Vorlesung im SS 2013 Kognitionspsychologie Deduktives … · Modus Tollens Aus der Negation des...

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Vorlesung im SS 2013 Kognitionspsychologie Deduktives Denken Prof. Dr. Thomas Goschke Professur für Allgemeine Psychologie

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Vorlesung im SS 2013 Kognitionspsychologie

Deduktives Denken

Prof. Dr. Thomas Goschke

Professur für Allgemeine Psychologie

Überblick

Deduktives Schließen und konditionale Syllogismen

Fehler beim deduktiven Schließen in Wasons Kartenaufgabe

Kontexteffekte

Bereichsspezifische Inferenzschemata

Evolutionspsychologische Ansätze

Schließen mit Quantoren: Kategoriale Syllogismen

Theorie der mentalen Modelle

Literaturangaben

Zur Klausurvorbereitung:

Eysenck,, M.W. & Keane, M.T. (2010). Cognitive

Psychology. A student‘s handbook. Kap. 14: Inductive

and deductive reasoning Hove: Psychology Press.

Alternativen:

Knoblich, G. (2008). Problemlösen und

Logisches Schließen. In: J. Müsseler

(Hrsg.), Allgemeine Psychologie.Heidelberg: Spektrum.

Anderson, J.R. (2007). Kognitive Psychologie

(6. Auflage): Kap. 10: Logisches Denken und

Entscheidungsfindung. Heidelberg: Spektrum.

Zur Vertiefung:

Manktelow, K. (1999). Reasoning and thinking.

Hove: Psychology Press. Kapitel 2 – 5.

Induktives vs. Deduktives Schließen

Induktives Schließen

Schlussfolgerungen aufgrund von empirischer Evidenz

• Schlüsse von Einzelfällen auf allgemeine Gesetzmäßigkeiten

• Wahrscheinlichkeitsschätzungen

Mit Unsicherheit behaftet

Deduktives Schließen

Ableitung von Folgerungen (Konklusionen) aus gegebenen Informationen (Prämissen) nach logischen Schlussregeln

Schließen mit Konditionalaussagen

• Wenn es regnet, wird die Straße nass.

• Es regnet.

• Ist die Straße nass?

Schließen mit Quantoren (Kategoriale Syllogismen)

• Alle Politiker sind Menschen.

• Alle Menschen sind sterblich.

• Also sind alle Politiker sterblich.

Schließen mit Quantoren: Kategoriale Syllogismen

Einige As sind Bs

Einige Bs sind Cs

______________

Einige As sind Cs

Einige Frauen sind Rechtsanwälte

Einige Rechtsanwälte sind Männer

______________

Einige Frauen sind Männer

Alle A sind B

Alle C sind B

Also gilt: Alle A sind C?

Keine Orangen sind Äpfel

Keine Zitronen sind

Orangen

Also gilt: Keine Äpfel sind

Zitronen?

A

B C Orangen

Äpfel

Zitronen

Zentrale Forschungsfragen

Denken Menschen rational?

Folgt das menschliche Denken den Gesetzen der

Logik?

Warum weicht unser Denken mitunter von der

Logik ab und wie kommt es zu Fehlschlüssen?

Welche kognitiven Prozesse liegen dem logischen

Denken zugrunde?

Logik und Denken

Formale Logik (Teil der Philosophie und Mathematik)

• spezifiziert, unter welchen Bedingung Schlussfolgerungen gültig sind

• Ende 19. Jh.: Gesetze der Logik = Formalisierung der „Gesetze“ des

Denkens

Denkpsychologie

• Logik = Regelsystem, das angibt, wie Schlüsse gezogen werden sollten

• Ob und wann menschliches Denken logischen Regeln folgt, ist eine

empirische Frage

Theoretische Ansätze

• Mentale Logik

• Domänenspezifische Schlussregeln

• Mentale Modelle

Überblick

Konditionale Syllogismen

Schlussfehler bei der Kartenaufgabe von Wason

Kontexteffekte

Bereichsspezifische Inferenzschemata

Schließen mit Quantoren: Kategoriale Syllogismen

Theorie der mentalen Modelle

Aussagenlogik

Regeln für Anwendung logischer Operatoren, die spezifizieren, wie aus

Prämissen gültige Schlussfolgerungen gezogen werden können

Gültigkeit eines Schlusses ist unabhängig vom Inhalt, sondern hängt

allein von der Form der Aussagen ab

Prämissen:

Wenn es regnet, wird die Strasse nass.

Es regnet.

Konklusion:

Die Strasse wird nass.

Wenn P dann Q

P

---------------------

Q

Wenn p dann q

p

_____________

q

P1: Wenn es regnet, ist die Strasse nass.

P2: Es regnet.

____________________________________

K: Die Strasse ist nass

p

p

q

q ————>

Modus Ponens

Aus dem Antecedens wird das Konsequens geschlossen

P1: Wenn es regnet, ist die Strasse nass.

P2: Die Strasse ist nicht nass.

______________________________________

K: Es regnet nicht.

p

nicht q

nicht p

q ————>

Wenn p dann q

nicht q

____________

nicht p

Modus Tollens

Aus der Negation des Konsequens wird die Negation des Antecedens geschlossen

P1: Wenn es regnet, wird die Strasse nass.

P2: Die Strasse ist nass.

______________________________________

K: Es regnet.

p

q

p

q ————>

Wenn p dann q

q

____________

p

Bestätigung des Konsequens

Nicht zulässig!

P1: Wenn es regnet, wird die Strasse nass.

P2: Es regnet nicht.

______________________________________

K: Die Strasse ist nicht nass.

p

nicht p

nicht q

q ————>

Wenn p dann q

nicht p

____________

nicht q

Ablehnung des Antecedens

Nicht zulässig!

Wahrheitswertetabellen der Aussagenlogik

Empirische Untersuchungen

Befolgen Menschen die Regeln der formalen Logik?

Experimentelle Prüfung: Aufgaben in denen Probanden

• die Wahrheit bestimmter Schlussfolgerungen beurteilen sollten

• aus Prämissen gültige Schlüsse ziehen sollten

• aus Liste mit Schlussfolgerungen die richtige auswählen sollten

Empirische Ergebnisse zum konditionalen Schließen

Marcus, S. L., & Rips, L. J. (1979). Conditional reasoning.

Journal of Verbal Learning & Verbal Behavior, 18, 199-223.

0

20

40

60

80

100

Modus

ponens

Modus tollens Affirmation d.

Konsequens

Ablehnung d.

Antezedenz

% V

ers

uc

hs

pe

rso

ne

n

Theorie der mentalen Logik

Prämissen eines Deduktionsproblems werden in eine mentale

Repräsentation im Arbeitsgedächtnis transformiert

Auf diese Repräsentation werden abstrakte Schlussregeln angewendet

Warum kommt es zu Fehlern?

• Verständnisfehler: Prämissen werden falsch enkodiert

• Prozessfehler: Aufmerksamkeit ist abgelenkt oder relevante Information

wird nicht im Arbeitsgedächtnis repräsentiert

Fehlschlüsse beruhen nicht auf fehlender logischer Kompetenz,

sondern auf Performanzeinschränkungen

Braine & O'Brien, 1991; Braine & O'Brien, 1998; Rips, 1994)

Theorie der mentalen Logik

Prämissen werden in eine mentale Repräsentation im

Arbeitsgedächtnis transformiert

Auf diese Repräsentation werden abstrakte

Schlussregeln angewendet

Grundthese: Menschliches Denken folgt prinzipiell den Regeln der Logik

Warum kommt es zu Fehlern?

Verständnisfehler Prämissen werden falsch

enkodiert

Prozessfehler Aufmerksamkeit abgelenkt

Relevante Information wird

nicht enkodiert

Wie erklärt die Theorie der mentalen Logik Fehlschlüsse?

Bikonditionale Interpretation

Fehlschlüsse resultieren aus falscher Interpretation der Prämissen

Vpn interpretieren „Wenn-dann“-Aussage als bikonditionale Aussage

• Wenn es regnet, wird die Straße nass wird interpretiert als…

• Dann und nur dann, wenn es regnet, wird die Straße nass

Bikonditionale Aussagen sind wahr, wenn

• beide Prämisse wahr sind

• beide Prämissen falsch sind

Pragmatische Kommunikationsprinzipien (Grice, 1975) • Sprecher teilt Hörer nur das mit, was dieser unbedingt wissen muss

• Probanden nehmen an, dass andere mögliche Gründe (z.B. für nasse Straße) ausgeschlossen werden können

• Implikation wird als bikonditionale Aussage interpretiert

Braine, M. D. S., & O'Brien, D. P. (Eds.). (1998). Mental logic. Mahwah, NJ: Lawrence Erlbaum Associates.

Überblick

Konditionale Syllogismen

Schlussfehler bei der Kartenaufgabe von Wason

Kontexteffekte

Bereichsspezifische Inferenzschemata

Evolutionspsychologische Ansätze

Schließen mit Quantoren: Kategoriale Syllogismen

Theorie der mentalen Modelle

E K 4 7

Die Auswahlaufgabe von Wason

Bei jeder Karte steht auf der einen Seite eine Zahl und auf der

anderen Seite ein Buchstabe. Prüfen Sie, ob folgende Regel gilt:

„Wenn auf der einen Seite ein Vokal steht, dann steht auf der

anderen Seite eine gerade Zahl“

Welche Karte oder Karten müssen Sie umdrehen, um zu prüfen, ob

die Regel eingehalten wurde?

Wason, P. C. (1966). Reasoning. In B. M. Foss (Ed.),

New horizons in psychology. Harmondsworth: Penguin.

E K 4 7

Die Wasonsche Wahlaufgabe

89% 16% 62% 25%

p ~ p q ~ q

P Q P->Q

W W W

W F F

F W W

F F W

Wenn Vokal (p), dann gerade Zahl (q)

Oaksford & Chater, 1994

E K 4 7

Die Wasonsche Wahlaufgabe

p ~ p q ~ q

46%

P Q P->Q

W W W

W F F

F W W

F F W

Wenn Vokal (p), dann gerade Zahl (q)

Johnson-Laird, P. N., & Wason, P. C. (1970). A

theoretical analysis of insight into a reasoning

task. Cognitive Psychology. 1, 134-148.

33%

7%

4%

E K 4 7

Die Wasonsche Wahlaufgabe

p ~ p q ~ q

P Q P->Q

W W W

W F F

F W W

F F W

Wenn Vokal (p), dann gerade Zahl (q)

Bestätigung

d.

Konsequens

Modus

tollens

Erklärungen für die Effekte in der Wason-Aufgabe:

Confirmation bias

Menschen suchen nach Informationen, die Regel bestätigen und

vernachlässigen Informationen, die die Regel widerlegen würden

In der Wason-Aufgabe:

• „P“-Karte wird umgedreht, um zu prüfen ob auf der anderen Seite ein „Q“ ist

• „Q“-Karte wird umgedreht, um zu prüfen ob auf der anderen Seite ein „P“ ist

(Wason & Johnson-Laird, 1972)

Erklärungen für die Effekte in der Wason-Aufgabe:

Matching bias

Vpn drehen bevorzugt Karten mit Symbolen um, die in der Regel

genannt werden (Vokal; gerade Zahl)

• Vpn schätzen explizit genannte Karten als relevanter ein

• Aufmerksamkeit der Vpn wird auf explizit genannte Karten gelenkt

Evans (1983): „negative“ Karten (non-P und non-Q) wurden entweder

als explizite oder als implizite Negationen präsentiert:

• Explizit: „Kein Vokal“ = „befindet sich kein A“

• Implizit: „Kein Vokal“ = „befindet sich ein K“

Explizite Negationen reduzieren Matching Bias und verbesseren

Leistung in der Wason-Aufgabe

Evans, J.S.B.T. (1989). Bias in human reasoning: Causes and consequences. Hillsdale, NJ: Lawrence Erlbaum.

Überblick

Konditionale Syllogismen

Schlussfehler bei der Kartenaufgabe von Wason

Kontexteffekte

Bereichsspezifische Inferenzschemata

Evolutionspsychologische Ansätze

Schließen mit Quantoren: Kategoriale Syllogismen

Theorie der mentalen Modelle

Kontexteffekte beim deduktiven Schliessen

Auf einem Postamt gilt folgende Regel:

„Wenn ein Umschlag zugeklebt ist, dann ist er mit 50 Lira frankiert“

Welche Briefe müssen Sie umdrehen, um zu prüfen, ob die Regel

eingehalten wurde?

Johnson-Laird, P. N., Legrenzi, P., & Legrenzi, M. S. (1972). Reasoning

and a sense of reality. British Journal of Psychology. 63, 395-400.

92% der Vpn fanden die Lösung

(nur 8% bei abstrakter Version)

Erklärung von Kontexteffekten

Weitere Untersuchungen: konkrete Einkleidung an sich oder

Vertrautheit des Szenarios spielen keine große Rolle

Entscheidend ist, dass thematische Einkleidung deontische Schlüsse

beinhaltet (Normen u. Normverletzungen)

• Indikative Form: „Wenn es ein P gibt, dann gibt es ein Q“

• Deontische Form: „Wenn eine Person P tut, dann muss sie Q tun“

Hypothese der domänenspezifischen Regeln:

• Kontexteffekte beruhen auf bereichsspezifischen Regeln, die durch die

thematische Einkleidung aktiviert werden

• Cheng & Holyoak: Pragmatische Inferenzschemata

• Cosmides / Gigerenz & Hug: Betrüger-Entdeckungs-Mechanismus

Erklärung von Kontexteffekten:

Pragmatische Inferenzschemata

Cheng & Holyoak (1985): Bestimmte Situationen (Versprechen, Erlauben,

Verpflichten) aktivieren bereichsspezifische Schlussregeln (pragmatische

Inferenzschemata)

Regeln für Erlaubnis-Situationen:

(a) Wenn Handlung ausgeführt wird, müssen Voraussetzungen erfüllt sein (= modus

ponens)

(b) Wenn Handlung nicht ausgeführt wird, brauchen Voraussetzungen nicht erfüllt sein

(c) Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, darf die Handlung ausgeführt werden

(d) Wenn die Voraussetzungen nicht erfüllt sind, darf die Handlung nicht ausgeführt

werden (= modus tollens)

Wird dieses Schema aktiviert, werden automatisch korrekte Schlussregeln

angewendet

Cheng, P. W., & Holyoak, K. J. (1985). Pragmatic reasoning schemas. Cognitive Psychology, 17, 391-416.

Holyoak & Cheng (1995). Pragmatic reasoning with a point of view. Thinking and Reasoning, 1, 289-313.

Bier Cola 23 16

Kontexteffekte beim deduktiven Schliessen:

Pragmatische Inferenz-Schemata

In einer Bar gilt die Regel: Wer Bier trinkt, muss über 18 Jahre alt sein.

Welche Karte oder Karten müssen Sie nun umdrehen, um zu sehen, ob die

Regel eingehalten wurde?

74% der Vpn wählten die korrekten

Karten („trinkt Bier“ und „16 Jahre alt“)

Aktivierung des Erlaubnis-Schemas („Wenn die Voraussetzungen nicht erfüllt

sind, darf die Handlung nicht ausgeführt werden“ = modus tollens) lenkt die

Aufmerksamkeit auf die Falsifikation der Konklusion („16 Jahre alt“)

Kontexteffekte beim deduktiven Schliessen

Bewertung

Pro

• Theorie erklärt einige der Kontexteffekte in der Wason-Aufgabe

Kontra

• begrenzter Anwendungsbereich (Erlaubnis- und Verpflichtungssituationen)

• keine allgemeinen Theorien des menschlichen Denkens

• Begrenzte empirische Basis (Karten-Selektions-Aufgabe)

Überblick

Konditionale Syllogismen

Schlussfehler bei der Kartenaufgabe von Wason

Kontexteffekte

Bereichsspezifische Inferenzschemata

Evolutionspsychologische Ansätze

Schließen mit Quantoren: Kategoriale Syllogismen

Theorie der mentalen Modelle

Theorie der sozialen Kontrakte:

„Betrüger- Entdeckungs-Mechanismus“

Evolutionspsychologische Annahme: in der Evolution haben sich

bereichsspezifische Regeln für spezielle soziale Interaktionen (z.B.

Kooperation) entwickelt

• Beispiel: „Wenn Du einen Vorteil nimmst, musst Du die Kosten zahlen“

• Beispiel: „Wenn Du die Kosten zahlst, darfst Du den Vorteil nehmen“

Parallel dazu haben sich spezielle kognitive Mechanismen zur

Entlarvung von Betrügern entwickelt (cheater detection mechanism)

Cosmides, L. (1989). The logic of social exchange: Has natural selection shaped how humans

reason? Studies with the Wason selection task. Cognition, 31, 187-276.

Gigerenzer, G., & Hug, K. (1992). Domain-specific reasoning: Social contracts, cheating, and

perspective change. Cognition, 43, 127-171.

Theorie der sozialen Kontrakte:

„Betrüger- Entdeckungs-Mechanismus“

Experiment:

• Regel: „Wenn ein Schüler der Grover Highschool zugewiesen ist, dann

muss er oder sie in Grover City leben“

• Betrugsbedingung: Vp sollte die Perspektive eines Mitglieds der

Schulkommission einnehmen und nach illegalen Schülern suchen

• Kontrollbedingung: Vpn sollte Perspektive eines ausländischen Besuchers

einnehmen, der lediglich herausfinden möchte, ob die Regel erfüllt ist

Hypothese:

• „Betrüger-Entdeckungs-Mechanismus“ wird mit größerer

Wahrscheinlichkeit in der Betrugsbedingung aktiviert

Ergebnisse:

• Betrugsbedingung: 80% wählen korrekt (p und nicht q)

• Kontrollbedingung: 45% wählten korrekt

Cosmides, L. (1989). The logic of social exchange: Has natural selection shaped how

humans reason? Studies with the Wason selection task. Cognition, 31, 187-276.

Bewertung der evolutionspsychologischen Theorie der

sozialen Kontrakte

Pro

• Theorie erklärt einige der Kontexteffekte in der Wason-Aufgabe

• Theorie erklärt, warum die Fähigkeit, deontische Schlüsse zu ziehen,

bereits früh in der Ontogenese vorhanden ist

Kontra

• begrenzter Anwendungsbereich; keine allgemeinen Theorien des

menschlichen Denkens

• Einige Studien fanden Kontexteffekte mit Regeln, die keine sozialen

Kontrakte beinhalten („Wenn man vergossenes Blut aufwischt, muss man

Gummihandschuhe tragen“)

• Gefahr, für jedes Verhalten post hoc eine plausible evolutionäre „Erklärung“

zu konstruieren

Zusammenfassung

Menschen weichen beim deduktiven Schließen oft von normativen

logischen Regeln ab

Erklärungsansätze

• Mentale Logik: Fehlschlüsse spiegeln Verstehens- und Interpretationsfehler

• Bereichsspezifische Denkschemata: Pragmatische Inferenzschemata

• Evolutionspsychologische Theorien: Betrüger-Entdeckungs-Mechanismus

Alternativer Ansatz:

• Mentale Modelle

Theorie der mentalen Modelle

Theorie der mentalen Modelle

(Johnson- Laird, 1983, 1990)

Denken beruht nicht auf inhaltsunabhängigen (syntaktischen) logischen

Regeln, sondern auf mentalen Modellen

Mentale Modelle repräsentieren mögliche Szenarien, die zu den

Prämissen passen

Mentale Modelle sind analoge Repräsentationen:

• Relationen zwischen den repräsentierenden Elementen entsprechen

Relationen zwischen den repräsentierten Objekten in der Welt

Mentale Modelle:

Beispielaufgabe zum räumlichen Schließen

Mentale Modelle:

Drei Phasen beim logischen Schließen

(Johnson-Laird, 1983, 1999; Johnson-Laird & Byrne, 1991)

Verstehen

Prämissen + Vorwissen

Situationsmodell

Kombination

Aus Einzelprämissen erzeugte Modelle

Integration zu einem möglichst sparsamen

integrierten Modell

Ableitung („Ablesen“) von Konklusionen aus

integriertem Modell

Validierung

Suche nach alternativen Modellen, in denen alle

Prämissen wahr sind, aber die Konklusion falsch ist

Wird solches Modell gefunden, wird die

Konklusion abgelehnt, sonst wird sie akzeptiert

Mentale Modelle:

Ursachen von Fehlschlüssen

Denkfehler entstehen durch Kapazitätsbeschränkung des Arbeitsgedächtnisses

Schlussfolgerungen sind umso schwieriger, je mehr Modelle generiert werden

müssen, um sie zu widerlegen

Fehler treten auf, wenn

• relevante alternative Modelle nicht generiert werden

• Inkonsistenzen zwischen Modellen übersehen werden

Erklärt Unterschiede beim konditionalen Schließen (Johnson-Laird & Byrne,

1991):

• Modus ponens kann direkt aus anfangs gebildeten Modellen abgeleitet werden

• Modus tollens erfordert die Generierung alternativer Modelle

Beispiele aus dem Bereich des räumliches Schließens

Die Tasse ist rechts von der Schale

Der Teller ist links von der Tasse

Die Gabel ist vor dem Teller

Der Löffel ist vor der Tasse

Was ist die Relation zwischen der Gabel und dem Löffel?

TELLER SCHALE TASSE

GABEL LÖFFEL

SCHALE TELLER TASSE

GABEL LÖFFEL

Beispielaufgaben

Die Tasse ist rechts von der Schale

Der Teller ist links von der Tasse

Die Gabel ist vor dem Teller

Der Löffel ist vor der Schale

Was ist die Relation zwischen der Gabel und dem Löffel?

TELLER SCHALE TASSE

GABEL LÖFFEL

SCHALE TELLER TASSE

LÖFFEL GABEL

Mögliche Modelle für Prämissen kategorialer Syllogismen

Beispiel

Alle Quadrate sind gestreift

Einige der gestreiften Objekte haben eine rote Umrandung

_________________________________________________

Einige Quadrate sind rot umrandet

(A)

(B)

Ein weiteres Beispiel

Einige der grünen Schüsseln sind groß

Einige der großen Schüsseln sind schmutzig

______________________________________

Einige der grünen Schüsseln sind schmutzig

Modell 1

Aber…

Modell 2

Fazit zur Theorie der mentalen Modelle

Grundthese: Menschen schließen nicht aufgrund abstrakter logischer

Regeln…

… sondern aufgrund von analogen Repräsentationen der in den

Prämissen beschriebenen Situation

Schlussfehler treten auf, weil alternative Modelle, die zu den Prämissen

passen, aber die Konklusion widerlegen, nicht generiert werden

begrenzte Kapazität des Arbeitsgedächtnisses

Weiterführenden Fragen

Gegensatz zwischen mentaler Logik und mentalen Modellen ist

vermutlich irreführend, da beides Aspekte menschlichen Denkens

beschreibt

Eigentliche Frage: Unter welchen Bedingungen wird welche Form des

Denkens bevorzugt?

Neurowissenschaftliche Frage: Beruhen Anwendung logischer Regeln

und Bildung mentaler Modelle auf unterschiedlichen neuronalen

Systemen?

• Z.B. linkshemisphärische Hirnregionen (Sprachareale) vs.

rechtshemisphärische Hirnregionen (räumlich-visuelle Vorstellungen)