Bereichen der Gitterdilation (Gorsky-Effekt). Daher ist

die Dämpfung des Schwingungspulses zur Bestimmung des Diffusionskoeffizienten von Wasserstoff

im Gitter sehr gut geeignet. Bild 8 zeigt schematisch den Zeitverlauf der aufgebrachten Dehnung und deren Auswirkung auf die Spannung. Die Relaxationseffekte bei der Pulsabschaltung können zur

Bestimmung des Wasserstoffgehaltes und dessen Diffusionskoeffizienten im Metallgitter

ausgewertet werden.

Bild 8.: Relaxation der Spannung bei Anlegen einer instantanen Dehnung (Gorsky-Effekt)

3.2 Schallmessungen

Gitterveränderungen führen ebenfalls zu einer Änderung der Schallgeschwindigkeit und können

daher zur Charakterisierung des Wasserstoffs im Metall genutzt werden. Die Bestimmung der

Schallgeschwindigkeit eines ausgesandten Ultraschallimpulses im Werkstoff kann einfach durch die

Messung der Laufzeit und der durchlaufenen Wegstrecke durchgeführt werden. Wasserstoff im

Metallgitter führt dabei zu einer Abnahme der Schallgeschwindigkeit. Bei dem Verfahren muss die

Wegstrecke des Ultraschallimpulses sehr genau gemessen und die Schallgeschwindigkeit des unbeeinflussten Werkstoffes entweder bekannt oder durch Messung ebenfalls ermittelt werden. Da

dies an Bauteilen meist schwierig ist, handelt es sich eher um eine Labormesstechnik zur

grundsätzlichen Untersuchung über die Empfindlichkeit von Werkstoffen gegenüber

Wasserstoffversprödung.

Weniger Einschränkungen liegen vor, wenn gleichzeitig die Schallgeschwindigkeit von eingestrahlten

Longitudinal- und Transversalwellen ermittelt werden. Hierbei wird keine unbeeinflusste

Vergleichprobe benötigt. Erforderlich ist allerdings ein einwandfreies Rückwandecho der

untersuchten Probe. Das Verhältnis der Laufzeiten beider Wellen und damit der entsprechenden

Schallgeschwindigkeiten an derselben Messposition ermöglicht die Erfassung der Wasserstoffaufnahme im Werkstück ohne bereits erfolgte Werkstoffschädigung sowie auch eine

bereits eingetretene Mikrorissbildung. Im technisch relevanten Bereich der Wasserstoffaufnahme

von einigen ppm ändert sich das Verhältnis der Schallgeschwindigkeiten allerdings nur um etwa 0,1

%. Nach Literaturangaben [10] kann ein Stahl als wasserstoffgeschädigt angesehen werden, wenn das

Schallgeschwindigkeitsverhältnis vt/vl größer ist als 0,55. Für einen ungeschädigten Werkstoff

beträgt dieser Wert 0,54. Diese geringen Differenzen machen jedoch deutlich, dass hier hohe

messtechnische Anforderungen vorliegen und eine Absicherung des Ergebnisses durch weitere

unabhängige und relevante Verfahren (siehe Abschnitt 4) notwendig ist.

Schließlich soll noch kurz auf Schallemissionsmessungen eingegangen werde. Hierbei werden mit piezoelektrischen Aufnehmern Schallwellen registriert, die in Festkörpern bei rascher Freisetzung von

elastisch gespeicherter Energie, wie etwa Versetzungsbewegungen oder Mikrorissbildung

ausgesendet werden. Durch Analyse der Schallemission kann zwischen den Versetzungsbewegungen

(kontinierlicher Zeitverlauf) und einer Rißbildung (Burstsignale) unterschieden werde. Damit ist diese

Methode im Wesentlichen zur Charakterisierung einer Werkstoffschädigung nicht jedoch zur

Erfassung des Wasserstoffgehaltes im Werkstoff geeignet. Durch Messung der Schallemission an

einer Probe im Zugversuch bei mehrfacher und steigender Beanspruchung kann jedoch eine

Wasserstoffversprödung an Hand des „Kaiser-Effektes“ [11] diagnostiziert werden. Das Verfahren

kann allerdings nur als quasi-zerstörungsfrei eingestuft werden.

Zur Ermittlung einer Werkstoffschädigung, also der Rißbildung und Rißausbreitung selbst stehen aus dem Bereich der zerstörungsfreien Werkstoffprüfung natürlich noch weitere Methoden wie etwa der

schon erwähnten Ultraschallprüfung, Wirbelstrommessung, lasergestützter thermoelektrischer

Verfahren u.a. zur Verfügung. Dies gilt auch für eine Unterscheidung von unterkritischer und

kritischer Rissbildung in Bauteilen, was bei einem Monitoring von Bedeutung sein kann.

3.3 Magnetische und elektrische Verfahren

Eine weitere Möglichkeit der Charakterisierung von Wasserstoff in einem ferromagnetischen

Metallgitter (z.B.martensitischer Stahl) besteht in der Nutzung des magnetischen „Barkhausen-Effektes“ (auch Barkhausensprünge oder Barkhausenrauschen genannt). Hierunter versteht man die

diskontinuierliche Änderungen der Magnetisierung von ferromagnetischen Werkstoffen bei einem

Wechsel des magnetischen Feldes: Legt man ein äußeres magnetisches Feld an einen

ferromagnetischen Werkstoff an und erhöht langsam die Feldstärke, so steigt die Magnetisierung

nicht stetig, sondern in kleinen Differenzen, den Barkhausen-Sprüngen, die sich auch akustisch

nachweisen lassen.

Die Ursache sind elementare magnetische Momente in kleinen Bereichen einheitlicher

Magnetisierungsrichtung, den so genannten Weiss-Bezirken, die von Bloch-Wänden getrennt

werden. Durch die angelegte magnetische Feldstärke verschieben sich die Bloch-Wände, sie

springen dabei von Gitterfehler zu Gitterfehler. Die Magnetisierungskurve ist dann einer

Treppenkurve vergleichbar. Der Anstieg der Treppenabsätze bildet dann den reversiblen Anteil der magnetischen Suszeptibilität, die Höhe des Treppenabsatzes ist die Magnetisierungsänderung durch

den irreversiblen Anteil. Es ist klar, daß der Umklappprozess der Weiss-Bezirke durch

Gitterverzerrungen, wie sie durch den eingelagerten Wasserstoff hervorgerufen werde (vergl. Bild 1)

beeinflußt wird und dieser durch Aufnahme der Magnetisierungskurve nachgewiesen werden kann.

Für die Entwicklung einer zuverlässigen Meßmethode sind aber sich noch weitere grundsätzliche

Untersuchungen erforderlich und selbstverständlich muss eine Absicherung durch unabhängige

sichere Verfahren (siehe Abschnitt 4) erfolgen. Neben der magnetischen Barkhausen-Methode kann

durch Messung der Schallemission in einem magnetischen Wechselfeld eine Steigerung der

Empfindlichkeit erreicht werden (magnetoakustische Messmethode auch als „akustischer

Barkhausen-Effekt“bezeichnet).

Widerstands- und Leitfähigkeitsmessungen zur Überprüfung von Stählen sind bei den in der Praxis

auftretenden wenigen ppm Wasserstoff nicht möglich, da die Effekte zu gering sind. Anders verhält

sich das beispielsweise bei den refraktären Metallen Niob und Tantal, wo eine Wasserstoffaufnahme

sicher durch elektrische Leitfähigkeitsmessungen nachgewiesen werden kann [12].

4. Sichere Prüfmethoden für eine Wasserstoffversprödung

Zur Fragestellung, durch welche Prüfung sicher gestellt werden kann, daß ein oberflächentechnisch

behandeltes Bauteil keine Wasserstoffversprödung aufweist, sei auf die überarbeitete DIN 50 969 [1]

verwiesen. Hier wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Wasserstoffmessungen bzw.

Wasserstoff-Durchtrittsmessungen (z.B. mittels elektrochemischer Permeationsmessungen) sind in

Verbindung mit anderen Verfahren aussagefähig, da sie lediglich das Wasserstoffgefährdungspotential definieren können.

Als relevante Prüfmethoden kommen hierbei Verspannungsprüfungen, Kerbzugprüfungen sowie

Biegeprüfungen in Betracht. Da der Mechanismus der wasserstoffinduzierten verzögerten

Sprödbruches wie oben dargestellt diffusionsbestimmt ist (s. Bild 2), handelt es sich also um

Zeitstandversuche oder um sehr langsame Zugprüfungen. So haben Untersuchungen ergeben, dass

bei einer Dehnrate von 1 N/mm2s eine Versprödung durch eine deutliche Abnahme der

Bruchspannung sowie der Brucheinschnürung bei gleichzeitiger charakteristischer interkristalliner

Bruchfläche eindeutig nachweisbar ist [13]. Ein Verfahren, durch welches die sonst vorgeschriebene

Prüfzeit für die Zeitstandversuche von 200 h deutlich verringert werden kann.

Generell ist der Nachweis eines erfolgreich durchgeführten Gesamtprozesses nach DIN 50969 durch

eine Verspannungsprüfung am beschichteten Bauteil zu erbringen. Da jedoch in den meisten Fällen

entweder die Bauteile hierfür nicht geeignet sind und andererseits eine statistisch abgesicherte

Aussage wegen der dafür erforderlichen Anzahl der zu prüfenden Teile nicht möglich ist, muss häufig

ein Wechsel von der Bauteilprüfung zur Prozesskontrolle unter “worst case” Betrachtung erfolgen.

Das bedeutet eine Kontrolle des Gesamtprozesses durch Testkörper, die wesentlich kritischer sind als

die zu behandelnden Bauteile. Für die Prozess- und Fertigungsüberwachung hat neben der

Verspannungsprüfung von Schrauben/Muttern sowie der C – Ringprüfung die Verspannungsprüfung

von Wellensicherungsringen (WSR) für die Praxis besondere Bedeutung.

Der prinzipielle Versuchsaufbau

größer als 28 mm ist nach einer E

[14,15].

Bild 9.: Messvorrichtung zur Proze

Die Prüfnorm (DIN 50 969 Teil2)

die Zertifizierung, den Verfahrens

des Prüfberichtes.

5. Zusammenfassung

Die Fragestellung ob die Bestimm

Ausschliessen einer vorliegendebeantwortet werden. Da es für di

einer durch die Spannungsve

Wasserstoffmessung lediglich da

Prüfung kommen daher die in D

sowie Biegeprüfungen in Betracht

Sind in einer Fertigung stets alle

Wasserstoffgehaltes im Bauteil (e

Wasserstoffversprödung möglich

Untersuchungen (siehe Abschn

zwischen dem Wasserstoffgehalt v

Es wird auf die verschiedenen

Aussagekraft eingegangen. Da Wa

eine Reihe physikalischer Eigens

damit potentiell zur Aussage üb

werden Schwingungsmessungen

bau für den Verspannungsversuch mit WSR-Nenn

ner Entwicklung der TU Darmstadt im folgenden Bil

rozess- und Fertigungsüberwachung mit Wellensiche

) beschreibt die Qualifizierung der Prüfkörper, die

rensablauf, die Interpretation der Testergebnisse s

immung von Wasserstoff in einem Bauteil zur Fes

nden Wasserstoffversprödung geeignet ist, kannr diese Werkstoffschädigung auf die Konzentration

sverteilung im Bauteil definierten Zone anko

das Wasserstoffgefährdungspotential definieren

in DIN 50 969 definierten Verspannungsprüfungen,

acht.

alle Parameter (!) identisch konstant, so ist jedoch

il (etwa zur Fertigungsüberwachung) eine begrenzte

lich. Hierzu ist allerdings erforderlich, durch un

schnitt 4) an identischen Bauteilen/Probekörper

alt versprödeter und einwandfreier Proben zu erarb

nen analytischen Verfahren zur Wasserstoffbestim

Wasserstoff im Metallgitter lokal Gitterverspannun

enschaften für die messtechnische Erfassung die

über eine wasserstoffinduzierte Werkstoffschädi

ngen, Schallmessungen sowie magnetische

enngrößen (DIN 471)

Bild 9 wiedergegeben

sicherungsringen

, die Referenzversuche,

se sowie die Abfassung

Feststellung bzw. zum

kann nur differenziert ion des Wasserstoffs in

ankommt, kann eine

ren. Für eine sichere

gen, Kerbzugprüfungen

och durch Messung des

nzte Aussage über eine

unabhängige sichere

rpern eine Korrelation

rarbeiten.

estimmung und deren

nungen hervorruft sind

dieses Vorganges und

ädigung geeignet. Es

che und elektrische

Messmöglichkeiten angesprochen. Schließlich wird kurz auf die genormten Verfahren zur Messung

der Wasserstoffversprödung eingegangen.

Literatur.

[1] DIN 50 969 „Vermeidung fertigungsbedingter wasserstoffinduzierter Sprödbrüche bei

hochfesten Bauteilen aus Stahl “; Teil 1: Vorbeugende Maßnahmen (2009) Teil 2:

Prüfmethoden (2011)

[2] V. A. Polyanskiy et.al., Proceedings of the Sixth International Congress

on Thermal Stresses, V.2, p.589-592, Vienna, Austria, May 2005.

[3] W. T. Geng, A. J. Freeman, G. B. Olson, Y. Tateyama, und T. Ohno, Mater. Trans. 2005, 46, 756

[4] J.-U. Riedel, Ph.D. Thesis, TU Berlin, Germany, 2006.

[5] W. Paatsch, V.-D. Hodoroaba, Metalloberfläche 2002, 56, 41

[6] W. Paatsch, Veröffentlichung in Vorbereitung

[7] P. Schiller, Nuovo Cimento 1976, 33B, 226

[8] Kh. G. Schmitt-Thomas, A: Bauberger; NDT International 1988, 21, 327

[9] J. Völkl, G. Alefeld, Nuovo Cimento, 1976, 33B, 190

[10] Y. Hasegawa, Welding International 1988, 2, 514

[11].J. Kaiser, Archiv für das Eisenhüttenwewsen 1953, 24, 43

[12] U. Heuberger, A. Knödler und Ch.J. Raub, Metall 1983, 37, 244

[13] W. Paatsch, Galvanotechnik 1986, 77, 2378

[14] W. Paatsch, R. Landgrebe, M.M. Lohrengel, Galvanotechnik 2009, 6, 1280

[15] I. Schröder-Rentrop, R. Landgrebe, C. Berger, U. Hasselmann, Materialwissenschaft und

Werkstofftechnik 2005, 36, 731W W

Veröffentlicht in Galvanotechnik 2011, 48 - 55

Korrespondenzadresse: W. Paatsch, [email protected]