Was Unternehmer von Ottmar Hitzfeld lernen können · Ottmar Hitzfeld ist der Prototyp eines...

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00 KMU-Magazin Nr. 6, Juni 2013 Strategie & Management Ein Fussballtrainer muss elf Charaktere unter einen Hut bringen und sie mit dem Sieger- und dem Team-Spirit impfen – ohne gleichzeitig ihre individuellen Fä- higkeiten zu opfern. Eine Herausforde- rung, vor der auch Leader in der Wirtschaft stehen. Der Führungsstil, den Fussballtrainer praktizieren, passt nicht nur auf den Fussballplatz. Führungs- kräfte – auch wenn sie sich nicht als Fuss- ballfans verstehen – tun gut daran, sich intensiv mit Fussballtrainern und deren Leadership-Prinzipien zu beschäftigen. Der Unterschied zwischen den beiden Welten besteht einzig darin, dass man in einem Unternehmen meist ruhiger arbei- ten kann als in einem Fussballteam, weil man nicht permanent im Fokus der Öf- fentlichkeit steht. Lektion 1: Die Vermittlung des grossen Planes Konstanter Wettbewerb ist gut für alle. Er fördert das Leistungsdenken aber nur, wenn er nicht destruktiv als Keule einge- setzt wird, die beim kleinsten Fehler nie- dersaust. Moderne Fussballtrainer ver- stehen es meisterhaft, den Wettbewerb als optimistische Botschaft zu vermitteln. Demnach ist er Teil eines grossen Planes, der schlussendlich im Erreichen eines sportlichen Zieles aufgehen muss. Jeder erfolgsorientierte Mannschaftsstratege muss über einen Plan verfügen. Er schweisst die verschiedenen Charaktere zusammen, befriedigt deren Ego und setzt nicht erst im Finale Glückshormone frei. «Die Hälfte eines Teams sind Egois- ten», fasst Ottmar Hitzfeld seine Erfah- rungen zusammen. Grosse Egos in den Dienst des Mannschaftserfolgs zu stellen, hat keiner so erfolgreich geschafft wie er. Die Lehre daraus: Ein CEO zeigt Lea- dership, wenn es ihm gelingt, einer Gruppe von Menschen eine Richtung zu geben, so dass diese sich mit dem Ziel und der Philosophie identifizieren können. Ein guter Leader kann seine Vision nicht nur sprachlich attraktiv formulieren, son- dern sie auch mit Werten und Überzeu- gungen füllen. Viele Unternehmer klagen über den Franken/Euro-Kurs, statt sich den Herausforderungen der Zeit mit ei- ner positiven Leistungsvision zu stellen. Lektion 2: Es gibt keine Stamm- platz-Garantie Für Ottmar Hitzfeld war schon bei Bayern München klar. «Wettbewerb belebt das Geschäft. Jeder muss um seinen Stamm- platz kämpfen.» Der Trainer setzt dabei auf den Egoismus des einzelnen Spielers und den Mannschafts-Darwinismus. Der Beste soll sich durchsetzen und opportu- nistisch seine Chance suchen. Damit bringt er sich und schlussendlich auch die Mannschaft vorwärts. Aber anders Stephan Isenschmid Leadership Was Unternehmer von Ottmar Hitzfeld lernen können Auch eine Mannschaft aus überragenden Einzelspielern macht noch längst kein Meister- team. Erst ein guter Trainer mit strategischer Expertise und Leaderqualitäten formt die indi- viduellen Qualitäten zu einem erfolgreichen Ganzen. Das ist im Fussball so, und das ist auch in einem Unternehmen so. kurz & bündig Moderne Fussballtrainer verste- hen es meisterhaft, den Wettbe- werb als optimistische Botschaft zu vermitteln. Der Trainer muss offen und ehr- lich sagen, was er von seinem Personal erwartet. Es zählen nicht mehr die Erfolge aus der Vergangenheit, sondern die aktuelle Leistung und die in- dividuelle Perspektive. Dies soll Anreiz sein für die Mitarbeiter, immer ihr Bestes zu geben. Ein guter Trainer spürt, wer ge- rade Zuwendung braucht und wer eher etwas vorwärtsgetrie- ben werden muss. !

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Page 1: Was Unternehmer von Ottmar Hitzfeld lernen können · Ottmar Hitzfeld ist der Prototyp eines Trainers, der auf Psychologie setzt und mit den Spielern redet. Dabei muss es nicht immer

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KMU-Magazin Nr. 6, Juni 2013

Strategie & Management

Ein Fussballtrainer muss elf Charaktere unter einen Hut bringen und sie mit dem Sieger- und dem Team-Spirit impfen – ohne gleichzeitig ihre individuellen Fä-higkeiten zu opfern. Eine Herausforde-rung, vor der auch Leader in der Wirt schaft stehen. Der Führungsstil, den Fussballtrainer praktizieren, passt nicht nur auf den Fussballplatz. Führungs-kräfte – auch wenn sie sich nicht als Fuss-ballfans verstehen – tun gut daran, sich intensiv mit Fussballtrainern und deren Leadership-Prinzipien zu beschäftigen. Der Unterschied zwischen den beiden Welten besteht einzig darin, dass man in einem Unternehmen meist ruhiger arbei-ten kann als in einem Fussballteam, weil man nicht permanent im Fokus der Öf-fentlichkeit steht.

Lektion 1: Die Vermittlung des grossen PlanesKonstanter Wettbewerb ist gut für alle. Er fördert das Leistungsdenken aber nur, wenn er nicht destruktiv als Keule einge-setzt wird, die beim kleinsten Fehler nie-dersaust. Moderne Fussballtrainer ver-stehen es meisterhaft, den Wettbewerb als optimistische Botschaft zu vermitteln. Demnach ist er Teil eines grossen Planes,

der schlussendlich im Erreichen eines sportlichen Zieles aufgehen muss. Jeder erfolgsorientierte Mannschaftsstratege muss über einen Plan verfügen. Er schweisst die verschiedenen Charaktere zusammen, befriedigt deren Ego und setzt nicht erst im Finale Glückshormone frei. «Die Hälfte eines Teams sind Egois-

ten», fasst Ottmar Hitzfeld seine Erfah-rungen zusammen. Grosse Egos in den Dienst des Mannschaftserfolgs zu stellen, hat keiner so erfolgreich geschafft wie er. Die Lehre daraus: Ein CEO zeigt Lea-dership, wenn es ihm gelingt, einer Gruppe von Menschen eine Richtung zu geben, so dass diese sich mit dem Ziel und der Philosophie identifizieren können. Ein guter Leader kann seine Vision nicht nur sprachlich attraktiv formulieren, son-dern sie auch mit Werten und Überzeu-gungen füllen. Viele Unternehmer klagen über den Franken/Euro-Kurs, statt sich den Herausforderungen der Zeit mit ei-ner positiven Leistungsvision zu stellen. Lektion 2: Es gibt keine Stamm-platz-GarantieFür Ottmar Hitzfeld war schon bei Bayern München klar. «Wettbewerb belebt das Geschäft. Jeder muss um seinen Stamm-platz kämpfen.» Der Trainer setzt dabei auf den Egoismus des einzelnen Spielers und den Mannschafts-Darwinismus. Der Beste soll sich durchsetzen und opportu-nistisch seine Chance suchen. Damit bringt er sich und schlussendlich auch die Mannschaft vorwärts. Aber anders

› Stephan Isenschmid

Leadership

Was Unternehmer von Ottmar Hitzfeld lernen könnenAuch eine Mannschaft aus überragenden Einzelspielern macht noch längst kein Meister-

team. Erst ein guter Trainer mit strategischer Expertise und Leaderqualitäten formt die indi-

viduellen Qualitäten zu einem erfolgreichen Ganzen. Das ist im Fussball so, und das ist auch

in einem Unternehmen so.

kurz & bündig

› Moderne Fussballtrainer verste-hen es meisterhaft, den Wettbe-werb als optimistische Botschaft zu vermitteln.

› Der Trainer muss offen und ehr-lich sagen, was er von seinem Personal erwartet.

› Es zählen nicht mehr die Erfolge aus der Vergangenheit, sondern die aktuelle Leistung und die in-dividuelle Perspektive. Dies soll Anreiz sein für die Mitarbeiter, immer ihr Bestes zu geben.

› Ein guter Trainer spürt, wer ge-rade Zuwendung braucht und wer eher etwas vorwärtsgetrie-ben werden muss.

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als Hitzfeld, der bei Torhüter Oliver Kahn einst eine Ausnahme machte, zieht Mu-rat Yakin, der heutige Trainer des FC Ba-sel, sein Prinzip eisern durch und stellte im Frühjahr den Schweizer Rekordtor-schützen Alex Frei, ein Basler Fussball-Denkmal, auf die Ersatzbank, bevor sich dieser dann in Richtung FC Luzern aus dem Staub machte. Die Lehre daraus: Es zählen nicht mehr die Erfolge aus der Vergangenheit, sondern die aktuelle Leistung und die in-dividuelle Perspektive. Dies soll Anreiz sein für die Mitarbeiter, immer ihr Bestes zu geben. Wenn Interessen und Kompe-tenzen von Mitarbeitern so eingesetzt werden, dass dabei der grösstmögliche Wirkungsgrad erzielt wird, profitiert sowohl das Unternehmen als auch der Mitarbeiter selbst. Lektion 3: Motivation und Eigen-verantwortung Ottmar Hitzfeld ist der Prototyp eines Trainers, der auf Psychologie setzt und mit den Spielern redet. Dabei muss es nicht immer über Fussball gehen. Er spürt, wer gerade Zuwendung braucht und wer eher etwas vorwärtsgetrieben werden muss. Dabei versteht er es wie kaum ein anderer, eine Beziehung zu den Spielern aufzubauen und das Beste aus den Leuten und einer Mannschaft heraus-zuholen. Das Schlüsselwort dazu heisst Vertrauen. Früher kontrollierten die Trai-ner genaustens, wann die Spieler in ihren Zimmern die Lichter löschten und schick-ten auch schon einmal Detektive los, um ihr Nachtleben und ihren Alkoholkonsum zu kontrollieren. So geht es heute nicht mehr. Auch Fussballstars sind erwach-sene Menschen und auch als solche zu be-handeln. Die Spieler sind selbst für ihr Leistungsniveau verantwortlich. Natio-nalspieler zu sein, ist eine Ehre. Wer da-zugehören will, muss bereit sein, freiwil-lig härter und mehr zu trainieren. Die Lehre daraus: Seine Mitarbeiter als eigenständige und eigenverantwortli-che Team-Player zu verstehen, stärkt ihre Motivation. Der ständige und motivie-

rende Dialog führt dazu, dass sich die Mitarbeiter auch selbst einbringen wol-len und auf dem Weg zum Ziel mitgenom-men werden können. Zur Förderung von Mitarbeitern, gehört die leistungsbezo-gene und intellektuelle Anregung ebenso wie deren emotionale Einbindung.

Lektion 4: Flexibilität statt DogmaBeim FC Bayern München war Ottmar Hitzfeld in der komfortablen Situation, über eine grosse Anzahl gleichwertiger Spieler zu verfügen. Heute muss er man-gels Alternativen in der Schweizer Natio-nalmannschaft Kompromisse eingehen. Zu Beginn seiner Tätigkeit bei der Schwei-zer Nationalmannschaft verkündete Ott-mar Hitzfeld, dass er nur Spieler aufstel-len würde, die auch im Klub regelmässig spielten. Als Johann Djourou und Phi-lippe Senderos bei Arsenal kaum noch

zum Zuge kamen und monatelang keine Ernstkämpfe mehr hatten, hielt der Übungsleiter eisern an ihnen fest. Als sich die Öffentlichkeit begann, Sorgen zu ma-chen über die Einsatzfähigkeit der Spie-ler, stärkte er ihnen den Rücken, indem er sie zu momentan unverzichtbaren Stüt-zen machte, betonte aber, an seinem Grundsatz, nur Spieler mit Spielpraxis aufzustellen, festhalten zu wollen.

Die Lehre daraus: Manchmal muss man seine Prinzipien flexibel auslegen, wenn es die Umstände erfordern. Wahre Leader zeichnet aus, dass sie dies in ihrer Glaub-würdigkeit unbeschadet überstehen. Lektion 5: Ein Leader übernimmt VerantwortungDer Trainer entscheidet über Strategie, Taktik und Aufstellung. Die Spieler sind für die Umsetzung der Ideen des Übungs-

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leiters verantwortlich. Doch auch sie sind keine Übermenschen. José Mourinho, heute erfolgreich als Verantwortlicher bei Real Madrid tätig, kritisiert seine Spieler nur im persönlichen Gespräch unter vier Augen. Gegen aussen stellt er sich immer vor seine Spieler und schützt sie vor Kri-tik. Ein Beispiel: Nachdem er mit Real im letzten Jahr im Halbfinale der Champi-ons-League an Bayern München schei-terte, nachdem seine Stars Cristiano Ronaldo, Kaká und Sergio Ramos ihre Elf-meter verschossen hatten, sagte er sicht-lich verärgert: «Übermenschen gibt es nicht, die gibt es nur im Kino. Habt ihr vergessen, dass auch Messi einen Elfme-ter verschossen hat? Meine Spieler gehö-ren zu den besten der Welt, sie haben ein sehr hohes Niveau, aber sie sind auch menschlich. Ich bin stolz auf meine Leute.» José Mourinho ist nicht nur aus diesem Grund bei seinen Spielern sehr beliebt – wie schon zuvor bei Inter Mai-land, Chelsea und Porto. Seine Spieler zerreissen sich förmlich für ihn auf dem Fussballfeld.

Die Lehre daraus: Fussballspieler wie Mitarbeiter müssen den Kopf frei haben

Porträt

Stephan IsenschmidGeschäftsführer

Stephan Isenschmid ist Geschäftsführer des «Swiss Lea-dership Forum», das dieses Jahr am 7. November im Zür-cher Kongresshaus zum 10. Mal stattfindet.

Kontakt

[email protected]

für die Ausübung ihrer Tätigkeit. Sie wer-den dafür gut bezahlt. Angesichts der Mil-lionenverluste der Schweizer Wirtschaft durch Mitarbeiter, die am Arbeitsplatz ab-gelenkt sind von anderen Dingen, über die sie sich den Kopf zerbrechen, sollten sich Führungskräfte folgenden Leitspruch merken: Der Leader im Unternehmen geht als gutes Beispiel voraus, beschützt seine Mitarbeiter und nimmt in der Öf-fentlichkeit seine Verantwortung wahr.

Lektion 6: Kommunikation der Spielregeln Der Trainer muss offen und ehrlich sagen, was er von seinem Personal erwartet. Köbi Kuhn, der frühere Coach der Schwei-zer Nationalmannschaft, tat dies nicht. Seine Amtsperiode war deshalb geprägt von Missverständnissen und Auseinan-dersetzungen mit Starspielern wie Blaise Nkufo und Johann Vogel. Ersterer blühte später unter Hitzfeld auf und zeigte, was er konnte. Kuhn gab ihm nie eine Chance. Unklar blieb, weshalb. Mit geschickterer und offener Kommunikation der Spielre-geln hätten die Fälle eleganter gelöst wer-den können. Die Lehre daraus: Ein Leader fordert und fördert seine Mitarbeiter. Dazu ge-hört die Kommunikation der Spielregeln. Nur so können die Probleme, die das Spiel entscheiden, zur Sprache gebracht und gelöst werden.

Ein Manager ist nicht automatisch ein Leader. Wer glaubt, mit einem schönen Titel automatisch zum Leitwolf aufrü-cken zu können, wird bald eines Besseren belehrt. Wer will, dass ihm Menschen fol-gen und seine Führungspersönlichkeit anerkannt wird, muss sich über die Füh-rung hinaus dadurch auszeichnen, dass es ihm gelingt, eine Vision der gemeinsa-men Zukunft zu vermitteln. «