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Vernetztes Branding: Ein Konzept zur Markenpolitik aus der Perspektive der Service Dominant Logic Herbert Woratschek, Julia A. Fehrer, Roderick J. Brodie, Maureen Benson-Rea und Christopher J. Medlin Zusammenfassung Angesichts disruptiver Technologien entstehen neue Geschäftsmodelle. Dies hat Auswirkungen auf die Markenpolitik sowie die Bedeutung von Marken und deren Markenwert. Netzwerke und damit verbundene Marketingtheorien wie die Service Dominant Logic (SDL) werden zum zentralen Bezugsrahmen moder- ner Markenpolitik. Durch das innovative von der SDL abgeleitete Konzept Vernetztes Brandingwird deutlich, dass Marken nicht allein durch Unterneh- men geschaffen werden, sondern Markenbedeutung letztendlich das Resultat des Engagements vieler Akteure in einem Service-Ökosystem ist. Die Kunst im zukünftigen Markenmanagement besteht darin, dieses Engagement so zu fördern, dass die Markenbedeutung durch kollaborative Prozesse gestärkt werden kann. H. Woratschek (*) Universität Bayreuth, Bayreuth, Deutschland E-Mail: [email protected] J.A. Fehrer Lehrstuhl fur Dienstleistungsmanagement, Universität Bayreuth, Bayreuth, Deutschland E-Mail: [email protected] R.J. Brodie Department of Marketing, University of Auckland, Auckland, Neuseeland E-Mail: [email protected] M. Benson-Rea Department of Management and International Business, University of Auckland, Auckland, Neuseeland E-Mail: [email protected] C.J. Medlin Business School, University of Adelaide, Adelaide, Australien E-Mail: [email protected] # Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 F.-R. Esch (Hrsg.), Handbuch Markenführung, Springer Reference Wirtschaft, DOI 10.1007/978-3-658-13361-0_5-1 1

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Vernetztes Branding: Ein Konzept zurMarkenpolitik aus der Perspektive derService Dominant Logic

Herbert Woratschek, Julia A. Fehrer, Roderick J. Brodie, MaureenBenson-Rea und Christopher J. Medlin

ZusammenfassungAngesichts disruptiver Technologien entstehen neue Geschäftsmodelle. Dies hatAuswirkungen auf die Markenpolitik sowie die Bedeutung von Marken undderen Markenwert. Netzwerke und damit verbundene Marketingtheorien wiedie Service Dominant Logic (SDL) werden zum zentralen Bezugsrahmen moder-ner Markenpolitik. Durch das innovative von der SDL abgeleitete Konzept„Vernetztes Branding“ wird deutlich, dass Marken nicht allein durch Unterneh-men geschaffen werden, sondern Markenbedeutung letztendlich das Resultat desEngagements vieler Akteure in einem Service-Ökosystem ist. Die Kunst imzukünftigen Markenmanagement besteht darin, dieses Engagement so zu fördern,dass die Markenbedeutung durch kollaborative Prozesse gestärkt werden kann.

H. Woratschek (*)Universität Bayreuth, Bayreuth, DeutschlandE-Mail: [email protected]

J.A. FehrerLehrstuhl fur Dienstleistungsmanagement, Universität Bayreuth, Bayreuth, DeutschlandE-Mail: [email protected]

R.J. BrodieDepartment of Marketing, University of Auckland, Auckland, NeuseelandE-Mail: [email protected]

M. Benson-ReaDepartment of Management and International Business, University of Auckland, Auckland,NeuseelandE-Mail: [email protected]

C.J. MedlinBusiness School, University of Adelaide, Adelaide, AustralienE-Mail: [email protected]

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017F.-R. Esch (Hrsg.), Handbuch Markenführung, Springer Reference Wirtschaft,DOI 10.1007/978-3-658-13361-0_5-1

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SchlüsselwörterMarkenidentität • Markenbedeutung • Branding • Service Dominant Logic •Netzwerke

Inhalt1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Netzwerkorientierte Perspektive zur Markenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Das Konzept des Vernetzten Brandings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Vernetztes Branding am Beispiel von GoPro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

1 Einleitung

Das Verständnis von Markenpolitik hat sich im Zeitablauf immer wieder starkverändert. Zu Beginn der Ära von Marken stand die Kennzeichnung von Produktenim Fokus, damit Kunden die Produkte unterschiedlicher Hersteller besser unter-scheiden können. Dann versuchte man in der Markenpolitik den funktionalen undsymbolischen Wert herauszustellen. Erst später wurde die Marke als Mittel zurSchaffung und Pflege von Kundenbeziehungen gesehen. In letzter Zeit wurde dieSchaffung von Marken als dynamischer und sozialer Prozess aufgefasst, an demneben Kunden auch andere Akteure beteiligt sind. Offensichtliche Beispiele, wieMarken nicht nur durch die Anbieter, sondern auch durch die Beteiligung vonKunden sowie anderen Akteuren entstehen, findet man im Sport oder im kulturellenBereich. So wird z. B. die Marke „St. Pauli“ nicht autonom durch das Managementgesteuert, sondern das Markenbild wird u. a. auch maßgeblich durch die Fans vonSt. Pauli mitbestimmt. Das Image der Bayreuther Festspiele entsteht nicht nur durchdie Festspielleitung und die Künstler, sondern wird auch maßgeblich von derenjährlich wiederkehrenden und neuen Besuchern geprägt. Die Journalisten erzählengerne Geschichten um diese „Marken“ und tragen zu deren sich stets veränderndenBedeutungen bei.

Markenmanagement setzt ein tiefes Verständnis von der Entstehung und Ent-wicklung von Marken voraus. Dies gilt insbesondere angesichts der technologischenEntwicklung und deren Einfluss auf Geschäftsmodelle, wie die rapide wachsendenUnternehmen der Internetökonomie deutlich vor Augen führen. AirBnB und Ubersind Beispiele dafür, wie traditionelle Geschäftsmodelle in Frage gestellt und vondisruptiven Technologien unter Druck gesetzt werden. Daher stellt sich die Frage,welche Ansätze und Theorien diese Veränderungen erklären können bzw. welchePerspektiven eingenommen werden müssen, um die aktuellen Entwicklungen in derMarkenpolitik besser zu verstehen und in der Folge managen zu können.

Um dieser Frage nachzugehen, wird zunächst eine netzwerkorientierte Perspek-tive zur Markenpolitik eingenommen. Als theoretische Grundlage wird die ServiceDominant (S-D) Logic herangezogen, die zu den meist zitierten neueren Marketing-Ansätzen der wissenschaftlichen Literatur gehört. Die SDL eignet sich hervorragend

2 H. Woratschek et al.

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für eine netzwerkorientierte Betrachtung der Markenpolitik. Darüber hinaus wird aufeinen Aufsatz von Brodie et al. (2017) zur netzwerkorientierten Perspektive derMarkenpolitik rekurriert, dessen Publikation zeitgleich mit den hier vorliegendenAusführungen erfolgt. Daher fungieren diese drei Autoren und Autorinnen alsKo-Autoren und Ko-Autorinnen der folgenden Ausführungen. Auf Basis dieserBetrachtungen wird ein Konzept zum vernetzten Branding vorgestellt. Dieses Kon-zept wird an einer Fallstudie verdeutlicht. Als Fall dient die erfolgreiche Marke„GoPro“. Im Rahmen des vernetzten Brandings spielen Institutionen im Service-Ökosystem eine zentrale Rolle. Diese Institutionen ermöglichen es GoPro derWegbereiter für die Entwicklung einer gemeinsamen Markenbedeutung zu sein.Die Marken-Plattform „GoPro“ verbindet vielfältige Akteure miteinander und fun-giert so als Katalysator von Markenbotschaften. Entscheidend ist hierbei die stetigeLernbereitschaft von GoPro und dessen extreme Anpassungsfähigkeit an Verände-rungen im Service-Ökosystem.

Das Konzept zum vernetzten Branding zeigt einen neuen Weg auf wie Marken-politik in einer vernetzten Welt besser verstanden und strategische Vorteile generiertwerden können. Die Bedeutung von Marken entsteht nicht nur durch die Aktivitätenvon Unternehmen, sondern wird auch maßgeblich durch die Aktivitäten der Kundenbzw. Nutzer sowie anderer Akteure im Service-Ökosystem geprägt. Hierbei könnenUnternehmen lediglich Markenidentität als Wertvorschlag unterbreiten, aber dieSchaffung von Wert und damit auch von Markenwerten entsteht durch das Zusam-menspiel einer Vielzahl beteiligter Akteure, bei denen nicht nur Kunden, sondernsogar die Wettbewerber zu Kooperationspartnern werden.

2 Netzwerkorientierte Perspektive zur Markenpolitik

2.1 Service Dominant Logic

Der traditionelle Ansatz im Marketing als Teildisziplin der Wirtschaftswissenschaf-ten ist durch eine güterdominierte Denkweise gekennzeichnet. Güter, d. h. Produkteund Dienstleistungen, stehen im Kern des ökonomischen Austauschs. In der Regelwerden Güter gegen Geld getauscht. Firmen produzieren Produkte und Dienstleis-tungen und schaffen somit Wert, den die Konsumenten gegen Geld erwerben. Wertist somit in die Güter eingebettet. Auch modernere Ansätze zur Wertschöpfungs-analyse im Service Management, die über die Wertkette von Porter (Porter 1985)hinausgehen, bauen auf dieser Denkweise (Logik) auf (Stabell und Fjeldstad 1998;Woratschek et al. 2002, 2016).

Diese Denkweise wird erst durch den weltweit beachteten Ansatz der „ServiceDominant Logic“ durchbrochen (Vargo und Lusch 2004). Logik ist hier im Sinneeiner Denkweise zu verstehen, in der „Service“ als Leitgedanke im Gegensatz zumAustausch von Gütern dominiert. In der SDL ist die Unterscheidung von „Service“und „Services“ zentral.

Unter „Services“ versteht man Dienstleistungen im herkömmlichen Sinne, einer-seits funktional (z. B. Beratungen, Transporte, Übernachtungsangebote) und ande-

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rerseits institutionell (z. B. Rechtsanwälte, Spediteure, Hotels). „Service“ ist hinge-gen als der Austausch von angewandtem Wissen, Fähigkeiten und Kompetenzendefiniert und steht im Kern des ökonomischen Austauschs. Wissen, Fähigkeiten undKompetenzen sind operante Ressourcen, die in Gütern und Dienstleistungen (Ser-vices) enthalten sind. Konsumenten kaufen Güter, weil sie an dem in den Produktenund Dienstleistungen manifestierten „Service“ interessiert sind. „Service“ bedeutetdemzufolge etwas Anderes als „Services“ (Dienstleistungen).

Der Wert entsteht gemäß der SDL nicht durch den Kauf eines Gutes, in demWerteingebettet ist, sondern erst durch den Gebrauch des Gutes. Werte werden erstellt,indem in den Produkten und Dienstleistungen manifestiertes, angewandtes Wissen,Kompetenzen und Fähigkeiten (operante Ressourcen) in den eigenen Werterstel-lungsprozess integriert werden. Operante Ressourcen sind Ressourcen, mit denenoperande Ressourcen (z. B. Rohstoffe) bearbeitet werden können. Operante Res-sourcen befähigen dazu, „etwas zu tun“, wohingegen mit operanden Ressourcen„etwas getan wird“. Ein Konsument nimmt eine Rechtsberatung in Anspruch, weiler für seine individuelle Problemlösung juristisches Fachwissen benötigt und ent-sprechend in seinen Werterstellungsprozess integriert. Die Konsumentin bevorzugteine Sektmarke, weil sie Wert kreiert, indem sie Fähigkeiten und Wissen zurErstellung eines stimulierenden Getränks für einen romantischen Abend mit ihremPartner integriert. Hierzu gehören auch die emotionalen Aufladungen, die mit einerbestimmten Sektmarke (z. B. Taittinger oder Pommery) verbunden sind, denn auchzur Markenpositionierung sind Wissen, Fähigkeiten und Kompetenzen notwendig.Im Gegenzug integrieren auch die Anbieter Ressourcen ihrer Kunden (z. B. Geld,Information über Präferenzen, Weiterempfehlung der Marke, Aktivitäten in BrandCommunities) (Popp et al. 2016; Popp und Woratschek 2016), um Wert für sich zuerstellen. Geld ist somit nur eine Ressource unter anderen Ressourcen, die von einemMarktpartner integriert wird, um Wert zu schaffen.

In der güterdominierten Betrachtung von Märkten herrscht die Analyse vonDyaden (manchmal auch Triaden) vor. Dies wird in der SDL kritisiert, weil dereingeengte Blick auf Anbieter und Nachfrager häufig zu kurz greift. Besondersdeutlich wird dies, wenn man z. B. die Wertschöpfung eines Sportevents im profes-sionellen Fußball betrachtet. An einem solchen Event tragen nicht nur konkurrie-rende Teams, sondern auch die Zuschauer, die Fans der Heimmannschaft, die Fansder gegnerischen Mannschaft, die Sponsoren, werbetreibende Unternehmen, Sicher-heitspersonal, Catering und viele andere Akteure zur Wertschöpfung bei. Dabei kanndie Wertschöpfung nicht vom Organisator des Sportevents alleine geplant, gesteuertund kontrolliert werden. Zu viele andere Akteure beeinflussen die Wertschöpfung,die dabei jeweils die Ressourcen mehrerer anderer Akteure integrieren. Weder derAnbieter noch ein Team oder Zuschauer kann alleine Wert für sich schaffen, sondernjeder kann nur einen Wertvorschlag unterbreiten. Der Wert eines Sportevents wirdimmer ko-kreiert. Im Falle eines Sportevents bietet der Organisator allenfalls einePlattform (Wertvorschlag), auf der andere Akteure ihre Freizeit- und Geschäfts-aktivitäten unternehmen (Woratschek et al. 2014).

Im Laufe der Weiterentwicklung der SDL wurden die Regeln, Normen undÜberzeugungen als Schlüssel erkannt um Service-Systeme, also Systeme in denen

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Wert ko-kreiert wird, besser zu verstehen. Diese weitgehend isolierbaren, individu-ellen Regeln werden als Institutionen bezeichnet. Institutionelle Arrangements dage-gen beziehen sich auf ein Bündel wechselseitig zusammenhängender Institutionen,das die Koordination von Aktivitäten in Service-Ökosystemen ermöglicht (Vargound Lusch 2016a). Service-Ökosysteme sind in sich weitgehend abgeschlossene,sich selbstregulierende Systeme von Akteuren. Diese Akteure integrieren jeweilsRessourcen anderer Akteure und sind durch gemeinsame institutionelle Arrange-ments und letztlich durch eine gemeinsame Wert-Kreation miteinander verbunden(Lusch und Vargo 2014).

Damit ergeben sich zusammenfassend folgende zentralen Annahmen (Axiome)in der SDL (Vargo und Lusch 2016a):

1. Service ist die fundamentale Grundlage des ökonomischen Austausches und wirdimmer gegen Service getauscht.

2. Wert wird immer durch eine Vielzahl von Akteuren ko-kreiert, der den Nutz-nießer eines Service einschließt (Wert ist immer ko-kreiert).

3. Alle sozialen und ökonomischen Akteure integrieren dabei Ressourcen anderer.4. Wert ist immer einzigartig und durch den Nutznießer bestimmt. (Wert ist immer

Nutzwert und immer abhängig vom jeweiligen Kontext).5. Ko-kreation wird durch Institutionen und institutionelle Arrangements koordi-

niert, die von den Akteuren gestaltet werden.

Marken symbolisieren einzigartige Produkte und Dienstleistungen und sind ausSicht der SDL Institutionen, welche das Verhalten unterschiedlicher Akteure koor-dinieren. Im Kern des ökonomischen Austauschs steht das in den Marken manifes-tierte, „einzigartige“ Wissen (vgl. Esch et al. zu Herausforderungen und Aufgabendes Markenmanagements und Esch und Eichenauer zur Messung von Wirkungs-größen der Markenführung in diesem Buch), die Fähigkeiten und die Kompetenzen,die gemäß der neueren SDL-Literatur zu strategischen Vorteilen (strategic benefits)führen: „Operant resources are the fundamental source of strategic benefit“ (Vargound Lusch 2016a). Marken und deren Bedeutung bilden somit eine wesentlicheGrundlage für die Generierung von Wert in einem Service-Ökosystem.

2.2 Integration von Markenidentität und Markenbedeutung

So wie Vargo und Lusch (2004, 2008, 2016a) auf dem Evolutionspfad der SDLargumentieren, dass sich Märkte von der güterdominierten Logik zur servicedomi-nierten Logik weiterentwickeln, wird hier bezugnehmend auf Merz et al. (2009)argumentiert, dass sich das Denken über Marken weiterentwickelt. Merz et al.(2009) identifizieren vier Epochen, die sich im Hinblick auf das Verständnis derMarke und das Verständnis des Markenwertes unterscheiden. Während der güter-fokussierten Marken-Ära (1900–1930) wurden Marken als Kennzeichnung verstan-den, die Kunden helfen, bestimmte Produkte eines Herstellers zu identifizieren. DerMarkenwert war in physische Güter eingebettet und entstand beim Verkauf der Ware

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(Copeland 1923; Low und Fullerton 1994; Strasser 1989). In der wertorientiertenMarken-Ära (1930–1990) beschäftigte sich die Markenliteratur mit der Schaffungvon funktionalem und symbolischem Wert und damit mit der Frage, ob und wie eineMarke den extern und intern generierten Konsumbedürfnissen des Kunden gerechtwird (Levy 1959; Park et al. 1986). In der beziehungsorientierten Marken-Ära(1990–2000) liegt der Fokus der Marken-Literatur auf dem Auf- und Ausbau derKundenbeziehung. Der Kunde wird als Partner in der Kreation des Markenwertesgesehen. Marken bekommen eine Persönlichkeit und entstehen im dyadischenAustausch mit dem Kunden (Aaker 1997; Fournier 1998). Die jüngste Epoche derMarken-Literatur (ab 2000) hat mit der stakeholder-orientierten Marken-Ära begon-nen. Marken werden als dynamische und soziale Prozesse verstanden und nicht nurKunden, sondern andere Stakeholder oder Akteure sind in diesen komplexen Pro-zessen an der Markenwert Ko-kreation beteiligt (Ballantyne und Aitken 2007; Jones2005; McAlexander et al. 2002; Muniz und O’Guinn 2001; Muniz und Schau 2005).

Die stakeholder-orientierte Markenperspektive antwortet damit auf die wachsendeDynamik und Interaktivität im Zeitalter der Vernetzung, wo Wettbewerb und Zusam-menarbeit zwischen Unternehmen keine Widersprüche darstellen, sondern miteinandereinhergehen (Brodie et al. 2017). Der Bezugsrahmen der Marke erweitert sich von derUnternehmenssichtweise hin zu einer Netzwerkbetrachtung. Ko-Kreationsprozessewerden nicht länger ausschließlich innerhalb von Kunden-Unternehmen-Dyaden, son-dern innerhalb von Netzwerken, Systemen oder sozialen Milieus betrachtet (Ind et al.2013). In Anlehnung an Brodie et al. (2017) und Merz et al. (2009) wird festgestellt,dass jede Epoche unterschiedliche Einblicke in die Komplexität der Markenbildungzulässt und unterschiedliche Überlegungen in Bezug auf den strategischen Vorteilzugrunde liegen, der durch Branding erreicht werden kann.

Folgt man der Bewegung in Richtung einer Netzwerkperspektive, dann werdenMarken als Zeichensysteme verstanden, die zunächst die Identität bilden, die dann ineinem ko-kreativen Prozess zu Markenbedeutung führt und letztlich einen Wettbe-werbsvorteil oder strategischen Vorteil generiert (Brodie et al. 2006); Fyrberg undJüriado (2009) berücksichtigen die Social Network Theorie und erweitern das Ver-ständnis von Brodie et al. (2006) durch den expliziten Einbezug von netzwerkbezo-genen Aspekten der Markenbildung. Merz et al. (2009) betonen die soziale Kom-plexität, die für den Prozess der Markenbildung von Bedeutung ist. Ergänzend zurSystemperspektive, die Merz et al. (2009) zugrunde legen, beschreiben Conejo undWooliscroft (2015) eine semiotische Systemperspektive, die ebenso wie Brodie et al.(2006) das Zeichensystem zur Kreation der Markenidentität in den Mittelpunktstellt. Vallaster und von Wallpach (2013) betonen die aktive Rolle aller Akteurebei der Ko-kreation von Markenbedeutung.

Die neueren Ansätze vereint, dass sie auf interaktive Prozesse zwischen Akteurenverweisen, die entweder innerhalb einer implizit oder explizit herausgearbeitetenStruktur stattfinden und in der kleinsten Einheit (Mikro-Ebene) auf Dyaden beruhen.Wie Abb. 1 zeigt, ist diese Struktur durch mehrere Schichten charakterisiert, nämlichMikro-, Meso- und Makro-Ebene (Lusch und Vargo 2014; Taillard et al. 2016). DieMikro-Ebene ist durch die dyadische Interaktion gekennzeichnet. Hier findet die

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persönliche oder individuelle Auseinandersetzung mit der Marke und das Engagementfür die Marke statt (Brodie et al. 2011). Auf der Meso-Ebene regeln soziale Normenund routinierte Koordinations- und Kooperationspraktiken das Engagement für dieMarke in einem bestimmten sozialen Kontext (Brodie et al. 2016). Durch den sozialenKontext werden die Interaktionen in der dyadischen Beziehung (Mikro-Ebene) beein-flusst. Umgekehrt beeinflusst das Engagement, das auf der Mikro-Ebene gezeigt wird,wiederum den sozialen Kontext auf der Meso-Ebene. Man spricht deshalb von eineremergenten, also wachsenden Struktur, die sich stetig weiterentwickelt (Taillard et al.2016). Die Makro-Ebene beschreibt die Marke als Institution innerhalb ihres Öko-Systems. Auf dieser Ebene fallen Koordinations- und Kooperationspraktiken ausverschiedenen sozialen Kontexten zusammen (Vargo und Lusch 2016a) und bildenso eine gemeinsame Bedeutung der Marke. Diese gemeinsame Markenbedeutungwird dann wiederum auf die Meso- und Mikro-Ebene zurück gespiegelt.

Bezugnehmend auf Brodie et al. (2017) lässt sich zusammenfassend feststellen,dass die Entwicklung der Markenliteratur zu einer Sichtweise führt, welche die Markeals sozial konstruiert beschreibt. Die Markenbedeutung entwickelt sich durch Pro-zesse, die Markenidentität zugrunde legen. Dabei werden diese Prozesse durch zeitlichverknüpfte Aktivitäten definiert, die von einer sozialen Perspektive verstanden werden(Pettigrew 1997). Der zeitliche Charakter der Prozesse zur Schaffung von Markenbedingt, dass sich Identität und Bedeutung fortlaufend verändern, abgestimmt aufInterpretationen aus der Vergangenheit, gegenwärtigen Interaktionen und den zukünf-tig zu erwartenden Wert für alle beteiligten Akteure (Chandler und Lusch 2015).Damit wird deutlich, dass Markenbildung vom Zusammenspiel unterschiedlicherAggregationslevel (Mikro-, Meso und Makro-Ebene) im Netzwerk und von derEntwicklung von Netzwerkbeziehungen über die Zeit geprägt ist (Payne et al. 2009).

Makro-Ebene(Soziale Struktur)

Die Marke alsInstitution innerhalbihres (Öko-) Systems

Emergente Koordinations-und Kooperationspraktiken

zur Markenbildung

Individuelles Engagementfür die und mit der Marke

Meso-Ebene(Sozialer Kontext)

Mikro-Ebene(Soziale Interaktion)Ge

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Abb. 1 Komplexe Struktur der Markenbildung (in Anlehnung an Lusch und Vargo 2014; Taillardet al. 2016)

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3 Das Konzept des Vernetzten Brandings

Für die moderne Markenbildung ist aus der Perspektive der SDL eine netzwerkori-entierte Sichtweise erforderlich. Das Konzept des Vernetzten Brandings von Brodieet al. (2017) vereint Ansätze zum Aufbau der Markenidentität als Zeichensystememit netzwerkorientierten Ansätzen zur Entwicklung der Markenbedeutung. So solleine Brücke zwischen der generellen Theorie der SDL und der Praxis geschaffenwerden (Brodie 2016), die Aufschluss über relevante Fähigkeiten und Kompetenzengibt, um Markenbildung im Zeitalter der Vernetzung strategisch zu managen.

Gemäß Brodie et al. (2017) entwickelt sich die Marke durch die Interaktionverschiedener Akteuren in einem Netzwerk. Dieser Interaktionsprozess wird durcheinen kollektiven Akteur (Brito 2001) orchestriert, den wir im Folgenden als Marken-Plattform bezeichnen. Die Marken-Plattform ist in der Regel ein Unternehmen, kannaber auch beispielsweise ein Verband oder jede andere Form eines sozialen Schemassein, das Verhalten koordiniert. Die Rolle der Marken-Plattform ist die Integration, derAusbau und die neue Zusammensetzung von (vorwiegend) operanten Ressourcen(Breidbach et al. 2014; Storbacka et al. 2016). Konkreter ausgedrückt, durch dieMarken-Plattform wird eine gewisse Markenbedeutung in Form einer Zusammenset-zung von operanten Ressourcen vorgeschlagen. Jeder Akteur innerhalb des Netzwer-kes der Marken-Plattform kann diese Ressourcen nutzen und mit seinen eigenenRessourcen kombinieren. So bringt jeder Akteur ebenfalls eigene Ressourcen ein.Ressourcen können beispielsweise Erfahrungen mit der Marke oder die eigene Krea-tivität sein. Aus der Kombination und Integration von Ressourcen aller Akteureinnerhalb des Netzwerkes wird die Markenbedeutung ständig erneuert und geschlif-fen. Die Marken-Plattform übernimmt im Prozess der Markenbildung die zentraleRolle, die vorgeschlagene Markenbedeutung permanent mit der Markenbedeutung deranderen Akteure abzugleichen und die gemeinsame Markenbedeutung aller Akteuredurch abgestimmte Branding-Aktivitäten zu schärfen (Brodie et al. 2017).

Apodie et al. (2017) haben ein Konzept entwickelt, das den integrativen Prozess derMarkenbildung beschreibt. Darauf bezugnehmend besteht das Vernetzte Branding auszwei voneinander abhängigen Teilprozessen. Der erste Teilprozess bezieht sich aufden Aufbau der Markenidentität und ist durch die Marken-Plattform gesteuert. DieMarken-Plattform kreiert ein unverwechselbares Markenbild und so die Identifikationmit der Marke. Der zweite Teilprozess ist die Entwicklung der Markenbedeutung undbeinhaltet ein Set aus koordinierten und emergenten (unkoordiniert, spontan heraus-gebildeten) Prozessen, die innerhalb des Netzwerkes einer Marken-Plattform stattfin-den. Hierbei wird ein interaktiver Ansatz unterstellt, bei dem Branding-Prozesse durchdie Koordination von Aktivitäten anderer Akteure entstehen. Vernetztes Branding istalso ein interaktiver Prozess, der auf der Markenidentität aufbaut und innerhalb dessensich die Markenbedeutung entwickelt, die dann wiederum durch andere Akteure imNetz angereichert und „verflochten“ wird. Mit „verflochten“ ist gemeint, dass dieAktivitäten anderer Akteure im Netzwerk durch Interaktionen mit der Marke authen-tisch werden. So entwickelt sich die Schaffung vonMarken zu einem Prozess, der einegemeinsame Markenbedeutung formt, gleichzeitig das spezifische und individuelle

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Markenerlebnis prägt und in einigen Fällen zu einer neuen, möglicherweise abwei-chenden Markenbedeutung führt.

Das Konzept des Vernetzten Brandings ist in Abb. 2 veranschaulicht und zeigtdie beiden voneinander abhängigen Teilprozesse. Die Unterscheidung zwischenMarkenidentität und Markenbedeutung wird von Interbrand (2000) auf Basis einerAnalyse der stärksten Marken der Welt gemacht. Die Analyse zeigt, dass Merkmaleder Markenidentität wichtig für eine klare Positionierung im Markt sind. Zentral indiesem Zusammenhang sind Name, Trademark und Markenbild, die mithilfe einerKombination von Markenelementen (Schriften, Symbolen, Zeichen) für eine unver-wechselbare Positionierung gegenüber anderen Akteuren sorgen. Darüber hinauszeigt die Analyse, dass die Markenbedeutung maßgeblich den Markenwert be-stimmt. Die Konsistenz in der Markenbedeutung führt zu langfristigen Beziehungenmit den Akteuren im Netzwerk und legt die Basis dafür, den Erwartungen verschie-dener Akteure gerecht zu werden.

Das Ziel des Prozesses der Markenidentität ist die Steuerung der Markenkommu-nikation, so dass alle Akteure im Netzwerk (insbesondere Kunden und der Handel) dieMarke identifizieren und einem Markenbild zuordnen können. Bei der Entwicklungder Markenbedeutung hingegen wird das Ziel verfolgt, allen Akteuren Zugang zuInteraktionen zu verschaffen. Ein zentraler Unterschied zwischen beiden Prozessenliegt in der Position, welche die Marken-Plattform innerhalb des Netzwerkes ein-nimmt. Beim Aufbau der Markenidentität steuert die Marken-Plattform den Prozess.Bei der Entwicklung der Markenbedeutung hingegen fördert die Marken-Plattformdie Interaktionen zwischen den Akteuren im Netzwerk (Breidbach et al. 2014).

Netzwerkpositionund Interaktion derAkteure

Marken-Plattform steuert dieKommunikation mit Kunden, Handelund allen anderen Akteuren imNetzwerk

Marken-Plattform gewährleistet dieMöglichkeit zur Interaktion zwischenallen Akteuren im Netzwerk

Markenidentität Markenbedeutung

Ziel Identifikation (Trademark) undImage, das die Marke von anderenMarken abgrenzt für Kunden, Handelund anderen Akteuren im Netzwerk

Unverwechselbare gemeinsame aberauch divergierende Bedeutung für dieMarke von Seiten unterschiedlicherAkteure innerhalb des Netzwerkes

Fähigkeiten undKompetenzen

Aufbau Wiedererkennung der Markeinnerhalb des Netzwerkes

Lernen und Erfahrungsaufbau zur Ko-kreation der Markenbedeutung

Marketing Aktivität Kommunikation des Markenbildesund der Markenidentifikation

Förderung von Engagement zwischenAkteuren im Netzwerk

Stetige Angleichung derMarkenbedeutung

Abb. 2 Konzept des Vernetzten Brandings (in Anlehnung an Brodie et al. 2016)

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Die Bausteine des Vernetzten Brandings werden nachfolgend im Detail diskutiert:Die benötigten Fähigkeiten und Kompetenzen der beiden Prozesse des VernetztenBrandings unterscheiden sich. Für die Markenidentifikation entwickeln Kunden, derHandel und andere Akteure zunächst eine erste Wahrnehmung der Marke. Aus dieserWahrnehmung leitet sich eine erste Markenbedeutung ab. Bestimmte Akteure richtendann ihr Selbstverständnis an der Markenbedeutung aus und gestalten Events oderAktivitäten, die mit ihrem Selbstverständnis, aber auch mit der Markenbedeutungassoziiert werden. So wird durch die Interaktion Selbstverständnis und integrierteMarkenbedeutung stetig geschliffen. Dies erfordert von der Marken-Plattform in ersterLinie die Fähigkeit, die Markenkommunikation so aufzubauen und zu steuern, dasseine erste Markenidentifikation und Wiedererkennung der Marke stattfinden kann.Der Prozess der Entwicklung der Markenbedeutung zielt dann insbesondere auf Lern –und Anpassungsfähigkeiten einer Marken-Plattform ab.

In Bezug auf die Marketing-Aktivitäten unterscheiden sich beide Prozesse mar-kant. Zur Stärkung der Markenidentität und des Markenbildes kann auf einen buntenStrauß von integrierten Kommunikationsmaßnahmen zurückgegriffen werden (Esch2008), der über die Marken-Plattform zentral gesteuert wird. Marketing-Aktivitätenzur Entwicklung der Markenbedeutung unterliegen dagegen einer ganz anderenPrämisse. Der Vorschlag für die Markenbedeutung wird auf der Marken-Plattformentwickelt, aber die eigentliche Markenbedeutung entsteht dann im Kontext jedeseinzelnen Akteurs. Das bedeutet, egal wie individuell und subjektiv die Markenbe-deutung aus Sicht eines jeden Akteurs auch ist, sie trägt zur gemeinsamen Marken-bedeutung bei. Demzufolge sind sowohl die Erfahrungen eines jeden Akteurs mitder Marken-Plattform als auch die Beziehungen zwischen einzelnen Akteurenentscheidend für die Entwicklung der Markenbedeutung.

Das Zusammenspiel aus persönlicher und gemeinsamer Markenbedeutung be-schreibt den strategischen Vorteil der Marke. Innerhalb eines Netzwerkes verhaltensich Akteure entsprechend ihrer Eigeninteressen und entsprechend der kollektivenInteressen. Tatsächlich steigern einige Akteure sogar den Wert durch das Verfolgeneigener Interessen durch neue, mit der Markenbedeutung abgestimmte Verhaltens-weisen (Munksgaard und Medlin 2014). Während sich Marketing-Aktivitäten zumAufbau der Markenidentität in erster Linie darauf konzentrieren die Dinge richtig zutun, fokussieren sich Aktivitäten zur Entwicklung der Markenbedeutung auf denstrategischen Fit, also auf die Abstimmung der Ressourcenintegration aller Akteurein einem Netzwerk. Die dafür erforderlichen Koordinations- und Kooperationsfä-higkeiten sind aufgrund ihrer sozialen Komplexität schwer zu imitieren und stellendamit den entscheidenden strategischen Vorteil einer Marke dar (Barney 2014;Möller und Svahn 2003). Vernetztes Branding wird damit zu einem Kernprozessvon Marken-Plattformen. Das Konzept „Vernetztes Branding“ ist konkreter auf dieMarkenpolitik zugeschnitten und bildet somit eine Brücke von der abstrakten,generellen SDL zur praktischen Anwendung. Gleichzeitig ermöglicht es die Bildungvon empirisch zu testenden Hypothesen.

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4 Vernetztes Branding am Beispiel von GoPro

4.1 Institutionen im Service-Ökosystem

„Wear it. Mount it. Love it. Share with #GoPro“

Dieser Slogan der offiziellen GoPro Instagram Seite versinnbildlicht, wie GoProals Marken-Plattform die Entwicklung einer gemeinsamen Markenbedeutung unter-stützt. GoPro versteht sich als Hersteller der vielseitigsten Kameras weltweit (GoPro2016c). Gegründet 2002 durch den US-amerikanischen Surfer Nick Woodman,wird GoPro als der am schnellsten wachsende Kamera-Hersteller weltweit gehandelt(MacTavish 2016). Vor Kurzem konnte GoPro die Hürde von 10 Millionen bezüg-lich der Follower auf Instagram überspringen. Jeden Tag werden mindestens 6000GoPro-tagged Videos auf YouTube hochgeladen. GoProing ist eine Wortneuschöp-fung um dieses Phänomen zu beschreiben (Albee 2015). Das massive Wachstum anAktivitäten von unzähligen Fans der Marke macht GoPro zu einem idealen „BestPractice“-Fall, um zu veranschaulichen, wie die gemeinsame Markenbedeutungdurch die Marken-Plattform gefördert und koordiniert werden kann.

Von Anfang an war es die Vision von GoPro, neue Wege aufzuzeigen, wieNutzer ihre großartigsten Momente in Videos und Bildern auffangen können undzwar mit einer möglichst kleinen, hochgradig widerstandsfähigen Kamera. DieseKamera sollte sich zudem am Körper oder anderen Objekten anheften lassen. GoProentwickelt sein Geschäftsmodell über die Zeit hinweg von einem Hardware Herstel-ler zu einer Marken-Plattform für GoPro Nutzer, Partner und Entwickler. Durch denoffenen Zugang aller Akteure zur GoPro-Plattform entsteht ein App-Universum, dasdie Nutzer bei der Aufnahme und dem Teilen ihrer schönsten Erlebnisse unterstützt.GoPro öffnet somit seine Systemgrenzen und schafft damit einen strategischenVorteil gegenüber Marktteilnehmern wie Sony Action Cam, Sioeye Iris und GarminVIRB (MacTavish 2016). Ähnlich wie Apple baut GoPro seine Position innerhalbseines Service-Ökosystems aus, indem es Beziehungen zu Nutzern, Entwicklern,Partnern und teilweise sogar Wettbewerbern verdichtet und gleichzeitig den Zugangfür neue Akteure so einfach und standardisiert wie möglich gestaltet.

GoPro agiert in einem Service-Ökosystem, das von verschiedenen Institutionengeprägt ist. Gleichzeitig hat GoPro einige Institutionen mitgeprägt oder sogar neugeschaffen. Abb. 3 zeigt ausgewählte Institutionalisierungen mit Einfluss auf sozialeKoordinations- und Kooperationspraktiken. Dabei kann zwischen gewahrten, trans-formierten und disruptiven Institutionen unterschieden werden (Vargo und Lusch2016b), die nachfolgend beispielhaft beschrieben werden.

• Disruptive Institutionen: GoPro revolutioniert die Filmproduktion und sorgt fürgrundlegende Veränderungen in der Werbefilm- und Filmindustrie, die be-stehende Praktiken teilweise obsolet machen. GoProing, also die Produktionvon Filmen durch Amateure, kann professionell produzierte Filme ersetzen.Das ist möglich, weil GoPro ein Sortiment an professioneller Filmbearbeitungs-software in seinem App-Universium zur Verfügung stellt und so Videos von

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Amateuren immer besser gestaltet werden können. Außerdem werden GoProVideos von Amateuren glaubhafter als professionelle Videos eingestuft. Eineweitere Revolution liegt im Perspektivenwechsel, den GoPro dank seiner cleverenHalterungen möglich macht. Action-Shots werden aus der Perspektive des Sport-lers gezeigt, wodurch das Ereignis für Dritte erlebbar wird und nachempfundenwerden kann.

• Transformierte Institutionen: Zusammen mit anderen Herstellern von Kamerasprägt GoPro neue soziale Praktiken im Umgang mit Datenschutz und Privat-sphäre. Milliarden von Menschen filmen und fotografieren mit ihren Kamerasund Smartphones jeden Tag ihr Umfeld und veröffentlichen dieses Filmmaterial.Einst getrennte private und öffentliche Sphären verschmelzen. Ein GoPro Videomacht das Mädchen von Nebenan zum öffentlichen Star, umgekehrt zeigen Holly-woodstars auf ihren Selfies ihr persönliches Umfeld.

• Gewahrte Institutionen: GoPro bewegt sich innerhalb einer Reihe von bestehen-den Institutionen. Als Referenzpunkt für Hersteller von mobilen Geräten dientbeispielsweise der geräteunabhängige Zugang zu Fotos, Videos und Dokumenten,den Cloud Services wie Itunes, Dropbox und Onedrive institutionalisiert haben.Damit gilt auch für GoPro, dass der Zugang zu Daten möglichst reibungslos vonjedem mobilen Gerät möglich sein muss. Auch offene Netzwerkstrukturen stelleneine bestehende Institution insbesondere für technologie-getriebene Unternehmendar. Bestehende, transformierte und disruptive Institutionen beeinflussen das Zei-chensystem von GoPro und bilden so die Systemgrenzen der Marken-PlattformGoPro.

Institutionalisierung von: videographischerDokumentation desAlltags überall undjederzeitAkzeptierten Praktikenzum Umgang mitDatenschutz undPrivatsphäre

Institutionalisierung von:Goproing: Produktion vonFilmen durch AmateureProfessionalisierung vonAmateur-Material“Selfie”-Kultur

Institutionalisierung von: Einem Blick auf die Welt aus eineranderen PerspektiveEchtzeit Action-Shooting und EchtzeitTeilen des Erlebnisses

Institutionalisierung von offenenNetzwerkstrukturen zurreibungslosen Verbindung vonallen Akteuren über die Plattform

Institutionalisierung vonZugang zur Plattformjederzeit mit allen mobilenGeräten

Abb. 3 Institutionalisierung und Adoptionsprozesse von GoPro (in Anlehnung Vargo und Lusch2016b)

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4.2 GoPro als Wegbereiter zur Entwicklung derMarkenbedeutung

Die Marken-Plattform verbindet alle Akteure des GoPro Service-Ökosystems. GoProNutzern kommt dabei eine tragende Rolle zu. Die Markenbotschaft, die sichursprünglich an leidenschaftliche (Extrem-) Sportler gerichtet hat, richtet sich inzwi-schen an jeden, der auch im alltäglichen Leben ein „Held“ sein möchte, sei es bei derGeburtstagfeier der Tochter, dem Spaziergang mit dem Hund oder beim Schnorchelnam Great Barrier Reef. „GoPro. Be a hero“ (GoPro 2016c) fordert jeden Nutzer dazuauf, entweder als sportlicher Superheld oder als Held des Alltags seine persönlicheGeschichte zu erzählen. Darüber hinaus werden Nutzer dazu motiviert ihre Werke zuteilen. Auf Facebook, Instagram, Twitter, YouTube, Vimeo, Google+ und Pinterestsoll von Nutzern generierter Inhalt hochgeladen werden. Alleine Facebook zählt mehrals 10 Millionen Fans. Das videografische Material auf allen Social-Media-Kanälenund auf der GoPro Website ist, mit Ausnahme von einigen Image- und Produktfilmen,von GoPro Nutzern erstellt. Dabei ist es eine etablierte Praxis beim Teilen von Bild-oder Video-Material, dass der GoPro-Hashtag verwendet wird. So kann das GoProMedia Team alle Beiträge zuordnen und andere Nutzer können systematisch nachBeiträgen suchen und diese dann teilen. Täglich wird ein Video mit einem Preis gekürtund prominent auf allen Social-Media-Kanälen platziert. Durch das Engagement vonGoPro Nutzern wird die Markenbedeutung von GoPro durch Millionen von persön-lichen Geschichten aufgeladen, mit denen sich andere Nutzer oder potenzielle neueNutzer identifizieren können.

Neben den GoPro Nutzern sorgen GoPro Super-Nutzer, das sogenannte „Hero-Team“ für die Repräsentation der ursprünglichen Markenbotschaft. Junge, enthusi-astische Sportler werden von GoPro mit den neusten Ausrüstungsgegenständenausgestattet. Zudem absolvieren sie Kurse zum bestmöglichen Einsatz der Aus-rüstung. Sie werden dann zu von GoPro gesponserten Events eingeladen, um vondort auf ihren Social-Media-Kanälen zu berichten. Zusätzlich werden Profi-Sportlergesponsert, die ebenfalls mit GoPro-Ausrüstungen versorgt werden und die Markeklassisch als Testimonial repräsentieren.

Am Beispiel von GoPro wird deutlich, wie sich Marketing-Aktivitäten zurMarkenidentifikation und zur Entwicklung einer gemeinsamen Markenbedeutungergänzen können. Die Marke soll Sportlichkeit, Spaß und Abenteuer verkörpern,dazu werden Extremsportler gesponsert und GoPro Super-Nutzer ausgewählt, diediesem Markenbild entsprechen. Gleichzeitig werden alle GoPro Nutzer auf derMarken-Plattform aufgefordert ihre Geschichte mit GoPro zu erzählen. Darausentsteht in iterativen Prozessen eine neue gemeinsame Markenbedeutung, die dasVerständnis der Marke durch ihre Nutzer widerspiegelt und damit einzigartig undgleichzeitig schwer zu imitieren ist.

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4.3 Lern- und Anpassungsfähigkeiten von GoPro

GoPro Nutzer finden immer wieder neue Einsatz- und Befestigungsmöglichkeitenfür die Kameras und tragen so stark zur Weiterentwicklung von GoPro bei. DasGoPro-Entwicklungsteam greift diese Ideen auf und baut neue Zubehörteile undbessere Befestigungsmöglichkeiten. So wurde beispielsweise im Jahr 2014 der „GoFetch“ Hundegurt auf den Markt gebracht, mit dem zwei GoPro-Kameras an einemHund befestigt werden können, die es möglich machen die Welt aus dem Blickwin-kel eines Hundes zu sehen. Auf von GoPro geförderten Foren wird diskutiert, ob sichdieser Hundegurt auch für Kleinkinder einsetzen lässt, die gerade Krabbeln oderLaufen lernen (r/GoPro 2015).

Die Markenplattform „GoPro“ ist hochgradig lern- und anpassungsfähig. DieseAgilität wird insbesondere durch die enge Verbindung zu externen Entwicklernmöglich. Nick Woodman, CEO und Gründer von GoPro betont: „Over the last fewyears we’ve been excited by the creativity and enthusiasm other brands havedemonstrated when integrating GoPro into their own solutions,“ (GoPro 2016b).GoPro erkennt, dass sich eine Community aufgebaut hat, die mit GoPro-Kamerasund GoPro-Software arbeitet und in ihre eigenen Produkte und Dienstleistungenintegriert. Anfang 2016 wird offiziell das „GoPro Developer Program“ lanciert.Woodman erklärt: „The GoPro Developer Program is a way for us to celebrate theinnovative work of our developer community and more importantly, help enablewhat comes next. We’re grateful to benefit from the collective genius of theparticipating developers and we’re excited to now officially support their effortswith our developer toolkits“ (GoPro 2016b). Marken wie BMW, Fisher-Price, Polarund viele andere mehr entwickeln ihre Produkte und Dienstleistungen aufbauend aufden offenen Programmen, Modulen und der Hardware, die von GoPro auf derEntwicklungsplattform bereitgestellt werden weiter (GoPro 2016a).

Aus der Geschichte von GoPro lässt sich gut nachvollziehen, wie aus der ur-sprünglichen Markenidentität, die durch Action-Shots von Extrem-Sportlern geprägtwar, eine vielschichtige Markenbedeutung wächst, mit der sich Abenteuerurlauber,Hundeliebhaber, Hersteller von Kinderspielzeugen und viele mehr identifizieren.GoPro hat erkannt, dass durch das Engagement der Akteure seines Service-Ökosys-tems ein starker Hebel für Wachstum und ein schwer imitierbarer strategischerVorteil entsteht. Außerdem versteht es GoPro das Engagement von äußerst unter-schiedlichen Akteuren zu fördern. Bestehende Strukturen auf Social-Media-Kanä-len, wie beispielsweise das Hashtag oder das Bewertungssystem werden gekonntgenutzt, um die Beiträge von Go-Pro Nutzern zu systematisieren und zu filtern.GoPro hört dem „Social Talk“ seiner Community zu. Sobald die Chancen gesehenwerden sich einen neuen Markt zu öffnen, schaltet sich die Marken-Plattform einund reagiert auf neuen Bedarf. Die offenen Schnittstellen zu einer immer größerwerdenden Entwickler Community ermöglichen vielfältige Möglichkeiten zur Inte-gration von Ressourcen. Dadurch werden wiederum neue Ressourcen geschaffenund Potenzial zur ständig neuen Ko-Kreation von Wert.

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5 Fazit

Dieser Beitrag zeigt innovative Wege auf, wie Marken in einer zunehmend vernetz-ten Welt strategische Vorteile innerhalb ihres Ökosystems generieren können. DasKonzept des Vernetzten Brandings am Beispiel von GoPro zeigt, wie die Marke alsZeichensystem und als ein Bündel von Prozessen zur Ko-Kreation einer gemeinsa-men Markenbedeutung integrativ betrachtet werden kann. Die Sichtweise vonVernetztem Branding betont die Rolle der Marken-Plattform als soziales Schema,durch das Verhalten von Akteuren innerhalb des Ökosystems koordiniert wird.Während die Marken-Plattform beim Aufbau der Markenidentität die Steuerungder Marketing-Aktivitäten übernimmt, kommt ihr bei der Entwicklung derMarkenbedeutung eine Koordinations- und Unterstützungsfunktion zu. Hier ist esdie Aufgabe der Marken-Plattform, das Engagement zwischen Akteuren im Netz-werk zu fördern und die Markenbedeutung in einem iterativen Prozess stetig abzu-gleichen. Das erfordert, wie das Beispiel von GoPro zeigt, agile Strukturen und hoheAnpassungs- und Lernfähigkeiten.

Die zentrale Implikation für das Management liegt im Perspektivenwechsel inRichtung einer vernetzen Markenbetrachtung. Die Ära der Markenführung, in derdem Unternehmen die Kontrolle über die Markenbedeutung zugeschrieben wird,wird durch die Ära der vernetzten Markenbildung abgelöst. Dabei wird es zurzentralen Aufgabe des Managements und insbesondere der Marketingverantwortli-chen, der Entwicklung der Markenbedeutung den Weg zu bereiten. Markenbedeu-tung wird nicht durch Marketingaktivitäten von Unternehmen geschaffen, sonderndurch die Marken-Plattform gefördert, die zu Interaktionen zwischen Akteurenaufruft, den Zugang zur Plattform schafft und Ressourcen verschiedener Akteureintegriert. Mit Blick auf die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen stellt man fest,dass Geschäftsmodelle, die sich als Plattformen mit offenen Systemgrenzen aufstel-len, wie beispielweise GoPro aber auch AirBnB, Uber oder Kickstarter, weltweit dieMehrheit der am schnellsten wachsenden Unternehmen ausmachen (Wharton 2016).Solche Geschäftsmodelle unterstützen und befähigen ihre Kunden, Partner undteilweise sogar ihre Wettbewerber, aktiv an Ko-Kreationsprozessen teilzunehmen.Während der Aufbau einer starken Markenidentifikation eine notwendige Bedin-gung für das Branding darstellt, wird der strategische Vorteil durch die Stärke dergemeinsamen Markenbedeutung generiert. Demzufolge ist es eine zentrale Aufgabefür das Management, den Governance-Mechanismus des Service-Ökosystems zuverstehen, in dem Marken zur Entstehung von Wert beitragen. Letztlich muss es dasZiel sein, den Integrationsprozess von individuellen und kollektiven Interessen zuunterstützen (Brodie et al. 2017; Medlin 2006).

Insbesondere die Ermöglichung von Engagement der Kunden ist eine zentraleAufgabe für Marketingmanager. Kunden sollten als aktive Mitgestalter von Mar-kenwert verstanden werden. Der Einbezug von Kunden könnte Marketingstrategienim Wege stehen, die darauf ausgerichtet sind zu manipulieren oder zu überreden.Vernetztes Branding stellt hingegen ein unschätzbares Potenzial für Manager dar, dieein offenes und faires Markenversprechen abgeben (Merz et al. 2009). Am Beispielvon GoPro wird deutlich, wie Kunden bzw. Nutzer als aktive Akteure im Ko-

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Kreationsprozess von Markenwert eingebunden werden können. GoPro gelingt es,das Engagement von Millionen von Nutzern zu fördern ohne dass dabei die Mar-kenbedeutung zerfällt. Im Gegenteil, durch den geschickten Einsatz von Super-Nutzern und Testimonials wird die Balance zwischen gesteuerter Markenidentifika-tion und gemeinsamer Markenbedeutung gewahrt.

Markenpolitik im vernetzten Zeitalter bedeutet auch, Beziehungen jenseits derKunden-Unternehmens-Dyade zu betrachten, zu verstehen und vielfältige Akteurezum Engagement zu bewegen. Externe Partner und Entwickler nehmen, wie man amBeispiel von GoPro sieht, eine wichtige Rolle für die Entwicklung der Markenbe-deutung ein. Dabei kann die Grenze zwischen Kooperationspartnern und Wettbe-werbern verwischen. Die Öffnung von neuen Märkten erfordert es, womöglich sogarmit Wettbewerbern zu kooperieren. Offene Netzwerkstrukturen ermöglichen es vomkollektiven Genius aller beteiligten Akteure zu profitieren, wie Woodman betont(GoPro 2016b). Gleichzeitig stellen sich neue Anforderungen unter anderem an denUmgang mit geistigem Eigentum, Patent- und Markenrechten und Wettbewerbsbe-stimmungen.

Technologische Entwicklungen stellen den Treiber für Vernetztes Branding dar.Ohne intelligente Algorithmen zum Suchen, Verbinden und Filtern von nutzerge-nierten Inhalten wäre der Einbezug von Millionen von Nutzern in die Entwicklungder Markenbedeutung undenkbar. Technologie ermöglicht eine hoch skalierbareIntegration von unterschiedlichen Akteuren und Ressourcen. Daraus ergibt sichdie Anforderung an Marketingmanager, mit neuen technologischen Entwicklungenvertraut zu sein, insbesondere mit jenen, die der Vernetzung dienen, um derenpotenzielle Einsatzfelder für die eigene Markenstrategie beurteilen zu können.

Trotz neuer technologischer Entwicklungen bleibt zu berücksichtigen, dass dieQuellen für mögliche Kooperationen und Ausweitungen der Systemgrenzen viel-fältig sind, da eine Vielzahl von verschiedenen Beziehungen auf unterschiedlichenEbenen bestehen. GoPro hat Anknüpfungspunkte zu vielen Service-Ökosystemen,beispielsweise der Automobilindustrie, Herstellern von Spielzeugen, Smartphones,Smartwatches und viele mehr. Es bleibt eine Herausforderung, die Partner heraus-zufiltern, mit denen eine starke Markenbedeutung und damit letztlich Wert inner-halb des Ökosystems ko-kreiert werden kann.

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