Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN...

42
April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur, Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt – gestern, heute, morgen journal Ethische, ökonomische und theologische Aspekte der Globalisierung S. 15 Informatik: Neologismen von Abbiegelicht bis Zwischensprint S. 29 Leipziger Chemie liegt im Osten an der Spitze S. 31 GeistigeWahlverwandtschaft trifft kritischen Geist – Das Sonntagsgespräch S. 40 Von Burgwällen,Wissenschaftlern und Politikern S. 22 Sächsisch-spanische Sinfonie: Beifallsstürme für Leipziger Unichor in Sevilla S. 8

Transcript of Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN...

Page 1: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709

Architektur, Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur

Die Stadt – gestern, heute, morgen

journal

Ethische, ökonomische und theologischeAspekte der Globalisierung S. 15

Informatik: Neologismen von Abbiegelichtbis Zwischensprint S. 29

Leipziger Chemie liegt im Ostenan der Spitze S. 31

Geistige Wahlverwandtschaft trifft kritischenGeist – Das Sonntagsgespräch S. 40

Von Burgwällen, Wissenschaftlernund Politikern S. 22

Sächsisch-spanische Sinfonie: Beifallsstürmefür Leipziger Unichor in Sevilla S. 8

Page 2: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

UniVersum„Die Suche nach dem vollkommenen Klang“Zwischenbilanz Bachelor/MasterUnichor gastiert in Spanien mit BeethovenIron Woman im KreißsaalNachdenken über die Universität: Double-Career Couples im Hochschulbereich

ForschungGeowissenschaft: Vereisung im kreide-zeitlichen Super-Treibhaus?Indischer Humboldt-Stipendiat istMolekülen auf der SpurEU-Freizügigkeit der Arbeitnehmer ab 2011Politikwissenschaftler untersuchen Fremden-denfeindlichkeit und RechtsextremismusPferdesport – Behandlung oder Doping?

UniCentralLeipziger Osten im europäischen DiskursDie Sprachen der StädteBevölkerungsschwund als Chance?Exoten in der StadtUrbane Topographien & symbolische Politik

StudiosiDie Studienstiftung des deutschen Volkes –Stipendiaten berichten über ihre ErfahrungenDas evangelische Studienhaus – ein StückHeimat im fremden Land

Fakultäten und InstituteMedizin-Fakultäten verlängernKooperationsvertrag„Ausnahmekönner der Mathematik“Die Kosten der FinanzmarktkriseHörfunknutzung als Herausforderung für dieForschung

GremienSitzung des Senats am 15. JanuarSitzung des Senats am 12. FebruarSondersitzung des Senats am 19. Februar

Jubiläum 2009Neues Buch zur UnigeschichteGesichter der Uni: Samuel Th. Quellmaltz

Neu berufenNomenKurz gefasstGeburtstageHabilitationen und Promotionen

Titelfoto: Volkmar Heinz

3589

10

12

1314

1617

1819202123

24

26

272830

32

343534

3536

3737383839

Warum leben Menschen in der Stadt? War es lange Zeit derelementare Schutz, den die Gruppe bot – Überreste vonStadtmauern zeugen noch davon –, so sind die Gründe heutedie wirtschaftlichen Chancen, der leichtere Zugang zu Bil-dung und Kultur, die umfassenderen Versorgungsmöglichkei-ten für soziale und medizinische Dienstleistungen und nichtzuletzt das Angebot an Konsumgütern. Auch in Zeiten des In-ternets ist die Anziehungskraft der Städte ungebrochen. Rund50 Prozent der Menschheit lebt in Städten, und dieser Anteilsteigt weiter.Wirtschaftlich gesehen bieten Städte als zentrale Orte vonWirtschaftsregionen Entfaltungsmöglichkeiten und Wohl-stand für ihre Bürger und ihre Region, und sie stehen dabeiim globalen Wettbewerb. Die Anziehungskraft der Städte,das Zusammenleben vieler Menschen auf engem Raum bringtelementare soziale Aspekte der menschlichen Existenz in den

Fokus: Migration und Fremdheit können je nachPerspektive als Chance, als Mangel an Sicherheitund sogar als Bedrohung wahrgenommen wer-den. Die soziale Dynamik begünstigt Entfrem-dung und Anonymität mit oft problematischen Fol-gen für den Einzelnen und das Gemeinwesen.Das Zusammenleben in der Stadt erfordert an-dere Regeln als das auf dem Land.Die Stadt als Organismus produziert nicht nur, siemuss versorgt werden. Stadt-Umland-Beziehun-gen sind gekennzeichnet durch Energie- und Ma-

terialströme in die Stadt hinein: Wasser, Lebensmittel, Bau-stoffe bis hin zur Frischluft. Dem stehen bis heute umweltbe-lastende Massenströme in das Umland gegenüber: Abluft,Abwasser, Abfälle.Spezifische urbane Phänomene sind auch an unserer Univer-sität Thema von Forschung und Lehre. Darunter sind Themen,die die heutigen starken Änderungsimpulse aufgreifen:– Mega-Cities mit ihrer großen Wachstumsdynamik und den

sich daraus ergebenden sozialen Problemen, einge-schränkter Regierbarkeit („riskanter Ordnung“), undSchwierigkeiten, die benötigten Infrastrukturleistungen be-reitzustellen;

– die Suburbanisierung, mit ihren negativen Folgen für Land-schaftsentwicklung und Versorgungskosten;

– der Klimawandel, der Städte neuen Risiken aussetzt;– schrumpfende Städte, ein Phänomen, das nicht nur Mittel-

deutschland, sondern große Teile Europas erfasst.Gerade beim letztgenannten Aspekt wird deutlich, dass dieRessourcen der Städte nicht nur aus materiellen Gütern be-stehen, sondern dass vor allem Menschen und Ideen wichtigsind. Unsere Universität als zentrale Einrichtung in unserer Re-gion trägt Verantwortung, nicht nur für gute Lehre und für guteForschung im Allgemeinen: Wir sind auch eine Ressource fürdie Entwicklung unserer Stadt und unserer Region.

Prof. Dr. Robert Holländer,Prorektor für strukturelle Entwicklung

1

EDITORIAL

Inhalt

UNIVERSITAT LEIPZIG

Die Stadt – als Themavon Forschung und Lehre

Page 3: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

UniVersum

Auch wenn bislang keine Heilung derAlzheimerschen Erkrankung in Sicht ist,so gibt es doch vielversprechende medika-mentöse Behandlungsstrategien, welcheden Krankheitsverlauf verlangsamen unddie Symptome lindern können. Der Erfolgeiner solchen Therapie hängt wesentlichvon einer frühen und präzisen Diagnose ab.Ermöglichen soll das ein Bluttest, der vonWissenschaftlern des Paul-Flechsig-Insti-tuts der Universität Leipzig unter Leitungvon Prof. Dr. Thomas Arendt entwickeltwurde. Die Grundlage des Tests beruht aufder Erkenntnis, die er und sein Team mach-ten: „Bei der Alzheimerschen Erkrankungist nicht nur typischerweise der Zellzyklusvon Neuronen im Gehirn gestört, sondern

auch der von Lymphozyten. Das sind Ab-wehrzellen im Blut“, so der Hirnforscher.Mit dem neuen Verfahren werden dieseVeränderungen erfasst, was eine sehr ge-naue Diagnose der Krankheit auch in frü-hen Stadien erlaubt. Mit über 80-prozenti-ger Sicherheit lässt sich damit sagen, ob einPatient an der Alzheimerschen Erkrankungleidet – das zeigt eine klinische Studie. Siewurde in Zusammenarbeit mit der FirmaGW Medical Technologies, einem Biotech-nologie-Unternehmen in Arizona durchge-führt, mit dem die Arbeitsgruppe den Testbis zur Marktreife entwickelt hatte. DemPatienten wird dafür eine Blutprobe ent-nommen. Die daraus isolierten Lymphozy-ten werden im Anschluss mit speziellen

Substanzen zur Zellteilung angeregt. Da-raufhin bilden die so aktivierten Zellenneue Oberflächenmoleküle, die mit Anti-körpern nachgewiesen werden können.Wie stark die verschiedenen Lymphozy-ten-Typen aktiviert sind, das heißt dieseOberflächenmarker produzieren, ist cha-rakteristisch für die Erkrankung. „So ergibtsich für die Alzheimersche Erkrankung einganz spezielles Aktivierungsmuster, dassich von den spezifischen Aktivierungs-mustern anderer Krankheiten mit ähnlicherSymptomatik eindeutig unterscheidet“, soArendt. Der Bluttest ist der weltweit erste,der unkompliziert und kostengünstig einezuverlässige Diagnose der AlzheimerschenErkrankung ermöglicht. Sandra Hasse

2 journal

JournalMitteilungen und Berichte für die Angehörigenund Freunde der Universität Leipzig

Herausgeber: Rektor der Universität Leipzig,Ritterstr. 26, 04109 LeipzigRedakteur: Dipl.-Journ.Tobias D. HöhnRitterstr. 26, 04109 LeipzigTel.: 03 41 97-3 50 24, Fax: 03 41 97-3 50 29E-Mail: [email protected].: Dr. Manuela RutsatzNamentlich gekennzeichnete Beiträge geben dieMeinung der Autoren wieder.

Gesamtherstellung:DZA Druckerei zu Altenburg GmbH,Gutenbergstraße 1, 04600 AltenburgAnzeigen: DZA Druckerei zu Altenburg GmbH,Ansprechpartnerin: Ingeborg KellerTel.: 0 34 47 55 51 53E-Mail: [email protected]

Das Journal kann gegen Übernahme derVersandkosten bezogen werden bei:Leipziger Universitätsverlag GmbHOststraße 41, 04317 LeipzigTel./Fax: 03 41 9 90 04 40E-Mail: [email protected]

Die Redaktion behält sich vor, eingesandteArtikel zu redigieren und zu kürzen. Bei unver-langt eingesandten Manuskripten besteht keineGewähr für einen Abdruck.Der Nachdruck von Artikeln ist gestattet, soferndie Quelle angegeben wird. Ein Belegexemplar andie Redaktion wird erbeten.Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 3. 3. 2008ISSN 1860-6709

Leipziger Forscherentwickeln BluttestFrühe Diagnose von Alzheimerscher Erkrankung

Am 26. April lädt die Universität zum dies-jährigen Studieninformationstag (SIT) ein,der wieder auf dem Campus Jahnalleestattfinden wird. Von 9 bis 14 Uhr könnensich Besucher in mehr als 30 Vorträgen undbei den Studienfachberatern über die fast100 Studienangebote der Universität in-formieren. Fragen zu Bewerbungsmodali-täten, Zulassungsvoraussetzungen, insbe-sondere sprachliche Zugangsvoraussetzun-gen und natürlich auch Inhalt und Aufbauder Studiengänge, Tätigkeitsfelder derAbsolventen und deren Berufsaussichtenstehen dabei im Vordergrund.Erstmals wird es in diesem Jahr beim SITeinen „Markt der Möglichkeiten“ geben,der die Studentenstadt Leipzig vorstellensoll. Dafür holen sich die Studienberaterin-nen die professionelle Unterstützung derLeipziger Event-Agentur Ideen.Quartier.Der „Markt der Möglichkeiten“ bietet –teilweise mit Unterstützung so bewährterSponsoren wie AOK Plus, Barmer, Sach-senLB und LWB bzw. des Studentenwer-kes – Aktionen aus den Bereichen Medien,

Studentische Services, Freizeit, Gastrono-mie und Kultur sowie Initiativen aus Sport,Politik, Umwelt, Soziales und Kultur.Damit Besucher die vielfältigen Angeboteauf dem Campus Jahnallee problemlos fin-den, werden wieder Lotsen, erkennbar anden roten T-Shirts, eingesetzt. F. R.

26. April: StudieninformationstagMehr als 30 Vorträge und knapp100 Studienangebote

Foto: Jan Woitas

Page 4: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

Nun ist der chronologisch angelegte Rund-gang durch die Musikgeschichte komplett.Vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwartreicht die Ausstellung durch die Kulturge-schichte, die das Musikinstrumenten-museum der Universität Ende Februar imrenovierten Grassimuseum eröffnet hat.Die Protagonisten des zweiten Abschnittstragen exotische Namen wie Stößelmando-line, Stockflöte, Lyragittare oder Tisch-bumbass und sind trotzdem alles andere alsein Kuriositätenkabinett. Vielmehr bildedie Sammlung unter dem Motto „DieSuche nach dem vollkommenen Klang“ dieungeheure Vielfalt an Musikinstrumentenab, wie sie im 19. und 20. Jahrhundert ver-breitet und im Wortsinn salonfähig waren,sagte Museumsdirektorin Professor Dr.Eszter Fontana.800 Instrumente, Bildnisse und Darstellun-gen aus fünf Jahrhunderten auf einer Flä-che von 1400 Quadratmetern: Die beein-druckende Ausstellung ist eine Superlativein Deutschland und das zweitgrößte Mu-seum dieser Art nach Brüssel in Europa.Der Weg dahin war steinig, eine He-rausforderung für Professor Fontana undihr Team. Dauerte es doch mehr als sechsJahre, „bis sich die Ausstellung in adäqua-

ten Räumlichkeiten mit entsprechenderKlimatisierung, Licht- und Soundinstalla-tion und mit einem nach den besonderenErfordernissen gefertigten Vitrinensys-tem“ präsentiert. Die Kosten für die Aus-stellung wurden gemeinsam von Universi-tät, Bund und Land getragen.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen undhält internationalen Vergleichen lässigstand. Der Fundus an Schätzen ist enorm –und mit einem Besuch längst nicht zu er-fassen. Gezeigt werden beispielsweisemehr als 100 Instrumente aus dem unmit-telbaren Umfeld des ThomaskantorsJohann Sebastian Bach, die Frühgeschichteder elektrischen Instrumente, seltene Ins-trumentenbauerportäts und eine „in Situ“geborgene und ausgestellte Gitarrenbau-werkstatt. Das Kapitel „Bewegte Zeiten –Zeit der Bewegungen“ verdeutlicht demBesucher die Laienmusik und Wander-vogelbewegung, die ersten elektrischenMusikinstrumente, Rundfunkempfängerund neu verwendete Materialien für denMusikinstrumentenbau wie Bakelit undPlexiglas.Und immer wieder werden Verknüpfungenzur Geschichte der Universitätsmusikhergestellt. Das Orthotonophonium vonSchmiedmayer aus Stuttgart aus demJahre 1914 zeugt beispielsweise vom Er-findungsreichtum des PhysikprofessorsArthur von Oettingen (1850–1913). Erbeschäftigte sich unter anderem mit denGrundlagen der Musiktheorie und gilt alsVerfechter des harmonischen Dualismus,

Heft 2/2008 3

UniVersum

Der vollkommene KlangMusikinstrumentenmuseum komplettiertfaszinierende Schau – zweitgrößte in EuropaVon Tobias D. Höhn

„Hinter jeder Jahreszahl steckt For-schung“, sagt Prof. Dr. Eszter Fontanabeim Rundgang durch die die kürzlichkomplettierte Ausstellung „Die Suchenach dem vollkommenen Klang“.

Fotos: Tobias D. Höhn

Page 5: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

UniVersum

der Deutung des Moll-Akkordes als zumDur-Akkord spiegelsymmetrischen Unter-klang. Hierzu entwickelte er eine neue Art(Rein-)Harmonium, das die Oktave in53 Tonstufen unterteilte, so dass man damitvon fast jedem Ton aus reine Terzen, Quar-ten, Quinten und Oktaven spielen konnte.m„Hinter jeder Jahreszahl steckt Forschung.Die Besucher merken gar nicht, wie viel sieam Ende gelernt haben“, sagt Fontana überdie ansprechend aufbereiteten Texte amRand der Vitrinen. Ihr Anspruch, die Gästein eine andere Zeit zu versetzen, wirdWirklichkeit. Im vergangenen Jahr kamenmehr als 20 000 Besucher in das universi-täre Museum, allein am Tag der offenenTür Ende Februar waren es 1048. „EineZahl, auf die wir stolz sind. Wir bilden imgroßen Stil aus“, sagt sie.Einerseits trifft dies auf Touristen und Bür-ger, Schulklassen und Studenten zu, ande-rerseits vollzieht sich dies auch hinter denKulissen in Form von Praktika, Pädagogikund Forschungsvorhaben. „Unsere For-schung hat trotz enger Möglichkeiten einentadellosen internationalen Ruf.“ Dazuzählt die wissenschaftliche Erschließungder eigenen Bestände in einem breitenKontext – „Andernorts wird mittlerweileauch nach dem Leipziger Modell katalogi-

siert, denn wir waren bereits in den 1970erJahren Vorreiter bei der Katalogisierungvon Musikinstrumenten“ –, Studien zummitteleuropäischen Instrumentenbau unddie Geschichte des sächsischen Musik-instrumentenbaus.Immerhin wurden in Sachsen ungefährzwischen 1880 und 1920 die Hälfte derweltweit gefertigten Musikinstrumenteproduziert. „Sachsen ist ein spannendesLand für die Musikwissenschaft“, sagtFontana auch mit Blick auf die Wir-kungsstätten der Komponistengrößen wieTelemann, Bach, Händel, MendelssohnBartholdy, Schumann, und Grieg. „Darü-ber hinaus befassen wir uns mit Fragen derKonservierung und Restaurierung sowieder Technologie des Instrumentenbaus.“Wenn am 3. Oktober die Studiensammlungeröffnet wird, werden insgesamt 1300 Ob-jekte auf 2000 Quadratmetern zu sehensein. Eine Menge, aber nur etwa ein Fünf-tel des Besitzes.Die Komplettierung um den forschungs-relevanten Teil ist eingebettet in eineninternationalen Kongress der Gesellschaftfür Musikforschung unter dem Thema„MUSIK-STADT – Traditionen und Per-spektiven urbaner Musikkulturen“ (28. Sep-tember bis 3. Oktober).

Tipp: Am 23. und 24. Mai lädt das Musik-instrumentenmuseum zum Fest der schwar-zen und weißen Tasten mit Konzerten, Vor-trägen und Führungen.http://mfm.uni-leipzig.de

4 journal

Zwischen 1880 und 1920 wurden inSachsen die Hälfte der weltweit gefer-tigten Musikinstrumente produziert.

Foto: Jan Woitas

Neue Kontakte zwischen Leipzig und MünchenAusstellung zum studentischen Widerstandan der Bundeswehruniversität München

Am 30. Januar, dem 75. Jahrestag der sogenannten nationalsozialistischen Macht-ergreifung, eröffneten die Präsidentin derBundeswehruniversität, Merith Niehuss,und der Rektor der Universität Leipzig,Franz Häuser, in München eine Gemein-schaftsausstellung der beiden Hochschu-len. Begleitet wurde die Ausstellung durchVorträge, Lesungen und Filme.Unter dem Motto „Die Gedanken sind frei?Studentischer Widerstand in Deutschlandim 19. und 20. Jahrhundert“ untersuchendie beiden Hochschulen den studentischenProtest- und Oppositionswillen. Gemein-sam mit den Münchener ProfessorenSylvia Schraut und Rupert Stettner haben

zukünftige Offiziere der Bundeswehr einewissenschaftliche Untersuchung der histo-rischen Studentenproteste vorgenommenund durch eine Ausstellung medial aufbrei-tet.Das Gemeinschaftsprojekt basiert auf denBemühungen der Universität Leipzig umihre Nachkriegsgeschichte. Bereits 1996wurden in Leipzig die ersten öffentlichenRehabilitationen von ehemaligen Studen-ten durch eine Ausstellung zur so genann-ten Belter-Gruppe eingeleitet. HerbertBelter, ein Leipziger Student der Wirt-schaftswissenschaften, war im Oktober1950 verhaftet, nach willkürlichen Ankla-gepunkten zum Tode verurteilt und imApril 1951 erschossen worden.Zur Ausstellungseröffnung in Münchensprach als Zeitzeuge Professor WernerGumpel. Am 5. Oktober 1950 wurde erbeim Verteilen von Flugblättern verhaftetund wegen „anti-sowjetischer Tätigkeit“

Rektor Franz Häuser eröffnete an derBundeswehruniversität München dieAusstellung über studentischen Wider-stand, die gemeinsam von den beidenHochschulen gestaltet worden war.

Foto: Blecher

Page 6: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

und „Spionage“ angeklagt und verurteilt.In bewegenden Worten schilderte er seinenLeidensweg in einem Unrechtssystem undforderte eine weitere Aufarbeitung ihrerVergangenheit durch die ostdeutschenHochschulen.Im Vorfeld der gemeinsamen Ausstellunggab es auch Gespräche zwischen demLeipziger Rektor Prof. Häuser und derMünchener Präsidentin Prof. Niehuss überdie gegenwärtige hochschulpolitische Si-tuation der Universitäten. Die Bundes-wehruniversität ist bereits seit dem Jahre2000 einem Reformprozess unterworfen,der mit dem neuen Hochschulgesetz auchin Sachsen ansteht.Das Studium für die künftigen Offiziere inMünchen ist durch so genannte Trimesterwesentlich straffer strukturiert. Zwischenden Trimestern liegen keine größeren Pau-sen, so dass ein Masterabschluss bereitsnach vierjährigem Studium als Regel an-steht. Längere Praktika sind ein obligatori-scher Bestandteil des Studiums.Die Bundeswehruniversität ist als zivileHochschule in Fakultäten und Fachberei-che gegliedert, die akademische Selbstver-waltung unter der Münchener Präsidentinist sehr stringent organisiert. Der Senat be-steht aus lediglich neun Mitgliedern, diegemeinsam mit den externen Mitgliederndes Hochschulrates einen Verwaltungsratbilden. Geleitet wird die Hochschule vonder Präsidentin, die dafür auf eine engereHochschulleitung (Vizepräsidenten undKanzler) und ein erweitertes Leitungsgre-mium mit den zehn Dekanen zugreifenkann. Dr. Jens Blecher

Zum Wintersemester 2006/2007 hat dieUniversität Leipzig das Gros der etwa 100Studiengänge auf Bachelor und Masterumgestellt. Derzeit sind rund 29 000 Stu-denten immatrikuliert. Davon studieren6100 nach dem neuen Modell und knapp20 200 noch in den traditionellen Studien-gängen (Diplom, Magister, Staatsexamen,Lehramt, Dolmetschen/Übersetzen). Fürletztere gilt Bestandsschutz. So auch fürSilvia Lauppe, die im 6. Semester Erzie-hungswissenschaft, Journalistik und Ang-listik studiert. Was die Umsetzung der Bo-logna-Beschlüsse für ihren Alltag bedeutet,schildert sie im folgenden Beitrag:

In meinem ersten Semester an der Univer-sität Leipzig bekam ich in meinem Neben-fach Anglistik nur wenige Seminare: „Vor-rang haben hier Studenten ab dem drittenSemester!“ Na gut, dachte ich, in einemJahr bin ich dann an der Reihe. Aber dannkamen die Bachelor- und Masterstudien-gänge. Mit ihnen kam zwar theoretischauch der Bestandschutz für die letztenMagister, aber die Praxis sieht nach meinerErfahrung anders aus. Heute bekomme ichvon Dozenten in einem Seminar mit 70Teilnehmern zu hören: „Ich habe Ihnen 20Handouts mitgebracht, die sind erst mal fürdie Bachelorstudenten, die Magisterleuteladen sich das bitte im Netz runter.“Als eine der letzten Magisterstudentenkämpfe ich nun mehr denn je um meine Se-minare, denn während sie sonst „nur“ über-füllt waren, sind inzwischen auch weniger

Veranstaltungen im Angebot, obwohl esimmer noch einige Nachzügler aus frühe-ren Jahrgängen gibt, die auch noch nichtalles belegt haben. Die Folge: Noch weni-ger Plätze für noch mehr Studenten.Die Erziehungswissenschaftliche Fakultät,mein Hauptfach, will das Problem mitneuen Einschreibemethoden lösen, bei de-nen ich für jedes Seminar einen Bewer-bungsbogen ausfüllen muss, um meine be-sondere Eignung heraus zu heben – die oftgenug nur darin besteht, dass ich neugierigauf das Thema bin, aber deshalb noch langekeine außergewöhnlichen Vorerfahrungenmitbringe. Außerdem finde ich in den Vor-lesungsverzeichnissen Anmerkungen, diemir empfehlen, diesen oder jenen Bereichbesonders zu berücksichtigen, das heißtbevorzugt zu belegen, da die Seminare dortknapp werden. Wird das damit nicht allenStudenten empfohlen, frage ich mich, wiesollen wir alle in diese drei Seminarepassen? Davon abgesehen: ein andererBereich würde mich gerade viel mehr inte-ressieren! Aber den soll ich jetzt aufschie-ben, um die bereits jetzt – im zweiten Se-mester meines Hauptstudiums – auslaufen-den Vorlesungen zu besuchen. „Letztmaligangeboten“ stand bisher neben drei Pflicht-veranstaltungen.Absurd eigentlich, wenn man bedenkt, dassich, wie die meisten Studenten auch, nochzwei andere Fächer in meinem Stunden-plan unterbringen muss und die verschie-denen Veranstaltungen zeitlich noch niebesonders gut zu koordinieren waren.Demnächst möchte ich ein Semester imAusland verbringen. Ich bin gespannt, wieich danach an die Kurse komme, die ichdann nicht mehr belegen kann, weil sieersatzlos gestrichen wurden.Trotzdem bin ich froh, noch eine Magister-studentin zu sein. Denn nur durch diesenStudiengang kann ich – so schwierig essein mag – drei Fächer zur gleichen Zeitstudieren, dabei meinen persönlichen Inte-ressen nachgehen und mir außerdem aufdiese Weise ein individuelles Bildungspro-fil schaffen. Erziehungswissenschaft, Jour-nalistik und Anglistik: diese Kombina-tionsmöglichkeit haben Bachelor- undMasterstudenten wohl kaum.

Heft 2/2008 5

UniVersum

Eine Magister-Studentin und ihre Bologna-ErfahrungenUnter Bestandsschutz

Magisterstudenten stehen unter Be-standsschutz, kämpfen aber mituntermit alltäglichen Problemen.

Foto: Jan Woitas

Page 7: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

UniVersum

So etwas hat es noch nie gegeben: eine Re-volution, die geordnet verlaufen wäre – ge-nau so, wie von ihren Initiatoren geplant.Meist wissen „Revolutionäre“ nicht ein-mal, dass das, was sie gerade anzetteln,eine Revolution ist. Als ob die Marktwei-ber von Versailles den französischen Könighätten köpfen wollen.Dem Bologna-Prozess geht es ähnlich –liefe heute alles nach Plan, dann wäre eseben nicht jene größte Revolution seitHumboldt, die landauf, landab proklamiertworden ist. Immerhin: Alle wussten diesesMal, was auf dem Spiel stand, so dass imNachhinein niemand „Marktweib“ spielenkann.Woher man wissen kann, dass man eswusste? Weil sich von allem Anfang an die„Reaktion“ zu Wort gemeldet und ihrenhinhaltenden Widerstand angekündigt hat,garniert mit düsteren Warnungen vor un-wiederbringlichen Verlusten.Das Geschrei der Gestrigen ist nicht unge-hört verhallt. Fast ist man geneigt zu sagen:zum Glück. Denn die Resonanz erklärt sichauch daraus, dass manches einfach nicht„gepasst“ hat.Skeptische Reaktionen und eskapistischePraktiken provoziert speziell jene Errun-genschaft, den Leipziger Durchbruch zuneuen Ufern markiert: der Wahlbereich.Seine konsequente Architektur sucht ihres-gleichen, sein Prinzip ist wahrlich revolu-tionär: „function follows form“. Und seinProblem? Die fragwürdige Funktionalitätder Funktion.Dass sich diese Erfindung ohne geeigneteTechnik unmöglich organisieren lässt, isteine Sache; darüber wird die Zeit hinweg-gehen. Viel schwerer wiegt ein anderesProblem: Man kann den Wahlbereich mitklassischen Kursen kaum bestücken, gene-riert er doch eine durch und durch hetero-gene Nachfrage. Sprich: Ihn frequentierenStudierende aus sehr vielen Ecken – Sino-logen treffen auf Sorabisten, Politologensitzen neben Publizisten.Alles in allem: einbunter Haufen.

Das Design ist intelligent, weil es erlaubt,ein Kernfach nach verschiedenen Seitenhin zu arrondieren – was sehr wohl beidessein könnte, theoretisch interessant undpraktisch brauchbar. Damit diese Rechungaber aufgeht, hätten unsere Module so „ge-strickt“ werden müssen wie von Bolognagefordert: als weitgehend autarke Einhei-ten. Dazu ist es aber nur in Einzelfällen ge-kommen – was prompt dazu geführt hat,dass solche Angebote sich vor Interessen-ten nicht mehr retten können.Das übergroße Restangebot besteht ausaltem Wein. Diese Händler haben sich aufdie neue Zeit nicht eingelassen, aus wel-chen Gründen auch immer. Einige davonsind gut: zum Beispiel das Argument,Fremdsprachen ließen sich nicht häpp-chenweise und kunterbunt vermitteln.Doch Sprachmodule tauchen im Wahl-bereich auf, ganz so, als ob sie da etwasverloren hätten. Andererseits: Würde manherauskämmen, was nicht hinein passt,bliebe nur ein Abglanz der Blaupauseübrig, weil neben den Philologien auch

jene „Orchideen“ dort fehl am Platze sind,die ihre Wurzel in fremden Sprachensuchen.Also ist, hinter dem Rücken von uns allen,eine blockierte Revolution heraus gekom-men, mit der rechtens niemand zufriedenist, weder Freund noch Feind (von Bo-logna). Freilich müssen wir mit diesem„akkreditierten“ Mängelwesen leben, aufJahre hinaus. Derweilen die Hände einfachin den Schoß zu legen, wäre sicher keinegute Idee. Was aber tun, im Schatten desgeltenden Rechts?Man kann entweder 1. die Revolution oder2. die Reaktion weitertreiben. Oder auch 3.das eine in einigen Fällen tun, ohne dasandere in anderen Fällen zu lassen. Konse-quenz, Kapitulation, Komplexität – so se-hen unsere Optionen aus. Punkt.Blinde Konsequenz wäre fahrlässig, eineblamable Kapitulation unattraktiv; alsobleibt nur der Wille zur Komplexität. „Re-quisite Variety“ ist gefordert, verbundenmit einer Ahnung davon, wie viel VielfaltMensch und Organisation vertragen.

6 journal

Eine geordnete Revolution?Blinde Konsequenz wäre fahrlässig,eine blamable Kapitulation unattraktivVon Prof. Dr. Wolfgang Fach, Institut für Politikwissenschaft

Ein Studium an der Universität Leipzig ist nach wie vor attraktiv – Bologna hin oderher. Dies zeigte der Andrang beim Tag der offenen Tür im Januar. Foto: J. Woitas

Page 8: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

Auf der letzten Personalversammlung imFebruar hatte der Personalrat mit dem obenzitierten Thema einen kleinen Tabubruchgewagt oder zumindest ein doch rechtheißes Eisen angefasst, wie dann auch dieReaktion des Rektors zeigte. Dennochbewies das lebhafte Echo unter der Zu-hörerschaft und die sich anschließendeDiskussion, die die weitere Tagesordnunghinfällig werden ließ, dass hier eine Frageaufgeworfen wurde, die vielen an der Uni-versität auf den Nägeln brennt.Der Personalrat hat schon in etlichen sei-ner mit dem Rektoratskollegium durchge-führten so genannten Quartalsgespräche,in denen es um aktuelle Entwicklungen ander Universität geht, darauf hingewiesen,dass sich in der Personalentwicklung einzunehmendes Missverhältnis zwischen derAbsicherung „zentraler“ Aufgaben und derAbdeckung der täglichen Arbeit vor Ort,sozusagen den Hausaufgaben der Univer-sität, die unsere Einrichtung auch nachaußen hin attraktiv macht, abzuzeichnenbeginnt.

Werden die Prioritäten immerrichtig gesetzt?

Nach unserer Wertung ist für die hier ent-standenen Probleme insbesondere die Aus-stattung der Prüfungsämter mit Personalsymptomatisch, die den mit der Einfüh-rung von Bachelor / Master immens gestie-genen Anforderungen (ungefähr sechsfa-cher Aufwand) in keiner Weise entspricht.Ebenso ist nicht erkennbar, dass die soft-wareseitige Abdeckung der Einführungeiner modularen Ausbildung auch nur ir-gendwelche messbaren Schritte nach vorngeht, im Gegenteil, das Rechenzentrumscheint nach unterschiedlichen Machtzen-tren aufgeteilt werden zu sollen und perso-nalseitig eine Hungerkur durchmachen zumüssen.Wenn man dagegen sieht, dass auch in dengegenwärtigen schwierigen Zeiten einePersonalzuführung durchaus möglich ist,wenn es denn um als wichtig erachtete (undzweifellos auch bedeutsame) Bereiche wieetwa im Dezernat 2 die Vorbereitung derzu akkreditierenden Studien- und Prü-fungsordnungen oder gar im dafür geschaf-

fenen Sonderbereich des Dezernats 5 umdie Vorbereitung des Uni-Jubiläums geht,entsteht schon die Frage, ob zur Zeit diePrioritäten immer richtig gesetzt werden.

Fahrplan zur Überbrückungder Krisensituation nötig

Der Personalrat ist der Ansicht, dass manüber die nach wie vor fehlende software-seitige Absicherung der modularen Ausbil-dung nicht einfach so hinweggehen kann,dass die Entscheidung für eine Neuaus-schreibung zu einem viel früheren Zeit-punkt möglich sein musste und dass mandie Mehrbelastung der Mitarbeiter vor Ort,die wenigstens noch zwei Jahre anhaltenwird, nicht mit einem Achselzucken abtunkann; der Personalrat hält auch die Fragefür legitim, wie es so weit kommen konnte,und kann nur mit Unverständnis darauf rea-gieren, dass wichtige Führungspositionenim Rechenzentrum erst einmal verspätetausgeschrieben werden und dann ohne Notmonatelang unbesetzt bleiben.Er erwartet vom Kollegium der Universitäteinen Fahrplan zur Überbrückung der Kri-sensituation, die auf diesem Gebiet ent-standen ist und noch einige Zeit anhaltenwird; dieser Plan sollte nicht nur die an un-serer Universität vorhandenen Potenzenauch der Mathematik und Informatik bün-deln, sondern auch an den Fakultäten undEinrichtungen durch befristete Zusatzein-stellungen die schlimmsten Löcher stopfenhelfen, denn die gegenwärtige und schondrei Jahre andauernde Überbelastung derKolleginnen und Kollegen geht an die Sub-stanz und kann nicht einfach so weitertoleriert werden.

Im Auftrag des PersonalratsHochschulbereich, Dr. Bernd Bendixen

Buch für den KlinikalltagTherapie imKindes- undJugendalterDie Professoren Wieland Kiess, AndreasMerkenschlager und Roland Pfäffle sowieDr. Werner Siekmeyer, allesamt Medizinerder Klinik und Poliklinik für Kinder undJugendliche, haben jetzt das Buch Thera-pie im Kindes- und Jugendalter herausge-geben. Der Titel steht als Konzept von Be-treuung und Behandlung von Krankheitenim Kindes- und Jugendalter. Über 120namhafte Autoren aus dem deutschsprachi-gen Raum haben an dem vorliegendenBuch mitgearbeitet.„Sie alle waren von der Idee getragen, einumfassendes, aber gleichzeitig in die Tiefegehendes, einheitliches Werk zum Thema‚Therapie der Krankheiten des Kindes- undJugendalters‘ zu verfassen“, sagt Klinik-direktor Kiess. „Auch im Zeitalter vonschnelllebigen Informationen über elektro-nische Medien ist ein solides, gut recher-chiertes und auf dem Boden von Leitlinienund evidenzbasierter Medizin entstande-nes Buch unverzichtbar und von allergröß-tem Wert für den klinischen Alltag.“Systematisch, von einer gemeinsamen Ideeeiner auf die Bedürfnisse der Kinder undJugendlichen abgestimmten Behandlunggetragen, sind die vorliegenden Kapiteleinheitlich verfasst. Dabei sind die persön-lichen und durchaus spezifischen Ansich-ten der einzelnen Autoren zu ihrem Spe-zialgebiet nicht verwischt worden undbereichern das Buch.Das Buch behandelt Therapiegrundlagen,Erkrankungen spezieller Lebensab-schnitte, Notfälle, und organbezogene Er-krankungen. Dabei finden sich einzelneThemen durchaus unter den verschiedenenAspekten wieder, so dass es sich als Nach-schlagewerk speziell für Kinder- undJugendmediziner in Weiterbildung undFachärzte für Kinder- und Jugendmedizinanbietet. Therapeutische Grundprinzipienund Arbeitsanleitungen sind übersichtlich,prägnant und verbindlich dargestellt. Ärztein Klinik und Praxis finden rasch undgezielt Therapieprinzipien, einschließlichInitial- und Standardtherapie, Therapiean-passung und -kontrollen, Dosierungensowie Nebenwirkungen. Das Buch (Else-vier-Verlag Urban & Fischer) umfasst1328 Seiten und kostet 160 Euro. B. A.

Heft 2/2008 7

UniVersum

Bachelor / Master und PersonaldeckeDecke zu kurzoder viel zu kurz

Page 9: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

UniVersum

„Freude schöner Götterfunken/Tochter ausElysium“ schallt es durch die größte goti-sche Kathedrale der Welt, die Töne suchensich ihren Weg zwischen dem Grab vonChristoph Kolumbus und einem 23 Meterprunkvoll goldbesetzten Hochaltar. 2500Besucher füllen Haupt- und Seitenschiffeder Kathedrale von Sevilla und lauschen(eher feierabendlich entspannt, denn an-dachtsvoll) Chören und Orchester. AufEinladung der Universität von Sevillareiste der Chor der Alma mater LipsiensisAnfang März für zwei Konzerte in die an-dalusische Hauptstadt. Im Gepäck: Ludwigvan Beethovens neunte Sinfonie d-moll(op. 125).Vor einem Jahr erntete der Unichor mitdem Verdi-Requiem in Sevillas christ-lichem Zentrum großen Beifall. DieFreude bei den Choristen der Universitätvon Sevilla und ihrem umtriebigen LeiterJosé Carlos Carmona war so groß, dass derMusikprofessor die Leipziger für 2008 er-neut einlud. Ein spontaner Gedanke, gebo-ren aus der Freude über den gemeinsamen

Erfolg heraus. Wie überhaupt vieles imSüden spontan ist. Zum Beispiel: die Pro-ben. Dass eine festgesetzte Uhrzeit nichtautomatisch Beginn der Probe bedeutet,daran mussten sich die Deutschen erst ge-wöhnen. Bis jeder Musiker seinen Stuhlauf der schmalen Bühne gerichtet, jederspanische Chorist in Reih und Glied steht,ist eine Stunde schnell vergangen – und dieProbe dauert bis Mitternacht. Aber auchdass die Bühne noch aufgebaut wird,während das Publikum schon sitzt, triebehiesigen Veranstaltern mehr als Schweiß-perlen auf die Stirn.Kleinere und größere organisatorischeMalheurs konnten den Leipzigern um Uni-musikdirektor David Timm Enthusiasmusund Euphorie nicht rauben. Als ein bestell-ter Bus, der den Chor zum zweiten Konzertim 80 Kilometer entfernten Osuna bringensollte, nicht kam, gab es in einer kleinenKapelle ein Spontan-Konzert. Dona nobis

8 journal

Sächsisch-spanische SinfonieUnichor gastiert mit zwei Konzerten in Sevilla –Rektor lädt spanischen Chor zum Jubiläum einVon Tobias D. Höhn

Musikprofessor José Carlos Carmonadirigiert Beethovens Neunte in einerSandsteinhöhle. Beeindruckende Akus-tik und tosender Beifall sind ihm unddem deutsch-spanischen Chor sicher.

Begeistert diskutieren der deutscheGeneralkonsul Dr. Michael Richtsteig (l.)und Uni-Rektor Prof. Dr. Franz Häuser(r.) die Aufführung in der Kathedralevon Sevilla. Fotos: Tobias D. Höhn

Page 10: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

pacem im Kanon oder Max Regers DerMond ist aufgegangen bei 25 Grad imSchatten. Etliche Handytelefonate späterkommt doch noch ein Bus. Das geplanteund wieder ausverkaufte Konzert in einerJahrtausende alten Höhle mit erhabenerAkustik kann stattfinden. Der Jubel desPublikums ob der selten aufgeführtenviersätzigen Beethoven-Sinfonie ist groß,allerdings trübt manch unsaubere Intona-tion des Orchesters und der Solisten denGesamteindruck.Der deutsche Generalkonsul Dr. MichaelRichtsteig, der beide Aufführungen mitver-folgt, ist begeistert und kündigt seinen Be-such zum Uni-Jubiläum 2009 an. Dann sol-len nämlich auch spanische Studentenkommen, um gemeinsam mit dem Unichoreinen wesentlichen Anteil zum Festakt des600. Gründungstages der Universität Leip-zig zu leisten. „Wir laden die ganze akade-mische Welt nach Leipzig ein, auch unsereFreunde aus Sevilla“, sagt Rektor FranzHäuser am ersten Abend und erntet dafürgroßen Beifall.

Universitätsmusik plantzwölf große Konzerteim Jubiläumsjahr 2009

Spontaneität aus Sachsen: Während desKonzertes kam dem Rektor die Idee, eineStunde später sprach er die Einladung aus,und David Timm macht sich nun an diekünstlerische Umsetzung. „Wir wollen denspanischen Chor zu einer gemeinsamenAufführung des Verdi-Requiems am22. November 2009 in der Thomaskircheeinladen.“Hinter den Kulissen arbeitet der ehemaligeThomaner längst für das Jubiläum: Zwölfgroße Konzerte mit Universitätschor,-orchester und Unibigband sowie anderenEnsembles sind geplant, unter anderem dasOratoriums Paulus von Felix Mendels-sohn-Bartholdy anlässlich dessen 200. Ge-burtstages. „Wer noch nie eine Veranstal-tung der Universitätsmusik besucht hat, hatdazu 2009 reichlich Gelegenheit“, sagt er.Auch die Uraufführung einer Auftrags-komposition von Bernd Franke gilt als ge-setzt. Damit nicht genug: „Wir wollen eineTradition aus Bachs Zeiten wieder auf-leben lassen: Zu bedeutenden Anlässen derUniversität soll es künftig Neukompositio-nen geben.“ Zum 40. Jahrestag der Spre-nung der Paulinerkirche am 30. Mai soll inder Thomaskirche ein Auftragswerk vonVolker Bräutigam erklingen.

Wer schwimmt freiwillig 3,8 Kilometer,stürzt zum Fahrrad, setzt den Helm auf undzieht die Fahrradschuhe an, strampelt180 Kilometer bergauf, bergab, setzt denHelm ab, wechselt die Schuhe für den fol-genden Marathon und läuft lange 42 Kilo-meter? Alles an einem Tag, der früh umsieben Uhr mit dem Schwimmwettkampfbeginnt, an den sich gleich die Radtouranschließt, die wiederum nahtlos in denMarathon übergeht, dessen Ziellinie gegen21 Uhr glücklich überrannt wird. Die Redeist keineswegs von einem knallhartenProfi, sondern von einer jungen Frau, diehauptberuflich im Kreißsaal der Universi-tätsfrauenklinik Leipzigs Müttern hilft,ihre Babys auf die Welt zu bringen.Dr. Susanne Schrey absolviert derzeit ihreFacharztausbildung in Gynäkologie und

Geburtshilfe und hat schon rund 500 Ba-bys zum Start ins Leben verholfen. Auch inder Forschung ist sie kein unbeschriebenesBlatt, sondern Trägerin des Lina-Margue-rite-Siebert-Preises der Stiftung Kinder-krebsforschung, der jährlich an jungeWissenschaftler vergeben wird, deren Ar-beiten zur kliniknahen Verbesserung derSituation krebskranker Kinder beitragen.mWarum setzt sich also eine erfolgreichejunge Ärztin derartigen körperlichen An-strengungen aus? Um allgemeine Anerken-nung kann es ihr nicht gehen, denn Kolle-gen und Chef haben eher beiläufig von ih-ren sportlichen Leistungen erfahren. Nachihrem ersten Start beim Ironman Austria inKärnten im Juli 2007, bei dem sie mit derStartnummer 2296 Rang 1792 belegte –gut eingebettet zwischen männlichen und

Heft 2/2008 9

UniVersum

Starke Frau imKreißsaal undbeim TriathlonIron Woman half schon500 Babys auf die WeltVon Dr. Bärbel Adams

Assistenzärztin Dr. Susanne Schrey (l.) untersucht bei Nicole Hilbig den Herzschlagihres Fötus.

Page 11: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

UniVersum

weiblichen Profis und Amateuren diesesharten Sports. 13 Stunden, 58 Minuten und56 Sekunden hatte sie gebraucht, um denstrapazenreichen Triathlon zu bewältigen –also nach diesem aller ersten Start unter-hielt sie sich mit Klinikchef Professor Dr.Dr. Michael Höckel über Freizeit und Sportund natürlich dann auch über Ironman undihr gerade gelungenes Debüt. Schwer be-eindruckt von den Leistungen seiner Mit-arbeiterin kürte Höckel sie voller Hochach-tung zur Ironwoman seiner Klinik.

Grenzen überschreiten

Dabei hatte Dr. Schrey erst drei Jahre zu-vor mit dem Sport begonnen. Sie hatteeinen Schnuppertriathlon in Berlin mitge-macht und war von der Idee des Ausdauer-sports fasziniert. Ausdauersport entsprachihrem Naturell und die drei Sportarten ge-fielen ihr. Nachdem sie sich erst einmal einZiel gesetzt hatte, baute sie sich sportlichnach und nach auf, trainierte in ihrer knappbemessenen Freizeit und im UrlaubSchwimmen Radfahren, Laufen und auchein bisschen Kraftsport, nahm an zwei hal-ben Wettbewerben teil und schließlich inKärnten erstmals am regulären Ironman-Wettkampf.

„Es ist ein schönes Gefühl“, sagt sie,„wenn man die letzte Ziellinie überschrei-tet. Dann weiß man nicht nur, dass sichTraining und alle Anstrengungen gelohnthaben, sondern auch, was man mit Willens-kraft noch am letzten großen Berg zu leis-ten vermag.“ Und das kommt auch wiederihrem Job zugute, der viel an körperlicherund geistiger Leistungsfähigkeit abver-langt. Der Sport hilft ihr, Stress im Berufabzubauen und neue Kräfte zu sammeln.Außerdem sind auch andere Erfahrungendes Sports durchaus für den Beruf nützlich,weiß die 31-Jährige und denkt dabei anAusdauer, Selbstüberwindung und Ziel-strebigkeit. „Eine gute Kondition brauchtman auch im Klinikalltag“, erzählt Schrey.„Und es gilt auch in schwierigen Situatio-nen einen kühlen Kopf zu bewahren undnach vielen Stunden kräftezehrender Ar-beit noch voll da zu sein. Manchmal hän-gen Gesundheit oder gar das Leben vonMutter und Kind davon ab. Mein Sport istauch ein Training für solche Situatio-nen.“mDieses Jahr wird sie, wenn alles gut geht,Fachärztin für Gynäkologie und Geburts-hilfe sein und danach in einer Klinik ihrenMann oder besser: ihre Frau stehen. Immerneuen Herausforderungen fühlt sie sich

gewachsen, schließlich hat sie gelernt,Grenzen zu überschreiten und daraus neueStärke zu ziehen.

10 journal

Viele sehen nur noch den Rücken vonIronwoman Susanne Schrey, die nachdem Klinikdienst schon wieder für dennächsten Triathlon trainiert.

Fotos: Jan Woitas

Nach vielen, nicht immer gemeinsam ver-brachten Jahren unseres akademischenWerdegangs freuten wir uns darüber, dassder Erste von uns im letzten Jahr einen Rufnach Leipzig erhielt. Als Ehepaar sehenwir nun jedoch einer Zeit als Berufspend-ler über weite Distanzen, unter Insidernauch gerne in Fahrstunden per ICE ausge-drückt, mit gemischten Gefühlen entgegen.In unserem Fall handelt es sich um ca.sechs Stunden, die mindestens zweimal proWoche zurückgelegt werden wollen.Umso erfreulicher war dann für uns die

Nachricht, dass auch im Fachbereich Erzie-hungswissenschaft an der Universität Leip-zig eine Professur ausgeschrieben war.Dieser Glücksfall kann für uns prinzipiellnur an einigen wenigen Volluniversitäten inDeutschland überhaupt auftreten. KurzeZeit später folgte dann tatsächlich auch dieEinladung zur Vorstellung – ein möglichesEnde unserer Pendlerzeit? Eine Berufungeines Ehepaares wäre auch aus Sicht desLeipziger Uni-Journals eine kleine Sensa-tion und einen eigenen Beitrag wert.Dass bei Berufungsverfahren nicht von

heute auf morgen entschieden wird, ist unshinlänglich bekannt. Laut Information desDeutschen Hochschulverbands (H. Detmerund A. Lenk, Forschung & Lehre 10/2007,S. 602–605) sind nur 30% der Berufungs-verfahren in Deutschland innerhalb einesJahres abgeschlossen; von der Bewerbungbis zum Dienstantritt bzw. der Realisierungvon Bleibeangeboten verstreichen in 36%der Fälle sogar über 18 Monate. Auch auszahlreichen eigenen Erfahrungen liegenzwischen dem Vorstellungsvortrag undeiner Benachrichtigung (selbst bei Listen-

Double-Career Couples imHochschulbereichErfahrungen bei der gemeinsamen Job-SucheVon Michaela Gläser-Zikuda, Institut für Erziehungswissenschaft, Universität Freiburg, undRoger Gläser, Institut für Technische Chemie, Universität Leipzig

Page 12: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

Heft 2/2008 11

UniVersum

platzierungen!) gut und gerne 5 bis 18 Mo-nate.Neben diesen eher allgemeinen erschwe-renden Bedingungen ist es besonders fürPaare, die beide eine Professur anstreben,extrem schwierig dies überhaupt, und da-rüber hinaus in familienverträglicher Formzu realisieren. So konnte beispielsweiseeine Kollegin erst nach drei Jahren Tren-nung (sechs Stunden einfache ICE-Bahn-fahrt) eine Professur an einer Hochschulein derselben Stadt wie ihr Mann finden.Zuvor war sie sogar zeitgleich in acht Be-rufungsverfahren involviert, d. h. wir spre-chen hier von einer Spitzenforscherin!

Weniger Hürden fürHochschulkarriere in anderenLändern

Einem anderen Bekannten hatte man sogaraus dem eigenen Kollegenkreis gezieltdavon abgeraten, dass sich seine Lebensge-fährtin (die bereits Professorin war) aufeine Stelle am selben Institut bewarb.Glücklicherweise erhielt sie dann dochnoch (nach zwei Jahren Bahndistanz vonfünf Stunden) eine vergleichbare Professuran einer Universität im selben Bundesland.Eine ältere Kollegin und ihr Mann, beidesind als Professoren tätig, haben sogarmehrere Jahre eine Wochenendehe mitzweimal wöchentlich je sieben bis achtStunden Bahnfahrt hinter sich.Die hier geschilderten Fälle sind anschei-nend typisch für die Berufungspraxis inunserem Lande. Ergibt sich überhaupt dieChance, sich auf eine entsprechende Posi-tion in derselben Stadt oder zumindest inerträglicher Entfernung zu bewerben, undist man schließlich eine bzw. einer dersechs bis neun eingeladenen Kandidatin-nen und Kandidaten, so grenzt es fast aneinen schicksalhaften Glücksfall, wennman schlussendlich auf die betreffendeProfessur berufen wird. An den oftmals insFeld geführten frauenfeindlichen Einstel-lungen von Kommissionen lag es in denoben geschilderten Fällen wie auch nachunserer eigenen Erfahrung jedenfalls nicht.Andernorts stellt man Double-Career Cou-ples auf dem Weg zur Professur wenigerHürden in den Weg. Vielmehr unterstütztman die gemeinsame Lebensplanung desPaares. So wird beispielsweise in den USAbei der Berufung eines Partners routinemä-ßig auch danach gefragt, ob man dem An-deren eine Stelle an derselben Hochschuleofferieren könne. Darüber hinaus sind uns

zahlreiche, auch ältere Paare aus Finnlandund Griechenland bekannt, die beide alsForscher eine erfolgreiche Hochschulkar-riere verwirklichen konnten. Auch mehrereKinder waren dabei kein Hindernis – inDeutschland ein weiterer Stein auf demWeg zur Vereinbarkeit von Familie und Be-ruf an Hochschulen. Wir wurden in Beru-fungsverfahren lediglich gefragt, ob derPartner bzw. die Familie denn auch über-haupt bereit sei, einen Ortswechsel in Kaufzu nehmen. Darüber hinaus reagiertenKommissionen eher überrascht und skep-tisch, wenn sie erfuhren, dass der Ehepart-ner ebenfalls im Hochschulbereich tätig istund eine Professur an derselben Hoch-schule bzw. in der Nähe anstrebt. Als Kon-sequenz vermieden es unsere Bekanntenwie auch wir selbst, dieses Thema in Ge-sprächen mit Berufungskommissionen ex-plizit anzusprechen.Für uns heißt es jetzt erst einmal abwarten:Bis das Verfahren in Leipzig voraussicht-lich abgeschlossen sein wird, bedingt sichdie Universität Leipzig – auch sie ist hierkeine Ausnahme – ein Jahr Zeit aus. Ver-lässliche Planungen werden also auch wei-terhin auf absehbare Zeit nur bedingt mög-lich sein. Auf eine gemeinsame Vorstellungals Neuberufene an der Uni Leipzig darfman aber dennoch hoffen.

Tokyo Medical UniversityLeipzigerAnatom erhältYokochi-PreisDr. rer. medic. Hanno Steinke, Institut fürAnatomie der Universität Leipzig, hat denYokochi-Preis für seine Aktivitäten imRahmen der Forschungskooperation zwi-schen der Universität Leipzig und derTokyo Medical University erhalten. DerPreis wird in Japan durch die Kanehara-Ichiro-Foundation zur Förderung deutsch-japanischer Projekte im Bereich Medizinverliehen.Der Preis ist mit 420.000 Yen (2.545 Euro)monatlich dotiert und enthält außerdemdie Flugkosten aus Stiftungsmitteln desYokochi-Rohen-Anatomieatlasses. Dr.Hanno Steinke ist momentan zu einemForschungsaufenthalt am Department ofAnatomy der Tokyo Medical University.Dort erforscht er die Rückenmuskulatur.Deren Versorgung mit Nervensträngenwird in Lehrbüchern verschieden angege-ben. Der deutsch- japanischen Arbeits-gruppe gelang es, den Verlauf der Nerven-verästelung zu beschreiben, insbesondereder Rückenmarksnerven am Übergangzwischen Brust- und Lendenwirbelsäule.Außerdem präpariert Steinke in Tokyo mitden japanischen Kollegen die Muskulaturvon vorn. Normalerweise erfolgt die Prä-paration von hinten. Durch den unüblichen,aufwendigeren Zugangsweg von vorn, dendie Gruppe in Tokyo und Leipzig entwi-ckelt hat, kann die Nervenvesorgung nachMeinung der Gruppe besser beschriebenwerden. Jetzt müssen keine Muskeln mehrzerstört werden, ehe man zum Ursrung derhinteren Spinalnerven gelangt. Durch diePublikationen, die aus dieser Methode ent-standen, bekam Steinke die Unterstützungder Kanehara-Ichiro-Foundation.Die Ergebnisse der Arbeit der japanisch-deutschen Forschergruppe wurden in meh-reren Zeitschriften und einem Buch ver-öffentlicht.Der Yokochi-Preis wird verliehen an Deut-sche und kann für Projekte in Japan einge-setzt werden, die der deutsch-japanischenZusammenarbeit auf dem Gebiet der Ana-tomie dienen. Der Studienaufenthalt inJapan beträgt in der Regel ein Jahr, kannaber in Ausnahmefällen verlängert oderverkürzt werden. B. A.

Mit der neuen Reihe „Nachdenken überdie Universität“ soll die Debattenkulturinnerhalb der Universität gestärkt wer-den. Fragen und Anregungen dazu rich-ten Sie bitte an [email protected].

Grafik: O. Weiss

Page 13: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

Forschung

Der Geowissenschaftler Dr. André Borne-mann von der Universität Leipzig konntemit einem internationalen Team von Wis-senschaftlern aus Deutschland, England,den Niederlanden und den USA belegen,dass es während einer der wärmsten Peri-oden der Erdgeschichte in der Kreidezeitvor 91 Millionen Jahren zu einer kurzzei-tigen, aber massiven Vereisung kam. Die-ser neue Befund stellt damit die gängigeVorstellung in Frage, wonach ausgedehntepolare Eismassen in einer „Treibhauswelt“nicht existieren konnten. Die Ergebnisseder Studie wurden jetzt in der renommier-ten Wissenschaftszeitschrift Science vor-gestellt.Im Zusammenhang mit der globalen Er-wärmung stellt sich heutzutage verstärktdie Frage, wie das Erdklima in der Zukunftaussehen wird. Um diese Frage im geolo-gischen Kontext, also auf Zeitskalen vonmehreren tausend Jahren oder länger, zubeantworten, untersuchten die Forscherkreidezeitliche, organisch-reiche Tiefsee-sedimente aus dem westlichen tropischenAtlantischen Ozean, die im Rahmen des in-ternationalen Ocean Drilling Program(ODP/IODP) erbohrt wurden.Diese außergewöhnlichen Sedimente ent-halten exzellent erhaltene kalkschalige Mi-krofossilien, sogenannte Foraminiferen,die sowohl am Ozeanboden als auch imOberflächenwasser lebten. Das Verhältnisder Sauerstoffisotope 18O und 16O(d18O) in den Kalkschalen der Mikrofos-silien spiegelt die Zusammensetzung desMeerwassers wider. Sauerstoff-Isotopen-daten liefern auch wichtige Hinweise zurRekonstruktion der damaligen Meerwas-sertemperaturen. Solche Sauerstoff-Isoto-

pendaten maß Dr. André Bornemann vomInstitut für Geophysik und Geologie derUniversität Leipzig an den Foraminiferenaus dem tropischen Kreideozean, als er amkalifornischen Scripps Institution ofOceanography weilte.Sauerstoff-Isotope in Foraminiferenscha-len können aber auch durch Schwankun-gen im Salzgehalt sowie durch den Aufbauund das Abschmelzen von großen konti-nentalen Eismassen beeinflusst werden.Um diese konkurrierenden Prozesse besserunterscheiden zu können wurde einezweite, unabhängige Methode zur Ober-flächenwassertemperaturbestimmung an-gewandt. Diese beruht auf der Analyse or-ganischer Komponenten in den Sedimen-ten, die im Kreideozean von primitivenEinzellern, den Archaeen, produziert wur-den. Eine Kombination dieser beidenMethoden erlaubt es, die Größe der Eis-masse abzuschätzen.Für das Oberflächenwasser wurden mitbeiden Methoden konsistent Temperaturenvon 35 bis 37 Grad Celsius während desTurons (vor 93,5 bis 89,3 Millionen Jahren)bestimmt. Der tropische westliche Atlanti-sche Ozean war demzufolge damals sechsbis acht Grad wärmer als heute. Darüberhinaus weist eine positive Exkursion in dengemessenen Sauerstoff-Isotopenverhält-nissen der analysierten Kalkschalen wäh-rend dieses Temperaturmaximums auf einrelativ kurzes Vereisungsereignis vor etwa91,2 Millionen Jahren hin, das etwa200 000 Jahre angedauert hat.Abschätzungen aus den Isotopendatenlassen vermuten, dass ein Eisschild von 50bis 60 Prozent des heutigen antarktischenEisschildes existiert hat. Seit langem ist

bekannt, dass geologisch kurzfristigeMeeresspiegelschwankungen durch dieBindung von Wasser in kontinentalen Eis-massen verursacht werden. So würde dieheutige Eisbedeckung der Antarktis denglobalen Meeresspiegel um etwa 60 Meteranheben, wenn der gesamte Eisschildschmelzen würde. Die Daten aus demtropischen Kreideozean weisen auf einenMeeresspiegelrückgang von maximal40 Meter für das beobachtete Vereisungser-eignis. Diese Interpretation wird durch un-abhängige Meeresspiegelrekonstruktionenaus New Jersey und Russland gestützt, dieeinen zeitgleichen Meeresspiegelrückgangzwischen 25 und 40 Meter postulieren.Die Ergebnisse dieser neuen Studie zeigen,dass die extrem warmen tropischen Ozean-temperaturen während der Kreidezeitparadoxerweise keine Barriere dargestellthaben, um Eisbildung auf geologischenZeiträumen von mehreren hundert TausendJahren zu unterbinden. Eine weiterhinoffene Frage ist dagegen wo sich solchgroße Eismassen während der Kreidezeitgebildet haben könnten. Die wahrschein-lichste Region hierfür stellt die Antarktisdar, welche schon damals am Südpol lagund möglicherweise schon in der Kreide-zeit Gebirgszüge besessen hat, die hoch ge-nug waren um weiträumig Schnee und Eiszu akkumulieren. Die Vergletscherung aus-gedehnter Festlandsregionen während derKreidezeit war jedoch sicherlich eher dieAusnahme als die Regel, wie das episodi-sche Auftreten von Reptilien und subtropi-schen Pflanzen in den hohen Breiten be-legt. Dr. Bärbel Adamshttp://dx.doi.org/10.1126/science.1148777

12 journal

Science-Veröffentlichung eines Leipziger GeowissenschaftlersVereisung im kreidezeitlichen Super-Treibhaus?

Einladung

Mittwoch, 30. April 200810.00 bis 14.00 Uhr

Sächsischer LandtagBernhard-von-Lindenau-Platz 1

01067 Dresden

Infos und Anmeldung bei der FDP-Fraktion im Sächsischen LandtagBernhard-von-Lindenau-Platz 1 . 01067 DresdenFon 0351/493 47 00 . Fax 0351/493 47 30Mail [email protected] . Web www.fdp-fraktion-sachsen.de

GEDRUCKTE ELEKTRONIKERGEBNISSE, POTENZIALE UND VISIONEN

3. Sächsisches Technologieforum der FDP-Fraktion im Sächsischen Landtag

Anzeige

Page 14: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

„Ich bin froh, hier zu sein, daran gibt eskeinen Zweifel.“ Der das sagt, heißt Sara-vanan Peruncheralathan und ist derzeit alsStipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung am Institut für Organische Chemieder Universität Leipzig tätig. Noch bis zumSommer wird der indische Postdoktorandseine Forschung zur katalytischen Syn-these chiraler Feinchemikalien in derArbeitsgruppe von Professor ChristophSchneider fortsetzen, er hofft aber, dass eseventuell auch eine Verlängerung gibt.Denn Peruncheralathan fühlt sich ein Leip-zig einfach wohl.Den Kontakt zu Professor Schneider nahm„Peru“, wie sein Name abgekürzt auf denStelltafeln im Labor steht, per Email auf.Ermuntert hatte ihn dazu seine ProfessorinHiriyakkanavar Ila vom Indian Institute ofTechnology (IIT) in Kanpur, die Schneiderwährend seiner Zeit in Göttingen kennengelernt hatte. „Peru“, der aus der StadtErode im südindischen Bundesstaat TamilNadu stammt, hatte nach dem Abitur Che-mie studiert und 1995 seinen Bachelor-Abschluss in Chemie am Arts College inseiner Heimatstadt gemacht.

„Deutschland hat eine großeChemietradition. Die Laboresind toll, die Ausstattung istsehr gut“

Anschließend ging er ans RKM Viveka-nanda College in Chennai, dem früherenMadras, und erwarb dort den akademi-schen Grad eines Masters. Ab 1998 stu-dierte er bei Professorin Ila am IIT und er-langte schließlich 2005 seinen Doktorgrad.Im März 2006 kam „Peru“ nach Leipzig.„Er hatte schon hervorragende Veröffent-lichungen vorzuweisen und deshalb erar-beiteten wir gemeinsam ein Projekt, dasschließlich von der Humboldt-Stiftung ge-nehmigt wurde“, so Schneider. Bei demVorhaben geht es darum, Moleküle in einergewünschten dreidimensionalen Strukturso aufzubauen, dass sie potenziell an dieentsprechenden biologischen Rezeptorenoder Empfänger passen. Die Einsatzmög-lichkeiten für solche Moleküle sind vielfäl-tig: Sie werden in der Medizin und Phar-mazie zum Beispiel für Impfstoffe ebenso

gebraucht wie in der Landwirtschaft fürPflanzenschutzmittel.Als sich Peruncheralathan an der Universi-tät Leipzig bewarb, hatte er nach eigenenAngaben keine Ahnung, was ihn erwartenwürde. Allerdings waren in seiner Studien-gruppe in Kanpur 14 Humboldt-fellows, sodass er zumindest über die Stiftung Be-scheid wusste. „Ich wollte nach Deutsch-land kommen“, so der Inder. Deutschlandhabe eine große Chemietradition und erhabe sich sagen lassen, dass die For-schungsmöglichkeiten hier zu Lande äu-ßerst gut seien. Und genau so habe er es inLeipzig auch vorgefunden: „Die Laborehier sind toll, wir haben Zugriff auf alleChemikalien und Instrumente, die wirbrauchen, die Ausstattung insgesamt istsehr gut“, zählt er auf. „Wenn ich will, dannkann ich rund um die Uhr im Labor arbei-ten.“Inzwischen hat er sich gemeinsam mit sei-ner Frau dermaßen gut in Leipzig einge-lebt, dass er die Stadt als zweite Heimatempfindet. Was ihm auffällt, ist die großeFreundlichkeit, die ihm entgegengebrachtwird.Negative Erfahrungen mit Fremdenfeind-lichkeit oder gar rassistischen Übergriffenmusste er bislang nicht machen. AußerLeipzig hat er über die Programme der

Humboldt-Stiftung bereits 10 deutscheStädte besuchen können. Und im ewigensächsischen Streit zwischen der Messeme-tropole und der Landeshauptstadt positio-niert er sich eindeutig: „Leipzig gefällt mirbesser als Dresden.“

Bratwurst, Knödel und zumHochzeitstag in den LeipzigerZoo

Mit der Gattin zusammen hat „Peru“ be-reits die gesamte Stadt erobert. Fein findetes das Paar, dass es sich in Asia-Läden mitallen Zutaten für die indische Küche einde-cken kann. Aber auch am deutschen Essenhaben sie Gefallen gefunden. Lieblings-speise beider: Knödel. Und während seineFrau sich strikt vegetarisch ernährt, kannsich „Peru“ auch für Bratwurst begeistern– allerdings nicht die aus Schweinefleisch,sondern die Geflügelbratwurst.Verheiratet ist das Paar übrigens seit zweiJahren. Und hat zum Hochzeitstag einenAusflug der besonderen Art in den Leipzi-ger Zoo gemacht. Dort besuchten sie denElefantentempel „Ganesha Mandir“. Sowaren sie an ihrem Ehrentag den Götternzumindest ein Stück weit nah.

Jörg Aberger

Heft 2/2008 13

Forschung

Indischer Postdoc „Peru“ forscht bis Sommer am Institut für Organische ChemieMit Humboldt-Stipendium Molekülen auf der Spur

Saravanan Peruncheralathan ist als Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stif-tung am Institut für Organische Chemie der Universität Leipzig tätig. Foto: Aberger

Page 15: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

Forschung

Beim Beitritt der Länder Mittel-und Osteuropas in die EU 2004wurde die Freizügigkeit für dieArbeitnehmer aus den neuen Mit-gliedsländern zunächst stark ein-geschränkt. Nur drei der alten EU-Länder, – Großbritannien, Irlandund Schweden – ermöglichten Ar-beitnehmern aus den MOE-Mit-gliedsländern sofort den freienZugang zu ihren Arbeitsmärkten.Die meisten, darunter Deutsch-land und Österreich, machten vonder Möglichkeit Gebrauch, ihreArbeitsmärkte vorläufig abzu-schotten und sie erst mit zwei-,fünf- oder sieben-jähriger Verzö-gerung zu öffnen. Welche Erfah-rungen haben die alten und dieneuen EU-Länder in den vergan-genen Jahren mit diesen Regelun-gen gemacht?Diese Frage steht im Zentrum desForschungsprojekts Die Arbeits-märkte in der erweiterten Euro-päischen Union, das das ZIW unddas Fraunhofer Mittel- und Ost-europa-Zentrum in Zusammenar-beit mit Experten aus der EU-Kommission,aus Polen, Estland, Großbritannien undDeutschland erarbeiten.Untersucht werden zum einen die Verände-rungen ausgewählter nationaler Arbeits-märkte seit der Erweiterung 2004, zum an-deren, inwieweit die nationalen Arbeits-marktpolitiken den Bedürfnissen undZwängen der sich internationalisierendenWirtschaft einerseits und denen der sozia-len Sicherheitssysteme und der Arbeitneh-mer andererseits gerecht werden. Der bri-tische Arbeitsmarkt verzeichnete seit 2004einen deutlich höheren Zustrom von Ar-beitsmigranten aus den MOE-Mitglieds-ländern als prognostiziert.

Von Mai 2004 bis September 2006 wurdenrund eine halbe Million Personen aus denneuen Ländern im Workers RegistrationScheme registriert, davon 308 000 aus Po-len. Die Zuwanderung trug zur Dämpfungdes Lohnwachstums und der Inflation beiund verursachte einen Anstieg des BIP-Wachstums von zirka 0,2 Prozent 2006.Trotz der positiven Wachstumseffekte undobwohl Großbritannien traditionelles Zu-wanderungsland ist, reagierte die britischeBevölkerung zunehmend ablehnend aufden neuen Migrationsstrom, so dass diebritische Regierung die Freizügigkeit fürdie 2007 aufgenommenen EU-Länder ein-geschränkt hat.

Ungeachtet der partiellen Abschottungvollzogen sich auch auf dem deutschenArbeitsmarkt in den letzten Jahren weitreichende Veränderungen. Angesichts derzunehmenden Globalisierung der Produk-tion äußerte sich der internationale Lohn-wettbewerb hier in einem zunehmendenDruck auf die Löhne und im Strukturwan-del des Arbeitsmarkts. So nahm die Zahlder Normalarbeitsverhältnisse zwischen1991 und 2004 um 3,4 Millionen ab, wäh-rend geringfügige und Teilzeitbeschäfti-gung um 4 Millionen beziehungsweise5,7 Millionen anstiegen, Zeitarbeit auf400 000 Personen. Die Reallohnentwick-lung zwischen 2000 und 2007 blieb mit

14 journal

EU-Freizügigkeit derArbeitnehmer ab 2011Forschungsprojekt fragt nach erwartbarenAuswirkungen der ArbeitsmigrationVon Cornelie Kunze und Thomas Lenk, Zentrum für Internationale Wirtschaftsbeziehungen

Foto: pixelio.de

Page 16: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

einem Prozent hinter der aller EU-Staatenaußer Spanien und hinter den USA zurückund lag deutlich unter der Produktivi-tätsentwicklung in Deutschland – mit ne-gativen Folgen für die Binnennachfrageund einer steigenden Zahl von WorkingPoor.mUnter den Beitrittsländern weist Estlandeine vergleichsweise hohe Arbeitsmigra-tion aus. Schätzungsweise fünf bis sechsProzent der aktiven Bevölkerung sind seit2004 jährlich im Ausland tätig, vorwiegendin Finnland und Großbritannien. Der Lohn-anstieg in Estland liegt in einigen Branchendes verarbeitenden Gewerbes inzwischenüber dem Produktivitätsanstieg, so dassArbeitsplatzverlagerungen ins Auslandabzusehen sind. Demgegenüber ging imDienstleistungsbereich der Lohnanstiegmit Produktivitätszuwächsen und auch mitBeschäftigungszuwächsen einher.Der Migrationsdruck hat infolge der all-mählichen Annäherung der Einkommen andie Zielländer der Migration bereits nach-gelassen. Der polnische Arbeitsmarkt, vordem EU-Beitritt durch ein erheblichesÜberangebot von Arbeitskräften charak-terisiert, verzeichnet seit 2004 infolge desdynamischen Wirtschaftswachstums undanhaltender Arbeitsmigration eine Ent-spannung, in einigen Bereichen (zum Bei-spiel im Baugewerbe) sogar Knappheiten.Damit einhergehend stiegen die Stunden-löhne von unter 5 Euro 2004 auf 6 Euro2006 mit weiter steigender Tendenz.Die Zahl der dauerhaften oder zeitweiligenpolnischen Arbeitsmigranten wird auf 1,12bis 2 Millionen geschätzt. Trotz der beste-henden Beschränkungen fungiert Deutsch-land den offiziellen Daten zufolge alswichtigstes Migrationsland für Polen, auchwenn die Zahl der erteilten Arbeitserlaub-nisse von 393 000 im Jahr 2004 auf 322 000im Jahr 2005 (eingeschlossen Saisonar-beitnehmer) gesunken ist. Die remittances(Geldrückflüsse) allein der polnischen Sai-sonarbeitnehmer in Deutschland beliefensich 2004 auf 403 Millionen Euro.Für die spätestens 2011 eintretende voll-ständige Freizügigkeit der Arbeitnehmerbedeutet das rasche Lohnwachstum in denMOE-Mitgliedsländern bei gleichzeitigerDämpfung der Lohnentwicklung inDeutschland und anderen EU-15-Länderneine enorme Erleichterung. Inwieweitaußer dem Lohnwettbewerb auch derWettbewerb der Sozialsysteme (Arbeits-)Migration innerhalb der EU stimuliert, ge-hört zu den noch offenen Fragen des Pro-jekts.

Um die Effekte der Globalisierung tobt seitLangem ein „Glaubenskrieg“. Aus Sichtder Globalisierungsgegner führt die wach-sende Vernetzung nationaler Volkswirt-schaften in vielen Ländern zu zunehmen-der innerer sozialer Desintegration und zueinem Verfall moralischer Werte. Umdieses „race to the bottom“ zu verhindern,wird gefordert, durch eine gestaltendeGlobalisierungspolitik moralischen Nor-men auf weltwirtschaftlicher Ebene wiederzur Geltung zu verhelfen.Dem halten Kritiker der Globalisierungs-kritik entgegen, dass Globalisierung keinNullsummenspiel ist, sondern durch ver-besserte internationaleArbeitsteilung lang-fristig alle Beteiligten gewinnen; weltwirt-schaftliche Armut wird besonders in jenenRegionen evident, die sich bislang von derGlobalisierung abgekoppelt haben. Wirdaus moralischen Gründen die Globalisie-rung politisch behindert, entstehen zudemals Ausweichreaktion neue informelle oderschattenwirtschaftliche Wege der interna-tionalen Verflechtung, die mitunter aufmoralisch noch fragwürdigeren Prinzipienberuhen.Damit kreist die aktuelle Globalisierungs-debatte in starkem Maße um die Frage, inwelcher Beziehung Ökonomie und Moralzueinander stehen und wie sich beide mit-einander in Einklang bringen lassen. Dabeizeigt sich, dass mitunter leider zum Fluchwird, was als gute Tat gemeint war. Fol-gende Beispiele sollen dies verdeutlichen:Verzichten große Unternehmen aus mora-lischen Gründen auf Kinderarbeit, kanndas die Existenzgrundlage von Familienzerstören und die Ausbildungschancen vonJugendlichen verschlechtern, deren Lehr-zeit als Kinderarbeit fehl interpretiert wird.Viele Länder, vor allem im Nahen undMittleren Osten, haben Kapitalverkehrs-kontrollen eingeführt, die durch infor-melle, als „Hawala“ bezeichnete illegaleÜberweisungssysteme ersetzt werden.Diese erfordern vor allem Vertrauen zwi-schen den beteiligten Personen, das nichtauf nationalen Rechtsnormen basierenkann, da Hawala beinahe überall verbotenist. Die Durchsetzung von Zahlungsver-sprechen gründet damit nicht auf hoheit-lichem Gewaltmonopol, sondern auf priva-ter Durchsetzung von Eigentumsrechten:

Oftmals sind Hawaladare als „Clubs“ orga-nisiert, die einzelne Mitglieder bei Betrughart sanktionieren; die Strafen umfassenden Ausschluss aus der lokalen Hawaladar-Vereinigung, die soziale Ächtung des be-trügerischen Hawaladars samt seiner Fami-lie bis hin zum Einsatz physischer Gewalt.Gesucht werden daher institutionelle Lö-sungen, die Ökonomie und Moral mitei-nander versöhnen. Einige solcher Lösun-gen sind bekannt: Genannt seien beispiels-weise Mikrokredite, wie sie die GrameenBank des Nobelpreisträgers MuhammedYunus in Bangladesh an kleine Gruppenvon (zumeist weiblichen) Kreditnehmernvergibt, die sich gegenseitig bei der Kredit-verwendung überwachen, mit dem Ergeb-nis, dass lokale Entwicklung gefördertwird und die Bank eine sehr niedrige Kre-ditausfallquote aufweist.Im Spannungsfeld von Moral und Ökono-mie wirft Globalisierung eine Reihe inte-ressanter Fragen auf: Wie können neuereVorschläge zur Reform der Entwicklungs-politik und der Agape-Aufruf des Ökume-nischen Rates der Kirchen in Porto Alegre2006 beurteilt werden? Wie lässt sichKlimaschutz als globales öffentliches Gutverwirklichen? Inwieweit ist die Besteue-rung internationaler Kapitalverkehrs-ströme ein sinnvoller Ansatz zur Begren-zung der internationalen Kapitalmobilität?Welche Rolle spielen Hedge-Fonds undPrivate Equity-Gesellschaften?Solche und andere Fragen wurden austheologischer, wirtschaftsethischer undökonomischer Sicht in einem interdiszipli-nären Universitätsseminar diskutiert, das– gefördert durch die Hanns MartinSchleyer-Stiftung / Heinz Nixdorf-Stiftung– Anfang Januar in der Lutherstadt Witten-berg stattfand. Teilnehmer waren Studie-rende des Lehrstuhls für Wirtschaftethik ander Martin-Luther-Universität Halle-Wit-tenberg, des Lehrstuhls für SystematischeTheologie an der Universität Leipzig undder Professur für Geld und Währung, eben-falls an der Universität Leipzig.

Matthias Petzoldt,Institut für Systematische Theologie,

Uwe Vollmer, Institut für TheoretischeVolkswirtschaftslehre,

Ingo Pies,Lehrstuhl für Wirtschaftsethik, Halle

Heft 2/2008 15

Forschung

GlobalisierungEthische, ökonomische undtheologische Aspekte

Page 17: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

Forschung

Wie entwickeln sich bei JugendlichenFremdenfeindlichkeit und rechtsextremesVerhalten? Wie ist es um die Bildung zurDemokratie in der Schule bestellt? WelcheRolle spielen zivilgesellschaftliche Ak-teure in Präventionsprogrammen? DieseFragen stehen im Mittelpunkt des For-schungsprojekts RYPP, an dem Wissen-schaftler des Instituts für Politikwissen-schaft der Universität Leipzig maßgeblichbeteiligt sind. „RYPP steht für ‚right-wingyouth violence prevention programmes‘,also für Programme, mit denen rechtsradi-kalen Tendenzen und rechter Gewalt beiJugendlichen vorgebeugt werden sollen“,erläutert Susanna Karawanskij. Sie ist An-sprechpartnerin für die Arbeitsgruppe desInstituts, die auf Leipziger Seite das RYPP-Projekt durchführt.Partner der Leipziger Forscher bei RYPPsind das IMER-Institut (School of Interna-tional Migration and Ethnic Relations) ander Universität Malmö und das Antidis-kriminierungsbüro Sachsen. Der Fokus derForschung liegt auf Jugendlichen. „Wirwollen zum Beispiel durch teilnehmendeBeobachtung herausfinden, welche Bilderbei Jugendlichen über „Fremde“ existie-ren“, erklärt Karawanskij. Zudem wollendie Wissenschaftler untersuchen, wie dieverschiedenen Programme etwa vonNicht-Regierungs-Organisationen aufge-baut sind, ob sich Beispiele finden lassen,die als Vorbilder auch für andere geltenkönnen und in einem umfangreicheren Bil-dungskontext angewendet werden können.„Gefragt wird natürlich auch danach, obsich bestimmte Formen des Umgangs mitdem Thema nicht vielleicht sogar als kon-traproduktiv erweisen“, so die Wissen-schaftlerin. Geklärt werden soll zudem,welche Definitionen von Rechtsextremis-mus und Fremdenfeindlichkeit in den be-stehenden Programmen überhaupt zuGrunde gelegt werden.„Kritisch zu betrachten sei auch die Formbzw. die Organisation solcher Angebote,die vornehmlich durch zivilgesellschaft-liche Akteure abdeckt werden und eben

nicht einen integralen Bestandteil desBildungssystem bilden“, unterstreichtKarawanskij. So seien Projekttage anSchulen sicher ein geeigneter Weg, sichdem Thema Fremdenfeindlichkeit undRechtsextremismus zu nähern. Besserwäre es jedoch, wenn solche Einzel-projekte lediglich den Startschuss für einelängerfristige und umfassende Beschäfti-gung mit dem Thema in verschiedenenAusbildungsinstanzen darstellten.Im zweiten Teilmodul des von der Euro-päischen Kommission geförderten For-schungsprojekts wurden Schüler der 9. und10. Klassen im Fach Gemeinschaftskundeinterviewt. An mehreren Mittelschulen undGymnasien in Leipzig wurden leitfaden-gestützte Gruppeninterviews durchge-führt, mit dem Ziel die Sozialisation des„Fremden“ näher zu untersuchen. ImFokus des dritten Teilmoduls steht die Ent-wicklung von Methoden bzw. Bausteinenzum Thema Fremdenfeindlichkeit undRechtsextremismus, welche für Lehrer imUnterricht anwendbar sind. Hierbei sindsowohl Workshops für Lehrer, als auch dieImplementierung des Themenkomplexesin die Lehrerausbildung an Universitätengeplant.

Der erste Meilenstein des Projektes, beidem schon erste Forschungsergebnissepräsentiert wurden, war die internationaleKonferenz zum Thema Fremdenfeindlich-keit und Xenophobie Mitte März in Leip-zig. Gemeinsam mit den Partnern ausMalmö, die derzeit genau jenen Fragen inSüdschweden nachgehen, wurde die Kar-tografie des „Fremden“ einem internatio-nalen Vergleich unterzogen. Mit der Er-weiterung des Blickwinkels auf die euro-päische Ebene sollten auch verschiedenelokale Strategien auf ihre mögliche Über-tragbarkeit hin untersucht werden.Mit dem Thema Rechtsextremismus habensich die Politologen schon früher intensivbeschäftigt: Für die Studie „Grenzen loka-ler Demokratie“ untersuchten sie, wie aus-geprägt Rechtsextremismus im ländlichenRaum ist. Heraus kam dabei unter ande-rem, dass auf lokaler Ebene agierende„Bündnisse gegen Rechts“ häufig dazuneigten, sich gegenüber anderen Projektenabzuschotten. Deutlich wurde auch, dasslokale Akteure wie Parteien, Gewerkschaf-ten und Kommunalpolitiker dazu tendier-ten, das Problem dadurch zu erklären, dasses von Außen in die Kommune hereinge-tragen werde. Jörg Aberger

16 journal

Fremdenfeindlichkeit undRechtsextremismusEU fördert Forschungsprojekt der Politikwissenschaft

Wie sich rechtsextremes Verhalten entwickelt, will ein Forschungsprojekt derPolitikwissenschaft untersuchen.

Page 18: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

Doping – ein Wort, das dem Sportbegeis-terten geradezu die Freude am Sport neh-men kann. Besonders empörend erscheintes, wenn der Mensch nicht sich selber dopt,sondern sein Tier, das für ihn siegen soll.Professor Dr. Fritz Rupert Ungemach,Direktor des Instituts für Pharmakologie,Pharmazie und Toxikologie an der Veteri-närmedizinischen Fakultät, setzte sich aufdem 4. Leipziger Tierärztekongress mitdiesem Thema auseinander.Doping von Pferden zur Beeinflussung derLeistungsfähigkeit wurde schon im antikenRom betrieben und ertappte Dopingsünderwurden damals noch gekreuzigt. Die ältes-ten Dopingbestimmungen in Deutschlandstammen aus dem Jahr 1881, als es unterStrafe verboten wurde, „feigen“ Pferdenvor dem Rennen alkoholische Getränke zuverabreichen. In den letzten Jahrzehntenwurden in Folge der Entwicklung immerwirksamerer Arzneimittel die Doping-methoden im Pferdesport verfeinert, aberauch die analytischen Nachweismethodenstark verbessert. Dadurch konnten vieleDopingfälle vor allem im Galopp-, Trab-rennsport und im Springreiten aufgedecktwerden. Einer der spektakulärsten Fälle inletzter Zeit führte bei den OlympischenSommerspielen 2004 in Athen zur Aber-kennung der Goldmedaille für einenSpringreiter aus der deutschen Equipe. DerAnteil positiver Befunde im Pferdedopingschwankte in den letzten zehn Jahren ohnesteigende Tendenz zwischen 0,2 und 1,2Prozent von allen entnommenen Doping-proben.Das Dopingverbot im Pferdesport beruhtnicht nur wie im Humansport auf demsportethischen Grundsatz der Verhinde-rung einer unlauteren Beeinflussung einesfairen Wettkampfs, sondern insbesondereauch auf dem Tierschutzgedanken. Dopingvon Pferden ist ein Verstoß gegen das Tier-schutzgesetz, da den Tieren zum Zeitpunktdes Rennens Leistungen abverlangt wer-den, denen sie aufgrund ihres augenblick-lichen Körperzustands nicht gewachsensind und den Tieren dadurch anhaltende

Leiden und Schmerzen zugefügt werdenkönnen.Zum Doping von Pferden werden häufigandere Wirkstoffe als im Humansport ver-wendet und die Liste verbotener Stoffe imPferdesport ist deutlich länger. Die im Hu-mansport verbreitete illegale AnwendungTestosteron-ähnlicher Anabolika findetauch in einigen Pferderennsportarten statt,während die jüngst im Rad- und im Ski-sport aufgedeckten Methoden des Blut-dopings oder der EPO-Anwendung beiPferden nicht den erwünschten Effekt ha-ben. Auch Pferden werden Stimulanziendirekt vor dem Rennen verabreicht, wobeijedoch hierfür häufig andere Mittel zur An-wendung kommen als bei Humansportlern,zum Beispiel bestimmte Morphin-ähnlicheSchmerzmittel, die bei Pferden einen meh-rere Stunden andauernden Bewegungs-drang auslösen, während diese Mittel beimMenschen gegenteilig wirken. Die am häu-figsten in Dopingproben nachgewiesenenMittel sind Schmerz-hemmende Stoffe, dieähnlich wie Aspirin wirken und zur Linde-rung von Gelenkschmerzen den Tieren vordem Rennen verabreicht werden. Dadurchsollen tierschutzwidrig häufig an Gelenk-

schäden leidende Pferde „rennfähig“ ge-macht werden.Ein Problem für den praktizierenden Tier-arzt stellen die strengen Dopingregelungenim Pferdesport dar. Danach dürfen sich ineiner Dopingprobe keine körperfremdenStoffe befinden (Nulltoleranz!). Das kannzur Folge haben, dass für unbestimmte Zeitvor dem Wettkampf mit Arzneimitteln be-handelte Pferde bei der Dopingkontrolleauffallen können, obwohl kein absicht-liches Doping erfolgte. So soll in dem er-wähnten Dopingfall in Athen 2004 die Ver-abreichung einer Cortisonsalbe auf eineverletzte Hautstelle des Springpferdes un-absichtlich zum positiven Dopingbefundgeführt haben. Untersuchungen an derUniversität Leipzig haben indes gezeigt,dass bereits eine solche lokale Behandlungnicht nur zu messbaren Wirkstoffmengenin der Dopingprobe (Harn oder Blut) führt,sondern auch im Körper von Pferden ein-deutige Wirkungen hervorrufen kann, dieim Sinne einer Leistungssteigerung zumTragen kommen. Dies zeigt, wie schmalder Grat für den Tierarzt zwischen notwen-diger Therapie und möglichem Doping beider Behandlung von Sportpferden ist.

Heft 2/2008 17

Forschung

Ertappt und gekreuzigtStudie zeigt: Schmaler Grat zwischen Behandlungund Doping im Pferdesport

Zwischen Therapie und Doping gibt es im Pferdesport einen schmalen Grat.Foto: pixelio.de

Page 19: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

UniCentral

Zur Entwicklung neuer Handlungsansätzein der Stadtentwicklung sucht Leipzig tra-ditionell die Kooperation mit europäischenPartnern. Dieser Strategie folgend, warbdas Amt für Stadterneuerung und Woh-nungsbauförderung (ASW) mit dem Be-trachtungsgebiet Leipziger Osten die Teil-nahme am EU-Forschungsprojekt Com-plex Urban Investment Tools (CoUrbIT)ein. Mit der wissenschaftlichen Projektbe-gleitung beauftragte das ASW das Teamvon Frau Prof. Dr. Silke Weidner vom ISBder Universität Leipzig, dem Nadja Riedel,Jan Schaaf und Jens Gerhardt angehören,bis Ende Mai 2008.Der Leadpartner, die Bocconi UniversitätMailand/Department Public Ma-nagement and Policy, widmet dasEU-Projekt der Fragestellung,welche Public-Private-Partnership(PPP)-Modelle aus dem Hoch-baubereich auf die Stadtentwick-lung übertragen werden könnenund angepasst werden müssen.Leipzig bringt in diesen For-schungsgegenstand die im Leip-ziger Osten verorteten ProjekteGründerzeit erleben und Interna-tionales Quartier als Pilotprojekteein, die partnerschaftlich von deröffentlichen Hand und der Privat-wirtschaft umgesetzt werden sol-len.Für den Leadpartner stellt dieQualität dieser Kooperation einen wichti-gen Faktor im Städtewettbewerb dar. Sieentscheidet mit darüber, ob es den Städtengelingt, sich der Dynamik des urbanenTransformationsprozesses anzupassen. Mitgezielten Interventionen wie der Revitali-sierung und Regeneration von städtischenRäumen, kann auf diese Veränderungenreagiert werden. Die Durchführbarkeit vonMaßnahmen dieser Art wird auf Grund derangestrengten kommunalen Haushaltslagezukünftig verstärkt von der Bindung priva-ten Ideen- und Finanzkapitals abhängen.

Der Leipziger Osten weist einen für Leip-zig überdurchschnittlich hohen Anteil vonBewohnern mit Migrationshintergrund vonzirka 15 Prozent (2006) auf. Die viel-schichtige ethnische Ökonomie in diesemStadtteil wurde als Standortvorteil erkanntund in dem Pilotprojekt InternationalesQuartier aufgegriffen. In einem Blockbzw. alternativ entlang der Eisenbahn-straße sollen hochwertige mulikulturelleEinzelhandels- und Gastronomieangebote,sowie Dienstleistungen in einem Zentrumzusammengefasst werden. Es ist beabsich-tigt, auf diese Weise einen quartiersüber-greifenden neuen Anziehungspunkt zuschaffen, der mit einem positiven Image

über den Leipziger Osten ausstrahlt undeine neue Kundschaft generiert.Der Kernidee des Projektes Gründerzeiterleben nach, soll die Hedwigstraße alsSchauhandwerksstraße zu einer neuen Tou-ristendestination aufgewertet werden. DieBesucher bekommen so die Gelegenheit,die Ausübung des traditionellen Hand-werks der Gründerzeit an diesem Ort ins-zeniert zu erleben und in Handarbeit her-gestellte Produkte zu erwerben.Worin besteht das PPP-Modell in diesenPilotprojekten? Klassischen PPP-Lösun-

gen im Hochbau sehen vor, dass die Privat-wirtschaft zumeist Gebäude errichtetund/oder betreibt; die öffentliche Handaber als Nutzer dieser Gebäude auftritt. ImFall der PPP-Vorhaben des Leipziger Os-tens kehrt sich diese Beziehung um. DieStadt stellt attraktive Rahmenbedingungenfür private Nutzer her. Sie geht in die Vor-leistungsposition, stößt Akteursgesprächean, sichert Subventionen sowie Investitio-nen zu und beteiligt sich in Projektgesell-schaften. Die Privatwirtschaft soll dies zueigenen Investitionen zur Aktivierung desStandortes bewegen. Die gemeinsamenProjektziele werden von beiden Partnernvertraglich vereinbart.

Eine konkrete Vorleistung derStadt kann darin bestehen, daszentrale Management beider Pilot-projekte zu übernehmen. DieseInstitution soll zunächst Projekt-partner gewinnen und sie später ineiner Dachgesellschaft koordinie-ren. Nach Abschluss der Einfüh-rungsphase wird dieser Part in dieprivatwirtschaftliche Verantwor-tung überführt.Beide Pilotprojekte werden aktu-ell in Machbarkeitsstudien sowiein der Öffentlichkeitsarbeit aufihre Realisierbarkeit geprüft. DieStadt führte bereits zahlreiche in-formelle Gespräche mit privatenAkteuren durch und berücksich-

tigte deren Anforderungsprofile. DieseModerationsfunktion verlangt der Stadteine erhebliche Ausdauer auf Grund sichoft ändernder Akteurskonstellationen undRahmenbedingungen ab. Das nachhaltigeGlobalziel der Pilotprojekte, die Unterstüt-zung der Stabilisierung des LeipzigerOstens, rechtfertigt diesen langen Atem.Mit dem Gelingen von Gründerzeit erlebenund dem Internationales Quartier kannLeipzig mit neuen Leuchttürmen auf die-sem herausforderungsvollen Stadtentwick-lungsterrain aufwarten.

18 journal

Der Leipziger Osten imeuropäischen DiskursPublic-Private-Partnership in der StadtentwicklungVon Jens Gerhardt und Jun.-Prof. Dr. Silke Weidner, Institut für Stadtentwicklung und Bauwirtschaft (ISB)

Einblick in die Hedwigstraße/Leipziger Osten. Foto: ISB

Page 20: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

Die frühen Sprachkarten, für die GeorgWenker Ende des 19. Jahrhunderts in über40 000 Schulorten des deutschen Reichesschriftliche Übersetzungen in die Mundartgesammelt hatte, dokumentieren die Son-derstellung vieler Städte im sprachlichenRaum. Zum Beispiel zeigen Berlin und dienähere Umgebung sprachliche Formen, diesonst erst weiter südlich oder in der Schrift-sprache gelten: uf statt up ,auf‘, och statt ok,auch‘; mir statt mi / mei ,mich/mir‘; hin-ten statt hingen / hinnen usw. (Die 1668handgezeichneten Karten sind heute aufwww.diwa.info einzusehen).Städte zeigen durch die Einwohnerzahl eingrößeres Variantenspektrum als Dörfer.Diese Variation hat in den letzen Jahr-zehnten Interesse geweckt, nachdem dieSprachwissenschaft die Städte lange ver-nachlässigt oder gar als Störfaktor wahr-genommen hatte. Schließlich interessiertesich die Dialektologie lange (nur) für dieSprachform der alten, nicht mobilen Spre-cher. Variation war in diesem Konzeptnicht vorgesehen. In den Städten, wohindie Leute der Umgebung zur Arbeit hinzie-hen, wo Händler Produkte von weit herbringen, wo sich Gelehrte treffen, wo In-dustrie, Banken und Medienunternehmenzu Hause sind, da war und ist diese einheit-liche, traditionelle Mundart schon langenicht mehr zu finden. Vielmehr werden inder Stadt unterschiedliche Dialekte undSprachen neben- und miteinander verwen-det.

Die Erforschung der Stadtsprachen vonHamburg, Berlin, Frankfurt, Mainz, Witt-lich, Mannheim, Konstanz, Basel, Bern,Wien und vielen mehr hat deutlich ge-macht, dass es die Sprache der Stadt nichtgibt, und auch nicht die Sprachsituation derStadt. Jede Untersuchung zeigt spezifischeFormen, die einerseits im Fokus des jewei-ligen Forschungsinteresses liegen, anderer-seits aber auch spezifisch für die jeweiligeStadt sind.In deutschen und österreichischen Städtensind standardsprachnähere Formen übli-cher als in der Umgebung; in der Schweiz,wo die Mundarten noch allgemeine Gültig-keit haben, sind auch die städtischen Varie-täten Dialekte. Damit ist die Sprache derStadt von der regionalen und nationalenSprachpragmatik abhängig. In der Stadtverschmelzen Dialekte der Umgebung zuneuen Varietäten, und es finden sich städ-tische Sonderformen, die im Umland nichtvorkommen. Während also standard-sprachlich heiß im Mittelbairischen alshoaß wiedergegeben wird, so heißt es inWien haaß. Häufig markieren Dialektfor-men, die in der Umgebung räumlichgetrennt vorkommen, in der Stadt einesoziale Schichtung. So gilt nordwestlichder Stadt Bern mer gange ,wir gehen‘,nordöstlich gilt mer göö, südlich mer gaa.In der Stadt selbst hatte sich mer gange alsoberschichtssprachlich gegenüber demmer göö / mer gaa der Mittel- und Unter-schicht durchgesetzt.

Durch den höheren Migrantenanteil kannauch das Neben- bzw. Miteinander vonDeutsch und Immigrantensprachen alsstädtisch gelten. Code-Switching (Wechselder Sprachen innerhalb der Kommuni-kation) und Code-Mixing (Mischung derbeiden Grammatiken) stellen einen Teil derIdentität der zweiten und dritten Immigran-tengeneration dar. Dabei kann dieseSprachmischung auf mangelnde Deutsch-kenntnisse hinweisen, gleichzeitig aberauch auf eine Kompetenz in mehrerenSprachen und die Möglichkeit, verschie-dene Sprachen situativ und kommunikativzu nutzen. Mehrere Arbeiten zeigen denEinfluss dieser Mischformen, die beideutschsprachigen Jugendlichen ein ver-decktes Prestige haben.Die Sprache der Stadt gibt es also nicht, in-teressant ist die Verwendung verschiedenerVarietäten in unterschiedlichen Situatio-nen. Da es für Leipzig noch keine solcheStudie gibt, wird jetzt ein Stadtsprachense-minar durchgeführt, welches ein größeresProjekt zu den Sprachen in Leipzig vorbe-reiten soll.

Dr. Beat Siebenhaar wird zum Sommer-semester 2008 zum Professor für Germa-nistische Linguistik mit SchwerpunktVarie-tätenlinguistik am Institut für Germanistikder Philologischen Fakultät der Universi-tät Leipzig ernannt. Vorher lehrte er am In-stitut für Germanistik und am Institut fürSprachwissenschaft der Universität Bern.

UniCentral

Die Sprachen der StädteLinguistik entdeckt die Stadt als ForschungsthemaVon Dr. Beat Siebenhaar, Institut für Germanistik

Die Großstadt ist flüchtig, Dialekte verschmelzen. Foto: Woitas

Page 21: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

UniCentral

Leipzig und Brünn sind Partnerstädte,doch sie verbindet weit mehr als das. BeideKommunen haben beziehungsweise hattenmit Bevölkerungsrückgang und seinenAuswirkungen zu kämpfen. Der Verlustvon rund 90 000 Einwohnern seit 1989führte in Leipzig, verstärkt noch durch diestaatliche Förderung von Neubauten undSanierungen, zu massiven Wohnungsleer-ständen, welche in einigen Stadtteilen zeit-weise über 30 Prozent betrugen. Nebendem Leerstandsproblem ist auch die ver-ringerte Nutzung der technischen Infra-struktur, beispielsweise im Trink- und Ab-wassersystem problematisch.Diese Unterauslastung, die durch den all-gemein sinkenden Wasserverbrauch zu-sätzlich angestiegen ist, bedingt zusätz-liche Kosten, da die Leitungen mit Trink-wasser zusätzlich gespült werden müssen.Im Extremfall kann Bevölkerungsrück-gang zu einem Zusammenbrechen der Ver-und Entsorgungsnetze führen. Auch dieNachfrage nach sozialer Infrastruktur än-dert sich. Durch die geringere Anzahl anKindern und Jugendlichen müssen Schulenund Freizeiteinrichtungen geschlossenoder zusammengelegt werden.mWie Leipzig mit diesem und anderen Pro-blemen umgeht, konnten deutsche undtschechische Wissenschaftler, Vertreterbeider Städte und Studenten der Geogra-phie, Politikwissenschaft, Soziologie undArchitektur in einer Exkursion erleben. Fürdie Tschechen stellten die Abriss- undRückbaumaßnahmen im durch industriel-len Wohnbau geprägten Grünau interes-sante und neue Ansätze dar, deren Umset-zung in Brünn allerdings noch nicht not-wendig ist, da in der tschechischen Stadtdie Plattenbausiedlungen nicht zu den Pro-blemgebieten zählen. Überhaupt muss andieser Stelle erwähnt werden, dass derStadt Brünn das Leerstandsproblem, ausdem heraus die Leipziger Abrisse erwach-sen, nicht bekannt ist. Brünn und Leipzigunterscheiden sich bezüglich des Bevölke-

rungsrückgangs sowohl in ihren Ursachenals auch in der zeitlichen Ausprägung. InLeipzig sind die Abwanderung in prospe-rierende Regionen der alten BundesländerAnfang der 1990er ebenso ursächlich, wieSuburbanisierungsprozesse und eine nega-tive natürliche Bevölkerungsentwicklung,die durch weniger Geburten- als Sterbe-fälle gekennzeichnet ist.Die Abwanderung in andere Regionenspielt in der zweitgrößten Stadt der Tsche-chischen Republik aber nur eine unterge-ordnete Rolle. Ein wissenschaftlicherMitarbeiter der Masaryk-Universität ver-deutlichte, dass der seit 1994 andauerndeBevölkerungsrückgang von rund 24 000Menschen auf die negative natürliche Be-völkerungsentwicklung und seit 2000 ver-stärkt auf die Suburbanisierung zurück-zuführen ist. Hier zeigt sich, dass Brünn,obwohl nur um 130 000 Einwohner kleinerals Leipzig, anteilsmäßig viel weniger Ein-wohner verloren hat. Außerdem setzte die

Suburbanisierung rund fünf Jahre späterein als in Ostsdeutschland. Zusätzlich un-terscheidet sich der Wohnungsmarkt in denbeiden Partnerstädten. In Brünn ist dieserviel stärker reguliert und in einem großenMarktsegment herrscht Mietpreisbindungvor. Anstelle von Leerstand wie in Leipzig,herrscht dort Wohnungsmangel. DieWohnfläche pro Kopf in Brünn ist mit un-ter 20 Quadratmeter weniger als halb sogroß wie in Deutschland. Der Bevölke-rungsrückgang wirkt sich somit bisher –ganz im Gegensatz zu Leipzig – entspan-nend auf den Wohnungsmarkt aus.Brünn versucht die Wohngebiete weiterzu verdichten und alte Brachflächen fürWohngebäude zu nutzen. Leipzig fördert indiesem Bereich eher Grünflächen oder an-dere Zwischennutzungsmöglichkeiten. DieExkursion nach Brünn zeigte den geringe-ren Wohnungsleerstand. Bei der Mischnut-zung von Wohnen und Industrie lauten dieProbleme Industriebrachen und Umwelt-belastung. Daraus resultieren eine geringeWohnqualität und ein belastetes Wohnum-feld.Um die negativen Auswirkungen der Sub-urbanisierung, wie Verlust an Steuerein-nahmen und steigende Belastung der Ver-kehrsinfrastruktur zu verringern, versuchtder Magistrat in Brünn steuernd entgegenzu wirken, um so die Suburbanisierung derBevölkerung und des Gewerbes innerhalbder administrativen Stadtgrenze zu lenken.Obwohl Leipzig und Brünn ähnliche Ent-wicklungen wie demographischen Wandel,Suburbanisierung und Bevölkerungsrück-gang erlebt haben, werden unterschied-liche planerische Strategien verfolgt. DaLeipzig aufgrund der zeitiger einsetzendenStadt-Umland-Wanderungen und des grö-ßeren Einwohnerrückgangs Brünn in die-ser Hinsicht um einige Jahre in der Ent-wicklung voraus ist, ist es vorstellbar, dasserfolgreiche und wirksame Leipziger An-sätze in Zukunft auch in Brünn angewandtwerden.

20 journal

Bevölkerungsschwund alsChance für die Stadtplanung?Interdisziplinärer Workshop in Leipzig und BrünnVon Andreas Maas und Frank Meier (Institut für Geographie) sowie Ulrike Bergner (Institut für Politikwissenschaften)

Der Abriss von Wohnblocks wie inGrünau ist in Brünn noch nicht notwen-dig, da Plattenbausiedlungen in dertschechischen Stadt nicht zu den Pro-blemgebieten zählen. Foto: Bergner

Page 22: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

Im oft tristen Grau in Grau der Großstadtholen sich viele Menschen mit einem exo-tischen Heimtier etwas Abwechslung insHaus. Die Anzahl an Reptilien und Amphi-bien in deutschen Haushalten steigt stetig.Schätzungsweise existieren 400 000 Terra-rien in Deutschland, wobei die Dunkelzif-fer wahrscheinlich deutlich höher liegt.Etwa 700 Reptilienhalter aus Leipzig undder Umgebung suchen jedes Jahr die Kli-nik für Vögel und Reptilien der UniversitätLeipzig auf, mit kranken Patienten oderzum Routine-Check.Neben verantwortungsbewussten und en-gagierten Reptilienhaltern gibt es aberauch viele „schwarze Schafe“, die die Tiereaus Unwissenheit oder sogar Profitgiervöllig falschen Haltungsbedingungen aus-setzen. Exotische Haustiere, wie Reptilienund Amphibien, stellen schließlich grund-legend andere Anforderungen an die Hal-tung als herkömmliche Heimtiere wieMeerschweinchen oder Kaninchen.Nicht selten werden beispielsweise Land-schildkröten frei im Wohnzimmer auf demTeppichboden gehalten, einseitig mitHackfleisch ernährt oder fallen anderenHaustieren zum Opfer. Vielen Haltern ist esdabei nicht bewusst, dass gerade Land-schildkröten unter den Reptilien besondersanspruchsvoll sind und speziell eingerich-tete Terrarien oder eine Freilandanlage im

Sommer benötigen. Häufig werden danndeformierte Tiere mit weichem Panzer inunserer Klinik vorgestellt, die dem Besit-zer lediglich durch Fressunlust aufgefallensind. Glück im Unglück haben diese Pa-tienten dann, wenn sie rechtzeitig zu einemreptilienkundigen Tierarzt gebracht werdenund die Besitzer bereit sind, die Haltung zuoptimieren und sich mit den Bedürfnissenihres Schützlings vertraut zu machen.Das andere Extrem stellen einige Schlan-genhalter dar. Vor allem großwüchsigeWürgeschlangen, wie der Tigerpython oderder Netzpython, müssen zum Teil als Pres-tige-Objekt herhalten oder werden in vielzu kleinen Terrarien, die nicht ausreichendbeheizt sind, gehalten. Oftmals entwickelndie Tiere dann Lungenentzündungen, de-ren Symptome oft erst im Endstadium zuTage treten. Auch Verbrennungen oderVerletzungen durch lebende Futtertiereoder ungeeignete Terrarieneinrichtung sindkeine Seltenheit. Doch auch hier gibt eszum Glück viele verantwortungsbewussteHalter, die auf die Gesundheit der Tiereachten und die Beratungen durch den Tier-arzt in Anspruch nehmen.Ein weiteres Problem in der Terraristik stel-len beispielsweise Grüne Leguane, aberauch viele Schmuckschildkrötenarten, dar,die als sehr kleine und niedliche Jungtiereim Zoohandel angeboten werden, aber eine

adäquate Beratung der Halter über die End-größe der Tiere und die entsprechendenHaltungsanforderungen meist unterbleibt.Werden die Tiere dann zu groß, vegetierensie oft in viel zu kleinen Terrarien dahinoder werden einfach ausgesetzt. DiesesSchicksal musste möglicherweise aucheine herrenlose Wasserschildkröte erlei-den, die zurzeit in der Klinik für Vögel undReptilien betreut wird. Es handelt sichhierbei um eine männliche Hieroglyphen-Schmuckschildkröte (Pseudemys concinnaconcinna), die im Februar aufgefundenwurde. Sie ist entweder ausgebrochen oderwurde einfach ausgesetzt. Wäre sie nicht soschnell gefunden worden, hätte sie in die-ser Jahreszeit nicht lange überlebt. Leiderwar sie schon so schwer verletzt, dass einVorderbein amputiert werden musste. Nunsuchen wir nach dem Besitzer oder nacheinem schönen neuen Zuhause für die le-bensfrohe Wasserschildkröte. Bei Interessewenden Sie sich bitte an unsere Klinik.Zu guter Letzt möchten wir alle Reptilien-halter aufrufen, sich vor der Anschaffungausführlich über die Haltungsbedingungenihrer Art zu informieren und sich nicht zuscheuen, bei Problemen einen reptilien-kundigen Tierarzt zu Rate zu ziehen. Da-durch könnte vielen Erkrankungen vorge-beugt werden und dem Tier würde ein art-gerechtes Leben ermöglicht.

Heft 2/2008 21

Exoten in der StadtNicht nur Reptilienhalter agieren häufig fahrlässigVon Maria Hänse, Klinik für Vögel und Reptilien

Foto: Jan Woitas

Page 23: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

UniCentral

Sie werden Burgwall, Höhenburg, Befesti-gungsanlage, Heidenschanze oder Ring-wall genannt – die Vielfalt der termini zurBezeichnung vor- und frühgeschichtlicherbefestigter Siedlungsplätze ist so groß wiedie Traditionen ihrer Erforschung vielfältigsind. In allen Kulturlandschaften Europassind diese teilweise komplexen Baustruk-turen nachzuweisen, viele von ihnen sindnoch in beeindruckendem Ausmaß ober-tägig sichtbar und sie gelten seit je als dasRückrat der archäologischen Forschung.Die prominenteste Gruppe bilden die Op-pida, die den „Kelten“ zugewiesenen be-festigten Siedlungen der späten vorrömi-schen Eisenzeit in Mittel- und Westeuropa.Seit 1995 nimmt die Leipziger Professurdurch die Teilnahme an der archäologi-schen Untersuchung des keltischen Bi-bracte – Mont Beuvray aktiven Anteil ander Erforschung des Phänomens der Op-pida.Parallel dazu entwickelte sich seit Ende der1990er Jahre aus der Mitarbeit am SFB 417„Regionenbezogene Identifikationspro-zesse. Das Beispiel Sachsen“ die Wissen-schaftsgeschichte der Archäologie als einweiterer Forschungsschwerpunkt der Leip-ziger Professur. In zwei Projekten unter derLeitung der Lehrstuhlinhaberin Prof. Dr.Sabine Rieckhoff werden derzeit die bei-den wesentlichen Elemente archäologi-

scher Forschung untersucht – das Ausgra-ben und das Sammeln. Im Leipziger Teil-projekt des von der EU im Rahmen desCulture 2000-Programms geförderteneuropaweiten Forschungsnetzwerkes zurGeschichte der Archäologie (Archives ofEuropean Archaeology/AREA) wird dieGeschichte archäologischer Sammlungenim 19. und 20. Jh. aufgearbeitet (F. Kreien-brink, M.A.).Die Geschichte archäologischer Ausgra-bungsmethoden, vor allem aber die gesell-schaftliche Einbindung von Archäologiesteht seit nunmehr zwei Jahren im Mittel-punkt des von der DFG geförderten Projek-tes „Die Burgwallforschung in Sachsenund Ostmitteleuropa von 1927 bis 1995.Zielsetzungen und Methoden der Archäo-logie im 20. Jahrhundert“ (S. Grunwald,M.A./K. Reichenbach, M.A.).In den drei Untersuchungsregionen desProjektes, Sachsen, Schlesien und Böh-men, gilt die Burgwallforschung seit dem19. Jahrhundert als zentrale Quelle für Fra-gen nach der gesellschaftlichen und politi-schen Struktur ur- und frühgeschichtlicherKulturen und hat daher vorrangig zurRekonstruktion politischer beziehungs-weise „völkischer“ Geschichte gedient. ImMittelpunkt der Studie stehen daher dieInterpretationsmuster der Burgwallfor-schung, die über die politischen Umbrüche

des 20. Jahrhunderts hinweg beobachtetwerden, um Traditionen und Zäsuren in derBurgwallforschung darzustellen. Die Ak-teure der Forschung, d. h. sowohl die ein-zelnen Archäologen als auch größere For-schungsinstitutionen sowie Einrichtungender Forschungsförderung, sind inzwischenerfasst und in Hinblick auf ihre Konzepteund Ziele analysiert worden. Eine vorran-gige Frage dabei ist, in welchem Umfangmit der Burgwallforschung politisch argu-mentiert worden ist und wo diese dazu ge-dient hat, historische Raumordnungen zukonstruieren.Zu den wichtigsten Ergebnissen des Pro-jektes zählt bislang, dass in der Zeit bis1945 die Wertschätzung durch die Regio-nalpolitik entscheidend war für diefinanzielle Ausstattung sowie den juristi-schen Rückhalt der staatlichen Boden-denkmalpflege und damit der Haupt-akteure archäologischer Burgwallfor-schung. Während der Archäologie inSchlesien größere Aufmerksamkeit gewid-met wurde, standen die sächsische Boden-denkmalpflege und mit ihr die Wallan-lagenforschung im Schatten der Baudenk-malpflege. Die politischen Zäsuren des20. Jahrhunderts nahmen kaum Einflussauf Anzahl und Umfang von Burgwallgra-bungen, veränderten aber die Erwartung andie Untersuchung der Anlagen und derenInterpretation. Am Beispiel des Burgwallsvon Nimptsch/Niemcza in Niederschlesienkonnte aufgezeigt werden, wie sehr ge-schichtspolitische Diskurse auch die Inter-pretation von Grabungsbefunden beein-flussen können. Hier ergrub man mit staat-licher Finanzierung vor 1945 vermeint-liche Hinweise auf eine germanischeKontinuität, während die seit 1950 nun vonpolnischer Seite weiter geführten Grabun-gen im Rahmen des polnischen Mille-niumsprojekts eine slawische Besiedlungs-kontinuität nachzuweisen suchten.In Kenntnis solcher Zusammenhänge, sodas Fazit aus der bisherigen Projektarbeit,können wissenschaftsgeschichtliche Ar-beiten den Anstoß zu methodenkritischenReflektionen und somit neue Impulse füraktuelle Forschungen geben.

Susanne Grunwald undKarin Reichenbach,

Professur für Ur- und Frühgeschichte mitSammlung Ur- und Frühgeschichte

22 journal

Zwischenbilanz des Leipziger Projektes zur Wissenschaftsgeschichte der ArchäologieVon Burgwällen, Wissenschaftlern und Politikern

Luftbildaufnahme des Ortes Nimptsch/Niemcza, wo in den 1930er Jahren und1950–1978 umfangreiche Burgwallgrabungen stattfanden.

Quelle: Jomsburg 1, 1937, Tafel II.

Page 24: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

Stadtgeschichtliche Untersuchungen ‚spie-len‘ nur selten in Städten: viel eher inabstrakten Projektionen ihrer demographi-schen oder wirtschaftlichen Entwicklungs-parameter, in Strukturbeschreibungen vonÖffentlichkeit, in Analysen von Differenz-bildung und Konfliktregelung. Aber warendie realen Städte nur zufällige Schauplätze,prägten sie nicht das Selbstverständnis derBewohner und die Außenwahrnehmungdes Gemeinwesens, hatten sie nicht auchhandlungsleitende Potentiale? Dass gestal-tete Stadtgrundrisse nicht nur praktischenund ökonomischen Anforderungen Ge-nüge tun, sondern auch Gesellschaftsent-würfe und Herrschaftsverhältnisse, sozialeWerteordnungen abbilden und festzu-schreiben trachten, ist ein Gemeinplatz.Normative Theorien und – vor allem fürdas 19. und 20. Jahrhundert überlieferte –Debatten ermöglichen es, ikonographischeValenzen stadträumlicher Figurationen inVerbindung mit der ihnen zugeordnetenArchitektur zu rekonstruieren und so ei-nem ‚kulturellen Gedächtnis‘ der Urbanis-tik auf die Spur zu kommen. Der ‚spatialturn‘, angeregt von der Raumsoziologie,hat dieses Arbeitsfeld auch in der Kunstge-schichte neu inspiriert und der Adaptionmethodischer Ansätze aus Nachbardiszip-linen wie der Semiotik oder der histori-schen Diskursanalyse Impulse gegeben.

Monarchie und Bürgertumspiegeln sich in derStadtplanung wider

Spätestens im 19. Jahrhundert wurde nichtzuletzt die Gestaltung urbaner Räume zurProjektionsfläche konkurrierender An-sprüche und damit auch zum Gegenstandvon Interessenkonflikten und politischenRivalitäten. Wurden Städte modernisiert,kam der Entscheidung zwischen schnurge-raden Avenuen und einem Ringboulevard,zwischen der monumentalisierenden Ein-

zelstellung von Herrschaft repräsentieren-den oder öffentlichen Bauten und ihrerAnordnung in der Zeile weitaus mehr alsinfrastrukturelle und ästhetische Bedeu-tung zu: Vor dem Hintergrund des ‚ikono-graphischen Gedächtnisses‘ der Urbanistikwurden so Aktionsräume für einzelne so-ziale Gruppen definiert und mit Sinn- undRangzuweisungen belegt. Am BeispielWiens etwa lässt sich plastisch beobachten,wie die Stadtgestalt dem Druck auf Parti-zipation des Großbürgertums angepasstwurde und wie sich die mit politischenKonjunkturen wechselnden Gewichte vonMonarchie und bürgerlicher Gesellschaftprompt in der Stadtplanung niederschlu-gen. Gerade die Habsburgermonarchie mitihren nationalen Autonomiebewegungenist ein Lehrstück dafür, wie stadträumlicheMotive zum symbolischen Diskursmediumeiner Widersetzlichkeit avancieren konn-ten, die auf der politischen Bühne nichtoffen artikuliert wurde: So zitierte man inBudapest oder Prag den Stadtumbau von

Paris als Gegenmodell zu dem von Wienvorgegebenen, mitsamt den zivilgesell-schaftlichen Konnotationen, mit denenNapoleons III. Paris aufgeladen wordenwar.

Kunst in der Gesellschaft

Diese semantischen Felder städtebaulicherMotive und ihre Dynamik im Zuge sozia-ler, politischer und kultureller Veränderun-gen gilt es unter Auswertung auch unge-wohnter Quellengattungen zu rekonstruie-ren und vor allem auf ihre Wirkungspoten-tiale hin systematisch zu untersuchen. Sokann man sich – über die Entstehungskon-texte hinaus – der Frage nähern, wie Kunstin der Gesellschaft ‚funktioniert‘: wie siemit anderen das Lebensumfeld gestalten-den Medien ‚zusammenspielt‘, wie tief siein Perzeption und Verhaltensmodi ver-schiedener gesellschaftlicher Gruppendurchdringt und wie weit ihr ‚Gedächtnis‘,die Nachhaltigkeit ihrer Prägekraft reicht.

Heft 2/2008 23

UniCentral

Urbane Topographien undsymbolische PolitikTransdisziplinäres Arbeitsfeld der KunstgeschichteVon Michaela Marek, Institut für Kunstgeschichte

In Prag wurde der Stadtumbau von Paris zitiert, wie die Aufnahme vom Wenzels-platz (um 1900) verdeutlicht. Repro: Institut

Page 25: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

UniCentral | Studiosi

Seit es Metropolen gibt, finden die damitverbundenen sich ständig wandelnden Per-spektiven auf die Lebenswirklichkeit man-nigfaltigen Niederschlag, besonders in derGroßstadtdichtung. Die komplexen Zu-sammenhänge urbaner Lebensräume hatdie Literaturwissenschaft immer wiederunter den Begriff „Mythos“ gefasst und da-mit die literarische Stilisierung vor allemder europäischen Metropolen (Rom, Paris,London, Berlin) analysiert. Doch ist dieMythisierung kein Exklusivrecht derGroßstadt: Auch die Provinz mit ihrenKleinstädten und Dörfern hat das Zeugdazu. Die Wechselwirkungen, in denenreale Lebensverhältnisse und Literatur dieVorstellungen von Provinzialismus undUrbanität bilden, sind das Thema eines so-eben erschienenen Sammelbandes, der vonProf. Dr. Dieter Burdorf (Institut für Ger-manistik der Universität Leipzig) zusam-men mit Prof. Dr. Stefan Matuschek (Uni-versität Jena) herausgegeben wurde.Die Literaturwissenschaft hat Provinz undMetropole bislang als getrennte Diskus-sionsfelder behandelt. Die Frage, wie lite-rarische Werke den Kontrast oder das Ne-

beneinander dieser Lebensräume erfassenund davon geprägt sind, bleibt dabei unbe-antwortet. Hier setzt der Band an. Seine 20Beiträge behandeln literarische Zeugnisse,die nicht Regionalismus oder Urbanität jefür sich, sondern die das Verhältnis vonbeiden in den Blick rücken. Wie wird Lite-ratur von diesem Verhältnis bestimmt, wiestellt sie es ihrerseits dar, wie kommentiertoder deutet sie es?Durch seine historische Breite (vom18. Jahrhundert bis zur Gegenwart) unddurch seine nationalliterarische Vielfalt(Deutschland, Frankreich, England, USA,Russland, Südafrika) zeigt der Sammel-band dabei auch die zeitliche und die poli-tisch-kulturräumliche Dimension seinesThemas.Neben der Entdeckung prägnanter und fürihre Zeit und ihren Ort repräsentativerWerke werden auch bekannte Texte (etwaaus dem Kontext Weimar – Jena um 1800)unter ganz neuem Aspekt erschlossen.Erstmalig wird systematisch und in histo-rischer und komparatistischer Breite nachdem Verhältnis von Provinz und Metropolein der Literatur gefragt. r.

Dieter Burdorf, Stefan Matuschek (Hg.):Provinz und Metropole. ZumVerhältnis vonRegionalismus und Urbanität in der Lite-ratur.Universitätsverlag Winter,Heidelberg 2008,420 Seiten,ISBN 978-3-8253-5429-9.

24 journal

Sammelband zum Verhältnis von Regionalismus undUrbanität in der LiteraturProvinz und Metropole

Die Promotionsförderung der Studienstiftung des deutschen Volkes –Drei Stipendiaten berichten über ihre ErfahrungenRundum-sorglos-Paket für Nachwuchswissenschaftler

Ende der Einsamkeit?Ohne Moos nix los? Neben der Wahl desThemas und des Betreuers stellt die Finan-zierung der Doktorarbeit eine zusätzliche,nicht unwesentliche Hürde dar.Welche Modelle gibt es, diese Hürde zuüberwinden? Neben der Anstellung alswissenschaftlicher Mitarbeiter an einerUniversität oder in einem Drittmittel-projekt, der Aufnahme in ein von der DFGgefördertes Graduiertenkolleg, bietet dasStipendium eine weitere Möglichkeit derFinanzierung. Eine Doktorarbeit brauchtviel Zeit. Ein Stipendium bildet die Grund-lage, sich zwei bis im Höchstfall drei Jahreausschließlich auf die eigene Arbeit kon-zentrieren zu können. Aktuell erhaltenPromotionsstipendiaten ein monatliches,steuerfreies Stipendium von 1.050 Euro.Dazu kommt eine so genannte monatlicheForschungskostenpauschale von 100 Euro.

Auch gemeinsame Opernbesuche gehören zum Programm. Von links: (vordereReihe) Frank Britsche, Sandro Wenzel, Katharina Spanel; (hintere Reihe) Andrea-Katharina Schmidt, John Heiker, Theresa Völker und Pascal Pilgram.

Foto: Heike Hüller

Page 26: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

Gegebenenfalls können Familien- undKinderbetreuungszuschläge gewährt wer-den. Im Fall des Sorgerechts für Kinderim Alter von bis zu 12 Jahren kann dieFörderung maximal um ein weiteres Jahrverlängert werden.Das hört sich gut an, aber wie bekommtman das Promotionsstipendium? Gibt eseinen Haken? Wie für die Grundförderungim Studium ist auch hier eine Selbstbewer-bung nicht möglich. Dem Vorschlag desBetreuers folgt im Regelfall zuerst die Ein-ladung, ein Formblatt auszufüllen. Nachpositiver Rückmeldung wird die Kandida-tin oder der Kanditat eingeladen, ihr odersein Exposé über das Promotionsprojekt,einen ausführlichen Lebenslauf und zweiStellungnahmen von Hochschullehrerneinzureichen. Schließlich muss die positiveBewertung durch zwei von der Studienstif-tung beauftragte unabhängige Gutachtereingeholt werden. Dabei handelt es sich umein Schriftgutachten und ein persönlichesGespräch. Für die ganze Prozedur sollteman Zeit einrechnen. Vom Vorschlag biszur Ab- oder Zusage kann durchaus einhalbes Jahr vergehen.Nun macht Geld allein bekanntlich nichtglücklich. Was wird also noch angeboten?Neben der finanziellen Förderung stellt das

ideelle Programm die zweite wichtigeSäule des Stipendiums dar. Es soll den Wegaus Stille und Einsamkeit der Promotionebnen. Eine wichtige Funktion kommt hierden Doktorandenforen zu. Auf Einladungder Studienstiftung treffen sich Promo-tionsstipendiaten unterschiedlichster Fach-richtungen zweimal im Jahr für ein paarTage, um ihre Themen vorstellen und dis-kutieren zu können. Die transdisziplinäreAusrichtung erweist sich dabei als äußerstgewinnbringend und spannend. Dabei lässtder stets intensiv und kontrovers geführtefachübergreifende Austausch immer auchPlatz für allgemeine Befindlichkeiten rundum den Arbeitsprozess einer Promotion.Zusätzlich werden die Stipendiaten beieigenen Initiativen unterstützt, beispiels-weise in der Organisation von Tagungen.Schließlich gibt es auch für sie das Ange-bot der Teilnahme an Sommerakademienund Sprachkursen.Ist die Promotionsförderung also ein Rund-um-sorglos-Paket? Natürlich muss die Ar-beit alleine geschrieben werden. Und nichterst die Endphase führt geradewegs in dieEinsamkeit. Aber es lässt sich gut arbeiten,wenn es etwas gibt, das dann und wannauch Räume jenseits der Stille schafft.

Pascal Pilgram, Doktorand am Institutfür Kulturwissenschaften, war von April

2005 bis Dezember 2007 Stipendiatin der Promotionsförderung der

Studienstiftung.

Ganz neue Herangehensweise

Als ich gerade mein Studium der Mathe-matik in Leipzig begonnen hatte, rief michmein alter Schuldirektor an und erzähltemir zum ersten mal von der Studienstif-tung. Er sagte, dass er mich vorgeschlagenhatte. Nach einem Auswahlwochenendewar ich kurz darauf aufgenommen. Es galtnun, die vielfältigen Angebote zu nutzen.mDer Jahrhundertsommer 2003 stand vorder Tür und ich fuhr auf meine erste Som-merakademie (und seitdem jedes Jahr!).Dort traf ich auf 150 Studenten aus allenFachrichtungen. Morgens kam man in Ar-beitsgruppen zusammen und nachmittags,abends (und auch nachts) wurde gewan-dert, gefeiert, geredet, gespielt, etc. Diesesintensive Zusammenkommen vieler inte-ressanter und verschiedener Menschen hatmich so begeistert, dass ich in den darauffolgenden Jahren zu weiteren vier Akade-mien gefahren bin. Die Arbeitsgruppen-themen reichten von Max Weber über ellip-

tische Kurven und Intelligenz bei Tierenbis zur Graphentheorie. Im Gegensatz zumUnialltag treffen sich hier Studenten ausverschiedenen Fachrichtungen, was eineganz andere Herangehensweise voraus-setzt.Das Angebot der Studienstiftung begrenztsich aber nicht ausschließlich auf ,Ferien-camps‘. Beispielsweise hat sie mich auchin den Vorbereitungen zu meinem Aus-landsstudienjahr in Bologna sehr unter-stützt. Durch die Finanzierung der Studien-gebühren und einem vorbereitendemSprachkurs musste ich nicht die bürokrati-schen Schritte des Erasmusprogrammesdurchgehen und konnte sehr frei entschei-den an welcher Uni ich mich einschreibenwollte. Im Verlaufe meines Jahres in Bo-logna wurde ich zudem zu einer ,Winter-akademie‘ nach Genf eingeladen, undneben mir sämtliche Studienstiftler, die ge-rade ebenfalls im Ausland studierten. Diesgab Anlass zum Austausch und eine wei-tere Gelegenheit im Rahmen eines kleinenWorkshops interdisziplinär zu arbeiten.Ich musste aber nicht immer weit reisen umin den Genuss des Angebotes zu kommen– auch hier in Leipzig bin ich Mitgliedeiner „lokalen Gruppe“ die immer wiederauf spannende (meist von Stipendiatenselbst organisierte) Veranstaltungen hin-weist.

Kai-Friederike OelbermannStudentin der Mathematik

9. Fachsemester

Heft 2/2008 25

Studiosi

Morgens Wissenschaft, nachmittagsWanderung, heißt es bei den Sommer-akademien der Studienstiftung. Vorn imBild: Stipendiatin Kai-Friederike Oelber-mann. Foto: privat

„Eigentliche Wissenschaft, so wurde unsklar, darf nicht ein bloßer think tank füraktuelle Probleme sein“, sagt StipendiatMartin Palauneck. Foto: privat

Page 27: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

Studiosi

Neu: Geisteswissenschaft-liches Kolleg

In den vergangenen beiden Jahren hatte ichdas Glück, am neu gegründeten geisteswis-senschaftlichen Kolleg der Studienstiftungteilnehmen zu dürfen – gewissermaßen alsVersuchskaninchen. Diese hoch ambitio-nierte Einrichtung ist derart neu, dass siewohl auch unter Stipendiaten und Ehema-ligen noch nicht solche Bekanntheit erlangthat, wie sie es verdient hätte.Der Grundgedanke der „wissenschaft-lichen Kollegs“ ist ziemlich einfach: ZweiJahre lang treffen sich knapp hundert Sti-pendiaten aus dem ganzen Bundesgebietkontinuierlich einmal pro Semester aneinem einsamen Ort der Provinz, verlebenfünf Tage in Klausur mit fachkundigenDozenten, um zu lesen, streiten, diskutie-ren und voneinander zu lernen. EinenLehrplan gibt es dafür nicht, auch keinebesondere Zielvorgabe. Vielmehr ver-trauen die Initiatoren dieser Kollegs aufeinen selbstorganisierenden Prozess, fürden eine geistige „kritische Masse“ undeine inspirierende Atmosphäre geschaffen

werden soll. Von Anfang an war das Kol-leg mit seiner Arbeit in Kleinstgruppen undohne Klausurendruck als Gegenpol zuüberfüllten Vorlesungen und anderen Un-bilden des Universitätsalltags konzipiert.Je nachdem, ob es sich um eines derKollegs für Gesellschafts-, Lebens-, Natur-oder eben Geisteswissenschaftler handelt,werden natürlich andere Schwerpunkteund Seminarformen gewählt, etwa dieNähe zu besonderen Forschungseinrich-tungen oder Laboren.Anders als bei den Sommerakademien fälltdie gemeinsame Freizeit während der Kol-legs recht knapp aus. Dafür wird viel Wertauf die konzentrierten Arbeitsphasen ge-legt, die von morgens oft bis in die frühenAbendstunden andauern. Im geisteswis-senschaftlichen Kolleg beschäftigten wiruns vorrangig mit klassischen Texten, diein gewöhnlichen Curricula oftmals zu kurzkommen oder übergangen werden. Dabeihalf die recht bunte Mischung der Teilneh-mer, auch einmal über den Rand der eige-nen Disziplin zu schauen, und unsere Lek-türe von Aischylos über Luther zu EdwardGibbon und Hannah Arendt etwa aus derSicht des Historikers, des Philosophen,

Sprachwissenschaftlers oder Theologen zubeleuchten. Dadurch ließen sich nicht nurBezüge zwischen den Fächern herstellenund unvermutete Unterschiede entdecken,sondern auch manche Probleme konntenumso effektiver angegangen werden.Meine zwei Jahre des Kollegs standenunter dem Generalthema der Antike undihrer Rezeption, wobei dieser Bezugspunktdurchaus hintersinnig gewählt war: Eigent-liche Wissenschaft, so wurde uns klar, darfnicht ein bloßer „think tank“ für aktuelleProbleme sein, im Vordergrund stehennicht der Erwerb von Aktivposten für einengeschönten Lebenslauf oder beruflicheSchlüsselqualifikationen.Andererseits ist ein Thema wie die „An-tike“ nur scheinbar zeitlos. In Wirklichkeitmeint jede Epoche – also auch unsereeigene –, wenn sie über das Fremde redet,insgeheim sich selbst. So erschließt sichdie Aktualität über gewisse Umwege undandere Blickwinkel oftmals besser als inder direkten Herangehensweise.

Martin Palauneck (Student derMathematik, Philosophie und der theore-

tischen Physik, Stipendiat seit 2005)

26 journal

„Dieses Haus ist ein Stück Heimat für michgeworden“, sagt Ischan Tschiftdschjan.Der 33-jährige Armenier wohnt seit siebenJahren im Evangelischen Studienhaus inLeipzig-Stötteritz und studiert Theologie.Er ist einer von 106 Studenten, die in 13Wohngemeinschaften in der SommerfelderStraße zusammen leben. Theologen undMediziner, Pädagogen und Juristen findenhier mehr als bloß ein Zimmer.„Das Haus bietet die Möglichkeit, sichüber das eigene Fach hinaus auszutauschenund geistliche Gemeinschaft zu haben“, er-klärt Helmut Hanisch. Er ist Professor amInstitut für Religionspädagogik der Uni-versität Leipzig und Vorsitzender des Trä-gervereins, zu dem neben der sächsischenLandeskirche und der Vereinigten Evange-lisch-Lutherischen Kirche Deutschlands(VELKD), auch das Gustav-Adolf-Werk(GAW) und die Universität Leipzig gehö-ren. Jüngst wurde das zehnjährige Beste-hen dieses besonderen Studentenwohn-heims gefeiert.Gesprächskreise und Andachten dienendem geistigen und geistlichen Leben. Die

Hauskapelle steht immer offen, ein Pfarrerist im Haus. Pastor Christoph Grunow be-treut jeweils zur Hälfte die Stötteritzer Ma-rienkirche und das Studienhaus und wohntmit im Studienhaus. „Wer Gemeinschaftsucht, der ist hier richtig“, sagt er.Hell scheint das Licht durch die großenFenster der Küche von TschiftdschjansWohngemeinschaft (WG). Um den rundenTisch sitzt er mit einigen Mitbewohnern.Sie plaudern bei einer Tasse Kaffee undplanen den nächsten Spieleabend mit derNachbar-WG. „Hier gibt es eine familiäreAtmosphäre“, sagt der Armenier und er-gänzt: „Das ist mir besonders wichtig, weilich hier keine Familie habe.“ Seine Mutterlebt noch in Beirut, seine Brüder in Ka-nada.Doch er ist nicht der einzige Bewohner aus-ländischer Herkunft. Studierende aus denPartnerkirchen des GAW wohnen währendihres Leipziger Studienjahres hier. „DieGAW-Stipendiaten bringen Farbe insHaus“, findet Ischan Tschiftdschjan. Esbegegnen sich Sprachen, Kochkünste undFrömmigkeitsrichtungen. Eine Vielfalt, die

Das Evangelische Studienhaus ist für viele ein Stück Heimat im fremden LandZimmer und mehr

„Hier gibt es eine familiäre Atmo-sphäre“, sagt Ischan Tschiftdschjan (33),einer der Bewohner des EvangelischenStudienhauses. Foto: Stefan Seidel

Page 28: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

bei der Fußball-Weltmeisterschaft imletzten Jahr sichtbar wurde. Man schautegemeinsam die Spiele, schwenkte aber ver-schiedene Fahnen. „Das Andere ist immerbereichernd“, sagt Tschiftdschjan.Er selbst hat im Studienhaus das Evan-gelische Gesangbuch entdeckt. Das Lied„Lasst uns mit Jesus ziehen“ habe ihn sobeeindruckt, dass er es ins Armenischeübersetzte und in seine armenisch-ortho-doxe Gemeinde nach Halle mitnahm. Dochdie Protestanten könnten auch etwas vonihm lernen: „Das liturgische Feiern möchteich gerne anbieten.“Die zehnjährige Geschichte des Studien-hauses scheint eine Erfolgsgeschichte zusein. Es ist zu einer Bleibe auf Zeit fürbisher 543 Studierende geworden. Auchdas finanzielle Konzept ging auf. Im Mo-ment stünden – wie geplant – nur nochknapp 500.000 Euro Kreditrückzahlungenaus.Als ein „Abenteuer eigener Art“ bezeich-net Professor Wolfgang Ratzmann aller-dings die Entstehung des Hauses. „Wir hat-ten weniger Sicherheiten als vielmehr dieGewissheit, dass Gott über das Geschehenseine Hände halten würde“, erinnert sichder damalige Trägervereinsvorsitzendeund Professor am Institut für PraktischeTheologie der Universität Leipzig.Ischan Tschiftdschjan kann sich das Stu-dienhaus nicht mehr wegdenken. „EinStück von meinem Leben steckt in diesemHaus.“ Stefan Seidel

Der Präsident der Universität Gondar, Pro-fessor Yigzaw Kebede, reiste eigens ausÄthiopien an, um die langjährige Zusam-menarbeit zwischen den beiden Universi-täten mit der Verlängerung des Fakultäts-vertrags von 2002 zu bestärken. Dieser er-möglicht den Austausch von deutschen undäthiopischen Lehrenden und Studierenden.„Das Ziel des Vertrags war und ist, die tra-ditionell guten Verbindungen so weit zustabilisieren und zu koordinieren, dass dieeinzelnen Fachgebiete im direkten Kontaktzusammen arbeiten können“, berichtet Dr.Dieter Reißig, Professor der Anatomie imRuhestand. Er hatte die Beziehungen zwi-schen Leipzig und Gondar von ihren An-fängen seit 1979 an mit erlebt und gestal-tet. Mit seinen Kollegen der MedizinischenFakultät baute er die Vorklinik und denFachbereich Anatomie des neuen Collegeof Medicine and Health Sciences (CMHS)in Gondar auf. „Ich habe sehr darum ge-kämpft, die Kontakte aufrecht zu erhaltenund auch junge Wissenschaftler mit einzu-beziehen“, sagt Prof. Reißig. Das Collegeunterstand damals noch der Universität inAddis Abeba, heute ist es als MedizinischeFakultät ein Teil der 2004 neu gegründetenUniversität in Gondar.Nach einer Ruhephase der öffentlichen Be-ziehungen nach der Wende in Deutschland

wurden die Kontakte Ende der 1990erJahre wieder aufgenommen und schließ-lich mit dem Vertrag offiziell besiegelt.„Die persönlichen Beziehungen bliebennatürlich die gesamte Zeit über bestehen“,betont Reißig.„Manche Forschungsprojekte bestehenüber einen sehr langen Zeitraum. Das funk-tioniert nur dann, wenn beide Seiten sichkennen und sich vertrauen“, erklärt Prof.Dr. Joachim Thiery, Direktor des Institutsfür Laboratoriumsmedizin, Klinische Che-mie und Molekulare Diagnostik der Uni-versität Leipzig. Deshalb sei auch dasTreffen in Leipzig sehr wichtig, zu dem derDekan der Medizinischen Fakultät, Prof.Jürgen Meixensberger, eingeladen hatte.Momentan arbeitet Professor Reißig an ei-nem postgradualen Programm, das eigeneLehrkräfte für die Anatomie in Gondarausbilden soll. Prof. Yigzaw betont diepraktische Bedeutung der Beziehungen:„Deutsche Dozenten sind viel stärker spe-zialisiert als die Professoren an meinerUniversität. Wenn wir in Gondar mit Leip-ziger Professoren zusammen arbeiten, wirddie Qualität der Lehre steigen. Und mit derQualität der Lehre verbessert sich die Qua-lität der medizinischen Leistungen in ganzÄthiopien.“ Kooperationen mit anderenFakultäten sind geplant. Silvia Lauppe

Heft 2/2008 27

Studiosi | Fakultäten und Institute

Medizin-Fakultäten aus Leipzig und Äthiopienverlängern KooperationsvertragQualität steigern durch höhereSpezialisierung

Am Rande derVertragsunterzeich-nung führte Profes-sor Joachim Thieryseinen äthiopischenKollegen ProfessorYigzaw Kebededurch ein LeipzigerLabor.

Foto: SebastianWillnow

Page 29: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

Fakultäten und Institute

Operatoridentitäten und Interpolationspro-bleme, analytische Matrixfunktionen undkanonische Differentialgleichungssysteme– dem Laien tun sich hier zahlreiche Fra-gezeichen auf. Prof. Dr. Lev A. Sakhnovichdagegen ist ganz in seinem Element: DieseThemen behandelte er unter anderem inseinen Vorlesungen und Seminaren alsLeibniz-Professor am MathematischenInstitut der Universität Leipzig. Der gebür-tige Ukrainer ist gegenwärtig einer derangesehensten Spezialisten der Operator-theorie. Seine Forschung legt Grundsteinefür die Signalübertragung, beispielsweisebeim Abspielen von CDs.Die Kontakte zur Universität Leipzig exis-tierten schon seit längerer Zeit, teils nochin der Sowjetunion entstanden, teils bei in-ternationalen Tagungen in Leipzig vertieft.Aber erst der Vorschlag von Prof. Dr.Bernd Kirstein und Prof. Dr. BerndFritzsche, Fakultät für Mathematik undInformatik der Universität Leipzig, unddie darauf folgende Entscheidung derAuswahlkommission bewirkten, dassSakhnovich schließlich für längere Zeitnach Leipzig kommen sollte. Noch niekonnten die Wissenschaftler so eng zusam-

men arbeiten – für beide Seiten ein großerGewinn. Anfangs galt es zunächst, die un-terschiedlichen Ansätze bei der Arbeit zubesprechen, doch daraus sei letzten Endeseine gute Ergänzung entstanden, sagtSakhnovich. Besonders von der mathema-tischen Bibliothek ist er begeistert: „Dahabe ich Schätze der mathematischen Lite-ratur gefunden, die es woanders nicht gibt;vor allem kostbare alte Bücher.“1932 in der damaligen Sowjetunion gebo-ren, genoss Sakhnovich seine Ausbildungin Odessa bei bedeutenden Mathematikerndieser Zeit. Nach langjähriger Professoren-tätigkeit arbeitete er – ganz im Sinne derLeipziger Leibniz-Professur – auch inter-disziplinär am Institut für Nachrichten-technik des Bildungsministeriums derUkraine. 1999 siedelte er in die USA über,wo er eine Gastprofessur am CourantInstitute of Mathematical Sciences in NewYork annahm, inzwischen ist er im Ruhe-stand.Doch der 76-Jährige ist in der Wissenschaftnoch sehr aktiv: In den letzten Jahren warer an zahlreichen Publikationen beteiligtund ein gern gesehener Gast auf Konferen-zen. Zusammen mit seinen deutschen Kol-

legen Kirstein undFritzsche hat er inLeipzig Extremalauf-gaben der Interpola-tionstheorie unter-sucht.In seinen Vorlesungenund Seminaren an derUniversität Leipzigkonnten sich Studen-ten und Dozentengleichermaßen vonSakhnovichs umfang-reichem Wissen be-eindrucken lassen.„Die Studenten habeneinen hervorragendenEindruck bei mir hin-terlassen“, berichtetder Mathematiker.Sein Besuch war für

die deutschen Wissenschaftler ein Erleb-nis: „Die Möglichkeit, mit so jemandemzusammen zu arbeiten und von seinen Er-fahrungen zu profitieren, ist für uns etwasBesonderes“, betont Prof. Kirstein. „Er hatja in der Sowjetunion mit großen Mathe-matikern gearbeitet, die für uns Legendensind. Das hat er an uns weiter gegeben.“Beide Seiten sind entschlossen, auch inZukunft an den Verbindungen festzuhaltenund die gemeinsame Forschung weiter zuverfolgen.Sakhnovich war der erste Mathematiker,der auf den Lehrstuhl des seit 14 Jahrenbestehenden Leibniz-Professors berufenwurde. Ein großer Erfolg also für Prof.Kirstein, der Sakhnovich für die Professurvorgeschlagen hatte. „Es ist uns mit Profes-sor Sakhnovich gelungen, einen Ausnah-mekönner der Mathematik zu uns nachLeipzig zu holen“, freut sich Kirstein.Auch Prof. Sakhnovich zieht ein positivesFazit aus seinem Aufenthalt: „Ich bin sehrzufrieden mit der Zusammenarbeit undhabe neue Inspirationen für meine For-schung gewinnen können. Schade nur, dassich nicht noch mehr Zeit hatte, die wunder-schöne Stadt zu besichtigen.“ S. Lauppe

28 journal

„Ausnahmekönnerder Mathematik“Der Leibniz-Professor Dr. Lev A. Sakhnovich

„In Leipzig habe ich neue Inspirationen für meine Forschung gewinnen können“, sagt Leibniz-ProfessorLev A. Sakhnovich. Foto: Jan Woitas

Page 30: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

„Als Rückblick über die vergangenen Jahrehat es durchaus einen gewissen Unterhal-tungswert.“ Wer diese Beschreibung vonDr. Uwe Quasthoff hört, wird nicht alserstes an ein Wörterbuch denken. Und dochist es genau das, was der apl. Professor amInstitut für Informatik an der UniversitätLeipzig erarbeitet hat: „Deutsches Neolo-gismenwörterbuch“ lautet der Titel desWerkes, in dem „Neue Wörter und Wortbe-deutungen in der Gegenwartssprache“ vor-gestellt werden. Von Abbiegelicht bis Zwi-schensprint reicht die 2284 Stichwörterumfassende Liste. Sie basiert auf der Aus-wertung der elektronischen Wortschatz-datenbank der Universität Leipzig, die Mil-lionen von Sprachbelegen umfasst.mWie aber schaffte es ein Wort, als Neolo-gismus anerkannt und in das Wörterbuchaufgenommen zu werden? „Wir habenüber einen Zeitraum von sechs Jahren,nämlich vom Jahr 2000 bis 2006 gezählt,welche Wörter wie häufig vorkommen,und dies mit dem Zeitraum davor vergli-chen“, erläutert Quasthoff. Als Quelle fürdas Datenmaterial dienten die elektroni-schen Ausgaben von Zeitungen undZeitschriften im Internet sowie reine On-line-Angebote von Medienunternehmen.

Tag für Tag durchforsten Suchmaschinendie dort veröffentlichten Texte, registrierenautomatisch, welche Wörter wie oft ver-wendet werden.Aufmerksam wurden anschließend diecomputergenerierten Wortlisten unter dieLupe genommen. „Erst dann, wenn dieHäufigkeit eines Wortes im Untersu-chungszeitraum drastisch zugenommenhat und es mindestens 100 Mal auftauchte,wurde er in die Liste der Neologismen auf-genommen“, erklärt Quasthoff. Allerdingswurde auch dann nicht jedes Wort berück-sichtigt: Was lediglich regional verbreitet,ein Eigenname oder eine Berufsbezeich-nung war, fiel unter den Tisch. Natürlichmit Ausnahmen: „An dem Begriff ‚Bun-deskanzlerin‘ oder dem Spiel ‚Sudoku‘konnten wir natürlich nicht vorübergehen“,so Quasthoff.Was die Wissenschaftler – neben Quasthoffdie ehemaligen Studentinnen Sandra Lie-bold (Germanistik), Nancy Taubert (Ang-listik und Journalistik) und Tanja Wolf(Theologie) – vor eine besondere Heraus-forderung stellte, waren Begriffe, die eineUmdeutung erfahren haben. Wie etwa dasWort ‚Kurzmitteilung‘: Verstand man frü-her darunter tatsächlich Zettel, die eine

kurze Nachricht an den Empfänger enthiel-ten, ist im heutigen allgemeinen Sprach-gebrauch die SMS-Funktion von Handysgemeint.Wie die Forscher herausfanden, ist dasAuftreten neuer Wörter häufig an konkreteEreignisse gebunden. „Dazu zählen Be-griffe, die im Kampf gegen den Terror,beim Auftreten der Vogelgrippe oder beider Umsetzung politischer Reformenplötzlich in aller Munde sind“, erklärtQuasthoff. Dabei eröffnet sich auch dieFrage nach der Nachhaltigkeit: Werdensich die Begriffe im alltäglichen Sprachge-brauch etablieren? Verschwinden sie nacheiner gewissen Zeit wieder aus dem kollek-tiven Bewusstsein? Tauchen sie wieder auf,wenn sich ein Ereignis wiederholen sollte?Zwei Jahre Arbeit stecken in dem Band, derim Verlag De Gruyter erschienen ist. „Ichwürde es schon gern wieder machen“,lächelt Quasthoff, der sich in erster Liniemit Automatischer Sprachverarbeitungbeschäftigt. Seiner Ansicht nach wäre esdurchaus geboten, alle zwei Jahre eineNeuauflage herauszubringen, um denSprachwandel kontinuierlich verfolgen zukönnen.Eine kontinuierliche Fortschreibung desBuches hätte den Vorteil, dass man nochbesser beurteilen könnte, ob Begriffe tat-sächlich nur vorübergehend auftreten oderob sich ihr Gebrauch mit der Zeit verstärkt.Im vorliegenden Band illustrieren Säulen-diagramme zu jedem Wort die Gebrauchs-häufigkeit in den Jahren 1995 bis 2006.Dabei zeigen die Säulen aus der Zeit vonvor 2000, ob ein Wort völlig neu ist oderwann und wie stark sich seine Verwendunggeändert hat.Als potenzielle Leser des „Deutschen Neo-logismenwörterbuchs“ hat Quasthoff vorallem Journalisten, Sprachwissenschaftlerund Historiker im Visier. Daneben richtetsich das Buch aber auch an alle anderen,die sich für Sprache interessieren.

Jörg Aberger

http://wortschatz.uni-leipzig.de

Heft 2/2008 29

Fakultäten und Institute

Von neuen Wörtern undalten BegriffenInformatiker legt Neologismenwörterbuch vor

Von A wie Abbiegelicht bis Z wie Zwischen-sprint: Das Neologismen-Wörterbuch vonapl. Prof. Dr. Uwe Quasthoff umfasst 2284Stichwörter und ist eine interessante wievergnügliche Lektüre zugleich. Foto: Aberger

Page 31: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

Fakultäten und Institute

Die US-Hypothekenmarktkrise zieht im-mer weitere Kreise. Dem Verfall der US-Immobilienpreise folgen Kursstürze aufden ostasiatischen Börsen. In Deutschlandkollabieren IKB und SachsenLB, Englanderlebt einen Ansturm auf eine Bank und inFrankreich bedroht der „Fehlgriff“ eines31-Jährigen mit der Société Générale einenationale Gallionsfigur!Die US-Hypothekenmarktkrise ist diegrößte Krise des internationalen Finanz-systems seit der Weltwirtschaftskrise. Dieszeigen nicht zuletzt die überstürzten Zins-senkungen der US-Notenbank und blitz-artige Steuergeschenke der RegierungBush. Im Gegensatz zu den 1930er Jahrensind die Abhängigkeiten gewachsen. Mitder drohenden Rezession in den USA sindauch das dynamische Ostasien und daswachstumsschwache Europa betroffen.Bezüglich der Ursachen gibt es unter-schiedliche Sichtweisen. Zum einen hat dieLiberalisierung der internationalen Finanz-märkte geholfen, Risiken zu verschleiern.Die zweitrangigen US-Hypotheken wur-den mit Wertpapieren unterlegt und mit oft

exzellenten Bonitätsauszeichnungen derinternationalen Ratingagenturen verkauft.Am Ende war (und ist) wie beim „Schwar-zen Peter“ unbekannt, wo wer welche Risi-ken hält. Zweitens wird der Finanzmarkt-aufsicht Versagen vorgeworfen. Diesemuss sich zwar der Risiken bewusst gewe-sen sein. Sie reagierte aber nicht, weil ent-weder die neuen Finanzinstrumente nichtunter ihr Regelwerk fielen oder die Kom-petenz – wie im Falle der SachsenLB – anden nationalen Grenzen halt machte. Nunsoll es neue Regeln geben, die neue Krisenvermeiden helfen. Schließlich kann dieRettungsaktion von gestern als Ursprungfür die Krise von heute gesehen werden.Denn nach dem Platzen der Spekulations-blase im Neuen Markt im Jahr 2000 senktedie US-Notenbank deutlich die Zinsen, um– mit Erfolg – eine Rezession zu vermei-den. Das billige Geld erlaubte es die Kurs-verluste im Neuen Markt mit anderen lu-krativen Geschäften zu kompensieren. Zu-nächst wurde in Projekte von guter Bonitätinvestiert. Als diese ausgeschöpft waren,wurden „Ninja-Kredite“ (an Menschen mit

No Income, No Jobs and No Assets) ver-geben. Die neuen Hauseigentümer wurdenmit dem Argument überzeugt, dass raschsteigende Immobilienpreise die Rückzah-lung erleichtern würden. Eloquente Maklerverdienten großzügige Prämien, die Fi-nanzinstitute wiesen hohe Gewinne aus.Doch die US-Immobilienpreise konntennicht für immer steigen, so dass bei stei-genden Zinsen viele der Ninja-Kredite aus-fielen. Die Banken, die weltweit – auch inDeutschland – die Forderungen hielten,gerieten in Bedrängnis. Bei Verlusten wirddie Kreditvergabe eingeschränkt. Es wirdweniger investiert, das Wachstum sinkt unddie Arbeitslosigkeit steigt. Würde eineBank insolvent, würden weltweit weitereFinanzinstitute in den Strudel gezogen unddie Krise verstärkt. Eine solche Ketten-reaktion soll durch Zinssenkungen in denUSA verhindert werden.Allerdings sollten dem Betrachter dieKosten der Rettungsaktion bewusst sein.Sinkende Zinsen führen auf die mittlereSicht zu mehr Inflation wie sie sich derzeitschon bei Rohstoffen, Energie und Lebens-mitteln zeigt. Die Kosten der Spekulationwerden entweder über höhere Preise an denLadentheken und Zapfsäulen, Steuertrans-fers an insolvente Banken (IKB) oder er-neute Lohnzurückhaltung in dem nun ein-setzenden Abschwung sozialisiert.Die Finanzinstitute könnten dies als Auf-forderung zu neuer Spekulation sehen, fürdie sie neue Lücken in der Finanzaufsichtfinden könnten. Dies dürfte der Grund da-für sein, warum die Europäische Zentral-bank mit Zinssenkungen zurückhaltend ist.Ob Rettungsaktion oder nicht, die Kon-junkturaussichten sind für Deutschlandund die Welt nicht die besten. Es sei denndie nächste Spekulationswelle beschert unseine Atempause bis zum nächsten Crash.mDie Forschung am Institut für Wirtschafts-politik widmet sich der Finanzmarktkriseim historischen und globalen Kontext miteinem Schwerpunkt auf Osteuropa undOstasien.

30 journal

Die Kosten der KriseKursstürze, ihre Folgen für die Verbraucher undForschungsansätzeVon Prof. Dr. Gunther Schnabl, Institut für Wirtschaftspolitik

Foto: pixelio.de

Page 32: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

Eine einfache Schluckimpfung könnte je-des Jahr Tausenden von Kindern und ElternLeid und Kummer ersparen: „Eine Rota-virusinfektion ist die häufigste Ursache fürschwere und schwerste Durchfallerkran-kungen, die hauptsächlich im Säuglings-und Kleinkindalter auftreten“, erläutertProf. Dr. Volker Schuster von der Univer-sitätsklinik und Poliklinik für Kinder undJugendliche der Universität Leipzig.

67 000 Fälle pro Jahr – hoheDunkelziffer bei Rotavirus

In manchen Fällen müssen die betroffenenKinder sogar auf die Intensivstation, umdort gegen die Folgen der Erkrankungbehandelt zu werden. Stationäre Kranken-hausaufenthalte, die vermeidbar sind: WieSchuster und Kollegen aus Finnland, derTschechischen Republik, Frankreich, Ita-lien und Spanien nachwiesen, verhindertdie Rotavirus-Impfung zu fast 96 Prozentdie schwersten Erkrankungen und zu 100Prozent einen stationären Krankenhaus-aufenthalt. Über die Ergebnisse einer Stu-die der europäischen Mediziner berichtetejetzt das renommierte Fachblatt The Lan-cet.Wie Schuster erläutert, wurden im Jahr2006 allein in Deutschland rund 67 000Fälle von Rotavirus-bedingten Durchfall-erkrankungen gemeldet. „Doch die Dun-kelziffer ist wesentlich höher, weil nichtjede Rotavirus-Infektion als solche erkanntund auch nicht jede erkannte tatsächlichgemeldet wird“, berichtet der Mediziner.Noch 2005 waren nach seinen Angabenvier Todesfälle zu verzeichnen, die auf dasVirus zurückzuführen waren. „Allerdingsbetraf das ältere Menschen“, stellt Schus-ter klar. Dennoch sind die Auswirkungeneiner Infektion mit dem Virus auch beiKindern alarmierend: Die betroffenenSäuglinge und Kleinkinder leiden anschweren Durchfällen und heftigem Erbre-chen. Dadurch werden die kleinen Körperso ausgetrocknet, dass eine klinische Be-handlung notwendig wird.Das Virus ist nach Schusters Worten hochinfektiös und kann durch normale Hygie-nemaßnahmen nicht wirksam bekämpftwerden. Deshalb sei es ratsam, Kinder ab

der 7. Lebenswoche dagegen impfen zulassen. Wie die europäischen Forschungengezeigt hätten, musste keines der Kinder,die gegen das Rotavirus geimpft wurden,im 1. Lebensjahr stationär im Krankenhausaufgenommen werden. Gegen die inEuropa vorkommenden Stämme des Virusseien die Kinder so weit immunisiertworden, dass in 95,8 Prozent der Fälleschwerste Erkrankungen vermieden wer-den konnten. In 87 Prozent der Fälle sei dieWirkung gegen jeglichen Rotavirus nach-gewiesen worden.Eine komplette Impfung kostet derzeitrund 180 Euro und wird noch nicht von denKrankenkassen bezahlt. Schuster ist aberzuversichtlich, dass die Sächsische Impf-kommission sowie Ständige Impfkommis-sion am Robert-Koch-Institut die von ihmund seinen Kollegen jetzt vorgelegte Stu-die zum Anlass nehmen, die Schluckimp-fung gegen das Rotavirus in den Empfeh-lungskatalog aufzunehmen. Wenn diesgeschieht, würden Kinderärzte dazu ver-pflichtet, Eltern über die Impfung zu infor-mieren, und die Krankenkassen müsstendie Kosten dafür übernehmen. „Kranken-kassen rechnen ja immer gegen, wo gespartwird, wenn eine Maßnahme bezahlt wird“,so Schuster. Im Fall der Rotavirus-Impfungliegen die Vorteile klar auf der Hand: Wennim ersten Lebensjahr kein Kind mehr in einKrankenhaus eingewiesen werden müsste,sei hier schon ein erhebliches Einspar-potential gegeben. Hinzu kämen die volks-wirtschaftlichen Effekte, wenn Eltern nichtwegen der notwendigen Betreuung desNachwuchses ausfielen.

Impfung statt Infektion

Zudem würde den Eltern die Belastung ab-genommen, der sie ausgesetzt sind, wennihre Kinder an einer durch das Virus aus-gelösten Infektion erkrankten: Die schwe-ren Durchfälle und das starke Erbrechen,unter dem die Kinder leiden, belastet dieEltern in erheblichem Umfang. „Wenn sieeinmal ein derart erkranktes Kind betreuthaben, sagen die Eltern in der Regel, dasseine solche Infektion ausreicht und sieeiner Impfung sofort zustimmen würden“,sagt Schuster.

Jörg Aberger

Nachwuchsförderung gelobtChemie imOsten SpitzeDer Wissenschaftsrat hat die Forschungs-leistungen deutscher Universitäten undaußeruniversitärer Einrichtungen anhandder exemplarischen Fachgebiete Chemieund Soziologie verglichen. Die Chemie inLeipzig liegt dabei im Osten an der Spitze.„Wir freuen uns darüber, dass wir auf re-gionaler Ebene so gut abschneiden“, sagtProfessor Dr. Harald Krautscheid, Dekander Fakultät für Chemie und Mineralogieder Universität Leipzig, „auch wenn wiruns auf nationaler Ebene eher im Mittelfeldschlagen.“ Allerdings könne die LeipzigerChemie auch hier in einigen wichtigen Be-wertungskriterien durchaus mit sehr gutenUniversitäten mithalten.Mit dem Urteil „gut“ wurden die For-schungsqualität, die Effektivität und derTransfer in andere gesellschaftliche Berei-che beurteilt. Als „sehr gut“ gelten dieEffizienz und die Nachwuchsförderungder Universität Leipzig. In der Studie selbstwird die Bewertung der Forschungsqualitätals sehr belastbar dargestellt. Vergleichtman Leipzig mit der angesehenen Univer-sität Freiburg, findet man, dass zwar dieForschungsqualität der Freiburger leichtbesser abgeschnitten hat, dass aber ande-rerseits die Effizienz in Leipzig sehr vielhöher einzustufen ist. In dieser Kategorieliegt Leipzig sogar vor dem so viel gerühm-ten Forschungsstandort München. „Diesehr gute Beurteilung der Effizienz derLeipziger Chemie zeigt also, wie mit demvorhandenen Personal maximale Ergeb-nisse erzielt werden“, so Krautscheid.Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Nach-wuchsförderung. Dass Leipzig auch hierim oberen Drittel rangiert, spiegelt sichauch in der Tatsache wieder, dass sich kürz-lich die Universität Leipzig in der vonBund und Ländern initiierten Exzellenzini-tiative mit der Graduiertenschule Build-MoNa durchsetzen konnte. Insgesamtzeige die Studie, die die Chemie von 77Einrichtungen untersuchte, so lässt derWissenschaftsrat verlauten, dass sowohldie universitäre als auch die außeruniversi-täre chemische Forschung in Deutschlandinsgesamt positiv zu beurteilen sei. Manfinde eine breite Basis von guter bis sehrguter Forschung. Dr. Bärbel Adamswww.wissenschaftsrat.de/texte/pilot_uebersicht_chemie.pdf

Heft 2/2008 31

Fakultäten und Institute

Lancet veröffentlicht Leipziger Studie zu RotavirusSchutzimpfung erspart Kindernden Krankenhausaufenthalt

Page 33: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

Fakultäten und Institute

„Fernsehen und Radio waren gestern, You-Tube und Clipfish sind heute“ – so oderähnlich verkündet es manche Schlagzeilein der (Fach-)Presse. Jugendliche down-loaden Musik aus dem Internet, speicherndiese auf dem MP3-Player, versenden siean Freunde via Bluetooth auf dem Handyoder tauschen sie in Internetbörsen. Ange-sichts dieser multimedialen Möglichkeitenund Nutzungsformen stellt sich zwangs-läufig die Frage, ob denn das Radio alsJugendmedium überhaupt noch relevantist.Dieser Frage widmet sich derzeit eine vonder Sächsischen Landesanstalt für privatenRundfunk und neue Medien in Auftraggegebene Untersuchung der Professur fürMedienpädagogik und Weiterbildung. Esist seit 2002 die nunmehr dritte Studie inFolge zum Umgang von Heranwachsendenmit dem Hörfunk. Nachdem in den erstenbeiden Untersuchungen der Wortanteil unddie Unterhaltungsangebote im Mittelpunktstanden, beschäftigt sich die aktuelle Stu-die mit der Musik im Hörfunk und hier ins-besondere der Frage, welche Bedeutungemotionale Aspekte für die Aneignung vonMusik im Radio durch Heranwachsendehaben.

Hörfunknutzung als Heraus-forderung für die Forschung

Das Radio führt in der Forschungsland-schaft nicht zuletzt deshalb ein Schattenda-sein, da es schwer zu untersuchen ist. Als„Begleitmedium“ dient es insbesondereder Grundierung zahlreicher, meist rituali-sierter Tätigkeiten. Für eine empirischeUntersuchung ergibt sich hieraus die Not-wendigkeit, die Aneignung von Hörfunk-angeboten eingebettet in den Alltag undden täglichen Lebensvollzug und in zeit-licher Nähe ihrer Rezeption in den Blickzu nehmen. In unserem Forschungsprojekt

32 journal

Radio ist ein Familienmediumund ein Fundus für NeuesEinblicke in eine Studie zur Nutzung des HörfunksVon Wolfgang Reißmann, Anja Hartung und Prof. Dr. Bernd Schorb, Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft

In der Radiowerkstatt wurden Heranwachsende im Alter von 10 bis 17 Jahrenangeregt, selbst ein Hörfunksender zu konzipieren und für diesen exemplarischeSendungen zu produzieren. Abb.: Institut

Page 34: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

stehen Selbstzeugnisse und handlungs-orientierte Zugänge deshalb im Mittel-punkt. Exemplarisch hierfür ist die Radio-werkstatt, die als dritter Untersuchungs-baustein (neben einer Tagebucherhebungund einer Programmanalyse) im Herbst2007 durchgeführt wurde.Mit der aktiven Medienarbeit als For-schungsmethode ist es möglich, tieferlie-gende, häufig nur schwer verbalisierbareBedeutungsstrukturen zu erfassen. Damitstellt sie eine wichtige Ergänzung rekons-truktiver, sprachgebundener Methoden dar.Die Aufgabe, selbst ein eigenes Radio-angebot zu gestalten, verlangt von den He-ranwachsenden, sich mit diesem auseinan-derzusetzen und vor diesem Hintergrundihre eigenen Vorstellungen, Erwartungenund Vorlieben abzubilden. In der Radio-werkstatt wurden Zehn- bis 17-Jährige imRahmen eines offenen Ferienangebots an-geregt, selbst einen Hörfunksender zu kon-zipieren und für diesen exemplarische Sen-dungen zu produzieren. Begleitet wurdedieser Untersuchungsschritt von einer stu-dentischen Projektgruppe, die im Rahmeneiner zweisemestrigen Lehrveranstaltunggemeinsam mit den Mitarbeitern des For-

schungsteams das Konzept der „Radio-werkstatt“ erarbeitet und umgesetzt hat.Für die wissenschaftliche Analyse diesesUntersuchungsbausteins wurde die ge-samte Projektwoche teilnehmend beobach-tet, audiovisuell dokumentiert sowie umGruppendiskussionen ergänzt.

Nicht nur als Individual-medium von Bedeutung

Das Forschungsprojekt befindet sich der-zeit in der Auswertung und wird im Juli ab-geschlossen. Mit gebotener Vorsicht lassensich indes bereits erste Ergebnistendenzenformulieren:Das Radio ist offenbar auch im multime-dialen Überangebot nicht überflüssig, son-dern behält ein eigenständiges Profil. Alsunentgeltliches, stets verlässliches, leichtzugängliches und damit bequemes Me-dium ist es nach wie vor ein selbst-verständlicher Begleiter im Alltag vielerJugendlicher. Musik im Radio wird präsen-tiert und ist nicht zuletzt durch die Kom-mentare der Moderatoren umrahmt vonInformationen mit hohem Wert für den

alltäglichen Lebensvollzug. Insbesondereim Prozess des Erwerbs und der Pflege mu-sikalischer Expertise und hier gleicher-maßen für Identifikation wie Distinktionist das Radio als wichtiges Referenzme-dium zu sehen.Bislang weniger untersucht ist die genera-tionsübergreifende Bedeutung des Me-diums. Unsere Ergebnisse deuten daraufhin, dass das Radio nicht nur als Indivi-dual-, sondern mindestens ebenso alsFamilienmedium zu denken ist. In vielenFamilien coloriert Radiomusik – sei es amFrühstückstisch oder während der Auto-fahrt – gemeinsame Zeit und schafft eben-so Nähe, wie es Rückzugsräume eröffnet.mMit Blick auf die auch in der musiksozio-logischen Forschung konstatierte zuneh-mende Diversifikation musikalischer Prä-ferenzen ist der Befund zu deuten, dasssich Jugendliche nicht nur explizit jugend-adressierten Sendern zuwenden. Offenbarist der Hörfunk Jugendlichen nicht nurWegweiser im Bereich aktueller Jugend-musik, sondern auch Fundus für das Ent-decken „neuer“ Titel, in der sie mituntergar deren moderne Interpretationen wiedererkennen.

Heft 2/2008 33

Fakultäten und Institute

Die Fakultät für Chemie und Mineralogiehat sieben Chemiker mit einer Ehren-urkunde gewürdigt, die vor mehr als 50Jahren an den Chemischen Instituten derUniversität Leipzig promoviert wurden:Klemens Fiebach (Oyten), Horst Häntz-schel (Coswig), Anfried Lange (Troisdorf),Hans Röder (Böhlen), Karl-Heinz Segel(Berlin), Helmut Wagner (Markkleeberg)und Professor Gerhard Zimmermann(Leipzig). Dekan Prof. Dr. Harald Kraut-scheid zeichnete in würdigenden Wortenein kurzes Bild vom erfolgreichen berufli-chen Lebensweg jedes Ausgezeichneten.Es war beeindruckend, wie sich die ver-dienten Chemiker am zurückliegendenDies academicus in die meist junge Chemi-kergemeinde im Arthur-Hantzsch-Hörsaaleingliederten und gewissermaßen symbo-lisch die feierliche Verleihung von erstmalsin dieser Form vom Studiendekan Prof. Dr.Stefan Berger überreichten Bachelor- undMasterzeugnissen an die jetzige Studen-

tengeneration krönten. Auch unter diesenwurden herausragende Leistungen durchdie vom Freundeskreis der Fakultät fürChemie und Mineralogie gestifteten Preiseanerkannt.So konnten mit dem Arthur-Hantzsch-Preis 2007 die Studierenden des 1. Studi-enjahres Chemie Eva Koch, DorotheaGolze und Konrad Gebauer, mit demErnst-Beckmann-Preis 2007 für den bestenBachelor-Abschluss Chemie die Stu-dierenden Katharina Scholze und FrankBiedermann und mit dem erstmals ver-gebenen Hermann-Kolbe-Preis 2007 derAbsolvent mit dem besten Master-Ab-schluss, Matthias Beier, geehrt werden.Neben den Preisdiplomen, die vom Spre-cher des Freundeskreises, Prof. Dr. Dr. h.c.Lothar Beyer, übergeben wurden, freutensich die Studierenden über ein damitverbundenes Preisgeld in Höhe von je150 Euro für den Arthur-Hantzsch-Preis, je250 Euro für den Ernst-Beckmann-Preis

und 400 Euro für den Hermann-Kolbe-Preis.Diese beachtenswerten Geldsummen wur-den durch Spenden von Mitgliedern desFreundeskreises aufgebracht und dieneneinem der Ziele des Freundeskreises, derleistungsstimulierenden Förderung deswissenschaftlichen Nachwuchses. DerFreundeskreis, dem 130 „Ehemalige“ undFakultätsmitglieder angehören, hat in eineram gleichen Tage durchgeführten Mit-gliederversammlung statutengemäß denVorstand (Dr. E. Buß, Profs. L. Beyer,P. Schreiter, B. Schulze, H. Wilde) für dienächste dreijährige Amtsperiode gewählt.Die akademische Festveranstaltung wurdemit einem Vortrag von Prof. Dr. RogerGläser über „Mikrowellengestützte Syn-these nanoporöser Übergangsmetallkataly-satoren“ fachlich und durch ein Saxophon-Quartett musikalisch umrahmt.

Lothar Beyer,Eckhard Buß

Fakultät für Chemie und MineralogieAuszeichnungen für verdiente Chemikerund Nachwuchs

Page 35: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

Fakultäten und Institute | Gremien

Noch ist nicht klar, welche der studieren-den Spitzensportler der Uni Leipzig zu denOlympischen Spielen in diesem Sommerantreten dürfen, potenziell gibt es immer-hin zehn Kandidaten für Peking 2008 im sogenannten „Top Team Leipzig 2008“.Für bestmögliche Bedingungen für dieSpitzensportler und ihr Studium sorgendas kürzlich eingerichtete Mentoringpro-gramm der Universität Leipzig, mit demjede Fakultät einen Hochschullehrer alsAnsprechpartner für die Topathleten defi-nierten. Ein Beispiel: Prof. Dr. Jens-UweStolzenburg ist für Medizin studierendeSpitzensportler im Top Team 2008 persön-licher Mentor, so des Schwimmers ToniFranz.Mentoren und Sportler folgten im Februareiner Einladung von Prof. Franz Häuser zueinem gemeinsamen Treffen, mit dem eineweitere aktuelle Maßnahme zu Gunstendes Spitzensports verkündet wurde: „Absofort gibt es an der Universität LeipzigTutoren für die zehn Top-Athleten“, soRektor Häuser. Diese Tutoren sollen denTop-Athleten während ihrer jetzigen Hoch-phase in der Olympia-Vorbereitung helfen,

nicht den Anschluss im Studium zu verpas-sen und Nachhilfe bei verpassten Semina-ren und Vorlesungen bieten.Seit Jahren schon arbeiten Universität undOlympiastützpunkt Leipzig erfolgreich zu-

sammen, diese Einführung der Tutorien seiaber eine neue Qualität für die Unterstüt-zung der Spitzensportler, freute sich auchDr. Winfried Nowack, Leiter des Olympia-stützpunktes Leipzig. M. R.

34 journal

Leistungssport und StudiumLeipziger Studierende bei Olympia?

Die Olympiadritte 2004, Judoka Annett Böhm, – hier im Gespräch mit Rektor FranzHäuser – studiert neben dem Leistungssport Wirtschaftsmathematik. Foto: Woitas

1. Der Senat stimmte der Ausschreibungund Zusammensetzung von Berufungs-kommissionen für die W2-Professur „Di-daktik der deutschen Sprache und Litera-tur“ sowie für die W3-Professur „Theore-tische Mathematik“ zu und befürwortetedie geänderte Berufungskommission fürdie W2-Professur „Chirurgie/Plastischeund Ästhetische Chirurgie“.

2. Den Berufungsvorschlag für die W2-Professur „Meteorologie: Meoskalige Pro-fesse und Numerische Wettervorhersage“empfahl der Senat.

3. Dem Antrag der Wirtschaftswissen-schaftlichen Fakultät auf Übertragung dermitgliedschafts-rechtlichen Stellung einesHochschullehrers für Prof. Dr. WolfgangKühn stimmte der Senat zu.

4. Im Tagesordnungspunkt „Besondereuniversitäre Angelegenheiten“ erörterteder Senat die Videoüberwachungsordnungder Universität Leipzig. Die Vertreter derStudierenden legten gegen eine Beschluss-fassung ein Gruppenveto ein, das nicht zu-rückgewiesen wurde.

5. In geheimer Abstimmung wurden Prof.Dr. M. Schmidt und Prof. Dr. Krautscheidals Mitglieder des Beirats der Universitäts-stiftung durch den Senat bestellt.

Prof. Dr. F. Häuser Dr. M. RutsatzRektor Pressesprecherin

Sondersitzungam 19. Februar1. Der Senat stimmte dem vorgelegtenEntwurf einer Stellungnahme zum Haus-haltsvoranschlag 2009/2010 einstimmigzu.2. Der Senat erörterte die geplante Novel-lierung des Sächsischen Hochschulgeset-zes. Er verständigte sich darauf, die bereitsim Sommer 2007 mit der Ausarbeitung ei-ner Stellungnahme befasste Arbeitsgruppeerneut einzuberufen. Die Arbeitsgruppesoll – orientiert an der Stellungnahme vomSommer 2007 – eine Stellungnahme ent-werfen, über die der Senat in seiner Sitzungam 11. März befinden soll. Die Mitgliederdes Senates wurden gebeten, bis zum Endeder laufenden Woche Vorschläge zu unter-breiten, die in die Stellungnahme einflie-ßen können.Prof. Dr. F. Häuser Dr. B. AdamsRektor Pressereferentin

Sitzung des Senatsam 15. Januar

Page 36: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

1. Ausschreibungen und Zusammenset-zung von Berufungskommissionen: DerSenat stimmte der Verfahrenseinstellungfür die W3-Professur „KonservierendeZahnheilkunde und Parodontologie“ sowiedem neuen Ausschreibungstext und derZusammensetzung der Berufungskommis-sion für diese Professur zu. Der Senatstimmte dem Ausschreibungstext und derZusammensetzung der Berufungskommis-sion für die W2-Claussen-Simon-Stif-tungsprofessur „Neurobiologie affektiverStörungen“ zu. Weiterhin stimmte derSenat der Denominationsänderung für dieW2-Professur „Klinische Pharmazie“ so-wie dem Ausschreibungstext und derZusammensetzung der Berufungskommis-sion zu. Der Senat nahm die Änderung derZusammensetzung der Berufungskommis-sion für die W3-Professur „Afrikanistik“zustimmend zur Kenntnis, ebenfalls für dieW2-Professur „Translatologie (franko-phone Kulturen)“. Für die W2-Professur„Transplantation und Gewebetoleranz“stimmte der Senat der Zusammensetzungder Berufungskommission zu.

2. Berufungsvorschläge: In geheimerAbstimmung empfahl der Senat die Beru-fungsvorschläge für die W3-Zeitprofessur„Bürgerliches Recht, Bank- und Börsen-recht“, für die W3-Professur „Religionsge-schichte“, für die W2-Professur „Sportbio-mechanik“, für die W2-Professur „Allge-meine Pädiatrie/Neonatologie“.

3. Verleihung des Rechts zur Führung derBezeichnung „Außerplanmäßiger Profes-sor“, Bestellung zum Honorarprofessor,Übertragung der mitgliedschaftsrechtli-chen Stellung eines Hochschullehrers: Ingeheimer Abstimmung befürwortete derSenat den Antrag auf Verleihung desRechts zur Führung der Bezeichnung„Außerplanmäßiger Professor“ für DozentDr. Gert Hübner und für PD Dr. ArminSablotzki. Der Antrag für Herrn PD Dr.Hans-Peter Gittel wurde von der Tagesord-nung genommen, ebenfalls der Antrag aufBestellung von Dr. Ulrich Brieler zumHonorarprofessor. In geheimer Abstim-mung befürwortete der Senat den Antragauf Übertragung der mitgliedschaftsrecht-lichen Stellung eines Hochschullehrers anProfessor Dr. Roland Schuhr.

4. Graduierungen: Der Senat nahm dieEröffnung des Habilitationsverfahrens zurKenntnis von Dr. Jeanett Edelmann, Dr.Antje Körner, Dr. Regina Treudler, Dr.Thoralf Lange, Dr. Ardawan Rastan, Dr.Andreas Dafinger, alle Medizinische Fa-kultät; von Dr. Peter Wollny, Fakultät fürGeschichte, Kunst- und Orientwissen-schaften. Weiterhin nahm der Senat denAbschluss des Habilitationsverfahrens zurKenntnis von Dr. Stefan Keym, Fakultät fürGeschichte, Kunst- und Orientwissen-schaften und von Dr. Maren Witt, Sport-wissenschaftliche Fakultät.

5. Besondere universitäre Angelegenhei-ten: Der Senat stimmte der Verschiebungder Einrichtung des Masterstudienganges„Literarisches Schreiben“ auf das Winter-semester 2009/2010 zu. Der Senat verstän-digte sich darauf, über eine Stellungnahmezum Haushaltsvoranschlag für die Jahre2009/2010 in der Sondersitzung des Sena-tes am 19. Februar 2008 zu befinden. EineFormulierung soll vom Vorsitzenden derHaushaltskommission, Dekan Denzel, inAbstimmung mit dem Rektor vorbereitetwerden. Weiterhin beschloss der Senat dieOrdnung zur Errichtung und zum Betriebvon Einrichtungen zur Videoüberwachung.

6. Akademische Angelegenheiten: DerSenat beschloss die folgenden Studien-dokumente: Die Ordnung für die fakultäts-übergreifenden Schlüsselqualifikationen,die Prüfungsordnung für den Masterstu-diengang Logik, die Studienordnung fürden Masterstudiengang Logik. Der Senatstimmte der vorgeschlagenen Änderungder Zusammensetzung der Bibliotheks-kommission zu, ebenso der vorgeschlage-nen Änderung der Zusammensetzung derGraduiertenkommission.

7. Der Senat nahm die Information desRektors über die öffentliche Diskussionbezüglich des sog. „Marx-Reliefs“ zurKenntnis. Außerdem erörterte der Senatdie Problematik um den Hochschulpakt2020.

Prof. Dr. F. Häuser Dr. B. AdamsRektor Pressereferentin

ForschungsergebnisseLeipziger Nachwuchs-wissenschaftlerNeues Buch zurUnigeschichteDer Weg zur fünfbändigen Universitäts-geschichte für das Jubiläumsjahr 2009 istlang und beschwerlich. Dass es mit denVorarbeiten voran geht und dass zahlreicheForschungsvorhaben in den vergangenenJahren auf einen guten Weg gebracht wor-den sind, belegt eindrucksvoll der nunvorliegende 16. Band der Leipziger uni-versitätsgeschichtlichen PublikationsreiheBLUWiG. Die Beiträge zur Leipziger Uni-versitäts- und Wissenschaftsgeschichtewerden von der Kommission für Universi-tätsgeschichte im Auftrag des Rektors he-rausgegeben. Mit der Reihe soll vor allemdem wissenschaftlichen Nachwuchs einForum zur Veröffentlichung und Diskus-sion seiner universitätsgeschichtlichenForschungen geboten werden.Das 500 Seiten starke Buch, herausgege-ben von dem Leipziger Universitätshistori-ker Detlef Döring, deckte eine umfang-reiche Themenpalette der LeipzigerUniversitätsgeschichte ab. Die zeitlicheSpanne der Beiträge reicht vom spätenMittelalter bis in die jüngste Vergangen-heit. Sachlich sind die Aufsätze in vierFragekomplexe geordnet: Das Verhältnisder Hochschule zu „Staat“ und Stadt;Studenten und Universität; Die wirtschaft-liche und finanzielle Situation der Uni-

Heft 2/2008 35

Gremien | Jubiläum 2009

Sitzung des Senatsam 12. Februar

Page 37: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

Jubiläum 2009

versität vom Mittelalter bis ins 19. Jahr-hundert sowie Die Universität in Krisen-zeiten.Die Qualität der einzelnen Beiträge variiert– allerdings wird man keinem der Autorenattestieren können, sich eines bereits hin-länglich erforschten Gegenstandes gewid-met zu haben. Der Neuigkeitswert dermeisten Abhandlungen ist beachtlich.Methodisch spiegeln die Aufsätze die ge-samte Breite der modernen Universitätsge-schichte wider: Einen neuartigen Ansatzzur Erforschung der studentischen Sozial-geschichte im 18. Jahrhundert verfolgtetwa Anja Pohl mit der Auswertung vonNachlassakten, während Thomas Töpferim Sinne einer komparativen Bildungs-und Wissenschaftsgeschichte nach derBedeutung der Hochschulen in Leipzigund Wittenberg in der mitteldeutschenBildungslandschaft des Reformationsjahr-hunderts fragt. Der früh verstorbene Neu-zeithistoriker Markus Huttner hatte fürseinen auf hohem Niveau reflektiertenVortrag die Entstehung der Geschichtswis-senschaft als akademischer Disziplin ge-wählt.Die wirtschaftlichen Aspekte der Universi-tätsfinanzierung und des Studentenlebensstellen die fundierten Beiträge von MarkusCottin, Beate Kusche, Wolfgang Tischnerund Katrin Löffler heraus. Wobei die Letzt-genannte dem Leser eine ebenso quellen-fundierte wie interpretationsfreudige Stu-die zur Alltagsgeschichte der Studenten im18. Jahrhundert bietet.Neben vielen weiteren wichtigen Aufsät-zen sei zum Abschluss noch auf den geis-tes- und sozialgeschichtlich profiliertenBeitrag des Herausgebers Detlef Döringzur Rezeption des Epochenereignisses derFranzösischen Revolution an der Universi-tät Leipzig hingewiesen.Der Leser erhält mit dem Band einen um-fassenden Überblick über neuere empiri-sche Forschungen zur Geschichte der Almamater Lipsiensis. Sowohl in Form eigen-ständiger Forschungsleistungen für dieUniversitätsgeschichte als auch zur breitenInformation einer historisch interessiertenÖffentlichkeit werden die Beiträge vondauerhaftem Wert sein. Sebastian Kusche,

Kommission für Universitätsgeschichte

Detlef Döring (Hrsg.): Universitätsgeschichteals Landesgeschichte. Die Universität Leipzigin ihren territorialgeschichtlichen Bezügen(Beiträge zur Leipziger Universitäts- und Wis-senschaftsgeschichte, Reihe A, Bd. 4), Leipzig2007, Evangelische Verlagsanstalt Leipzig, 504Seiten, 68,– Euro

Samuel Theodor Quellmaltz(1696–1758)

gestochen von Sysangnach einem Gemälde von Hausmann

(veröffentlicht 1752)

Zwar „krancken Leibes im Bette liegend“,aber bei klarem Verstand machte derMedizinprofessor Samuel Theodor Quell-maltz drei Tage vor seinem Tod, der am10. Februar 1758 eintrat, sein Testament inAnwesenheit mehrerer Universitätsan-gehöriger. Der unverheiratet gebliebeneQuellmaltz, der sparsam gelebt hatte, er-wies sich als Gönner der Universität, denner vererbte der Medizinischen Fakultät,dem Witwenfiskus und dem Großen Fürs-tenkolleg ansehnliche Kapitalien und stif-tete einige Stipendien für Medizinstuden-ten, nicht ohne dem Schreiber in die Federzu diktieren, dass die „Subjecta“ ihreStudien „gründlich tractiren“ müssten, an-dernfalls sollten sie das Beneficium ver-lieren.Als Mediziner verdient Quellmaltz wegeneiner originellen Erfindung, dass man sichseiner erinnert: Er publizierte 1735 einelateinisch-deutsche Schrift, in der er derÖffentlichkeit eine „Motionsmaschine“vorstellte, die er selbst konstruiert hatte.Diese Maschine aus Stangen, Seilen undRollen, die im wesentlichen auf dem He-belprinzip basierte, ahmte die Bewegungeneines Pferdes nach und sollte dadurch ge-sundheitsfördernd wirken. Zugrunde lagein mechanistisches Menschenbild, demzufolge der Körper eine (hydraulische)Maschine war, deren Leben davon abhing,dass die Säfte, vor allem das Blut, in Be-wegung blieben. Der Vorteil der Reit-maschine, die an Deckenbalken oderWandhaken zu befestigen war, bestand da-rin, dass sie im Unterschied zur Konkur-renz zuverlässig war: Ein Mietpferd könnesteif oder lustlos sein, und für Frauen undKranke sei das Reiten ohnehin weniggeeignet, so argumentierte Quellmaltz. Da-gegen ließen sich Trab und Galopp des höl-zernen „Pegasus“, wie er seine Erfindungauch nannte, individuell dosieren, und man„ritt“ überdies in der trockenen und war-men Stube. Bemerkenswert an der Erfin-dung ist nicht nur das Bewusstsein, mittelsTechnik die Natur zu übertreffen, sondernauch der aufklärerische Impetus, theoreti-sches Wissen praktisch umzusetzen.Quellmaltz, 1696 in Freiberg geboren, ent-stammte einer angesehenen Gelehrten-familie. Er studierte in Leipzig Medizin,wurde 1729 außerordentlicher Professorund arbeitete sich nach dem damaligenAnciennitätsprinzip in der Hierarchie nachoben, bis er kurze Zeit vor seinem Tod nochdie oberste Professur (für Therapie) erhielt.

Dr. Katrin LöfflerKommission für Universitätsgeschichte

36 journal

Die Reihe „Gesichter der Uni“ erscheintseit April 2004 im Uni-Journal.In ihr sollen neben den berühmten „gro-ßen Köpfen“ der Alma mater auch we-niger bekannte Universitätsangehörigevorgestellt werden. Dunkle Kapitelder 600-jährigen Universitätsgeschichtebleiben dabei nicht ausgespart. Betreutwird die Rubrik von der Kommission zurErforschung der Leipziger Universitäts-und Wissenschaftsgeschichte. Anregun-gen und Manuskripte (mit Bildvorschlä-gen) richten Sie bitte an:[email protected]

Auf einen Blick finden Sie die„Gesichter“ im Internet unterwww.uni-leipzig.de/journal/gesichter

Gesichterder Uni

Page 38: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

Neuberufen:

Lars-Ch. HornDer neuberufene W2-Professor fürMamma-, Gynäko- und Perinatalpatholo-gie Dr. med. habil. Lars-Christian Hornwurde im Erzgebirge geboren und studiertein Leipzig Medizin. Seine Facharztausbil-dung erhielt er unter anderem in Leipzig,Münster, Wiesbaden und Regensburg so-wie an der University of British Columbiain Vancouver/Kanada. Schwerpunkte sei-ner Arbeit sind die Mamma-, Urogenital-,Plazenta- und Perinatalpathologie. Interna-tional bekannt wurde der Facharzt fürPathologie und Laborleiter am Institut fürPathologie der Universität Leipzig durchseine Arbeiten zum Bioprofiling und derTumor-Matrix-Interaktion sowie der Tu-morausbreitung bei gynäkologischen Tu-moren, speziell dem Zervixkarzinom undseinen Untersuchungen zu den schwanger-schaftsbedingten Trophoblasterkrankun-gen. Seine Arbeiten sind stark interdiszip-linär angelegt. In der engen Verzahnungzwischen Grundlagen- und angewandterForschung sowie zwischen Klinik und Pa-thologie sieht Professor Horn generell dieBasis für eine erfolgreiche Weiterentwick-lung. An Leipzig reizt ihn dabei besondersdie gute Infrastruktur in der Forschung,verbunden mit der Aufgeschlossenheit derhiesigen Arbeitsgruppen für interdiszipli-näre und interinstitutionelle Fragestellun-gen.Sein Ziel ist es, ein Referenz- und Konsul-tationszentrum für Gynäkopathologie amInstitut für Pathologie zu etablieren undForschungsergebnisse möglichst schnell indie klinische Praxis zu überführen. „Dabeileistet die Pathologie einen ungemeinwichtigen Beitrag, um für die Patienteneine individuelle Therapie zu gestalten,die die Heilungsschancen verbessert“, sagter.Fit für seine Vorhaben hält ihn der Sport.Ausdauersportarten wie Marathon, und In-door-Cycling, aber auch Treppenläufe ge-hören fest in sein Programm. B. A.

Neuberufen:

Tom LindnerSeit 15. Januar hat Prof. Dr. med. TomLindner die Leitung der Abteilung Neph-rologie der Medizinischen Klinik III imDepartment für Innere Medizin übernom-men.Lindner wurde im November 1966 in Halle(Saale) geboren und studierte an der Hum-boldt-Universität sowie an der Medizini-schen Akademie Dresden Humanmedizin.Nach seinem Staatsexamen im Jahr 1994arbeitete er bis 1996 am Universitätsklini-kum Dresden in der Abteilung Endokrino-logie und Stoffwechselerkrankungen, woer 1995 auch promovierte. Von 1995 bis1998 arbeitete er am Howard HughesMedical Institut der University of Chicago,wo er zur Genetik des Diabetes mellitusforschte. Von 1998 bis 2005 war er zu-nächst am Max-Delbrück-Center für Mo-lekulare Medizin Berlin-Buch und späteram Universitätsklinikum Würzburg sowohlklinisch als auch wissenschaftlich tätig.2002 habilitierte er sich zum Thema „Mo-lekulargenetik des Typ-2 Diabetes melli-tus“ und erwarb in den darauffolgendenJahren Zusatzqualifikationen für die In-nere Medizin, als Diabetologe, Nephrologeund Hypertensiologe. Von 2005 bis zu sei-nem Wechsel nach Leipzig war Lindner alsNephrologe an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen tätig.Im Rahmen seiner klinischen und wissen-schaftlichen Arbeit will er die qualitativhochwertige Nephrologie in der Kranken-versorgung weiter ausbauen und paralleleine nephrologische Forschung etablieren.„Wir erleben derzeit einen Übergang derkonventionellen Medizin in eine mehr mo-lekulare Medizin“, so Lindner. „Hier ergibtsich für uns ein sehr großer Gestaltungs-spielraum zum Wohle der Patienten.“ Auchauf die Lehre habe diese Entwicklunggroßen Einfluss. Lindner will deshalbOberseminare für besonders talentierteStudenten anbieten. In seiner Freizeit istder Mediziner gern handwerklich tätig,treibt Sport und interessiert sich für Pro-grammierung und Bioinformatik. H. L.

NOMENDie Kolumne von Namenforscher

Prof. Dr. Jürgen Udolph

Der Familienname „Lindner“Der Familienname Lindner lässt sich unterrund 38 Millionen TelefonteilnehmernDeutschlands fast 20 000 Mal nachweisen.Er ist also sehr häufig, wenn man davonausgeht, dass die normale Verbreitungeines Familiennamens zwischen 400 und500 Mal liegt.Eine von Mario Fraust (Leipzig; Gen-evolu.de) neu entwickelte Kartierung auchhistorischer Daten zeigt ein sehr interes-santes Bild (blau: heutiges Telefonver-zeichnis; rot: historische Daten).Dadurch wird deutlich, dass der Name ineinem relativ begrenzten Bereich ent-standen ist. Vor allem Franken, Nordwest-bayern, das Rheinland, Baden, Württem-berg und Schlesien zeigen frühen und ho-hen Anteil an der Streuung; ganz besondersauffällig ist die Häufung in Sachsen.Die Forschung ist sich sicher, dass derName mit der Linde in Verbindung steht,schwankt aber bei der Erklärung, ob voneiner Ableitung von einem Ortsnamen,einem Örtlichkeitsnamen oder einemHausnamen auszugehen ist.Es spricht meines Erachtens viel dafür,einen Örtlichkeitsnamen vorzuziehen. BeiHerleitung von Ortsnamen müsste dieStreuung gleichmäßiger ausfallen (es gibtzahlreiche Ortsnamen, die den Baum-namen enthalten). Bei einem Hausnamenwäre ein höherer Anteil im deutschen Süd-westen zu erwarten. Daher wird man wohlvon einem Wohnstättennamen auszugehenhaben, am ehesten davon, dass der ersteNamensträger in der Nähe einer Lindesiedelte oder wohnte.

Heft 2/2008 37

Personalia

Page 39: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

Personalia

Neuberufen:

Vera DenzerSie ist in Leipzig keine Fremde: ProfessorDr. Vera Denzer. 2005 bis 2007 vertrat diezuvor in Frankfurt/Main tätige Anthropo-geographin die Professur für Anthropo-geographie an der Universität Leipzig, dieseit der Emeritierung von Professor HelgaSchmidt vakant war. Auch in ihrer For-schung war Professor Denzer mit demsächsischen Raum vertraut: Sie bearbeiteteam Beispiel sächsischer Großstädte dasThema „Zur Produktion des symbolischenOrts“. Darunter versteht sie Bedeutungszu-schreibungen von Orten im Kontext vonIdentifikationsprozessen und imageprofi-lierenden Maßnahmen. Sie beschäftigt sichmit aktuellen Fragen der städtischen Pla-nung und Entwicklung. Dabei setzt sie sichmit Fragen der Stadtflucht ebenso ausein-ander wie mit der Wiederbelebung vonInnenstädten. In den mitteldeutschen Städ-ten, aber auch in Städten Osteuropas unter-sucht sie die Auswirkungen der Trans-formationsprozesse, die seit den frühen1990er Jahren ganze Gesellschaften um-krempelten. Darüber hinaus forscht sie zuOrten des Erinnerns und Vergessens undmöchte dies gerne im Bereich des profil-bildenen Forschungsbereichs RiskanteOrdnungen fortsetzen. Im Rahmen derKulturlandschaftsforschung gilt ihrAugen-merk auch der Schaffung künstlicherLandschaften.So erforscht sie beispielsweise mit Kolle-gen aus Heidelberg und Saarbrücken diesogenannten Stadtstrände, die die Illusionvon Strand, Urlaub und Sonne wiederspie-geln, und die keineswegs nur junge Leuteanlocken. Kritisch wird hinterfragt: Werhat sie wie gestaltet? Wer profitiert davon?Welche Werte manifestieren sie?Vera Denzer gehört zu den Glücklichen,bei denen die beruflichen Interessen mitden privaten zusammenfließen. Sie genießtdie neuen und alten Kulturlandschaften inund um Leipzig, unter anderem auf Inline-Skatern, kehrt aber auch Leipzig durchausgern einmal den Rücken für neue Ein-drücke in der Fremde. B. A.

Geburstage

Theologische Fakultät65. GeburtstagProf. Dr. Helmut Hanisch, Direktor desInstituts für Religionspädagogik, am13. April

Fakultät für Sozialwissenschaften undPhilosophie65. GeburtstagProf. Dr. Siegfried Gottwald, Institut fürLogik/Wissenschaftstheorie, am 30. März

Sportwissenschaftliche Fakultät65. GeburtstagDoz. Dr. Hartmut Herrmann, Institut fürAllgemeine Bewegungs- und Trainings-wissenschaft, am 12. April

Der Rektor der Universität Leipzig und dieDekane der einzelnen Fakultäten gratulie-ren herzlich.

(Die Geburtstage werden der Redaktiondirekt von den Fakultäten gemeldet. DieRedaktion übernimmt für die Angabenkeine Gewähr. Das gilt auch für deren Voll-ständigkeit.)

Kurz gefasstDie Leipziger Tierärztin Dr. ClaudiaNöller hat auf dem 4. Leipziger Tierärzte-kongress den begehrten, mit 2.500 Eurodotierten Leipziger Innovationspreis fürTiermedizin in der Kategorie „Lehre, For-schung, Entwicklung“ erhalten. Mit der ander Klinik für Kleintiere der UniversitätLeipzig tätigen Tierärztin „wird eine über-aus erfolgreiche und hochmotivierte viel-versprechende junge Nachwuchswissen-schaftlerin ausgezeichnet“, erklärte derDekan der Veterinärmedizinischen Fakul-tät, Professor Dr. Klaus Fehlhaber. Erverwies auf ihre umfangreichen und hoch-wertigen wissenschaftlichen Arbeiten, ihreBeiträge in tieranatomischen Lehrbüchernund ihre Vorträge auf Kongressen.

Prof. Dr. Karen Nieber, Geschäftsfüh-rende Direktorin des Instituts für Pharma-zie, wurde als Vertreterin der Pharmaziezum Mitglied in den Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht beimBundesministerium für Gesundheit beru-fen.

Prof. Dr. Elmar Brähler, Leiter der Abtei-lung für Medizinische Psychologie undMedizinische Soziologie, wurde in denWissenschaftlichen Beirat der Zeitschriftfür Sexualforschung aufgenommen.

Die Research Academy Leipzig (RAL) hatden Promotionspreis 2007 an Dr. KristianFranze vom Graduiertenkolleg InterNeuroverliehen. Der Preis wird vergeben um he-rausragende Leistungen in der Promotionauszuzeichnen. Kristian Franze hat seineArbeit zum Thema „Mechanical and Opti-cal Properties of Nervous Tissue and Cells“geschrieben und ist derzeit an der Univer-sity of Cambridge als Forschungsassistenttätig.

Dr. Robert Paul O’Shea von der Univer-sity of Otago in Neuseeland wird sich fürein Jahr als Gastwissenschaftler am Insti-tut für Psychologie I aufhalten. Dr. O’SheasForschung liegt im Bereich der visuellenWahrnehmung. In der Arbeitsgruppe umProf. Dr. Erich Schröger wird er sich mitPhänomenen der monokularen und bino-kularen Rivalität beschäftigen.

Prof. Dr. Stefan Berger, Institut für Ana-lytische Chemie, wurde auf eine drei-wöchige Gastprofessur an der UniversitätStellenbosch, Südafrika, berufen.

Oberarzt Dr. Dr. Holm Uhlig, Universi-tätsklinik für Kinder und Jugendliche ge-wann das ECCE Grant der European CrohnColitis Organization in Höhe von 15.000Euro. Titel der preisgekrönten Arbeit ist:„Immunosuppressive drugs and Foxp3+regulatory T cell activity in inflammatorybowel disease”.

Prof. Dr. Joachim Mössner, Direktor derMedizinischen Klinik II, wurde erster Leit-linienbeauftragter der Deutschen Gesell-schaft für Innere Medizin (DGIM). Damitist Professor Mössner Ansprechpartner inallen Fragen zu neu entstehenden und be-reits bestehenden Leitlinien. Zu den Auf-gaben gehört auch die Beantwortung vonAnfragen des Instituts für Qualität undWirtschaftlichkeit.

Die Robert-von-Ostertag-Plakette, die seit1964 als äußeres Zeichen der Würdigungund in Anerkennung besonderer Verdiensteum den tierärztlichen Berufsstand und umdie Verwirklichung und Förderung derAufgaben der Bundestierärztekammer anTierärzte und Persönlichkeiten des öffent-

38 journal

Page 40: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

lichen Lebens verliehen wird, erhielt aufdem 4. Leipziger Tierärztekongress Prof.Dr. Eberhard Grün, ehemals Veterinär-medizinische Fakultät.

Wissenschaftler um Prof. Dr. Reichen-bach vom Paul-Flechsig-Institut für Hirn-forschung werden mit dem Cozzarelli-Preis 2007 geehrt. Die Auszeichnung wirdjährlich von der Fachzeitschrift Procee-dings of the National Academy of Sciences(PNAS) für Publikationen vergeben, diesich durch hervorragende wissenschaft-liche Leistungen auszeichnen. Die For-scher aus Leipzig, deren Publikation mitfünf weiteren aus mehr als 3600 Beiträgenausgewählt wurde, erhalten den Preis imBereich Biowissenschaften für den Artikel„Muller cells are living optical fibers in thevertebrate retina“.

Thomas Cordes, Abteilung MedizinischePsychologie und Medizinische Soziologie,wurde als Verantwortlicher des Projektes„GeKomm – Gesundheit braucht Kommu-nikation“ im Rahmen des bundesweitenWettbewerbs startsocial 2006 mit einemBeratungsstipendium ausgezeichnet. Start-social ist eine Initiative der Wirtschaft undsteht unter der Schirmherrschaft von Bun-deskanzlerin Angela Merkel. Das Projekterhielt außerdem vom Bündnis fürDemokratie und Toleranz eine Urkundeüber vorbildliches und nachahmenswerteszivilgesellschaftliches Engagement.

Im WS 2007/2008 wurde vom Institut fürAnglistik eine fakultätsübergreifendeSchlüsselqualifikation „Universalspra-chen“ angeboten. Das Modul war ein Dritt-mittelprojekt und wurde von der Esperan-tic Studies Foundation (USA) finanziert.Im Mittelpunkt der Vorlesungen und Semi-nare bei PD Dr. Sabine Fiedler stand dasbewusste Schaffen von Sprachen unter Be-rücksichtigung sowohl linguistischer alsauch sprachpolitischer und interkulturellerAspekte. Den Schwerpunkt bildete das1887 von L. L. Zamenhof initiierte Espe-ranto. In einem Exkurs wurden erfundeneSprachen der Science-Fiction- und Fan-tasy-Literatur behandelt, wie Klingonischoder die Tolkien’schen Sprachen. Zum Mo-dul gehörte außerdem ein Esperanto-Sprachkurs bei Alida Kaplick.

Mit einer der höchsten Auszeichnungen fürNachwuchswissenschaftler in der Tierme-dizin wurde PD. Dr. Getu Abraham vomInstitut für Pharmakologie, Pharmazie und

Toxikologie der VeterinärmedizinischenFakultät der Universität Leipzig ausge-zeichnet. Der mit 5.000 Euro dotierte För-derpreis wird jährlich von der Akademiefür Tiergesundheit verliehen. Der Preiswurde an PD Dr. Abraham für seine he-rausragenden Arbeiten „zur Charakterisie-rung und Beeinflussung autonomer Rezep-toren im Tracheobronchialbaum beimPferd“ vergeben.

Prof. Dr. Hubert Seiwert, Direktor desInstituts für Religionswissenschaften,wurde zum Vizepräsidenten der EuropeanAssociation for the Study of Religions ge-wählt.

HabilitationenFakultät für Biowissenschaften, Pharmazie undPsychologieDr. Thomas Gruber (2/07):Signatures of memory traces in the brain. InducedGamma Band Responses in the human EEG: Morpho-logy, manipulation, use-dependent plasticityDr. Marcus Stück (5/07):Entwicklung und empirische Überprüfung eines Be-lastungsbewältigungskonzeptes für den LehrerberufDr. Marcel Braß (7/07):Das inferior-frontale Kreuzungsareal und seine Rollebei der kognitiven Kontrolle unseres VerhaltensDr. Thomas Berendonk (7/07):Analyse historischer und rezenter ökologischer Pro-zesse und deren Einfluss auf die genetische Diversi-tät einer Art

Fakultät für Chemie und MineralogieDr. Olaf Klepel (9/07):Beiträge zur templatgestützten Synthese von Kohlen-stoffmaterialien

Erziehungswissenschaftliche FakultätDr. Jonas Flöter (2/07):Eliten-Bildung in Sachsen. Ausbildungssystem undSozialstruktur der sächsischen FürstenschulenGrimma und Meißen von der Gründerzeit bis zumEnde der Weimarer Republik. Lehrbefähigung für dasFachgebiet „Allgemeine Pädagogik unter besondererBerücksichtigung der Historischen Bildungsfor-schung“Dr. Sonja Steier (9/07):Polnische Pädagogik in der sozialistischen Ära – na-tionale Traditionen und internationale Bezüge. Einebildungs- und wissenschaftsgeschichtliche Untersu-chung. Lehrbefähigung für das Fachgebiet „Verglei-chende Pädagogik“

Fakultät für Physik und GeowissenschaftenDr. Michael Lorenz (2/08):Gepulste Laser-Plasmaabscheidung (PLD) von oxidi-schen Dünnfilm- und Nanostrukturen

Fakultät für Geschichte, Kunst- undOrientwissenschaftenDr. Stefan Keym (1/08):Symphonie-Kulturtransfer. Untersuchungen zum Stu-dienaufenthalt polnischer Komponisten in Deutsch-

land und zu ihrer Auseinandersetzung mit der sym-phonischen Tradition 1867–1918

Fakultät für Mathematik und InformatikDr. Andreas Lasarow (2/08):Einige Anwendungen der Szegö-Theorie orthogona-ler rationaler Matrixfunktionen auf Extremal- und In-terpolationsprobleme in der matriziellen Carathéo-dory-Klasse

PromotionenFakultät für Biowissenschaften, Pharmazie undPsychologieMaik Friedrich (6/07):Untersuchungen zur Charakterisierung der humanenMono-ADP-Ribosyltransferase ART3Stephanie Schmidt (6/07):Molecular analyses of ciliates: implications on spe-cies differentiation and phylogenyJacqueline Maier (6/07):DNA damage and spontaneous mutagenesis in thethyroid gland of rats and mice under the influence ofiodine and/or selenium deficiencyUlrica Dengl (6/07):Aktuelle Fragestellungen zur Analytik von Dimen-hydriant und Molsidomin im Rahmen der Qualitäts-sicherung von ArzneimittelnCornelia Deckert (6/07):Molecular aspects of Adiponectin ReceptorsSusan Kralisch (6/07):Adipokines: Link Between Insulin Resistance andObesityPeter Horchler (7/07):Regenerationsprozesse in einem Tiefland-Regenwaldim Süden VenezuelasChristian Wilms (7/07):Postnatale Entwicklung inhibitorischer Systeme imZNS-Quantifizierung der intrazellulaeren Chlorid-HomeostaseAngela Schmidt (7/07):Einfluss aktivierter Gliazellen auf den Wiedereintrittvon Neuronen in den ZellzyklusGrit Franke (7/07):Explikation und Modifikation subjektiver Theorienschwerhöriger Rehabilitanden über Beratungsgesprä-cheNicholas Mulcahy (7/07):Mental Representation, Causal Reasoning, and FuturePlanning in Great ApesSteffen Nestler (7/07):Creeping determinism and casual models: About theinfluence of processing load on the magnitude of thehindsight biasAllison Cleveland (7/07):Joint Attention during the first yearSteffen Rodewald (10/07):Partialsynthetische Abwandlung biologisch aktiverNaturstoffe aus der Reihe der Lincosamine, Tetracy-cline und FlavonoideRandy Kurz (10/07):Entwicklung eines Kardiomyozyten-basierten Bio-sensors zur Detektion von AT1A-Autoimmunantikör-pernHeiko Wagner (10/07):Die molekularen und physiologischen Besonderhei-ten der Biomasseproduktion in DiatomeenIna Meiners (10/07):Nachweis und Charakterisierung von neuen Bin-dungsproteinen und Rezeptoren für Advanced Glyca-tion End Products

Heft 2/2008 39

Personalia

Page 41: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

Personalia | UniVersum

Sahar Hassanien (10/07):Studies on the regulation of xylanase genes in Peni-cillium verruculosumSascha Nico Stumpp (10/07):Gerichtete Evolution zur Identifikation von Variantender Reversen Transkriptase von HIV-1 mit verringer-ter PolymerisationsgenauigkeitCaroline Augspurger (10/07):Untersuchungen zum Differenzierungszustand drei-dimensionaler Gewebekulturen im CellChip-basier-ten Bioreaktor am Beispiel der humanen Hepatokar-zinom-Zelllinie HepG2 und primärer Rattenhepato-zytendiumMitja Back (10/07):Spontane interpersonelle Attraktion und Persönlich-keit: Eine längsschnittliche Social Relations AnalyseNicole Wetzel (10/07):Die unwillkürliche Ablenkung der Aufmerksamkeitund deren Kontrolle bei Kindern und ErwachsenenBeate Sabisch (10/07):Mechanisms of auditory sentence comprehension inchildren with specific language impairment and chil-dren with developmental dyslexia A neurophysiologi-cal investigationChristian Sander (10/07):Der Gesundheits-Q-Sort; Entwicklung und empiri-sche Erprobung eines Q-Sort-Verfahrens zur Mes-sung von Selbst- und Idealkonzepten der GesundheitFrank Oppermann (10/07):Phonologische Aktivierungsprozesse bei der Benen-nung szenisch kohärenter DarstellungenRalf Kirschner (11/07):Transkriptionelle Regulation neuer Zielgene der p53/p63-FamilieRobert Rennert (11/07):Synthesis and Applications of hCT-derived CarrierPeptidesEsther Lizano Gonzalez (11/07):Comparative analysis of tRNA nucleotidyltransfera-sesMatthias Hermes (11/07):Konditionale Expression von Her2/NeuT: Einflussauf die Zell- und TumorentwicklungAntje Wurm (11/07):Volumenregulation von Müllerzellen in der postnata-len und pathologisch veränderten NetzhautMelanie Dörrie (11/07):Auswirkungen von Lärmschwerhörigkeit auf die zen-tral-auditive VerarbeitungClaudia Barelli (11/07):Female reproductive strategy and behavioural endo-crinology in wild white-handed gibbons, HylobateslarChristine Reinemann (11/07):Aptamere als neue molekulare Erkennungselementefür BiosensorenHarald Kellner (11/07):Diversity and expression of fungal and bacteriallaccase genes in soils and culturesHolger Jäschke (11/07):Structural requirements for TSH receptor activationand characterization of the binding pocket of the firstlow molecular weight TSH receptor ligandEllen Ramminger (11/07):Identifikation neuer Interaktionspartner des Mikrotu-buli-assoziierten Proteins TAU und Charakterisierungdes AxotrophinsKathrin Ohla (11/07):Linking perception, attention and behaviour to highfrequency oscillations in the human brain

Herr Dr. Brieler, als Organisator desSonntagsgesprächs treten Sie das Erbevon Prof. Georg Meggle an. Wie kam esdazu?Wie in anderen Lebenslagen gab es unter-schiedliche Kontaktpunkte. Zum einenkannte ich Professor Meggle aus seinerArbeit am Philosophischen Institut undwar zudem recht regelmäßiger Besucherder Sonntagsgespräche. Zum zweiten warich seit Beginn der Reihe der städtischeVertreter im Beirat der Sonntagsgesprächeund in die inhaltliche Entwicklung mit ein-gebunden.Das wichtigste aber: Es hat sich über un-sere Kontakte ein Moment des Vertrauensund der geistigen Wahlverwandtschaft er-geben. Wir haben uns schlicht erkannt. Sodass ich, als Herr Meggle die Frage auf-warf, ob ich an seine Stelle als Organisatorder Sonntagsgespräche treten möchte, miteinem klaren „Ja“ geantwortet habe. Mitder Rückendeckung durch das Rektorats-kollegium und den Oberbürgermeisterhabe ich dann begonnen, ein Programm fürdas Jahr 2008 aufzustellen.

Ist es ein Zeichen dafür, dass Universitätund Stadt näher zusammenrücken?Zumindest ist dies unsere feste Absicht.Gerade im Zusammenhang des Universi-tätsjubiläums hat sich eine neue qualitäts-volle Form der Kooperation entwickelt, diewir noch sichtbarer machen sollten. Es hört

sich furchtbar banal an, ist aber die simpleWahrheit: Stadt und Universität braucheneinander.Für das Sonntagsgespräch bedeutet das:Die Stadt Leipzig unterstützt ausdrücklichdie Idee einer kritischen Öffentlichkeit,eines Raumes, in dem sich unkonventio-nelle, spannende, ja vielleicht auch provo-kative Meinungen einem klugen Publikumpräsentieren. Das intellektuelle Flair einerStadt lebt eben auch von der Wahrnahmedieses kritischen Mandats der Universität.

Die Sonntagsgespräche waren meisthochrangig besetzt. Worauf dürfen sichdie Besucher künftig freuen?Für das kommende Sommer- und Winter-semester haben wir uns für das Thema„1968“ entschieden. Wir werden Zeitzeu-gen zu Gast haben, die als Akteure derEreignisse diese zum Stoff nachträglicherReflexion gemacht haben.Für das Jahr des Universitätsjubiläumswollen wir uns etwas näher die Strukturender globalen Welt anschauen, gemeinsammit Theoretikern und Politikern, die sichmit der Entwicklung des Weltmarktes,neuer Gestalten politischer Herrschaft,aber auch mit dem beschäftigen, was dieFranzosen „altermondialisation“, also dieandere Form der Globalisierung, nennen.Ich denke hier etwa an Jean Ziegler, MikeDavis oder Naomi Klein. Aber diese Na-men gehören noch auf einen Wunschzettel.

40 journal

Geistige Wahlverwa ndtschaftDr. Ulrich Brieler lädt fortan zum „S

Das vorläufige Programm:

27. April 2008Jutta Ditfurth:„Rudi Dutschke und Ulrike Meinhof“

15. Juni 2008:Ingrid Gilcher-Holtey:„Die Phantasie an die Macht“.Mai ’68 und die globalen Protestbewe-gungen

Ende Juni 2008:Bernd Greiner:„Der Krieg der USA in Vietnam“

Ende Oktober 2008Hartmut Zwahr:„1968 in Leipzig“

November / Dezember 2008:Wolfgang Kraushaar:„1968 – ein Fazit“

Januar 2009:Daniel Cohn-Bendit:„Intellektuelle und Politik. Das Vermächt-nis von 1968“www.uni-leipzig.de/sonntag

Page 42: Vo nBurgwällen,Wissenschaftlern Ethische,ökonomische und ... · April 2008 Heft 2/2008 ISSN 1860-6709 Architektur,Stadtentwicklung, Sprache, Kunst und Literatur Die Stadt –gestern,

Heft 2/2008 41

UniVersum

Hier sollte eine enge Abstimmung mit demUniversitätskongress „Riskante Ordnun-gen“ erfolgen, aber auch mit einer interna-tionalen Konferenz, die wir als Stadt zum20. Jahrestag der Friedlichen Revolutionzum Thema „Demokratie im 21. Jahrhun-dert“ planen.Darüber müssen wir uns dringlich mit derzukünftigen Gestalt der so alten Geistes-wissenschaften beschäftigen, also mit dem,was sie als zeitgenössische und kritischeFormen des Wissens über den Menschensind und sein wollen. Aber das ist nochZukunftsmusik.

Was werden Sie Ihre Gäste fragen?Zunächst geht es in den Sonntagsgesprä-chen ja darum, dass sich interessante Wis-senschaftler und Intellektuelle dem Leipzi-ger Publikum mit Themen präsentieren, dieaktualitätspolitischen Charakter besitzenund dem Zuhörer neue Einblicke, besten-falls neue Erkenntnisse versprechen.Nachfragen sollten dabei in diese Richtungzielen: Wie können wir kluge Leute dazubringen, ihr Wissen unserem Verständnisder Welt dienlich zu machen? Vor einigenJahren antwortete der amerikanische So-ziologe Immanuel Wallerstein – in einemBuch, das der Leipziger Universitätsverlagzum 30. Jubiläum von 1968 veröffentlichte– auf die Frage, was ’68 heute bedeute:„Entscheidend ist nicht nur, was ein Ereig-nis in der Vergangenheit bedeutete, son-dern vor allem, welche Probleme es für dieZukunft aufwirft.“ Es geht also stets umNutzen und Vorteil des Wissens für das Le-ben. Mein Wunsch ist, dass die Gäste desSonntagsgesprächs klüger aus den jeweili-gen Veranstaltungen herauskommen, alssie in diese hineingehen.

Die Themen der Sonntagsgespräche wa-ren oft philosophischer Natur. Wo sehenSie künftig Schwerpunkte und Themen?Waren die Themen bisher wirklich philo-sophischer Natur? Es waren sicherlich inder Mehrzahl Philosophen vom Fach, dieHerr Meggle gewinnen konnte. Aber siehaben eben nicht als Fachphilosophen, son-dern als kritische Intellektuelle gespro-

chen. Noam Chomsky,Peter Singer, ManfredFrank oder Ted Hondrichhaben, jeder auf seineWeise, ihr Wissen in dieentsprechenden gesell-schaftlichen Kontextegesetzt. Um diesen Ver-such wird es auch weiter-hin gehen.Künftige Schwerpunkte?Gestatten Sie mir dieknappe Antwort: der ak-tuelle und wünschens-werte Zustand unsererWelt.Die Zielgruppe? Der kri-tische Geist ist stets füralle kritischen Geisteransprechbar. Dass man ineiner Universitätsstadtwie Leipzig zunächst andas universitäre und poli-tisch wache Publikumder Stadtgesellschaftdenkt, etwa an die nachTausenden zählendenStudenten der Geistes-wissenschaften, verstehtsich von selbst. Aber warum sollte mansich eine Selbstbeschränkung auferlegen?Warum sollten wir nicht die belesene Ver-käuferin bei Karstadt oder den interessier-

ten Journalisten des Universitätsjournalsgenau so gut ansprechen können?

Interview: Tobias D. Höhn

wa ndtschaft trifft kritischen Geistzum „Sonntagsgespräch“ – Schwerpunktthema 1968

Dr. Ulrich Brieler,der Mann hinterdem „Sonntags-gespräch“.

Foto: Jan Woitas

Dr. Ulrich Brieler wurde in Gelsenkirchengeboren, wuchs im Ruhrgebiet auf und stu-dierte in Bochum Germanistik, Geschichteund Erziehungswissenschaft auf Lehramtfür die gymnasiale Oberstufe. Während desStudiums engagierte er sich in der studen-tischen Selbstverwaltung, unter anderemals Vorsitzender des Allgemeinen Studen-tenausschusses.1995 promovierte er bei Jörn Rüsen überden französischen Philosophen und Histo-riker Michel Foucault.Nach einer Beschäftigung am Lehrstuhl fürGeschichtstheorie und Geschichtsdidaktik

der Universität Bochum und seinem Refe-rendariat wurde Brieler 1992 bei der StadtLeipzig angestellt, wo er seit dem in unter-schiedlichen Funktionen tätig ist, in derVergangenheit unter anderem im DezernatJugend/Schule/Sport. Derzeit arbeitet erim Geschäftsbereich des Oberbürgermeis-ters im Referat Grundsatzfragen. Nebenseinen programmatischen und strategi-schen Aufgaben ist Brieler mit der städti-schen Koordination der Universitätsfeier-lichkeiten 2009 und der Mitorganisationder Veranstaltungen zum 20. Jahrestag derFriedlichen Revolution betraut. r.

Der Organisator: Ulrich Brieler