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    Die Gliederung der Metaphysik in eine Metaphysica generalis und eine Metaphysica

    specialisAuthor(s): Ernst Vollrath

    Source: Zeitschrift fr philosophische Forschung, Bd. 16, H. 2 (Apr. - Jun., 1962), pp. 258-

    284

    Published by: Vittorio Klostermann GmbH

    Stable URL: http://www.jstor.org/stable/20481259

    Accessed: 05-06-2016 12:13 UTC

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    258 BERICHTE UND MITTEILUNGEN

    gebrachten Formen) Seinsspenderinnen sind, oder daB ihre aktuelle Voll

    kommenheit sie befahigt, das Sein den niederen Seienden mitzuteilen.

    Es diirfte nun eindeutig sein, daB die thomistische Lehre vom Ursprung der

    Welt nicht die natuirliche Fortfiihrung des Aristotelismus ist, wie man oft,

    glauben wir, behauptet hat, ubrigens unter Berufung auf den h. Thomas. In

    dem antiken Hylemorphismus, ist die Lehre vom Ursprung der Welt nichts

    anderes als der Platonismus, den der h. Thomas ablehnte. Die komplizierte

    thomistische Lehre von der Form als Seinsspenderin, die noch notig hat, das

    Sein zu empfangen, ist das Resultat der Anwendung von der Schopfungslehre

    auf den Aristotelismus, wahrend der Aristotelismus die Frage vom Ursprung

    des Seienden nicht stellt. Im Gegensatz zum Platonismus, der seinerseits

    diese Frage aufwirft und zwar in Rahmen der antiken Doktrin von der

    Materie und der Form, weist die thomistische Sch6pfungslehre uns fiber

    diesen Rahmen hinaus. Mit dieser Behauptung wollen wir nattirlich nicht

    Thomas' Lehre herabsetzen. Im Gegenteil wollen wir die Originalitat seines

    Denkens in dieser hodhbedeutsamen und beruihmten Lehre von Essenz und

    Existenz hervorheben.

    DIE GLIEDERUNG DER METAPHYSIK IN EINE

    METAPHYSICA GENERALIS UND EINE METAPHYSICA

    SPECIALIS

    Von Ernst V o II r a t h, Tubingen

    I

    Die Gliederung der Metaphysik in eine Metaphysica generalis und eine

    Metaphysica specialis, di,e weitere Einteilung der Metaphysica specialis in

    Cosmologia, Psychologia und Theologia rationalis (naturalis) in der Schul

    metaphysik des 18. Jahrhunderts hat fur zwei uiberragende Gestalten des Den

    kens grundsatzliche Bedeutung und bestimmt gerade die Gestalthaftigkeit die

    ses Denkens. Kants ,Transzendentale Dialektik" in der Kritik der reinen Ver

    nunft ist nach dem Schema der Metaphysica specialis aufgebaut. Sie kann als

    die Destruktion der uiberkommenen Metaphysik am Leitfaden ihrer vorztig

    lichen Gegenstande verstanden werden. Dann stellt sich jedoch die Aufgabe,

    diese Destruktion der Metaphysik in der Transzendentalen Dialektik mit dem

    Aufbau einer Metaphysik in der Transzendentalen Analytik zusammenzuden

    ken. Denn daB es sich in der Einheit von Transzendentaler Analytik und

    Transzendentaler Dialektik, der Transzendentalen Logik also, um eine Meta

    physik handelt, diirfte nach den eigenen Worten Kants nicht fraglich sein. Er

    nennt sie die ,,Metaphysik der Metaphysik"), d. h. sie ist eine als Grund

    legung der Metaphysik vorgetragene Metaphysik. Es fragt sich nur, welcher

    1) Kant's gesammelte Schriften, hrsg. von der k?niglich preu?ischen Akademie der Wissenschaf

    ten, Berlin 1900 f., Bd. X, Seite 252, (Brief an Markus Herz vom Mai 1781).

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    GLIEDERUNG DER METAPHYSIK 259

    Art diese Grundlegung der Metaphysik ist, und vor allem, warum die Meta

    physik uiberhaupt einer Grundlegung bediirftig ist. Diese Fragen verlangen

    Einsicht in die von der Metaphysik her aufgebaute Einheit von Tranzendenta

    ler Analytik und Transzendentaler Dialektik. Sie verlangen als Vorfrage die

    Frage nach dem Aufkoinmen der Gliederung der Metaphysik in eine Meta

    physica generalis und eine Metaphysica specialis. Von dort her kann erst im

    AbstoB Kants gewaltiges Werk einheitlich verstanden werden. Die Gliede

    rung schimmert zudem noch in den kantischen Titeln ,,Metaphysik der Sitten"

    und ,,Metaphysik der Natur' durch. Bei diesen handelt es sich um eine durch

    die Kritik der reinen Vernunft, d. h. durch den Ausfall der Theologia ratio

    nalis bedingte Verkuirzung der Metaphysica specialis.

    Die zweite Gestalt des Denkens, die von der Gliederung betroffen ist, ist

    das Denken Hegels. Die Encyclopadie der philosophischen Wissenschaften ist

    in ihrer Gliederung - Logik, Philosophie der Natur, Philosophie des Geistes

    - ganz nach dem Schema der Gliederung der Schulmetaphysik aufgebaut,

    wobei ,Logik" der Name fuir die Einheit von Ontologie und Theologie ist.

    Dies ist ein Vorgang, der sich nur aus Kants Transzendentaler Logik - also

    aus einer Gestalt des Denkens, die selbst von der Gliederung der Metaphysik

    betroffen ist - einsichtig machen laBt.

    Noch etwas ist zu beachten: beide Denker, Kant wie Hegel, verweigern dem

    Kern ihres Denkens den Namen ,,Metaphysik". Bei beiden tragt er den Namen

    ,,Logik". Auch in diesen Vorgang laBt sich wohl nur Einsicht gewinnen, wenn

    die metaphysische Herkunft der Gliederung geklart wird. Es steht dies im Zu

    sammenhang mit dem Bediirfnis der Metaphysik nach Grundlegung. Hier soll

    nur auf den Tatbestand hingewiesen werden.

    II

    Die Einteilung der Metaphysik in eine Metaphysica generalis und eine

    Metaphysica specialis findet sich am kuirzesten bei Alexander Gottlieb Baum

    garten im ? 2 s,einer Metaphysik ausgesprochen: Ad metaphys;icam referuntur

    Ontologia, cosmologia, psychologia et theologia naturalis2). Die Zusammen

    fassung der drei letzten Teile der Metaphysik zur Metaphysica specialis ist

    in diesem Werk nicht zu finden. Sie ist jedoch in der Weise vorgebildet, daB

    Baumgarten im ? 4 die Ontologia auch Metaphysica universalis nennt. Kant

    hat seinen Vorlesungen zur Metaphysik das Werk Baumgartens zu Grunde

    gelegt.

    Baumgarten verknuipft wohl die einzelnen Teile der Metaphysik in den

    sogenannten Prolegomena (fur die Ontologia ? 4 - 6; fur die Cosmologia

    ? 351 - 353; far die Psychologia ? 501 - 503; fur die Theologia, naturalis

    ? 800 - 802) mit der Grundbestimmun,g der Metaphysik. Diese lautet (? 2):

    Metaphysica est scientia prima cognitionis humanae principia continens. Aber

    er gibt auch in diesen Prolegomena nicht an, wie die Glielderung zus,tande

    kommt. Sie versteht sich fur ihn von selbst.

    2) Metaphysica per Alexandrum Gottlieb Baumgarten, Editio II, Hallae et Magdeburgicae 1743.

    Die erste Ausgabe erschien 1739.

    17*

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    26 BERICHTE UND MITTEILUNGEN

    Baumgartens Gliederung der Metaphysik geht auf seinen Lehrer Christian

    Wolff zuruick. Sie ist die knappe Zusammenfassung zu lehrhafter Ktirze und

    die Verfestigung zur Selbstverstandlichkeit von weitlaufigen Bemuihungen

    Wolffs, der Metaphysik eine feste Gestalt zu geben. Bei Christian Wolff fin

    det sich zum erstenmal die bei Baumgarten so gelaufige Gliederung der Meta

    physik. Die Vorstellung seiner Bemruhungen soll hier nach der lateinischen

    Logik erfolgen. Sie erschien erstmals 17283). Dieses Werk ist nicht das friiheste,

    in dem die Gliederung vorkommt. Es geht ihm die sogenannte ,D,eutsche

    Metaphysik' voraus: Verniinfftiige Gedancken von Gott, der Weit u.nd der

    Seele des Menschen, Auch allen Dingen Uberhaupt, Den Liebhabern der

    Wahrheit mitgetheiliet (Frankfurt und Leipzig 1720). Sie tragt schon in ihrem

    Titel die Gliederung vor4).

    Die lateinische Logik eignet sich fur unser Vorhaben einer Darstellung

    am besten. Dabei kommt es nicht so sehr auf die Logik selbst an, als auf den

    vorangestellten ,Discursus praeliminaris de Philosophia in genere". Es ist

    bemerkenswert, daB ein solcher Discursus iuberhaupt vor die Logik und in

    innige Verbindung zu ihr gestellt wird. Es bedeutet nichts anderes, als daB

    bei Wolff die Metaphysik das Geprage ihrer Gestalt nicht selbst in die Hand

    zu nehmen im Stande ist. Die nach der Logik erschienenen Schriften, zumal

    die ,Philosophia prima, sive Ontologia" von 1730 nehmen ulberall Bezug auf

    den Discursus praeliminaris der Logik.

    Das Kapitel III des Discursus praeliminaris handelt: De partibus philoso

    phiae (? 55 ;seqq.). Wolff geht dabei von den drei Entia aus, die wir kennen

    (? 55, Fundamentum partium philosophiae): Entia, quae cognoscimus, sunt

    Deus, animae humanae ac corpora seu res materiales. Es soll zunachst nicht

    dargelegt werden, woher die Vorlage von drei Entia in philosophischer Hin

    sicht stammt. Der ? 56 legt darauf die Teile der Philosophie fest (Philoso

    phiae partes primariae): Tres hinc enascuntur philosophiae partes, quarum

    una de Deo, altera de anima humana, tertia de corporibus seu rebus mate

    rialibus agit. Quoniam enim praeter Deum, animas humanas ac corpora en

    tia alia non cognoscimus (? 55.)., nec plures possunt cunstitui partes philoso

    phiae ab eo, qui nonnisi ad haec tria entium genera attendit. Die Gliede

    rung des einen Teiles der Metaphysik hat ihr Fundament in der Vorlage dreier

    Genera des Seienden vor dem menschlichen Erkennen (dem cognoscere). Die

    3) Wir zitieren nach der 3. (und letzten) Ausgabe von 1740: Philosophia rationalis s?ve L?gica,

    m?thode scientifica pertractata et ad usum scientiarum atque vitae aptata. Praemittitur dis

    cursus praeliminaris de philosophia in genere. Editio tertia emendatior. Autore Christiano

    Wolfio, Academiae Marburgensis P. T. Pro-Rectore, Francofurti et Lipsiae MDCCXXXX.

    Die Paragrapheneinteilung ist im ?brigen in den verschiedenen Ausgaben der Logik konstant.

    4) In der ?Ratio praelectionum Wolfianarum in mathesin et philosophiam universam" (Halle

    und Magdeburg 1718) ist das Schema der Gliederung dagegen noch nicht voll durchgebildet.

    Wolff schreibt dort: Tenendum itaque, mihi Metaphysicam potissimum vocari scien

    tiam de Deo et mente humanae rerumque principiis; seientiae vero entis qua ens est philo

    sophiae primae nomen servari: id quod etiam ab aliis fieri solet Philosophis. Qodsi

    tarnen malueris illam vocare Pneumaticam et sub Metaphysicae nomine comprehendere

    cum Pneum?tica philosophiam primam; me non repugnantem habebis: In verbis enim faci

    lis sum (Sectio II, Caput III, ? 2). Hier fehlt noch die ausdr?ckliche Erw?hnung der Cosmo

    log?a, die sich aber schon in dem ?rerumque principiis", wenn auch nicht eindeutig von der

    Ontologia geschieden, ank?ndigt.

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    GLIEDERUNG DER METAPHYSIK 261

    ?? 57 - 60 fifihren dann die Teile der Philosophile als Theologia, Psychologia

    und Physica vor, 1indem sie die Unte&rsuchung dieiser drei Entia an die Grund

    bestimmung der Philosophie im ? 29 binden. Diese lautet (Philosophiae de

    finitio): Philosophia est scientia possibilium, quatenus esse possunt.

    Es ist auffallend, daB Wolff hier als den dritten Teil der Philosophie nicht

    die Cosmologia, sondern die Physica nennt. Wolff unterteilt nun die Physica

    in eine Physica generalis, die de generalibus corporum affectionibus und de

    pluribus eorundem speciebus communibus handelt (? 76; diese ist selbst ein

    Te,il der Physica, siehe ? 60), und die Co,smologia. Di-ese wird so bestimmt

    (? 77;, Cosmologiae definitio): Pars Physicae, quae de corporibus mundi tota

    libus agit atque docet, quomodo ex iis compon,atur mundus, Cosmologia ap

    pellatur. Est igitur Cosmologia scientia mundi, qua talis. Also nicht die Phy

    sik uiberhaupt, sondern nur ein Teil geh6rt zur Metaphysica specialis Die

    Schwierigkeiten, die hiier vorliegen, werden deutlich, wenn daran gedacht wird,

    daB nach Aristoteles die Physik eben nicht Metaphysik ist, sondern Zweite

    Philosophie (Metaphysik Z 11 1037a15 u. o.). Dabei spielt es hier keine Rolle,

    ob das unter ,Physik" bei Aristoteles Verstandene auch dasselbe ist, was

    Wolff unter ,Physica" versteht. Man kann das ruhig verneinen.

    Aber nicht einmal diese Bestimmung der Cosmologia reicht aus, um sie als

    zur Metaphysik zugeh6rig ansehen zu k6nnen, sondern auch sie muB noch

    naher umgrenzt werden. Der ? 78 (Cosmologiae generalis definitio) sagt da

    zu: Datur vero etiam generalis mundi contemplatio, ea explicans, quae mundo

    existenti cum alio quocunque possibili communia sunt. Ea philosophiae pars,

    quae generales istas notiones, easque ex parte abstractas, evolvit, Cosmo

    logia generalis vel transcendentalis a me vocatur. Definio autem Cosmo

    logiam generalem per scientiam mundi in genere.

    In der Cosmologia generalis von 1731 wird der metaphysische Charak

    ter der Cosmologia noch in einer anderen Weise begriindet. Wolff schreibt

    dort (? 1; Diefinitio Cosmologiae): Cosmologia generalis est sicientia mundi

    seu universi in genere, quatenus scilicet ens idque compositum atque modi

    ficabile est. Dedimus hanc Cosmologiae generalis definitionem in Discursu

    praeliminari Logicae praemissu (? 78.). Monuimus quoque ibidem., quod igno

    tum vulgo sit hoc nomen, etsi principia quaedam ad eam spectantia non igno

    rentur. Quarlobrem et transcendentalem appellare soleo, quia nonnisitalis de

    mundo hic demonstrantur, quae ipsi tanquam enti composito et modificabili

    conveniunt, ut adeo eodem modo se habeat ad Physicam, quo Ontologia seu

    philosophia prima ad philosophiam universam5). Die Cosmologia steht im glei

    chen Verhaltnis zur Physica wie die Ontologia seu Philosophia Prima zur gan

    zen Philosophie. Sie ist so etwas wie die zur Physik speziell zugeh6rige Erste

    Philosophie. Sie ist keine,swegs die Erste Philosophie uberhaupt. Die Physica

    wird im Discursus praeliminaris folgendermaBen bestimmt (? 59; Physicae

    definitio): Pars denique philosophiae, quae de corporibus agit, Physica salu

    tatur6). Im ? 2 der Cosmologia generalis findet sich daher folgende Bestimmung

    5) Cosmolog?a generalis, methodo scientifica pertractata, qua ad solidam, inprimis Dei atque

    Naturae cognitionem via sternitur. Autore Christiano Wolfio, Francofurti et Lipsiae

    MDCCXXXI, Prolegomena ? 1.

    6) Philosophia rationalis sive L?gica, Discursus praeliminaris ? 59.

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    262 BERICHTE UND MITTEILUNGEN

    der Cosmologia (Cosmologiae principia et objectum): in Cosmologia generali

    ad mundum seu universum in genere applicatur theoria entis in genere atque

    theoria generalis entis compositi in philosophia prima tradita7). Diese Bestim

    mung vermag deutlich zu zeigen, daB die Cosmologia nichts anderes ist als die

    Anwendung der Ontologia (theoria entis in genere) auf den Umkreis der res

    compositae, d. h. den Bereich des Seienden im Ganzen qua Universum. Sie ist

    legitimer Teil der Metaphysik,

    Damit ist die Dreigliederung der Metaphysica specialis vollendet. Sie ist

    auf die Vorlage von drei Entia aes metaphysischer Gegenstdnde geg,rfndet.

    Die Metaphysica generalis wird im ? 73 des Discursus (Fundamentum et defi

    nitio Ontologiae) vorgefiihrt: Sunt enim nonnulla enti omni communia, quae

    cum de animabus, tum de rebus corporeis, sive naturalibus, sive artificialibus

    praedicantur. Pars illa philosophiae, quae de ente in genere et generalibus

    entium affectionibus agit, Ontologia dicitur, nec non Philosophia prima. Qua

    mobrem Ontologia s,eu Philosophia prima definitur, quod sit scientia entis in

    genere, seu quatenus ens est.

    Die Gliederung der Metaphysik in eine Metaphysica generalis und eine

    Metaphysica specialis ist somit vollendet. Auffallend ist, daB die Titel ,,Meta

    physica generalis" und ,Metaysica specialis' selbst sich weder im Discursus

    praeliminaris (und in der Logik) noch in den Prolegomena der Ontologia finden.

    Sie liegt aber zweifellos dieser Einteilung zu Grunde. Dabei geht es der Meta

    physica generalis umrdas ens in genere und die affectioines generales entium,

    der Metaphysica specialis umrdie drei genera entium (?? 55 und 56).

    Die Einteilung der Metaphysik ist zumal dann vollendet, wenn ihre Teile

    ausdrucklich als zur Metaphysik zugeh6rig erklart werden. Dies besorgt der

    ? 79 (Pneumaticae et Metaphysicae definitio): Psychologiia et Theologia natu

    ralis nonnunquam Pneumaticae nomine communi insigniuntur, et Pneumatica

    per spirituum scientiam definiri solet. Ontologia vero, Cosmologia generalis

    et Pneumatica communi Metaphysicae nomine compellantur. Est igitur Meta

    physica scientia entis, mundi in genere et spirituum.

    Noch aber bedarf es der Ordnung in dieser Einteilung, d. h. ihrer Gliede

    rung. Dies wird vorzUiglich im ? 99 (Partium Metaphysicae ordo) geleistet:

    In Metaphysica primum locum tuetur Ontologia seu philosophia prima, secun

    dum Cosmologia generalis, tertium Psychologia et ultimum denique Theolo

    gia naturalis. Partes Metaphysicae eo collocandae sunt ordine, ut praemittan

    tur, unde principia sumunt ceterae (? 87.). Quare cum Theologia naturalis

    principia sumat ex Psychologia, Cosmologia et Ontologia (? 96.), Psychologi,a

    ex8) Cosmologia generali et Ontologia (? 98.), Cosmologia ex Ontologia

    (? 97.); evidens est, Ontologiam primo loco pertractari debere, secundo

    Cosmologiam, tertio Psychologiam, quarto denique Theologiam naturalem.

    Der ? 87, der die Ordnung allerst nadc Vorlage Ider Teile konstituiert,

    lautet (Ordo pjartium philosophiae): Ordo partium philosophiae is est, ut prae

    cedant ex quibus aliae principia mutuantur. Philosophiae scientia est (? 29.),

    adeoque ex principiis certis et immotis per legitimam consequentiam inferri

    7) Cosmolog?a generalis, Prolegomena ? 2. (Der zitierte Text ist in diesem Werk gesperrt

    g edruckt .

    8) Im Text der Editio III steht hier f?lschlich ?et".

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    GLIEDERUNG DER METAPHYSIK 263

    debent, quae in ea traduntur (? 30.). Quae igitur parte,s philosophiae prin

    cipia praebent aliis, eae praecedere, quae autem principia inde mutuantur,

    sequi debent. Si negas, id fieri debere: priori loco ponendae sunt, quae ex aliis

    demonstrationum principia petunt. Utendum igitur erit terminis nondum defi

    nitis, et principiis nondum demonstratis, adeoque antequam nobis constat,

    eadem certa esse ac immota. Sensum igitur propositionum non bene assequi

    mur, nec de veritate earum sumus certi, quamdiu partes ceterae non acce

    dunt. Quamobrem cum id scientiae repugnet (? 30.), qualis philosophia esse

    debet (? 29.), nec cum omnimoda certitudine consi-stat, cui in philosophia stu

    dendum (? 33.); sancte custodiendus est ordo, quo prior locus cedit iis par

    tibus, qui ceteris principia suppeditant, unde intelliguntur ac demonstrantur,

    quae ibidem traduntur.

    Der Ordo der Metaphysik und ihrer Gliederung ist auf einen Grund ge

    stellt in der unabdingbaren Forderung nach Wissenschaftlichkeit, d. h. Philo

    sophie (? 29). Wissen schaftlichkeit bedeutet aber nach Wolff Angabe der

    Prinzipien und ausgewiesene Abfolge der Satze aus Prinzipien. Dies regelt

    'der zweimal genannte ? 30 (Scientiae definitio): Per Scientiam hic intelligo

    habitum asserta demonstrandi, hoc est, ex principiis certis et immotis per

    legitimam consequentiam inferendi. Das allein ist philosophische Erkenntnis,

    was den Grund alle s deissen angibt, was ist (? 6; Definitio cognitionis phi

    losophicae): Cognitio rationis eorum, quae sunt, vel fiunt, philosophica dici

    tur. Dieser Grund muB stets ausgewiesen werden, eine Forderung, die Leibniz

    zum Grund allen Denkens erhoben hat. Wolff spricht daher auch - genau

    wie Leibniz - von recddere rationem (? 17).

    Es kommt mit diesem Prinzip eine derartige Gliederung der Metaphysik

    auf, daB die Ontologia den ersten Platz beanspruchen kann, weil sie nicht wie

    Cosmologia, Psychologia und Theologia naturalis begriindet, sondern allein

    begriindend ist.

    III

    Woher kommt diese Gliederung und welche metaphysisch ausweisbaren

    Motive haben zu ihrer Aufstellung geftihrt? Augenscheinlich geniugen die An

    gaben Wolffs in den ?? 87 und 99 des Diiscursus praeliminaris nicht, da sie die

    Vorlage von drei Entia als Gegenstande der Metaphysik voraussetzen. Bemer

    keniswert ist ja, daB die Gliederung von ihneln ausgeht (? 55) und nicht von

    der Konstitution einer Metaphysica generalis sive Ontologia, die Wolff erst

    im ? 73 ,aus den Bediirfnissen der Betrachtung der Teile und Geigenstande

    der Metaphysica specialis nachliefert. Die Metaphysica generalis scheint bei

    Wolff aus dem Bediirfnis der Metaphysica spnecialis nach Begriundung erwach

    sen zu sein.

    Heidegger vermutet christliche Herkunft der Gliederung: ,Das eine Motiv

    - (der Ausbildung des Schulbegriffes der Metaphysik) - betrifft die in

    haltliche Gliederung der Metaphysik und entstammt der glaubigen Weltdeu

    tung des Christentums. Danach ist alles nichtg6ttliche Seiende ein Geschaffe

    nes: das Universum. Unter den Gesch6pfen wiederum hat der Mensch insofern

    eine ausgezeichnete Stellung, als auf sein Seelenheil und seine ewige Exi

    stenz alles ankommt. So gliedert sich gemiaB diesem christlichen Welt- und

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    264 BERICHTE UND MITTEILUNGEN

    DaseinsbewuBtsein das Ganze des Seienden in Gott, Natur und Mensch, wel

    chen Bezirken dann alsbald die Theologie, deren Gegenstand das summum

    ens ist, die Kosmologie und die Psychologie zugeordnet werden. Sie machen

    die Disziplin der Metaphysica specialis aus. Im Unterschied von dieser hat die

    Metaphysica generalis (Ontologie) das Seiendie im allgemeinen' (ens com

    mune) zum Gegenstand"9).

    Diese Deutung ist, wie sich zeigen wird, zu kurz gegriffen. Sicherlich sind

    Motive der ,,christlichen Weltdeutung" an der Ausbildung dieses Schulbe

    griffs der Metaphysik beteiligt. Dieser fehlt aber ganz, solange das Denken

    und die christliche Weltdeutung einen unverbruichlichen Bund eingegangen

    sind, d. h. in der Scholastik. Und dies sicherlich nicht, weil es der Scholastik

    nicht auf schematische Gliederung angekommen ware. Andererseits konnen

    Elemente dieses Schulbegriffs der Metaphysik bis zu Denkern verfolgt werden,

    die ohne Zweifel vom christlichen Glauben gepragt sind, wie das ja auch fur

    Wolff nicht zu bestreiten ist. Es fragt sich nur, was das alles fur die Meta

    physik bedeutet.

    Die Frage kann so formuliert werden: wie kommt es, daB die drei Entia

    als metaphysische Gegenstande vorgelegt werden, auf daB sich die Teile der

    Metaphysik mit ihnen befassen? Wie kommt es, daB sich diese Teile der Meta

    physik zu dieser Gliederung zusammenschlieBen und was besagt das fur das

    Wesen der Metaphysik? Die Vorlage der drei Entia als metaphysischer Gegen

    stande, als zur Metaphysik unabdingbar zugehbrig, ist der Leitfaden dieser

    Untersuchung. Sie kann sich nicht eher beruhigen, solange diese Fragen nicht

    voll und ganz in der Weise eine Antwort gefunden haben, daB die Gliederung

    der Metaphysik und die Vorlage der drei Entia eine aus der Metaphysik

    und ihrem Wesen gedachte und verstehbare Antwort erfahren haben.

    Die Glieiderung weist sechs bedeutsame Ziige auf:

    1. Die Gliederung s,elbst in eine Metaphysica generalis und eine Metaphysica

    specialis;

    2. Die Gliederung der Metaphysica specialis in Cosmologia, Psychologia und

    Theologia rationalis sive naturalis;

    3. Die Reihenfolge der Gliederung, wozu einmal der Vorrang der Metaphysica

    generalis qua Ontologia vor der Metaphysica specialis, zum anderen die

    Reihenfolge der Einzeldisziplinen der Metaphysica specialis geh6rt. Hier

    bei muB vor allem die Stellung der Cosmologia beachtet werden;

    4. Die Begruindung dieser Reihenfolge durch die Forderung nach Grundhaf

    tigkeit;

    5. Der Titel ,Ontologia" fir die Metaphysica generalis; und

    6. Der Titel ,Pneumaticau fuir die Einheit von Psychologia und Theologia natu

    ralis.

    Keiner dieser Grundzuge der Gliederung darf isoliert genommen werden.

    Vielmehr kommt es gerade darauf an, die Wahrheit dieser sechs Grundzflge

    metaphysisch verst&ndlich zu machen.

    9) Martin Heidegger, Kant und das Problem der Metaphysik, 2. Auflage, Frankfurt 1951, Seite 18.

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    GLIEDERUNG DER METAPHYSIK 265

    IV

    Wir gehen vom Titel ,Ontologia" aus. Dieser ist dem Christian Wolff

    ganz selbstverstandlich. Er benutzt ihn, ohne uiber seine Herkunft Rechen

    schaft abzulegen. Dabei ist nicht die historisch verstandene Herkunft ent

    scheidend, sondern die ausgewiesene Zugeh6rigkeit dieses Titels zum Wesen

    der in ihm ausgesprochenen Prima Philosophia aus gerade diesem Wesen.

    Bekanntlich ist der Titel ,Prima Philosophia' ein von Aristoteles der Sache

    und dem Kern der Sache des Denkens verliehener Titel. Dieser Vorgang der

    Namensgebung ist kein beliebiger Der Titel ,,Prima Philosophia", beziehungs

    weise ,npCbvN tX2oaoqlf" wird dem Denken beigegeben, als es die ihm zuge

    h6rige Gestalt aus seinem eigenen Wesen annimmt. Die ihm spater zugetra

    genen Titel ,,Metaphysik" und ,Ontologie" sind dagegen nur Nebentitel.

    Johannes Micraelius (1579 - 1658) schreibt in seinem Lexicon Philosophi

    cum: Metaphysicae objectum est Ens quatenus Ens est. Unde etiam vocatur

    aliquibfus 6toXoyoc 10). Er spricht hier aus,driicklich von ,einigen" Einer da

    von ist Johannes Clauberg (1622 - 1665), der oft als der erste genannt wird,

    der den Titel n Ontologi,a' ge'braucht.Dieser verfaaBte einWerk: Elementa pbilo

    sophiae sive Ontosophia (Groningen 1647). 1660 kam das Buch, oder vielmehr

    sein Hauptteil, unter,einem an'deren Titel als: Ontosophia nova, quae vulgo

    Metaphysica (Duisburg) heraus; es konnte 1664 unter einem nochmals gean

    derten Titel erscheinen: Metaphysica de ente, quae rectius Ontosophia, Am

    sterdam. Bereits in der ersten Ausgabe von 1647 ist der Titel ,Ontosophia'

    auch durch den Titel ,,Ontologia" verdeutlicht"). Die dritte Ausgabe ist spater

    in die Opera philosophica aufgenommen worden (1691). Dort lautet der Pas

    sus: Sicuti autem bsoaobco& vel 8,oXoyL dicitur quae circa Deum occupata

    est scientia: ita haec, quae non circa hoc vel illud ens speciali nomine insig

    nitum vel proprietate quaedam ab aliis distinctum, sed circa ens in genere

    versatur, non incommode Ontosophia vel Ontologia dici posse videatur12).

    Wenig spater heil3t es: Est quaedam scientia, quae contemplatur ens quate

    nus ens est, hoc est in quantum communem quandam intelligitur habere na

    turam vel naturae gradum, qui rebus corporeis et incorporeis, Deo et crea

    turis, omnibusque adeo et in singulis entibus suo modo inest. Ea vulgo Me

    taphysica, sed aptius Ontologia vel scientia Catholica, eine allgemeine Wis

    senschaft, et philosophia universalis nominatur.13)

    Der Titel ,Ontologia' findet sich jedoch noch vor Clauberg. Abraham Calov

    (1612 - 1686) hat ihn schon 1636 in seiner Metaphysica idivina: Scienta de

    Ente Metaphysica appellatur communiter a rerum ordine, 'OvtoXoyfa rectius

    ab objecto proprio14). Und noch vor Calov benutzt ihn Johann Heinricri Alsted

    10) Johannes MicraeUus, Lexicon Philosophicum, Jena 1653, pag. 654.

    11) Johannes Clauberg, Elementa philosophiae sive Ontosophia, Groningen 1647, pag. 3.

    12) Johannes Clauberg, Opera omnia philosophica, partim antehac separatim, partim nunc pri

    mum edita, cura Joh. Theod. Schalbrudiii, Amsterdam 1691, pag. 281.

    13) a. a. O. pag. 283.

    14) Abraham Calov, Metaphysica divina, Pars generalis, Rostok 1636, Praecognita II, pag. 4.

    In den Scripta philosophica wird der Pars specialis nachgeliefert (Rostok 1650/51). In beiden

    Teilen der Metaphysica divina findet sich der Titel'OvToXoyCamehr als ein dutzendmal in

    Buch- und Kapitel?berschriften. Er ist stets in griechischen Buchstaben geschrieben. Es sieht

    ganz so aus, als ob Clauberg der erste ist, der den Titel Ontologia in lateinischen Buch

    staben schreibt.

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    266 BERICHTE UND MITTEILUNGEN

    (1588 - 1638). Er gibt 1620 semien Cursus philosophici Encyclopaedia her

    aus. Dort heiBt es: Metaphysica est sapientia quae considerat ens

    qua ens: alias dicitur prima philosiophi,a, et 6vtoXoyfa in Lexio Goclenii

    pag. 1615). Alsted verweist hier auf den Schulmetaphysiker Rudolf Gockel

    (Goclenius, 1547 - 1628), der nach allem, was wir wissen, der erste gewesen

    ist, der den Titel ,,Ontologiau gepragt hat16).

    Goclenius aIBt 1613 sein Lexicon Philosophicum erscheinen. Es scheint,

    daB hier der Titel wirklich zum erstenmal auftritt. Dafuir gibt es mehrere

    Hinweise. Einmal findet er sich in dem Artikel ,,Abstractio", d. h. gerade

    nicht in einem Artikel ,Philosophia" oder ,,Scientia"'7). Goclenius unterschei

    det drei Weisen von Abstractio materiae: abstractio physica, abstractio mathe

    matica et 6vtoXoy'x und abstractio transnaturalis (de Deo et Intelligentijs).

    Die zweite Weise kennzeichnet er folgendermaBen: Seiunctio et Abstractio

    a materia est cum singulari, tum unversali, etiam secundum rationem tantum,

    ut a corpore simplici aut mixto. Mathematica haec est et 6wroXooyLxt, idest,

    Philosophiae de ente seu Transcendentibus18). Dabei zeigt sich, daB der Titel

    zunachst als Adjektiv gebraucht ist, wobei ,abstractio" zu erganzen ware. Als

    Adjektiv findet sich der Titel dann nicht mehr. Zudem wird er in seiner grie

    chischen Form gegeben: bei einem Humanisten ist das weiter nicht verwun

    derlich. Am Rande findet sich nun zu diesem adjektivischen Wort und seiner

    Erlauterung die Glosse: 6v-.oXoy'f et philosophia de ENTE. Mag diese Glosse

    vom Autor oder vom Herausgeber stammen'9), es scheint sich hier um eine Zu

    fallsbildung zu handeln, die sogleich als Glticksfund bemerkt und in der Rand

    glosse vermerkt wurde.

    Die drei Modi der Abstractio materiae spiegeln in gewisser Weise die Drei

    teilung der philosophischen Wissenschaften in Physik, Theologie (qua Prima

    Philos,ophia) und Mathematik bei Aristoteles wider20). Sie ist jedoch so auf

    gegriffen, daB die aristotelische Prima Philosophia gespalten ist, und in Hin

    blick auf die Abstractio materiae ein Teil mit der Mathematik in eins gehen

    kann. Diese Spaltung der aristotelischen Gestalt der Metaphysik findet sich

    noch in einem anderen Werk des Goclenius: Isagoge in Peripateticorum et

    15) Cursus philosophici Encyclopaedia Libri XXVII, Opera et studio Johannis Henrici Alstedii,

    Herborn 1620, Liber V, Metaphysica, Pars prima, De Transcendentibus, Caput I Ens, pag. 149.

    16) Das h?tte man schon immer im Eisler nachschlagen k?nnen: Rudolf Eisler, W?rterbuch der

    philosophischen Begriffe, 4, Aufl., Berlin 1927, Artikel ?Ontologie". Trotzdem hielt sich hart

    n?ckig die Behauptung, Clauberg sei der Erfinder dieses Titels gewesen.

    17) Einen Artikel ?Ontologia" kennt das Lexicon dagegen noch nicht.

    18) Lexicon Philosophicum, opera et studio Rodolphi Goclenii, Frankfurt 1613, pag. 16. Dieses

    Lexicon darf nicht mit dem Lexicon Philosophicum von 1615 verwechselt werden.

    19) Das l??t sich bei Texten des fr?hen 17. Jahrhunderts nicht eindeutig feststellen. Es kann

    aber in diesem Fall f?r fast sicher gehalten werden, da? sie vom Autor, also von Gocle

    nius selbst stammt. Es gibt n?mlich zweierlei Arten von Randglossen im Text des Lexicons.

    Die eine dient zur Erl?uterung und ist einfach an den Rand gesetzt. Die andere gibt ebenfalls

    Erl?uterungen, ist aber im Text durch ein Zeichen ?f" angef?hrt und wird als Glosse so

    geschrieben ?f [...]". Sie dient etwa zur ?bersetzung griechischer Vokabeln (auf Seite 16

    wird so das Wort y.ptoi? mit iudicium ?bersetzt). Wenn ?berhaupt, dann stammen diese Art

    von Randglossen vom Editor.

    20) Aristoteles, Metaphysik E 1 1026al8.

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    GLIEDERUNG DER METAPHYSIK 267

    Scholasticorum Primam philosophiam21). Bezeichnend fur das Schwanken der

    Bestimmung der Gestalt der Metaphysik ist jedoch, daB Goclenius selbst diese

    Gliederung der Metaphysik in zwei Teile nur in der Vorrede des Werkes an

    fiihrt, im Werk selbst jedoch nicht ausfiihrt.

    Diese Unterscheidung geht auf Benedictus Pererius zuruck (er wird auch im

    Lexicon Philosophicum an der angegebenen Stelle zitiert). Sie wird im 7. Ka

    pitel des 1. Buches seines Werkes: De communibus omnium rerum naturalium

    principiis et affectionibus so dargelegt: Necesse est esse duas scientias di

    stinctas inter se; Unam, quae iaigat de transcendentibus, et univers,ahissimis

    rebus: Alteram, quae de intelligentijs. Illa dicetur prima Philosophia et scien

    tia universalis; haec vocabitur proprie Metaphysica, Theologia, Sapientia, Di

    vina scientia22). Diese Unterteilung des Pererius hat die deutsche Schulphiloso

    phie des 17. Jahrhunderts stark beeinfluBt, wahrend sie in seinem Orden -

    er war Jesuit - ohne Wirkung geblieben ist23).

    Was Pererius durchzufulhren versucht, ist h6chst erstaunlich. Zieht man die

    letzten Konsequenzen, was er freilich nicht tut, dann muB man sagen: es gibt

    eine Erste Philosophie, die nicht eigentlich Metaphysik ist. Dies besagt aber

    zugleich, daB die Metaphysik nicht eigentlich Erste Philosophie ist. Wahrlich,

    eine h6chst bedenkenswerte Unterscheidung von Metaphysik und Erster Phi

    losophie Pererius setzt zu ihr an, ohne sie bis ins letzte durchzufuhren24). Er

    geht jedoch immerhin soweit, die Erste Philosophie und die Metaphysik zu

    unterscheiden. Mit dieser Unterscheidung ist die Aufstellung einer scientia

    universalis verbunden, der alle anderen Wissenschaften als scientiae particu

    lares gegenifberstehen, also audi die Metaphyisica genannte Theologia: opor

    tet esse aliquam scientilam universalem diversam a scientiis particularibus,

    quae agat de transcendentibus, et ijs quae sparsa sunt, per omnes

    disciplinas (cuiusmodi sunt decem Praedicamenta, et generales divisiones en

    tis) ita ut subiectum eiusmodi scientiae sit ens ut ens25) Die Abtrennung

    elner scientia particularis als Metaphysica von der scientia universalis als

    Prima Philosophia bei Pererius ist in der Schulmetaphysik des 17. Jahrhunderts

    vielfach aufgenommen worden. Das Werk ist in Deutschland dreimal nach

    gedruckt worden (K6ln 1595, 1603 und 1618). Es hat augenscheinlich einen be

    deutenden EinfluB auf das Denken ausgeiibt und wird immer wieder zitiert.

    Hier liegt der Ansatz der Unterscheidung einer Metaphysica generalis von der

    Metaphysica specialis. Die Metaphysik ist bei Pererius Theologie. Sie han

    delt von Gott, den Intelligenzen, die per essentiam ohne K6rper sind, d. h.

    den Engeln, und den Intelligenzen, die per rationem ohne K6rper gedacht

    werden k6nnen, d. h. den menschlichen Seelen.

    21) Rodolphus Goclenius, Isagoge in Peripateticorum et Scholasticorum Primam Philosophiam,

    Frankfurt 1598, Praefatio, vor allem propositiones 6-8 und 19-20.

    22) Benedictus Pererius, De communibus omnium rerum naturalium principiis et affectionibus,

    K?ln 1595, pag. 23 (Zuerst erschienen in Rom 1562).

    23) Max Wundt, Die Schulmetaphysik des 17. Jahrhunderts, Heidelberger Abhandlungen zur

    Philosophie und ihrer Geschichte, 29, T?bingen 1939, Seite 170.

    24) Die vorgef?hrten Er?rterungen sind die ?andere L?sung" einer dubitatio, zu der die aristo

    telischen Bestimmungen der ?Metaphysik" Anla? geben. Das Kapitel VII ist ?berschrieben:

    solvitur alio modo tertia dubitatio. Diese ?andere L?sung" wird jedoch nicht etwa in den fol

    genden B?chern von Pererius fruchtbar gemacht.

    25) Aristoteles, Metaphysik E 1 1026al6.

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    268 BERICHTE UND MITTEILUNGEN

    Die Metaphysik als Theologie, d. h. als Lehre von den Intelligenzen kann

    sich auf Aristoteles selbst berufen25). Damit steht Pererius auch keineswegs

    allein. Auch bei Franciscus Suarez wird die Lehre von den Seienden, die dem

    Sein nach von der Materia abstrahiert sind, d. h. von den Intelligenzen, als

    Metaphysik bezeichnet26). Entscheidend ist, daB Pererius allein diese Wis

    senschaft fur die eigentliche Metaphysik erklart, wfhrend bei Suarez selbst

    verstandlich die Lehre vom ens inquantum est ens zur Metaphysik gehort.

    Johann Heinrich Alsted (1588 - 1638) greift die Unterscheidung des Pere

    rius in einer besonderen Weise auf. Er trennt die Lehre von Gott, den Engeln

    und der Anima separata von der Metaphysik und nennt die Wissenschaft von

    diesen Pneumatica oder Pneumatologia27). Die Grunde, die ihn dazu bewogen

    haben, spricht er sehr klar aus: Metaphysica est disciplina generalis de ente,

    non potest tractare de tali ente, puta de Deo, angelo et anima separata. Fieri

    enim non potest, ut unius specie disciplinae duo sint objecta specie distincta,

    unum generalissimum, ens nempe in latitudine, alterum singularissimum, ut

    est Deus; cui subjecto accedunt duo specialia, puta angelus et anima sepa

    rata28). Damit scheidet die Theologia aus dem Verband der Metaphysik aus

    und wird zu einer eigenen Wissenschaft, der Pneumatik. Und trotzdem kennt

    Alsted eine Unterteilung der Metaphysik in einen Pars generalis und einen

    Pars specialis. Der Pars generalis handelt de transcendentibus, d. h. uber die

    allgemeinsten Bestimmungen des Seienden als eines Seienden: Ejus - (scili

    cet: Metaphysicae) - partes duae sunt, generalis et specialis, sive communis

    et propria. Pars generalis proponit transcendentia. Transcendentia sunt ge

    neralissimi termini, qui vaguntur per omnia praedicamenta29). Der Pars spe

    cialis handelt de Praedicamentis. Alsted fuihrt ihn so ein: sequitur pars specia

    lis quae de speciebus entis tractant30) Unter species entis versteht er vor allem

    Substantia und Accidentia31).

    Die Unterscheidung des Pererius von Philosophia Prima und Metaphysica

    qua Theologia hat ihre metaphysischen Schwierigkeiten. Es wird im Grunde

    bei ihm behauptet, daB die Metaphysik (als scientia particularis) nicht Prima

    Philosophia (als scientia universalis) ist, ein Gedanke, der dem Selbstver

    standnis der Metaphysik vollkommen fremd sein muB, zumal ja das klare

    Wort des Aristoteles dagegen zu stehen scheint, der die ,Metaphysik" ge

    rade dadurch bestimmt, daB er sie von allen anderen Wissenschaften abtrennt,

    die ein ausgegrenztes Wissenschaftsfeld besitzen32). Was soll denn die Meta

    physik denn auch anders sein als Erste Philosophie? Und vor allem: was an

    ders kann Erste Philosophie sein als die Metaphysik? Der in ihr erhobene An

    spruch auf dem Bereich des Seienden im Ganzen laBt sich doch wohl nicht

    bestreiten Es muB ihr daher auch der Titel ,,Erste Philosophie" von diesem

    26) Dazu: Eberhard Conze, Der Begriff der Metaphysik bei Franciscus Suarez, Forschungen zur

    Geschichte der Philosophie und der P?dagogik, III. Bd., Heft 3, Leipzig 1928, Seite 16 ff.

    27) Johannes Heinrich Aisted, Cursus philosophici Encyclopaedia Libri XXVII, Herborn, 1620,

    Liber VI, pag. 287.

    28) a. a. O. pag. 298, siehe pag. 150.

    29) a. a. O. pag. 147 seq.

    30) a. a. O. pag. 271 seq.

    31) a. a. O. pag. 295, Synopsis secundae partis Metaphysicae.

    32) Aristoteles, Metaphysik 1 1003a22 seq.

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    GLIEDERUNG DER METAPHYSIK 269

    Anspruch her zugesprochen werden. Alsted hat den Weg eingeschlagen, die

    Theologie aus der Metaphysik auszuklammern und in eine eigene Wissen

    schaft zu verweisen: die Pneumatik. Johannes Scharf (1595 - 1660) greift

    wiederum die Unterscheidung Alsteds auf. Er gibt eine Pneumatica, seu

    Pneumatologia heraus, die vier Neuauflagen erlebte33). In der Praefatio zu die

    sem Werk weist er entschieden auf Pererius und dessen Unterscheidung hin34).

    Zudem argumentiert er ganz im Sinne Alsteds, den er in der Praefatio (mit

    Goclenius) zitiert35).

    Die Schwierigkeiten der Unterscheidung des Pererius von Prima Philoso

    phia und Metaphysica qua Theologia haben diese Denker aus metaphysischen

    Bedenken veranlaBt, die Theologie von der Ersten Philosophie und damit von

    der Metaphysik zu entfernen, um der Metaphysik ihren wesensgerechten An

    spruch auf den Titel Prima Philosophia belassen zu kdnnen36). Die Metaphysik

    kann den Anspruch auf diesen Titel wesensgemaB nicht ablegen. Dann aber

    muB die Theologie den Namen Metaphysik abtreten, was ebenfalls nicht an

    gangig ist.

    Hier tritt der Titel ,,Ontologia" ein, der zunachst so etwas wie ein Zu

    fallsfund ist. Er erlaubt es, der scientia universalis einen eigenen Namen

    zu erteilen: Philosophia prima sive Ontologia, und sie doch als Metaphysik

    zu bezeichnen. Andererseits bleibt der scientia particularis der Name Meta

    physica ebenfalls erhalten. Metaphysica wird nun zu einem Obertitel, der so

    wohl die scientia universalis (Prima Philosophia sive Ontologia) als auch die

    scientia particularis (Theologia et Scientia de Intelligentiis sive Pneumatica

    sive Pneumatologia) umfaBt. Damit bleibt der Metaphysik der Anspruch auf

    den Titel Prima Philosophia (das ist sie als scientia universalis) und es bleibt

    ebenfalls der Anspruch der Theologie (als einer scientia particular is) darauf,

    Metaphysik zu heiBen. Der Titel ,Ontologia" verhilft der Metaphysik aus

    einer grundsatzlichen metaphysischen Verlegenheit.

    Johannes Micraelius ist es, der diese Losung und diese Gliederung als

    erster ausdriicklich vorfiihrt: Metaphysicae objectum est Ens quatenus Ens

    est. Unide etiam vocatur aliquibus 6wvoXoyla. Ubi notetur, quod Ens hic

    intelligatur in communi sub ratione indifferentiae in summa abstractione.

    Metaphysica dividitur in Generalem, qua Ens in abstractisisima ratione et in

    omnimoda indifferentia consideratur, cum quoad naturam tum quoad affec

    tiones tam conjunctas quam dissolutas: Et in specialem, qua Ens coinsideratur

    in istis speciebus substantiarum, quae ab omni materia sunt absolutae, ceu

    sunt DEUS (,) Angeli et aniima separata: quanquam aliqui Theologiam, Angelo

    graphiam et Psychologiam, in quibus agitur de Deo, Angelis et Anima separata

    non habent pro Partibus Metaphysicae, sed illas censent particulares esse

    disciplinas37).

    33) Johannes Scharf, Pneum?tica, seu Pneumatologia, Wittenberg 1629, 1644, 1647, 1656 und 1670.

    34) a. a. O., Praefatio 1 seq.

    35) a. a. O., Praefatio 5.

    36) Das spricht sich schon in dem Titel eines anderen Werkes von Scharf aus: Metaphysica

    exemplaris, hoc est, Prima Philosophia, Wittenberg 1628 u. ?.

    37) Johannes Micraelius, Lexicon philosophicum, Jena 1653, pag. 654, Artikel ?Metaphysica".

    Siehe auch: pag. 758. Artikel ?Ontologia" und pag. 823 seq., Artikel ?Philosophia".

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    27 BERICHTE UND MITTEILUNGEN

    Hier ist die Gliederung der Metaphysik in der Weise durchgefuihrt, die von

    Wolff her bekannt ist. Das zeigt sich zumal darin, daB der Titel ,,Ontologia"

    jetzt die Stelle einnimmt, die er im Wolff'schen Schema innehat. Er zeigt sich

    vorziiglich fuir diese Aufgabe geeignet und beendet das Schwanken, das dann

    auftritt, wenn die Unterscheidung des Pererius von Prima Philosophia und

    Metaphysica aufgenommen wird.

    Es ist zu fragen, woher bei Pererius diese Unterscheidung ruihrt. Sieht man

    daraufhin die Kapitel 5 - 7 des ersten Bucheis De Philosophia des Werke;s von

    Pererius durch, dann wird dies sofort klar. Die Schwierigkeiten liegen in den

    Bestimmungen des Gegenstandes und des Wesens der Ersten Philosophie bei

    dem Denker, der die erste Gestalt der Ersten Philosophie aufgestellt hat, bei

    Aristoteles. Diese Kapitel stellen eine Er6rterung des Aristoteles dar. Pere

    rius steht mit seinem Versuch, die verschiedenen Bestimmungen des Aristo

    teles vom Wesen und Gegenstand der Ersten Philosophie einheitlich zu ver

    stehen, keineswegs vereinzelt dar.

    Dieser Versuch ist im Grunde von jedem Kommentator und jedem Inter

    preten der aristotelischen Metaphysik gemacht worden, heiBe er nun Albertus

    Magnus, Thomas von Aquin, Franciscus Suarez und wie auch immer38). Pere

    rius steht jedoch allein mit seiner Losung dieser Schwierigkeit: der Abtrennung

    einer Ersten Philosophie von der Metaphysik qua Theologia. Diese Abtrennung

    entlIBt aus sich die Gliederung in eine Scientia universalis und eine Scientia

    particularis. Ihre Schwierigkeiten zu beseitigen ist der Titel ,,Ontologia"

    berufen39 .

    Man war lange Zeit geneigt, diese Schwierigkeiten der verschiedenen

    Bestimmungen des Gegenstandes und des Wesens der Ersten Philosophie bei

    Aristoteles in der Weise zu beseitigen, daB man sie historisch verstand. In den

    verschiedenen Phasen des aristotelischen Denkens sind eben verschiedene

    Bestimmungen aufgetreten. Diese Erklarungsweise des Aristoteles, die vor

    allem in den Werken Werner Jaegers40) zu finden ist, greift zu kurz. Darauf hat

    schon Franz Dirlmeier hingewiesen4l). Wohlgemerkt: es soll gar nicht geleug

    net werden, daB die vorliegenden Schriften des Aristoteles einem historisch

    faBbaren ProzeB ihr Entstehen verdanken. Das ware ganz unsinnig. Was ent

    schieden bestritten wird, ist die Berechtigung, sachliche Fragen durch historische

    Erklfrungen zum Verschwinden zu bringen. Die Frage der Entstehung der

    aristotelischen Schriften verlangt im Ganzen eine neue Darstellung, die sich

    nicht durch ungeklarte psychologische Vorurteile festgelegt hat.

    38) Max Wundt, Die deutsche Schulmetaphysik des 17. Jahrhunderts, T?bingen, 1939, Seite 62 ff.

    J. Owens, The doctrine of being in the Aristotelian Metaphysics (A study in the Greek

    background of Mediaeval Thought), Toronto, 1951, Seite 5 f.

    39) Die Schwierigkeiten deuten sich schon bei Pererius selbst an. Siehe das ?proprie" in dem

    zitierten Satz

    40) Werner Jaeger, Aristoteles, Grundlegung einer Geschichte seiner Entwicklung, Berlin, 1923.

    41) Franz Dirlmeier, Aristoteles, Festschrift Albert Stohr, Bischof von Mainz, Jahrbuch f?r das

    Bistum Mainz, 5. Band, 1950, Seite 161 ? 171.

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    15/28

    GLIEDERUNG DER METAPHYSIK 271

    V.

    Wie steht es bei Aristoteles mit den Bestimmungen des Wesens der Meta

    physik von ihrem Thema her? Aristoteles hat der Metaphysik den ihr eigenen

    Namen gegeben. Er lautet: 7pdit' cpLXocoyp(a, Erste Philo,sophie42). DerTitel ,,Erste

    Philosophie" hat vor den anderen Titeln derselben Sache wie ,Metaphysik"

    und ,Ontologie" einen Vorrang, der nicht allein darin begriindet ist, daB er

    alter ist als diese. Er ist der Sache und dem Kern der Sache des Denkens von

    dem Denker verliehen worden, der als erster die der Ersten Philosophie

    zugehorige Frage ausdruicklich gestellt hat. Die Frage der Ersten Philosophie

    lautet: f t& Jv; was ist das Seiend-Sein?43). Die Bedeutung des Titels ,Erste

    Philosophie" liegt darin, daB er der Name fur den Bereich ist, der sich im

    Verfolg der Grundfrage maBgeblich fur alles nachfolgende Denken in einer

    Gestalt des Denkens eroffnet. Durch die Grundfrage laBt sich das Denken eine

    Fragerichtung anweisen, die es in den Bereich fiihrt, dem es angeh6rt. Dieser

    Bereich ist der angemessene Aufenthalt des Denkens, das den Titel ,Erste

    Philosophieu in Anspruch nimmt. In ihm kann es in seinen Denkschritten der

    Grundfrage nachgehen. Das Denken stellt im Verfolg der Grundfrage in dem

    ihm zugewiesenen Bereich als sein Gedachtes die tragenden Titel heraus. Diese

    ordnen sich im Befragen des Fraglichen der Grundfrage zu einem Gefulge, das

    seinen Bau von dem Fragebereich erhalt, dessen Gestalt im Gefuige der Titel

    nachgezeichnet wird. Das Gefiige der Titel hat selbst den Charakter einer

    Gestalt, die der Gestalt des Fragebereiches entspricht. Die Gestalt der Ersten

    Philosophie des Aristoteles ist das Gefuige der Titel, die den Bau des Frage

    bereiches darlegen, in den das Denken sich durch die Grundfrage weisen laBt.

    Die Gestalt ist in ihrem Bau durch die Art bestimmt, wie die Einweisung in

    den Aufenthaltsbereich geschieht, d. h. wie das Denken des Aristoteles die

    Grundfrage und das in ihr Fragliche erblickt. Was als das Fragliche der Grund

    frage erblickt wird, das legt fest, was das im Aufenthaltsbereidh des

    Denkens Erblickbare ist: es ist die Zuweisung des in diesem Bereich Erblick

    baren.

    Der Titel ,Erste Philosophie" spricht ein Rangverhaltnis aus. Das Fragen und

    Denken, das diesen Namen tragt, ist allem anderen Fragen und Denken vor

    gesetzt. Dieses ist gegenuber dem Denken der ,Ersten Philosophie" stets

    ,,Zweite Philosophie"44). Was jeweils als ,,Zweite Philosophie" verstanden

    wird, das ist abhangig von dem, was sich als ,,Erste Philosophie" zeigt. Die

    Erste Philosophie erhebt somit einen Anspruch. Der Anspruch geht darauf,

    maBgeblich das Sein des Seienden auszusprechen und dem Seienden das ihm in

    seinem Sein Zugeh6rige zuzusprechen: Ea:tv &att[ g p Ct Z6 ov I' ov

    xct ci tro6Tp O'tnpXovTc xa"' ocbt645). Dieser Anspruch macht das Wesen der

    Ersten Philosophie aus. Er kann nicht fallen gelassen werden, ohne daB die

    Erste Philosophie ihr Wesen aufgibt. Daher kommt er zu Recht in ihrem Namen

    vor und bestimmt den Rang der von Aristoteles gepragten Bezeichnung.

    42) Aristoteles, Metaphysik, El, 1026al6 seq. u. ?.

    43) Aristoteles, Metaphysik, ZI, 1028b4.

    44) Aristoteles, Metaphysik, ZU, 1032al5.

    45) Aristoteles, Metaphysik, Tl, 1003a21 seq.

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    16/28

    272 BERICHTE UND MITTEILUNGEN

    Stellt ein Denken nun, durch die Grundfrage in den Fragebereich geleitet,

    die Gestalt einer Ersten Philosophie auf, dann muB es dem damit erhobenen

    Anspruch auch gerecht werden. Die Gestalt einer Ersten Philosophie muB den

    Anspruch vorbringen und behaupten. Jede Gestalt einer Ersten Philosophie

    muB sich die Frage stellen, ob sie dem Anspruch, den sie wesensgemaB zu

    erheben genotigt ist, auch entspricht: der in ihr erhobene Anspruch, der gerade

    ihr Wesen als eine Erste Philosophie ausmacht, steht dieser Frage stets offen

    und ist ihrer wuirdig. Die Erste Philosophie muB den Anspruch erheben, d. h.

    vorweisen und behaupten, d. h. ausweisen. Wir nennen dies die Fragwurdig

    keit der Ersten Philosophie. In ihr ist der Ausweis des Anspruches gefordert,

    der als Anspruch bestritten werden kann. Der Ausweis erteilt dem Anspruch

    allererst seine RechtmiBigkeit. Die Fragwuirdigkeit der Ersten Philosophie ist

    mit dem Anspruch der Ersten Philosophie gleichurspriinglich.

    Der Anspruch kann, weil zum Wesen der Ersten Philosophie geh6rig, nur

    so ausgewiesen werden, dal die Erste Philosophie schon in der Zuweisung des

    ihr angemessenen Aufenthaltsbereiches durch die Grundfrage die Fragwuirdig

    keit der Ersten Philosophie selbst erfahrt. Schon in der Grundfrage muB sich

    die Fragwuirdigkeit und der mit ihr wesensgleiche Anspruch zeigen: das in der

    Grundfrage Fragliche muB dem Anspruch und der Fragwuirdigkeit gemaB sein

    und diese Angemessenheit auf Befragen auch vorweisen. Das Befragen des in

    der Grundfrage Fraglichen weist aber gerade ein Denken an, in den ihm

    zugehorigen Bereich zu gelangen und als sein dort Bedachtes das Gefuge der

    Titel, d. h. die Gestalt der Ersten Philosophie aufzurichten. Der Frage- und

    Aufenthaltsbereich der Ersten Philosophie und die Gestalt der Ersten Philoso

    phie unterstehen somit der Fragwiirdigkeit, wie sie auch dem Anspruch unter

    stehen. Wird das in der Grundfrage Fragliche daraufhin eigens befragt, ob es

    der Fragwuirdigkeit und dem Anspruch der Ersten Philosophie angemessen ist,

    dann wird die Fragwurdigkeit der Ersten Philosophie zu ihrer eigenen Grund

    frage. Jeder Schritt, den das Denken in diesem Fragebereich, geleitet durch die

    auf die Fragwiirdigkeit hin verstandene Grundfrage tut, weist unmittelbar den

    Anspruch der Ersten Philosophie aus. Dann wird aber auch die in solchem

    Fragen sich aufrichtende Gestalt der Ersten Philosophie der Fragwurdigkeit

    und dem Ansprudc, d. h. dem Wesen der Ersten Philosophie gem&B sein: das

    in solchem Fragen Bedachte und der Bau des Gedadcten tragt zu Recit den

    Titel ,,Erste Philosophie".

    Es ist jedoch fraglich, ob die Gestalt der Ersten Philosophie, die Aristoteles

    aufgerichtet hat, dem Anspruch der Ersten Philosophie gerecht wird. Wohl ist

    in ihr die Grundfrage ausdriicklich gestellt. Aber sie ist nicht auf die Frag

    wuirdigkeit hin verstanden worden. Das in der Grundfrage eigentlich Fragliche

    ist nicht mit der Fragwuirdigkeit der Ersten Philosophie uiberhaupt in Beziehung

    gebracht. Im Denken des Aristoteles im Umkreis der Ersten Philosophie ist es

    unterlassen worden, die Grundfrage gemaiB der Fragwiirdigkeit und dem

    Anspruch, damit auch gemaB dem Wesen der Ersten Philosophie zu stellen.

    Wohin das Denken sich durch die Grundfrage leiten laBt, ist vielmehr von

    einem nicht eigens auf die Fragwurdigkeit der Ersten Philosophie hin befragten,

    d. h. letztlich unbefragten Vorverstandnis des Fraglidhen bestimmt.

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    GLIEDERUNG DER METAPHYSIK 273

    Die urspruingliche Fragwiirdigkeit der Ersten Philosophie setzt sich aber in

    der aristotelischen Gestalt des Denkens auch dann und gerade dann durch,

    wenn die Fragwiurdigkeit selbst nicht als zur Grundfrage wesensmaBig zugeh6

    rig erfahren und bedacht wird. Gerade das Unterbleiben des ausdriicklichen

    Stellens der Grundfrage im Hinblick auf die Fragwiirdigkeit verleiht der

    aristotelischen Gestalt der Ersten Philosophie ihren charakteristischen Wesens

    bau.

    Die Gestalt der Ersten Philosophie des Aristoteles kommt zustande im Ver

    folg der Grundfrage der Ersten Philosophie in einer bestimmten Fragerichtung.

    In diese Richtung wird das Denken des Aristoteles durch ein Vorverstandnis

    des in der Grundfrage Fraglichen gelenkt. Die Grundfrage lautet zunachst: Ct&a

    IN; was ist das Seiend-Sein? In dieser Fassung ist noch unbestimmt, was das

    eigentlich Fragliche der Grundfrage ist. Vielmehr, es bleibt unbefragt Denn;

    befragt wird das Seiende. Es ist zunachst das Fragliche. Es wird aber nicht

    irgendwie befragt, sondern als das Seiende, d. h. hinsichtlich seines Seins.

    Dieses ist noch fraglicher als das Seiende. Nun wird aber das, woraufhin das

    Seiende befragt wird, das Sein also, in der unbefragten Selbstverstandlichkeit

    gelassen, d. h. nicht eigens als das Fraglichste der Grundfrage erfahren. Die

    Grundfrage wird nicht in Hinblick auf die Fragwuirdigkeit und das Wesen der

    Ersten Philosophie gestellt. Es kommt eine Zweideutigkeit in dem auf, womit es

    die Erste Philosophie im aristotelischen Entwurf zu tun hat. Die Zweideutigkeit

    des Fraglichen ist kein Versaumnis einer unexakten Terminologie. In ihr stellt

    sich vielmehr die Fragwiirdigkeit der Ersten Philosophie selbst dar. Sie ist

    nichts als deren Widerschein innerhalb der von Aristoteles aufgestellten

    Gestalt der Ersten Philosophie, deren Geschick sie entscheidend festlegt. Die

    nicht wieder eingeholte Gr6Be dieses Entwurfes liegt gerade im Ertragen der

    Zweideutigkeit des Fraglichen der Grundfrage.

    Die Zweideutigkeit des Fraglichen kann am aristoteliscien Titel ,,t6 a'"

    sichtbar gemacht werden. Unter diesem Titel wird einmal das Seiende im Sinne

    des - in welcher Weise auch immer - Vorliegenden verstanden, womit nicht

    nur die einzelnen Seienden, sondern auch deren Eigenschaften und Beziehun

    gen gemeint sind. Aristoteles spricht dann oft vom IN im Plural (tc& Jrta; e& kc

    pxowra). Der Titel kann aber auch die Seinsweisen dieses Seienden meinen,

    die selbst keine Seienden sind, auch keine Bezuiglichkeiten und dergleichen.

    Unter Seinsweisen diirfen hier nicht die Weisen verstanden werden, wie ein

    Seiendes existiert, da hierfiir bereits vorausgesetzt ist, daB der Sinn von

    ,,existieren" und ,,sein" bekannt ist, und es jetzt nur noch gilt, die jeweilige

    Weise des Vorliegens und Existieren auszumachen. ,,Seinsweise" besagt etwas

    viel Entscheidenderes, aber sehr schwer zu Fassendes. Jegliches Seiende ist in

    irgendeiner Weise. Dieses ,,ist" ist dasjenige, worauf es hier ankommt. Es

    macht das Sein des Seienden aus, ganz abgesehen davon, in welcher Weise es

    dann als Seiendes existiert oder nicht existiert. Aristoteles spricht, wenn er dies

    im Blick hat, von c6 etl (oder auch von t6 usapXxLV)46). Dieses Schwanken im

    Sinne von ,,6 IN " ist ein Zeichen fuir die unausgetragene Fraglichkeit des Ent

    wurfes der Ersten Philosophie des Aristoteles. Wenn unter dem Fraglichen der

    Grundfrage (dem ,,") namlich beides verstanden werden kann, dann ist es

    46) Aristoteles, Metaphysik, A 7, 1017a22 seq. und 0 6, 1048a30 seq.

    18 Ztft. f. philosoph. Forschung XVI/2

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    18/28

    274 BERICHTE UND MITTEILUNGEN

    die Frage, worauf sich die Grundfrage der Ersten Philosophie eigentlich richtet:

    auf das Seiende (dies zwar hinsichtlich seines Seins, nicht jedoch auf dieses als

    ein ebenso und im Grunde noch Fraglicheres) oder auf das Sein (dieses zwar als

    das Sein des Seienden, jedoch nicht nur so, daB es unbefragt als das verbleibt,

    von dem her das Seiende betrachtet wird). Es kommt ein Streit daruiber auf,

    welche der Moglichkeiten des Fraglichen dem Anspruch der Ersten Philosophie

    eher gemaB ist. Selbst wenn sich die Grundfrage auf beide richtet, muB doch

    gepriift werden, welches Rangverhaltnis zwischen den beiden M6glichkeiten

    der Richtung der Grundfrage besteht. Die Pruifung der Rangverhaltnisse inner

    halb der Fragemoglichkeiten der Grundfrage ist ein Geschaft der Ersten Philo

    sophie, die Weise, wie in ihr die ihr eigene Fragwuirdigkeit zum Austrag

    kommen kann. Richtet sich die Grundfrage der Ersten Philosophie aber auf

    beides, Sein und Seiendes als das je Fragliche, so richtet sie sich auf den Un

    terschied beider. Die Fragwiirdigkeit der Ersten Philosophie in die Grund

    frage aufnehmen besagt dann, auf den Unterschied der Fragem6glichkeiten

    achten. Dies aber heiBt: achten auf den Unterschied von Sein und Seiendem.

    Der Streit der Fragem6glichkeiten um den obersten Rang im Gefiuge der

    Ersten Philosophie neigt sich in der Methaphysik zu Gunsten der einen Frage

    moglichkeit. Diese versucht sich gegenuiber der anderen durchzusetzen, d. h.

    sich als Erste Philosophie zu behaupten. Das kann ihr am besten gelingen,

    wenn sich zeigt, daB sie auch schon die andere ist. Aber im Letzten kann der

    Streit nie zu einem Ende kommen, da er nicht ausdriicklich als zur Fragwuirdig

    keit der Ersten Philosophie zugehorig erfahren wird. Der Rang des aristote

    lischen Denkens beruht darin, daB dieser Streit nicht voreilig ausgetragen und

    voreilig entschieden wird. Er bleibt im Grunde in einer bedenkenswerten

    Offenheit.

    Der Streit wird so gefuhrt, daB gemaB dem Vorentscheid iiber den obersten

    Rang die eine Fragmoglichkeit sich auch als die andere zu erweisen sucht. Die

    Erste Philosophie wird bestimmt als t "q's t soppst -6 ov 7 6v, als Wissenschaft

    vom Seienden als Seienden, d. h. in seinem Sein47). In dieser Bestimmung ist

    gemaB der Zweideutigkeit des Titels ,, 6'" das Fragliche offen gelassen.

    Aristoteles unternimmt es, den dieser Wissenschaft zugewiesenen Bereich am

    Leitfaden einer Formel zu untersuchen, die ihre Herkunft aus der Fragwuirdig

    keit deutlich verrat: to 'vXe'ytccx7CoXXaXO)ydas Seiend-Sein kommt in vielfacher

    Weise zur Sprache48). Diese Formel zeigt an, daB sich Aristoteles in gewisser

    Weise der Fragwiirdigkeit der Ersten Philosophie bewuBt ist. Es iiberwiegt

    daher in den Bfichern, in denen Aristoteles der Frage der Ersten Philosophie

    am Leitfaden der aus der Einsicht in die Fragwuirdigkeit der Ersten Philosophie

    gewonnenen Formel nachgeht (d. h. in den Buichern Z, H und 0) die erste der

    Fragem6glichkeiten der Grundfrage, in der als das eigentlich Fragliche das Sein

    auftritt, freilich es stets als das Sein des Seienden. Die Buicher haben einem zu

    sammenhangenden Zug, der die Untersuchu'ng bis auf eine Hohe vortreibt, in der

    als der oberste Grundzug des Seins die Korrelation Dynamis - Energeia auf

    gewiesen wirid. Diese wird in einer merkwUrdigen Weise bestimmt: ?Lt 6 'v8p

    47) Aristoteles, Metaphysik, TI, 1003a2i seq.

    48) Aristoteles, Metaphysik, ZI, 1028al0 u. ?.

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    GLIEDERUNG DER METAPHYSIK 275

    yLa 6 uO nWxpLv td 7p^iycta ui oiukco3 6a tp XotptEv buv4'iet,ees. ist aber die Energeia

    das Vorliegen der Sache nicht in der Weise, wie wir sagen, daB etwas der

    Dynamis gemaB vorliegt49). In dieser Bestimmung werden Dynamis und Ener

    geia als di.e Grundweisen des Seins des Seieniden(o 6'pxstv iv 6p yc)gefaBt. Ihr

    Wesen ist es, nicht Seiende zu sein, sondern die vorzuiglichsten Weisen des

    ,,ist" des Seienden. In der Untersuchung der Korrelation Dynamis - Energeia

    gipfelt die aristotelische Erste Philosophie, wenn sie als die Untersuchung in

    Richtung der ersten Fragem6glichkeit gefaBt wird. Alle in diesem Bereich unter

    suchten Charaktere sind mehr Weisen des ,,ist' des Seienden und nicht so sehr

    Seiende selbst. Das kommt auch in der Formel zum Ausdruck, deren eine Fas

    sungsolautet:tosL 1to)anoXXyC(O50). LaBt sich die Grundfrage der Ersten Philoso

    phie durch die genannte Formel in den Bereich ihres Fragens geleiten, dann

    iiberwiegt die erste Fragemoglichkeit: als das Fragliche der Grundfrage kommt

    mehr das ,,ist" des Seienden vor den Blick. Der Bereich, in den sich das

    Denken so geleiten liBt, kann als der Bezugsbereich von Logos (Xgy6rcaL) und

    Sein (Jv qua etvLv, bn6pXecv) bestimmt werden51).

    Aristoteles bestimmt die Erste Philosophie ferner als die Wissenschaft von

    den obersten Gruinden des Seienden als eines solchen 52). Auch in dieser Bestim

    mung ist das eigentlich Fragliche zunachst nicht festgelegt: sind diese obersten

    Grunde Seinsweisen oder selbst Seiende? In der Untersuchung, die sich am

    Leitfaden der Formelt6 o&v Xe'syet 7noUXc;Xvortastet, bleibt dies auch noch

    unentschieden, neigt sich sogar - bei Dynamis und Energeia - mehr der

    ersten Fragem6glichkeit und dem von ihr eingenommenen Bereich zu.

    Aber gerade in dieser Fassung des Wesens der Ersten Philosophie durch

    Angabe des in ihr Fraglichen drangt sich die zweite Fragemoglichkeit vor und

    versucht, fiber die erste die Herrschaft im Streit um den Anspruch der Ersten

    Philosophie zu gewinnen. Als der oberste Grund des Seienden zeigt sich das

    Gottliche: c6 bsZov np6tv7 xrx xupLtott 6c Px453). Die Erste Philosophie hat es d,a

    nach mit einem bestimmteln Sejienden zu tun, da offenbar in dieser Fassung des

    Wesens der Ersten Philosophie unmittelbar daruiber entschieden worden ist,

    daB auch der oberste Grund ein Seiendes, namlich das hochste Seiende ist.

    Zugleich ist aber auch daruiber entschieden, daB die Frage nach dem Sein des

    Seienden am ehesten dann ins Ziel gelangen kann, wenn sich das Sein qua

    oberster Grund, d. h. als Gottliches gezeigt hat. Die zweite Fragemoglichkeit

    beansprucht in diesem Sinne auch schon die erste zu sein. DaB aber in der

    Deutung der Gpyq sich deren Charakter als Seiendes durchsetzt, ist ein Zeichen

    dafuir, daB sich die zweite der Fragembglichkeiten wegen der Unbefragtheit

    49) Aristoteles, Metaphysik, 0 6, 1048a30 seq.

    50) Aristoteles, Metaphysik, A 11, 1019a4. Es findet sich ferner die Formulierung: i? eaxi xo

    aceuxa^tO?, das ?ist", das, was am Seienden das ?ist" ausmacht, kommt in ebensoviel

    Weisen zur Sprache (Metaphysik, H2, 1042b25).

    51) Siehe das Kapitel A 7 der Metaphysik 1017a7 seq. Es scheint der Sinn des Buches V der

    Metaphysik, besonders der Er?rterungen ?ber den Satz vom Widerspruch zu sein, diesen

    Bezugsbereich zu umgrenzen.

    52) Aristoteles, Metaphysik, El, 1025b3 seq.: cd ?px

  • 7/26/2019 Vollrath Special and General Metaphysics

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    276 BERICHTE UND MITTEILUNGEN

    des Fraglichen als starker erwiesen hat. Darin kommt wieder die unbefragte

    Fragwuirdigkeit der Ersten Philosophie im Denken des Aristoteles zum Vor

    schein. Erste Philosophie wird dadurch zu einer bestimmten Wissenschaft, der

    ein eigenes Untersuchungsfeld zugeordnet ist: das Gottliche. Dies erleichtert

    ihre Eingliederung in das Schema der Wissenschaften, das in Hinblick auf die

    jeweiligen Bezirke angeordnet ist54). Die Erste Philosophie ist Theologie,

    gLmact7vy 1$oSXOT'xt.

    Die Bestimmung der Ersten Philosophie als Theologie, in der sie sich einen

    ihr im Unterschied zu den anderen Wissenschaften zugehdrigen Untersuchungs

    bezirk zuweist, widerspricht ihrer Bestimmung als Wissenschaft vom Seienden

    als Seienden, d. h. in seinem Sein. In diesem Widerstreben zeigt sich nichts

    anderes als die Fragwiurdigkeit der Ersten Philosophie. Im Denken des Aristo

    teles sind der Ersten Philosophie zwei Fragebereiche zugewiesen: der Bereich

    des Seienden als Seienden und in seinem Sein, und der Bereich des h6chsten

    Seienden als des obersten Grundes alles Seienden. Heidegger hat dies zu

    treffend die onto-theologische Verfassung der Metaphysik genannt55).

    Im Bau der aristotelischen Gestalt der Ersten Philosophie tritt die Frag

    wuirdigkeit als das Schwanken in der Zuweisung des der Ersten Philosophie

    zugehorigen Bereiches auf, in den sie sich durch die Grundfrage und das in

    dieser unbefragt bleibende Vorverstandnis des Fraglichen weisen laBt. Das

    Schwanken wird nie eindeutig zugunsten einer der Fragemoglicikeiten und

    eines der in den Fragemoglichkeiten eroffneten Bereiche aufgel6st. Auch tritt in

    jeder Fragemoglichkeit die andere schon mit auf. Immerhin kann doch gesagt

    werden; durch das Offenlassen der Fragwuirdigkeit neigt sich das Gewicht

    starker auf die Seite der einen Fragemoglichkeit, in der die Erste Philosophie

    als Theologie bestimmt wird.

    Aristoteles muB die Gefahr des Auseinanderbrechens der beiden m6glichen

    Grundbereiche im Kampf um den Anspruch der Ersten Philosophie bemerkt

    haben. Es gibt ndmlich noch eine dritte Bestimmung der Ersten Philosophie,

    die in bezug auf beide M6glichkeiten der Grundfrage und beide Grund

    bereiche gebraucht werden kann. Die Erste Philosophie ist, im Unterschied zu

    den anderen Wissenschaften, denen jeweils ihr eigener, von dem jeder ande

    ren Wissenschaft abgegrenzter Untersuchungsbezirk zugeordnet ist, die Wis

    sensichaft vom Seienden im Ganzen (ov %a9$6Xou56) . Dier Bereich, Iden sie

    sich in ihrem Fragen zuweist, ist der Bereich des Seienden im Ganzen.

    Diese Bestimmung ist gegenuber der Strittigkeit des Anspruches der

    beiden Grundbereiche auf den obersten Rang neutral: sie hat Beziehungen

    zu jedem der Grundbereiche und zu jeder der Fragemoglichkeiten der Grund

    frage. Denn einmal ist offenbar der Bereich des Seienden als Seienden gerade

    der Bereich des Seienden im Ganzen (und eben nicht der Bereich eines bestimm

    ten Seienden, und sei es auch das h6chste Seiende) 57). Zum anderen hat diese

    54) Aristoteles, Metaphysik, El, 1025b20 seq. u. ?.

    55) Martin Heidegger, Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik, in: Identit?t und

    Differenz, Pfullingen, 1957, Seite 35 ff. Siehe auch: Kant und das Problem der Metaphysik,

    2. Aufl. Frankfurt, 1950, Seite 17.

    56) Aristoteles, Metaphysik, K3, 1060b31 seq.

    57) Aristoteles, Metaphysik, a.a.O., und Tl, 1003a21 seq. bes. 1003a24 seq.

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    GLIEDERUNG DER METAPHYSIK 277

    Bestimmung einen ebenso unmittelbaren Bezug zur Bestimmung der Meta

    physik als der Wissenschaft von den obersten Grtinden des Seienden, zur

    Theologie. Ist namlich die Erste Philosophie die Frage nach den obersten

    Griinden des Seienden, d. h. Wissenschaft des Gottes, dann ist sie gerade als

    diese Wissenschaft des Bereiches des Seienden im Ganzen. Der oberste Grund

    ist Grund fur alles Seiende, d. h. Grund des Seienden im Ganzen. Das Seiende

    im Ganzen erfahrt seine Bestimmung als Seiendes von diesem vorzulglichsten

    Genos des Seienden her. Nur als diese Wissenschaft ist die Theologie Erste

    Philosophie58). Man sieht: diese Bestimmung des Wesens dient der zweiten

    Fragem6glichkeit der Grundfrage dazu, sich als die erste zu behaupten, d. h.

    sich als Erste Philosophie zu erweisen. In ihr ist der Anspruch der Ersten Phi

    losophie klar ausgesprochen: Herrschaft fiber den Bereich des Seienden im

    Ganzen.

    Die Bestimmung der Ersten Philosophie als der Wissenschaft vom Seienden

    im Ganzen hat augenscheinlich den Sinn, den Streit um den Anspruch der

    Ersten Philosophie zu beschwichtigen. Lassen sich die beiden Bestimmungen

    der Ersten Philosophie, die der Wissenschaft vom Seienden als Seienden und

    in seinem Sein, und die der Wissenschaft von den obersten Grulnden des

    Seienden, d. h. des Gottes, in der Bestimmung der Wissenschaft vom Seienden

    im Ganzen ,,vereinigen" oder doch zusammenbringen, dann besteht die Gefahr

    nicht mehr, daB die Erste Philosophie im Streit der ihr gemrB den beiden

    Fragem6glichkeiten zugewiesenen Grundbereiche auseinanderbricht. Das Be

    dulrfnis nach Schlichtung kann aber nur auftreten, wenn die Gefahr auch

    besteht. Sie besteht jedoch aus der Fragwuirdigkeit und dem Wesen der Ersten

    Philosophie. Die Bestimmung der Ersten Philosophie als Wissenschaft vom

    Seienden im Ganzen stellt fuir die Metaphysik die M6glichkeit dar, sich aus

    der urspruinglichen Fragwulrdigkeit der Ersten Philosophie herauszuhalten,

    um als Erste Philosophie die Herrschaft fiber den Bereich des Ganzen auszu

    fiben, die ihr dann gemaB dem Anspruch der Ersten Philosophie zusteht.

    VI.

    Die Gliederung der Metaphysik in einen Pars generalis, der den Titel ,,On

    tologia" tragt, und einen Pars specialis, der zum Thema die intelligiblen Sub

    stanzen, Gott und Seele, hat und den Titel ,,Pneumatik" tragt, ist in der Schul

    metaphysik des 17. Jahrhunderts voll durchgebildet. Christian Wolff konnte

    fuir seine Gliederung darauf zurulckgreifen. Der Grund fulr diese Gliederung

    sind die Schwierigkeiten, vor die die Denker der Schulmetaphysik sich gestellt

    sahen, die verschiedenen Bestimmungen des Aristoteles vom Wesen und vom

    Gegenstand der Metaphysik zu vereinigen. Diese Schwierigkeiten gehen letzt

    lich auf die das Wesen der Metaphysik begruindende Fragwuirdigkeit der

    Ersten Philosophie zurulck. Jeder Versuch, die Bestimmungen des Wesens

    und des Themas der Metaphysik in einer einheitlichen Gliederung des Wesens

    baues der Metaphysik zu vereinigen, ist nichts anderes, als die Bemufhung,

    die Fragwuirdigkeit der Ersten Philosophie nicht eigens aufkommen zu lassen,

    58) Aristoteles, Metaphysik, El, 1026a23 seq.

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    278 BERICHTE UND MITTEILUNGEN

    d. h. sie unbefragt zu lassen. Das wiederum erteilt dem Denken seine ihm

    jeweils eigene Gestalt. Auch die Gliederung Wolffs, die sich auf andere Ver

    suche stiitzt, ist von der Fragwuirdigkeit der Ersten Philosophie bestimmt.

    Im Grunde ziehen sich diese aus der Fragwiirdigkeit der Ersten Philosophie

    herriihrenden Schwierigkeiten durch alle Kommentare des Aristoteles. Die

    besondere Bedeutung des Pererius liegt einmal darin, daB er nicht in einen

    Kommentar zu Aristoteles, sondern in einem eigenstandigen metaphysischen

    Werk diesen Schwierigkeiten zu begegnen sucht. Aber auch das unterscheidet

    ihn nicht von anderen Versuchen seiner Zeit (etwa Franciscus Suarez' Dispu

    tationes Metaphysicae) 59). Vielmehr kommt es darauf an, wie dies geschieht:

    er trennt die Philosophia Prima als eine Scientia universalis von der Meta

    physik (Theologia) als einer Scientia particularis. Diese Unterscheidung wird

    von der protestantischen Schulmetaphysik des 17. Jahrhunderts aufgegrif

    fen6?). 1595 erscheint das Werk des Pererius zum erstenmal auf deutschem

    Boden (in K6ln); 1598 kennt Goclenius die Unterscheidung schon in seiner

    Isagoge61). Man kann sich fragen, warum gerade in der protestantischen

    (lutherischen wie reformierten) Schulmetaphysik die Unterscheidung des

    Pererius aufgenommen wurde und schlieBlich zu gerade dieser Losung gefuihrt

    hat, wahrend sie in der katholischen Philosophie dieser Zeit keine Rolle ge

    spielt hat. Dies liegt alleni Anschein nach an der besonderen Lage, in die sich

    die Metaphysik (und die Philosophie iiberhaupt) hinsichtlich ihrer Stellung

    zur Theologie gebracht sah. Gerade Luthers Ablehnung der Philosophie ist

    dafur bezeichnend62). Dies erforderte das Neudurchdenken des Verhfltnisses

    von Metaphysik und Theologie und gab dem protestantischen Denken den

    AnlaB, die Unterscheidung des Pererius aufzunehmen. Keineswegs aber sind

    es theologisch-religiose Gruinde, die zu dieser Gliederung gefiihrt haben. Dies

    zeigt gerade das erste Auftreten der Unterscheidung bei Pererius, wo sie ja

    aus den Bestimmungen des Wesens und des Gegenstandes der Metaphysik

    bei Aristoteles erwdchst. Nur ihre verbreitete Aufnahme durch protestantische

    Denker lBt sich aus der besonderen Lage der Metaphysik in ihrem Verhaltnis

    zur Theologie deuten.

    Die Gliederung des Pererius, die mehr wie ein Vorschlag klingt63), fuihrt

    eine weitere Schwierigkeit herauf. In ihr wird ein Unterschied gemacht zwi

    59) Eberhard Conze, Der Begriff der Metaphysik bei Franciscus Suarez, Forschungen zur Ge

    schichte der Philosophie und der P?dagogik, III. Band, Heft 3, Leipzig, 1928.

    60) Max Wundt, Die deutsche Schulmetaphysik des 17. Jahrhunderts, Heidelberger Abhand

    lungen zur Philosophie und ihrer Geschichte, 29, T?bingen, 1939, Seite 170.

    61) Siehe Anmerkung 19.

    62) Zu Luther vergleiche jetzt: Bernhard Lohse, Ratio und Fides, eine Untersuchung ?ber die

    ratio in der Theologie Luthers, Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte, Bd. 8,

    G?ttingen, 1958, Seite 24 ff. und Seite 73 ff. Zum Verh?ltnis von Theologie und Philosophie

    im Protestantismus: Ernst Troeltsch, Vernunft und Offenbarung bei Johann Gerhard und

    Melanchthon, Untersuchung der altprotestantischen Theologie, G?ttingen, 1891; Emil We

    ber, Die philosophische Scholastik des deutschen Protestantismus im Zeitalter der Ortho

    doxie, Abhandlungen zur Philosophie und ihrer Geschichte, Heft 1, G?ttingen, 1907; und:

    derselbe, Der Einflu? der protestantischen Schulphilosophie auf die orthodox-lutherische

    Dogmatik, Leipzig, 1908.

    63) Sie liegt als die zweite Fassung der L?sung einer dubitatio vor (Solvitur alio modo tertia

    dubitatio, Caput VII).

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    GLIEDERUNG DER METAPHYSIK 279

    schen Philosophia Prima und Metaphysik, die doch ein und dasselbe zu sein

    scheinen. Diese neuen Schwierigkeiten k6nnen behoben werden, wenn fur

    die Philosophia Prima als Scientia universalis ein neuer Titel eingefuihrt wird.

    Augenscheinlich ist es gerade die Funktion des Titels ,Ontologia", diesen

    Schwierigkeiten aus dem Wege zu gehen, wobei es hier nicht darauf ankommt,

    ob dies den ersten Benutzern dieses Titels auch klar war. Dabei mu13 auf

    folgendes gesehen werden: die Erste Philosophie k6nnte es durchaus ertra

    gen, nicht Metaphysik zu sein. Aber die Metaphysik muB den Anspruch der

    Ersten Philosophie erheben. Teilt man nun den Titel ,Metaphysik" der

    Scientia universalis qua Prima Philosophia allein zu, dann kann die Theologia

    nicht mehr den Anspruch erheben, Metaphysik zu sein, was ihrem Wesen

    nach nicht angeht64). Das Beduirfnis der Metaphysik, Erste Philosophie zu sein,

    und das Bediirfnis der Theologia, Metaphysik zu sein, bringen die Gliederung

    der Metaphysik auf, wie sie bei Micraelius vorliegt65). Wolff hat die Schul

    metaphysiker des 17. Jahrhunderts natulrlich gekannt66).

    Was Wolff in der Gliederung der Metaphysik bei den Schulmetaphysikern

    niemals hat finden k6nnen, ist die Cosmologia als ein Teil der Metaphysik.

    Dabei kann an Folgendes erinnert werden: augenscheinlich machte die Einfuh

    rung der Cosmologia als eines Teiles der Metaphysik Schwierigkeiten67). Wolff

    hat davon auch gewuBt. In einem Annex zum ? 78 des Discursus praeliminaris

    der Logik schreibt er: Cosmologia generalis ignota hactenus philosophis, etsi

    passim ab iis tradita fuerint, quae ad eam pertinent. Ego consultum auxi con

    dere hanc scientiam, propterea quod Psychologia, Theologia naturalis atque

    Physica inde principia sumit, nec commode alibi pertractantur, quae ad eam

    referri debent. Die Cosmologia hat eine zweideutige Stellung. Einmal ist sie

    ein Teil der Metaphysik. Zum anderen ist sie ein Teil der Physik, deren Wesen

    es seit altersher ist, gerade nicht Metaphysik (d. h. Erste Philosophie) zu sein.

    Kant hat einrral darauf hingewiesen, daBi er die Kritik der reinen Vernunft von

    einer Priufung der Antinomien der reinen Vernunft aus geschrieben hat: ,,Nicht

    die Untersuchung vom Daseyn Gottes, der Unsterblichkeit der Seele etc. ist

    der Punkt gewesen, von dem ich ausgegangen bin, sondern die Antinomie der

    r. V.: ,Die Welt hat einen Anfang -: sie hat keinen Anfang etc. bis zur vierten:

    Es ist Freyheit im Menschen, - gegen den: es ist keine Freyheit, sondern alles

    ist in ihm Naturnotwendigkeit, diese war es, welchemich ausdemndogmatischen

    Schlummer zuerst aufgeweckt und zur Critik der Vernunft selbst hintrieb, um

    das Scandal des scheinbaren Widerspruchs der Vernunft mit ihr selbst zu

    beheben"68). Das bedeutet, daB die Kritik der reinen Vernunft anhebt mit einer

    Kritik der Cosmologia als eines Teiles der Metaphysik. Von dieser Kritik an

    der Cosmologia geht bei Kant die Destruktion der uiberkommenen Metaphysik

    am Leitfaden ihrer vorziiglichen Entia aus.

    64) Den Versuch haben ja Aisted und Scharf gemacht. Siehe Anmerkungen 25 ff. und 31 ff.

    65) Siehe Anmerkung 35.

    66) Max Wundt, Die deutsche Schulphilosophie im Zeitalter der Aufkl?rung, Heidelberger Ab

    handlungen zur Philosophie und ihrer Geschichte, 32, T?bingen, 1945, Seite 141.

    67) Siehe die ?? 80. und 75 ? 78 des Discursus praeliminaris der Logik Wolffs.

    68) Kant's gesammelte Schriften, Hrsg. von der k?niglich preu?ischen Akademie der Wissen

    schaften, Band XII, Seite 255, (Brief an Christian Garve vom 21. September 1798).

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    28 BERICHTE UND MITTEILUNGEN

    Auch fuir unsere Bemfihungen kommt es darauf an, die Gliederung der

    Metaphysik aus der Obacht auf die Stellung der Cosmologia in ihr nochmals

    durchzugehen. Die Frage aIBt sich so stellen: wie kommt die Cosmologia als

    ein Teil der Physik dazu, zu einem Teil der Metaphysik zu werden, und aus

    welchem metaphysischen Wesen kann das geschehen? Als ein Teil der Physik

    handelt die Cosmologia fiber die Korper (corpora oder fiber die mate

    riellen Seienden res materiales). Dies allein wuirde niemals ihren metaphy

    sischen Charakter begruinden kbnnen, sondern sie stets in die Zweite Philo

    sophie verweisen.

    Der erste, der die Betrachtung der res materiales fiberhaupt in die Meta

    physik eigens aufnimmt, ist Descartes. Der Titel des Hauptwerkes von Descar

    tes lautet bekanntlich: Meditationes de Prima Philosophia in quibus Dei existen

    tia et animae humanae a corpore distinctio demonstrantur69). Es kommt hier alles

    darauf an zu sehen, daB in diesem Titel alle Elemente der spaiteren Metaphysica

    specialis unter dem Namen einer Ersten Philosophie vereinigt sind. Die Uber

    schrift der Meditatio V lautet: De essentia rerum materialium, et iterum de Deo,

    quod existat; die der Meditatio VI: De rerum materialium existentia, et reali

    mentis a corpore distinctione70). Man sieht: fiber die materiellen Dinge, sowohl

    fiber ihre Essenz wie iiber ihre Existenz, wird in enger Verbindung mit Gott

    und der menschlichen Seele unter dem Titel einer Ersten Philosophie gehandelt.

    Alle drei Entia treten als legitime Gegenstfinde einer Metaphysik auf. Es kann

    kein Zweifel mehr daran bestehen, daB das Auftreten von drei Entia bei

    Christian Wolff, auf welches Auftreten die Gliederung der Metaphysica specia

    lis gegrfindet ist71), sich bei Descartes vorgebildet findet72). Wie aber kommt die

    res materialis bei Descartes dazu, ein ens metaphysicum, ein Gegenstand der

    Metaphysik zu sein?

    Hier muB bis auf die Regulae ad directionem ingenii zuruickgegangen

    werden. Diese entwerfen, v or allem in der Regula IV, eine Scientia universalis,

    die Descartes Mathesis universalis nennt73). Ihr ist es aufgetragen, eine cognito

    omnium zu sein74). Wie inimer auch der Begriff der Wissenschaft ist, der zu

    dem Entwurf einer solchen Mathesis universalis ffihrt, dies eine duirfte klar

    sein: dem Anspruch nach behauptet diese universelle Wissenschaft den Cha

    rakter einer Metaphysik. Sie erfullt ganz und gar den Anspruch einer &ma'rv

    to5JyNro'xcc,56Xou einer Wissenschaft vom Bereich des Seienden imGanzen.Der

    dieser Wissenschaft zugrundeliegende Wissenschaftsbegriff75) fordert aber

    69) Nach der zweiten Auflage von 1642.

    70) Oeuvres de Descartes, ed. Ch. Adam et P. Tannery, Bd. VII, (A. T. VII), pag. 63, e. 1 seq.

    et pag. 71, e. 10 seq.

    71) Siehe Discursus praeliminaris der Logik, ? 55., Fundamentum partium philosophiae.

    72) Bei Leibniz ist es der von der Monade her gedachte Begriff der Substanz, der eine Erste

    Philosophie begr?ndet. Im Begriff der Monade sind die drei metaphysischen Entia des

    Descartes aus einem einheitlichen metaphysischen Prinzip, dem der Kraft (vis activa) bzw.

    der Entelechie gedacht. Siehe: De primae philosophiae emendatione ac de notione sub

    stantiae, Gerhardt, IV, pag. 468 seq.

    73) A.T.X. pag. 378, e. 8 seq.

    74) A.T.X. pag. 372, e. 4.

    75) Er l??t sich von der Formel: Omnis scientia est cognitio certa et evidens (A.T.X. pag. 362,

    e. 5.) her aufgliedern.

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    GLIEDERUNG DER METAPHYSIK 281

    ausdrtickliche Begriindetheit einer jeden Aussage und eines jeden Seienden.

    Dies findet spater seinen Ausdruck- in der Forderung (dem Axiom) des Des

    car