vorwärts-Sonderausgabe vom SPD-Parteitag

12
vorwärts DIE ZEITUNG DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATIE n GEGRÜNDET 1876 SONDERAUSGABE ZUM PARTEITAG Dezember 2012 INHALT ERÖFFNUNG Seite 3 STIMMUNGS- BERICHT Seite 4 STEINBRÜCK-REDE Seite 8 AM RANDE DES PARTEITAGS Seite 9 GABRIEL-REDE WEIL-REDE Seite 10 PRESSESTIMMEN Seite 11 PRESSEABEND Seite 12 STARTSCHUSS ZUM WAHLSIEG P eer Steinbrück ist Kanzlerkan- didat der SPD. Auf dem außer- ordentlichen Parteitag der So- zialdemokraten in Hannover erhielt der 65-Jährige 93,5 Prozent der Dele- giertenstimmen. 542 der 583 Delegier- ten stimmten für, 31 gegen ihn. Es gab sieben Enthaltungen und drei ungülti- ge Stimmzettel. Der Saal feierte Stein- brück mit zwölfminütigem Applaus. Vor seiner Wahl hatte Steinbrück in einer rund hundertminütigen Rede Eckpunkte einer künftigen rot-grünen Regierung skizziert und erneut klar gemacht, dass er für eine große Koa- lition nach der Bundestagswahl im kommenden Jahr nicht zur Verfügung steht. Unter den Teilnehmern des Par- teitags waren auch die Alt-Kanzler der SPD Helmut Schmidt und Gerhard Schröder. Der Parteitag stand unter dem Motto „Miteinander. Für Deutsch- land.“, das sowohl Peer Steinbrück als auch Sigmar Gabriel in ihren Reden mit Leben füllten. „Deutschland braucht wieder mehr Wir und weniger Ich“, for- derte Steinbrück in seiner Rede, in der er „mehr Haltung und Werte“ in der deutschen Politik forderte und sich klar für ein rot-grünes Bündnis nach der Bundestagswahl aussprach. „Für eine große Koalition stehe ich nicht zur Ver- fügung.“ Die Delegierten trafen sich auf dem Messegelände in Hannover. Trotz eines Wintereinbruchs in weiten Teilen Deutschlands schafften es die meisten, pünktlich um elf in Halle 7 zu sein. „Das Schneegestöber draußen ist nur ein kleiner Vorgeschmack auf den Wahl- kampf“, sagte Manuela Schwesig aus dem Tagungspräsidium. „CDU/CSU und FDP müssen sich warm anziehen.“ n KD Gratulation: Gertrud Steinbrück beglückwünscht ihren Ehemann. Gerade wurde er mit 93,5 Prozent zum Kanzlerkandidaten gewählt. FOTO: JOCHEN LÜBKE/DPA

description

vorwärts-Sonderausgabe vom SPD-Parteitag in Hannover 2012

Transcript of vorwärts-Sonderausgabe vom SPD-Parteitag

Page 1: vorwärts-Sonderausgabe vom SPD-Parteitag

vorwärtsD I E Z E I T U N G D E R D E U T S C H E N S O Z I A L D E M O K R A T I E n G E G R ü N D E T 1 8 7 6

SonderauSgabe zum Parteitag Dezember 2012

inhalt

eröffnung Seite 3

StimmungS- berichtSeite 4

Steinbrück-redeSeite 8

am rande deS ParteitagSSeite 9

gabriel-rede weil-redeSeite 10

PreSSeStimmenSeite 11

PreSSeabendSeite 12

StartSchuSS zum wahlSieg

P eer Steinbrück ist Kanzlerkan­didat der SPD. Auf dem außer­ordentlichen Parteitag der So­

zialdemokraten in Hannover erhielt der 65­Jährige 93,5 Prozent der Dele­giertenstimmen. 542 der 583 Delegier­ten stimmten für, 31 gegen ihn. Es gab sieben Enthaltungen und drei ungülti­ge Stimmzettel. Der Saal feierte Stein­brück mit zwölfminütigem Applaus.

Vor seiner Wahl hatte Steinbrück in einer rund hundertminütigen Rede

Eckpunkte einer künftigen rot­grünen Regierung skizziert und erneut klar gemacht, dass er für eine große Koa­lition nach der Bundestagswahl im kommenden Jahr nicht zur Verfügung steht. Unter den Teilnehmern des Par­teitags waren auch die Alt­Kanzler der SPD Helmut Schmidt und Gerhard Schröder.

Der Parteitag stand unter dem Motto „Miteinander. Für Deutsch­land.“, das sowohl Peer Steinbrück als

auch Sigmar Gabriel in ihren Reden mit Leben füllten. „Deutschland braucht wieder mehr Wir und weniger Ich“, for­derte Steinbrück in seiner Rede, in der er „mehr Haltung und Werte“ in der deutschen Politik forderte und sich klar für ein rot­grünes Bündnis nach der Bundestagswahl aussprach. „Für eine große Koalition stehe ich nicht zur Ver­fügung.“

Die Delegierten trafen sich auf dem Messegelände in Hannover. Trotz eines Wintereinbruchs in weiten Teilen Deutschlands schafften es die meisten, pünktlich um elf in Halle 7 zu sein. „Das Schneegestöber draußen ist nur ein kleiner Vorgeschmack auf den Wahl­kampf“, sagte Manuela Schwesig aus dem Tagungspräsidium. „CDU/CSU und FDP müssen sich warm anziehen.“ n KD

gratulation: gertrud Steinbrück beglückwünscht ihren ehemann. gerade wurde er mit 93,5 Prozent zum kanzlerkandidaten gewählt.

FOTO

: JO

CH

EN L

üb

KE/

DpA

Page 2: vorwärts-Sonderausgabe vom SPD-Parteitag

»vorwärts« jetzt auch als App + Interviews + interaktive Grafik + Videos/Slideshows + Fotogalerien

Bestellt bei uns Euer persönliches iPad (iPad 4, 16 GB, Wi-Fi) inklusive vorwärts-App für die Nutzung zu Hause (WLAN oder Hotspot- Anschluss erforderlich, Gerätetausch nach 12 Monaten möglich). Eure Bestellung wird vom vorwärts-Verlag in Zusammenarbeit mit seinem Kooperationspartner Madsack-Media-Store GmbH ausgeführt. MMS liefert Euch Euer iPad direkt per Post nach Hause. Eure monatlichen Abo-Gebühren (Mindestlaufzeit 24 Monate) + Zuzahlung + Versandkosten entrichtet Ihr per Lastschrift an den vorwärts-Verlag.

*nach der 1000. Bestellung 21,90 Euro monatlich (Mindestlaufzeit 24 Monate), iPad (iPad 4, 16 GB, Wi-Fi) zzgl. einmaliger Zuzahlung von 90,00 Euro und Versandkosten. AGB, Datenschutzbestimmungen und Bedingungen für den Vertragsrücktritt gehen Euch per Post zu.

PT 1

2/20

12

Ihre Adressdaten:

Frau Herr

Vorname Nachname

Straße/Hausnummer

PLZ Wohnort

E-Mail-Adresse Telefon

Geburtsdatum Personalausweisnummer

Bestellt einfach per Post: vorwärts Verlag, Postfach 610322, 10925 Berlin per Fax: 030/255 94-190

Zahlungsart:

Lastschrift (monatlicher Einzug der Abo-Gebühr, einmalig der Zuzahlung und Versandkosten)

Konto-Inhaber Geldinstitut

Konto-Nummer Bankleitzahl

Datum, Unterschrift

Ich willige ein, dass der Verlag eine Schufaauskunft einholt.

Ich stimme einer Abbuchung per Lastschrift zu.

Bestellcoupon Abonnement für vorwärts-App + iPad weißes Gerät schwarzes Gerät

Exklusiv für

vorwärts-Leser:

iPad + App

19,90 €*

(monatlich zzgl. Einmalzahlung

90,00 � und Versandkosten)

Einführungsangebot für

die ersten 1000

Bestellungen

Page 3: vorwärts-Sonderausgabe vom SPD-Parteitag

12/2012 vorwärts Parteitag 3

Hannover9.12.2012

Kraft. es sei Zeit, dass wieder eine sozia-le Politik gemacht wird. Hierfür sei Peer Steinbrück der richtige Kandidat.

Kraft verweist auf die erfolge der SPD bei den zurückliegenden Landtagswah-len. „Das geheimnis unserer Wahlerfolge lautet: versprochen, gehalten!“ sagt sie. auch im Bundestagswahlkampf werde die SPD Klartext reden und nicht mehr versprechen, als sie halten kann.

Die Unterschiede zwischen der SPD und der CDU beschreibt Kraft so: Die CDU sei eine inhaltsleere Hülle, eine Merkel-Wahl-Partei. Die SPD sei eine Programmpartei, die für den Zusam-menhalt in Deutschland stehe. n

IMPreSSUMDas Heft zum SPD-Bundesparteitag 2012 erscheint in der Berliner vorwärts verlagsgesellschaft mbHPostfach 61032210925 BerlinTel.: 030/25594-320Fax: 030/25594-390E-Mail: [email protected]

Herausgeberin:Andrea Nahles

redaktion:Chefredakteur:Uwe KnüpferTextchef:Lars HaferkampChefin vom Dienst:Dagmar GüntherBildredaktion:Hendrik RauchLayout:Jana Schulze

Geschäftsführer:Guido Schmitz

»Das Geheimnis unserer Wahlerfolge lautet: versprochen, gehalten!«Hannelore Kraft

Uwe KnüpferChefredakteur

Foto

: Wo

lFg

an

g Q

uic

kel

s, J

oc

hen

bk

e/d

pa, d

irk

ble

ick

er

„Nicht verzagt“, nicht kleinmütig: So soll Peer Steinbrücks SPD sein. Nicht verzagt und alles andere als kleinmütig war die art, in der Steinbrück die Delegierten des Parteitags erst für sich erwärmte, dann verblüffte, schließlich überzeug-te und, etwa ab Minute 40 seiner rede, mitriss.

„Wir Sozialdemokraten“: immer wie-der betonte Steinbrück das Wir – und die gründe, aus denen er vor 43 Jahren der SPD beigetreten ist. Wegen Willy Brandt. aus Opposition zu der Feindseligkeit, die Brandts Versöhnungspolitik aus reihen derer entgegenschlug, die sich konserva-tiv nannten. Wegen der „politischen Le-benslügen der chauvinistischen Kräfte in der CDU/CSU“. Und weil die SPD nie auf der falschen Seite der geschichte ge-standen habe.

Da sprach kein verhinderter Banker, kein entrückter großbürger, kein ar-roganter apparatschik. Sondern einer, dem es um die „gesamte Bandbreite sozialer Herkünfte“ geht, der wachen Sinnes und manchmal staunend erlebt, was um ihn herum geschieht. ein Ler-nender. einer, der regieren will, und dem man glaubt, dass er regieren kann.

Dabei beließ er es nicht. Der Kanz-lerkandidat der SPD zeichnete Umrisse eines klaren regierungsprogramms. eines, das den Staat stärkt – um de-nen helfen zu können, die von Starken sonst an den rand gedrängt werden. ein Programm, das auf Bildung setzt, auf teilhabe, auf starke Kommunen und gestärkte Familien, auf die Buntheit der gesellschaft. ein Programm, das sich klar und „unverzagt“ zu europa be-kennt. auf Miteinander.

Peer Steinbrück hat sich in Hanno-ver eindrucksvoll zu den Werten der 150-jährigen Sozialdemokratie bekannt. er hat es verstanden, gleichzeitig erhard eppler, Helmut Schmidt, gerhard Schrö-der und Willy Brandt verbal zu umar-men. Und die SPD hat in Hannover Peer Steinbrück als einen der ihren erkannt. Nicht wenig für einen kurzen Parteitag.

LIeBe LeSerIn, LIeBer LeSer!

Hannelore Kraft: es ist Zeit für den Wechsel, denn nur noch neun Prozent wollen Schwarz-Gelb.

i n ihrer eröffnungsrede auf dem SPD-Parteitag zieht NrW-Ministerpräsi-dentin Hannelore Kraft eine Bilanz

des zurückliegenden Jahres. Dabei greift sie die Bundesregierung scharf an. Mer-kel verspreche eine Politik mit Kompass, sagt Kraft und kontert: „Dann ist die re-gierung auf einem magnetischen Nord-pol.“ Dort drehe sich die Nadel immerzu im Kreis.

Kraft gibt sich überzeugt, dass die Bundesregierung im kommenden Jahr abgelöst wird. Nur noch neun Prozent der Wähler sprächen sich für eine schwarz-gelbe Koalition aus. „Wenn das keine Wechselstimmung ist, was dann?“ fragt

WecHSeLStIMMUnG ISt UnüBerSeHBar HanneLore Kraft die spd-Vize sieht die spd als programmpartei, die cdu als inhaltsleere hülle Von Carl-Friedrich Höck

einstimmig angenomen: Die resolution „Miteinander. für Deutschland“

BeSSere GeSeLLScHaftreSoLUtIon die spd will den Zusammenhalt fördern

Zum abschluss ihres Parteitages haben die Delegierten der SPD eine resolution verabschiedet. Darin kritisieren sie die Politik der schwarz-gelben regierung und fordern, den gesellschaftlichen Zu-sammenhalt in Deutschland zu fördern.

trotz Krise stehe das Land ver-gleichsweise gut da, heißt es in dem Papier mit dem titel „Miteinander. Für Deutschland.“ garanten hierfür seien Sozialstaat, Sozialpartnerschaft und ak-tive Wirtschaftspolitik. Die Bundesre-gierung lebe von der bestehenden Subs-tanz, sorge aber nicht vor und verleugne die Probleme der Menschen im alltag. „eine konsequente Politik für eine neue

Ordnung auf dem arbeitsmarkt, für in-vestitionen und Bildung, für soziale Si-cherheit und ein modernes Familienbild braucht eine klare Vorstellung von einer besseren gesellschaft“, heißt es in der resolution. n CFH

Der komplette Text ist auf spd.de nachzulesen.

Page 4: vorwärts-Sonderausgabe vom SPD-Parteitag

4 Parteitag vorwärts 12/2012

P eer Steinbrück hatte sich schon am Vorabend des Parteitags aus­gesprochen entspannt gezeigt:

unverkrampft. Und konditionsstark. Nicht jeder plaudert am Vorabend einer rede, die „groß“ zu sein hat, bis in die Puppen entspannt mit Journalisten. Die BamS hatte die Latte, über die der Kandi­dat in Hannover zu springen hatte, mild bösartig so beschrieben: „Heute um 12.20 Uhr hält Peer Steinbrück den wichtigsten Vortrag seines Lebens.“

auf seine gut gezahlten Vorträge geht Steinbrück erst ganz am ende seiner schließlich großen, langen rede ein. „Be­rührt“ habe ihn die Solidarität, die er in den letzten Wochen erfahren habe: „Das werde ich nicht vergessen.“ er habe da­raus gelernt.

Heftiges Schneetreiben verzögert den Beginn des Parteitags. Die fröstelnden De­legierten finden sich in einer gut geheiz­ten und zum rund gestalteten Halle wie­der. Mit riesigen Stellwänden in warmem rot. Und einem roten teppich in der Mit­te. Der Parteitag ist schnell aufgewärmt, er klatscht sich warm. Vor allem bei Sig­mar gabriels rede. Der Parteivorsitzende lässt nichts aus, an dem sich das Versa­

gen der schwarz­gelben „Chaostruppe“ vorführen lässt. er spricht von „Muttis letztem Kindergeburtstag“ – dem vor­erst letzten Koalitions­„gipfel“. Von „vier Jahren anarchie“ im Bundeskanzleramt, einer „geisterregierung“.

es ist längst viel später geworden als 12.20 Uhr, als endlich der Mann ans red­nerpult tritt, um den sich alles dreht an diesem tag in Hannover. Peer Steinbrück greift sich zunächst einen Blumenstrauß – und steigt hinab zur ersten Delegierten­reihe, dort, wo ganz besondere ehrengäste Platz genommen haben. Helmut Schmidt sitzt dort, egon Bahr, gerhard Schröder, Franz Müntefering. Und: erhard eppler. Für ihn sind die Blumen. er wird an die­sem Sonntag 86 Jahre alt. Zum ersten Mal an diesem tag steigert sich der applaus ins rhythmische. Viel habe er gelernt von erhard eppler, versichert Steinbrück, viel habe die Partei ihm zu verdanken.

Die Kanzler Schmidt und Schröder be­schreibt er als Vorbilder, die Haltung zeig­ten, gerade auch in schweren Zeiten. Die aber auch, beide, Deutschland moderni­sierten. ausdrücklich erinnert Steinbrück an die „moderne Familienpolitik“, an die „ökologisch orientierte Steuerpolitik“,

Susann Rüthrich Delegierte aus Sachsen

»Das war richtig gut!«stimmungsbericht Es ist kalt in Hannover. Die Delegierten klatschen sich warm. Und je länger Steinbrück spricht, umso begeisterter sind sie Von Karl Ludwig

große Vergangenheit, gute Zukunft: Die alt-Kanzler helmut schmidt und gerhard schröder wünschen Peer steinbrück alles gute für die bundestagswahl 2013.

hannoVer9.12.2012

LeiDenschaft überZeugt

ich bin hierher gekommen, um mir ein besseres Bild von Peer zu verschaffen: inhaltlich sowie persönlich. Meine erwartungen sind erfüllt worden. Peers persönliche Leidenschaft und Über­zeugung haben sich auf mich übertra­gen. ich nehme viel Motivation und rückenwind für den Wahlkampf auf der Straße mit.“ n

signaL Des aufbruchs

„ich erwarte vom Parteitag ein deut­liches Signal des aufbruches. Und dass das Volk merkt, dass wir die einzige alternative zu Schwarz­gelb sind. ich hoffe auf eine spannende Debatte. Wir haben Peer Steinbrück schon aus Schleswig­Holstein als durchsetzungs­starke Persönlichkeit kennen gelernt. Deshalb ist er sicherlich die geeignete Person, Merkel zu besiegen. n

Kai Dolgner Delegierter aus Schleswig Holstein

glückwünsche: Der Parteitag gratuliert erhard eppler zum 86. geburtstag, links neben ihm franz müntefering.

Foto

S: D

pa/K

ay

NiE

tFE

lD, D

irK

BlE

icK

Er; t

aSS

ilo

oES

tma

NN

(2)

Page 5: vorwärts-Sonderausgabe vom SPD-Parteitag

12/2012 vorwärts Parteitag 5

schließlich an Schröders „mutige Hal-tung, Deutschland aus dem abenteuer des irak-Krieges herauszuhalten.“

Von der nun bald 150-jährigen tradi-tion der Sozialdemokratie spricht Stein-brück und davon, dass es Deutschland immer gut getan habe, wenn Sozialde-mokraten regierten. Zum ersten Mal sind, verhalten noch, „Bravo!“-rufe zu hören.„Ja, ich bin stolz, ein deutscher Sozialde-mokrat zu sein.“ Ungläubiges glucksen in den reihen der Journalisten. Haltung und Werte: Daran habe man große Sozialde-mokraten erkannt. Otto Wels, Kurt Schu-macher, Willy Brandt. Helmut Schmidt: „Deshalb darf er im Fernsehen auch rau-chen.“ Prompt greift der altkanzler in seine Jackentasche, zieht eine Zigarette hervor und zündet sie an.

Haltung zu zeigen und ebenfalls wer-teorientiert zu handeln verspricht Stein-brück, sollte er zum Kanzler gewählt wer-den. einer rot-grünen Bundesregierung wohlgemerkt. Für nichts anderes stehe er zur Verfügung, für nichts halbes, und er empfehle jedem, auch über nichts an-deres zu spekulieren. Da steigert sich der applaus über jedes bloße Höflichkeits-niveau hinaus.

Wie eine solche Politik aussehen wer-de, skizziert Steinbrück und liefert De-tails: einen flächendeckenden gesetzli-chen Mindestlohn will er einführen, eine „armutsfeste Solidarrente“, eine Bürger-versicherung für alle, eine Frauenquote, 25 Milliarden euro zusätzlich für Bildung ausgeben: Steinbrück erwirbt sich nun die wachsende Zustimmung fast aller Delegierten. immer öfter ist jetzt ein „Bravo!“ zu hören. Das Wahlergebnis von 93,45 Prozent ist ab jetzt keine Überra-schung mehr.

Steinbrück bezeichnet die CDU als ideen- und wertelos, als reine „Macht-maschine“. Selbst Ludwig erhard würde

dieser Partei heute nicht mehr angehö-ren wollen. Schließlich habe erhard pos-tuliert: „Wirtschaftspolitik ist nur dann und solange gut, als sie dem Menschen zu Nutzen und Segen gereicht.“ Spätes-tens jetzt johlen die ersten. Die regierung Merkel erfinde aufkleber statt zu regie-ren: „Das Jahr der entscheidungen“, „Der Herbst des Vertrauens“, „energiewen-de“. Steinbrück: „Diese etiketten kleben auf leeren Flaschen.“ Heiterkeit. Bei Frau Merkel bleibe „zu vieles im Ungefähren – und genau das ist gefährlich.“ Stein-brück, jetzt gekonnter Komödiant, Poin-ten setzend, wo sie sitzen müssen: „Wenn ich gelb seh’, seh’ ich schwarz. Wenn ich schwarz seh’, seh’ ich rot.“ Pause. „außer bei Borussia Dortmund.“

„Jetzt badet er,“ kommentiert das ein erfahrener Steinbrück-Beobachter auf der Pressebank. ausdrücklich lobt der in der Mitte seiner Partei angekommene redner jetzt den Parteivorsitzenden, zitiert ihn aus dessen „sehr großer rede“ in Dresden 2009. Die Mitte sei kein fester Ort: „Die politische Mitte hat gewonnen, der in den augen der Menschen die richtigen Fragen und die richtigen antworten bereithält.“ Das sei heute, auch und gerade wegen gabriel, die SPD. Sigmar gabriel, der gerne spottet, scheint feuchte augen zu haben.

Später werden auch noch Frank- Walter Steinmeier und andrea Nahles ge-lobt. „eine troika,“ macht sich Steinbrück über kleinmütige Skeptiker lustig, „ist gut – schon weil die anderen keine haben.“ Steinmeier sei ein Freund und wichtiger ratgeber. Und an die „liebe andrea“ ge-wandt: „es gibt sogar in der Politik die beglückende erfahrung, dass Menschen zueinander finden können, bei denen man es nicht erwartet hätte.“ Der gene-ralsekretärin fällt es zu, den „wunder-baren“ Parteitag zu schließen. Sie tut es strahlend, mit lauter Stimme und nimmt eine anleihe bei den vier Musketieren: „einer für alle! alle für einen!“ „richtig herzerwärmend,“ lässt sich eine strah-lende Delegierte vernehmen, als sie an der garderobe in ihren Mantel schlüpft: „richtig gut!“ n

Die ganze Familie unter-stützt den Kandidaten: Ehe-frau Gertrud und die Töchter Katharina und Anne (v.l.)

Grund zur Freude: General-sekretärin Andrea Nahles organisierte den rundum gelungenen Parteitag.

SEhr SubSTANziEll

„Das war eine sehr substanzielle rede. er hat alle Punkte, die uns bewegen, überzeugend angesprochen“. n

Karin Timmermann Delegierte aus Hamburg

KEiNE zwEiFEl mEhr

„Die ganze Organisation des Parteitags war sehr gut und die rede von Peer hat mich persönlich überzeugt. Wenn alles von dem, was er gesagt hat, nur in an-sätzen verwirklicht wird, bin ich zufrie-den. Vor allem hat mir seine eindeutige Positionierung zur großen Koalition gefallen, nämlich dass er persönlich dafür nicht zur Verfügung steht. ich habe vor der rede von Peer über mein Stimmverhalten gezweifelt, jetzt bin ich überzeugt, für ihn zu stimmen.“ n

Siegfried Müller Delegierter aus dem Saarland

GroSSE mEhrhEiT

„Die Stimmung ist gut, das merkt man. es ist echt klasse hier und Peer ist der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt. n

Svenja Schulze Delegierte aus NRW und dortige Wissen-schaftsministerin

SEhr GuTE rEDE

„Das war eine sehr gute rede. er hat alle Bereiche sehr tiefgehend angespro-chen. Mich hat besonders beeindruckt, wie er für europa geworben hat.“ n

Wilmya Zimmermann Delegierte aus Bayern, ehemalige Europa-Abgeordnete

Foto

s: D

irk

Ble

ick

er (

2), t

ass

ilo

oes

tma

nn

(2)

, Wer

ner

lo

eWe

(2)

Page 6: vorwärts-Sonderausgabe vom SPD-Parteitag

6 Parteitag vorwärts 12/2012

die welt der spdrundumblick An diesem Sonntag schaute ganz Deutschland nach Hannover. Schauen Sie mit!

So eisig es am 9. Dezember in Hannover auch ist, so warm wird es den Delegier-ten des SPD-Parteitags in der Messehalle. Nicht etwa, weil die Parteitagsregie die Saalheizungen aufgedreht hätte. Nein, die Delegierten klatschen sich warm. Zunächst bei der rede des Parteivorsitzenden Sigmar gabriel. Dann, und das ist temperaturmäßig der Höhepunkt, bei der grandiosen rede Peer Steinbrücks. Je länger Steinbrück redet, umso mehr kommt er auf Betriebstemperatur. Bis es die Delegierten nicht mehr auf den Sitzen hält und sie ihm 11 Minuten Standing Ovations spenden. n

Foto

: Mic

HA

el H

AD

Den

Ho

rSt

Page 7: vorwärts-Sonderausgabe vom SPD-Parteitag

Parteitag 76 Parteitag vorwärts 12/2012

Page 8: vorwärts-Sonderausgabe vom SPD-Parteitag

8 Parteitag vorwärts 12/2012

s ie wollen ihn gar nicht gehen las-sen. Zehn Minuten klatschen die 600 Delegierten des Sonderpartei-

tags in Hannover bereits und machen kei-ne anstalten aufzuhören. Peer Steinbrück hat zu diesem Zeitpunkt schon den Spit-zenkandidaten für die niedersächsische Landtagswahl Stephan Weil zu sich auf die Bühne geholt. er hat sich bei Helmut Schmidt, gerhard Schröder und Franz Müntefering bedankt und sich schon zweimal auf seinen Platz gesetzt. Doch die Delegierten klatschen einfach weiter. einige rufen „Zugabe“. erst nach zwölf Minuten lassen sie thorsten Schäfer-gümbel vom Parteitagspräsidium wieder zu Wort kommen.

Keine Frage: Peer Steinbrück hat es ge-schafft. Der 65-Jährige hat mit einer teils nachdenklichen, teils mitreißenden rede begeistert und die Delegierten auf seine Seite gebracht. Fast zwei Stunden hat er

zu ihnen geredet – eine halbe Stunde län-ger als vorgesehen. „Die deutsche Politik muss wieder von Haltung und Werten bestimmt werden.“ Das ist Steinbrücks Botschaft an diesem Sonntagnachmittag. Und für den Kanzlerkandidaten ist klar: „Niemand kann das besser als die SPD.“ Steinbrück erinnert an Otto Wels, der

Mehr wir Für DeutschlanDPeer steinbrück Der Kanzlerkandidat beschwört die Geschichte der SPD und fordert eine Rückbesinnung auf Haltung und Werte

Von Kai Doering

Peer steinbrück setzt auf angriff: „ich möchte mit euch für einen regierungswechsel kämpfen.“

klare ansage: „Für eine große koalition stehe ich nicht zür Verfügung. ich möchte einen ganzen regierungswechsel.“

hannoVer9.12.2012

»Ich will eine rot-grüne Mehrheit für dieses Land.«Peer Steinbrück

»Die SPD ist die Wir- Partei.«Peer Steinbrück

Foto

S: J

oc

Hen

bK

e/D

Pa, K

ay

nie

tFe

LD/D

Pa

1933 gegen das „ermächtigungsesetz“ der Nazis sprach – als einziger Vertreter einer demokratischen Partei im reichstag. Die-ses Verhalten mache ihn stolz, „stolz, ein deutscher Sozialdemokrat zu sein“. Von Wels schlägt Steinbrück den Bogen zu den Morden der NSU und dem sich wie-der ausbreitenden rechtsextremismus in Deutschland. „Die Bundesregierung ver-harmlost rechte gewalt, indem sie rechte mit linker gewalt gleichsetzt“, kritisiert er und verspricht: „Wir werden diese ex-tremismusklausel abschaffen und alle unterstützen, die sich gegen Nazis enga-gieren.“

immer wenn Peer Steinbrück konkret wird, brandet heftiger Jubel auf in Halle 7 auf dem Hannoveraner Messegelände, sei es bei der gleichstellung („in meinem Kanzleramt wird eine Staatsministerin für gleichstellung von Frauen und Män-nern zuständig sein.“), den Mieten („als Bundeskanzler möchte ich einen ‚Natio-nalen aktionsplan Wohnen und Stadt-entwicklung‘ in gang setzen.“) oder der energieversorgung („ich werde als Bun-deskanzler die energiewende zu meiner persönlichen Sache machen.“).

Und Peer Steinbrück sagt klar, mit wem er all dies erreichen möchte. „ich will eine rot-grüne Mehrheit für dieses Land“, sagt er unter dem Jubel der Delegierten. Der schwillt noch an als Steinbrück hin-zufügt: „Für eine große Koalition stehe ich nicht zur Verfügung. ich möchte einen ganzen regierungswechsel.“

Steinbrück präsentiert sich in Hanno-ver als ein Kandidat, der sich ganz in den Dienst der Partei und des Landes stellt. „Die SPD ist die Wir-Partei“, betont er und dankt im Laufe seiner rede sowohl Sig-mar gabriel und Frank-Walter Steinmei-er als auch andrea Nahles für ihre Unter-stützung. einen besonderen Dank richtet er an die Delegierten. „Meine Vortragsho-norare waren Wackersteine“, gesteht er ein. „Danke, dass ihr diese Last ertragen habt.“

Nun gelte es, in die Zukunft zu bli-cken. „ich möchte mit euch für einen richtungswechsel kämpfen“, ruft Peer Steinbrück den Delegierten zu, damit es im September zu einem regierungs-wechsel komme. „Deutschland braucht wieder mehr Wir und weniger ich.“ n

Page 9: vorwärts-Sonderausgabe vom SPD-Parteitag

12/2012 vorwärts Parteitag 9

Termine

20. Januar 2013Landtagswahl in Nieder-sachsen

14. April 2013Außerordentlicher SPD-Bundesparteitag in Bayern

23. Mai 2013Staatsakt 150 Jahre Deutsche Sozialdemokra tie in Leipzig

17./18. August 2013Deutschland-Fest der SPD in Berlin

15. September 2013*Landtagswahl in Bayern

22. September 2013*Bundestagswahl

* voraussichtlich

Bei Glühwein und maronendialoG Die SPD-Spitze sucht in Hannover, weitab vom Parteitagsgelände, das Gespräch mit den Bürgern

unGewöhnliche hymnelieder Die Delegierten singen „You‘ll never walk alone“

D ie war doch bei ‚Verstehen sie Spaß’“, staunt Silas Schürmann. Der 6-Jährige hat Hannelore

Kraft in Hannovers Fußgängerzone ent-deckt.

Neben Kraft haben sich auch Manue-la Schwesig, Stephan Weil, Klaus Wowe-reit und Peer Steinbrück unter die Weih-nachtseinkäufer gemischt. Fernab vom

Boxen-STopp„Beeindruckend“ findet der SPD-Landtagskandidat Michael Höntsch die Dialog-Box der SPD in Hannovers innenstadt. als Vorbild dienten die begehbaren info-Säulen, die in Berlin an touristischen Zentren stehen. in der Dialog-Box können die Bürger ihre ideen und Vorschläge hinterlassen, was in Deutschland besser werden soll. ab Mai wird sie im Bundestags-Wahlkampf ein-gesetzt und auf Deutschlandtour gehen. Michael Höntsch nutzt die Box, um mit den Bürgern ins gespräch zu kom-men. Von den Leuten wird sie sehr gut angenommen, berichtet er. ihm seien vor allem vielen Fragen zu Bildung und Studiengebühren gestellt worden. „Wir werden die Studiengebühren abschaf-fen“, stellt Michael Höntsch klar. n TO

erSTer »SanTa run«Nach London und New York wird am Sonntag auch in Hannover erstmals ein „Santa run“ ausgetragen. in Weih-nachtsmannkostümen joggen oder skaten einige Dutzend Menschen durch die innenstadt. Dabei geht es nicht ums gewinnen, sondern um Spaß – und einen guten Zweck. Denn von den teilnehmergebühren geht ein teil an die Weihnachtshilfe der „Hannoverschen allgemeinen Zeitung“. Verabschiedet werden die Weihnachtsmänner und -frauen vor dem eingang der SPD-Par-teitagshalle von andrea Nahles und Ste-phan Weil. „ihr habt ein bisschen Pech gehabt“, bekundet Weil den teilnehmern sein Mitgefühl. Denn diese starten bei Minusgraden, Schnee und eis. gut ge-launt wirken sie trotzdem, als sie sich auf den Weg in die Stadt machen. n CFH

A uf Peer Steinbrück kommen stürmische Zeiten zu. als Kanz-lerkandidat der SPD steht er

im Fokus der Medien und wird von den Politikern der regierung attackiert. Die Delegierten haben ihm nun auf unge-wöhnliche Weise ihre Unterstützung versprochen. Zum abschluss des SPD-Parteitags stimmen sie das Lied „You‘ll never walk alone“ an – gemeinsam mit dem DgB-Chor Hannover. im text heißt es: „Wenn du durch einen Sturm gehst, geh erhobenen Hauptes... geh weiter, mit Hoffnung in deinem Herzen, und du wirst niemals alleine gehen.“

Steinbrück dürften diese Zeilen be-kannt sein. Denn seit den 1960er Jahren hat es sich von Liverpool aus in Fußball-stadien weltweit verbreitet. in Deutsch-land gehört es zum Liedgut der Fans von Borussia Dortmund. Und wer sitzt dort im aufsichtsrat? richtig, Peer Steinbrück.

Natürlich singen die Delegierten auch noch einen zweiten Klassiker – diesmal einen sozialdemokratischen. Für das Lied „Wann wir schreiten Seit an Seit“ benötigen sie nicht mal einen textzettel. Schließlich werden die SPD-Parteitage seit den 1960er Jahren immer mit die-sem alten arbeiterlied beendet. n CFH

Parteitagslände suchen sie das gespräch mit den Bürgern. Denn viele werden nicht mit Parteitagen überzeugt, sondern durch das persönliche gespräch. auch wenn die SPD-Führung dabei kaum Zeit für das reichhaltige angebot des Weih-nachtsmarkts hat: Bei temperaturen un-ter Null nimmt man sich doch einen au-genblick für glühwein und Maronen. n TO

„Seit an Seit“: die delegierten stimmen auch die traditionelle Spd-hymne an.

Vor der dialog-Box: Spd-chef Stephan weil notiert die anregungen der Bürger.

Sportliche weihnachtsmänner

da gucken die niedersachsen: peer Steinbrück scherzt auf dem weihnachtsmarkt in hannover.

Foto

S: D

irk

Ble

ick

er (3

), t

aSS

ilo

o e

Stm

an

n

weiterlesen

vorwärts.de

im Internet

Page 10: vorwärts-Sonderausgabe vom SPD-Parteitag

10 Parteitag vorwärts 12/2012

E s ist keine ganz leichte aufgabe, die Sigmar gabriel zu meistern hat. er muss die Delegierten auf

die rede des Kanzlerkandidaten einstim-men, ohne Peer Steinbrück allzu sehr vorzugreifen. Der SPD-Chef ist an diesem Sonntagvormittag eine art Vorband für einen der „Stones“ wie Steinbrück und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier gerne genannt werden. gabriel gelingt dies bravourös.

„Wir müssen dafür sorgen, dass end-lich das gemeinwohl in Deutschland zu-rückkehrt“, ruft Sigmar gabriel den Dele-gierten in Halle 7 der Messe in Hannover zu. es gehe darum, „geschlossen und ent-schlossen alles dafür zu tun, Deutsch-land und europa wieder eine bessere richtung zu geben“. geschlossenheit ist das Signal, das von Hannover ausgehen soll. „Miteinander. Für Deutschland.“ lau-tet das Motto. „es geht nur miteinander“, betont auch gabriel. Und der SPD-Chef bezieht dies nicht nur auf seine Partei, sondern auch auf die Bündnispartner in der gesellschaft „auf arbeitnehmer- wie auf arbeitgeberseite“.

Nur gemeinsam sei es möglich, die Probleme der gesellschaft zu lösen, be-tont gabriel. Die sind vielfältig: arbeit, Bildung, soziale gerechtigkeit, alters-sicherung und die Bedeutung der De-mokratie sind nur einige, die gabriel anspricht. „Wir nehmen den Kampf gegen armut in unserem Land wieder

A ls Spitzenkandidat der SPD Nie-dersachsen will Stephan Weil im Januar die schwarz-gelbe

Landesregierung ablösen. Offiziell be-grüßt er die Delegierten des SPD-Partei-tags in Hannover als Oberbürgermeister der gastgeberstadt. Doch natürlich nutzt er seine Begrüßungsrede auch für einen fulminanten Wahlkampfauftritt.

Nach zehn Jahren unter Schwarz-gelb habe Niedersachsen einen enormen Nachholbedarf, ruft Weil den Delegierten zu. Dies gelte besonders für die Bildung. „Wir sind Drittletzter im Ländervergleich bei der Versorgung mit Krippenplätzen.

je hatte“. Was ihn und seine Mitstreiter antreibe, sei auch der Kampf gegen das Betreuungsgeld, das die Zukunft von Kindern aufs Spiel setze. Weil fordert die Delegierten auf: „Lasst uns dafür sorgen, dass das Betreuungsgeld ins guiness-Buch der rekorde eingeht: als das gesetz mit der kürzesten, jemals gemessenen geltungsdauer.“

Den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück lobt Weil als Mann mit For-mat und Kragenweite. „Steinbrück kann Kanzler“, sagt Weil.

Zum Schluss erinnert Weil an die geschichte der SPD. 1945 habe Kurt Schumacher von Hannover aus mit dem Wiederaufbau der SPD begonnen. er ha-be dazu beigetragen, dass es für Deutsch-land einen neuen anfang geben konnte. Nun mache die SPD sich wieder in Han-nover bereit, dem Land zu dienen. n

Wir sind Spitzenreiter bei den Schulab-brechern. Und, das ist besonders peinlich, wir sind neben Bayern das einzige Land, in dem es noch Studiengebühren gibt.“

auch die energiewende müsse end-lich in andere Hände gelegt werden. Niedersachsen könne ein gewinner der energiewende werden, sagt Stephan Weil. Der Wind wehe hier über das Meer und die Küste bis tief ins Hinterland. „aber bei uns gehen Offshore-Unterneh-men pleite.“

gleich drei aktuelle Umfragen zeig-ten, dass die Niedersachsen eine rot-grü-ne Mehrheit wollen. „Die Niedersachsen sind durch mit Schwarz-gelb“, betont Weil. Seine Landespartei sei geschlossen und motiviert. Mit einem Sieg in Nie-dersachsen wolle sie auch das ende der regierung Merkel einleiten, „der schlech-testen Bundesregierung, die dieses Land

auf“, verspricht er. gute arbeit müsse endlich auch wieder zu gutem Lohn führen. Deshalb will die SPD nach der Bundestagswahl einen flächendecken-den Mindestlohn von 8,50 euro einfüh-ren. „Dabei geht es auch um die Würde der arbeit.“ auch dem demographischen Wandel sagt der SPD-Chef in Hannover den Kampf an. „Wer will, dass es in un-serem Land wieder mehr Kinder gibt, muss gute arbeitsbedingungen für jun-ge Menschen schaffen“, erklärt gabriel. Das zentrale thema, „das den Menschen unter den Nägeln brennt“, sei aber die ungleiche Verteilung von Bildungs-

chancen. Die SPD will deshalb nach ei-nem Sieg bei der Bundestagswahl das „Kooperationsverbot“ abschaffen, das dem Bund verbietet, die Länder in Bil-dungsfragen finanziell zu unterstützen. Um mehr geld in die Bildung zu ste-cken, wollen die Sozialdemokraten auch Steuern für Wohlhabende erhöhen. „Die meisten, denen es gut geht, haben nichts dagegen, mehr Steuern zu bezah-len“, ist gabriel sicher. es müsse aller-dings sichergestellt sein, dass das mehr eingenommene geld auch tatsächlich in die Bildung fließe.

Um all dies anzugehen, brauche Deutschland aber vor allem eines: „einen regierungschef, der wirklich regieren und nicht eine Kanzlerin, die nur an der Macht bleiben will“. Peer Steinbrück sei „die richtige Person zur richtigen Zeit“. als Bundesfinanzminister habe er be-wiesen, dass er die Krise meistern könne. Steinbrücks Wissen in Wirtschaftsfra-gen gebe die richtigen antworten auf die drängenden Fragen der Zeit und sei eine ideale ergänzung zum Programm der SPD. „Die SPD ist das soziale Kompetenz-zentrum in Deutschland“, hebt gabriel hervor. Das allein reiche aber nicht aus. „Die soziale Kompetenz traut der SPD oh-nehin jeder zu. Mit Dir Peer kommt auch die wirtschaftspolitische hinzu.“

Das regieren werde in den kommen-den Jahren zwar keine leichte aufgabe, „aber schwierige Zeiten sind für uns So-zialdemokraten nichts Neues“. in ihrer 150-jährigen geschichte seien sich die Sozialdemokraten ihrer Verantwortung stets bewusst gewesen. „Die SPD steht da-für, auch in Umbruchzeiten den Kurs zu halten“, erinnert der SPD-Chef. „in dieser tradition wird Peer Steinbrück stehen. Du bist der richtige für unser Land und des-halb bist Du der richtige für uns.“ n

»Peer ist der richtige«sigmar gabriel Der SPD-Vorsitzende sagt, warum Peer Steinbrück die zentrale Rolle spielt – für die Soziademokratie und für Deutschland Von Kai Doering

sigmar gabriel: „die sPd ist das soziale Kompetenzzentrum in deutschland.“

»Schwierige Zeiten sind für uns Sozial­demokraten nichts Neues.« Sigmar Gabriel

das signal von hannoverstePhan Weil Niedersachsens SPD-Spitzenkandidat hielt eine flammende Rede für den Wechsel in seinem Land

Von Carl-Friedrich Höck

stephan Weil: die nieder-sachsen wollen den Wechsel. Fo

to:M

ich

aeL

Ka

PPeL

eR/D

Pa ,

Ka

y N

ietF

eLD

/DPa

Page 11: vorwärts-Sonderausgabe vom SPD-Parteitag

12/2012 vorwärts Parteitag 11

Ein Wald dEr SPdSPEndEn Sozialdemokraten schenken Israel Bäume

S uchen Sie noch das passende ge-schenk zu Weihnachten? Wie wäre es mit einem Baum oder am

besten gleich ein paar? Zum 65. grün-dungstag israels am 16. april 2013 hat die SPD eine besondere geburtstagsidee.„Wir wollen israel einen Wald schenken“, sagen generalsekretärin andrea Nahles und der Parlamentarische geschäftsfüh-rer der SPD-Bundestagsfraktion Chris-tian Lange. „Damit tragen wir nicht nur zur aufforstung des Landes bei, sondern setzen auch ein Zeichen der Freundschaft und der Solidarität, das für lange Zeit Be-

stand haben wird.“ Mindestens 5000 Bäu-me soll der „Wald der SPD“ in der Wüste Negev umfassen. Für einen Baum benö-tigt man zehn euro, für die es auf Wunsch eine Urkunde sowie eine Spendenbe-scheinigung gibt. Der „vorwärts“ betei-ligt sich mit 600 euro an der ak tion und spendet damit zwei Bäume pro Mitar-beiter. auch der designierte Kanzlerkan-didat Peer Steinbrück und Bundestags-fraktionschef Frank-Walter Steinmeier spenden Bäume. „Der Wald der SPD ist ein wunderbares Symbol unserer Ver-bundenheit“, findet Steinmeier. n KD

Online spenden: spd-wald.jnf-kkl.de

Foto

S: S

ty

leu

nee

d/F

oto

lIa

.co

m, S

Pd

Baumspender: Frank-Walter Steinmeier pflanzt einen Baum in der Wüste negev

»Er hat diE hErzEn dEr gEnoSSEn gEWonnEn»PrESSEStimmEn Peer Steinbrück hat nicht nur die SPd, sondern auch die medien beeindruckt

Wer glaubte, Peer Steinbrück werde bald durchdrehen und alles hinschmeißen, wird nun eines besseren belehrt. Der Kan-didat Steinbrück will es wirklich wissen, er lässt sich von der Aufregung um seine Rednerhonorare nicht verrückt machen, sondern er kämpft. spiegel.de

Er hat noch einmal sein Ziel Rot-Grün bekräftigt und der Großen Koalition entsagt, und zwar TINA-mäßig, there is no alternativ, für ihn jedenfalls. Er hat eine Staatsministerin für Gleichstellung und Frauen angekündigt, falls er es ins Kanzleramt schafft. Er hat sich sogar noch einmal zerknirscht wegen seiner Vortragshonorare (gezeigt). Und er hat gezeigt, dass er beileibe nicht nur über sein Leib- und Magenthema Finanzen reden kann. Sondern auch, zum Beispiel, über Wohnungsbau und effizientes Ener-giemanagement. Was zu beweisen war. stern.de

Er sagte alles, was die Genossen hören wollten: Stärkung des Staates, armuts-feste Rente, bezahlbaren Wohnraum und Mindestlohn. Die CDU geißelte er als inhaltsleer und eine Partei, die „Pop-cornsätze“ produziere. Zugleich machte er einen unbedingten Machtanspruch für Rot-Grün geltend und betonte noch

einmal, dass er für eine große Koalition nicht zur Verfügung stehe. Die Rede hatte Längen, war aber mit so vielen Pointen gespickt, dass sie nicht langweilig wurde. rp-online.de

Bemerkenswert ist, wie sehr Steinbrück konkret geworden ist: Nicht nur hat er sich auf Rot-Grün als einzige mögliche Koalition nach der Bundestagswahl festgelegt. Inhaltlich hat er zudem erste Pflöcke eingeschlagen. Er tritt für einen Nationalen Aktionsplan Wohnen und Stadtentwicklung ein, fordert eine Staatsministerin für Gleichstellung im Kanzleramt und will die Zuständigkei-ten der Energiewende in einem neuen Ministerium bündeln. So streichelte er die Seele seiner Partei. noz.de

Mister 93 Prozent. Süddeutsche.de

Mit einer kämpferischen Rede hat er end-lich die Herzen der Genossen gewonnen. Dass Deutschland wieder mehr „Wir“ und weniger „Ich“ braucht, ist ein packender Slogan, der den SPD-Wahlkampf prägen wird. Angesichts einer scheinbar unbe-herrschbar gewordenen Marktwirtschaft, die jeden Tag mit brandneuen Krisen die Bürger verunsichert, ist der Appell an die

soziale Verantwortung goldrichtig. Peer Steinbrück, sonst ein kühler Pragmatiker und keineswegs Vertreter der Parteigrup-pe „Rote Pumpe“, hat in seiner program-matischen Rede eine überraschende Linkskurve gewagt. Mit der Ankündigung, der „soziale Wohlfahrtsstaat“ müsse das gesellschaftliche Ziel einer SPD-geführ-ten Bundesregierung sein, hat er eine Richtung vorgegeben, die seine Partei zur klaren Alternative macht. derwesten.de

Rund zwei Stunden später reißt es die De-legierten des Parteitages dann allerdings doch von den Stühlen. Sie applaudieren elf Minuten lang. Der Kandidat hat es geschafft, die Kluft zwischen sich und der Partei zu überbrücken. In Hannover redet Steinbrück nicht über die Themen, mit denen er sich bislang politisch hervorge-tan hat, nicht über die Wirtschafts- und Finanzpolitik. Der 65-Jährige hat sich voll und ganz auf die SPD eingestellt. Er gibt den Sozialpolitiker, dem nichts mehr am Herzen liegt als die soziale Gerechtigkeit. Und er tut das gekonnt und offenbar für die Basis überzeugend. focus.de

Nach dem verkorksten Wahlkampfstart und der Diskussion um Nebeneinkünfte ist die Anspannung groß. Straft die SPD

Peer Steinbrück ab und verdirbt ihm die Kür oder vergibt sie ihm? Doch die Sorgen lösen sich in Luft auf. Der Kanzlerkandi-dat hält eine starke Bewerbungsrede. Die Partei belohnt das mit einem überra-schenden Ergebnis. n-tv.de

Er begann seine Rede um 12:57 Uhr und legte dann über fast zwei Stunden hinweg bis 14:45 Uhr einen fulminanten Auftritt hin, der die SPD-Genossen zu einem gewaltigen Jubelsturm animierte. Fast elf Minuten Standing Ovations, drei Minuten länger als für Merkel auf dem CDU-Parteitag. bild.de

Der SPD-Frontmann verspricht den sozialen Wohlfahrtsstaat, was für ihn nichts anderes bedeutet, als die Marktwirtschaft wieder stärker auf das Gemeinwohl zu verpflichten. Mit den entsprechenden Konsequenzen – aus sozialdemokratischer Sicht. Ein bisschen muss sich Steinbrück aber verbiegen – zur Freude der Genossen, aber wohl zu Las-ten vieler in der Mitte der Gesellschaft. Denn nicht alles würde er so vorbehaltlos unterstützen, wenn er nicht der nächste sozialdemokratische Kanzler werden sollte. handelsblatt.de

Page 12: vorwärts-Sonderausgabe vom SPD-Parteitag

12 Parteitag vorwärts 12/2012

K laus Wowereit müsse “jetzt ganz stark sein“, rief Hannovers Ober-bürgermeister Stephan Weil den

gästen des vorwärts-Presseabends und unter ihnen Berlins regierendem Bür-germeister zu: Deutschlands „amtieren-de Bundeshauptstadt“ sei nicht länger Berlin, sondern Hannover. Zumal auch der arD-„tatort“ am Sonntagabend aus Hannover komme. Womöglich müsse jetzt das grundgesetz geändert werden.

Sicher jedenfalls ist, knüpfte Peer Steinbrück an Weils „fulminante rede“ an: Nach einem Wahlsieg Weils und der niedersächsischen SPD am 20. Januar „wird sich die politische Landschaft än-dern“. Übrigens sei er in Niedersachsen, in Oldenburg, der SPD beigetreten, 1969. Noch ein grund, das grundgesetz zu än-dern.

Heiß diskutiert wurde unter den rund 600 gästen das titelbild des aktu-ellen „vorwärts“. es zeigt Steinbrück als Lotsen, der ein Schiff besteigt. entlehnt ist das Motiv vom britischen „Punch“, der 1890 Bismarck von Bord gehen sah: Deutschland und europa schlinger-ten fortan unruhigen Zeiten entgegen. „Steinbrück und Bismarck: Wow!“, war der Berlin-Korrespondent einer Frank-furter Zeitung zu vernehmen.n

8| Niedersachsen verbindet: Hubertus Heil und Doris Schröder-Köpf 9| Scherze mit der Hauptstadt-presse: Peer Steinbrück, der begehrteste Gesprächspartner am vorwärts-Presseabend

5| Dialog über die Generationengrenzen hinweg: Manuela Schwesig und Egon Bahr 6| Experten für Kultur und Wissenschaft im Gespräch: Doris Ahnen und Julian Nida-Rümelin

4| Offenheit und Transparenz: Die Architektur der IG BCE-Zentrale beeindruckte

7| Fulminante Rede: Stephan Weil, SPD-Spitzenkandidat in Niedersachsen, überzeugte

4

87

5

3

2

1

9

6

»DAS GRuNDGESETZ äNDERN«vORWäRTS-PRESSEABEND Rund 600 Gäste feierten und diskutierten am Vorabend des Parteitags: Über das vorwärts-Titelbild und über das Grundgesetz Von Karl Ludwig

1| Der Kandidat setzt auf geballte Frauenpower: u.a. mit Barbara Hendricks, Hannelore Kraft, Aydan Özoguz, Manuela Schwesig, Andrea Nahles und Doris-Schröder-Köpf 2| Gastgeber in der IG BCE-Zentrale: Gewerkschaftschef und Hausherr Michael vassialidis 3| Kam gut an: Popmusik mit Jazz-Einschlag der Band „Kyeno“, hier Sängerin Jessica Drazkiewicz

FoTo

s: D

iRk

Ble

ick

eR (9

)

HANNOvER9.12.2012