Verhandlungen der Wiener dermatologischen Gesellschaft

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Verhandlungen der Wiener dermatologischen Gesellsclaaft. Sitzung veto 20. October 1897. Vorsitzender: Kaposi. Sehriftfiihrer: Spiegler. Naposi begrfisst die nach den Ferien zum ersten Male wieder versammeBe Gesellsehaft and gibt hierauf einen summarisehen Berieht fiber die wesentliehsten Vorkommnisse auf der jfingst (11.--16. October) in Berlin abgehaltenen Lepra-Conferenz, we]cher Berieht yon der Ver- sammlung mit grossenl I~teresse entgegengenommen wurde. Hierauf die Tagesordnung: Vorstellung yon Kranken. Kaposi demonstrirt einen Mann mit Lepra aus Monte- negro, der vor 3 Monatea mit Spuren eines Exanthems im Gesiehte and roseola~hnlichen Effloreseenzen am I~ficken aufgenommen warde. Gegen- w~rtig zeigt er eine wulstige Infiltration der Ohrmuseheln, der Wangen, Nase, Verlust der Augeabrauen, am Stamme kleinere braune Flecke, Atrophie der Interdigitalmuscalatur und ausgebreitete Anaesthesien, wie aueb eine charakteristische Affection am harten Gunmen in Form grauer KnStehen. Am Etlenbogen findet sich eine frisch geplatzte Blase, am Rande derselben besteht Anaesthesie. L. Freund s~ellt einen Patienten aus dent Ambulatorium Prof Kaposi's mit einer eigenthiimliehen Hautaffection naeh Meto]-Ein- wirkung vor. Velar- and zum Theile auch Dorsalfl~ehe beider H~nde und Finger zeigen eine diffuse, gleiehln~ssige, dunkel nuaneirte bls tithe R6thung, welehe unter Fingerdruck sebwindet; die Haut fiihlt sieh hart an, ist sehwer faltbar, stark verdickt, so dass die Finger vergr6ssert erseheinen, wiewohl die Knoehen normale Dimensionen baben. Die Epidermis hat ein gequollenes, dnrehsebeinendes, wie mit Wasserglas bestriehenes Aussehen. Temperatur beider tt~nde ist stark herabgesetzt. Sabjeetiv bestanden zuerst Gefiihle., on Taubheit, Bamstig- sein und Anaesthesie; sl)~iter als die Finger steifer win'den, traten noch Spannungsgefiihl, Jueken und Sehmerzen hinzu, welch' letztere aber hie anfallsweise auftraten. Patient ist Photograph, hat in den letzten seehs Monaten zum Entwiekeln seiner Negative Metol, ein l)erivat des Amido- kresols, verwendet und seit dieser Zeit will er aueh die allmglige Aus- bildung seines Leidens beobaebtet haben. In der That constatirte F. bei einem zweiten, in demselben Ate]let mit demselben Entwiekler arbeitendem Herrn die gleiebe Affection. Ob diese dem Metol oder den gerunreinigungen, welehe demselben eventuell beigemengt sein mbgen, zuzuschreiben sei, will F. nieht entscheiden. Differential-diagnostiseh gegenfiber der loealen Asphyxie in Folge anderer Ursaehen (Perniones, ErythromelMgie etc.) hebt F. neben dem ~tiologischen Momente die eigenthiimliche Besehaffenheit der Epidermis hervor. Prof. Lang ladet die Mitglieder auf seine Abtheilung, mn einen !:all • demonstriren, wetehen el' am 28. October 1896 in der dermato-

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Verhandlungen der Wiener dermatologischen Gesellsclaaft.

S i t z u n g ve to 20. O c t o b e r 1897.

Vorsitzender: Kapos i . Sehriftfiihrer: S p i e g l e r .

Napos i begrfisst die nach den Ferien zum ersten Male wieder versammeBe Gesellsehaft and gibt hierauf einen summarisehen Berieht fiber die wesentliehsten Vorkommnisse auf der jfingst (11.--16. October) in Berlin abgehaltenen Lepra-Conferenz, we]cher Berieht yon der Ver- sammlung mit grossenl I~teresse entgegengenommen wurde.

Hierauf die Tagesordnung: Vorstellung yon Kranken. Kapos i demonstrirt einen Mann mit L e p r a aus Monte-

negro, der vor 3 Monatea mit Spuren eines Exanthems im Gesiehte and roseola~hnlichen Effloreseenzen am I~ficken aufgenommen warde. Gegen- w~rtig zeigt er eine wulstige Infiltration der Ohrmuseheln, der Wangen, Nase, Verlust der Augeabrauen, am Stamme kleinere braune Flecke, Atrophie der Interdigitalmuscalatur und ausgebreitete Anaesthesien, wie aueb eine charakteristische Affection am harten Gunmen in Form grauer KnStehen. Am Etlenbogen findet sich eine frisch geplatzte Blase, am Rande derselben besteht Anaesthesie.

L. F r e u n d s~ellt einen Patienten aus dent Ambulatorium Prof K a p o s i ' s mit einer eigenthiimliehen Hautaffection naeh M e t o ] - E i n - w i r k u n g vor. Velar- and zum Theile auch Dorsalfl~ehe beider H~nde und Finger zeigen eine diffuse, gleiehln~ssige, dunkel nuaneirte bls tithe R6thung, welehe unter Fingerdruck sebwindet; die Haut fiihlt sieh hart an, ist sehwer faltbar, stark verdickt, so dass die Finger vergr6ssert erseheinen, wiewohl die Knoehen normale Dimensionen baben. Die Epidermis hat ein g e q u o l l e n e s , d n r e h s e b e i n e n d e s , wie mit Wasserglas bestriehenes Aussehen. Temperatur beider tt~nde ist stark herabgesetzt. Sabjeetiv bestanden zuerst Gefiihle., on Taubheit, Bamstig- sein und Anaesthesie; sl)~iter als die Finger steifer win'den, traten noch Spannungsgefiihl, Jueken und Sehmerzen hinzu, welch' letztere aber hie anfallsweise auftraten. Patient ist Photograph, hat in den letzten seehs Monaten zum Entwiekeln seiner Negative Metol, ein l)erivat des Amido- kresols, verwendet und seit dieser Zeit will er aueh die allmglige Aus- bildung seines Leidens beobaebtet haben. In der That constatirte F. bei einem zweiten, in demselben Ate]let mit demselben Entwiekler arbeitendem Herrn die gleiebe Affection. Ob diese dem Metol oder den gerunreinigungen, welehe demselben eventuell beigemengt sein mbgen, zuzuschreiben sei, will F. nieht entscheiden. Differential-diagnostiseh gegenfiber der loealen Asphyxie in Folge anderer Ursaehen (Perniones, ErythromelMgie etc.) hebt F. neben dem ~tiologischen Momente die eigenthiimliche Besehaffenheit der Epidermis hervor.

Prof. Lang ladet die Mitglieder auf seine Abtheilung, mn einen !:all • demonstriren, wetehen el' am 28. October 1896 in der dermato-

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logischen Gesellschaft vorges[ellt hat. Damals handel te es sich um eine i~ber f~ustgrosse Gesch~uls t der reeh ten Thoraxseite, fiber deren Na tu r er sich nicht aussprechsn konnte. HoiYath ~ N e u m a n n bezeishnete die Affection als ein Brom-Exanthsm~ doeh sprach sich der Redner damals gegen diese Auffassung aus. Behuf's anatomischer Untersuchung wurde ein grosser Theil exstirpirt , der Rest mit dem L5ffel abgeschabt und paquelinisir t . ~Nach einigen Woehen e rk rank ten die Driisen der Achsel- hShle~ ~nd man t ransfer i r te darum den Kranken auf eine chirurgische Abthei lung behufs En t fe rnung der Drfisen ; daselbst wurde n icht nur die AchselhShIe vollst~mdig ausgsr~umt~ sondern auch Reeidivansiitze in weitem Umf'ange exstirpirt . Die anatomische Diagnose lautete auf Tubereulose.

]m Laufe dieses Sommers, als wir keine Si tzungen mehr abhiel ten wurde der Kranke wieder auf die Abthei lung des Vor t ragenden zuriiek-' t r ~ s f e r i r t , un(t es war gunz merkwi~rdig zu sehen, dass in den Sehnitt~- l in i sn gegen die AehselhShle sich ganz typisehe~ miliar- tuberculSse Ge- sehwiirs der Haut~ da und dort yon papill~iren Wucherungen ums~umt, vorf~nden. In den le tzten Woehsn t ra[en Schwellungen sn tsprechend den Rippen rechts and dem Sternum auf~ welehe ohne Fiebers te igerung aI]m~lig deutliehe Fluctuat ion zeigtsn.

Oestern wurde dureh eine grosse Incision n~Jassenhaf'f, E i te r ent- leer t und bei der Untersuchung die 5. his 9. Rippe blossliegend and zwei dsrselhen rauh befimden.

K a p o s i demonstr i r t : 1. Einen 55j~.hrigen Mann, der seit zwei J ah ren in dsr Lsnden-

gegend, links yon der Wirbels~ule~ einen flaehhandgrossen Herd in Form einer Scheibe zeigt~ an dessen oberem Rande 4 e~wa bohnengrosse ro th- sehimmernde, fiber das Haufnivean ~orragende Knoten. Die Haut er- sehein t narbenhhnl ieh sehimmernd, dutch dis Hau~ ffihlt man eine har t s S(~'heibe dllreh. M~n kSnnte es fiir ein K e l o i d halten~ doeh kenn t ];. keinen Fall, dass Keloide zu e insr Scheibe confluirt waren. Fe rne r ge- hSrt das Keloid der Papi l larschicht an~ wghrend bier die obersten Haut- sehichten unver~.ndert sind. Visl le ieht handel t es sieh lml ein Sarsora. Das wird die histologische Untersuehung sntseheiden.

2. Einen 50j[%hrigen Mann mi t einem e h r o n i s e h e n p u s t ~ ] 6 s e n F, c z e m , vielleicht auf O r u n ~ von P r n r i g e . Eigenthi imlish ~s~ b e i ihm eine B r o n z e f a r b s des Gesiehtss wis bei M o r b u s A d d i - so ni . Auf der Sehleimhaut des Mundes findet sich niehts. Vis l le ieht hande]t es sJeh nm eine Melanose in Folge Arsengebrauchss.

3. Einen Fall mi t G u m m a t a l i n g u a e naeh Syphilis vor l~,~a Jahren, nuehdem' ein ganzes ffahr E inre ibungen gemaeht wurden.

~. E in X e r o d e r m a p i g m e n t o s u m bei einem M~dchen, das- ~nit 14 J a h r e n ins Spiral kam~ je tz t 26 Jahre all ist. Es wurden sehoY~ 14--15 Careinome bei ihr operirt , eine sshwammige blut re iehs Gssehwulst des ]inken Augenlides, die yon Hofrath F u e h s exst i rp i r t wurde, erwies

s ish als Endothel iom. Je tz t ist sin Carcinom am Joehbs in aufgetreten, das mm wahrscheinl ieh zu Me~astasen and le talem Ausgang f'iihrsn diirfteo

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5. Ein Fall yon C a r e i n o m der 0 b e r l i p p e bet im Ueb:.i~'e: ganz yon L u l o u s k n S t c h e n und Narben bedeckter I,ippe uad Wange.

6. Einen Fall yon U r t i c a r i a c i c a t r i c a n s . An der Spitze vieler KnStehen linden sich Pusteln. Wahrseheinlich werden d~ese zer- rissen an(1 so entstehea die Narben.

Dr. D e u t s e h stellt aus der Abtheilung Prof. L a n g ~ s ein zwe~- j g h r i g e s K i n d mit N e c r o s e d e s A ] v e o l a r f o r t s a t z e s d e s U n t e r k i e f e r s vor.

Die an~mmestisehen Daten sind ziemlieh d~irftige, der Vater leidet an Haemop~5, die ~Iutfier~ die als Pflegerin des Kindes mit aalfgenommea ~vurde, zeigt derzeit keine Krankhei~serseheinungen und war auch frSher nieht krank. Von den vier ~ltesten Kindern starben drei an untersehied- licheD Kinderkrankheiten im Alter yon 2--3 Jahren, eins lebt und ist gesund. Die 5. GravidiIiit endete mit Abortus. Dann erfo]gte die Ge- burr unseres Patienten. Derselbe sell zwar immer schwSchlich, jedoch nicht eigentlieh krank gewesen sein, .so dass die Impthng erst im Alter yon 19 Monaten vorgenommen wurde; yon diesem Zeitpunkte datirt di~ Mutter auch das A~tftreten yon Krankheitserseh('innng('.n, zuerst Lungen- and Darnwatarrh, dann Gesehwiire an der Haut des K6rpers and eben- solebe im Munde.

St. pr. Schws seh]eeht genghrtes Kind, v .n krgnklichem Aussehen. Die alIgemeine Decke b!ass, atrophisch, zeigt allenthalben, namentlieh am Riieken, zahlreich% hanfkorn- b~.s krenzergrosse, leicht eingesunkene, zarfe, znm Theil weissliche, zum Tell livide Narben mit. d~nkelpJgmen~irter Umgebung, eine Confluenz solcher Narben an der 1. SehulterhShe, die ehemaligen Impfstellen erkennbar, ohne besondere

Veri~nderung. Der ganze Naeken des Kindes eingenommen von einem naeh unten

zu sich durch eine serpiginSs geschwungene Linie begrenzenden fliiehenhaften Infiltra.t, das gleichmiissig ger5thet einzeln% unter der Be- handlang bereits zuriiekgegange~e, confluirende papul6se Effloreseenzen and einzelne kirscbkern- his hase]nussgrosse Knoten auf~veist, deren grSsster vereitert ist; einige flachere desquamirende Infiltrate an der behaarten Kopthaut. Die Unterlippe erscheint h~ngend, veto Atveolartheit abstehend und gestat, tet den Einblick in die vordere Mundh5hle. Es erseheint die Gingiva eutspreehend dem Bereieh der nicht vorhand~nm~ unteren Sehneidezahne in ein eitrig belegtes Gesehwiir umgewandelt, dessen hintere Begrenzung die wallartlg aufgeworfene Gingiva bi ldetund dessen Grand halb abgestossene neerotische Fetzen aufweist. Die unter- suehende Sonde stSsst auf yon Periost entbl5ssten Knochen.

Die zahlreiehen Narben am Rumple des Kindes, die derzeit be- stehenden Infiltrate, sowie das eben beschriebene Oesehwfr lassen die Diagnose L u e s gereehtfert igt erscheinen, die anamuestisch sich leieh~

als hereditgr stiitzen lgsst.