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VOM VINYL ZUR CLOUD. WIE DIGITALE TECHNOLOGIEN MUSIKKONSUM UND –REZEPTION BEEINFLUSST HABEN. FROM VINYL TO THE CLOUD. HOW DIGITAL TECHNOLOGIES AFFECTED THE WAY IN WHICH MUSIC IS CONSUMED AND RECEIVED PHILOSOPHISCHE FAKULTÄT III INSTITUT FÜR MUSIKWISSENSCHAFT UND MEDIENWISSENSCHAFT BACHELOR-ARBEIT ZUM ERWERB DES AKADEMISCHEN GRADES BACHELOR OF ARTS (B.A.) IM STUDIENGANG „MUSIK UND MEDIEN“ eingereicht von: Jenny Krause geboren am: 22.08.1984 1. Gutachter: Prof. Dr. Peter Wicke 2. Gutachter: Dr. Jens Gerrit Papenburg Berlin, den 12.09.2012

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VOM VINYL ZUR CLOUD.

WIE DIGITALE TECHNOLOGIEN

MUSIKKONSUM UND –REZEPTION

BEEINFLUSST HABEN.

FROM VINYL TO THE CLOUD.

HOW DIGITAL TECHNOLOGIES AFFECTED THE WAY

IN WHICH MUSIC IS CONSUMED AND RECEIVED

PHILOSOPHISCHE FAKULTÄT IIIINSTITUT FÜR MUSIKWISSENSCHAFT UND MEDIENWISSENSCHAFT

BACHELOR-ARBEIT ZUM ERWERB DES AKADEMISCHEN GRADESBACHELOR OF ARTS (B.A.)

IM STUDIENGANG „MUSIK UND MEDIEN“

eingereicht von: Jenny Krause

geboren am: 22.08.1984

1. Gutachter: Prof. Dr. Peter Wicke

2. Gutachter: Dr. Jens Gerrit Papenburg

Berlin, den 12.09.2012

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Abstract

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es zu untersuchen, wie digitale Technologien den

Musikkonsum und die Musikrezeption beeinflusst haben. Dabei soll im ersten Teil zunächst

ein Überblick über die technischen Reproduktionen der vergangen 75 Jahre gegeben werden,

um digitale Medien anschließend in Beziehung dazu betrachten zu können. Ausgangspunkt ist

die Entwicklung der Vinylschallplatte Mitte des 20. Jahrhunderts, die für die technische

Reproduktion von Musik und die Gattungen Rock und Pop von maßgeblicher Bedeutung war.

Als zweite wichtige Weiterentwicklung wird das Magnettonband untersucht und mit ihm das

Aufkommen nicht nur einer mobilen Musikkultur, sondern auch einer veränderten

Produktionsweise, in deren Folge Aufnahmen nicht länger ein realistisches Abbild der

Studioperformance waren, sondern durch zunehmende Manipulationen am Klangmaterial

einen ganz eigenen Sound entwickelten, der live ohne entsprechende Technik nicht mehr

aufführbar war. Und schließlich, als Folge einer langen technischen Entwicklungsreihe, der

Einzug digitaler Technologien in die Arbeit im Studio und den Alltag der Konsumenten. Im

zweiten Teil der Arbeit liegt der Fokus auf Einfluss und Auswirkungen dieser digitalen

Technologien - speziell der digitalen Audioformate im Umfeld multimedialer Vernetzung -

auf Musikkonsum und –rezeption. Es sollen neue Formen des Zugangs zu, des Umgangs mit

und der Rezeption von Musik vor dem Hintergrund ihrer binären Erscheinungsform betrachtet

werden.

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INHALTSVERZEICHNIS

1 Einleitung ……………………………………………………………….…… 1

2 Vom Vinyl zu Nullen & Einsen ……………………………………...…… 5

2.1 Vinyl: Beginn einer Technisierung des Hörens ……………… 5

2.2 Das Tonband: Manipulationen von Zeit, Raum und Klang . . 11

2.3 Die Compact Cassette: Der mobilisierte Hörer ……………… 13

2.4 Von Nullen & Einsen: Die Anfänge der Digitalisierung …… 16

3 Music in the Cloud ………………………………………………………… 21

3.1 mp3 – das entfesselte Medium ……………………………….… 21

3.1.1 Hintergründe …..……………….………………………. 23

3.1.2 Technik …………..………………………………………. 23

3.1.3 mp3 und die Anfänge der weltweiten Vernetzung... . 25

3.2 mp3 – das entfesselnde Medium ……………………………..… 26

3.2.1 mp3 + www = Demokratisierung der Musik . . …….. 26

3.2.2 iPod, Smartphone & Co – Eine neue Kultur ………. 28

des Hörens

3.2.2.1 Portabilität …………………………………….. 30

3.2.2.2 Vielfalt ………………………………………….. 31

3.2.2.3 Praktikabilität …………………………………. 31

3.2.2.4 Vernetzung ……………………………………… 32

3.2.2.5 Private Soundtracks ………………………….. 33

3.2.2.6 Musiker 2.0 …………………………………….. 35

4 Resümee ……………………………………………………………………… 36

5 Literaturverzeichnis …………………………………………………….… 39

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1 Einleitung

„We shape our tools and thereafter they shape us.“

John M. Culkin1

Über lange Zeit war das Musik(er)leben zum großen Teil an gesellschaftliche, zeitliche und

räumliche Gegebenheiten gebunden. Im Mittelpunkt von Kirche und Adel stehend (man

denke an die Musica sacra, höfische Unterhaltungs- und Repräsentationsmusik, Militär- und

Feldmusik), hielt die weltliche Musik erst im Laufe des 18. Jahrhunderts Einzug in die

bürgerliche Lebenswelt.2 Doch selbst Ende des 19. Jahrhunderts war es vornehmlich die

großbürgerliche Schicht, die sich Musikdarbietungen in Form von Konzert und Oper oder

Hausmusikabenden leisten konnte.3 Erst die Erfindung des Phonographen durch Edison im

Jahr 1877 sollte den Beginn einer Reihe von weitreichenden Entwicklungen im Bereich der

technischen Reproduktion von Klang markieren, die nicht nur zu tiefgreifenden

Veränderungen und Umwälzungsprozessen in Musikkomposition, -produktion, -distribution

und -aufführungspraxis führten, sondern damit auch im Musikkonsum und der

Musikrezeption. Zwischen Urheber (Komponist) und Mittler (Interpret), sowie Mittler und

Hörer von Musik, schiebt sich seitdem zunehmend eine weitere Instanz in Form technischer

Übertragungsketten4 bzw. technischer Hörgeräte5. So entstand eine Verschiebung von

praktizierter oder live erfahrener Musikdarbietung zunächst hin zur Simulation einer

Aufführung in der Zeitgestalt ihres sonischen Materials, bis hin zu Aufnahmen, die völlig aus

ihrem Echtzeitbezug herausgelöst wurden und sich durch technische Transformationen zu

„simulierten Aufführungen in simulierten Räumen“6 entwickelten, die ohne apparate-

intensiven Einsatz gar nicht mehr live aufgeführt werden konnten.7

1 Culkin, John M. (1967): S. 70. 2 Vgl. Laaff, Ernst (1948): S.33f. & Wicke, Peter (1998): S.8ff., vgl. auch: Besseler Heinrich (1959). 3 Vgl. Millard, Andre (2005): S. 131 & Wicke, Peter (1998): S. 32f. Auch wenn Musik sowohl in der Bauern- und Arbeiterschicht (Wirtshausmusik, Musik zu Festen und im familiären Rahmen) natürlich eine Rolle spielte und auch das Kleinbürgertum mit kostengünstigeren Alternativen (Musizieren in der Familie, vom Staat überantwortete öffentliche Musikpflege) Musik in ihr gesellschaftliches Leben integrierte (vgl. Wicke, Peter (1998): S.35). 4 Vgl. auch Rösing, Helmut (1998): S.109. 5 Jens Papenburg verwendet den Begriff „Hörgerät“ in seiner Arbeit, um deutlich zu machen, dass das, womit gehört wird, durch Technologie (mit-)konstituiert ist. (Vgl. Papenburg, Jens (2011): S. 16f.) Der Begriff wird in dieser Arbeit an einigen Stellen unter demselben Aspekt verwendet. 6 Wicke Peter (2008): S. 8. 7 Vgl. Wicke Peter (2008)

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War der Ende des 19. Jahrhunderts aufkommende Tin Pan Alley Song8 - den man als Urform

des modernen Popsongs betrachten kann - noch nicht, wie sein Nachfolger, an das technische

Medium Schallplatte gebunden, sondern an das ältere Medium Notenschrift bzw. den

Notendruck, dessen Promotionskanal die New Yorker Broadwaybühnen, anlaufende

Musicalproduktionen und in den 1930er Jahren schließlich auch die Filmmusik waren, so

sollte sich dies mit Einführung der Vinylschallplatte grundlegend ändern. Die 7-inch-Vinyl-

Single wurde nicht nur zum technischen Medium des populären Songs, sondern sollte auch

das wenig später entstandene Genre des Rock’n’Roll erst ermöglichen und entscheidend

mitprägen. Das Format des Songs dominierte noch bis in die 70er Jahre hinein das

Musikgeschäft, bevor es durch den aufkommenden Disco Boom vom „Track“ abgelöst

wurde.9 Der Track, dessen Medium das Tonband bzw. die 12-inch-Maxi-Single war, wurde

nicht länger als fertige musikalische Einheit angesehen, sondern hatte den Charakter eines

Halbfabrikats, welches im Studio massiven Transformationsprozessen unterlag bzw. vom DJ

in den Mix gebracht wurde.

Seinen Höhepunkt fand diese Entwicklung schließlich im Soundfile - der Fixierung von

Klang im digitalen Medium. Wie beim Track korrespondiert auch beim Soundfile kein Klang

mehr einer realen Aufführungspraxis. Doch obwohl oder gerade weil das Soundfile keine

eigene physische Präsenz mehr hat, hebt ihn eine entscheidende Eigenschaft vom Track und

auch vom Song ab: Das Soundfile kann durch seine spezifischen Eigenschaften sowohl

Track als auch Song simulieren, während dies umgekehrt nicht möglich ist. Zumindest

als Wirkungseinheit bleibt das Format des Songs im Soundfile bestehen und bestimmte

digitale Audiobearbeitungsprogramme können mit ihrem Aufbau die Spuren und Tracks

des Mehrspurmagnettonbandes simulieren. Die spezifischen Eigenschaften digitaler

Audioformate und korrelierender digitaler Technologien haben zu einer Omnipräsenz von

Musik geführt und einen Möglichkeitsraum für die Organisation von Klang eröffnet, der so

zuvor nicht denkbar gewesen wäre.

8 Seinen Namen verdankt er dem Komponisten Monroe Rosenfeld, der 1900 in einem Artikel des New York Herald die 28. Straße zwischen Fifth Avenue und Broadway im New Yorker Stadtteil Manhattan als Tin Pan Alley (Blech-/Zinnpfannenallee) bezeichnete. Hier waren zu dieser Zeit die meisten amerikanischen Musikverlage ansässig und Rosenfeld assoziierte mit diesem Begriff den pausenlosen Lärm, den die Komponisten beim Vorspielen ihrer Songs verursachten. Der scherzhaft gemeinte Begriff wurde schließlich zum Synonym für die amerikanische Musikindustrie, die in jenen Jahren durch die Musikverlage dominiert wurde und ihrem Produkt, dem Tin Pan Alley Song (Vgl. Wicke, Peter / Ziegenrücker, Wieland & Kai-Erik (2007), S. 744). 9 Vgl. Wicke, Peter (2001), S. 38ff.

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145 Jahre nach der Vorstellung von Edisons Phonographen ist Musik durch die Möglichkeiten

ihrer technischen Reproduzierbarkeit nicht nur zu einem Kulturprodukt geworden, das – die

Schranken gesellschaftlicher Schichten und materiellen Wohlstandes in der westlichen Welt

größtenteils durchbrochen - in die Lebenswelt jedes Einzelnen Einzug gehalten hat, sie hat

sich auch zu einem selbstverständlichem Alltagsbegleiter entwickelt: Von der

Radioweckfunktion, mit der man musikalisch in den Tag starten kann; über den Gebrauch des

mobilen mp3-Players, der als Wegbegleiter zu Schule und Arbeit oder durch den

Joggingparcours fungiert; die musikalische Beschallung in Kaufhäusern und Wartehallen;

Musik in Cafés, Restaurants und Diskotheken; bis hin zu den Hunderten von

Softwareprogrammen bzw. Applikationen, die es im Bereich Musik mittlerweile für PC und

Internet bzw. Smartphones gibt. Es stellt sich die Frage, welche Auswirkungen diese

mannigfaltigen Zugangsmöglichkeiten zu Musik in kultureller und gesellschaftlicher

Hinsicht haben. Dass sie Auswirkungen haben, merkte bereits 1926 Heinrich Besseler an:

Die Frage ist vielmehr, in welchen Weisen uns Musik im allgemeinen zugänglich

wird oder werden kann. Jede derartige Zugangsmöglichkeit muß sich naturgemäß

auch in bestimmten gesellschaftlichen Formationen ausprägen, und gerade dort

wird ein Wandel am unzweideutigsten hervortreten.10

Walter Benjamin schrieb, dass die „Aura“, die an ihr „Hier und jetzt“11 gebunden ist - die also

im Bereich Musik durch ihre Einmaligkeit in der Live-Aufführung bestimmt wird - sich mit

der technischen Reproduzierbarkeit verflüchtigt.12 Ein Prozess der sich vor allem seit der

Einführung der Vinyl-Schallplatte und verstärkt im digitalen Zeitalter beobachten lässt.

Benjamin lag aber falsch, als er weiter fortfuhr, dass „die Reproduktionstechnik (…) das

Reproduzierte aus dem Bereich der Tradition“13 ablöse, bzw. dass „die technische

Reproduzierbarkeit des Kunstwerks“ dieses „von seinem parasitären Dasein am Ritual“

emanzipiere.14 Auch heute, im digitalen Zeitalter, hat und erfüllt Musik Funktionen, ist Musik

von Traditionen und Ritualen geprägt, auch wenn diese im Laufe der Zeit weitreichende

Veränderungen erfahren haben.15

10 Besseler, Heinrich (1926): S.36. 11 Benjamin, Walter (1993): S. 25. 12 Die Aura sah Benjamin definiert durch den Kultwert eines Kunstwerks in Kategorien der raum-zeitlichen Wahrnehmung (Vgl. Benjamin, Walter (1993): S. 16). 13 Benjamin, Walter (1993): S.13. 14 Ebd. S.17. 15 Vgl. Rösing, Helmut (1998): S. 112. & insbesondere: North, Adrian / Hargreaves, David (1996). Letztere haben in ihrer Studie die Funktionen untersucht, die Musik in verschiedenen Situationen (in der Diskothek, während der Hausarbeit, beim Autofahren, …) für den Hörer erfüllt.

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Doch nicht nur die Art und Weise wie Musik heute gehört wird, wurde durch die

Digitalisierung beeinflusst, auch die Distributionskanäle, also wie Musik überhaupt an den

Konsumenten und Rezipienten gelangt, haben sich gewandelt. Wurde Musik über viele Jahre

hinweg hauptsächlich, neben Radio und Musikprogrammen im Fernsehen, auf einem

Tonträger konserviert im entsprechenden Fachhandel erworben, lässt sich Musik heute längst

nicht mehr nur dort, sondern im lokalen Einzelhandel, ebenso wie digital über Online-Shops

(wie Amazon und iTunes), über Crossmarketing (wie der Rewe/Sony „Starzone“-Aktion16

oder der Aral/Universal „Rock On!“-Kampagne17) oder auch in der so genannten Cloud über

diverse Streamingdienste (wie Spotify, Napster oder Simfy) beziehen.

Digitale Technologien haben nicht nur dazu geführt, dass sich die Produktionsweisen und

Distributionswege von Musik radikal gewandelt haben, sie haben auch den gesellschaftlichen

und kulturellen Rahmen der Musikrezeption und des –konsums entscheidend geprägt und

verändert. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit diesen Veränderungen, mit besonderem

Fokus auf den Einfluss den digitalen Technologien hier zukommt. An der Definition Helmut

Rösings orientiert, meint „Musikrezeption“ dabei einen „Prozess, der sich als

Bedingungssystem gegenseitiger Abhängigkeiten zwischen den Bereichen Musik, Person und

Situation beschreiben läßt.“18 Ist mit Musikrezeption immer auch ein gewisser Grad der

bewussten Aufnahme von und Auseinandersetzung mit Musik verbunden, so meint dem

gegenüber Musikkonsum in dieser Arbeit die Nutzung von Musik in ihren verschiedensten

Erscheinungsformen. Damit sind sowohl Aspekte der zeitlichen Nutzung gemeint, als auch

Hörgewohnheiten, Bezugsquellen und die Medien über die Musik wahrgenommen wird.

Zunächst soll in Kapitel 2 ein Überblick über die Entwicklung der technischen

Musikreproduktion gegeben werden, angefangen bei der Umstellung von Schellack auf Vinyl,

in der, so die These der Arbeit, der Beginn einer zunehmenden Technisierung des Hörens am

deutlichsten hervortritt, über die Einführung des Magnettonbandes, mit dem technisch

generierte Klangwelten möglich wurden, die sich von einem realen Bezug zur Live-

16 Bei der von der Rewe Group initiierten Aktion „Starzone“, bekam man über einen begrenzten Zeitraum Ende 2011/Anfang 2012 ab einem Einkaufswert von 10 Euro ein Päckchen mit drei Star-Sammelkarten und einem gratis Download. Auf einer eigens dafür eingerichteten Webseite konnte man nach erfolgreicher Anmeldung den auf der Sammelkarte enthaltenen Code einlösen und aus einem Angebot von ca. 500.000 Songs von über 12.000 Interpreten einen Song kostenlos erwerben. Die Aktion fand in Kooperation mit der Sony Music Group statt, weshalb nur Songs von Künstlern heruntergeladen werden konnten, die bei Sony Music unter Vertrag waren. 17 Beinahe zeitgleich mit der Rewe „Starzone“-Aktion kooperierte die Aral AG mit Universal Music. Pro Einkauf im PetitBistro erhielt man auch hier einen Gutschein, der einem zum Download eines mp3-Songs von Universal Music berechtigte. 18 Rösing, Helmut (1998): S. 113.

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Aufführung immer mehr loslösten und ihren Bezug in ihrer eigenen Technizität wiederfanden

bis hin zur Digitalisierung, mit der, so eine weitere These, die Musik, losgelöst von jedem

physischen Medium, zu einer Repräsentation ihrer selbst wird.

In Kapitel 3 soll schließlich der Fokus auf den digitalen Technologien und ihrem Einfluss und

ihren Auswirkungen auf Musikkonsum und –rezeption liegen. In einer Art Kartographie des

Feldes sollen unter soziokulturellen, musikwissenschaftlichen und, nur wo es der Gegenstand

der Betrachtung verlangt, auch ökonomischen Aspekten neue Formen des Zugangs zu, des

Umgangs mit und der Rezeption von Musik betrachtet werden.

Eine Zusammenfassung der zentralen Punkte erfolgt schließlich in Kapitel 4.

2 Vom Vinyl zu Nullen & Einsen

2.1 Vinyl: Beginn einer Technisierung des Hörens

Wenn der berühmte Pianist Gerald Moore in seinen Memoiren die Vorgänge während einer

Grammophon-Aufnahme schildert, bekommt man nicht nur eine gute Vorstellung davon, was

für eine Erleichterung, ja Revolution, die Einführung der LP einige Jahre später für die

Musiker sein sollte, sondern auch für die Rezipienten einer solchen Aufnahme. Mit 12 Zoll

Durchmesser und einer Wiedergabegeschwindigkeit von 78U/min wurde eine Spieldauer von

maximal 4 Minuten und 30 Sekunden erreicht, was ganz entscheidenden Einfluss auf das

Aufnahmeverfahren hatte:

Da ein Symphonie- oder Sonatensatz auf einer Plattenseite zu wenig Platz hatte,

mußte der Satz mittendrin unterbrochen werden – manchmal gerade bei einer

unaufgelösten Dissonanz. Dieser Absatz war ganz unerträglich selbst für uns

einfache Leute. Bei kürzeren Stücken wurde deshalb oft das Tempo in grotesker

Weise beschleunigt, bloß damit die Aufnahmedauer für die Platte reichte. Wenn das

rote Licht aufleuchtete, verloren wir keine Sekunde – wir legten gleich los.

Sprinter in einem Hundertmeterlauf konnten nicht schneller starten als wir.19

19 Moore, Gerald (2003): S. 64.

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Für die Rezipienten war es nicht nur ein mühseliges Unterfangen, die Platten alle vier

Minuten umdrehen zu müssen20, es störte durch die Unterbrechung natürlich zum einen den

fortlaufenden Hörgenuss eines Stückes und konnte zum anderen, bedingt durch die

Aufnahmesituation, mitnichten die Interpretation eines klassischen Stückes sein, die der

Komponist ursprünglich vor Augen hatte, bzw. wie man sie im Konzert zu hören bekam, wo

die Musiker nicht der Reglementierung der Spielzeit eines Tonträgers unterlagen.21

Peter Goldmark, der vornehmlich Interesse an klassischer Musik hatte und jener Zeit bei

CBS22 Leiter einer Forschungsgruppe war, fand heraus, dass „90% aller Symphonien auf

einer Platte mit 45 Minuten Gesamtspielzeit untergebracht werden konnten“23. Für die von

seinem Forschungsteam entwickelte und 1948 vorgestellte Langspielplatte (kurz LP) von

30cm Durchmesser und maximal 25 Minuten Spieldauer pro Seite24 bei einer Drehzahl von

33 1/3 U/min bedeutete das eine viel feinere Tonschrift, als dies bei der Schellackplatte der

Fall war.25 Da ausschließlich das Plattenmaterial darüber bestimmte, wie stark die

Schallschrift verkleinert werden konnte, wählten Goldmark und seine Forschungsgruppe für

ihre LP einen Thermoplast, Polyvinylchlorid oder auch kurz PVC26, dessen Oberflächen-

struktur so fein war, dass eine Verringerung des Rillenabstandes von 0,3mm bei der

Schellackplatte auf 0,1mm bei der LP und eine Verringerung der Rillenbreite von 0,13mm auf

0,7mm erreicht wurde.27 Während die Lebensdauer einer Schellackplatte zwischen 75 und

125 Abspielungen lag, bevor durch das Gewicht des Tonabnehmers die Platte größtenteils

zerkratzt war28, Schellackplatten ohnehin sehr leicht zerbrechlich waren und zudem auch ein

stattliches Gewicht aufwiesen29, versprachen die neuen Vinyl-Schallplatten mit ihrem

20 Es gab zwar schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts automatische Plattenwechsler, aber längst nicht jeder Haushalt besaß so ein Gerät. Auch versprach dies für den Rezipienten zwar physisch mehr Komfort, der Hörgenuss wurde durch den Wechsel der Platte dennoch unterbrochen. 21 Dazu Fred Gaisberg: „There was no pretence of using the composers's score; we had to arrange it for wind instruments [largely] and all nuances (such as pianissimo effects) were omitted...“ (Zitiert nach: Moore, Jerrold Northrop (1999): S. 239). 22 Kurz für „Columbia Broadcasting System“ 23 Bruch, Walter (1983a): S.90. 24 Zwar hatte Edison bereits 1926 mit seiner „Long Playing Diamond Disc“ eine Platte von 40 Minuten Gesamtspielzeit vorgestellt, die Platte konnte sich jedoch nicht durchsetzen; unter anderem, weil die Konsumenten nicht dazu bereit waren, ihre Geräte für viel Geld erneut umzurüsten. 25 Vgl. Bruch, Walter (1983a): S.90. 26 In den 80er Jahren sollte sich das Wort „Vinyl“ umgangssprachlich für die Polyvinylchloridplatte, bzw. Vinylplatte oder auch Schallplatte einbürgern. 27 Ebd. 28 Vgl. Millard, Andre (2005): S. 203. 29 Wie bereits erwähnt, wurde der Grad der Rillenverkleinerung und damit auch die Spielzeit, die auf eine Platte passte, vom Tonträgermaterial bestimmt. Um dem Auflagendruck von bis zu 300g standzuhalten, mussten Schellackplatten also eine entsprechende Dicke aufweisen. Edisons „Long Playing Diamond Disc“ wies bspw. ca. 6mm Dicke auf und wog um die 460g, aber auch die Standard 12-inch Schellackplatten wogen, je nach Pressung, durchschnittlich um die 200g. Durch die elektrischen Tonabnehmer konnte der Auflagendruck um

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widerstandsfähigerem und dennoch leichtem Material eine weitaus längere Lebensdauer,

einfachere Handhabbarkeit und weniger Stauraum, bzw., wie es in späteren Kapiteln im

Zusammenhang mit digitalen Medien heißen wird, weniger „Speicherplatz“.30 Beachtlich war

auch die Entwicklung der Klangqualität. War ein Signal-Rausch-Verhältnis von 30dB für eine

Schellackplatte schon sehr gut, so wuchs der Abstand mit den Vinylplatten auf 55 bis 60dB.31

Zeitgleich mit Columbia arbeitete auch RCA32 an einem neuen Plattensystem, welches 1949

vorgestellt wurde und die Unannehmlichkeiten der kurzen Spielzeit pro Seite lösen sollte.

Beworben wurde ein System aus kostengünstigen, handlichen Platten zusammen mit einem

Abspielgerät, das „den weltweit schnellsten Plattenwechsler“33 versprach, wodurch eine

gefühlt längere Spielzeit erreicht werden sollte.34 Da man bei RCA der Meinung war, jedes

Musikstück in 5-Minuten-Abschnitte unterteilen zu können, wählte man für die neue Platte

als Spielzeit 5 Minuten und 20 Sekunden pro Seite.35 Die fertige Platte, ebenfalls

hauptsächlich aus PVC bestehend, hatte einen Durchmesser von 7 Zoll und drehte sich mit 45

U/min.36

Es folgte der so genannte „battle of the speeds“37, bei dem Columbia und RCA versuchten,

Verbraucher und Plattenfirmen von ihrem Format zu überzeugen.38 Schließlich wurde ein

1948 um ein 100faches verringert werden. Hochwertige Vinylplatten wogen dann bis zu 180g, Standardvinylplatten deutlich weniger. (vgl. Millard, Andre (2005): S. 203 & insbes. auch: Bruch, Walter (1983a): S. 90). 30 Vgl. auch: Belz, Carl (1972): S.54. 31 Vgl. Millard, Andre (2005): S.204. 32 Kurz für „Radio Corporation of America“ 33 The Billboard (o.V.) (1950a): S. 20. Wobei das Wechseln der einzelnen Platten, laut RCA, immerhin 5 Sekunden dauerte. Von einer kaum merklichen Unterbrechung des Musikstückes kann also keine Rede sein. (Vgl. The Billboard (o.V.) (1950a): S.20.) 34 Vgl. Bruch, Walter (1983a): S.91. 35 Ebd. Die effektive Laufzeit entsprach allerdings eher viereinhalb Minuten pro Seite. 36 Die unterschiedlichen Umdrehungszahlen gehen auf das amerikanische Stromnetz zurück. Blieb es bei den ersten Plattenaufnahmen dem Aufnahmetechniker überlassen, den Gewichtsmotor für den Aufnahmeschnitt einzustellen, war durch den weltweiten Austausch von Platten und Pressmatrizen bald eine Normung gefragt. Als für den Antrieb der Plattenschneideapparatur auf Synchronmotoren übergegangen wurde, kam das 60Hz-Netz Amerikas ins Spiel. Ein Zweipolsynchronnmotor machte, an diesem Netz angeschlossen, in der Minute 3600 Umdrehungen. Durch ein Getriebe 46 zu 1 herabgesetzt, ergaben sich für den Schneidetellerantrieb 78,26U/min, bzw. abgerundet 78U/min. Eine von dem Motor angetriebene Schnecke, die im Verlauf einer Umdrehung ein Zahnrad mit 46 Zähnen um einen Zahn weitertransportiert, konnte diese Untersetzung störungsfrei realisieren. Besondere Bedeutung bekam dies mit der Einführung des Tonfilms, wo der gleichbleibende Betrieb von Aufnahmekamera und räumlich getrennter Schneideapparatur gefordert war. Ausgehend von einem vom Wechselstromnetz angetriebenen Synchronmotor mit 1800U/min wurde eine Untersetzung von 54 zu 1 gewählt, was eine Drehzahl von 33,33333, also 33 1/3 U/min ergab. Für die 7-inch Platte wählte man hingegen 45U/min, weil sich daraus eine ganzzahlige Untersetzung von 40 zu 1 ergab. (Vgl. Bruch, Walter (1983): S. 56, 87f., 91f.). 37 The Billboard (o.V.) (1949) & The Billboard (o.V.) (1950b). 38 Vgl. The Billboard (o.V.) (1949) & The Billboard (o.V.) (1950a): S.11, 35 & The Billboard (o.V.) (1950b).

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Kompromiss erzielt, der in der weiteren Entwicklung dazu führte, dass die LP zum

Standardformat für das Album (zunächst vornehmlich im Bereich der klassischen Musik)

avancierte und die 7-inch nicht nur zum Standardformat für die Single werden sollte39,

sondern auch „zum zentralen Medium“40 der Rock- und Popmusik41, was spätestens nach ihrer

Ablösung der 78rpm-Platte, ein Prozess der bis 1957 weitgehend abgeschlossen war42, der

Fall war.

In seinem frühen Buch zur Geschichte der Rockmusik stellt Carl Belz fest, dass Rock

einer der ersten Musikstile war, der nicht durch Live-Auftritte zu so großer Popularität kam43,

sondern ursprünglich und hauptsächlich durch sein physisches Medium, die Single, und deren

extensive Verwendung im Radiobetrieb.44 Auch war die Single in den 50er Jahren das

Medium der Jukeboxes und fand, auch aufgrund ihres erschwinglichen Preises, ihren Platz in

den Plattensammlungen, vornehmlich der jungen Generation, womit sie zu einem festen

Bestandteil der Jugendkultur jener Zeit wurde.45 Die LP hingegen, in den 50er Jahren noch

vornehmlich mit klassischer Musik bestückt oder eine Kompilierung bereits veröffentlichter

Singles darstellend, wurde zum Medium der Erwachsenen. Hal Cook, der auch von Belz

zitiert wird, schrieb in einem Artikel für die Billboard:

For more than a decade now, record companies have been making albums in 33

speed and aiming primarily at an adult market. They've been making singles in the

45 speed as well, and shooting mostly at the teen-agers.

The results of these policies have been that the general public identifies the 33 as

„good“ music, while it classified the 45 with the black leather jacket and

motorcycle set. While these identifications aren't altogether accurate, they are

firmly established in the public mind.46

Auch erforderte die LP, ganz im Gegensatz zur Single, eine langfristigere Entscheidung,

nämlich die des 20- bis 25-minütigen linearen Hörens ein und desselben Künstlers.47 Belz

führt weiter aus, dass der Hörer sich selbstverständlich dieser Linearität entziehen und

39 Vgl. Billboard (o.V.) (1970): S. 3 & Belz, Carl (1972): S. 55. 40 Wicke, Peter (2009): S. 71. 41 Unter Rock 'n' Roll wurden damals verschiedene musikalische Stile und Ausdrucksweisen, wie Blues, Rhythm and Blues, Gospel, Folk/Country und Jazz, zusammengefasst. (Vgl. Zakk, Albin (2001): S.12). 42 Vgl. Belz, Carl (1972): S.54 & Rolontz, Bob (1954) 43 Auch wenn die Wurzeln des Rock zweifellos in Live-Aufführungen liegen. 44 Vgl. Belz, Carl (1972): S.45f. 45 Vgl. Wicke, Peter (2009): S.71 & Wicke, Peter (2011b): S. 21ff. 46 Cook, Hal (1963). 47 Vgl. Belz, Carl (1972): S.55.

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einzelne Songs aus der LP auswählen könne, dies jedoch dem Design der LP widerspräche.48

„The 33 medium implied a seriousness of purpose which, before the later 1960's, seemed

foreign both to the casualness of the 45 and to the folk immediacy of rock“.49 Hier klingt

bereits an, dass das Medium Single nicht nur prägend für den Musikstil des Rock ’n’ Roll und

den damit verbundenen soziokulturellen Ausformungen war, sondern auch der Hörer selbst

durch das Medium (mit-)konstituiert wurde. Jens Papenburg beschreibt diesen Prozess in

seiner Dissertation als „Technisierung des Hörens“, die er durch drei Punkte charakterisiert

sieht: Zum Einen wird für ihn Hören technisiert, „wenn es durch den Umgang mit

Technologien organisiert wird“, zum Zweiten, wenn „Hörtechnologien zwar überhört

werden, bzw. sich systematisch dem Hören entziehen, aber dennoch konstitutiv für das

Gehörte sind“ und zum Dritten, wenn „Hörtechnologien zwar überhört werden, aber dennoch

Konsequenzen für den Hörer haben“.50 Entstammte die Single also „der Idee Songs- im

besten Fall Hits - unterschiedlicher Interpreten automatisch in Serie zu spielen“ und verweist

insofern vornehmlich auf das Hören, mittels der Jukebox oder vom Radio-DJ, generierter

Playlisten, so steckt in ihr bereits eine Technisierung des Hörens, wie Papenburg

argumentiert.51 Im Gegensatz dazu, sollte es bei der LP um eine Simulation und

Privatisierung des Konzert-Erlebnisses gehen, in dem dieses in die Wohnzimmer der Hörer

transportiert wurde.52 Papenburg stellt fest, dass dies nur gelingen kann, wenn die dahinter

stehende Technologie „überhört“ wird und nicht durch „low fidelity oder durch die

Einforderung eines Plattenwechsels interveniert“.53

Nachdem Mitte der 50er Jahre die monaurale Platte durch einen Frequenzbereich bis

15.000Hz HiFi-Qualität erreichte hatte, wendete man sich verstärkt der Entwicklung einer

Schallplatte mit zwei Tonsignalen in einer Rille für die zweikanalige Stereowiedergabe zu.54

Stereo Sound sollte nicht nur ein Gefühl der räumlichen Anordnung von Interpreten und

Instrumenten auf der Aufnahme vermitteln, sondern im Kontrast zu Mono-Aufnahmen auch

einen Sound liefern der der Live-Darbietung zumindest in ihrer räumlichen Aufteilung ein

Stück entgegenkam.55 Die zwei vorherrschenden Schriftverfahren jener Zeit waren zum einen

Edison's Tiefenschrift, bei der die Schallschrift als mehr oder weniger tiefe Rille in die

48 Ebd. 49 Ebd. 50 Papenburg, Jens Gerrit (2011): S.12ff. 51 Ebd. S. 154f. 52 Vgl. Papenburg, Jens Gerrit (2011): S. 154f., 161f. & Wicke, Peter (2009): S. 53. 53 Papenburg, Jens Gerrit (2011): S. 161. 54 Vgl. Bruch, Walter (1983a): S. 100ff. 55 Austin, Leslie (1993): S. 31.

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Matrize geritzt wurde, und zum anderen Berliner's - für die Dynamik eindeutig vorteilhaftere -

Seitenschrift, bei der mit konstanter Tiefe geschnitten wurde und die Schallschwingungen

eine seitliche Auslenkung der Rille bewirkten. Für die 1957 zum Industriestandard erklärte

und 1958 von mehreren Firmen eingeführte Stereoschrift56 wurde nun eine 45°/45°-

Zweikomponentenaufzeichnung gewählt, bei der sowohl die Tiefenschrift nach Edison, als

auch die Seitenschrift nach Berliner in Kombination zum Einsatz kam.57 Die bei dieser Schrift

entstehende V-förmige Rille enthält in einer Flanke die Informationen für das linke und in der

anderen Flanke die Informationen für das rechte Audiosignal, wobei jede Flanke einen 45°-

Winkel mit der Plattenoberfläche und einen rechten Winkel mit der gegenüberliegenden

Flanke bildet.58 Bereits 1960, zwei Jahre nach ihrer Einführung, machten Stereoaufnahmen

25% der verkauften Langspielplatten in Amerika aus.59 Popmusik-Veröffentlichungen

hingegen wurden noch bis 1964 mono abgemischt und erst in den 1970er Jahren ging man

dazu über, Singles im Stereo-Format zu veröffentlichen, da der jugendlichen Zielgruppe die

Stereotechnik zunächst kaum zugänglich war.60

Als Medium für Pop- und Rockmusik konnte sich die LP erst in den 60er Jahren etablieren.

Carl Belz bringt das mit einer Veränderung der Rockmusik an sich in Zusammenhang, wenn

er schreibt „rock's shift to LPs suggests (…) a growing artistic seriousness within rock music

itself. In larger development, rock has not denied the 45, but has grown beyond it“.61 Mit dem

Aufkommen von Konzeptalben - als zwar nicht erstes, wohl aber bedeutendstes ist „Sgt.

Pepper's Lonely Heartsclub Band“ der Beatles von 1967 zu nennen62 - wurde die

Langspielplatte zum zentralen Format des Popmusikmarktes, während die Single mit ihren

Albenauskopplungen als ihr Promotions-Instrument fungierte.63

56 Alan Dower Blumlein erfand das Stereoaufzeichnungsverfahren zwar bereits 1931, aber erst mit der Entwicklung und qualitativen Verbesserung der LP konnte sich das Verfahren durchsetzen (Vgl. Wicke, Peter / Ziegenrücker, Wieland / Ziegenrücker, Kai (2007): S. 695). 57 Vgl. Bruch, Walter (1983a): S. 100ff. 58 Ebd. 59 Ebd. S. 102. 60 Vgl. Wicke, Peter (2009): S. 72. 61 Belz, Carl (1972): S.56. 62 Als frühe Konzeptalben gelten beispielsweise auch Woody Guthrie's „Dust Bowl Ballads Vol. 1 & Vol. 2“, 1940 bei RCA Victor erschienen, oder Frank Sinatra's „The Voice of Frank Sinatra“, 1946 bei Columbia veröffentlicht. 63 Vgl. Wicke, Peter (2009): S. 71f.

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2.2 Das Tonband: Manipulationen von Zeit, Raum und Klang

Dass der Rock'n'Roll so anders klang, als das, was man bislang von Showgrößen wie Bing

Crosby, Frank Sinatra oder Dean Martin auf Platte kannte, war ganz entscheidend der 1949

beginnenden Umstellung der Musikproduktion auf die Magnettonbandtechnik zu verdanken.64

Sie ermöglichte nicht nur die Entstehung kleiner, unabhängig von den Plattenfirmen

agierender Aufnahmestudios, sondern gab den Produzenten und Aufnahmetechnikern auch

ein Werkzeug in die Hand, das den Sound der Musik ganz erheblich mitbestimmen und die

„Aufnahmetechnik als Instrument der Klanggestaltung“65 in den Fokus der Musikproduktion

rücken sollte. Oder wie Peter Wicke es an anderer Stelle formuliert: Die Audio-Technologie

wandelte sich aus einer „Reproduktionstechnik in eine Produktionstechnik“66. Der bereits

1950 von Les Paul angewandte „Tape Delay“-Effekt oder das 1954 von Sam Phillips

entwickelte „Slapback-Echo“, das den Aufnahmen von Elvis Presley ihren unverkennbaren

Sound gab, sind zwei berühmte frühe Beispiele dafür.67

Les Paul schrieb allerdings vor allem mit seiner Technik einer Mehrfachaufnahme, dem

„Sound-on-Sound“-Verfahren, mit dem er bereits vor Einführung des Magnettonbandes mit

einem Disc-Rekorder bis zu acht Schichten produzieren konnte, Geschichte.68 Nach seinen

Vorstellungen stellte 1955 die Firma Ampex den Prototyp eines Achtspur-Tonbandgerätes

(Ampex A300-8) her, das die synchrone Aufnahme einzelner Spuren erlaubte.69 Mit der

Mehrspurtechnik – Zwei- und Dreispurmaschinen wurden bereits Ende der 50er Jahre zum

Studiostandard – war es fortan möglich, Gesang und Instrumente, einzeln oder in kleinen

Gruppen, zeitlich getrennt auf separaten Spuren aufzunehmen und anschließend abzumischen.

Bedeuteten Studioaufnahmen vormals, dass Sänger und Instrumentalisten zusammen im

Studio standen und einen Song am Stück einspielten, der Rezipient einer solchen Aufnahme

also annähernd ein Dokument einer Live-Aufführung zu hören bekam70, so wurden diese

zeitlichen und räumlichen Grenzen durch das neue Verfahren aufgehoben. Peter Wicke

schreibt dazu:

64 Das Magnettonband wurde von AEG und BASF im Jahr 1933 entwickelt und im 2. Weltkrieg vor allem in der Nachrichtentechnik eingesetzt. Nach Kriegsende fand das Magnettonband als Kriegsbeute seinen Weg in die USA. (Vgl. auch: Bruch, Walter (1983b): S.43ff.) 65 Wicke, Peter (2011b): S.63f. 66 Wicke, Peter (2009): S. 80. 67 Vgl. Wicke, Peter (2011b): S. 66. 68 Vgl. Wicke, Peter (2011b): S. 67. 69 Ebd. S. 68. 70 Zumindest in ihrer zeitlichen und räumlichen Anordnung und abgesehen von den Einschränkungen, der eine Aufnahme durch die gegebene Aufnahmetechnik unterlag, bzw. von der sie beeinflusst wurde.

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Nachdem der Imperativ erst einmal gebrochen war, wonach die Musikaufnahme im

Studio ein möglichst realistisches Abbild der Studioperformance in Analogie zum

Live-Musizieren sein sollte, waren der Experimentierfreude keine Grenzen mehr

gesetzt.71

Auf Magnettonband fixiert, wurde das Tonsignal „zu einem eigenständigen Aggregatzustand

akustischer Materie“72, so Wicke, was erstmals einen „direkten Zugang auf die physische

Materialität von Klang“73 erlaubte. Eine der wesentlichen Manipulationsmethoden, die

Tonbandmontage, wurde somit schon kurz nach Einführung des Magnettonbandes zum

Standard. Gelungene Passagen aus mehreren Aufnahmen konnten zu einer einzigen

zusammengeschnitten bzw. –geklebt werden, die dann auf ein Masterband überspielt wurde.74

Hinzu kamen immer neue technische Geräte, wie Bandschleifen-Hall und –Echo,

verschiedene Frequenzfilter, Flanger, Kompressor, Harmonizer oder Octavider, die den

Sound einer Aufnahme nicht einfach nur beeinflussen, sondern entscheidend prägen sollten.75

Leslie Austin schreibt dazu sehr treffend: „Recording technology changed from a

performance 'capturing' medium to a performance 'creating medium.“76 Die Manipulation

von Zeit, Raum und Klang an sich führten dazu, dass die Aufnahme zum „normativen

Paradigma der Musik“77 werden sollte, die live auf der Konzertbühne meist nur durch eine

„apparateintensive Rekonstruktion der zuvor im Studio produzierten Klanggestalten“78 in die

Nähe dessen gerückt werden konnte, was der Rezipient von der Studioaufnahme zu hören

gewohnt war.79 Die Digitalisierung in der Musikproduktion sollte dieser Entwicklung noch

einmal ganz neue Welten öffnen. Darauf soll jedoch erst in Kapitel 2.4 näher eingegangen

werden.

71 Wicke, Peter (2011b): S.68. 72 Wicke, Peter (2011a): S. 9. 73 Ebd. 74 Vgl. Ebd. 75 Vgl. Wicke, Peter (2001): S. 37. 76 Austin, Leslie (1993): S. 58. 77 Wicke, Peter (2011a): S. 15 & Wicke, Peter (2011b): S. 74. 78 Wicke, Peter (2011a): S. 1. 79 Welch zunehmenden Stellenwert die Arbeit im Tonstudio einnahm, spiegelt sich auch in der dort zugebrachten Zeit wieder. Vom reinen Aufnahmetermin, zu dem die Musiker kamen, um innerhalb kurzer Zeit - die Regel waren 3 Stunden Aufnahmezeit am Stück - ihre Songs aufzunehmen, entwickelte sich das Studio zu einem Ort an dem nicht nur mit Sound experimentiert wurde, sondern manche Songs überhaupt erst entstanden. Das war natürlich immer auch eine Frage des Geldes. Mussten sich selbst die Beatles am Anfang ihrer Karriere noch an das strikte „3-hour time limit“ (vgl. Moore, Gerald (1963): S.63) der Aufnahmestudios halten, verbrachten sie 1965 ganze Tage darin, um an ihren Songs zu feilen. (Vgl. Millard, Andre (2005): S. 296, 299). Tina Turner, die 1963 unter der Regie von Phil Spector „River Deep, Mountain High“ aufnahm, berichtete über die Aufnahmesession: „(…) gegen zwei Uhr nachmittags, machte ich dann die endgültige Aufnahme. (…) Dieses Intro – 'When I was a little girl…' – ich hab das sicherlich fünfhunderttausendmal gesungen. (…) Es wurde tiefe Nacht, ehe ich endlich das Studio verlassen konnte.“ (Turner, Tina (1986): S. 162) Die Aufnahme dieses einen Songs kostete mehr als 22.000 US Dollar.

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In den 70er Jahren entstand allerdings noch eine ganz andere Art von Zugriff auf die

physische Materialität von Klang. DJs wie Tom Moulton, Walter Gibbons und Jim Burgess

akzeptierten das dominierende Format des Songs nicht länger als fertige, abgeschlossene

Einheit, sondern als Material, welches es - von der Single auf Tonband überspielt - neu zu

kombinieren und abzumischen galt.80 War der Begriff „Track“ anfangs eine rein technische

Bezeichnung, die ihren Ursprung in der Kinematographie hatte81 und nach dem zweiten

Weltkrieg, mit dem Einzug des Magnettonbandes in den Tonstudios, auch für die Tonspur auf

selbigem stand, so galt er fortan ebenfalls als Bezeichnung für ein auf Schallplatte gepresstes

Musikstück, das den Charakter eines Halbfabrikats hatte, welches vom DJ in den Mix

gebracht wurde. Schon der Wandel der Begrifflichkeiten unterstreicht ein weiteres Mal die

zunehmende Technisierung im Umgang mit Musik. Die fertigen Remixe wurden zunächst auf

der 10-inch EP, später 12-inch Langspielplatte mit 45er Abspielgeschwindigkeit gepresst, was

ihnen einen deutlich größeren Dynamikumfang einbrachte, der in den räumlichen

Gegebenheiten der Diskotheken voll zur Geltung kam.82

2.3 Die Compact Cassette: Der mobilisierte Hörer

Obwohl das „reel-to-reel“83 Magnettonbandformat durch sinkende Preise bereits in den 50er

Jahren als Abspiel- und Aufnahmegerät für den Heimgebrauch zur Verfügung stand, stellte

sich seine Bedienung als zu umständlich heraus, um der Schallplatte ernsthaft Konkurrenz zu

machen.84 Erst mit Einführung der Philips „Compact Cassette“ im Jahr 1963 sollte ein

Medium auf den Markt kommen, das in der Folgezeit enorme Absatzraten verzeichnen

konnte.85 Das 3,81mm breite Magnettonband mit einer Spielzeit von 30min pro Seite, in ein

genormtes Plastikgehäuse verpackt und so klein und leicht, dass es in jede Hosentasche

passte, zeichnete sich durch seine leichte Handhabbarkeit und Robustheit aus und erfreute

sich so großer Beliebtheit, dass die Plattenfirmen ab 1976 ihre Produktionen parallel zur

Schallplatte auch auf Kassette anboten.86 Ihre Popularität verdankte die Kassette aber vor

80 Vgl. Brewster, Bill / Broughton, Frank (2006): S. 181ff. & Wicke, Peter (2009): S.72f. 81 Der Begriff „Track“ bezeichnet hier den Soundtrack, bzw. die Tonspur eines Films, die Sprache, Geräusche, Soundeffekte und Musik enthält. 82 Vgl. Wicke, Peter (2009): S. 72. 83 Was - dem Mechanismus entsprechend - frei übersetzt soviel wie von „(Tonband-)Spule-zu-(Tonband-)Spule“ bedeutete. 84 Vgl. Millard, Andre (2005): S. 315. 85 Lag der Absatz bespielter Audiokassetten 1981 laut IFPI bei 510 Mill. Stück, so war diese Zahl 1990 auf ganze 1440 Mill. Stück gestiegen (Vgl. Wicke, Peter (2009): S. 27). 86 Vgl. Wicke, Peter (2009): S. 73.

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allem der Tatsache, dass sie nicht nur ein Abspiel- sondern auch ein Aufnahmemedium war.87

Schon der erste Kassettenrekorder auf dem amerikanischen Markt, der „Norelco Carry-

Corder“ von 1964, war, wie der Name schon andeutet, mit einer Aufnahmefunktion

ausgestattet.88 Die ausgiebige Nutzung der Aufnahmefunktion spiegelt sich auch im Absatz

der Leerkassetten wieder, deren Zahl teilweise um mehr als das doppelte über der Zahl der

bespielten Musikkassetten lag.89 John Dale, 1982 Hauptgeschäftsführer bei Fuji, sagte dazu:

(…) the problem they [the people, JK] 've been running into is that the selection

of titles they have to choose from (in pre-recorded) is not as broad as most

consumer's tastes, and the quality is so bad that people are reluctantly buying

the record they want and making their own cassettes. I think there are other

reasons people buy blank cassettes and record their own music as well. There

are an awful lot of people who, when they make up their own cassettes, put

together their own selection of favourite musical programming from a variety of

different labels – something I don't think the record companies could ever

compete with.90

Die Möglichkeit Musik aus dem Radio aufzunehmen oder sich von geliehenen Kassetten oder

Schallplatten zu überspielen und sie nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen auf

der Kassette anzuordnen, sich also seine eigenen Kompilationen - oder „Mix-Tapes“, wie sie

genannt wurden - zu erstellen, weitete sich in den 80er Jahren zu einer regelrechten Kultur

aus, „in der individuelle Klangporträts entstanden, die in den sozialen Beziehungen als eine

Art affektiv-emotionale Visitenkarte fungierten“.91 Dies setzte einen Grad der Beschäftigung

mit dem Medium an sich voraus, den es so zuvor nicht gegeben hatte. Vor allem Jugendliche

machten von dieser Funktion Gebrauch und wurden von den Anbietern der Kassettenrekorder

auch explizit mit Slogans wie „zu Hause die neueste Hitparade selbst“ zusammenstellen

beworben.92

Ein weiterer ganz wesentlicher Aspekt, der mit der Einführung der Kassette und ihrer

Abspielgeräte einherging, war aber die neue Form von Mobilität. Portable Wiedergaberäte

gab es zwar schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts, allerdings liegen die Differenzen vor

87 Ebd. S. 74. 88 Vgl. Millard, Andre (2005): S.317. 89 Vgl. Wicke, Peter (2009): S. 74. 90 Zitiert nach: Golden, Marcia (1982). 91 Wicke, Peter (2009): S. 74. 92 Zitiert nach: Weber, Heike (2008): S. 171.

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allem hinsichtlich der Praktikabilität - beispielsweise zwischen einem portablen

Koffergrammophon oder Ghettoblaster und einem Kassettenrekorder - auf der Hand. Darüber

hinaus besticht der Kassettenrekorder - beispielsweise gegenüber dem, in seiner Größe

durchaus vergleichbarem, Kofferradio - ganz eindeutig durch die Möglichkeit, seine eigens

zusammengestellte Lieblingsmusik abspielen zu können und zwar wann man möchte und wo

man möchte. Dennoch hieß „mobiles Hören“ in den 1970er Jahren vor allem, Musik im Auto

zu hören, das von der Industrie recht schnell mit entsprechendem Equipment (Kassettendeck,

Equalizer, Endverstärker) ausgestattet wurde.93

Mit der Einführung des „Walkman“ von Sony 1979 bekam der Begriff „mobiles Musikhören“

eine völlig neue Bedeutung. Als portables Miniatur-Abspielgerät sollte es vor allem den

Jugendmarkt revolutionieren. Mit einem Frequenzbereich von 40Hz bis 12kHz94 konnte er

den audiophilen Vinylhörer zwar erst einmal nicht überzeugen95, das war zunächst aber auch

gar nicht das angestrebte Ziel. Bei seiner Vorstellung in Tokio präsentierten Jugendliche auf

Rollschuhen und in Zweisamkeit hörende Pärchen das Gerät96, was eindeutig seine Qualitäten

wie sportliche Mobilität durch praktikable Größe und Gewicht (der Walkman wog 390g und

maß 8,9cm×13,2cm×2,9cm), sowie die Möglichkeit des gemeinsamen, ungestörten

Musikgenusses, gegeben durch zwei Kopfhöreranschlüsse, betonen sollte.97 Michael

Golacinski, seinerzeit Marketing Coordination Manager bei Maxell, kommentiert die

Entwicklung 1982 folgendermaßen:

A revolution is occurring. For a long time people enjoyed music as passive

entertainment – as a home kind of thing. If they wanted quality sound, they were

limited to their living rooms. And when suppliers introduced personal stereos and

stereo portables, people discovered they could take their music with them.98

Auf dem Tonträger gegenständlich gemacht, erlebte Musik bereits mit Schallplatte, Radio und

Tonbandgerät eine Integrierung in den Alltag des Menschen, mit dem Aufkommen portabler

Miniatur-Audiogeräte sollte diese jedoch eine enorme Verstärkung und Musik in ihren

Funktionen tiefgreifende Veränderungen erfahren.

93 Vgl. Weber, Heike (2008): S. 175. 94 Traiman, Stephen (1979). 95 Auch verfügte der erste Walkman noch nicht über ein Rauschminderungsverfahren, wie Dolby. 96 Vgl. Weber, Heike (2008): S. 177. 97 Vgl. Traiman, Stephen (1979) & Weber, Heike (2008): S. 176. 98 Zitiert nach: Golden, Marcia (1982).

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Michael Bull, der sich in zahlreichen Arbeiten mit dem Einfluss von Technik auf auditive

Erfahrungen - insbesondere auf die Rolle mobiler Audioabspielgeräte - befasst, argumentiert,

dass „personal stereos“99, wie der Walkman, zu einem entscheidenden Werkzeug im Alltag

der Nutzer werden, die ihn hier nicht nur zur zeitlichen und räumlichen Strukturierung und

Manipulation nutzen100, sondern auch als ein Mittel der Abgrenzung zwischen sich und ihrem

Umfeld101, sowie zur gezielten Beeinflussung von Gedanken und Gefühlsleben102. Dies sind

ganz entscheidende Aspekte, die im digitalen Zeitalter mit der Einführung des iPod und

portabler MP3-Player noch einmal eine Verstärkung erfahren sollten und auf die deshalb in

Kapitel 3.2.2 ausführlicher eingegangen werden soll.

2.4 Von Nullen & Einsen: Die Anfänge der Digitalisierung

Wurden im akustischen Zeitalter Schallwellen, über eine Membran gelenkt, mechanisch in

Wachsmatrizen kopiert bzw. graviert und im elektrischen Zeitalter in elektrische Wellen

umgewandelt, die sich wiederum in den Rillenauslenkungen der Schallplatte manifestiert

sahen bzw. in der spezifischen Anordnung von Magnetteilchen auf dem Magnettonband, so

wird im digitalen Zeitalter das Audiosignal in bestimmten Zeiteinheiten abgetastet und die

dabei gemessenen Werte als binäre Zahlenwerte dargestellt.

Bereits in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts begannen Wissenschaftler in den Laboratorien

der amerikanischen Telefongesellschaften digitale Methoden der Klangübertragung zu

erforschen. Basierend auf einem Puls-Code-Modulationsverfahren (kurz „PCM“) sollten so

zeit- und wertkontinuierliche analoge Signale (Schallwellen) in zeit- und wertdiskrete digitale

Signale (eine Folge von Nullen und Einsen, in Form von Spannung oder keiner Spannung)

umgewandelt werden. Gespeichert wurde dabei aber nicht der gesamte Schallwellenverlauf,

sondern nur, durch eine zuvor zeitlich festgelegte Rasterung erzeugte, Abtastwerte, so

genannte „Samples“. Die Qualität des digitalen Signals ist dabei abhängig von der

Engmaschigkeit dieser Rasterung.

1962 ging das erste PCM-basierte Übertragungssystem an den Start.103 Möglich wurde

das erst durch die erstaunlichen Fortschritte in der Transistor- und Halbleitertechnik104, da die

99 Bull verwendet diese Terminologie um die Verwendung des Markennamens „Walkman“ für portable Miniaturabspielgeräte zu umgehen. 100 Vgl. insbes. Bull, Michael (2000): S. 28-37, 55-68. 101 Vgl. insbes. Ebd. S. 28-37, 71-83. 102 Vgl. insbes. Ebd. S. 39, 43-54. 103 Vgl. Millard, Andre (2005): S.346f.

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Puls-Code-Modulation integrierte Schaltkreise verwendet, um analoge Audiosignale in

digitalen Code umzuwandeln.105 In den 70er Jahren begannen Unternehmen in den USA,

Europa und Japan mit digitalem Sound zu experimentieren und ihn auf Videoband, das über

eine größere Speicherkapazität verfügte als das Tonband, zu speichern.106 1977/78 stellten

sowohl Philips als auch Sony Prototypen eines Digitalen Soundsystems vor, das eine

Laserdisc als optisches Speichermedium verwendete.107 1979 trafen die beiden Konzerne die

Entscheidung, ihre Techniker gemeinsam an der Entwicklung eines optischen Disc-basierten

Tonträgers arbeiten zu lassen. Das Resultat wurde 1981 vorgestellt und ist bekannt: Nach

etlichen Sitzungen hatte man sich auf die Spezifikationen des neuen Mediums – der Compact

Disc („CD“) – geeinigt.108 Da die Compact Cassette ein so großer Erfolg war, beschloss man,

dass die CD nicht viel größer sein dürfe und einigte sich auf einen Durchmesser von 12cm.109

Die Analog/Digital-Umwandlung sollte mit einer Abtastrate von 44,1kHz bei einer Auflösung

von 16Bit erfolgen, was bedeutet, dass 1.411.200Bits an Informationen pro Sekunde generiert

werden, oder anders ausgedrückt, das Ausgangssignal wird 44.100 mal in der Sekunde

abgetastet und für jeden Abtastwert werden 16Bit verwendet.110 Damit passte der

Übertragungsbereich zum menschlichen Hörspektrum.111 Die CD konnte bis zu 75 Minuten

Musik speichern112, womit sie fast alle anderen Tonträgersysteme bei weitem übertraf, und

hatte ein Signal-Rausch-Verhältnis von 96db113, was sie im Prinzip zu einem störfreien

Tonträger machte.114 Die Datenspur auf einer CD verläuft spiralförmig von innen nach außen

(also genau umgekehrt zur Mikrorille der Schallplatte) und besteht aus mikroskopisch kleinen

104 Halbleiterspeicher sind Datenspeicher, die aus Halbleitern bestehen. Transistoren sind elektronische Halbleiter-Bauteile zum Schalten und Verstärken von elektrischen Signalen, das heißt, sie können den Strom der sie passiert verändern. Werden mehrere Transistoren zusammengesetzt können sie logische Schaltkreise bilden, die zusammengesetzt wiederum Prozessoren bilden. Bereits 1971 konnten in einem Mikroprozessor (im Intel 4004) 2300 Transistoren untergebracht werden. Zum Vergleich: Der Intel Itanium 2 Tukwila von 2010 bringt es auf 2.046.000.000 Transistoren – und das auf einer Fläche von wenigen Nanometern. (Vgl. Klemmt, Andreas (2012): S. 6). 105 Vgl. Millard, Andre (2005): S. 348. 106 Ebd. S. 349. 107 Vgl. Immink, Kees (1998): S. 2. 108 Vgl. Ebd. S. 2-3. 109 Vgl. Ebd. 110 Bestimmung der Bitrate: 44.100Hz (Samling-Rate)×16Bit (Samling-Tiefe)× 2 (Kanäle) = 1.411.200 Bits/ Sekunde. Die Bitrate liegt heute meist bei 128, 192 oder 256 kbits. Je höher die Bitrate, desto besser die Audioqualität. 111 Vgl. Immink, Kees (1998): S. 2. 112 Ein hartnäckiges Gerücht bezüglich der Länge der CD besagt, dass Sony’s damaliger Vizepräsident Norio Ōga sich wünschte, dass zumindest Beethovens Neunte Sinfonie auf die CD passen solle. Die längste zur Verfügung stehende Version von Wilhelm Furtwängler aus dem Jahr 1951besaß eine Spieldauer von exakt 74 Minuten, weshalb angeblich auch die CD zu ihrer seltsamen Abspielzeit gelangte. Laut Kees Immink, der direkt an der Entwicklung der CD beteiligt war und dem in dieser Frage daher zweifelsohne eine gewisse Kompetenz zugeschrieben werden kann, sind diese und ähnliche Gerüchte aber Unsinn. 113 Zum Vergleich: Vinylplatten kamen auf ein SRV von 55 bis 60dB. 114 Vgl. Millard, Andre (2005): S. 353.

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Vertiefungen („pits“) und Flächen („lands“), auf die eine reflektierende Aluminiumschicht

aufgebracht wird. Da CDs von unten durch einen Laser abgetastet werden erscheinen die

„pits“ als Erhöhungen und werden nun als „bumps“ bezeichnet. Vereinfacht ausgedrückt,

kommt es bei der Abtastung dieser Höhenunterschiede durch den Laser zu einer

Phasenverschiebung, sodass vom „bump“ kein Licht reflektiert wird. Durch dieses

„Reflexion/keine Reflexion“-System“ ergibt sich ein binärer Code „1/0“, der durch einen

Decoder schließlich wieder in analoge Tonsignale umgewandelt werden kann.115

Neben den enormen Innovationen hinsichtlich der Klangqualität, war es für den Nutzer ein

großes Novum, die Tracks einer CD nun direkt auswählen zu können. Natürlich konnte man

auch schon die Kassette vor- und zurückspulen, das war aber nicht nur zeitintensiv, sondern in

der Titelsuche auch recht mühsam.116 Kein Vergleich also zur Möglichkeit seine Anlage

bequem vom Sofa aus bedienen und nach Belieben die gewünschten Titel auswählen zu

können. Zusammen mit dem Aufkommen von Infrarot-Fernbedienungen konnte der Nutzer

mit der neuen Technik nun gewissermaßen eine erste Form von „music-on-demand“ genießen

und erlangte damit, nach den Möglichkeiten, die die Kassette bot, ein weiteres Stück

Selbstbestimmung in der Art und Weise wie er Musik konsumieren und rezipieren wollte.

Andre Millard nennt als weitere und ja sogar wichtigste Errungenschaft, die mit dem digitalen

Aufnahmeverfahren einherging, die Realisierung des Traums „of a nondestructive system of

reproduction“117, da im Gegensatz zu Vinyl-Platte und Magnettonband, das häufige

Abspielen einer CD zu keinen Verschleißerscheinungen führt. Er führt weiter aus, dass „In

principle it [the digital recording, JK] will last forever, and each playback will sound as pure

as the first.“118 Das ist so natürlich nicht ganz richtig. Ebenso wie Vinylplatten aus den

1960er Jahren, bei entsprechender Sorgfalt in Umgang und Lagerung, auch heute noch - wenn

auch nicht in exakt gleicher Qualität - abgespielt werden können, ist es umgekehrt möglich,

dass die CD durch falschen Umgang oder unsachgemäße Lagerung nicht mehr (fehlerfrei)

gelesen werden kann.119 Doch selbst „Unter idealen Bedingungen“120 und trotz optischer

115 Vgl. auch Abbildung auf Millard, Andre (2005): S. 354-355. 116 Es war natürlich auch bei der Schallplatte theoretisch möglich, den Tonabnehmer an beliebiger Stelle aufzusetzen, die Gefahr dabei die Platte zu beschädigen war aber viel zu groß, als dass dies wirklich zur Praxis wurde. Sinn machte dies, schon aus ihrer Funktion heraus, lediglich bei der in den 70er Jahren entstandenen Maxi-Single, die vor allem in der DJ-Kultur zum Einsatz kam. Die 10 bzw. 12-inch Langspielplatten, abgespielt mit 45er Geschwindigkeit wiesen einen weiter geführten Schnitt auf, der bei diesem Durchmesser nicht nur einen höheren Dynamikumfang zur Folge ahtte, sondern auch für besser sichtbare Rillen und damit eine leichtere Positionierung der Nadel sorgte. 117 Millard, Andre (2005): S. 353f. 118 Ebd. S. 354 119 Vgl. Groth, Susanne / Uhl, Alexander (2007).

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Abtastung, gibt der Leiter des Lehrgebietes Multimedia und Internetanwendungen der

Fernuniversität Hagen, Professor Matthias Hemmje, einer CD lediglich „50 bis 80 Jahre

Lebensdauer“121, da man den langsamen Zersetzungsprozess einer CD nicht aufhalten könne.

Es bleibt die Frage, ob also nicht sogar Vinylschallplatten im Vergleich und auf lange Sicht

die längere Lebenserwartung haben.

Die CD jedenfalls wurde zum vollen Erfolg für die Plattenindustrie: 1990, neun Jahre

nach ihrer Einführung, wurden mit einem Absatz von 785 Millionen Stück bereits doppelt so

viele CDs verkauft, wie alle anderen Tonträger zusammengenommen.122

Für die Arbeit im Tonstudio eröffneten sich mit der Digitalisierung von Musik aber noch ganz

andere Dimensionen. Ist während einer Aufnahme ein Take - das kann eine Strophe, ein

Instrumentalsolo oder auch eine noch kleinere Einheit sein - besonders gut gelungen, kann er

einfach kopiert und immer dann eingefügt werden, wenn er im Song auftaucht.123 Diese

Manipulationsmethode wurde zwar auch schon mit dem Tonband angewendet, war aber

ungleich mühseliger und kaum mit einer solchen Präzision zu bewerkstelligen. Auch waren

Kopiervorgänge auf Tonband immer mit einem Qualitätsverlust verbunden, selbst wenn

dieser nur vermeintlich gering war.124 Auch andere Manipulationstechniken, die bereits mit

dem Tonband als Ausgangsmaterial angewendet wurden, konnten nun viel schneller, leichter,

präziser und innovativer, von Algorithmen gesteuert, ausgeführt werden: Die unabhängige

Manipulation von Tempo und Tonhöhe beispielsweise, oder Echoeffekte, Frequenzfilter,

Flanger, Phaser, Choruseffekte, usw.125 Da Klang in seiner binären Repräsentation in

kleinsten Einheiten manipuliert werden kann, eröffneten sich im Studio aber auch solch

mikroskopisch kleinste Bearbeitungsmöglichkeiten wie:

…trimming out a bit of fret buzz, or a lip smack before a line is sung… More

extreme microscopic editing includes piecing together individual notes or

syllables of a performance, or doing tricks such as splicing the sound of a

human inhaling before each synthesizer phrase.126

120 „Eine 'Lagerung unter idealen Bedingungen' hieße jedoch, dass die CDs nicht angefasst und staub- sowie lichtgeschützt in klimatisierten Räumen aufbewahrt werden müssten, deren Temperatur 18 Grad Celsius nicht übersteigt.“ (Groth, Susanne / Uhl, Alexander (2007)). 121 Zitiert nach: Groth, Susanne / Uhl, Alexander (2007). 122 Vgl. Wicke, Peter (2009): S. 75. 123 Vgl. Austin, Leslie (1993): S. 71. 124 Ebd. 125 Katz, Mark (2010): S.148. 126 Zitiert nach Austin, Leslie (1993): S. 72.

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Dem nun schon so viele Jahre angewandten Overdubbing taten sich im digitalen Gewandt

gänzlich neue Optionen auf. Mark Katz nennt als Beispiel Natalie Cole, die 1991 das Duett

„Unforgettable“ mit ihrem bereits 1965 verstorbenen Vater Nat „King“ Cole veröffentlichte.

Obwohl die beiden nie zusammen eine gemeinsame Aufnahme gemacht hatten, ermöglichten

es die erhaltenen Tonbänder des Jahrzehnte zuvor von ihrem Vater aufgenommenen Songs,

die beiden im Studio zu vereinen.127 Auch zwischen Charles Aznavour und Edith Piaf kam es

mit „Plus bleu que tes yeux“ zum virtuellen, im Studio kreierten Duett128 und Elvis Presley

fand sich auf „Christmas Duets“129 gleich mit mehreren Damen (u.a. LeAnn Rimes, Amy

Grant und Olivia Newton-John), denen er nie begegnet war, im Duett wieder.

Zeigten die im Studio geschaffenen, von - seit der Einführung des Magnettonbandes -

zunehmender Technizität geprägten, klanglichen Ereignisse bald schon gar keinen Bezug

mehr zu einer ihnen vorangegangen Aufführungspraxis, so erhielten sie in ihrer binären

Repräsentation eine noch größere Abstrahierung. Da jegliche Form von digitaler, also binärer

Repräsentation immer lediglich genau das sein kann - eine Repräsentation, eine Darstellung

dessen, was digital kodiert oder (man denke an Synthesizer) simuliert ist, kann auch digitale

Musik immer nur eine Repräsentation, ein Verweis auf ihren analogen Ursprung sein. Für

Leslie Austin hat diese Repräsentation profunde Auswirkungen darauf, wie wir Musik

wahrnehmen und auf sie reagieren.130 Er argumentiert, dass wir, sowohl physiologisch als

auch neurologisch, auf digital dekodierte Musik anders reagieren, als auf akustische oder

analog aufgenommene.131

Both acoustic and analog musical sounds have, as part of their innate structure,

a continuity of flow in time. We 'hear' their uninterrupted sound waves, literally

and physically replicated in the analog recording process, and interpret them as

musical sounds.

Because digital musical sounds are actually a stream of mathematical sound

measurements alternating with silence (and not a continuous wave), they do not

have the same uninterrupted flow of musical sound, but are experienced by the

body as a series of very rapid starts and stops.132

127 Vgl. Katz, Mark (2010): S. 48. 128 Charles Aznavour – Edith Piaf: „Plus bleu que tes yeux“ auf: Charles Aznavour: „Plus bleu“. Audio CD. EMI, Holland, 2003. 129 Elvis Presley: „Christmas Duets“. Audio CD. Sony, USA, 2009. 130 Vgl. Austin, Leslie (1993): S. xx. 131 Vgl. Ebd. S. xx f. 132 Ebd. S. xxi f.

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Inwiefern und ob überhaupt der menschliche Körper physiologisch und neurologisch auf

digitalisierte Musik anders reagiert als auf analoge, soll nicht Gegenstand dieser Arbeit sein,

unbestritten erscheint jedoch, dass nach der Auflösung der raum-zeitlichen Bindung von

Musik an ihre Aufführung, nun die Loslösung von Musik an ein ihr zugrunde liegendes

physisches Medium erfolgte.

3 Music in the Cloud

3.1 mp3: Das entfesselte Medium

"A new technology does not add or subtract something. It changes everything"

Neil Postman133

Wenn in der Kapitelüberschrift von mp3 als Medium die Rede ist, dann kann damit natürlich

nicht länger ein physisches Medium gemeint sein, wie es Vinylplatte und Tonband waren.

Obwohl im heutigen Sprachgebrauch Ausdrucksweisen wie „einen Song 'auf' mp3 haben“

oder „eine soundso große mp3-Sammlung besitzen“ gebräuchlich sind, meint mp3 in

allererster Linie ein Format. Ein Format, das den Aufbau einer Audiodatei beschreibt. Von

denen gibt es sowohl in komprimierter als auch unkomprimierter, verlustfreier und

verlustbehafteter Form, mittlerweile eine ganze Menge - Windows Media Audio (wma), Ogg-

Vorbis (ogg) oder Audio Interchange File Format (AIFF), um nur ein paar zu nennen.

Allerdings wird mp3 in dieser Arbeit, analog zu seiner gebräuchlich gewordenen Verwendung

im Alltag, als Synonym für digitale Audioformate verwendet.

Obwohl der Begriff des Mediums in der Musik auch in früheren Zeiten schon - neben seiner

Bedeutung als physischer Tonträger - den Umstand der Vermittlung innehatte, bekommt diese

Bedeutung im digitalen Zeitalter erst eine entsprechende Tragweite. Fungierten Schallplatte

und Tonband noch als physische Vermittler zwischen dem Künstler bzw. seiner Aufnahme

und dem Hörer, so kann behauptet werden, dass digitale Audioformate wie mp3 zunächst

einmal eine Sphäre der Vermittlung zwischen der Musik und einem (empfundenen)

physischen Träger bilden, ja einen solchen simulieren, und erst in zweiter Ebene Mittler

133 Postman, Neil (1992): S.18.

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zwischen dem Künstler bzw. der technischen Reproduktion seiner Musik und dem Hörer sind.

Auch digitale Audioformate sind trotz ihrer Loslösung von einer physischen Materialität

keineswegs transparente Medien. Vor allem die Klangqualität, die abhängig von der Bitrate

stark variieren kann, spielt hierbei eine immanent wichtige Rolle. Inwieweit digitale Medien

überhört werden können, sie das Hören (mit-)konstituieren und den Alltag der Konsumenten

mitorganisieren soll nachfolgend untersucht werden.

Da hierzu an einigen Stellen unterschiedliche Studien134 herangezogen werden, sind vorab ein

paar Anmerkungen notwendig. Es gibt nur wenige bis gar keine Studien, die sich über einen

langen Zeitraum mit der Mediennutzung, speziell dem Musikkonsum und der -rezeption

beschäftigt haben, weshalb es schwierig ist, repräsentative Daten zu erhalten, die es möglich

machen, eine Entwicklung über längere Zeit zu verfolgen. Das liegt auch daran, dass

längerfristige Studien sehr aufwendig sind und sich mit der veränderten Medienlandschaft

und –nutzung auch die Fragestellungen über die Jahre immer wieder verändert haben. Die

herangezogenen Studien unterscheiden sich daher teilweise stark in Hintergrund,

demografischer Struktur, Art der Befragung und Repräsentativität, weshalb Ergebnisse

natürlich nicht direkt miteinander verglichen werden können. So wurden beispielsweise

einige Erhebungen jüngeren Datums über eine reine Internetumfrage durchgeführt, andere am

Telefon und wieder andere schriftlich oder persönlich. Auch erforderten einige

Fragestellungen von den Teilnehmern eine Selbsteinschätzung über einen vorangegangenen

Zeitraum (bspw. Fragen wie: „Was schätzen Sie, wie viele Tonträger Sie in den vergangenen

12 Monaten erworben haben“), die statistisch nicht nachgeprüft werden können. Ohne also

den Anspruch auf Repräsentativität zu erheben, sollen einige der Ergebnisse hier erwähnt

werden, weil sie dennoch einen guten Eindruck über Veränderungen in Musikkonsum und –

rezeption im Zusammenhang mit digitalen Medien vermitteln.

134 Bahanovich, David / Collopy, Dennis (2009), Bundesverband Musikindustrie e.V. (Hrsg.) (2012), Council for Research Excellence (Hrsg.) (2009), Friedrichsen, Mike / Gerloff, Daniel / Grusche, Till / Damm, Tile von (2004), Hägler, Thomas (2005), Jost, Ekkehard (1976), Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hrsg.) (2001-2011), Noelle, Elisabeth / Neumann, Erich Peter (Hrsg.) (1956, 1965, 1974), Noelle-Naumann, Elisabeth (Hrsg.) (1977), Noelle-Naumann, Elisabeth / Köcher, Renate (Hrsg.) (1993, 1997), Noelle-Naumann, Elisabeth / Piel, Edgar (Hrsg.) (1983), North, Adrian / Hargreaves, David / Hargreaves Jon (2004), Schorb, Bernd (Hrsg.) (2012), SevenOne Media GmbH (Hrsg.) (2005), UK Musik (Hrsg.) (2009).

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3.1.1 Hintergründe

Die Anfänge der mp3-Entwicklung gehen bis in die 1970er Jahre zurück und haben ihren

Ursprung in der Idee eines digitalen Hörfunks. Weltweit forschten Entwicklerteams an der

Übertragung von Musik über Telefonleitungen. Die dabei anfallenden Datenmengen konnten

mit dem damaligen Stand der Technik aber noch nicht bewältigt werden. Dieser Meinung war

auch das Patentamt, das ein Patent zur Musikübertragung via ISDN, eingereicht von Dieter

Seitzer, seinerzeit Professor an der Universität Erlangen, ablehnte.135 Seitzer suchte daraufhin

einen Doktoranden, den er in Karlheinz Brandenburg fand, der sich mit passenden

Kompressionsmethoden beschäftigen sollte.136 1987 formierte sich schließlich eine

Forschungsgruppe aus Mitgliedern der Universität Erlangen-Nürnberg und des Fraunhofer

Instituts für Integrierte Schaltungen (IIS), um in Zusammenarbeit mit den AT&T Bell Labs

und Thomson137 bestehende Ideen zu bündeln und gemeinsam an Kompressionsmethoden zu

arbeiten.138 Ab 1988/89 erfolgte die Entwicklung innerhalb der ISO/IEC139 in deren

Untergruppe MPEG140 weiter.141 Wie der Name nahe legt, ist die MPEG eine Gruppe von

Experten, die sich mit der Standardisierung der kodierten Repräsentation von digitalen Audio-

und Videoinformation beschäftigt.142 MPEG-1 stellte dabei den ersten Standard zur

verlustbehafteten Video- und Audiodatenkompression dar und bestand aus drei Audio-Layern

für unterschiedliche Anwendungsgebiete. Der dritte Audio-Layer betraf nun die Entwicklung

von Karlheinz Brandenburg und seinem Forschungsteam und sollte unter der Bezeichnung

mp3143 - mit dem Aufkommen des Internets - Musik- und Technikgeschichte schreiben.144

3.1.2 Technik

Beim Speichern von Audiodateien in CD-Qualität fallen sehr große Datenmengen an. Um

beispielsweise 1 Minute Audiomaterial mit einer Samplingrate von 44,1kHz und einer

Samplingtiefe von 16Bit in Stereoqualität zu archivieren werden ca. 10MB benötigt.145 Ein

Musikstück von 3,5 Minuten Länge kommt so auf über 35MB. Wenn man bedenkt, dass

Anfang der 1990er Jahre maximal 100MB Festplattenspeicher zur Verfügung standen, ist dies

135 Vgl. Cicero Online (o.V.) (2011). 136 Ebd., sowie Tonspion (o.V.) (2004). 137 Thomson fungiert heute unter dem Namen „Technicolor“ und war den 1980er Jahren ein wichtiger Hersteller von Halbleitern. 138 Vgl. Tonspion (o.V.) (2004). 139 Kurz für: International Organization for Standardization/International Electrotechnical Commission. 140 Moving Picture Experts Group 141 Vgl. Millard, Andre (2005): S. 375f. 142 Vgl: MPEG-Webseite: http://mpeg.chiariglione.org/ (Stand: 01.09.2012). 143 Für MPEG-1 Audio Layer III bzw. in der weiteren Entwicklung MPEG-2 Audio Layer III. 144 Ebd. 145 44.100Hz (Samling-Rate)×16Bit (Samling-Tiefe)×2 (Kanäle)×60 (Sekunden) = 84672000Bit = 10.09369MB.

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eine gewaltige Zahl. Um diese Größe nun zu komprimieren, kommen für den beim mp3-

Format verwendeten Kodierungsalgorithmus Erkenntnisse aus der Psychoakustik zum

Tragen. Das dafür verwendete Perceptual-Audio-Coding-Modell (PAC) ist die Grundlage

aller Arten digitaler Audiokodierung und beruht auf drei Eigenschaften des menschlichen

Hörvermögens im Bereich seiner Hörfläche von 16Hz bis 20kHz: den Schwellenwerten im

Hörbereich und den frequenz- und zeitbasierten Maskierungen.

Sinustöne einer bestimmten Frequenz F Hz können vom Menschen nur über einer

minimalen Lautstärke S(F) dB gehört werden. Aus dieser Eigenschaft ergibt sich eine

Hörschwelle, deren maximale Sensibilität zwischen 2 und 4kHz liegt. Sinustöne unterhalb

dieser Hörschwelle werden nicht gehört und können herausgefiltert werden.146

Maskierung beschreibt die Überdeckung zweier Signale und das Unvermögen des

menschlichen Gehörs, sie zu erkennen oder zu unterscheiden. Für die Maskierung im

Frequenzbereich bedeutet das, dass bei zwei Tönen ähnlicher Frequenz, derjenige mit der

geringeren Amplitude nicht wahrgenommen wird.

Die Maskierung im Zeitbereich beruht auf der Tatsache, dass das menschliche

Hörsystem nach einem Signal bestimmter Lautstärke, nicht sofort dazu in der Lage ist,

Signale geringerer Lautstärke zu verarbeiten, sondern zunächst eine „Erholungszeit“

(Recovery Time) von ca. 5-20ms benötigt.147 Umgekehrt werden vor einem lauten Ton

Signale geringerer Lautstärke nicht wahrgenommen, weil der Aufbau der Wahrnehmung eines

Signals eine gewisse Zeit beansprucht. Dieses Phänomen wird als Post- bzw. Premasking

bezeichnet.148

Werden bei der Kodierung also Töne entdeckt, die unterhalb der Maskierungskurve im

Frequenzbereich liegen oder in der Wahrnehmungsaufbauphase vor lauteren Tönen bzw.

innerhalb der Recovery Time nach ihnen, so können sie herausgefiltert werden. Allein diese

drei Effekte ermöglichen eine Kompression, die 60% der Gesamtkompression149

ausmachen.150

Die so durch Komprimierung erzeugte Darstellung, macht nur gut einzwölftel des

Speicherplatzes einer CD aus.151 Ein durchschnittlicher Song, der nach diesem Verfahren

komprimiert wird, kommt so auf nur noch ca. 3MB. Von Bedeutung für den Verbraucher

146 Vgl. Mazzola, Guerino (2006): S. 84. 147 Ebd. S. 85. 148 Ebd.; Zu einer ausführlichen Beschreibung der physikalischen und psychoakustischen Grundlagen vgl. Roederer; Juan (2000). 149 Nach der Kompression auf Grundlage des psychoakustischen Modells wird der Datenstrom noch quantisiert und verlustfrei Huffman-komprimiert. Diese beiden Verfahren ermöglichen eine nochmalige Komprimierung um 20% (Vgl. Mazzola, Guerino (2006): S. 86). 150 Vgl. Mazzola, Guerino (2006): S. 85. 151 Vgl. Tonspion (o.V.) (2004).

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sollte dies aber erst mit der Verbreitung von entsprechend ausgerüsteten PCs und

Internetanschlüssen in den Privathaushalten werden.

3.1.3 mp3 und die Anfänge der weltweiten Vernetzung

So wurden PCs in den 1990er Jahren nach und nach standardmäßig mit CD-ROM- und bald

auch CD-Brenner-Laufwerken ausgerüstet. Zunehmender Beliebtheit erfreuten sich

entsprechend CD-ROMs als Speichermedien. Auch wurden Festplatten immer größer und

kostengünstiger, während Mikrochips immer kleiner und leistungsfähiger wurden. Ganz

entscheidend war auch das Aufkommen so genannter CD-Ripper und mp3-Encoder, die es

ermöglichten, die Songs einer CD in mp3s umzuwandeln bzw. mp3s abzuspielen. Und mit der

Entwicklung des World Wide Web im Jahr 1989 trat auch das Internet seinen Siegeszug an.152

Diese Umstände ebneten den Weg für so genannte „P2P“-Filesharing-Netzwerke153, allen

voran Napster im Jahr 1998, die den weltweiten Austausch von Dateien, vor allem

Musikdateien, ermöglichen sollten. Dabei durchsuchte die zuvor installierte Software den

Heimrechner nach Musikdateien und sendete die Ergebnisse an einen zentralen Server im

Internet, wo auch die Angebote und Suchanfragen anderer Teilnehmer („Clients“) eingingen.

Konnte eine Suchanfrage von einem anderen Client erfüllt werden, stellte Napster eine

Verbindung zwischen den beiden her und die Musikdatei konnte kopiert werden. Napster

erfreute sich innerhalb kürzester Zeit so großer Beliebtheit, dass Mitte des Jahres 2000

ungefähr 10.000 Musikdateien pro Sekunde über das Netzwerk getauscht wurden und Anfang

2001, auf seinem Höhepunkt, 80 Millionen Benutzer registriert waren.154 Der weitere Werde-

bzw. Untergang von Napster und auch die ähnlich verlaufenden Entwicklungen anderer

Internet-Tauschbörsen, wie Gnutella, eDonkey oder Kazaa sind hinlänglich bekannt und

aufgearbeitet worden, daher soll an dieser Stelle nicht weiter darauf eingegangen werden.155

Was diese Zusammenfassung aber zeigen soll, ist die enorme Anziehungskraft, die das

Medium mp3 im Umfeld seiner korrelierenden digitalen Technologien innerhalb kürzester

Zeit erreichte.

Dabei wurden in der Beschreibung des Netzwerks gerade bewusst zwei in diesem

Zusammenhang konträre Begriffe verwendet, die eine ganz entscheidende Eigenschaft

digitaler Audioformate konnotieren und ganz wesentlich für ihren Erfolg sind, nämlich

152 1997 nutzten bereits 6,5% der deutschen Bevölkerung das Internet, 1999 stieg diese Zahl auf 17,7% und erreichte 2009 ganze 67,1%. Dabei lag die Dauer der Onlinenutzung 1999 pro Tag bei durchschnittlich 83 Minuten und 2009 bei 136 Minuten. (Vgl. Eimeren, Birgit van / Frees, Beate (2009): S. 336, 345). 153 P2P für Peer-to-Peer 154 Vgl. Green, Matthew (2002). 155 Verwiesen sei an dieser Stelle stattdessen auf Alderman, John (2001) & Green, Matthew (2002).

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„tauschen“ und „kopieren“. Obwohl von „Tauschbörsen“ und „Musik tauschen“ die Rede

war, fand effektiv keine Verschiebung von Musik im Sinne einer „Handelsware“ statt. Wer

über ein P2P-Netzwerk einen Song von einem anderen Client bezog, der bekam nicht die

Originaldatei, sondern eine Kopie, die dem Original in jeglicher Hinsicht entsprach. Während

bei der Erstellung einer Kopie auf Tonband immer ein gewisser Qualitätsverlust zu

verzeichnen war, der zunahm je öfter ein Musikstück überspielt worden war, gab es bei der

Kopie einer digitalen Audiodatei keinerlei Qualitätsverlust. Die Kopie war von genauso guter

(oder schlechter) Qualität wie das Original. Das machte die große Attraktivität für den Nutzer

aus.

3.2 MP3: Das entfesselnde Medium

3.2.1 mp3 + www = Demokratisierung der Musik

Die Anziehungskraft im Austausch von Musikdateien über das Internet rührte aber noch von

ganz anderer Seite her: nämlich der sich auftuenden unendlichen Vielfalt. Eine

durchschnittliche Tauschbörse bot mehr Musik an als jeder Plattenladen156 - und noch dazu

vermeintlich kostenlos.157 Man konnte ja nicht nur gezielt nach Musikdateien suchen, sondern

auch in den virtuellen Plattensammlungen von unterschiedlichsten Personen, mit

unterschiedlichsten musikalischen Präferenzen stöbern, dabei Neuentdeckungen machen und

sich herunterladen, was einen interessierte. Bei Nichtgefallen wurde die Datei einfach

gelöscht, im gegenteiligen Fall taten sich eventuell völlig neue musikalische Welten auf.

Chris Anderson stellt dazu fest, dass sich ein regelrechter Kulturwandel beobachten ließ, mit

einer Abwendung von den Hits und Hinwendung zu den Nischenkünstlern.158 Die wenigsten

der getauschten Musikdateien waren in den Charts wiederzufinden.159 Dies spiegelte sich

auch im Radiokonsum wieder. Hörten 1993 Amerikaner im Durchschnitt rund 23 Stunden

und 13 Minuten Radio in der Woche, so erreichte die Dauer im Frühjahr 2004 mit einer

Hördauer von 19 Stunden und 45 Minuten ihren tiefsten Stand seit 27 Jahren.160 Laut

Anderson wurden von Experten zu den wichtigsten Punkten für diese Entwicklung unter

anderem das Aufkommen des iPods (dazu mehr in Kapitel 3.2.2) und der damit verbundenen

Möglichkeit, sich sein eigenes Musikprogramm zusammenstellen zu können, sowie die

156 Vgl. Anderson, Chris (2009): S. 38. 157 Die Frage des wirtschaftlichen Schadens ist natürlich nicht unerheblich, aber nicht Gegenstand dieser Arbeit, weshalb auf die Auswirkungen dieser Entwicklung auf die Tonträgerindustrie an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden soll. 158 Vgl. Anderson, Chris (2009): S. 18, 38. 159 Vgl. Ebd. S. 38f. 160 Vgl. Ebd. S. 41.

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Vereinheitlichung der Radioprogramme, die den iPod nur noch attraktiver gemacht haben

dürften, gezählt.161

In Kapitel 2.3 wurde John Dale zitiert, der die Ursachen für die Entstehung der Mix-

Tape-Kultur zum einen in der Unzufriedenheit der Konsumenten ob der Auswahl an käuflich

zu erwerbenden Titeln sah und zum anderen darin, dass Plattenfirmen sich niemals mit dem

persönlichen Geschmack der Hörer, der sich in ihren selbst zusammengestellten

Kompilationen wiederfand, messen könnten.162 Der Wunsch und das Bestreben nach einer

Demokratisierung der Musik, bzw. entsprechende Werkzeuge, waren hier also schon im

Ansatz gegeben, erst mit dem Einzug digitaler Medien in den Alltag der Menschen,

eröffneten sich ihnen aber völlig neue Möglichkeiten dazu. Das Entdecken unbekannter

Interpreten war früher eher dem Zufall überlassen oder entsprechender Musikliebhaber im

Freundeskreis zu verdanken, die viel Zeit mit der Akquirierung neuer Musik verbrachten.

Kaufentscheidungen wurden vor allem vom Radio geprägt, das wiederum ein guter Spiegel

der aktuellen Charts war - und was ein Hit wurde, war maßgeblich von einer entsprechenden

Promotion der Plattenfirmen beeinflusst. Mit den Möglichkeiten des World Wide Web wurde

deren Diktat nun weitestgehend ausgehebelt. In der Studie von FRIEDRICHSEN / GERLOFF /

GRUSCHE / DAMM (2004) gaben 74% der Befragten an, der Hauptzweck des Herunterladens

von mp3s bestünde für sie im Entdecken neuer Künstler/Bands, 71% nannten das Reinhören

in CDs als Grund und erst an dritter Stelle wurde mit 44% das Ergänzen der eigenen

Sammlung durch einzelne Songs angegeben.163 Thomas Hägler stellt in seiner Studie fest,

dass die Befragten, seit sie mp3s herunterladen oder nutzen, nicht nur der Meinung sind,

generell mehr Zeit für Musik aufzubringen, sondern auch angaben, dass sich ihr Wissen über

Musik verbessert habe.164 Obwohl die Interpretation der genauen Werte in dieser Frage

schwierig ist, kann man doch schlussfolgern, dass der Umgang mit mp3s in ihrem digitalen

Umfeld auch eine größere Auseinandersetzung inhaltlicher Art mit sich bringt. Das so

genannte Web 2.0 bot und bietet zunehmend mit teils interaktiven Seiten wie Last.fm,

MySpace, Spotify oder SoundCloud dem interessierten Nutzer Möglichkeiten, online in der

so genannten Cloud165 Musik zu hören, neue Interpreten und Songs zu entdecken,

161 Vgl. Ebd. 162 Vgl. Golden, Marcia (1982). 163 Friedrichsen, Mike / Gerloff, Daniel / Grusche, Till / Damm, Tile von (2004): S. 101ff. 164 Hägler, Thomas (2005): S. 90f. 165 Für den Begriff „Cloud“ oder „Cloud Computing“ konnte sich bislang keine einheitliche Definition durchsetzen. Die amerikanische Standardisierungsstelle NIST (National Institute of Standards and Technology) schlägt folgende Definition vor: „Cloud computing is a model for enabling ubiquitous, convenient, on-demand network access to a shared pool of configurable computing resources (e.g., networks, servers, storage, applications, and services) that can be rapidly provisioned and released with minimal management effort or service provider interaction.“ (Mell, Peter / Grance, Timothy (2011): S. 6.) Im Bereich Musik-Streaming

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Hintergrundinformationen zu erhalten und in aktiven Austausch mit anderen Nutzern oder

auch Künstlern zu treten.

3.2.2 iPod, Smartphone & Co – eine neue Kultur des Hörens

Der iPod von Apple war keineswegs das erste mobile Abspielgerät für digitale Audioformate.

Bereits 1998 stellte der südkoreanische Konzern Saehan den MPMan F10 vor, den ersten

tragbaren mp3-Player der Welt.166 Er kam für knapp 500 Dollar in den Handel und war mit

seinem 64MB-Speicher dazu in der Lage, mehr als eine Stunde Musik im mp3-Format zu

speichern.167 Kommerziell wesentlich erfolgreicher war jedoch der im selben Jahr auf den

Markt gekommene Rio PMP300 von Diamond-Multimedia und das obwohl er nur 32MB

fassen konnte.168 Apple stieg erst 2001 aktiv in dieses Geschäft ein. Sein iPod stellte mit 5GB

Speicherkapazität (das entsprach der 80fachen Größe des MPMan F10) seine Konkurrenz in

den Schatten – allerdings auch preislich, denn mit 1000DM Einführungspreis war er zunächst

ein echter Luxusartikel.169 Der Durchbruch gelang erst mit der dritten Generation des

Abspielgerätes im Jahr 2003, als die für den iPod notwendige Software iTunes auch mit

Windows-Rechnern kompatibel wurde und Apple mit dem iTunes Store, einer der ersten

großen Handelsplattformen für Musik, online ging.170 Die Speicherkapazität des iPods war

mittlerweile auf 40GB gewachsen, damit ließen sich ca. 10.000 Songs in der Hosentasche171

durch die Gegend tragen. Der aktuelle iPod hat gar einen Festplattenspeicher von 160GB172 -

um eine solche Musik-Sammlung auf LP unterzubringen bräuchte man ein gut 12 Meter

langes Regal.173

Die Tatsache, dass es sich bei digitalen Musikdateien um körperlose Medien handelt, sollte

auch die Grundlage und das Erfolgskonzept des aufkommenden Onlinehandels mit Musik

bilden. Während die „reale Verkaufswelt“ durch bspw. Verkaufsfläche, Regalplatz,

Sortiment, Personal und Öffnungszeiten Begrenzungen unterlag und von Faktoren wie

bedeutet dies, dass die gewünschten Songs nicht heruntergeladen werden, sondern direkt aus der virtuellen „Wolke“ gestreamt, also in Echtzeit abgespielt, werden. Dabei zeichnet die Cloud aus, dass man von überall und mit jedem internetfähigem Endgerät auf sie zugreifen kann. 166 Vgl. Kremp, Matthias (2008). 167 Ebd. 168 Ebd. 169 Vgl. Kremp, Matthias (2008). 170 Ebd. 171 Der iPod der dritten Generation wog rund 176g und hatte die Maße 103,5mm × 61,8mm × 18,7 mm. 172 Laut Apple, ergäben sich daraus ca. 40.000 Songs. (Vgl. Technische Spezifikationen auf der Herstellerseite: http://www.apple.com/de/ipodclassic/specs.html (Stand: 01.09.2012)). Legal erworben entsprächen dem etliche Tausend Euro/Dollar Wert an Musik, die ein User mit sich herumträgt. 173 Ausgehend von 40.000 Tracks, die laut Apple auf einen 160GB iPod passen und 14 Tracks pro LP.

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Standort und selbst Wetter mitbestimmt wurde, waren die meisten dieser Barrieren für den

Onlinehandel bedeutungslos.174 Digitale Medien nehmen keinen Platz weg, zumindest

angesichts heutiger Speicherkapazitäten keinen nennenswerten, und brauchen sich auch nicht

auf. Lädt ein Kunde einen Song oder ein Album digital herunter, so ist es auf Anbieterseite

immer noch für einen anderen Kunden mit dem gleichen Kaufwunsch verfügbar - es wurden

ja lediglich ein paar Nullen und Einsen auf eine andere Festplatte kopiert. Auch hier ist es vor

allem die Vielfalt und sofortige Verfügbarkeit, die für den Kunden den Reiz ausmachen. Gab

es laut dem Bundesverband Musikindustrie im Jahr 2002 lediglich zwei legale Musikdienste

im Internet, so stieg diese Zahl im Jahr 2007 auf 31 und im Jahr 2011 auf 68 an.175 Neben

ihrem massiven rechtlichen Vorgehen gegen die illegale Verbreitung von Musik, wurde auch

im legalen Onlinehandel von der Musikindustrie zunächst mittels DRM176 versucht, die

Kontrolle über digital erworbene Musik zu behalten. Das System konnte sich beim

Verbraucher allerdings nicht durchsetzen, so dass Edgar Bronfman, CEO der Warner Music

Group 2007 feststellte:

We used to fool ourselves. We used to think our content was perfect just exactly

as it was. We expected our business would remain blissfully unaffected even as

the world of interactivity, constant connection and file sharing was exploding.

And of course we were wrong. How were we wrong? By standing still or moving

at a glacial pace, we inadvertently went to war with consumers by denying them

what they wanted and could otherwise find… and as a result of course,

consumers won.177

Nachdem die Indie-Label von Anfang an auf DRM verzichtet hatten, zogen bis 2009 auch die

vier Major Universal, Warner, EMI und Sony nach.178 Was zuvor teilweise nur mit illegal

erworbener Musik möglich war, galt jetzt auch für legal erworbene Songs: Sie konnten nach

erfolgreichem Download beliebig oft kopiert oder gebrannt werden.

Im Jahr 2011 besaßen laut dem Bundesverband Musikindustrie 45% der befragten

Personen ab 10 Jahre einen mp3-Player und 51% ein Handy mit mp3-Abspielfunktion179

Unter den Jugendlichen dürfte diese Zahl noch höher liegen, wie die Studien von SCHORB

174 Vgl. Anderson, Chris (2009): S.58. 175 Vgl. Bundesverband Musikindustrie e.V. (Hrsg.) (2012): S. 16. 176 DRM (für Digital Rights Management) stellt eine Art digitaler Nutzungsverwaltung dar. Von der Musikindustrie wurde mittels dieses Systems versucht, die Nutzung und Verbreitung digitaler Musik einzuschränken, bspw. in dem ein Song nur für eine begrenzte Anzahl kopiert werden konnte. 177 Bronfman, Edgar (2007): S. 4. 178 Vgl. Holahan, Catherine (2007). 179 Vgl. Bundesverband Musikindustrie e.V. (Hrsg.) (2012): S. 17.

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(2012) und MEDIENPÄDAGOGISCHER FORSCHUNGSVERBUND SÜDWEST (2011) nahelegen.

Letzterer gibt für die Altergruppe der 12-19-Jährigen an, dass im Jahr 2011 ca. 82% im Besitz

eines mp3-Players waren und 25% im Besitz eines Smartphones (nach Mobiltelefonen mit

mp3-Abspielfunktion wurde nicht explizit gefragt).180 Für die gleiche Altersgruppe ist bei

SCHORB (2012) verzeichnet, dass 65% der Jugendlichen den mp3-Player und 52% das Handy

oft zum Musikhören nutzen, nur das Internet mit 64% und der Computer (offline) mit 68%

wurden noch häufiger genannt.181

Worin liegt nun aber der große Unterschied zu den mobilen Kassettenabspielgeräten,

wie dem Walkman, der 80er Jahre? - Hauptsächlich in vier Punkten: der größeren Portabilität,

der Möglichkeit weit mehr Musik auf einem Abspielgerät unterbringen zu können,

gestiegenem Bedienkomfort und einer Vernetzung des Gerätes mit anderen Medien. Die

Bedeutung dieser vier Punkte soll nachfolgend genauer betrachtet werden.

3.2.2.1 Portabilität

Während die Maße und das Gewicht eines Phonokoffers oder Kassettenabspielgerätes immer

mindestens den Maßen des Tonträgers - also der Schallplatte oder Kassette - entsprechen

mussten, werden Abspielgeräte digitaler Medien nicht durch deren physische Größe begrenzt.

So misst Apples iPod nano gerade einmal 3,7cm×4cm×0,8cm bei einem Gewicht von 21,2g

und kann dennoch 16GB Musik fassen.182 Nach der Studie von BAHANOVICH / COLLOPY

(2009), in der 14-24-Jährige in Großbritannien nach ihrem Musikverhalten befragt wurden,

beinhaltete die digitale Musiksammlung der Teilnehmer durchschnittlich 8000 Tracks (davon

ca. 1800 auf ihrem mp3-Player).183 Das entspricht, ausgehend von ca. 3 Minuten pro Track,

17 Tagen durchgängigen Musikkonsums oder ca. 667 CDs, rechnet man pro CD mit 12

Tracks. Auf ihrem mp3-Player befänden sich durchschnittlich entsprechend fast 4 Tage

durchgängig laufender Musik. Hier lässt sich ganz klar eine Verschiebung von räumlichen

Fragen, wie der des Speicherplatzes, hin zu Fragen der zeitlichen Nutzung feststellen.

Mittlerweile befindet sich mehr Musik auf den Festplatten der Nutzer als diese hören können.

Man darf also vermuten, dass Musik im digitalen Zeitalter schnelllebiger geworden ist und

eine CD bzw. einzelne Songs schneller wieder aus den Playlisten verschwinden, als dies im

analogen Zeitalter der Fall war.

180 Vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hrsg.) (2011): S. S. 181 Vgl. Schorb, Bernd (Hrsg.) (2012): S. 15ff. 182 Vgl. Herstellerseite: URL: http://www.apple.com/de/ipodnano/specs.html (Stand: 01.09.2012). 183 Vgl. Bahanovich, David / Collopy, Dennis (2009): S. 4, 6, 8.

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3.2.2.2 Vielfalt

Mobile Kassettenabspielgeräte waren gebunden an die Spielzeit des Tonbandes, die in der

Regel 60 oder 90 Minuten betrug.184 Wollte man mehr bzw. länger Musik hören, musste man

also entsprechend viele Kassetten bei sich haben. Mit digitalen Abspielgeräten können

hingegen, wie bereits erwähnt, ganze Musikbibliotheken ohne Eigengewicht überallhin

mitgenommen werden. So ist es dem Hörer möglich, je nach Situation und Kontext, die

passende Musik für seine Stimmung oder Aktivität auszuwählen.

3.2.2.3 Praktikabilität

Der gestiegene Bedienkomfort bezieht sich weniger auf das nötige Technikverständnis,

welches im Umgang mit digitalen Technologien eher gestiegen ist, sondern auf die neuen

Manipulationsmöglichkeiten des Hörens – an erster Stelle der direkten Titelauswahl ohne

Vor- oder Zurückspulen zu müssen, aber auch Equalizer- und räumlichen Klangeffekten. Die

Möglichkeit Tracks direkt anzusteuern, stand dem Hörer zwar schon mit der Einführung der

CD zur Verfügung, aber nur innerhalb des Mediums mit seiner begrenzten Zahl an Tracks.

Zusammen mit dem Aspekt der Vielfältigkeit haben mp3s hier einen völlig neuen Umgang

mit dem Material Musik geschaffen. Wurden Schallplatten und größtenteils auch Kassetten

sequenziell bzw. linear gehört, änderte das flexible mp3-Format diese Art des Hörens

nachhaltig. Der Nutzer kann sich nun seine eigenen CDs oder Playlisten zusammenstellen,

sich so gesehen seine eigenen Konzeptalben erschaffen, oder mittels der Shuffle-Funktion

sein Hörerlebnis dem Zufall überlassen. Der Jazz-Musiker Brian Torff schreibt dazu in seinen

Memoiren:

Technology has played a dramatic role in how we listen to music. I came from

the pre-digital era of phonograph records […], and our listening habits were

quite different from the subsequent modern generation. When we brought home

an album […] we listened to the entire thing, one side at a time. Using a

phonograph needle, it prevented us from listening to songs in random order,

otherwise we would have scratched the vinyl and ruined a perfectly good $6,98

album. Thus, we perceived these recordings as a collective whole, which is what

made 33 1/3 albums different from 45rpm singles. Once we got used to the

record, one song had to follow another or it just wouldn't have made sense to

us. The sequence of music, with it [sic] corresponding order of notes, musical

184 Es gab auch Kassetten mit Überlänge, die bis zu 240min Spielzeit hatten. Allerdings waren die nicht sehr gebräuchlich.

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sections and songs, had a tremendous impact on our comprehension and

appreciation of the work. We absorbed the record with patience and

anticipation because we had no other choice. We listened to one album, one

side at a time.185

3.2.2.4 Vernetzung

Nicht zuletzt ergeben sich für den Nutzer durch zunehmende Interoperabilität und Vernetzung

verschiedener Systeme immer neue Möglichkeiten des Musikkonsums. So sind Mobiltelefone

mittlerweile fast standardmäßig mit mp3-Abspielfunktionen ausgestattet und mit der

steigenden Verbreitung von Smartphones hat man einen Minicomputer im Handy-Format, der

die Möglichkeit bietet, diverse Programme zum Abspielen und Bearbeiten von Musik

herunterzuladen oder sich Musik direkt im Internet anzuhören. Mit zunehmendem Ausbau der

LTE-Netze186 dürfte vor allem der letzte Punkt weiter an Bedeutung gewinnen. So sind laut

dem Bundesverband Musikindustrie neben den kostenpflichtigen Downloadportalen mit 32%,

Video-Streaming-Seiten, wie bspw. YouTube, mit 30% die häufigste Musiknutzungsquelle

der Befragten.187 An dritter Stelle kommen mit 12% Online-Radio-Angebote.188 Dies wird

auch durch die Studie von SCHORB (2012) gestützt, in der 92% der Befragten 12-19-Jährigen,

die zumindest selten im Internet Musik hören, angaben, dies auf Videoplattformen (93%), via

Online-Radio (27%) und über soziale Netzwerke(25%) zu tun.189 64% der befragten

Jugendlichen geben weiterhin an, oft mit dem Handy Musik zu hören, ca. 17% immerhin

manchmal.190 Hier zeichnen sich zweierlei Entwicklungen deutlich ab: Zum einen gewinnt

das Mobiltelefon bzw. Smartphone als Musikabspielgerät und Multimedienplattform

zunehmend an Bedeutung. Mit wachsender Speicherkapazität der SD-Karten und steigender

Akku-Leistung dürfte dieser Trend weiter zunehmen und eventuell auf lange Sicht zu einer

Ablösung der klassischen Abspielgeräte wie iPod und mp3-Player führen. Auch SCHORB

(2012) stellt im persönlichen Befragungsteil der Studie fest, dass mp3-Player und

Mobiltelefon nicht mehr nur in einem komplementären, sondern bezüglich der

Musikrezeption auch zunehmend konkurrierenden Verhältnis zueinander stehen. So gibt eine

der befragten Jugendlichen an: „(…) es war eigentlich mein Lieblings-mp3-Player. Und dann

kam das Handy. Und da habe ich mir gedacht: Na warum noch einen mp3-Player

185 Torff, Brian Q. (2008): S. 151. 186 LTE (für Long Term Evaluation) stellt die vierte Generation des Mobilfunkstandards dar. Es ermöglicht die flexible Nutzung mehrerer Frequenzbereiche und damit den mobilen Breitbandzugang. 187 Vgl. Bundesverband Musikindustrie e.V. (Hrsg.) (2012): S. 21. 188 Ebd. 189 Vgl. Schorb, Bernd (Hrsg.) (2012): S. 18f. 190 Ebd. S. 97f.

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mitschleppen, wenn du das Handy hast?!“191 Zum anderen, wird zunehmend über Streaming-

Portale Musik rezipiert. Dabei werden recht häufig Video-Streaming-Plattformen wie

YouTube als erste Anlaufstation genannt, allerdings in den wenigsten Fällen, wie bei SCHORB

(2012) festgestellt wird, um sich die Videos anzusehen, sondern die Plattform als zentrale

„Abspielstation“ zu nutzen, in Titel „reinzuhören“ oder neue Musik zu entdecken.192

3.2.2.5 Private Soundtracks

In den letzten Kapiteln wurde gezeigt, welche neuen Bezugs- und Rezeptionsmöglichkeiten

von Musik sich im digitalen Zeitalter ergeben und wie diese den Musikkonsum und die

Musikrezeption verändert haben. Da Musik zu einem ganz erheblichen Teil über mobile

Abspielgeräte, wie mp3-Player, Handy und Smartphone gehört wird, erscheint es wichtig,

noch einmal einen differenzierteren Blick auf die Funktionen dieser Art des Musikhörens zu

werfen. Allerdings nicht etwa, weil dies die vorherrschende Form der Musikrezeption wäre

oder, wie Jonathan Sterne in seiner Auseinandersetzung mit "audile techniques"193

argumentiert, Hören und Technik durch zunehmende Privatisierung und Individualisierung

geprägt wären. Denn ob auf der Tanzfläche, in Bars, Restaurants oder im Auto - Musik findet

immer auch in hohem Maße und ganz bewusst im Miteinander mit anderen Personen statt.194

Die Musikrezeption über mobile Abspielgeräte wie dem mp3-Player soll deshalb noch einmal

genauer betrachtet werden, weil zum einen das Musikhören über diese Geräte vornehmlich

über Kopfhörer erfolgt - Hörer sich also ihre eigene private Klangwelt erschaffen können -

und zum anderen eine aktive Kontrolle über das Gehörte erhalten wird, wie es im Kontext mit

anderen Hörpraktiken nur begrenzt möglich ist.195 Hieran lässt sich deshalb sehr gut

aufzeigen, wie Rezipienten dieses physisch losgelöste, mobile Format mp3 als Mittel nutzen,

um ihren Alltag zeitlich und räumlich zu strukturieren und zu manipulieren und ihre

Gedanken und Gefühle gezielt zu beeinflussen.

Der entscheidende Punkt für die Nutzer ist, wie bereits mehrfach hervorgehoben wurde,

die klangliche Vielfalt, die die Hörer dank digitaler Musik und Technik überallhin mitnehmen

können. So fasst der Kommentar einer Studienteilnehmerin bei Michael Bull es stellvertretend

für viele Aussagen zusammen: „I have any song I want to listen to at my fingertips at any

particular moment. (…) It truly is my own personal jukebox, and puts the soundtrack to my

191 Ebd. S. 101f. 192 Ebd. S. 35f. 193 Vgl. Sterne, Jonathan (2006). Insbes. S. 58ff. 194 Vgl. hierzu auch North, Adrian / Hargreaves, David / Hargreaves, John (2004), deren Untersuchung gezeigt hat, dass Musikhören zum größten Teil im Beisammensein mit anderen praktiziert wird und weit weniger im privaten Raum als bis dahin angenommen wurde 195 Vgl. auch North, Adrian / Hargreaves, David / Hargreaves, John (2004): S.67f.

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life in my pocket and at my fingertips.“196 Bull argumentiert, dass die iPod-Kultur, wie er sie

bezeichnet, eine dialektische Beziehung zwischen Isolation und gleichzeitiger Vernetzung

verkörpert.197 In der Tat wird vor allem von Teilnehmern aus urbanen Räumen angeführt,

dass sie ihren iPod unterwegs nutzen, um ihr Umfeld auszublenden, sich selbst - beeinflusst

durch die Musik - gedanklich an andere Orte zu versetzen und sich von ihrer Umgebung

abzugrenzen: „The noises [from the subway, JK] make me irritated and nauseous, but if I

have my headphones on it blocks the noises and makes me less irritable and impatient“198

Oder auch „A song can transport me to any time and place in my life in a matter of

seconds.“199 Ein anderer Teilnehmer meint: „When I plug in and turn on, my iPod does a 'ctrl

+ alt + delete' on my surroundings and allows me to 'be' somewhere else“200 Gleichzeitig

vermitteln Personen, die Kopfhörer tragen ihrem Umfeld, dass sie beschäftigt sind oder nicht

gestört werden möchten. Eine Tatsache, der sich die Nutzer bewusst sind und die sie durchaus

gezielt einsetzen.201

Dabei gibt ihnen ihr mobiles Hörgerät mit seinem enormen Speicherplatz für Musik und

seinen Funktionsmöglichkeiten, wie dem Erstellen eigener Playlisten, das Gefühl Stimmung,

Zeit und Raum kontrollieren zu können. „I tailor my music and content by activity.“202 Viele

Teilnehmer nutzen die Musik auf ihrem iPod auch während der Arbeit, um sich zu

konzentrieren: „During working hours I will wear my iPod as soon as I need to concentrate

on something, and I don't want to listen to my office mate's boring radio station (…) I have

more choice within my iPod.“203

Die Erschaffung einer persönlich generierten, privaten Klangwelt, wird ebenfalls

genutzt, um Stimmungen zu verstärken, gegenteilig zu beeinflussen oder um die Umgebung

der Stimmung anzupassen. Gleichzeitig ist es möglich, dass „the situation in which one

encounters music conditions the music itself“204, wie die Musikwissenschaftlerin Ola

Stockfelt in ihrem Artikel über "Adequate Modes of Listening" feststellt. Das spiegelt sich

auch in Aussagen wie der folgenden wieder:

Sometimes the music acts as a buffer between me and the city, and other

times the music draws such a sharp contrast between what I'm hearing and

196 Bull, Michael (2007): S. 3. 197 Ebd. S. 8f. 198 Ebd. S. 30. 199 Ebd. S. 139. 200 Ebd. S. 9. 201 Vgl. Ebd. S. 32ff. 202 Ebd. S. 129. 203 Ebd. S. 116. 204 Stockfelt, Ola (2004): S. 89.

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what I'm seeing that it's hard to take. Other times, when I'm walking through

the city with a great song, one that's appropriate to my external

surroundings and internal feelings, I feel I'm the star of my own personal

movie, strutting along to my theme song of the moment.205

Diese Beispiele zeigen, wie Nutzer mobiler digitaler Hörgeräte, die Eigenschaften der

Technologie zusammen mit Musik nutzen, um Raum, Zeit und Stimmung zu strukturieren

und zu beeinflussen. Der große Unterschied zu mobilen Abspielgeräten analoger Natur liegt

dabei in der Vielfalt und Masse an Songs, die dem Rezipienten wo immer und wann immer er

oder sie möchte zur Verfügung stehen. Die sequentielle Form des Hörens ist dabei teilweise

einem kontinuierlichen "on-demand"-Hören, bestimmt von Situation, Aktivität oder

Gemütslage, gewichen.

3.2.2.6 Musiker 2.0

Musik wird im digitalen Zeitalter nicht mehr nur durch ein Medium, bzw. Hörgerät rezipiert,

wie es mit Vinylschallplatte oder Tonband der Fall war, sondern als physisch trägerloses

Format mittels verschiedener technischer Entwicklungen im Hard- und Softwarebereich

(mp3-Player, Smartphones, Computerprogramme, Internet), die zunächst alle einen

physischen Träger simulieren. Die Musikreproduktion im digitalen Zeitalter ist nicht nur von

großer Technizität geprägt, auch fordert das Medium mp3 vom Hörer eine

Auseinandersetzung mit seinen technischen Eigenschaften, die es vormals nicht gab. Musik

wird durch ihre nun binäre Form zunehmend auch als Material angesehen, das nicht mehr nur

im Tonstudio massiven Transformationen unterliegt, sondern durch entsprechende

kostengünstige oder gar kostenlose Programme (wie bspw. Acoustica oder Audacity) auch im

privaten Bereich als Quelle kreativer Klangexperimente genutzt wird. Professionellere Home-

Studio-Programme (bspw. Pro Tools) ermöglichen zusammen mit dem entsprechenden

Equipment (Aufnahmegerät, Mikrofon, A/D-Wandler, …) die Produktion von Musik in

Eigenregie, die anschließend über das Internet einem Millionenpublikum zugänglich gemacht

werden kann. Künstler wie Adele, deren Musik zunächst auf MySpace öffentlich

Aufmerksamkeit erregte206, Terra Naomi, deren Song "Say it's possible" zuerst auf YouTube

ein Erfolg war207 oder auch Justin Bieber, der ebenfalls zuerst über diese Videoplattform

205 Bull, Michael (2007): S.44. 206 Vgl. Wood, Mikael (2011). 207 Vgl. Biographie auf Künstlerwebseite: http://www.terranaomi.com/bio (Stand: 01.09.2012).

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entdeckt wurde208, erlangten zunächst über das Internet große Popularität, bevor sie

schließlich international Karriere machten. Doch auch Künstler, die bereits zu internationalem

Ruhm und Geld gelangt sind nutzen das Internet immer häufiger, um ihre Musik nicht mehr

nur zu promoten, sondern unabhängig von Plattenlabels teilweise kostenlos oder nach einem

freiwilligen Bezahlsystem anzubieten. Das funktioniert natürlich nur, wenn bereits ein

gewisser Bekanntheitsgrad und eine finanzielle Unabhängigkeit erreicht wurden, wie es bei

Radiohead, die 2007 ihr Album "In Rainbows" auf der Bandwebseite zum kostenlosen

Download bereitstellten der Fall war oder auch bei Trent Reznor, der Gleiches mit "Ghosts I-

IV" im Jahr 2008 tat.209 Doch auch für eher unbekannte Künstler bieten sich im Internet völlig

neue Möglichkeiten. Als Beispiel sei der Hamburger Musiker Wolfgang Müller genannt, der

einer eher kleinen Fangemeinde bekannt ist. Um die Produktionskosten für sein neues Album

vorab zu finanzieren startete Müller im Jahr 2012 gleich zwei Crowdfunding-Aktionen im

Internet. Zum einen programmierte er ein kleines Spiel für das iPhone, das für 79cent zum

Download bereit stand, zum anderen konnten Fans über die Hamburger Crowdfunding-

Plattform "startnext" Geld spenden.210 Über Facebook und Bandwebseite publik gemacht, war

die Resonanz so groß, dass das Projekt bereits nach drei Tagen zu 50% und nach drei Wochen

komplett finanziert war.

4 Resümee

Die vorliegende Arbeit hatte das Ziel zu untersuchen, wie digitale Technologien den

Musikkonsum und die Musikrezeption beeinflusst haben. Dabei sollte im ersten Teil zunächst

ein Überblick über die technischen Reproduktionen der vergangen 75 Jahre gegeben werden,

um digitale Medien anschließend in Beziehung dazu betrachten zu können. Ausgangspunkt

war somit die Entwicklung der Vinylschallplatte Mitte des 20. Jahrhunderts, die für die

technische Reproduktion von Musik und die Gattungen Rock und Pop von maßgeblicher

Bedeutung war. Als zweite wichtige Weiterentwicklung wurde das Magnettonband untersucht

und mit ihm das Aufkommen nicht nur einer mobilen Musikkultur, sondern auch einer

veränderten Produktionsweise, in deren Folge Ton-Aufnahmen nicht länger ein realistisches

Abbild der Studioperformance waren, sondern durch zunehmende Manipulationen am

208 Vgl. http://www.billboard.com/artist/justin-bieber/bio/1099520#/artist/justin-bieber/bio/1099520 (Stand: 01.09.2012). 209 Vgl. Kreps, Daniel (2008). Vgl. zu Trent Reznor auch: Wikström, Patrik (2011): S. 1-5. 210 Siehe http://www.startnext.de/neues-studioalbum-2012 (Stand: 01.09.2012).

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Klangmaterial einen ganz eigenen Sound entwickelten, der live ohne entsprechende Technik

gar nicht mehr aufführbar war. Und schließlich, als Folge einer langen technischen

Entwicklungsreihe, der Einzug digitaler Technologien in die Arbeit im Studio und den Alltag

der Konsumenten. Im zweiten Teil der Arbeit lag der Fokus auf Einfluss und Auswirkungen

dieser digitalen Technologien - speziell der digitalen Audioformate im Umfeld multimedialer

Vernetzung - auf Musikkonsum und -rezeption. Es wurden neue Formen des Zugangs zu, des

Umgangs mit und der Rezeption von Musik vor dem Hintergrund ihrer binären

Erscheinungsform betrachtet.

Mit Einführung der Vinylschallplatte fand sich Musik in einem technischen

Reproduktionsumfeld wieder, dass nicht nur die Hörpraktiken jener Zeit mitkonstituiert,

sondern auch das Genre der Rock- und Popmusik entscheidend geprägt hat. Waren

Aufnahmen bis zu diesem Zeitpunkt noch Dokumente einer im Studie aufgezeichneten Live-

Aufführung, so führte die nur wenig später erfolgte Einführung des Magnettonbandes zu einer

Auflösung der raum-zeitlichen Bindung von Musik an ihre Aufführung und zu völlig neuen

technisch erzeugten Klangwelten. Im Zuge der Digitalisierung erhielt diese schließlich eine

noch größere Abstrahierung. In ihrer binären Repräsentation kann Musik immer nur lediglich

genau das sein - eine Repräsentation, eine Darstellung dessen, was digital kodiert oder

simuliert ist und damit ein Verweis auf ihren analogen Ursprung. Ein digitales Audioformat

wie mp3 ist somit nicht länger ein Medium, wie es Vinylplatte und Tonband waren. Es bildet

eine Sphäre der Vermittlung zwischen Musik und einem physischen Träger ja es simuliert

einen solchen, und wird erst in zweiter Linie Mittler zwischen dem Künstler bzw. der

technischen Reproduktion seiner Musik und dem Rezipienten.

Es lässt sich feststellen, dass beginnend mit dem Tonband, vor allem aber seit dem

Einzug digitaler Technologien eine verstärkte aktive Auseinandersetzung mit dem

Klangmaterial an sich stattfindet. Dabei wurde auf längst nicht alle Technologien, die es im

Laufe der letzten 75 Jahre gegeben hat in dieser Arbeit eingegangen. Dazu zählen

beispielsweise das Tefifon, das ebenfalls bereits während der 50er Jahre im Handel war und

das mit vier Stunden eine höhere Abspielzeit hatte, als alle anderen Wiedergabemedien seiner

Zeit, oder auch die MiniDisc, die in den 90er Jahren auf den Markt kam. Beide Geräte

konnten sich beim Verbraucher nicht durchsetzen, was vor allem dem sehr begrenzten

Angebot an Aufnahmen zuzuschreiben war. Das digitale Audioformat hatte diese Probleme

schon deshalb nicht, weil es sich so perfekt in den Alltag der Menschen integrierte. Es war

nicht nötig, sich seine Musiksammlung im digitalen Format erneut zu kaufen. Mit

entsprechender Hard- und Software ausgerüstet konnte jeder seine CD-Sammlung am Heim-

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PC in das mobile mp3-Format umwandeln. Neue Songs oder digitale Alben ergänzten die

Sammlung einfach. Eine verbesserte Klangqualität, wie es sie bei der Entwicklung von

Schellack auf Vinyl, Vinyl auf Tonband und Tonband auf CD gegeben hatte, lässt sich für

digitale Formate allerdings nicht feststellen. Die wenigsten mp3s werden in einer CD-

ähnlichen Qualität gesampelt.211 Stattdessen scheinen Masse und Vielfalt für den Großteil der

Konsumenten über Klanqualität zu dominieren. Peter Wicke bringt es auf den Punkt, wenn er

schreibt, dass die „Digitalisierung der Tonaufzeichnung“ „entgegen allen Prophezeiungen,

weniger eine Verbesserung der Klangqualität als vielmehr eine grenzenlose Verfügbarkeit

aller je auf Tonträgern vorliegenden Musik mit sich gebracht“212 hat. Es wurde in der Arbeit

argumentiert, dass digitale Audioformate trotz ihrer Loslösung von einer physischen

Materialität keineswegs transparente Medien sind und dass vor allem die Klangqualität, die ja

mit der Bitrate variiert, hierbei eine wichtige Rolle spielt. Wie sehr digitale Audioformate wie

mp3 überhört werden und wie sehr sie das Hören (mit-)konstituiert haben, macht eine Studie

deutlich, die der Musikwissenschaftler Jonathan Berger seit mittlerweile acht Jahren an

seinem Lehrstuhl in Stanford durchführt. Jedes Jahr lädt er die Studenten seines „Music

Perception and Cognition" Seminars zu einem Experiment ein, während dessen sie ein

Musikstück in verschiedenen Audioformaten bewerten sollen. Dabei stellt Berger fest, dass

„mp3 comes out to be the preferred compression over all - rising every year!“213 Das könnte,

so Berger weiter, ein Resultat der Gewohnheit sein. Wer Musik hauptsächlich in

kompressionierter Form hört, gewöhnt sich möglicherweise schlichtweg an diese - im

Vergleich zur CD - minderwertige Klangqualität. Vielleicht, so Berger, lassen die Ergebnisse

des Experimentes aber auch auf eine veränderte Ästhetik des Hörens schließen, die der

Umgang mit digitaler Musik hervorgebracht hat.214 Aus musikwissenschaftlicher bzw.

klangqualitativer Sicht würde dies eine fragwürdige Entwicklung darstellen. Es bleibt

abzuwarten, wie sich die Hörgewohnheiten in den nächsten Jahren entwickeln und in welcher

Art und Weise die Technologien der Zukunft diese (mit-)konstituieren.

211 Es bleibt abzuwarten, ob dieser Umgang in Zeiten immer größerer und kostengünstigerer Speicherkapazitäten fortgesetzt wird. 212 Wicke, Peter (2009): S. 76. 213 Berger, Jonathan (2009). 214 Ebd.

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