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Prof. Dr. Wolfram Mauser Ludwig-Maximilians Universität München (LMU) Virtuelles Wasser, Weltagrarmarkt und Nachhaltigkeit – geht das?

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Prof. Dr. Wolfram Mauser Ludwig-Maximilians Universität München (LMU)

Virtuelles Wasser, Weltagrarmarkt und Nachhaltigkeit – geht das?

Das globale Ernährungssystem

# 2 24.5.2017 Ringvorlesung TUM

Klima- wandel

Umwelt

Sozio- kulturelles

Umfeld

Sozio- kulturelles

Umfeld

Nahrungs industrie

Betriebs- Ökonomie

Betrieb

Bauern

Geographie

Energie

Abfall

Wasser

Politik & Regierungsführung

Nahrungs Sicherheit

Zivile Sicherheit

A N G E B O T N A C H F R A G E

Konsumenten

Werte Wissen Präferenzen

Nahrung

Land

Demographie

Wissenschaft

Technologie

Ökonomie

Kapital

Wasser, Nahrung und SDGs

# 3 24.5.2017 Ringvorlesung TUM

Naturressourcen sind Grundlage der menschlichen Daseinsvorsorge: • Nahrung: >5 000 Milliarden $ Umsatz/a; Nachfrage wird bis 2050 um 70% steigen

(Biomassenutzung insgesamt um 100%) (FAO); Ernährungssicherheit, Ernährungsgerechtigkeit und nachhaltige Erzeugung bilden dabei ein Dreieck; es besteht der Imperativ zur nachhaltigen Intensivierung der Produktion

• Energie: >6 000 Milliarden $ Umsatz/a; Nachfrage wird sich bis 2040 verdoppeln (IEA);

Versorgungssicherheit, Energiegerechtigkeit und nachhaltige Erzeugung bilden ein Dreieck; es besteht der Imperativ zur Energiewende

• Wasser: >2 500 Milliarden $ Umsatz/a; Nachfrage wird sich bis 2050 um 55% erhöhen

(OECD); Konflikt zwischen grünem und blauem Wasser, Konkurrenz um Wasser zwischen Landwirtschaft und natürlichen Ökosystemen, Wasserqualität und Entsorgung; Imperativ für Mehrfachnutzung und Steigerung der Nutzungseffizienz

Herausragende ökonomische, soziale und ökologischen Bedeutung!!

Wasser, Nahrung und SDGs

# 4 24.5.2017 Ringvorlesung TUM

Wasser, Nahrung und SDGs

# 5 24.5.2017 Ringvorlesung TUM

Wo treffen sich Wasser und Landwirtschaft in den SDGs?:

• SDG 2: den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern. Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern.

• SDG 6: Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle gewährleisten.

• SDG 15: Landökosysteme schützen, wiederherstellen und ihre nachhaltige Nutzung fördern, Wälder nachhaltig bewirtschaften, Wüstenbildung bekämpfen, Bodenverschlechterung stoppen und umkehren und den Biodiversitätsverlust stoppen.

Wasser, Nahrung und SDGs

# 6 24.5.2017 Ringvorlesung TUM

Landwirtschaft ist global der größte Wassernutzer: • Globale Nahrungsmittelproduktion nutzt 7400 Gm³ Wasser pro Jahr:

• 78 % grünes Wasser • 12 % blaues Wasser • 10 % graues Wasser

Das sind 92 bis 98% der gesamten Wassernutzung!

• Wo ist das Problem, wenn das grüne Wasser, das für die Erzeugung landwirtschaftlicher Güter genutzt wird, Teil des Wasserkreislaufs ist und mit dem Niederschlag wieder zurück kommt?

• Das Problem ist nicht, dass die Landwirtschaft Wasser nutzt, um Nahrungsmittel zu erzeugen, wo vorher andere Pflanzen gewachsen sind.

• Das Problem ist, dass sie dabei viel zu viel Wasser verschwendet. Der heutigen Landwirtschaft fehlen für eine Verdopplung der landwirtschaftlichen Biomasseproduktion die Wasserressourcen!

Der Wasserfußabdruck der Menschheit

# 7 24.5.2017 Ringvorlesung TUM

Source: Hoekstra & Mekonnen (2012)

Der Wasserfußabdruck der Menschheit: Globale Wassernutzung in mm/a,

Gesellschaftlicher Wasserfußabdruck = Menge Wasser, die für die Erzeugung von Waren genutzt wird Wenn das mehr ist als der Niederschlag -> Problem!!

Wasser und Nahrung

# 8 24.5.2017 Ringvorlesung TUM

Source: Mekonnen and Hoekstra, HESS, 2010

Der Wasserfußabdruck von Weizen

Produkt-Wasserfußabdruck = Menge Wasser um eine Tonne einer Ware zu produzieren

Virtuelles Wasser

# 9 24.5.2017 Ringvorlesung TUM

Wasser, das zur Produktion von Handelsgütern genutzt wird, wird als virtuelles Wasser bezeichnet: • die Menge an Virtuellem Wasser in einem Handelsgut und damit sein Produkt-

Wasserfußabdruck hängt davon ab, wo und wie es produziert wurde!

-> eine Tonne Weizen enthält zwischen <1000 und >5000 m³ Virtuellen Wassers!!

Weltagrarsystem

# 10 24.5.2017 Ringvorlesung TUM

Nahrungsmittel werden gehandelt!

• notwendig, um Nachfrage und Angebot ins Gleichgewicht zu bringen • lokal:

• Landwirte verkaufen ihre Produkte auf lokalen Märkten • regional:

• Vermarktungsketten sammeln Produkte von Landwirten, transportieren sie zu den Konsumenten und verkaufen sie.

• global: • Handelsunternehmen kaufen Produkte (oder Optionen darauf) von

nationalen Vermarktungsketten, organisieren globalen Transport und verkaufen an nationale Vermarktungsketten.

Gut

Schlecht

Gut?

Schlecht?

Was passiert bei lokaler oder regionaler Nahrungsmittelknappheit (Missernte, etc.): Globaler Handel kann Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage ausgleichen! Handel mit Nahrungsmitteln ermöglicht es Menschen auch dort zu leben wo keine wachsen!

Weltagrarhandel

# 11 24.5.2017 Ringvorlesung TUM

Source: Mekonnen & Hoekstra (2010)

Nahrungsmittel werden gehandelt:

und mit ihnen das Virtuelle Wasser, das sie mit sich tragen

Handel und Produktion

# 12 24.5.2017 Ringvorlesung TUM

Source: Mekonnen & Hoekstra (2010)

Handel mit Nahrungsmitteln ermöglicht es Menschen auch dort zu leben wo keine wachsen!

Beispiel Weizen: Klima bestimmt Anbau und lokale Verfügbarkeit!

Ist alles Virtuelle Wasser gleich?

# 13 24.5.2017 Ringvorlesung TUM

Source: Mekonnen & Hoekstra (2010)

Woher kommt und wohin geht das Virtuelle Wasser? Exporte von Virtuellem Wasser aus dem Ogallala Aquifer in den USA

Für die Nachhaltigkeit, die in den exportierten Agrarprodukten steckt ,ist es nicht egal, woher das Virtuelle Wasser kommt!

Wassernutzungseffizienz

# 14 24.5.2017 Ringvorlesung TUM

Was folgt daraus? • Handel von Agrargütern gleicht Mängel in der Verfügbarkeit aus und trägt

damit global zur Nahrungssicherheit bei. • Die Ströme von Virtuellem Wasser folgen den globalen Handelsströmen um

den Planeten. Wasser wird dort benutzt, wo es vorhanden ist, um Lebensmittel für Regionen zu erzeugen, wo sie nicht wachsen.

• Das Virtuelle Wasser kann bzgl. der SDGs völlig unterschiedliche Eigenschaften haben: • fossiles Wasser (Ogalalla Aquifer: eigentlich ein absolutes no-go!) • knappes Wasser (wird den Ökosystemen entzogen, um Nahrung zu

produzieren (z.B. Trockenlegung von Feuchtgebieten)) (problematisch!) • Wasser im Überfluß (wo ist das Problem?)

• Problem ist: im gobalen Handel hat ein Nahrungsmittel überall den gleichen Preis -> die Nahrungsmittel “vergessen” mit welchem Wasser sie produziert wurden, sobald sie in das Handelssystem eintreten.

Wasser und Nahrung

# 15 24.5.2017 Ringvorlesung TUM

Source: Mekonnen and Hoekstra, HESS, 2010

Zurück zum Wasserfußabdruck von Weizen

was folgt: Wasser wird in gewaltigem Umfang verschwendet > 2000 m³/ton

Wassernutzungseffizienz

# 16 24.5.2017 Ringvorlesung TUM

0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 8000Yield [kg/ha]

Wat

erPr

oduc

tivity

[kg

biom

as/m

³ ev

apor

ansp

iratio

n]

2.5

2.0

1.5

1.0

0.5

0

Area ofgreatestpotential

Maize Wheat Rice Regression Line

Geringe Ernte verschwendet Wasser:

Niedrige Erträge nutzen Wasser unproduktiv und benötigen deshalb mehr Land. Hohe Erträge nutzen Wasser produktiver und ermöglichen es, Land für Biodiversität und andere Ökosystemleistungen zu erhalten.

Wassernutzungseffizienz

# 17 24.5.2017 Ringvorlesung TUM

Source: Kijne et al., SEI 2009 based on Holmen (2004)

Wasserverschwendung in der Landwirtschaft ist ein Phänomen der Armut!

Steigerung der Wassernutzungseffizienz kann eine effektive Maßnahme sein zur Verbesserung der Nahrungssicherheit und zur Armutsreduzierung.

Wassernutzungseffizienz

# 18 24.5.2017 Ringvorlesung TUM

Was folgt daraus? Bei gegebenem Niederschlag ist damit die Steigerung der Wassernutzungseffizienz auf den heute genutzten Agrarflächen die einzige realistische Möglichkeit die SDGs zu erreichen: • Eine Verdoppelung der landwirtschaftlichen Produktion bis 2050 geht nur

durch Steigerung der Erträge, wenn man die Fläche nicht expandieren will oder kann!

• Eine landwirtschagftliche Praxis, die die Erträge erhöht, steigert gleichzeitig auch die Wassernutzungseffizienz!

• Wo? Die größten Potentiale zur Steigerung der Erträge und der Wassernutzungseffizienz ist in Gebieten, in denen die landwirtschaftliche Produktivität gering ist.

• Wie? Durch Transformation der globalen Landwirtschaft -> Nachhaltige Intensivierung!

# 19 24.5.2017 Ringvorlesung TUM

Effizienzsteigerung: 1:2000!!

0.1

1

10

100

1000

10000

0.1 1 10 100 1000

Getr

eide

prod

uktio

n pr

o Ar

beite

r [t

/a]

bearbeitete Fläche pro Arbeiter [ha]

vor 1850 ~ 1ha und 1t/a

schwerer Pflug mehrere Tiere vor 1900

Fossile Motorisierung

1910

1930 1960

1980

2000

Wissen und Information

# 20 24.5.2017 Ringvorlesung TUM

Steigende Effizienz verdrängt zunehmend Expansion und Agrochemie als Wachstumstreiber. Effizienzsteigerungen beruhen auf Wissen und Information.

statt Rodung, Überdüngung und Pestizide!

# 21 24.5.2017 Ringvorlesung TUM

Sehen wir also die Zukunft zu pessimistisch?

1. Nahrungsmittelbedarf wird sich bis 2050 verdoppeln Wieviel mehr kann man auf den heutigen Feldern produzieren? .

c

% mögliche Steigerung

Eine Steigerung der Welt-Nahrungsmittelproduktion auf das 2.5 fache ist ohne Expansion der Agrarfläche möglich!

# 22 24.5.2017 Ringvorlesung TUM

Fazit: • Deutschland, England und Dänemark müssten, um nachhaltige Landwirtschaft zu

betreiben von 7-8 t/ha Getreideertrag auf 5-7 t/ha runter • die anderen Länder könnten ihren Ertrag zum Teil verdoppeln und wären immer noch

nachhaltig!

Aber nicht auf Kosten nachhaltiger Landwirtschaft!

# 23 24.5.2017 Ringvorlesung TUM

Subsistenz-Landwirte: Arm aber sie kennen ihre Felder auswendig!

y = -23.6ln(x) + 232.99R² = 0.6476

0102030405060708090

100

0 5000 10000 15000 20000 25000 30000

% o

f Pop

ulat

ion

in A

gric

ultu

re

GDP per Capita [US $/a]

heute: 1t/a - 1ha/Arbeiter

today: 2000t/a - 150ha/worker

2.5 Milliarden Menschen leben vom der Landwirtschaft

<250 million life from farming -> die zukünftige globale Landwirtschaft wird eine

Informationswirtschaft: smart, information based, connected! and sustainable?

Zukunftspfad: Wachstum im BSP, Ausbreitung von Wissen

Farming 4.0: Real und virtuelle Farmen wechselwirken

Auch bei der Bewässerung!

# 24 24.5.2017 Ringvorlesung TUM

Source: Jägermeyer et al., HESS, 2015

Gewaltige Potentiale bei der Steigerung der Wassernutzungseffizienz: Wissen und Information!

Wissen und Information

# 25 24.5.2017 Ringvorlesung TUM

Wasser und das Zeitalter der Information: Wir werden die SDGs nicht erreichen, wenn wir die Entwicklungen des Informationszeitalter im Bereich der Umwelt weiterhin ignorieren!

• Internet of Things: ein Baum, ein Farmer, ein Acker wird nicht mehr existieren, wenn er

nicht Teil des Internet wird!

• Erdbeobachtung aus dem Weltraum, Soziale Medien und Deep Data: Datenströme geben überall und zu jeder Zeit Auskunft über unser

nicht-nachhaltiges Verhalten und die Reaktion der Natur darauf

• High Performace Computing und Simulationen der Mensch-Umwelt- Beziehungen:

ermöglichen es, Maßnahmen auf ihre zukünftige Wirksamkeit bei der Erreichung der SDGs zu überprüfen und das Für und Wider abzuwägen.

Die Global Smart Farm

# 26 24.5.2017 Ringvorlesung TUM

Cyber-Environmental System

Landwirte: reduzieren nachhaltig die Ertragslücke, steigern die Wassernutzungseffizienz

Smarte Kommunikation

Das Wissen für das globale und gleichzeitig lokale Cyber-Environmental-System der “Global Smart Farm” zu schaffen, ist eine massive interdisziplinäre wissenschaftliche Herausforderung!!

Die Zukunft von Nahrung und Wasser

# 27 24.5.2017 Ringvorlesung TUM

• Wasserverschwendung beenden durch gesteigerte Wassernutzungseffizienz

• Nachhaltige Intensivierung (SI) ist deshalb der Schlüssel zum Erreichen der SDGs

• Im Zentrum der Nachhaltige Intensivierung stehen die Rohstoffe Wissen und Information und nicht Stickstoff und Pestizid

• Beobachtungen und Simulationen werden dabei die reale und virtuelle Welt der Landwirtschaft in ein “cyber- environmental system” verschmelzen

• Landwirte werden von Handwerkern zu Informationsarbeitern

• Produkte nehmen das “Wissen” über die Bedingungen unter denen sie produziert wurden mit auf dem langen Hanelsweg von Produzenten zum Konsumenten

Nachhaltigkeit und Wasser

# 28 24.5.2017 Ringvorlesung TUM

Virtuelles Wasser, Weltagrarmarkt und Nachhaltigkeit: geht das?

• beobachten, Bestimmung des Wert des Virtuelle Wassers von jeder Tonnen gehandelter Nahrung hat, d.h. wie und damit wie effizient wurde Wasser bei der Produktion genutzt lokal wurde, (und nicht nur wieviel)

• beeinflussen, Berücksichtigung des Wertes des Virtuellen Wassers beim Weltagrarhandel, Förderung des Handels mit Produkten deren virtueller Wassergehalt nachhaltig ist. • verstehen, wie man auf der Global Smart Farm mit Informationstechnologien nachhaltig intensiviert: ökologisch – ökonomisch – sozial lokal – regional – global,

• verstehen, was die Algorithmen mit Menschen und Umwelt machen, wem sie gehören sollen , wer die Entscheidungen fällt und wer schlußendlich verantwortlich ist.

# 29 24.5.2017 Ringvorlesung TUM

gefördert durch:

Wir bleiben an diesem Thema dran! Im Rahmen des BMBF GROW-Verbundprojektes:

Virtual Water Values (ViWA): Multiskaliges Monitoring der globalen Wasserressourcen und

Optionen für ihre effiziente und nachhaltige Nutzung

ViWA.geographie-muenchen.de