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OKTOBER / NOVEMBER 08AUSGABE 16 - JAHRGANG 3

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EDITORIALEDITORIAL INHALTINHALT

NEGANEGATIEFTIEF ABO ABO

....in diesen Läden gibt es das NEGAtief Media Markt: Aschaffenburg, Augsburg, Bad Dürrheim, Bochum, Chemnitz, Dessau, Dresden-Nickern, Duisburg, Flensburg, Goslar, Groß Gaglow, Günthersdorf, Heide, Heilbronn, Herzogenrath, Hildesheim, Kaiserslautern, Karls-ruhe, Koblenz, Krems, Leoben, Limburg, Linz, Magdeburg, Memmingen, München, Nürnberg-Kleinreuth, Oldenburg, Pforzheim, Porta Westfalica, Reutlingen, Saarbrücken ,Sin-delfi ngen, Stuttgart, Trier, Viernheim, Vössendorf, Weiterstadt, Wien, Wien Hietzing, Wiesbaden

Saturn: Augsburg, Bad Oeynhausen, Bergisch Gladbach, Braunschweig, Bremen, Darmstadt, Dortmund, Dresden, Düs-seldorf, Erfurt, Essen, Euskirchen, Frankfurt, Gelsenkirchen, Gelsenkirchen, Göttingen, Graz, Hagen, Halle, Hamburg, Hamm, Hanau, Hannover, Ingolstadt, Kaiserslautern, Karls-ruhe, Kassel, Klagenfurth, Kleve, Köln, Köln-Hürth, Köln-Porz, Krefeld, Leipzig, Leverkusen, Linz, Magdeburg, Mainz, Moers, München (Stachus), Münster, Neuss, Oberhausen, Reutlingen, Röhrsdorf, Saarbrücken, Stuttgart, Vössendorf, Weimar, Wien Millennium City

Expert: Bad Kreuznach, Burbach, Dillenburg, Friedberg, Gie-ßen, Hachenburg, Koblenz, Mainaschaff, Nastätten, Neuwied, Siegen, Waldbröl, Wetzlar, Wiesbaden

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...in diesen Clubs gibt es das NEGAtief: Capitol, Kir, Club Pavillon, Topact, K17, Darkfl ower, Kuz, Come-In, Ringlokschuppen, Nachtcantine, Musikbunker, Kulturbahnhof Kato, Kufa / SB, Dominion, Factory, RPL, Schüt-zenparkbunker, Nerodom, Markthalle, Forellenhof, Shadow, Meyer, Freeze Frame, Zentrum Zoo, X, Beatclub, Rockfabrik, Uni 1, Südbahnhof, Kulthallen, Underground, Musiktheater, Unikum, Sonic, Crash, Melodrom, Komplex, Loop, Mau Club, Nachtwerk, Dark Dance, Boiler Room, Matrix, Club Trafo, Meier Music Hall, Musiktheater, Archiv, Alchimistenfalle, Bloodline, Shadow, Eleganz / Bigstone, Nachtwerk Musikklub, Extrem und tanzbar, Loop, Koma

... und über Xtra-X

oder per Abonnement bei www.NEGAtief.de

Die letzte „ganze“ Ausgabe unseres dritten Jahr-gangs und wir reiben uns verwundert die Augen: Schon wieder wird der Underground ein Jahr älter, die Nächte länger und der Sprit teurer. Trotzdem bleiben wir weiterhin das einzige Gratismagazin der Szene und an uns macht man sich die Finger nicht schmutzig. Wir haben mit Veljanov und Spilles zwei der dienstältesten und verdientesten Front-männer dieser Szene aufs Titelblatt geholt. Sowohl Alexander Veljanovs als auch Peter Spilles’ Solo-projekt spenden Mut und beweisen eindrucksvoll: Man kann sich auch von übergroßen Schatten be-freien und bleibt sich trotzdem treu. Und was gibt es sonst noch: Interessante Bücher, Communities, Veranstaltungen und Veröffentlichungen, die uns allen die kalte Jahreszeit versüßen. Und wer wäh-rend der kalten und regnerischen Tage nicht in den Club möchte, um sein NEGAtief zu holen, dem sei gesagt: Du kannst das NEGAtief auch abonnieren und es ist trotzdem gratis! Eure Redaktion

Herausgeber: Danse Macabre, Inh.: Bruno Kramm, Schloss Cottenau, 95339 Wirsberg Chefredaktion: Ringo Müller (V.i.S.d.P.), Bruno Kramm Redaktion: Gert Drexl, Marius Marx, Norma Hillemann, Poloni Melnikov, Maria Mortifera, Siegmar Ost, Ina Reeg, Stephanie Riechelmann, Diana Schlinke Layout: Stefan SieglLektorat: Ringo Müller

Vervielfältigung oder auszugsweise Verwendung benö-tigt der schriftlichen Genehmigung. Keine Haftung für unverlangt eingesandte Informations- und Datenträger. Die Artikel geben nur die Meinung der jeweiligen Verfas-ser wieder. Nach dem deutschen Pressegesetz Art.9 sind wir verpfl ichtet, darauf aufmerksam zu machen, dass für sämtliche redaktionellen Beiträge in unserem Heft eine Unkostenpauschale für Vertrieb an den Auftraggeber be-rechnet wurde. Trotz dieses Geschäftsverhältnisses ent-sprechen jedoch sämtliche Textbeiträge der persönlichen Meinung des jeweiligen, unentgeltlichen Verfassers und seiner Interviewpartner. Das NEGAtief versteht sich als eine, im Sinne der allgemeinen Verbreitung der alter-nativen Musikszene dienenden Publikation, die gerade kleinere Firmen durch eine preisbewusste aber alterna-tive und fl ächendeckende Publikation ihrer vertriebenen Künstler unterstützt.

Schloss Cottenau – 95339 Wirsberg Tel. 09227/940000

[email protected] www.negatief.de

5 Tourdaten5 Kolumne Schementhemen7 Soundcheck12 Buchcheck42 Gothic-Family.net

8 Alexander Veljanov43 Atomic Neon13 Bacio di Tosca14 The Beauty of Gemina24 Chapeau Claque25 Das Ich57 Eisschock20 Elane40 Elvenking38 Feuerschwanz22 Felix Marc56 Gothika47 Heavy Current48 Illuminate44 Imatem36 Jack Frost28 Körperschall17 Kontrast46 Magica39 Modulate54 Noblesse Oblige26 Philosopher‘s Point18 Qntal52 Rozencrantz12 Scarelett27 Scream Silence58 Soul in Sadness56 Timecut50 Unheilig21 Vic Anselmo35 Whispers in the Shadow

Schon wieder ist das NEGAtief in Eurem Club vergriffen? Media Markt und Saturn haben auch keine mehr? Holt Euch das NE-GAtief nach Hause! Ihr zahlt lediglich einen Jahresbetrag von 12 Euro für Porto und Ver-packung und habt sechs Mal im Jahr noch vor dem Streetdate das NEGAtief in Eurem Briefkasten. Schickt eine E-Mail mit dem Betreff „Abo“ und Eurer Postadresse an [email protected].

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AUSGEWÄHLTE TOURDATENAUSGEWÄHLTE TOURDATENDAS ICH 03.10. Rostock, Mau Club04.10. Herford, X06.10. Wuppertal, Pavillion07.10. Frankfurt, Nachtleben08.10. Wien, Viper Room

ALBUM WEEK 381 Eisbrecher - Sünde2 Oomph! - Monster3 Suicide Booth - Terror from the sky4 Ellipse vs. Industriegebiet - Körperschall5 Inline.Sex.Terror - 11:116 ASP - Zaubererbruder (Krabat Zyklus)7 Ionic Vision- Bitter Isolation8 The Beauty of Gemina -

A Stranger To Tears9 Felix Marc - Pathways10 The Chemical Brothers - Brotherhood

SOUL IN SADNESS18.10 Regensburg,

Boiler Room

QNTAL02.10. Kassel, Nachthallen

(Dark Area Festival)20.11. CH-Zürich, Abart*21.11. Zapfendorf, Top Act*22.11. Augsburg, Kantine

(ElfenFolk-Festival III)23.11. Leipzig, Moritzbastei* 24.11. Bochum, Christuskirche*25.11. Karlsruhe, Culteum* 27.11. Bremen, Aladin* 28.11. Berlin, K17* * = Support: Elane

RABENSCHREY03.10. Bonn, Maritim-Hotel

(Ring*Con 2008)04.10. Schüttdorf, Komplex05.10. Augsburg, Kantine11.10. Hamburg, Ballroom

Der Augenblick von Inspiration„Ausgangspunkt, Kern und Herz all dessen, womit wir uns, speziell auf die-sen Seiten, wie auch in der gesamten Schwarzen Szene, beschäftigen, ist im-mer noch das musikalische Konstrukt.“ Vielleicht erinnert ihr euch an dieses en-orm wichtige Theorem der letzten Aus-gabe. Das musikalische Konstrukt – es soll ruhig ein weiteres Mal Sujet sein! Denn dauernd muss ich mich über jenes Phänomen verwundern, zum Beispiel: wie es überhaupt zu-stande kommt! Es gibt Menschen, die aus sich heraus den Drang fühlen, etwas, welches bislang nicht existierte, auf unsere Daseinse-bene zu hieven, noch nicht Dagewesenes

Myk Jung durchleuchtet die Schattenzu erschaffen – und ich frage mich un-entwegt: Wieso fühlen sie diesen Drang? (Neben der Motivation, als Rockstar Gold und Ruhm zu sammeln, natürlich.) Die Antwort mag lauten: Es bleibt ihnen gar nichts anderes übrig! Sie gehorchen einem inneren Kommando, das sie auf-fordert, gemäß ihrer ureigenen Bega-bung tätig zu werden; und diese ist in ihrem Falle nicht das Zusammenfriemeln von milliardenschweren Fusionen, son-dern das Songwriting. Was mich indes

noch mehr fasziniert, ist die Frage nach dem Wie: Auf welche Weise kommt der Song zu ih-nen? Es ist womöglich nicht profundes musi-kalisches Wissen, was die Früchte gelungener Kompositionen gebiert

– denn selbst die versier-testen Harmonielehreken-ner hadern nicht selten mit ihren Ergüssen; es ist offen-kundig auch nicht Disziplin: Denn der Vorsatz, sich jetzt wacker hinzusetzen und ad hoc einen guten Song zu schreiben, ist in den mei-sten Fällen von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Die großartigsten künstle-rischen Schöpfungen, wage ich hier zu behaupten, sind jene, die der plötzlichen und unvorhergesehenen In-tuition entspringen, einem Moment unforcierter Inspi-ration, der sich nur dann und wann über den Künstler schwingt. Es ist allein jener nie und nimmer zu erzwingende Augenblick, der machtvoll und ohne das Zutun des Sterblichen, der sich da Künstler nennt, hervortritt – und fopp! Ewiges hervorbringt. Klingt pathe-

09.10. Würzburg, AKW27.11. München, Metropolis

EISBRECHER18.10. München, Albamahalle22.11. Adelsheim, M.O.D.E.

15.11. CH-Pratteln, Z7 (+ Schelmish)

28.11. Wuppertal, LCB29.11. Gera, Sächsischer

Bahnhof

LACRIMAS PROFUNDERE10.10. Chemnitz, Bunker11.10. Gera, Festival12.10. Bruchsal, Fabrik23.10. München,

Backstage Club24.10. Hamburg, Logo25.10. Ottweiler, Club Schulz*26.10. Ludwigsburg, Dark Sins

Festival01.11. CH-Schaffhausen,

Kammgarn08.11. Berlin, Knaack Club09.11. Frankfurt, Nachtleben12.11. A-Wien, Szene16.11. München, 59 to 117.11. CH-Zürich, Rohstoffl a-

ger18.11. Chemnitz, AJZ Talschock13.12. Laufen, Festival

Lesungstermine:08.10. Essen, Panoptikum 14.10. Düsseldorf, Abraxas

24.10. Karlsruhe, Kulturruine 26.10. Velbert, Flux

12.11. Essen, Panoptikum08.11. Aachen, Café Einstein

23.11. Velbert, Flux

ALBUM WEEK 391 Imatem - Journey2 Felix Marc - Pathways3 Santa Hates - You You‘re On The

Naughty List4 Front 242 - Moments ...5 V. A. - The Remix Assault Vol.16 Leaether Strip - Civil Disobedience7 Wynardtage - The Forgotten Sins8 Midnight Resistance - Remote9 Neon Insect - Enigma10 Miss Construction - Kunstprodukt

german electronic webcharts

tisch und obendrein nach Plattitüde, hm? Is’ aber so. Demnächst mehr dazu. Zu diesem Thema fällt mir nämlich gerade eine abgedrehte These ein. Doch weh! Das Zeichenkontingent ist erschöpft. schementhemen.de

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TIPP DER REDAKTION

The Beauty Of Gemina „A Stranger To Tears“ Man kann nur dankbar sein, dass einem im Musik-Spam-Zeitalter auch ab und zu die Alben erreichen, die wirklich berühren. So auch das zwei-te Album „A Stranger To Tears“ der Ausnahmeband The Beauty Of Gemina, das die konsequente Weiterentwicklung ihres Erstlings „Di-ary Of A Lost“ darstellt, welches schon vor eineinhalb Jahren unser Albumtipp war. Die Schweizer um Sänger Michael Sele zeigen erneut, dass sie ein goldenes Händ-chen fürs Songwriting haben und Brücken zwischen Musikwelten bauen können, die so manch einem un-vereinbar scheinen. Sie verbinden eine steife Brise Cold Wave mit Dark Wave und treibendem Dark Rock. Dazu gesellen sie einfache elektronische und sinfonische Elemente, gepaart mit der unverwechselbar eigenstän-digen und wandelbaren Stimme von Michael Sele, die hier und da an charismatische Kollegen wie Bowie, Vel-janov und Eldritch erinnert. Kurzum: Ein musikalisches Meisterwerk, das auf eine große Zukunft dieser Band hoffen lässt. RINGO MÜLLER

Soul in Sadness „ZwischenWelt“ Soul in Sadness melden sich nach vier Jahren mit „ZwischenWelt“ zurück. Die Seelen rund um Stefan Siegl präsentieren Dark Rock vom Feinsten. Der Prolog führt hinein in die „ZwischenWelt“, welche aus rockigen, klassisch an-gehauchten Songs und einem Wechsel von englischen und deutschen Lyrics, die verschiedene Seelenzustände beschreiben, besteht. Mit „Childhood“ gibt es – abge-sehen vom Prolog – auch ein sehr ruhiges Instrumen-talstück. Man wird wahrlich hineingerissen in die „Zwi-

des Duos Deine Lakaien, besticht durch ungewöhnliche Alltagstauglichkeit und macht dabei auch vor Anleihen am Kabarett oder Brecht und Weill nicht halt. Eine span-nende Reise für alle jene, die Veljanovs Werke kennen und lieben, und prima Einstiegsmaterial für unbedarfte Neulinge auf dem Gebiet Veljanov. TYVES OBEN

Jack Frost „My Own Private Hell“ „My Own Private Hell“ ist das mittlerweile siebte Album der Gloom Rocker aus Österreich. Nach mehreren Labelwech-seln ist das Linzer Quartett nun beim emsigen Label Sil-verdust Records gelandet. Jack Frost (der Name ist an einen Songtitel von Saint Vitus angelehnt) haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie trotz aller Melancholie und Traurigkeit auf ih-ren Alben Hedonisten geblieben sind und schaffen es mit jedem Album aufs Neue, ihre Hörer zu packen und mit ihren schwerfällig melancholischen Hymnen in ih-ren Bann zu ziehen. Musikalisch bewegt sich ihr neuer Gloom Rock Bastard im Dunstkreis von Doom-Göttern wie Cathedral, alten Danzig-Alben, Gothic Heroen wie Fields of the Nephilim und erinnert auch manchmal an Großmeister Johnny Cash, was dem Timbre von Sänger Phred Phinster zu verdanken ist. Auch ihre Liebe zu den 60er und 70er Jahren ist unverkennbar, z.B. an der Co-verversion von John Denvers „Leaving On A Jetplane“. Willkommen in der Hölle. POLONI MELNIKOV

Illuminate „Zeit der Wölfe“ Eines der traurigsten und zu-gleich schönsten Alben des Herbstes kommt von Illumi-nate. Das Konzeptalbum „Zeit der Wölfe“ ist das nunmehr elfte Werk und widmet sich der Thematik der Märchen; die Symbol tragenden Fi-guren des Wolfes und des jungen, schönen Mädchens stehen textlich im Vordergrund. Die Eigenschaften die-ser Symbolfi guren wurden gesanglich durch Johannes und Sylvia Berthold perfekt umgesetzt – ob solo oder im Duett. Illuminate bleiben ihrem typischen Sound und der deutschen Sprache treu, sie verbinden romantische, rockige und klassische Elemente mit märchenhaften Lyrics. So klingen die Lieder mal verträumt, mal bedroh-lich. Ein schaurig-schönes Musik-Märchen, das einem die Gänsehaut über den Rücken jagt und im nächsten Moment zum Träumen verleitet. Genau das Richtige für dunkle Herbstabende. DIANA SCHLINKE

schenWelt“. Immer und immer wieder will man sich in diese Welt hineinhören. Und jedes Mal nimmt man wieder eine neue Textzeile wahr, die einen nachdenklich stimmt, oder hört eine Melodie, die berührt. Trotz der Tiefgründigkeit der Texte, schafften es Soul in Sadness, die meisten Stücke clubtauglich zu machen. Vor allem die am Schluss befi ndlichen drei Remixe, unter anderem „Deadnettlepan“ geremixt von P.A.L. und „Der Zweite Weg“ geremixt von Transit Poetry. DIANA SCHLINKE

Imatem – „Journey“ Mit seinem zweiten Soloal-bum weiß Mastermind Peter Spilles von Project Pitch-fork wirklich zu begeistern. Nachdem er es mit „Home“ zunächst heimisch angehen ließ, nimmt er uns mit „Jour-ney“ auf eine musikalische Reise. Und wie schon beim Erstlingswerk hat er wieder interessante Gastsänger am Start. Die Stücke mit Ronan Harris und Sven Friedrich sind sicherlich die Highlights der Scheibe mit absolutem Ohrwurmcharakter und werden sich sicherlich bald auf den Dancefl oors wieder-fi nden. „Haven“ besticht durch Ronans unverkennbare Handschrift und „Escape to Follow“ wird getragen durch Svens ruhig markante Stimme. Erwähnenswert ist vor allem noch das Duett mit Stefan Grossmann von Absurd Minds, da Stefans Stimme ja schon in der Vergangenheit durch die ähnliche Klangfarbe mit Peter aufgefallen war. So entsteht mit „Flat Lux“ ein Duett der perfekten Sym-biose. Nicht zu vergessen ist natürlich das Stück „Down to the sea“ mit Sara Noxx, die wieder durch ihren unver-wechselbaren Sprechgesang, dem Stück ihren Stempel aufdrückt. Fazit: Ein rundum gelungenes Werk, welches durch die neun Gast-Auftritte eine Einzigartigkeit erhält und somit für jeden was an Bord hat. HEIKO NOLTING

Veljanov „Porta Macedonia“ Ganz ohne Anstrengung scheint der Fluss der Musik seinen Lauf durch steiles Bergland oder assoziierte Jahrmarktsatmosphäre zu nehmen. „Porta Mace-donia“, so der Name des dritten Soloalbums des Ausnahmevocalisten und Hälfte

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Tor zwischen zwei WeltenAlexander Veljanov ist unmittelbar mit einem der größten Szenenamen schlechthin verbun-den: Deine Lakaien. Doch im Schatten des überlebensgroßen Projektes wusste der Sän-ger mazedonischer Herkunft auch immer wie-der mit höchst eigenwilligen und interessanten Seitenprojekten zu überzeugen. Sei es das sehr Oldschool-wavige Run Run Vanguard oder die sehr glamlastige Variante des „Secrets of the Silver Tongue“: Alexander Veljanov ruhte sich nie auf seinen Lorbeeren aus. Der Ausnahme-sänger erzählt überraschend freimütig über seine Erfahrungen im Musikbusiness, über ma-zedonische Aufbauarbeit, über Vergangenes und natürlich über sein neuestes Sammelsuri-um musikalischer Gedanken. „Porta Macedo-nia“ ist wohl Alexander Veljanovs experimen-tellstes und ungewöhnlichstes Album. Es gab viel Neues zu entdecken in seiner Zweitheimat Mazedonien und somit auch zu besingen.

„Porta Macedonia“ ist abwechslungsreich, ein-gängig, ja sogar poppig und sehr experimen-tell. Wieso eigentlich der Titel „Porta Macedo-nia“? Ist das für dich gleichzusetzen mit einem Tor zu einer anderen Welt?Ich habe sehr lange überlegt, wie ich das Album nen-nen soll und letztendlich trifft es das mit dem Tor zwischen zwei Welten ganz gut. Welten, die ich bei-de kenne. Das Album soll die Verbindung zwischen Deutschland und Mazedonien darstellen. Ich glau-be, dass in dem Album sehr viel von beiden Welten drin steckt und versucht, den Leuten einiges nahe zu bringen. Es ist nicht gerade homogen, aber ich denke, genau darin liegt die Spannung, dass so viele überraschende und unterschiedliche Dinge aufei-nander folgen und ineinandergreifen.

Hast du dir dein, mittlerweile drittes Soloal-bum genauso vorgestellt, wie es jetzt auf dem Album vorliegt? Nein, eigentlich überhaupt nicht. Es liegen ja doch viele Jahre und sehr viele andere Produktionen mit Deine Lakaien dazwischen. Ich habe mir ganz ein-fach keinen Zeitplan gesetzt, für ein Veljanov-Album Nummer drei. Ich hatte ja auch keine Abgabetermine

ALEXANDER VELJANOVJö

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und keinen Druck vonseiten einer Plattenfi rma. Ich habe einfach versucht, das erste Mal in Mazedonien zu arbeiten und mich in einem Land, das in den letz-ten zwanzig Jahren sehr viele Veränderungen erlebt hat, zu orientieren. In den neunziger Jahren konnte ich ja nicht so viel Zeit dort verbringen wie früher, und am Ende überfi el mich eine Fülle von Infusionen, die sich letztendlich auch in der Zusammenarbeit mit den Kollegen dort, in der Musik und den Texten nie-dergeschlagen hat.

Gibt es eine Art roten Faden in „Porta Macedo-nia“, eine Geschichte, die sich durch das ganze Album zieht? Einen roten Faden in dem Sinne gibt es nicht. Ich bin halb deutsch und halb mazedo-nisch und bin mit zwei Kulturen groß geworden, was ein sehr großer Reichtum für einen Men-schen sein kann. In den Jahren der Arbeit, an diesem Album, waren für mich natürlich die wichtigsten Einfl üsse erstmal in der direkten Zusam-menarbeit mit meinem Partner Goran Trajkoski, mit dem ich die Lieder geschrieben habe. Dann natürlich auch der für mich neue, häufi ge Gebrauch der deut-schen Sprache. Erstaunlicherweise bin ich gerade in Mazedonien dazu gekommen, mich mehr mit der deutschen Sprache und dem Singen in deutscher Sprache auseinanderzusetzen und das ist nach so vielen Jahren, die ich ja nun schon als Musiker aktiv bin, für mich auch ein interessanter und wichtiger Weiterentwicklungsschritt. Ich bin sehr gespannt, wie das Album von den Leuten, die mich und meine Arbeiten ja teilweise schon seit vielen Jahren ken-nen, aufgenommen wird, weil es eine sehr weite Spanne an Stilen und Einfl üssen in sich birgt.

Zeitweise klingen deine Tracks etwas wie Jahr-marktsmusik. Bitte nicht falsch verstehen, ich mei-ne hierbei den Aspekt, wenn man über diese Art von Markt schlendert und von links und rechts von unterschiedlichsten Tönen, Geräuschen, Lie-dern in verschiedenen Geschwindigkeiten um-garnt wird, dass einem fast schwindlig dabei wird. Gerade „Lily B.“ ist einer dieser Vertreter. Was genau hat dich gerade zu dieser Art von Stilistik angestachelt?Ich denke, dass es Lieder gibt, die einen gewissen

Theaterbezug haben. „Lily B.“ zählt sicherlich dazu, das Eröffnungsstück „Der Kongress“ oder auch das letzte „Zwei vor drei zurück“. Es war mir auch ein Wunsch, meiner Liebe zur Musik der zwanziger und dreißiger Jahre aus Deutschland, (Stichwort Brecht, Weill, Kabarett) ein bisschen in meine Experimente einzubauen und die deutsche Sprache eignet sich ja hervorragend für diese Art von Musik und gerade „Lily B.“ und „Der Kongress“ sind, glaube ich, Titel, die du jetzt mit Jahrmarktsmusik assoziierst. Natür-lich auch wegen der Instrumente, die darin auftau-chen. Das hat vielleicht auch mit Filmmusik zu tun. Auf jeden Fall mit Musik aus vergangenen Dekaden. Ich hoffe, dass es eine ganz gute Mischung gewor-den ist. Es handelt sich ja nicht um ein reines Zitat

solcher Art von Musik, sondern ich kombiniere sie ja mit ver-schiedensten anderen Aspekten und Richtungen.

Hast du in deinen Songs auch Samples verarbeitet? Im er-

sten Song „Der Kongress“ klingt es manchmal, als hättet ihr ein Hühnchen gesampelt. Oder ist es gar ein geschicktes Spiel der Instrumente?Ja, das sind ganz viele verschiedene Klangquellen. Aber Samples eher wenige. Wir haben sehr viel mit Instrumenten, Klängen, Stimmen und Lauten expe-rimentiert. Es kann schon sein, dass da irgendwo ein paar Tierlaute mit eingefl ossen sind, aber wir haben solange daran gearbeitet, gefi ltert und neu gemischt, dass dabei ganz neue Klangkombinati-onen entstanden, die dann beim Hören Assoziati-onen hervorrufen, dass da vielleicht sogar ein Huhn vorkommt. Aber bewusst haben wir so etwas nicht eingesetzt. Das entsteht einfach in der Mischung, im Prozess der Sound- und Klangentwicklung. Auf dem ganzen Album wurde auch sehr viel mit Stimmen

experimentiert, jetzt nicht nur als Hauptgesangsstim-me, sondern eben auch ohne Text zur Klangerzeugung, um damit das ganze Klangspek-trum noch zu erweitern. Das ist ja das Spannende, dass man das Gefühl hat, nach

mehrmaligem Hören immer noch mehr entdecken zu können, anstatt zu sagen: „Das Album kenne ich!“ und gut ist es. Das ist das größte und beste Ziel, was man sich setzen kann, dass man dem Hörer etwas anbietet, das er mit viel Muse, Ruhe und Interesse entdecken kann. Wie ein Buch, das man ließt, über viele Seiten hinweg.

Der Titel „Zwei vor und drei zurück“ klingt nach jemandem, der viel bewegt aber damit auf keinen grünen Zweig kommt. Worum ge-nau geht es in diesem Song?Ja, das trifft es sicherlich schon ganz gut. Man tritt auf der Stelle, obwohl man sehr viel tut. Ich muss ehrlich sagen, dass das auch mit der gesellschaft-lichen Situation in dem jungen Land Mazedonien, das ja noch nicht einmal 20 Jahre eigenständiger Staat ist, zusammenhängt. Stichwort europäische Integration, auch Natointegration, also einer Ge-sellschaft, die wirklich enorm bemüht und fl eißig ist, eine Selbstständigkeit souverän aufzubauen, um sich in ein modernes Europa zu integrieren, ohne die eigene Identität aufzugeben. Das ist tatsächlich die Grundidee dieses Liedes.

Da ja Deine Lakaien in der Szene zu Hause sind, würdest du dann das Projekt Veljanov eher als eine Art Ausgleich dazu sehen? Nein, ich habe mit Deine Lakaien in all den Jahren soviel erlebt. Von den Anfängen, als noch völlig un-bekanntes Elektroprojekt, das von den frühen, dun-

„In Mazedonien bin ich dazu gekommen, mich mehr mit dem Singen in deutscher Sprache

auseinanderzusetzen.“

„Es ist nicht gerade homogen, aber ich denke genau darin

liegt die Spannung.“

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klen Elektronikbands beeinfl usst war, bis hin zu dem doch sehr aufsehenerregenden Orchesterprojekt, zum zwanzigjährigen Jubiläum. In all dieser Zeit hat man viele Leute erreichen können, die sich jenseits von Jugendszenen bewegen, aber sich natürlich auch immer den Bezug zu einer soge-nannten dunklen Szene erhalten kön-nen. Ich sehe meine Soloprojekte nicht wirklich als Ausgleich, sondern einfach als ein Kapitel, ein Teil meiner künst-lerischen Arbeit. Und das gilt auch für alle Kollegen, mit denen ich zusam-menarbeite. Man kann und will sich nicht auf ein einziges Projekt ein Leben lang verlassen oder einlassen, weil es viel spannender ist, sich auszutauschen und zu sehen, wie man in anderen Kon-stellationen an sich selber neue Dinge entdecken kann. Das ist ja das Schöne, dass man das alles miteinander zu einem Gesamtlebenswerk ver-weben kann. Wenn man ein Jahr mit einem Projekt zusammengearbeitet hat, auf Tournee war, wie es bei der Lakaien Orchestertournee war, ist es wunderbar, wenn man die Chance hat, sich dann in einem anderen Umfeld, mit anderen Konstellationen auszutauschen, um etwas zu erarbeiten. Dann kann man auch wieder mit neuer Energie und mit einem gewissen objektiven Blick zu einem anderen Projekt zurückfi nden. Das ist in etwa so, als ob man nicht nur ein Zuhause hat, sondern mehrere. Das defi niere ich jetzt nicht im familiären Sinne, sondern Zuhause ist da, wo man sich wohl fühlt. Wo Menschen sind, die einem etwas bedeuten und denen man etwas bedeutet. Wenn man da eine Auswahl hat, dann ist das doch eines der schönsten Geschenke im Leben.

Du machst jetzt bereits seit 20 Jah-ren Musik. Denkst du, dass die Mu-sik oder das Musikbusiness deine Person an sich, im positiven oder auch negativen Sinn geprägt, ver-ändert oder geschliffen hat? Was würdest du beispielsweise ganz jungen Künstlern oder Bands, dei-ner eigenen Erfahrung nach, raten bzw. wovon unbedingt abraten?Geprägt sicherlich, geschliffen auch an gewissen Stellen. Man wird gelassener, man nimmt bestimmte Dinge nicht

mehr so ernst. Es wird auch ganz selbstverständlich, dass man gewisse Dinge einfach tun muss, die zur Arbeit gehören, also jetzt nicht zur primär künstle-rischen Arbeit, sondern zur Arbeit, wenn es darum geht, zum Beispiel Interviews zu geben zu einer Ver-

öffentlichung hin, oder sich eben auch mit musikgeschäftlichen Belangen auseinanderzusetzen. Ich persönlich bin sehr zufrieden damit, wie ich den Weg gegan-gen bin. Sowohl mit Deine La-kaien als auch außerhalb der La-kaien. Weil ich nicht das Gefühl habe, mich durch die manchmal etwas anstrengenden Umstände, die das Musikgeschäft so mit sich bringt, verbraucht zu haben oder meinen Idealismus und

meine kindliche Neugier auf das Musikmachen und alles, was damit zusammenhängt, verloren hätte. Ich bin da sehr mit mir im Reinen und hoffe, dass ich nicht all zu viele Fehler begangen habe. Es ist schon so, dass ich mich gerne mit gerade jungen Musikern

austausche. Wenn sie an irgendwelchen Fragen ver-zweifeln oder nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen, wo sie gar nicht die Zusammenhänge kennen können, dann bin ich gerne Ratgeber und bin dann auch deutlich parteiisch. Ich habe meine Meinung, was gewisse Mechanismen im Musikgeschäft be-trifft. Ich warne immer davor, dass man zu schnell zu viel erreicht im Musikgeschäft, weil doch die mei-sten Beispiele eher abschreckend sind, von Leuten, die zu viel, zu schnell zu sehr ausgebeutet wurden. Stichwort natürlich Castingshows, wo junge Talente einfach verschlissen werden, und als scheinbar nicht marktkonform den Mut verlieren können, an sich zu glauben. Das geht ja dann auch oft bis hin zu un-verschämten Beleidigungen über Menschen. Man soll sich überhaupt von niemandem etwas sagen lassen. Das Einzige, was zählt, ist die innere Stim-me und wenn man wirklich den Drang hat, etwas zu tun, sollte man das tun. Und wenn man nur aus einer Attitüde heraus versucht, der coole Musiker zu sein, weil man, sagen wir tolle Fans bekommt und bewundert wird, dann ist das sicher nicht der rich-tige Ansatz. Denn eine Musiker- oder Künstlerlauf-

bahn, die einen auch ein Leben lang zufrieden stellen soll, egal wie viel Geld man damit verdient, sollte schon eher darauf beruhen, dass man ver-sucht, einen langen Weg anzupeilen und sich nicht rumschieben lässt. Da gibt es ganz praktische Sachen, dass man sagt: „Hey, gehe erstmal nicht zu einer großen Firma, versuche erstmal, dass du dir auch einfach Erfahrung er-arbeitest, indem du ganz viele, kleine Clubkonzerte spielst und wie die Re-aktionen darauf sind, wie sich das an-fühlt, ob du das überhaupt möchtest. Ob du nicht immer vor dem Auftritt soviel Angst hast, dass du eigentlich gar nicht auf die Bühne gehst.“ Man muss sich einfach austesten. Wenn man von irgendwelchen Geschäfts-leuten alles gesagt und gemacht bekommt, dann wird man schnell zur Marionette und das kann natürlich im schlimmsten Fall auch in Abstürzen enden, die dann auch oft mit Drogen und anderen Dingen Hand in Hand gehen.

Was war das Ungewöhnlichste, das dich je zum Schreiben eines Songs inspiriert hat?

„Man soll sich überhaupt von

niemandem etwas sagen lassen. Das Einzige was zählt, ist die

innere Stimme.“

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Manchmal sind es wirklich ganz absonderliche Din-ge, die einem auffallen und einen dann tatsächlich auf eine Idee bringen. „Der Kongress“ ist sicherlich ein Beispiel dafür, dass mich eine sehr absurde Situa-tion inspiriert hat, als ich Geschäftsleute beobachtet habe, in einer berufl ichen Situation, die für mich aus-gestrahlt haben, dass sie sich nur selbst Wert schät-zen und ihren Lebenssinn scheinbar nur darin fi nden, indem sie mit wichtigen Akten durch die Gegend lau-fen und glauben, sie wären irgendwelche besonders wichtigen Geheimnisträger oder Entscheider. Solche Menschen strahlen leider oft eine absolut emotio-nale Leere aus. Das ist eigentlich schon fast Mitleid erregend. Im schlimmsten Fall sind solche Menschen natürlich leider auch gefährlich, weil sie selbst gar kein emotionales Gleichgewicht haben und durch diese Karrieredominanz, die ihr Leben bestimmt, teilweise auch Dinge tun, die anderen Menschen schaden können. Oder sie sehen nicht mehr, was sie in diesem Kontext eigentlich alles anrichten, weil sie nur ganz engstirnig ihren Bereich im Blick haben, wie man vorwärtskommen kann und die Karrierelei-ter hochsteigt. Und deswegen heißt es ja auch: „Es macht keinen Sinn, außer auf dem Kongress.“ Denn es geht dann tatsächlich um Menschen, die außer-halb dieses Kongresses kein Leben haben.

Du hast Filmwissenschaften studiert. Hast du schon über die Möglichkeit nachgedacht, selbst einen Film zu machen?Ja, da gibt es immer wieder Gedanken, dass man sich in ein Filmprojekt einbringt. Es ist ja oft eine Zeitfrage, denn die Arbeit als Musiker, Sänger und Texter nimmt sehr viel Platz in Anspruch und ich bin nicht derjenige, der sein komplettes Leben seinem Beruf widmet. Ich brauche ein Privatleben, welches sich glücklicherweise oft mit dem Beruf vermischt. Genuss und Arbeit vermischen sich so öfter. Was den Film betrifft, gibt es immer wieder Ansätze, wo man dann mitwirkt. Dokumentarfi lme über die eigene Ar-beit zum Beispiel, wie die Arbeit mit dem Orchester.

Wird es auch Videos zum neuen Album ge-ben?Da ist gerade so ein experimentelles Video in Arbeit, das gegen jegliche MTV- und Viva-Konfektionen an-geht und sich widersetzt. Es ist ganz pur und einfach gehalten, um der Musik genug Platz zu verschaffen, ohne durch Effekte künstlich zu glänzen.

TYVES OBEN

www.veljanov.de www.myspace.com/veljanov VÖ „Porta Macedonia“: 07.11.08

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Jeanine Krock „Die Sternseherin“Ein packender Roman über Vampire, Elfen und ein geheimnisvolles Buch. Hauptpro-tagonistin ist Feentochter Estelle, die Hals über Kopf Paris verlassen muss und von Freunden im rauen Schottland versteckt wird. Dort treiben Elfen und Vampire ihr Unwesen und bald erkennt sie, dass alle fi eberhaft nach einem geheimnisvollen alten Buch, dem Grimoire, suchen, das unglaubliche Kräfte verleiht. Als Estelle sich an der Suche beteiligt, gerät sie in einen Strudel der Leidenschaft und steht letztendlich vor der Entscheidung: Elf oder Vampir? Oder vielleicht haben die Göttinnen des Schicksals auch etwas ganz anderes im Sinn? Jeanine Krock hat ihre Leidenschaft für

Vampire in der Post-Punk-Szene der frü-hen Achtziger entdeckt. Vampire stehen für sie ganz oben auf der Favoritenliste paranormaler Geschöpfe. Mit „Die Stern-seherin“ hat sie eine weitere wunderbare Geschichte erschaffen. Dabei versteht sie es meisterlich, unsere Welt mit dem Über-sinnlichen zu verbinden. Ein Must-have für alle Fans von Vampirgeschichten, die gleich noch eine großartige Liebesge-schichte bekommen. TONI IMMEL

Brian J. Robb „Heath Ledger“Heath Ledger war ein begnadeter Schau-spieler. Sein plötz-licher und tragischer Tod mit 28 Jahren wurde uns erst kürz-

lich wieder in seiner Abschiedsshow als Joker in „The Dark Knight“ gewahr und erinnert zugleich auch an das tragische Ableben seines Kollegen Brandon Lee, der bei den Dreharbeiten zu „The Crow“ starb. Über das Privatleben Ledgers war bis heute nur wenig bekannt. Brian J. Robb zeigt in seiner Biografi e nicht nur den Schauspieler, sondern auch den Men-schen Heath Ledger. Er begleitet ihn von seiner Jugend im australischen Perth bis zu seinem Tod in seiner New Yorker Woh-nung. Dabei lässt er Weggefährten und Freunde wie Naomi Watts, Mel Gibson oder Heather Graham ebenso zu Wort kommen wie seine Eltern und beleuchtet

so die unbekannte Seite des Hollywood-Stars. POLONI MELNIKOV

Annie Bertram „Wahre Märchen“Der neue Bildband einer beeindruckenden Fotokünstlerin. Mit ihrem einzigartigen Stil fängt Annie Bertram Märchen, u.a. Dornröschen, Rapunzel, Rotkäppchen und Hänsel und Gretel auf spezielle dü-stere Weise ein. Unterstützt wurde die Fotografi n von namhaften Autoren wie z.B. Dirk Bernemann und Jeanine Krock, die sich bei ihren Märchen-Versionen von den Bildern inspirieren ließen. Als Models agierten Szenegrößen wie Chris Pohl oder Marion Altwegg von den Metallspürhun-

den. So entstand ein traumhaft fotografi sches Kunstwerk mit teilweise einzigartigen litera-rischen Interpretationen in ganz besonderem „gotischen“ Zauber. Ein Pfl ichtkauf für alle düsteren Märchenliebhaber und perfekt für die romantischen Herbsttage. RAINER SCHWARTZ

SCARELETTCancer Barrack reloaded

Noch vor einer Weile wusste keiner so recht, wer eigentlich hinter Sca-relett steckt. Zurecht titelten wir vor ein paar Ausgaben: „Who the fuck is Scarelett?“. Jetzt ist es raus. Scarelett sind die legitimen Nach-folger der 80er Jahre Darkwave Legende Cancer Barrack. Dass die Jungs um den erfolgreichen Fe-tischfotografen Thomas van de Scheck darüber hinaus noch mehr zu bieten haben, verraten uns die gut aufgelegten und aus dem Schatten getretenen Musiker.

TvdS: Scarelett steht für innovative, zeitlose und szeneübergreifende Musik, genauso wie es Cancer Barrack einst tat und auch heute noch immer tut. Stiff: Ja, mit einem großen Unterschied

Foto: Heile Mania

allerdings. Cancer Barrack war ein Flaggschiff der deutschen Gothic-Be-wegung, was Text und Sound anging. Scarelett ist da in jeder Hinsicht defi ni-tiv mehr Rock’n’Roll.

Euer Line up ist alles andere als zu klein geraten. Man munkelt über illustre Musiker? Stellt mal vor. TvdS: Da braucht man nicht zu mun-keln, es ist in der Tat so! Zum einen befi nden sich bei Scarelett bekannte, kreative Köpfe aus der Gotic/Fetish/SM-Szene und zum anderen echte Voll-blutmusiker, die bereits mit Joe Cocker auf der Bühne standen oder Mitglied von Guildo Horns „Orthopädischen Strümpfe“ sind.

Das Artwork ist provokant und se-xistisch zugleich. Ist das die Breit-seite gegen alle Moralapostel, ein-fach „Versus You“?Stiff: Ich persönlich fi nde es nicht so sehr provokant und sexistisch, sondern eher künstlerisch anspruchsvoll. Aber

wenn du meinst. Jeder, wie er will. TvdS: Natürlich steckt hinter dem Titel „Versus You“ auch eine Kampfansage. Es gibt heutzutage tausend gute Grün-de, um abgefuckt zu sein. Außerdem ist es ein Titel, der offen für jede Interpre-tation ist. Stell dir alles, was du Scheiße fi ndest, an einem Fleck oder in einer Person vor. Das oder der ist dann dein persönliches „Versus You“.

Ihr habt hochkarätige Remixe auf eurem Debüt. Wie kam es dazu? TvdS: Als bekannt wurde, dass wir nun doch, nach all den Jahren, ein Debüt veröffentlichen werden, boten sich ei-nige unserer befreundeten Bands und Musiker an, ihren Remix beizusteuern. Stiff: Ja, vor der Abgabe-Deadline ging es heiß her, und einige Remixe von ech-ten musikalischen Schwergewichten konnten wir leider nicht mehr berück-sichtigen. Das wird dann aber irgend-wann vielleicht mal als Bonusmaterial das Licht der Welt erblicken. TvdS: Prinzipiell haben wir das jedoch

nicht geplant. Es hat sich einfach so ergeben. Das Geile allerdings ist, dass sämtliche Remixe nicht infl ationär sind. Heute wird ja Hinz und Kunz geremixt und alles hört sich gleich an. Stiff: Gleich Scheiße, meinte er natür-lich. Die Remixe unserer Songs aber haben alle ihren eigenen Charakter. Besonders stolz sind wir auf die „Mag-gots“-Version von Das Ich Mastermind Bruno Kramm und die „Hurt’n Bleed“-Version von Frankreichs Vorzeigeindus-trialmetallern Treponem Pal. Die hauen beide voll rein und sparen an nichts.

GERT DREXL

www.myspace.com/scareletttVÖ „Versus You“: 10.10.08

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Elektronische KunstliederDie niedersächsische Sängerin Dörthe Flemming ließ bereits vor einem Jahr mit ihrem an das klas-sische Kunstlied angelehnte Debüt aufhorchen. Selten wurde bisher so gekonnt das klassische Paradigma mit gotischem Elektrominimalismus gepaart. Und gerade wegen des stil-sicher intonierten Arienstils konnte der Erstling eine große Fanschaar aus gotisch und elektronisch inte-ressierten Hörern hinter sich scha-ren. Tod und Verlust thematisierend, war das erste Album ein schwermü-tiges und tieftrauriges Werk, das im Vergleich zur eindimensionalen Tanzbarkeit vieler Szenehits erheb-liche Aufmerksamkeit des Hörers verlangte. Seit einigen Monaten tüfteln Dörthe und ihr kongenialer Partner Jörg Knieschewski am Nach-

folger, welcher laut unseren ersten Höreindrücken weit tanzbarer und geradliniger daherkommt, ohne je-doch den künstlerischen Tiefgang zu vernachlässigen.

Dörthe Flemming: Die Thematik des letzten Albums war ja Tod und Verlust, im neuen Album dreht sich alles um die Liebe. Da kann es auch schon mal etwas temperamentvoller zugehen. Aber auch die ruhigen, besinnlichen Momente wer-den nicht zu kurz kommen.

Gibt es direkte Bezüge zu klassischer Musik oder Lyrik?Musikalisch orientiert sich auch dieses Al-bum wieder an der Form des Kunstliedes. Auch ein von mir umarrangiertes Kunst-lied von Schumann wird sich dort wieder-fi nden, sowie eigene Vertonungen von größtenteils romantischen Gedichten.

Gerade im Kunst-lied werden oft r o m a n t i s c h e Momente sehr intensiv verkör-pert. Fehlt in un-serer heutigen Gesellschaft der Platz für diese stillen und tiefen Momente? Auf jeden Fall! Die heutige Ge-sellschaft ist sehr schnelllebig und materialistisch – das spiegelt sich leider auch in Liebesbezie-hungen wider.

Wie arbeitest du an neuen Songs? Mit der Vertonung eines Gedichtes be-ginne ich zunächst mal am Klavier. Dort entstehen erste Entwürfe für die Ge-sangsmelodie und die dazu passenden Harmonien. Wenn dieses Grundgerüst feststeht, geht es ins Studio, wo dann die Mehrspuraufnahmen entstehen.

Welchen musikalischen Hintergrund hast du? Kommst du aus der Klassik? Ja, ich habe ein abgeschlossenes klas-sisches Gesangstudium mit Schwerpunkt Musiktheater und habe auch einige Jah-re am Theater gearbeitet.

Im nächsten Heft werden wir auf das Konzept des Albums, sowie die einzelnen Songs näher eingehen.

SIEGMAR OST

www.bacio-di-tosca.de

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Schon das Debüt der Schweizer Dark Wave Band war bereits vor über einem Jahr unser Albumtipp des Monats. Die alptraumhaften Seelenbilder der schweizer Ausnahmestimme Michael Sele haben eine Dimension, die man in heutigen Produktionen leider allzu selten fi ndet. So bauen The Beauty Of Gemina Brü-cken aus der Vergangenheit des frühen Cold Wave in die chromglänzende Welt moderner Synthesizersounds und vereinen so Genres, die bisher unvereinbar schienen. Während sich Michael im fi nalen Masteringprozess befand, gab er uns ein paar erste Eindrücke zum neuen Album mit dem kryptischen Titel „A Stranger To Tears“.

Wie lange und wo habt ihr euer neues Album produziert? Hat sich die Besetzung geändert? Michael Sele: Wir haben mehr als ein Jahr am neuen Album gearbeitet und wie schon beim Debüt „Diary

of a Lost“ habe ich alles in meinem eigenen Tonstudio aufgenommen, abgemischt und selber produziert. An der Besetzung hat sich grundsätzlich nichts geändert, Mac Vinzens am Schlagzeug und Martin Luzio am Bass bilden das Fundament des Sounds. Zusätzlich habe ich aber diesmal noch vermehrt Gastmusiker in die Pro-duktion miteinbezogen. So habe ich bei zwei Songs ein Streichquartett eingesetzt, bei der Ballade „Into Black“ zusätzlich eine Oboistin integriert und beim letzten Track einen befreundeten Jazzmusiker und wunder-baren Kontrabassisten aufgenommen. Dennis Mungo, der im letzten Jahr als Livegitarrist mit uns auf Tour war, hat bei einigen Stücken noch zusätzliche Gitar-ren eingespielt. Es war mir wichtig, seinem Spiel auch

auf dem Album etwas Raum zu lassen und alles in allem ist somit fast ein kleines Orchester zusammen gekommen.

Euer zweites Album verbindet moderne elektronische Ele-mente, klassischen Coldwave und teilweise sinfonische Ele-mente noch weit homogener als euer Erstling. Wie konntet ihr das noch erreichen? Die wirklich tollen Reaktionen auf das erste Album haben mich na-türlich gestärkt in meiner Art des Songwritings und ich wollte den

angefangenen Weg konsequent weiter verfolgen. Natürlich lernt man auch mit jeder Produktion dazu, macht wichtige Erfahrungen, gewinnt Erkenntnisse und entwickelt seinen musikalischen Instinkt und die persönlichen Fähigkeiten zunehmend weiter.

Fremder der Tränen

„Das Lied ist all den DJs gewidmet, welche bereit sind, ihre Ideale zu leben und die unbändige

Freude an der Musik nicht zu verlieren.“

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Hat euch der Erfolgsdruck nach eurem letzten Album während der Arbeit zugesetzt? Das zweite Album ist ja bekanntlich oft eines der schwierigsten, da einerseits ganz andere Erwar-tungen da sind und man vielleicht in der Versuchung ist, sich selbst beweisen zu müssen, noch bessere Songs zu schreiben wie beim ersten Mal und dies birgt dann die Gefahr in sich, dass man sich zu verzetteln beginnt oder versucht, etwas zu erzwin-gen. Das Wichtigste für mich war, meinen Stil ohne Kompromisse weiterzuführen, mir dabei selber treu zu bleiben, ohne mich aber selbst zu kopieren. Die Reaktionen werden zeigen, ob mir diese, sicher nicht immer einfache, Gratwanderung geglückt ist.

Du hast stimmlich noch einmal gewaltig zuge-legt. Gab es persönliche Einschnitte, die in dir einen neuen Leidensdruck erzeugt haben? Ich würde es weniger als Leidensdruck bezeichnen, sondern denke, dass das gewonnene Selbstvertrau-en durch den Erfolg des ersten Albums mir geholfen hat, die persönlichen Grenzen noch mehr auszuloten. Dann konnte ich bei den vielen Livekonzerten wert-volle Erfahrungen sammeln, welche mich inspiriert und motiviert haben.

„The Lonesome Death Of A Goth DJ“ – Was be-deutet dieser Song für euer Szenegefühl? In einer Welt des Mainstreams, der Verkaufszahlen und Einschaltquoten, einer Welt, die von ausbeu-tenden und nach immer mehr Profi t und Umsatz strebenden Wirtschaftskonzernen diktiert wird, sind sie vielleicht eine der letzten Kämpfer und Individu-alisten. Doch spürt man gerade auch in der Szene

immer mehr die latente Frustration und stetig wach-sende Resignation. Das Lied ist all den DJs gewid-met, welche bereit sind, ihre Ideale zu leben und die unbändige Freude an der Musik nicht zu verlieren.

Wofür steht der Titel „A Stranger To Tears“ – Fühlst du dich als solcher? Diese berechtigte Frage begleitet mich schon lange, denn die Idee zum Titel des Albums ist mir schon ganz am Anfang des ganzen Arbeitsprozesses ge-kommen. Diese vier Worte fanden immer wieder den Weg in meine Gedanken und begleiteten mich durch die ganze Zeit meiner monatelangen Arbeit. Sie setzten sich in meinem Kopf fest, wurden zum steten Vertrauten und unbekannten Freund, versteckten sich von Zeit zu Zeit, kamen wieder zum Vorschein, manchmal überraschend und meist unangemeldet und sollten mich schließlich bis zum Abschluss der ganzen Produktion nicht mehr loslassen. Wer war oder ist dieser geheimnisvolle Fremde, der sich mir nicht zeigen wollte? Immer war er da und doch ei-gentlich nicht. Ich wusste, dass ich mich aufmachen wollte, ihn zu suchen, ihn zu fi nden, zu verstehen – herauszufi nden, warum er ein Fremder der Tränen wurde.

Das Cover zeigt eine fast schon erschreckend in der Zeit stehen gebliebene Wohnung. Wo habt ihr die Bilder aufgenommen? In diesem Fall haben wir in einem etwas ungewöhn-lichen und ziemlich außergewöhnlichen Hotelzim-mer die perfekte Location gefunden, um die Songs und die Stimmung von „A Stranger To Tears“ opti-mal zu visualisieren. Im Booklet wandeln wir durch die verlassenen Gänge, fi nden uns wieder in engsten Räumen, haben den Blick auf all die Details gerich-tet. Haben wir bei „Diary Of A Lost“ alles von außen betrachtet, ein verlassenes Haus auf dem Frontco-ver, der Videoclip in einer imposanten und wilden Berglandschaft, Bilder von Naturgewalten als Visu-als bei Livekonzerten, war es diesmal von Anfang an Konzept und auch logischer Schritt der Weiterfüh-rung, die neue visuelle Welt im Drinnen aufzubauen. In dem Hotel, wo wir schließlich alle Fotos gemacht haben, waren wir übrigens bei einem Konzert einmal einquartiert gewesen und die spezielle Atmosphäre hatte mich vom ersten Augenblick an fasziniert und regelrecht gepackt.

Gerade aus der Schweiz erscheinen in der letzten Zeit mehr und mehr interessante neue Darkbands. Wie erklärst du dir diese aktuelle Strömung?

Das ist eine schwierige Frage und weiß nicht, ob es dafür eine Erklärung geben könnte. Es ist aber si-cher so, dass es in der Schweiz sehr schwierig ist, mit etwas unkonventionelleren Songs und dunkleren, schwereren Klängen ein breites Publikum zu fi nden. Auch gibt es leider kaum Magazine oder Special Sendungen bei Radiosendern, welche dieser Art von Musik eine Plattform bieten würden. Vielleicht müs-sen wir uns einfach deshalb besonders anstrengen.

GERT DREXL

www.gemina.chVÖ „A Stranger To Tears“: 26.09.08

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Lass uns Brause trinken, Baby!2008 – die Geschichte geht voran. Oder zu-rück? Ich erinnere mich an ein kleines Festi-val in Magdeburg namens „That Spring“. Der Hauptact des Abends waren die inzwischen aufgelösten Ghosting und davor war eine Band, die mir schon lange ein Begriff war, allerdings unter dem Namen Isecs. Die Band nannte sich um und hieß fortan Kontrast, und sie bietet Kontrast zum Einheitsbrei, der sonst gerne zu hören ist. Wem Kontrast bis dato kein Begriff ist, kann sich das Lied, das oft genug in Clubs gespielt wird, ins Gedächtnis rufen: Der „Einheitsschritt“. Kontrast haben natürlich viel mehr zu bieten als den einheitlichen Schritt – siehe das neue Album „Vision und Tradition“.

Wortwitz und wunderbare elektronische Kompositionen – so kennt man Kontrast. Was bewegte euch zum genialen Song „80er Jahre“?Roberto: Wir sind alle-samt in den 80er Jahren groß geworden. Vielen unserer Songs hört man unmissverständlich an, dass uns die klangliche Ästhetik dieser Dekade schon immer fasziniert und maßgeblich be-einfl usst hat. Da sich unser neues Album mit „Vision und Tradition“ auseinandersetzt, war es nur logisch, auch den 80er Jahren endlich un-ser musikalisches Denk-mal zu setzen. Natürlich mit dem Kontrast-ty-pischen Augenzwinkern im Text, für den wir ein-fach unsere Kindheits-erinnerungen zusam-mengetragen haben.

Hand aufs Herz: Wie sehr hängt ihr an den 80er Jahren?Ein für Kontrast sehr wichtiges Ereignis

war zweifelsohne die Wiedervere in igung Deutschlands, denn wir stammen hälftig aus den alten und den neuen Bundes-ländern und hätten andernfalls wohl nie unsere Kapelle gründen können. Und man sollte sich in Erinnerung rufen, mit welch schrägen Songs man damals Platz 1 der deutschen Charts erreichen konnte („G-g-g-g-

geil“) – das hat-te was! Wahrscheinlich jedoch neigt wohl so ziemlich jeder Mensch dazu, diejenigen Werte, die er in seiner Kindheit aufgenommen hat, zum Maßstab zu erheben und zu glorifi zieren. Aber natürlich war auch in den 80er Jahren längst nicht

alles Gold, was glänzte. Deshalb fragen wir am Ende des Songs schließlich auch, ob der „Becher der Er-innerung halb voll oder halb leer“ ist.

„Durchbruch“ – so heißt einer eurer neuen Songs. Plant

ihr diesen tatsäch-lich? Wie würde ein

typischer Backstage-Bereich dann aussehen,

wenn ihr es schafft?Den Durchbruch planen wir ei-

gentlich schon seit mehr als zehn Jah-ren; leider ist es bisher bei der Planung geblieben. Nichtsdestotrotz hätten wir natürlich nichts dage-gen, wenn sich unser neues Album gut verkaufen würde. Dann könnten wir von Konzertveranstaltern endlich auch einmal verlangen, dass sie uns mehrere große Schalen Gummibärchen in den Umkleideraum

stellen. Aber bitteschön manuell nach Farben sortiert!

Ist eine Tour oder eine Konzer-treihe zum neuen Album gep-lant? Wenn ja, was wird das Publikum erwarten? Wir haben in den vergangenen Jahren unsere Show stetig opti-miert und halten zu jedem Song eine entsprechende visuelle Un-termalung bereit. Neonlicht und ein neuer Bühnen-Roboter spielen dabei eine große Rolle; wer ein Kontrast-Konzert besucht, be-kommt also weit mehr geboten als ein Vollplayback vom MD-Re-corder. Selbstverständlich wollen wir unser neues Album im Winter auch live vorstellen, und sobald die Flügel des Schicksals diesbe-züglich konkrete Termine für uns abgemacht haben, werden wir die Daten natürlich umgehend auf un-serer Homepage bekannt geben.

DANIEL FRIEDRICH

www.einheitsschritt.deVÖ „Vision und Tradition”: 24.10.08

„Den Durchbruch planen wir

eigentlich schon seit mehr als

zehn Jahren.“

1818

20 Jahre sind eine wirklich lange Zeit. Viele der jüngeren Szenegänger können sich gar nicht mehr an die Anfangstage von Qntal erinnern, als noch Ernst Horn gemeinsam mit Michael Popp und Syrah die erste Symbiose aus dem vermeintlichen Gegensatzpaar Elektronik und Mittelaltermusik in Form gossen. Die Werk-schau der Band ist zugleich eine Zäsur, um innezuhalten, zurückzublicken, um dann zu neuen Ufern zu schreiten, denn die musika-lische Lebensgeschichte des Michael Popp und seinen Mitstreitern hat doch erst begonnen.

Wenn ihr die Best Of überblickt: In welche stili-Wenn ihr die Best Of überblickt: In welche stili-stischen „Epochen“ würdet ihr Qntals Schaffen stischen „Epochen“ würdet ihr Qntals Schaffen unterteilen? Welche Songs beschreiben einen unterteilen? Welche Songs beschreiben einen Umbruch? Umbruch? Michael Popp: In stilistischer Hinsicht sind wir von Anfang an mehrgleisig gefahren. Da gibt es Musik für Clubs, lyrische oder hymnische Songs, Songs mit starkem mittelalterlichen Touch, Experimentelles usw. Aus diesen musikalischen „Pools“ bedienen wir uns nach wie vor, sodass man eigentlich nicht von verschiedenen Epochen spre-chen kann. Aber natürlich hat der Ausstieg von Ernst Horn einen großen Einschnitt bedeutet und uns wie-der zu neuen Ufern geführt. Es ist wichtig, dass man so einen Cut nicht nur als Verlust, sondern auch als Chance begreift. Das ist wie im wirklichen Leben bei Trennungen.

Im Info huldigen euch viele Kollegen, Künstler Im Info huldigen euch viele Kollegen, Künstler und Musiker. Inwieweit glaubt ihr, die heutige und Musiker. Inwieweit glaubt ihr, die heutige Musiklandschaft selbst verändert zu haben? Musiklandschaft selbst verändert zu haben? Gibt es Nachwuchskünstler, die gerne euren Gibt es Nachwuchskünstler, die gerne euren Rat einholen? Rat einholen? Die Musiklandschaft hat sich natürlich verändert. Es ist alles mehr durchorganisiert und kommerzialisiert. In den Anfängen war alles mehr selbst gemacht und selbst organisiert. Da hatte man vielmehr Kontrolle, oder besser gesagt, Kontakt zum ganzen Umfeld. In dieser Hinsicht können wir keinen Rat geben, die Zeiten sind einfach nicht mehr so, aber Erfahrungen weitergeben, das machen wir gerne und häufi g.

Am Anfang klang Qntal archaischer und tro-Am Anfang klang Qntal archaischer und tro-ckener als heute. Mittlerweile ist Qntal meta-ckener als heute. Mittlerweile ist Qntal meta-physischer, schwebender geworden. War das physischer, schwebender geworden. War das ein Ziel? Wohin geht die Reise noch?ein Ziel? Wohin geht die Reise noch?Die ganze Soundlandschaft hat sich verändert. Das liegt schon mal am Equipment: In den frühen 90ern waren wir ja alle „Homerecorder“, ein Begriff, den es heute gar nicht mehr gibt. Das bedeutete: Low bud-get, vergleichsweise billiges Equipment, trashigerer Sound. Heutzutage werden sogenannte Lo-Fi-Pro-duktionen mit mehr technischem und fi nanziellem Aufwand hergestellt als „amtliche“ Produktionen. Diese Entwicklung verändert natürlich auch die Hör-gewohnheiten, nicht zuletzt von uns Musikern selbst. Es ist eben leicht, alle Ecken und Kanten auszubü-geln. Ich gebe aber zu, dass das schon manchmal

ein Problem ist, weil der Sound eben sehr leicht glatt und unver-bindlich daherkommt. Da muss man schon aufpassen. Im letzten Album haben wir mal wieder versucht, den ganzen Aufwand zurückzufahren. Das hat aber ne-

ben viel Zustimmung auch einige kritische Stimmen eingebracht. Hören ist ein ziemlich unbewusster Vor-gang und man kann das Rad der Geschichte nicht so einfach zurückdrehen. Insgesamt würde ich das schon als Dilemma bezeichnen.

Die persönliche Biografi e formt auch das Die persönliche Biografi e formt auch das Schöpferische in der Musik. Wie würdet ihr Schöpferische in der Musik. Wie würdet ihr eure heutige Arbeitsweise im Vergleich zu frü-eure heutige Arbeitsweise im Vergleich zu frü-her beschreiben? her beschreiben? Die Arbeitsweise hat sich nicht so sehr verändert. Syrah schlägt Texte vor, ich komponiere und Fil pro-duziert. Und alles greift irgendwie ineinander und ist nicht strikt getrennt. Die Biografi e verändert eher den Background, sie verändert die Motivation, Mu-sik zu machen. Man dringt eben immer tiefer in die Dinge und auch in seine eigene Persönlichkeit ein.

Ist man weniger radikal, dafür sanfter gewor-Ist man weniger radikal, dafür sanfter gewor-den – wie das Alter im Allgemeinen? den – wie das Alter im Allgemeinen? Für mich trifft das nur zum Teil zu. Wenn ich über die gesellschaftliche Situation im Allgemeinen und die des Musikgeschäftes im Besonderen nachdenke,

sind meine Ansichten eher noch radikaler geworden, aber im persönlichen Umgang bin ich viel konzili-anter und weicher geworden.

„Purpurea“ - Wofür steht dieser Name? „Purpurea“ - Wofür steht dieser Name? Purpur – das ist die Farbe, die im Altertum aus dem Sekret einer Schnecke gewonnen wurde. Eine äu-ßerst kostbare, schöne und kräftige Farbe, die Far-be der Edlen, die Farbe der Leidenschaft und des Blutes. Sind das nicht alles Gründe, sein Werk so zu nennen?

„In den Anfängen war alles mehr

selbst gemacht und selbst organisiert.“

1919

Wie ist heute die Beziehung zu dem früheren Wie ist heute die Beziehung zu dem früheren Gründungsmitglied Ernst Horn? Gibt es noch Gründungsmitglied Ernst Horn? Gibt es noch einen Austausch?einen Austausch?Es gibt wieder Austausch. Wir treffen uns hin und wieder in München. Es gibt keine Probleme zwi-schen uns. Wer weiß, vielleicht machen wir ja eines Tages wieder einmal etwas zusammen. Man sollte auf jeden Fall nie „nie“ sagen.

Inwieweit konnte Fil, als spät eingestiegenes Inwieweit konnte Fil, als spät eingestiegenes Mitglied, der Band eine eigene Facette ab-Mitglied, der Band eine eigene Facette ab-

gewinnen bzw. bei-gewinnen bzw. bei-steuern? steuern? Er hat den Sound in eine andere Richtung gebracht. Er hat auch aufgrund seines ju-gendlichen Alters eine andere musikalische Geschichte und andere Erfahrungen. Er geht die Dinge mehr mit einem Bauchgefühl an, Ernst und ich sind ja schon irgend-wie intellektu-eller. Die Zu-sammenarbeit mit Fil ist in jedem Fall sehr fruchtbar und auch interes-sant für mich.

Die Szene hat sich Die Szene hat sich stark verändert. Gibt stark verändert. Gibt es bei euch einen es bei euch einen Austausch mit der Austausch mit der Szene oder lebt ihr Szene oder lebt ihr bewusst in eurer mu-bewusst in eurer mu-sikalischen Gegen-sikalischen Gegen-welt? welt? Eher Letzteres. Wir ha-ben schon Kontakte, aber wir wollten und wollen nie eine „Sze-neband“ sein. Dafür ist unsere Arbeit zu ernsthaft. Nur Spaß zu haben, ist nicht so mein Ding, aber Austausch gibt es schon. Wir ha-ben erst vor kurzem

beim Comeback von The Eternal Affl ict ein bisschen was beigesteuert. Auch auf der Remix-Ebene gibt es einige Kontakte.

Wo seht ihr Qntal in 20 Jahren? Hat diese Reise Wo seht ihr Qntal in 20 Jahren? Hat diese Reise ein Ziel?ein Ziel?Jedes Leben hat ein Ende, ob es damit ein Ziel er-reicht hat, weiß ich nicht. So ist es auch mit Qntal: Der Weg ist das Ziel, wenn es einmal zu Ende sein wird, hoffe ich auf eine fruchtbare, inspirierte und erfüllte Zeit zurückblicken zu können. Da sehe ich

ganz gute Chancen, dass das einmal – hoffentlich in weiter Ferne – so sein wird.

Gibt es musikalische Ideen, welche sich nicht Gibt es musikalische Ideen, welche sich nicht so mit Qntal verwirklichen lassen?so mit Qntal verwirklichen lassen?Natürlich! Obwohl wir schon eine ganz schöne Band-breite abdecken können. Aber eine Band ist auch immer die Entscheidung gegen ganz viele andere musikalische Möglichkeiten. Deshalb mache ich im-mer wieder gerne Ausfl üge in unbekanntes Terrain. Vor ein paar Wochen habe ich z.B. bei einem Kon-zert in Polen mitgespielt, das „Mozart meets India“

hieß. Da gab es klassische Musiker und Sänger und indische Musik in einem. Eine tolle Erfahrung!

Was sind die wichtigsten Mo-Was sind die wichtigsten Mo-mente im Rückblick seit den mente im Rückblick seit den Anfängen? Sentimental wie Anfängen? Sentimental wie rational? rational? Es ist ein Staunen, eine Verwun-derung. Erstens, dass die Band so lange durchgehalten hat. Dafür

übrigens ein riesiges Danke an die Fans, ohne die es sicherlich nicht funktioniert hätte. Zweitens wundere ich mich immer, was einem so musikalisch einfällt, wenn man es aus der Distanz betrachtet. Das bin ich und doch nicht ich, weil ich ja schon ein anderer bin. Vielleicht ist das so ähnlich, wie wenn man sich Kin-derbilder von sich selbst ansieht. Man erkennt sich, aber so richtig kann man es mit der gegenwärtigen Person nicht zusammenkriegen.

GERT DREXL

www.qntal.de

„Jedes Leben hat

ein Ende, ob es damit ein Ziel erreicht

hat, weiß ich nicht.“

Fotos: Severin Schweiger

VÖ „Purpurea“: 31.10.08

2020

Wesen im Schatten des WaldesWesen im Schatten des WaldesMan braucht, Goth sei Dank, gar nicht sehr weit über den Teich zu Labels wie Projekt zu schau-en, um weiche, romantische Musik zu fi nden. Also warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Deutschland selbst bringt solche Babys auch hervor und Elane mit ihrem neuen Album „The Silver Falls“ gehören ganz eindeutig dazu. Anlass genug für mich, da mal etwas tiefer nachzubohren.

Als ich euer Factsheet in die Hand bekam und „Atmosphärischer Dark-Folk“ las, dachte ich: „Uiuiui, da wird man bestimmt wieder schön in den Schlaf gefl ötet und gezupft!“ Um so angenehmer überrascht war ich dann, als ich „The Silver Falls“ hörte. Ab und an tauchen hier und da sogar mal verzerrte Gitarren, oder sogar leichte Elektronik auf, sodass euer neues Album eine richtig hübsche, runde Sache er-gibt und nicht langweilig oder gar einschlä-fernd wird. Was bedeutet es für euch, Musik machen zu können und sie anderen Leuten zu präsentieren? Nico: Mir war es vom ersten Demo-Tape an wichtig (damals noch mit einer anderen Band), das Publikum zu erreichen. Ich habe mich immer sehr über Feed-backs gefreut und den Kontakt zum Hörer gesucht. Heute ist das mit Elane nicht anders. Ob der Kontakt nun über Internet-Foren, in Chaträumen oder nach Konzerten entsteht: Ich freue mich sehr, wenn wir Feedbacks erhalten und im Dialog zu unserem Pu-blikum stehen.

Ich mag den kuscheligen, verträumten Dark-Wave-Track namens „Silverleaf“. Gibt es zu dem eine schöne Geschichte zu erzählen?Joran: Vielleicht ist es ein ge-heimes Treffen zweier Wesen im Schatten des Waldes. Das Silber-blatt symbolisiert ihre Liebe und Verbundenheit. Ein Moment un-sagbarer Liebe und Sehnsucht. Ähnlich wie bei „Tears And The

Perfect Light” (The Fire of Glenvore) und „My Brigh-test Star” (Lore of Nén). Auf dem Album stellt dieses Lied einen Moment der Ruhe dar.

Was verbindet euch speziell mit der Mittelal-ter- und Folkmusik? Steht sowas bei euch Zu-hause hauptsächlich im CD-Schrank? Nico: Ehrlich gesagt: nein. Ich habe zwar einige we-nige Bands des Genres auf CD im Regal stehen (u.a.

Faun, Unto Ashes oder Neun Welten), aber das erst seit ge-meinsamen Konzerten, weil ich die Musik teilweise dort erst kennen gelernt habe. Als wir mit unserem ersten Album (The Fire of Glenvore) auf den Markt gingen, besaß ich nur die ersten beiden Blackmore’s Night-Alben, und wenn man einige Dead Can Dance-Stücke auch zum mittelalterlichen Liedgut zäh-

len mag, dann auch diese. Und das war’s. Ich habe viele Weltmusik-CDs in meinem Regal stehen (vor allem skandinavische Folklore). Ansonsten höre ich eher ganz andere Musik als die, die wir selbst spie-len. Um einige meiner Lieblingskünstler zu nennen:

Anathema, Paul Roland, Peter Murphy, Danzig, Skyclad, John Barry, Deine Lakaien, Chris Hülsbeck, Tiamat, Rachael Sage usw.Joran: Ich liebe schöne und sehnsuchtsvolle Folkmusik, wie man sie z. B. bei Clan-nad fi ndet. Belanglosen Folk mag ich nicht. Ruhigere oder gefühlvolle Mittelaltermusik kann ich mir auch ab und an anhören. Dudelsackterror, mit dem die Szene überschwemmt wird, eher weniger. Ich mag z. B. die reinen Folkalben von Clannad. Daneben hab‘ ich den Conan-Soundtrack oder höre auch Sachen wie Neun Welten, Carved in Stone, Nar-silion, manche ausgewählte Irish-Celtic Folkmusik oder Lo-reena McKennitt. Ansonsten auch viele andere Genres.

Das eine oder andere Mal klingen eure Gitarren wie die von Mike Old-fi eld. Hat der Altmeister irgendeine Art Rele-vanz für euch oder seid ihr jetzt geschockt?Joran: Wir nehmen es eher als Kompliment an, dan-ke. Ich glaube die Stimmung ist teilweise ähnlich. Schwebend. Songs wie „To France” z. B. fi nde ich ja auch nach wie vor gut. Eigentlich würde ich den auch mal ganz gerne covern. Irgendwann mal. Nico: Mike Oldfi eld hat brillante Songs geschrieben, immer aber auch ein paar schwache Momente in seiner Schaffensphase gehabt. Dennoch: bei solch unfassbar großartigen Liedern wie „Moonlight Sha-dow”, „Family Man” oder das schon genannte „To France” freut man sich richtig, wenn sie mal im Ra-dio laufen. Und Oldfi elds Beitrag zum „Exorzisten” („Tubular Bells”) ist unvergessen. „Moonlight Sha-dow” hatten wir ja für unser Debüt-Album bereits gecovert. Insofern sind wir natürlich nicht geschockt über die Frage.

TYVES OBEN

www.elane-music.de www.myspace.com/elanemusicVÖ „The Silver Falls“ 24.10.08

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Vic AnselmoVic Anselmo

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Baltische Träume Baltische Träume Osteuropa meldet sich szenetechnisch auch wieder mal zu Wort. Und manchmal schafft es immer mal eine Perle zum großen Sprung, über den geschmolzenen Eisernen Vorhang, in die westliche Welt anzusetzen, um dort gut zu lan-den. So wie die lettische Formation Vic Ansel-mo, deren Debütalbum „Trapped In A Dream“ in Kürze erscheinen wird.

Musikalisch ist von Rock-Pop über Alternati-ve-Indie bis hin zu klassischen Elementen alles vertreten. Bitte erzähle mir etwas über deine Wurzeln, was die Musik angeht?Ich liebe Musik schon seit Kindesbeinen an. Im Grunde höre ich bis heute alles querbeet. Von Led Zeppelin, Black Sabbath und Pink Floyd bis zu Ali-ce In Chains, Pantera oder auch Dead Can Dance. Meine erste Ressource für Inspirationen sind jedoch Träume. Ich fühle mich in meinen Träumen wie Zu-hause. Sie sind eine Fluchtstätte, in der ich mich frei bewegen und mich vor Problemen und der Realität für eine Weile verstecken kann. Abgesehen von Träu-men gibt es natürlich noch unendlich viele Inspirati-onsquellen. Bücher, Kunst, Architektur. Ich erinnere mich noch lebhaft daran, als ich den Kölner Dom das erste Mal sah, war ich nahe daran zu weinen, so beeindruckt war ich. Dann gibt es noch Leute, das Wetter, einige Orte meiner Heimatstadt, Halb-ruinen, verlassene Fabriken und Gebäude oder einfach die Natur hier in Litauen, Felder, Wälder

und kristallklare Seen. Hier gibt es jede Menge schö-ne und mysteriöse Orte.

Du beschreibst deine Musik auf deinem Myspa-ceprofi l als Gothic. Deine Stimme erinnert mich manchmal an Amy Lee. Was verbindet dich mit dem Begriff Gothic?Gothic repräsentiert eine dunkle und mysteriöse Atmosphäre. Diese Atmosphäre fand ich schon seit frühester Kindheit attraktiv. Ich mochte schon immer mystische Geschichten und Filme. Ich kann mich noch gut daran erinnern, Stephen King‘s „Shining” aus dem Bücherregal meiner Eltern genommen zu haben. Ich habe es ausgewählt, weil es ein gruse-liges Cover hatte und es war mein erstes ernstes Buch. Ebenfalls schrieb ich meine eigenen kleinen Horrorgeschichten nachdem ich „Geschichten aus der Gruft” gesehen hatte. Eine meiner Geschichten handelt von einem Basketball, der den Teammitglie-dern die Finger abbeißt. Ich spielte alle möglichen Spiele, in denen es um mystische Kreaturen und Abenteuer ging. Diese mystische Atmosphäre war immer sehr inspirierend für mich.

Was inspiriert dich beim Schreiben deiner Texte? Würdest du

dich selbst als

eine Art „Tagträumer“ bezeichnen?Bevor ich zu Bett gehe, sehe ich manchmal merk-würdige Bilder vor meinen Augen, welche oftmals einen großen Detailreichtum aufzeigen. Von merk-würdigen Kreaturen, befremdlicher Architektur oder auch hässlichen Gnomen im Himmel, die Fenster zu furchtbaren und blutigen Bildern öffnen. Ich mag es, Geschichten zu erfi nden über Orte, die ich mal besucht habe. Einfach über ihre Vergangenheit und Zukunft, wer dort verweilte und was dort vielleicht mal passiert ist.

Du inszenierst dich im Artwork deiner CD als schüchternes Mädchen, eingesperrt in einer Fantasiewelt. Was bedeutet die Uhr auf dem Inlay?Das Cover wurde von einem sehr talentierten let-tischen Künstler namens Artur Berzinsh entworfen. Die Uhr hinter dem Tray symbolisiert die Stunde, in der es Zeit wäre, zu Bett zu gehen, um das „Traum-land” zu besuchen, dort wo die Fantasie zur Rea-lität wird. Gleichzusetzen mit dem Countdown, bis du wieder aufstehen musst. Kannst du dir vorstellen was passieren würde, wenn die Uhr aufhören wür-de zu ticken? Du wärest „Trapped In A Dream“, in einem Traum gefangen.

TYVES OBEN

www.vicanselmo.comwww.myspace.com/vicanselmomusicVÖ „Trapped In A Dream“: 10.10.08

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Felix Marc, werden sich einige fragen, wer ist denn das? Aber nicht jeder muss sich einen ausgefallenen Künstlernamen zulegen, schon gar nicht wenn man das Glück buchstäblich im Vornamen stehen hat. Dabei ist Felix ja auch nicht irgendwer und eigentlich schon lange im Geschäft der düsteren Klänge. Zunächst als Keyboarder der Band Diorama, nutzte er die Gunst der Stunde, als ein gewisser Vasi sein erfolgreiches Futurepop Projekt Namnambu-lu zu Grabe tragen musste und einen neuen Sänger für das Nachfolgeprojekt Frozen Plas-ma suchte. Da man sich in den Elektro-Kreisen ja doch durch die verschiedensten Festivals kennt, war der Kontakt schnell geknüpft und die Erfolge ließen nicht lange auf sich warten. Nun war Felix während seiner gemeinsamen Zeit mit erstgenannten Bands auch nicht un-

tätig, hat seine kreativen Ideen zu Papier gebracht und dank seines Labels Infacted die Möglichkeit erhalten, sein erstes eigenes Album zu produzieren. Das Werk „Pathways“ wird nicht nur den Fans der oben genannten Bands ansprechen, vielmehr ist hier eine Sym-biose aus all diesen Bands mit einem Schuss von Felix‘ eigener Vergangenheit, die vor allem auch Hörer über die Fan-Base hinaus ansprechen dürfte, denn von VNV Nation bis Pet Shop Boys, Mesh bis De/Vision oder Ca-moufl age bis Schiller sind alle Einfl üsse elek-tronischer Spielarten vertreten.

Gratulation zu deinem wirklich gelungenen Erstlingswerk. Wie lange hat es gedauert, das Ganze fertigzustellen?Felix Marc: Vielen Dank. Die Phase des eigentlichen

Fertigstellens des Albums hat ca. sechs Monate in Anspruch genommen. Die einzelnen Songs entstan-den aber schon zu früherer Zeit. Der älteste Song auf dem Album ist „Separation“ und gut und gerne zehn Jahre alt.

Das Album heißt „Pathways“. Auf welchen Pfad möchtest du uns denn führen? Wohin soll die musikalische Reise gehen?Der Titel des Albums steht symbolisch für die Lebens-pfade, die sich vor uns darlegen und es uns selbst überlassen, welchen Pfad wir davon beschreiten. Im konkreten Bezug auf mein Album bekommt das Ganze dann noch eine autobiografi sche Note, da die einzelnen Albumtitel über einen Zeitraum der letzten zehn Jahre entstanden sind und somit von meinen musikalischen Pfaden und persönlichen Erlebnissen während dieser Zeit erzählen.

FELIX MARCVom Keyboarder zum Solokünstler

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Einfl üsse von Diorama sind nicht zu überhören. Wie warst du dort in die schöpferische Phase eingebunden?Ich denke, es ist ganz normal, dass sich Einfl üsse aus den anderen musikalischen Projekten auch in mei-nen Werken fi nden lassen. Schließlich bin ich nach wie vor auch dort tätig und absorbiere Einfl üsse, die ich dann zumeist unterbewusst und in einer abge-wandelten Form in eigenen Kompositionen weiter-verarbeite. Bei Diorama bin ich als Co-Produzent seit dem zweiten Album („Her liquid arms“) integraler Bestandteil bereits während der Produktionsphase. Die Arbeiten an neuen Tracks erfolgen in enger Zu-sammenarbeit mit Torben, was letztendlich zu dem ganz eigenen Diorama-Sound führt.

Deine Stimme ist ja seit Anfang 2000 als zwei-te Stimme von Diorama im Ohr. Seit wann war

dir klar, dass du eigentlich hinter das Mikrofon gehörst? Hast du eine Gesangsausbildung ge-macht? Das Singen, wie auch das Keyboard-spiel und das Komponieren habe ich mir alles selbst beigebracht. Eine Aus-bildung in dieser Richtung habe ich nicht. Zum Gesang fand ich während eines Austauschjahres in Amerika, wo ich im Schulchor mitgesungen habe. Hier entdeckte ich zum ersten Mal mein Interesse an vielschichtigem Ge-sang, da im Gegensatz zu deutschem Musikunterricht gute Songs praktiziert wurden und somit auch der Spaß an der Sache vermittelt werden konnte.

Wie kam der Kontakt zu Vasi zu-stande? War es eine schwere Entscheidung, dich mit dem Nachfolge-Projekt gegen die markante Stimme von Henrik (ex-Namnambu-lu) in Konkurrenz zu setzen?Vasi lernte ich 2005 auf der VNV Nation Tour kennen, wo ich mit Diorama als Vorgruppe dabei war. Bei den Soundchecks wurde er auf meine Stimme auf-merksam und fragte mich, ob ich Interesse an einer Zusammenarbeit hätte. Als dann NNB auseinander-brach, redeten wir konkret über Frozen Plasma und das Nachfolgeprojekt. Zu diesem Zeitpunkt war ich mir bereits darüber bewusst, dass ein Teil der NNB Fans mit meiner Stimme im Vergleich zum Vorgänger Probleme haben könnten. Aber ich war auch selbst-bewusst genug, mir zuzutrauen, diese Leute kurzfri-stig von meiner eigenen Stimme zu überzeugen.

Wir haben uns, glaube ich, vor einem der ersten Konzerte von Frozen Plasma in der Batschkapp in Frankfurt getroffen. Deine Nervosität war schon zu erkennen, aber der Auftritt war derart profes-sionell. Hut ab. Hast du ein Mittel gegen Lampenfi eber?Ja natürlich. Die Nervosität bei den ersten Konzerten resultierte natürlich daraus, dass mir die Rolle als Frontsänger komplett neu war. In dieser Rolle musste ich mich erst noch fi nden. Die Nervosität hat sich inzwischen gebessert. Auch weil ich auf eine konsequente Vorbereitung achte, d.h. Proben der Songs, und mich unmittelbar vor dem

Konzert selbst in eine intensive Konzentrationsphase begebe.

Der erste Song „ Give back the Moments“ hat Sequenzen in den Strophen, die an alte Dio-rama- Klassiker erinnern. Ab-sicht? Und was bedeutet das Lied für dich? Außerdem gibt es hierzu ja auch schon ein Vi-deo; wie war der Videodreh?Welchen Klassiker meinst du denn? Nein, der Song sollte nie wie ein Diorama-Stück klingen. Er hat sei-ne ganz eigene Geschichte, die ja auch im Video erzählt wird. Es ist eine sehr persönliche Erfahrung, die ich in einen Song umgesetzt habe.

Nachdem eine langjährige und für mich wichtige Be-ziehung in die Brüche gegangen ist, kamen Vorwür-fe auf, dass die gemeinsamen Momente verlorene und falsch investierte Zeit war, die man jetzt unter Einfl uss der Enttäuschung zurückforderte. Der Video-dreh war eine ungemein interessante Erfahrung, die ich alleine jedoch nie hätte stemmen können. Glück-licherweise hatte ich ein tolles Team, das mir half, mit bescheidenen Mitteln ein maximales Ergebnis zu erzielen. Die Vorbereitungen dauerten 4-6 Wochen. Als Drehort dienten die leer stehenden Kellerräume eines alten Fabrikgebäudes in Reutlingen. Hier wur-den alle Szenen an zwei aufeinanderfolgenden Wo-chenendtagen abgedreht. Danach schloss sich noch ein mühsamer Post-Produktion Prozess am Rechner an, der auch nochmal vier Wochen dauerte.

Meine Favoriten sind „ Give back the Mo-ments“ und die Ballade „Separation“. Welches ist dein Lieblingslied auf dem Album?

Das ist schwer zu sagen, weil auf dem Album die Songs gelandet sind, die mir in den letzten zehn Jahren am mei-sten bedeutet haben. Diese nochmals gegeneinander zu gewichten, ist schwierig. Je nach Laune und Gefühlslage wähle ich unterschiedliche Songs des Albums aus. Der Random-Mode an meinem CD-Player ist da eine will-kommene Funktion.

HEIKO NOLTING

www.felixmarc.de VÖ „Pathways“: 29.08.08

„Symbolisch steht ‚Pathways’ für

die Lebenspfade, die sich vor uns darlegen und es uns selbst überlassen,

welchen Pfad wir davon

beschreiten.“

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„Meine Muse besitzt keine Manieren und fällt unangekündigt

über mich her.“

Der mit dem Klappzylinder tanzt

Wer letztes Jahr den Bundesvi-sion Song Contest von Stefan Raab gesehen hat, wird sich vielleicht an die Band Nort-hern Lite erinnern, die dort einen guten sechsten Platz geholt haben – auch durch die Unterstützung der Sängerin Maria Antonia – ihres Zeichens Sängerin der Electro-Chanson-Pop-Band Chapeau Claque. Chapeau Claque sind anders. Sie singen von Störchen und von Rot und sie sind zuckersüß! Die Musik ist mehr als eingän-gig und der Gesang ist Erotik für die Ohren. In Deutschland fehlt der große Durchbruch noch – aber mit dem neuen Album „Fabelweiss“ sollte das auch nur noch Formalität sein. Reden wir also über das fabel-hafte Weiss.

Wie seid ihr auf den Albumtitel „Fabelweiss“ gekommen? Maria Antonia: An sich hat die eigentliche Fa-bel fast schon etwas Plattes. Sie reduziert einen bestimmten menschlichen Charakterzug auf ein bestimmtes Tier und lässt dich am Ende mit einer Moral zurück. So etwas wäre heutzutage Schwarz-Weiss-Malerei. Vielmehr schätze ich die clevere Idee, die eigentliche Aussage geschickt kreativ zu verpacken. Ich liebe es, mit Metaphern zu arbei-ten, somit gibst du der Geschichte nicht nur ihren eigenen Charme, sondern auch dem Hörer seinen nötigen Freiraum um seine eigene Geschichte und Emo-tionen zu finden. Wer seine Ohren aufmerksam spitzt, kann in fast jedem Song auf dem „Fabelweiss“-Album ein Tier enttarnen, sei es im Text oder als Klangkulisse. Für mich war klar, dass ich dem zweiten Album ein Konzept, einen roten Faden verpassen werde, der sich nicht nur durch die Musik selbst, sondern auch über Gestaltung, bis hin zur Bühnenshow zieht.

In Griechenland, so konnte man lesen, habt

ihr bereits einen Top-Ten-Hit gelandet mit der Single „Reykjavik“ - wann meint ihr, wird es auch in Deutschland so weit sein – und wenn, welchen eurer Songs würdet ihr gerne in den Top Ten sehen und warum? Schwierig, so etwas abzuschätzen. Für mich persönlich gibt es einige Kandidaten auf dem Album, die den Hörnerv der breiten Masse tref-fen könnten. Der konkreteste Song ist vermutlich

„Unsere Liebe-ein Storch“. Hier werden Emotionen ange-sprochen, die ein jeder nach-vollziehen kann und auch mu-sikalisch ist er spannend und energetisch arrangiert. Aber am Ende ist so etwas nicht

voraussehbar.

Eure Musik ist wirklich Zucker! Wie entste-hen eure Songs – steht als erstes das Wort oder erst die Musik? Dafür gibt es keine Regel. Prinzipiell gilt nur: „Nicht ich klopfe bei der Muse an, sondern wenn,

dann umgekehrt!“ Abgesehen davon besitzt meine Muse

keine Manieren und fällt unangekündigt über mich her. Das kann dann auch mal hin-

ter einem Erdbeerstand auf dem Markt sein, oder im Himalajagebirge in Nepal oder schlicht und einfach am Klavier Zuhause. Meistens schrei-be ich Text und Melodie und bastele Zuhause am Apple das grobe Gerüst. Später geht’s ab in den Proberaum, wo wir als Band gemeinsam am Arrangement feilen und schließlich im Studio, zusammen mit meinem Produzenten Frithjof, ist auch noch Platz für so allerhand Experimente.

Welche Requisiten werdet ihr in Zukunft noch aus dem Zylinder zaubern? Was habt ihr für die Zukunft noch in Planung? Unser erstes Ziel zurzeit ist viel zu spielen. Un-seren Storch und unsere Frösche, Flughunde und Leoparden lebendig werden zu lassen. Was die Zukunft bringt, hängt sehr davon ab, wie dieses Album ankommt, aber an sich ist alles möglich.

DANIEL FRIEDRICH

www.myspace.com/chapeauclaque VÖ „Fabelweiss“:10.10.08

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Kannibalismus – Vordergründig denkt man sofort an Rothenburg und jenen schon oft popmusikalisch interpretierten Menschen-fresser, der in seiner abgründigen Tat von Boulevard bis Feuilleton die Republik im Atem hielt, doch damit hat die neue Veröf-fentlichung von Das Ich nichts gemein. Das Ich melden sich in gewohnt radikaler Manier zurück und spendieren mit ihrer neuen EP „Kannibale“ einen Ausblick auf das im Frühjahr erscheinende Album „Ritual“. Die Clubremixe einiger der arriviertesten Vertreter der DAC dürften für heftigen Tanzfl ächeneinsatz garan-tieren.

Den Menschenfresser von Rothenburg habt ihr sicher nur sekundär im Visier eurer neuen CD? Bruno: So widersinnig diese Tat auch wirken mag, sie ist nur die vordergründigste Variante des Kan-nibalen. Kannibalistisch ist die Menschheit von An-beginn, seien es die Gefangenen besiegter Stämme oder ganze Völker im Genozid von Rassenwahn oder religiöser Allmachtsfantasie. Besonders die westliche Welt, die sich selbst allzu gerne als zivilisatorische Elite betrachtet, watete ja im Blut der Völker. Das christliche Dogma als Kodex vorgeschützt, wurde bereits in der Zeit des Kolonialismus alles gefressen, was sich nicht unmittelbar unterwarf. So wurden ganze Kontinente samt ihren Naturreligionen und Weltanschauungen kannibalisiert, der christlichen Kultur unterworfen und zu guter Letzt ausgelöscht. Das wirtschaftliche Ungleichgewicht, die globale Umweltproblematik und das Fehlen sind sicher nicht nur der westlichen Welt zuzuschreiben, fanden hier jedoch ihren Ursprung und stützen bis heute unseren Wohlstand, während unser Hun-ger auf schnellen und billigen Konsum die Ressourcen unseres Planeten ausplündert,

als gäbe es kein Morgen. Kannibalismus üben wir aber auch an unseren nächsten Verwandten aus.

Und das in bestialischer Präzision. Im Räder-werk der modernen Tötungsmaschinen sterben für unsere Gier auf Fleisch täglich Millionen

von Existenzen einen qualvollen Tod. Manchmal, ohne je einmal das Tageslicht gesehen zu haben.

Zu gerne schließen wir unsere Augen vor dieser alltäglichen Form des Kannibalismus. Zu gerne reduzieren wir Tiere auf eine nie-

dere Stufe, klassifi zieren so Leben in Kasten. Das Tier als Sache, der Mensch als Individuum – um unser eigenes Gewissen angesichts der blutigen Wahrheit zu beruhigen.

Werden die drei neuen Songs der EP auch auf dem nächsten Jahr erscheinenden Al-bum enthalten sein?

Bruno: Nein, nicht in dieser Fassung. Ich denke, neun Songs und drei neue Titel sind für eine EP ein ganz guter Gegenwert.

Auf der CD befi ndet sich auch ein Film zur PETA Kampagne. Was möchtet ihr vermitteln? Stefan: Wir sind alle zu Gast auf dieser Erde und alle gleich, wir stehen seit vielen Jahren zum Vege-tarismus und wollen den Menschen mit dem Film zeigen, dass alle Lebens-formen Schmerz und Leid empfi n-den. Wer dabei wegschaut, sieht auch nicht hin, wenn neben ihm ein Mensch erschos-sen würde, denn für uns heißt es: Speziesismus ist nichts anderes als Rassismus, daraus ergibt sich für uns eine Weltsicht des Miteinan-derlebens und

Respektierens, ohne dem anderen Schaden oder Leid zuzuführen. Wer hierauf irgendwelche dum-men und abwertenden Sprüche bringt, muss diesen Film sehen, während er sein Fleisch isst. Lass es dir schmecken!

Neben der EP gibt es auch eine Fleischplatte. Was hat es damit auf sich? Stefan: Die Fleischplatte ist eine streng limitierte Variante, bestehend aus der EP, einem Button, einem Poster, einem blutigen Shirt und einem Aufkleber in einer zur Kampagne passenden Styropor-Fleischver-packung.

Ihr geht wieder auf große Tournee, bis nach Russland. Wie kann man sich denn da als Ve-getarier ernähren? Stefan: Es ist keine Frage des Landes. Zu meinen Ve-

ganer-Zeiten wurde ich mal von einer Rostocker Köchin gefragt, nein nicht

gefragt, sie hat mich angeschrien: „Ja sag mal, was isst denn du dann noch?“

MARIUS MARX

www.myspace.com/dasichVÖ „Kannibale“: 26.09.08

Fleisch isst Fleisch

„Bereits in der Zeit des Kolonialismus wurde alles gefressen, was

sich nicht unmittelbar unterwarf.“

Foto: Thomas van de Scheck

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SuchtforscherDas Projekt des Sängers und Elektroniker Chris Tagore sorgte bereits vor vier Jahren für Auf-sehen, als das Debüt „Nachtangst“ bei dem US-amerikanischen Undergroundlabel BLC erschien. Unzweifelhaft eine Novität für eine deutsche Band, die noch dazu viele deutsch-sprachige Songs im Gepäck hatte. Leider war es dann jedoch lange still um die Formation,

einzig und allein eine umfangreiche USA-Tour-nee schien vom Weiterleben der Band mit dem vielsinnigen Namen zu berichten. Auf dem neuen Werk „Sucht!“ schlägt die Band ihrer Tradition des düsteren, kraftvollen EBM eine Bresche und hebt sich mit klarem Gesangsfo-

kus von der breiten Masse ab.

Vier Jahre sind eine lange Zeit. Was hat sich bei euch persönlich und künstlerisch seit eurem Debüt „Nacht-angst“ getan? Chris Tagore: In der Tat eine lange Zeit. Persönlich haben wir uns in den letz-ten Jahren vor allem um die Entwicklung auf be-rufl icher Ebene bemüht. In künstlerischer Hinsicht haben wir uns darauf konzentriert, unseren be-reits auf „Nachtangst“ eingeschlagenen, eigenen Stil weiterzuentwickeln. So sind beispielsweise auch die Erfahrungen der US-Tournee in die neuen Kompositionen einge-fl ossen. Das neue Album ist noch melodiöser und rhythmischer, konzentriert sich noch stärker auf mar-kante Soundstrukturen.

Wie war die US-Tour-nee? Wie viele Dates und welche Eindrücke gab es?Diese Tour war für uns eine beeindruckende Er-fahrung. Einerseits fast täglich an einem neuen Ort in einer anderen Kli-mazone zu sein, was eine echte Herausforderung für das Immunsystem

war; andererseits die vielen positiven Reaktionen auf unsere Musik zu bekommen von Leuten, die uns noch nie zuvor gehört hatten. Bei den sehr vielen und sehr unterschiedlichen Eindrücken war die Herz-lichkeit und Begeisterungsfähigkeit der Menschen in den USA eine der schönsten Erfahrungen.

Der Name assoziiert mehr als reinen Spaß am Musizieren. Eure Message und Philosophie steht im Vordergrund. Welche inhaltlichen Din-ge möchtet ihr auf „Sucht!“ verarbeiten? Unsere Philosophie war von Anfang an, mithilfe der Musik unsere Denkansätze zu bestimmten Themen äußern zu können. Auf dem neuen Album geht es inhaltlich um Sucht und Abhängigkeit bzw. die Suche nach dem, was eigentlich hinter diesen Begriffl ich-keiten steht. Beleuchtet man es eingehender, stellt man fest, dass es dabei weit über die oft zitierten stoffgebundenen Süchte hinausgeht. Süchtige Verhaltensstrukturen fi ndet man viel häufi ger als gedacht, beispielsweise sehr oft auch in Partner-schaften, was in einigen der Songs auf „Sucht!“ zum Ausdruck gebracht wird.

Habt ihr eigene Suchterfahrungen hinter euch? Zumindest spielt ihr darauf an, oder?Natürlich haben wir auch eigene Suchterfahrungen und thematisieren auch diese auf dem Album. Aller-dings bezieht sich das nicht auf die Erfahrung mit illegalen Drogen oder ähnlichem. Vielmehr geht es dabei um die bereits erwähnte Beziehungsebene, die in meinen Augen eine mindestens genauso häufi ge Quelle für abhängiges Verhalten darstellt.

Sadismus, Masochismus – welche Beziehung habt ihr zu BDSM?Hehe, also ich mag es zwar abwechslungsreich, bin dem BDSM aber nicht wirklich zugetan. Allerdings würde diese Frage sicher nicht von allen Bandmit-gliedern gleich beantwortet werden. Bei den beiden Songs geht es aber nicht nur um die Form von Sexu-alität, die damit assoziiert wird (und in der Psychiat-rie übrigens immer noch als sogenannte Störung der Sexualpräferenz verschlüsselt wird), sondern auch um die höchst pathologische Art von Partnerschaft, die sich häufi g dahinter verbirgt.

SIEGMAR OST

www.philosopherspoint.deVÖ „Sucht!“: 27.10.08

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Lehrbuch der ApathieIn beharrlicher Tradition veröffentlichen die Berliner Scream Silence Jahr für Jahr ein neues Album, ohne dass die Qualität darunter hörbar leider würde. Im Gegenteil: Die Band scheint gerade seit ihrem letzten Oeuvre einen song-schreiberischen Quantensprung gemacht zu haben, denn die stilistische Ausrichtung ist trotz des schwermütigen Grundtenors viel-schichtiger und musikalisch extrem überra-schend ausgefallen. Scream Silence haben spä-testens jetzt ihren ureigenen Stil gefunden.

In welcher Tradition würdet ihr euch sehen, müsstet ihr euch in einer Rockologie einord-nen?Robert: Nicht einfach, muss ich sagen. Als wir vor zehn Jahren angefangen haben, waren unsere prä-genden Einfl üsse eindeutig aus dem Gothic Rock dieser Zeit, wie etwa Tiamat oder auch Paradise Lost. Später ging es bei Scream Silence eher in Richtung Dark Rock, was ja genau diese weiterentwickelte Form des „traditionellen“ Goth Rock bedeutet. Un-ser vorletztes Album „Saviourine“ und speziell der Song „Creed“ ging eindeutig in diese Richtung. Hardy: Seit einiger Zeit lassen wir uns aber auch von Elementen aus dem Progessive- oder Alternative Metal inspirieren. Bei „Apathology“ würde ich des-halb eher zum Begriff Depressive Rock tendieren.

Wie kam es zu dem Namen „Apathology“? Gibt es dazu eine Geschichte?

Hardy: In den Songtexten auf dem Album geht es um innere Verzweifl ung, um Druck, dem man nicht mehr standhalten kann. Irgendwann blendet man das Um-Sich-Herum dann einfach aus und zieht sich in sich selbst zurück, verfällt in seelisch Apathie. Robert: Da es unzählige Gründe dafür gibt und wir uns genau mit diesem Thema diesmal intensiv in unseren Texten beschäftigt haben, dachten wir am Ende, es klingt ja fast wie eine Art Lehrbuch für Apa-thie. Und schon war „Apathology“, die „Lehre von der inneren Leere“ geboren.

Wie kann man sich die typische Entstehung eines Scream Silence Songs vorstellen?Hardy: Unsere Arbeitsweise ist, zumindest für eine Rockband, eher untypisch. Zur Grundidee entsteht erstmal eine Skizze am PC, wo die meisten Synth/Streicher-Arrangements sowie alle Gitarrenlinien er-arbeitet werden. Dann kommen aber die Drums dazu und ab da probieren wir viel aus, verwerfen einiges und testen einiges auch live im Proberaum aus. Erst ganz zum Schluss machen wir dann die Lyrics und Vocals. Robert: Im Grunde nehmen wir dadurch den Song mehrfach auf, was unsere langen Produktionszeiten von mittlerweile über zehn Monaten erklärt.

Mittlerweile veröffentlicht ihr in regelmäßigen Abständen neue Alben. Entwickeln sich die je-

weiligen Konzepte zu Alben linear oder gibt es immer wieder Ideen, die verworfen und dann mal wieder ausgegraben werden? Robert: Wir haben bei jedem Album immer unge-fähr doppelt so viele Songideen, als nachher auf dem Album zu hören sind. Vieles davon ist nicht un-bedingt B-Material, passt aber oft nicht ganz zum Album-Konzept. Hardy: Wir hatten uns schon oft vorgenommen, den einen oder anderen Song bei einem der nächsten Al-ben noch mal auszuprobieren – einen Song tragen wir schon seit der zweiten Scheibe mit uns rum, ha-ben das dann aber immer wieder verworfen, einfach weil das neue Material unserer Meinung nach im-mer besser war als das vorhergehende. Einfach weil auch wir immer noch dazu lernen, und deshalb beim Songwriting und bei der Produktion einiges besser machen können.

Erzählt uns doch mal etwas aus der mittlerwei-le zehnjährigen Bandgeschichte von Scream Silence. Gab es da irgendwelche Kuriositäten? Hardy: Jede Menge (lacht). Wir haben z. B. selten die Kaution für unseren Tourbus wiederbekommen. Entweder platzte ein Reifen, ein Dachfenster fl og in hohem Bogen davon, oder Wolfi rangiert ihn direkt in ein Haus rein. Von einem fl iegenden Salsa-Nacho-Hut und einem nackten Robert in der Hotellobby mal ganz zu schweigen. Die Story erzählen wir euch ein anderes Mal.

DANIEL FRIEDRICH

www.screamsilence.de

VÖ „Apathology“: 14.11.08

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FestkörperphysikKörperschall ist die Bezeichnung für all jene Schallwellen, die sich innerhalb eines festen Gegenstandes ausbreiten. Sicher eher die Kör-perbetontheit seiner vom ihm veröffentlichten Musikstile im Sinn, hatte Maximilian Wall den Namen seiner Labelplattform „Körperschall“ in der Vergangenheit für Veröffentlichungen

seiner beiden Projekte „Ellipse“ und „Indus-triegebiet“ genutzt. In Signalfarben titelt seine neueste CD jedoch bereits mit dem Labeltitel. Das legt die Vermutung nahe, er habe hier ein neues Projekt entstehen lassen.

Maximilian: Also Körperschall ist kein Projekt in die-sem Sinne. Natürlich ist er der Interpretenname des neuen Samplers. Jedoch ist es der Labelname. Es ist für jede „Releaseepoche“ von Körperschall Records ein solcher Remixsampler geplant. Auf dem ersten befi nden sich die Bands Ellipse und Industriegebiet. Für Anfang nächstes Jahr sind die nächsten Releases geplant. Jedoch werden es dieses Mal drei neue Bands sein, welche auf dem dann zweiten Körper-

schall Sampler vertreten sein werden. Auch hier wird der Sampler wieder eine Vorschau der jeweiligen Alben sein. Was ich persönlich an die-sen geplanten Samplerreihen interes-sant fi nde, sind natürlich die Eigenin-terpretationen der Remixer und dass es auch mindestens ein gemeinsames neues Lied der vorgestellten Bands gibt. Bei nun drei Bands kann das

bestimmt sehr interessant wer-den, vor allem bei verschiedenen Stilen.

Du bist selbst Szene DJ. Nutzt du die Tanzfl ächenresonanz, um deine Tracks zu optimieren?Naja, in erster Linie bin ich an solch einem Abend DJ und nicht Musiker. Ich denke, das muss man ein wenig trennen. Natürlich sehe ich die Tanz-fl ächenresonanz und kann einschätzen, inwie-fern ein Song ankommt, jedoch ist das nicht das Entscheidende dafür, ob ein Song auf das Album kommt.

Neben der extremen Tanz-barkeit fast aller Titel fällt natürlich auch die Provo-kanz einiger Songs auf. „Sex mit einer Leiche“, „Jesus Christus schluckt“, „Sorge um Gott“ sind sicher auch mit einem Augenzwinkern entstanden?

Ja. Und mit einem Lächeln. Es ist ungefähr so zu beschreiben: Als mir ans Herz gelegt wurde „8 mm“ doch endlich mal bis zum Ende zu sehen und dann die Stelle aus dem Sample von „Snuff Machinery“ kam, da schoss mir auf einmal ein Blitz durch den Kopf. Woher kenn ich das? Irgendwie ein komisches Gefühl. Der „Aha-Effekt“ oder Ähnliches. Wenn ich Filme oder Sendungen sehe, dann fi nde ich ein Sample, dass ich verwenden könnte ziemlich ähnlich. Nur ist es verkehrt herum: Ich sehe etwas,

KöRPERSCHALL„Das ist wohl

eher auf meinen Humor

zurückzuführen, nicht weil ich den Beischlaf mit Leichen bevorzuge.“

höre es und bekomme so eine Art Blitz. Es trifft ei-nen eher unterbewusst und es hat irgendetwas mit einem selbst zu tun. Als würde man ein Sample aus einem Lied in einem Film wiedererkennen und das Lied ist dabei eigentlich deine Geschichte. Deshalb wahrscheinlich das Provokante. Deshalb wahrscheinlich meine Einstellung zur Kirche.

Es hat irgendetwas mit einem selbst zu tun. Jetzt soll sich doch einer mal meine Aussage bei dem Titel „Sex mit einer Leiche“ anse-hen. Aber ich kann hier Entwar-nung geben: Das ist wohl eher auf meinen Humor zurückzuführen, nicht weil ich den Beischlaf mit Leichen bevorzuge. Außerdem ist das Wort „Leiche“ zu defi nieren. Es gibt da viele Arten.

Wird sich der Fokus noch wei-ter in Richtung der Symbiose von Technostilen mit dem Gotischen Segment entwickeln? Also aus DJ-Sicht ein klares Ja. Es gibt prozentual mehr Elektroveranstaltungen als klassische Gothicpartys. Ich will nicht sagen, dass das nun vorteilhaft ist, ob-wohl ich Elektro mache. Denn das Spektrum, welches ich höre, mache und gut fi nde, ist viel größer.

SIEGMAR OST

www.myspace.com/koerperschallrecords

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WHISPERS IN THE SHADOW

Okkulter Wiener CharmNachdem Whispers In The Shadow Ende letz-ten Jahres noch eine kleine Tour absolvierten, sind sie jetzt mit einem großen, okkulti-stischen Kracher wieder auf der Bildfl äche aufgetaucht. „Into the Arms Of Chaos“ heißt das neueste Studioalbum und verspricht Go-thic Rock, dass die Knochen im Körper wa-ckeln.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Produ-zentenlegende John A. Rivers und dem neuen Label?Echozone Records und wir haben uns über MySpace „kennengelernt“. Wir waren grade mal wieder auf Labelsuche und durch Zufall, oder Bestimmung, wer weiß, kamen wir in Kontakt. Die Zusammenar-beit läuft wirklich hervorragend. John Rivers kann-te ich noch von meiner Arbeit mit L’ame Immortelle, wir hatten über die Jahre den Kontakt gehalten. Ich wusste, dass die Zeit einmal reif dafür sein würde, dass wir zusammen ein Album machen. Es war die richtige Entscheidung, wie man wohl hören kann. Das Warten auf den richtigen Zeitpunkt hat sich also gelohnt.

Warum sollte das neue Album so klingen, wie es jetzt klingt? Es hebt sich ja sehr deutlich von der zurückliegenden Diskografi e ab. Es ist ein fast schon episch-klassisches gitarrenori-entiertes Gothic-Rock-Album geworden, und auch das härteste der Band bisher. Von Anfang an wollte ich ein klassisches Gothic-Rock-Album machen, aber mit einem modernen Sound, also ein Album, das auf der Höhe der Zeit ist und trotzdem durch und durch Goth Rock. Ich denke, das neue Werk hat einen sehr kompromisslosen zwingenden Sound, was auch mit dem okkult mystischen Konzept der Platte zu tun hat und ist sicher auch unsere stimmigste Scheibe.

Du hast dich für „Into The Arms Of Chaos“ viel mit Okkultismus und Spiritualität auseinan-dergesetzt. Wäre schön, da Näheres darüber zu erfahren. Was genau hat dich denn so da-ran fasziniert und bewegt?

Fast zeitgleich mit den Ar-beiten zum neuen Album hat auch mein Interesse am Okkultismus zugenommen und ich habe mich dann etwas eingehender mit die-

sem weitläufi gen und komplexen Thema auseinan-dergesetzt. Das Resultat ist die neue Platte. Beson-ders die Schriften von Austin Osman Spare haben einen großen Einfl uss auf die Lyrics des Albums ge-habt. Außerdem wollte ich mal andere Themen be-handeln als das übliche Lovesonggejammere, also

Frau geht, Mann weint, Frau kommt zurück, Mann geht etc. Das hatte man nun echt schon zur Genüge gehört von tausenden Bands. Jeder, der sich ernsthaft mit den Lyrics der Plat-te auseinander-setzten will, sollte sich nicht scheuen, mal etwas weiter in die Materie vor-zudringen.

Wird es denn auch wieder eine Tour zum Album geben?Es wird dieses Jahr noch ein paar aus-gewählte Livekon-zerte geben. War-schau und Wien wurden eben be-stätigt. Im Frühjahr planen wir dann eine richtige Tour, außerdem wird es uns 2009 auf dem einen oder ande-ren Festival deines Vertrauens zu se-hen geben.

Was steckt hin-ter der Bonus-DVD der Special Edition?

Nun, wir wollten den Leuten etwas mehr bieten als nur eine CD, so entstand die Idee, eine Bonus DVD beizulegen, diese beinhaltet ein Livekonzert (mit alten und neuen Songs) sowie eine 35minütige „Rockumentary“ über das Album mit Interviews, Liveclips und mehr. Die Special Edition wird aller-dings nur bei ausgesuchten Mailordern zu haben sein und natürlich auch über unsere Homepage.

TYVES OBEN

www.noizeart.de www.myspace.com/whispersintheshadow VÖ „Into The Arms Of Chaos“: 24.10.08

Foto

: Pat

rizia

Wie

sner

„Auch mein Interesse am

Okkultismus hat zugenommen.“

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Gloom Rock Bastards in Hell

Keine Angst. Jack Frost hat nichts mit dem gleichnamigen, klebrigen Hollywoodstreifen zu tun. Der Bandname der Österreicher ist von einem Saint Vitus Song inspiriert und gibt auch schon das ungefähre Genre des Quartetts vor. Seit ihrer Gründung 1993 in Linz gelang es der Band, sich über sechs Alben eine weltweite, treue Anhängerschaft zu erspielen. Zudem wird ihr Stil seit ihrem 2000er Album „Gloom Rock Asylum“ als Gloom Rock bezeichnet. Im Gegensatz zu Landsleuten wie Pungent Stench hat es Jack Frost nie ins große Rampenlicht ver-schlagen. Doch das könnte sich nun mit „My Own Private Hell“ ändern. Denn die Mischung aus Doom (in feinster Cathedral-Manier) und Gothic Rock, die Nähe zu Bands wie Danzig und Fields of the Nephilim, und nicht zuletzt das melancholische Johnny-Cash-Timbre von Sänger Phred Phinster wissen durchaus zu überzeugen. Gitarrist Mournful Morales er-klärte uns seine Hölle.

„My Own Private Hell“ steht seit Ende August in den Regalen. Wie waren die ersten Fan-Re-aktionen? Soweit wir das überblicken, kommt die Scheibe sehr gut an. Man weiß natürlich nie, ob Reaktionen von Fans per Mail und das Feedback aus unserem un-mittelbaren Umfeld in Österreich repräsentativ sein können, aber wir haben das Gefühl, dass es uns mit dieser Platte gelungen ist, das einzufangen, was Jack Frost ausmacht. Und das ist unserer Meinung nach, ein doch unverwechselbarer Mix aus einer Vielzahl von Einfl üssen, der über die Jahre zu un-serer Identität geworden ist, ohne dass man jetzt eine eindeutige Genrezuordnung treffen könnte. Ich bin auch geschmeichelt von den meisten Pres-sereaktionen bis jetzt. Wenn da die Rede von einem Spektrum über Danzig, Johnny Cash, Alice In Chains bis hin zu Social Distortion ist, dann trifft das unse-re persönlichen Vorlieben bei weitem mehr als die Reduktion auf die Etikette Gothic Rock oder Doom Metal. Kurzum: ich bin sehr zufrieden, eine Menge

Leute scheinen verstanden zu haben, welcher Wind bei uns weht. Das ist uns in den letzten 15 Jahren nicht immer so gegangen.

„Das Dilemma des Gefangenseins in einer Zwi-schenwelt“ – Beschreibt doch bitte mal eure eigene Hölle! Meine „private Hölle“ hat ganz viel mit dem Pen-deln zwischen extremen Lebensweisen zu tun und dem, was dabei an Beziehungen, Plänen, Zielen und Stabilität auf der Strecke bleibt. Gerade als Band in unserer bescheidenen Größenordnung ist der Rock’n’Roll immer eine Entscheidung gegen das „normale“ Leben, gegen Beständigkeit, eine ge-wisse Ordnung und ein Hang zur Selbstzerstörung und dem Verfall, wenn man so will. Da wir nicht von der Musik leben können, müssen wir den üblichen

gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ja in ge-wisser Weise entgegenkommen, was bei unserem Lebenswandel nicht immer einfach ist. Und dann gibt’s da immer noch den Teil in mir, der sich fragt, ob der Lebensentwurf, den ich gewählt habe, denn der richtige ist, und ob ich heute nicht mit einer Fa-milie und einem angepassten Scheißjob glücklicher wäre. Was bleibt, ist das Gefühl, dass wir in Wirklich-keit keine Wahl haben und das durchziehen müssen, bei all der Zerrissenheit, die damit verbunden ist.

Eure Musik ist weitestgehend traurig, schwer-mütig und zumindest immer melancholisch. Was ist eure Antriebsfeder? Dient das Kom-ponieren auch zur Verarbeitung des eigenen Leides? Dazu muss ich erstmal den Begriff des Leides re-

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„Fakt ist aber, dass ich Musik immer schon

am intensivsten erlebt habe, wenn sie die Seele berührt

und in der Brust sticht.“

lativieren: Man darf sich das ja nicht so vorstellen, dass wir mit feuchten Augen in schwarzes Linnen gehüllt uns Zuhause im Rotweindusel selbst leidtun. Als Hedonisten, die wir zweifelsohne sind, lassen wir keine Gelegenheit aus, uns das Leben so angenehm wie möglich zu machen. Und klar, da hilft es, wenn man die düsteren Seiten des Daseins in konstruktive Energie kanalisieren kann und Songs schreiben, die all das einfangen, worüber wir niemals am Wirts-haustisch reden würden. Ich hab mir da nie Gedan-ken darüber gemacht, warum unsere Musik traurig ist. Fakt ist aber, dass ich Musik immer schon am intensivsten erlebt habe, wenn sie die Seele berührt und in der Brust sticht. Ich könnte selbst nie aggressives Gebolze kom-ponieren, dazu fehlt mir jeder per-sönliche Bezug.

Wie fühlt ihr euch bei Silverdust Zuhause? Wie lange habt ihr für die Produktion gebraucht? Wir können nicht klagen. Silverdust ist ja ein sehr überschaubares Label, kann man sagen, und dass wir da mit End Of Green und Psychopunch die einzigen Bands mit aktuellen Releases sind, kommt uns sehr ent-gegen. Der Kontakt mit Silverdust ist über die längere Bekanntschaft mit Michael Trengert zustande gekommen, der uns rein aus persönlicher Liebe zu unserer Musik unter Vertrag genommen hat, mit nur sekundärem geschäftlichem Interesse. Wir hatten nach dem ersten Gespräch über eine mögliche Zusammenarbeit mit Silverdust, das war im Januar, begonnen, die Songs für das Album zu schreiben und das Studio für Mai gebucht, mit dem Ziel, die Aufnahmen bis Ende Juni abzuschließen. Es kam dann aber so, dass wir im Mai den Vertrag un-terschrieben und die Firma meinte, das Album sollte auf jeden Fall zeitgleich mit der neuen End Of Green erscheinen. Dann bekamen wir also richtig Stress, weil wir alles wesentlich lockerer geplant hatten und die Deadline von Silverdust für uns zwei Wochen zu früh kam. Alles in allem haben wir die Scheibe in sechs Wochen fertiggestellt.

Eure Einfl üsse kommen aus der Dark Rock/Doom/Glam Rock-Richtung. Wer sind eure Go-thic/Wave-Helden? Für mich war die frühe Gothic/Wave Zeit die erste große Leidenschaft, als ich Musik für mich zu ent-decken begann. Alles fi ng mit den ersten The Cure Alben an. Ich bin dann sehr schnell Joy Division, wie

übrigens keiner anderen Band bis zum heutigen Tag, verfallen. Wenn man von Helden spricht, muss ich auch Bauhaus nennen, vor allem Daniel Ash ist für mich stilistisch ein Ausnahmegitarrist. Und schließ-lich ist da noch die ganze Palette von den Swans, And also the Trees, Crime & the City Solution, Dead Can Dance, Fields of the Nephilim bis hin zu The Cult und den Sisters natürlich. Um nur einige zu nennen, die im weitesten Sinn für mich mit Gothic und Wave zu tun haben.

Wie kamt ihr auf die Idee, „Leaving On A Jet Plane“ von John Denver zu covern?

Ich weiß nicht mehr, wie das genau zugegangen ist. Wir hatten ja schon früher immer wieder gerne Songs aus den 60ern gecovert, möglicher-weise weil das die Musik unserer El-tern ist, die wir sozusagen schon mit der Muttermilch aufgesogen hatten. Wir haben eine Vorliebe für Songs aus dieser Zeit, die vom Charakter und den Lyrics her traurig sind, aber damals für unseren Geschmack viel zu oberfl ächlich instrumentiert wur-den. Wir mögen es, solchen Songs ein völlig neues Gewand zu verpas-sen und auch die Düsterkeit, die sie

verdienen. Im Fall von „Leaving on a Jet Plane“ kommt noch dazu, dass uns die schicksalhafte Ironie anspricht, dass das Thema des ersten John Denver Hits (wenngleich auch von Peter, Paul & Mary inter-pretiert) Jahrzehnte später zu seiner Todesursache wird.

Auch die Ballade „Red Roses Day“ ist von der relativ unbekannten Band The Priests. Welche Beziehung habt ihr zu ihnen? Erstmal muss ich erwähnen, dass „Red Roses Day“ im Original gar keine Ballade ist, die haben wir erst daraus gemacht. The Priests waren in den 80ern eine lokale Größe, zu denen wir allein deshalb schon ei-nen starken Bezug haben, weil einige von uns eben-falls seit den frühen 80ern Musik machen. The Priests bzw. deren Musiker gehörten mit zu einer Handvoll Bands, die beginnend Ende der 70er Jahre eine ex-trem fruchtbare und in Österreich unvergleichbare alternative Musikszene in Linz begründet haben. Das wollten wir entsprechend huldigen. Deren Sän-ger wird dieser Tage übrigens bei unserer Geburts-tags- und Releaseparty auf der Bühne stehen und mit uns ein paar Priests-Songs zum Besten geben, worauf ich mich ungemein freue.

Ihr kollaboriert z.B. mit Bands, wie euren La-belkollegen End Of Green. Mit wem würdet ihr, wenn es nach euch ginge, gerne noch mal zusammenarbeiten? Ganz oben auf der Liste stehen Pungent Stench, die sich leider ein paar Tage vor einem geplanten ge-meinsamen Fest in Linz aufgelöst hatten. Es wäre deren erstes Konzert in Linz gewesen, sie hatten es in all den Jahren seltsamerweise nie in unsere Stadt geschafft. Aber so wie es aussieht, wird das auch nichts mehr werden. Es ist auch gut möglich, dass wir mit End Of Green mal ausführlicher zusammen-arbeiten, da möchte ich aber jetzt noch gar nicht viel dazu sagen.

Wann kann man euch live erleben?Wir spielen am 2. Oktober nochmal mit End Of Green im LKA in Stuttgart, sonst sind einstweilen keine Termine fi xiert.

Wie sieht die optimale nahe Zukunft von Jack Frost aus? Das Wort „optimal“ existiert im Wortschatz von Jack Frost nicht. Wir nehmen die Dinge so wie sie kommen und haben keine großen Erwartungen an mögliche unerwartete Erfolge. Der Plan ist nur, dass wir noch dieses Jahr eine Split-Live CD mit unseren Linzer Freunden und Schweinerockern von Porn To Hula rausbringen und dazu wiederum eine schöne Party in Linz veranstalten. Und alles was mit einer rauschenden Party verbunden ist, ist für mich auch schon optimal.

POLONI MELNIKOV

www.jackfrost.at

VÖ „My Own Private Hell“: 22.08.08

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„Das Miteinander zwischen Band und

Publikum liegt uns am Herzen, deshalb haben

wir auf das infernalische Aufblasen unseres Sounds verzichtet.“

Danket dem Herren für den wahren Met!

Letztes Jahr waren sie noch die Vorgruppe für Saltatio Mortis – aber das kann sich bald än-dern. Feuerschwanz zeigen auf ihrem neuen Live-Album „Drachentanz“, dass sie das Publi-kum mehr als nur unterhalten können. Man kann sich anhand des Live-Albums richtig gut hineinversetzen in ihre Sicht des Mittelalters – neben einem steht dabei ein Horn voll Met und vor dem geistigen Auge kämpfen wackere Helden mit feuerspuckenden Drachen – oder solchen, die es noch werden wollen. Aufge-nommen wurde das Album im E-Werk in Er-langen, der Heimat der siebenköpfi gen Spiel-mannstruppe, die vom rockigen Sound bis hin zum Tavernenklang alles aufzeigt. Zeit also, sich mit den Spielleuten etwas zu unterhalten.

Ihr seid wirklich ein fröhlicher Haufen, wie man so hören kann. Wie seid ihr so im rich-tigen Leben? Wichtig bei Feuerschwanz ist, dass es keine innere Trennlinie zwischen der Bühnenrolle und den Privat-personen gibt. Natürlich ist das nicht 1:1 zu sehen, doch die Rollen bei Feuerschwanz werden authen-tisch mit Leben gefüllt.

Nach euren beiden Alben „Prima Nocte“ und „Met und Miezen“ jetzt also das Live-Album „Drachentanz“. Wann ist ein neues Stu-dioalbum geplant?Bei „Drachentanz Live“ haben wir uns um möglichst große Lebendigkeit bemüht, ohne dabei den musika-lischen Fluss des Albums zu sehr zu stören. Während bei Live Alben anderer Formationen streng zwischen rockigen Klängen und dem Unplugged-Sound der Märkte und Tavernen unterschieden wird, herrscht bei Feuerschwanz die Devise: Abwechslung macht Freude. Das Miteinander zwischen Band und Publi-kum liegt uns am Herzen, deshalb haben wir auf das infernalische Aufblasen un-seres Sounds verzichtet und so die spielerische Dynamik und die Zuschauerreakti-onen im Klangbild bewahrt. 15 Songs und zwei lustige Specials haben den Weg aufs Album gefunden. Kurze Zeit dachten wir auch darü-ber nach, eine Doppel Live CD herauszubringen, wir wollten das Album aber letztlich für den Fan lieber gewohnt erschwinglich halten. Das nächste Studioalbum ist für November 2009 geplant. Wir alle arbeiten schon auf vollen Tou-ren daran und sind sehr gespannt auf das Ergebnis.

VÖ „Drachentanz”: 10.10.08

Gibt es eine besondere Ge-schichte, die sich in eurer Musikerzeit zugetragen hat? Etwas extrem Witziges oder extrem Kurioses aus dem Bandalltag?Eine lustige Anekdote ereignete sich auf der „Aus der Asche“-Tour mit Saltatio Mortis nach dem Konzert in der Supfblume

zu Hameln. Während die Kutsche der Gruppe Feuer-schwanz mit einem Motorschaden stundenlang auf die ersehnte Abschleppung der Gelben Engel war-tete und in heiterer Depression den mitgebrachten Kasten fränkischen Bieres leerte, hatte sich unsere Johanna schlauerweise von Lasterbalk zu einem Trinkduell in die Saltatischen Gemächer herausfor-dern lassen. Während also wir in der Kälte darbten, entschied unsere holde Minnegeigerin überraschen-derweise dieses Duell eindeutig für sich. Am näch-sten Morgen waren dann alle aus unterschiedlichen Gründen leichenblass im Gesicht.

Was kann man von euch in Zukunft noch er-warten?Ein großer Traum von uns ist eine Live DVD mit vie-len bunten, bewegten Bildern. Das konnten wir zu unserem Album „Drachentanz“ leider noch nicht stemmen, doch sind wir schon ganz heiß darauf, un-sere feurige Live-Atmosphäre auf diesem Wege mit den Fans zu teilen.

DANIEL FRIEDRICH

www.feuerschwanz.de

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Detonation in UKWer sich an hartem Electro erfreuen kann, wird sich die Finger nach dieser Scheibe le-cken. Die englische Formation um den DJ Ge-off Lee präsentiert ihr Debütalbum. Nachdem sie mit ihrer EP „Skullfuck“ in die Electroszene eintauchten, wurde ein gewisser Ronan Harris auf die Formation aufmerksam und engagierte die Truppe vom Fleck weg als Vorband für die „Judgement Europa-Tour“. Im Anschluss folgte ein weiteres Highlight: Eine Amerika-Tour mit Combichrist mit über 50 Gigs. Damit war die Bombe programmiert, die nun zur Detonation kommt.

Wie lange hat die Ar-beit für das Album ge-dauert? Geoff Lee: Das ist schwer zu beantworten, da Mo-dulate seit ca. 2001-2002 existiert und das Stück „Raising Lucifer“ noch aus dieser Zeit stammt. Ich habe da alte Aufnahmen ausgegraben und habe sie für das Album überarbeitet, Stimmen hinzugefügt

etc. Lange Rede, kurzer Sinn, das meiste des Albums wurde von März 07 bis März 08 geschrieben mit einer ca. dreimonatigen großen Lücke während der Tour.

Wie ist der Kontakt zu Ronan? Unterstützt er dich bei der Arbeit bzw. ist er so eine Art Mentor?Ich würde nicht sagen, dass er ein Mentor ist, aber er gab mir natürlich jede Menge fantastischer Rat-schläge. Ich schrieb und produzierte das Album selbst in meinem Studio und Kolja Trelle (Soman)

überarbeitete noch ein paar Tracks vor dem Mastering in seinem Koltron Studio in Dres-den. Außerdem hatte ich noch Liz Green von Swarf da, um mir die Version für „No Good“ für das Album einzusingen. Also nein, Ronan war bei der Albumentstehung nicht involviert.

Das Album spielt ja schon mit dem The-ma Krieg. Was wollt ihr den Hörern da-

mit vermitteln? Ich würde nicht sagen, dass Krieg das Hauptthema war bei so viel Extremen des menschlichen Verhal-tens. Um William Blake zu zitieren: „Die Straße der Exzesse führt zum Tempel der Weisheit.“ Ich denke

nicht, dass du wirklich weißt, wo deine Grenzen sind, bis du sie überschritten hast, dann kannst du sagen: „Ok, das war zu viel, hier sind meine Grenzen“. Di-ese Extreme des menschlichen Verhaltens sind mein Hauptinteresse, sei es Krieg, Revolution, Exzess, Sex, Gewalt, Perversion, in welcher Form sie auch statt-fi ndet. Ein Erforschen der Extreme der menschlichen Psyche. Warum gehen wir in den Krieg? Warum ha-ben wir dieses animalische Verhalten, was treibt Menschen in den Tod? Warum genießen Menschen den Sex, während sie andere missbrauchen? Warum gibt es Menschen mit Fetischen? Warum ändern Menschen ihre natürliche Form durch Body Art oder Body Modifi kationen? Warum nehmen Menschen Drogen, um komplett die Perspektive der Realität zu verändern? Genau das sind die Sparten, die mich interessieren, die Menschen und ihr menschliches Verhalten in den Extremen unserer Gesellschaft. Die Menschheit und ihr Verhalten sind eine sehr faszinierende Sache. Deshalb kann man sagen, dass Modulate sehr einer Refl exion in meinem Kopf ent-spricht. Da sind gewisse Launen, Gefühle und Emo-tionen, die ich erforsche und in meine Musik packe.

Wird es eine Tour geben? In Deutschland?Das hoffe ich. Wir versuchen gerade einen Booker für Europa zu engagieren, denn ohne den ist es sehr schwierig, eine Tour auf die Beine zu stellen, wenn du nicht als Support für einen Großen gebucht wirst, wie es in der Vergangenheit der Fall war. Aber wir würden uns freuen, wieder in Deutschland zu spielen.

HEIKO NOLTING

www.modulateonline.com

VÖ „Detonation“: 23.09.08

„Extreme des menschlichen

Verhaltens sind mein

Hauptinteresse.“

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Emanzipierte Romantiker

Es gibt Bandnamen, die assoziieren unmit-telbar Tolkiens Welten, Fantasy-Rollenspiele und all jene, mittlerweile oft abgeschmackten Spielarten einer Gegenwelt, die auf den zwei-ten Blick oberfl ächlicher erscheint als die Reali-tät. Aber weit bevor die erfolgreichste Trilogie aller Zeiten den Mainstream im Sturm ero-

berte, gab es auch schon eine geistige

Leinwand für all jene Träume, die uns aus der Gegenwart in eine scheinbar

Äonen entfernte Vergangenheit voller Mythen und Märchen führen konnte. Sicher bleibt Fan-tasy immer eine der naivsten Formen der Uto-pie – doch sollte man auch der Fantasie einen Platz für Romantik und Kontemplation einräu-men. Mag „The Scythe” das erfolgreichste und härteste Album der fünf italienischen Musiker

bisher sein, mögen die heldischen Mythen und Todesahnungen noch so episch wirken – Wirklichen Mut und musikalischen Tiefgang beweisen die sonst so beinharten Metaller auf „Two Tragic Poets” und werden dem Anspruch auf ein reifes und tiefschürfendes Werk in akustischer Archaik wahrlich gerecht.

Folk scheint einer eurer maßgeblichen Einfl üs-se zu sein. Wie seid ihr zum Folk gekommen?Damna: Seit unserer Kindheit hören wir alle Folk und akustische Musik neben dem traditionellen Metal. Ein großer Einfl uss waren auch immer wie-der neue Skyclad-Alben. Diese Mischung aus Thrash Metal und Folk hatte uns dann die Augen geöffnet. Schnell hatten wir dann eine Geige im Lineup. Na-türlich war uns aber immer ein ureigener Sound extrem wichtig.

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Warum jetzt aber ein reines Folk-Album?Nunja, zuerst einmal muss man natürlich sagen, dass es zwar ein akustisches aber kein 100%ig reines Fol-kalbum geworden ist. Das würde auch nicht zu unserer Sichtweise passen. Die melodiöse Seite war uns sehr wichtig und natürlich das ruhige Element. Es gibt Songs mit dem von dir zitierten Folkfeeling, aber auch romantische Gothic-songs und akustische Rocksongs. Uns war klar, dass, wenn wir ein ruhiges Album aufnehmen wür-den, sämtliche musikalisch akustische Facetten ab-gedeckt werden sollten. Und Folk bedeutet für uns hier nicht das typische Heilewelt- und Partymusikge-fühl, sondern ist der Schlüssel zu einer Musikmagie. Ich bin begeistert, dass es auch heute noch viele

junge Menschen gibt, die ruhige, akustische Musik bevorzugen.

Seit Anbeginn steht euer Name für eine Fan-tasiewelt, Rollenspiele und für die Nähe zu Tolkiens Welten. Bewegt ihr euch auch noch selbst in dieser sehr aktiven Szene?Als wir noch Kids waren, klar. Aber das ist leider schon lange her und war bereits vor der Band-geschichte. Damals waren diese Themen unsere Hauptinspiration, mittlerweile jedoch eher hin-tergründiger Art. Man kann sich auch nicht nur in einem Feld aufhalten. Auch wenn wir noch immer viele Metaphern aus diesem Bereich benutzen, geht es heute öfter um persönliche Dinge. Unsere Poesie ist realer geworden.

„The Scythe” war ein riesiger Erfolg. Denke ihr nicht, ein paar eurer Hörer erwarteten wieder ein Remake?Das Einzige, was uns besorgen könnte, wäre, wenn unsere Fans glauben würden, wir hätten all dieses Schaffen aus der Scythe-Periode abgelegt. Dem ist nicht so. Das neue Album ist ein Experiment und wir werden nächstes Jahr bestimmt ein neues Album im ursprünglichen Stil präsentieren. Dieser Ruhepol war uns aber wichtig, um Kraft zu schöpfen und neue Dinge auszuprobieren. Daher wird das nächste Al-bum dann bestimmt wieder sehr viel härter.

Im Vergleich zum letzten Album ist das neue Werk aber auch inhaltlich positiver. Liegt das vielleicht auch an einer Altersmilde?„The Scythe” hatte als zentrales Thema den Tod. Da ist es natürlich keine Frage, dass das aktuelle Album weit positiver ist, auch wenn einige der Texte wie z.B. „She Lives at Dawn” oder „The Blackest of My Hearts” zu den bisher persönlichsten Werken zählen.

Was verbindet euch mit „Two Tragedy Poets“? Zwei Seelen in einer Brust?Die Texte der verschiedenen Songs haben wenig mitei-nander gemein und es gibt kein übergeordnetes Konzept, außer dem Dualismus, den wir auch gerne mit der Musik

selbst verkörpern. Auch nach all den Jahren ist El-venking kein statisches Bandprojekt, wir entwickeln uns stetig. Gleichbleibend sind immer diese beiden Pole: Das romantische Element und die harte Seite. Vielleicht kann man diese zwei Seiten auch in den

eher ironischen Songs im Gegensatz zu einigen sehr düsteren Themen entdecken. Der Untertitel “...and a caravan of weird fi gures” bezieht sich auf all jene in-toleranten Zeitgeister, denen entweder unser neues Album zu soft oder unsere anderen Alben zu hart sind.

Wie würdest du nach diesen zehn Jahren in der Musikszene Resümee eurer bisherigen Karriere ziehen?Wirklich großartig fi nde ich den Umstand, dass sich unsere Band nach wie vor im Wachstum befi ndet. Von Album zu Album gibt es neue Schritte nach vorn. Als wir am Anfang diese fünf unbedarften Freunde waren, hätten wir nie damit gerechnet, einen Deal bei AFN abzuschließen, oder aber auch auf ausge-dehnten Tourneen durch die Welt zu reisen.

Für all jene, die Elvenking noch nicht kennen. Was steckt hinter dem Namen und euren ob-skuren Alter Egos?Natürlich stammt der Name aus unseren Anfangs-tagen und wird vielleicht nicht immer dem gerecht, was wir heute musikalisch machen, speziell wenn manche Menschen Elvenking mit Fantasy oder gar albernem Powermetal gleichsetzen. Trotzdem, glau-be ich, wird uns der Name von einer höheren War-te aus gerecht. Ich meine damit nicht die Welt der Elfen, Orks und Zauberer, sondern jene magischen Orte, zu denen uns Musik reisen lassen kann, wenn wir uns nur darauf einlassen.

SIEGMAR OST

www.elvenking.net www.myspace.com/elvenking

VÖ „Two Tragic Poets”: 14.11.08

„Ich bin begeistert, dass es auch heute noch viele junge

Menschen gibt, die ruhige, akustische

Musik bevorzugen.”

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Gothic-Family.Net, die Internet-Community für Gothic & Mittel-alter interessierte Eltern, gibt es nunmehr schon über fünf Jahre und hat sich in der Zeit ganz schön gemausert! Neben dem stark frequentierten El-tern-Forum entwickelte sich im of-fenen Bereich der Seiten ein beliebtes Online-Szene-Magazin mit u.a. „Band des Monats“.

Anlässlich fünf Jahre GFN fand am Pfi ngstsonntag 2008 in Kooperation mit dem Eventschloss PULP Duisburg das 1. Gothic-Family-Festival statt, mit u.a. Gothminister als Headliner. Klar mussten die Künstler dort ihre Kindertauglichkeit zeigen, wurden

Gothic-Family.NetMehr als nur eine Eltern-Community.

kurzerhand am Nachmittag in diverse Aktionen eingebunden! Ein 2. GFF für 2009 ist in Vorbereitung. Die eben-falls von GFN organisierten beliebten Gothic & Mittelalter Szenemärkte (Flohmarktcharakter) im PULP Duis-burg sind bereits feste Einrichtungen, ziehen bis zu 1.000 Besucher (neue Termine 11.10. + 13.12.08).

Der nächste Clou wird vom NEGAtief präsentiert: In der Werk°Stadt Witten (bei Dortmund) fi ndet am 08.11.2008 das große Vampir-Event HERZBLUT in Kooperation mit der bekannten Fantasy-Autorin Carola Kickers (MCK-Verlag) und zahl-reichen Highlights statt. Die Romanfi gur „Vampir Jason Dawn“ wird ge-castet, seiner Verkörpe-rung winkt ein Platten-vertrag! Eine „vampireske“ Mo-denshow in Kooperation mit der Näh-Community

„Natron & Soda“ ist in Vorbereitung. Sogar eine Blutspendeaktion in Koo-peration mit dem DRK ist in Planung und wird sicher für viel Furore sorgen.

SUSANNE MÜLLER

www.gothic-family.netwww.gothic-family-festival.de

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Coldwave Astronauten Feindliche Übernahme, oder Firmenmerging – wie sich Firmen zu Konzernen vereinen, kennt man aus den täglichen Nachrichten. Umso erstaunlicher, dass dieses Modell jetzt auch unter Bands greift. So geschehen bei der Cold Wave Formation Atomic Neon, welche seit dem Erscheinen ihrer ersten EP gehörig an Bekanntheit zugelegt hat. Kein Wunder: Die Stimme des Sängers erinnert an die bes-seren Tage der englischen Wave-Ikone Robert Smith. Musikalisch hat man jedoch noch ei-niges mehr auf dem Kasten. Der gewichtige Frontmann Rio Black gewährt Einblick in die bewegte Bandgeschichte.

Rio Black: Es gab keine Übernahme, und es sind sogar drei Bands aus denen wir kommen, die Bands Spunk2003, Leihhaus und Schockromantik liegen uns immer noch am Herzen, auch wenn es was komplett anderes ist, die Synthie-Pop-Band Spunk2003 war ein Zweimann-Projekt von Dr. Mole und mir und liegt nur etwas auf Eis, aus Zeitgrün-den. Die Rotzrock-Band Leihhaus, in der Patrick und ich spielen und singen, probt immer noch und spielt genauso wie die Punkband Schockromantik, aus der Niels und Ulf zu uns kamen, ihre kleinen Gigs weiter, solange die Zeit dafür noch da ist.

Wofür steht euer Name Atomic Neon? Man vermutet ja zuerst einmal eine Elektroband?OK, die Story dazu ist folgende: Wir waren die Crew eines Raumschiffes, sagen wir mal die „Spunk2003“, wurden losgeschickt um das Ele-ment „atomicseriliatal neonoximentaldihydrat“, kurz „atomic neon“ wieder zu fi nden, welches uns gestohlen wurde und strandeten nach einem Crash

auf der Erde und so weiter. Wie es dazu kam: Da-mals suchten wir einen Namen, er sollte was Sci-Fi sein und nicht zu hart klingen, Dr. Mole meinte irgendwas mit Neon, ich hatte das Atom im Kopf, fertig, da war der Name klar. Dass es nach Elek-tro klingt, war mir nie bewusst, ist aber auch nicht schlimm, wenn man an Bands wie Tocotronic denkt (lacht).

War die gemeinsame Liebe der Punk und Syn-th-Fraktion die englische Kultband The Cure?Dr. Mole und ich sind wohl mit Maurice die ein-zigen, die ein wenig mehr auf Cure stehen. Dass unser Sound manchmal an Cure erinnert, war sicher keine Absicht und ist so passiert. Eine gemeinsame Liebe gab es da nicht, die Hälfte der Band kannte nur „Friday I‘m In Love“ vorher und vielleicht den „Lovesong“, für mich war Cure aber schon immer eine der wichtigsten Bands. Welche sonstigen Einfl üsse würdet ihr für euch geltend machen?Bands wie Joy Division, Shock Therapy, The Chame-lions und auch David Bowie haben großen Einfl uss auf die Band, oder auch deutsche Bands, wie Fehl-

farben und Die Art. Patrick steht auf Alternative-Musik, wie Editors, Muse oder Turbostaat und To-cotronic, Niels liebt Punk und Metal, vor allem die Broilers und Ulf ist Lagwagon-Fan und steht auch auf Bands wie Butterfl y Coma oder Caliban.

Wie lange habt ihr jetzt an eurem Album ge-arbeitet? Gibt es auch noch Tracks aus der „Life on Earth“-Phase?Wir haben etwa ein halbes Jahr am Album gearbei-tet, das ging relativ fi x, weil wir wahnsinnigen Spaß dran hatten. Alle Songs von der „Life On Earth“-EP sind überarbeitet oder neu aufgenommen auf dem Album, „The World“ war auf der EP nur als Homedemo-Bonus mit drauf und wurde komplett neu eingespielt, alle anderen Lieder wurden eben bearbeitet, mit neuen Solos versehen, neuen Key-board Parts, oder es wurde nur neu eingesungen. Sechs von den 13 Liedern sind aber komplett neu auf dem „Darkenia“-Album, wobei das „Our Love“ am Ende des Albums wohl auch als Bonus zu ver-stehen ist, weil es mit seinem rockigen Sound nicht wirklich in die Gesamtstimmung des Albums passt.

SIEGMAR OST

www.atomic-neon.de

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Wer sich hinter diesem Projekt verbirgt, weiß der kundige Szene-Hörer nicht seit dem Erst-lingswerk „Home“. Kein Geringerer als Master-mind Peter Spilles verwirklicht sich mit Imatem auf ein Neues und nimmt uns diesmal mit auf eine elektronisch getragene Reise. Der neue Silberling „Journey“ überzeugt und setzt das begonnene Konzept, nämlich die Kooperation mit begnadeten Gast-Musikern aus der Sze-ne, fort. Diesmal konnte er zum wiederholten Male aus dem Vollen schöpfen und fi ndet mit Ronan Harris, Sven Friedrich und Sara Noxx Veteranen der schwarzen Musik und konge-niale Partner am Mikrofon. Die Symbiose aus zehn, sich nahtlos aneinanderreihenden Songs macht diese Reise so wertvoll. Der Wunsch auf Urlaub wird laut und wie das Cover andeutet, sind die Koffer bereits gepackt. Nur wohin geht die Reise?

Du bist ein viel beschäftigter Künstler. Wie kommt es, dass du neben PPF dich noch in so vielen Side-Projekten verwirklichst. Passen dei-ne Ideen nicht in das Konzept von PPF? By the

way, wann können wir denn von dieser Seite auf etwas Neues freuen?Peter Spilles: Ich habe mir zwei Projekte erschaffen (Imatem und Santa Hates You), um meine Kreativität in Kanäle zu lenken, die es mir erlauben, diejenigen Aspekte der elektronischen Musik auszuleben, die bei PPF nicht genügend Beachtung fi nden würden. Zum einen wäre das der Synth-Pop Aspekt, der mit harmonischen und tiefen Melodien bei Imatem zum Tragen kommt. Und dann ist da noch der harte und Rhythmus-orientiere „Lautstoff“, den ich jetzt mit Santa Hates You ausleben kann. Dieses Konzept schafft mir Freiraum und Klarheit darüber, wo ich mit Project Pitchfork musikalisch anlanden möchte. In der bereits abgeschlossenen Kompositionsphase für das neue PPF Album, haben mir diese beiden Pro-jekte Hindernisse aus dem Weg geräumt, die mir nun eine neue Richtung in den Project Pitchfork Songs ermöglichen. Die Texte, die ich gerade für das neue Album schreibe, besitzen eine Ironie-getränkte Dü-sternis, die durch die Musik verstärkt wird und mich an „alte Zeiten“ erinnert. Das neue Project Pitchfork Album wird Anfang 2009 erscheinen.

Nach der Premiere von „Home“ im letzten Jahr gehst du mit „Journey“ eine Stufe weiter. Im Netz geistern ja schon diverse Interpretati-onen für den Bandnamen: Imatem, was soll uns dieses Wort sagen? Und was bedeutet es für dich?„Im Atem“ sind zwei Wörter, deren Klang mich fas-ziniert. Verschmolzen zu einem Wort, verschwimmt die Bedeutung und der Aspekt des reinen Klanges tritt für jeden derart in den Vordergrund, wie es von mir beabsichtigt war. Im Grunde ist es einfach ein Bandname, der die Lebendigkeit dieses Projektes hervorhebt.

Wenn ich es richtig verstanden habe, ist das Grundkonzept dieses Projektes die Kooperati-on mit deinen erlesenen Gast-Sängern. Ist das richtig?Damit triffst du den Nagel auf den Kopf. Imatem ist vordergründig als reines Studioprojekt konzipiert

und die Kooperation mit verschiedenen Sänger/In-nen aus der dunklen Kultur Szene war mir wichtig, um einen verbindenden Pol zu erschaffen, der die Vielseitigkeit dieser Szene vereint.

Szenegrößen wie Ronan Harris oder Sven Fried-rich als musikalische Partner – das verspricht eine geballte Ladung Hitpotenzial. Trifft man sich da zum monatlichen Promi-Kaffeekranz? Wie muss man sich da die Kontaktaufnahme vorstellen?Die Kontaktaufnahme verlief so unterschiedlich, wie auch die jeweiligen Charaktere sind. Sie haben jedoch alle eines gemeinsam und das ist, dass sie trotz ihres jeweiligen Erfolges Menschen geblieben sind, die für die Musik leben. So genügte eine Frage meinerseits, z. B. nach einem Konzert, in einem Club, oder ich habe einfach angerufen und nachgefragt.

IMATEMReise in die Heimat

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„Dieses Konzept schafft mir

Freiraum und Klarheit darüber,

wo ich mit Project Pitchfork

musikalisch anlanden möchte.“

Und wenn der Kontakt dann steht, kommen die Herrschaften dann zu dir ins Studio oder ist es dann eher Austauschen der Aufnahmen?Es ist einfacher und schneller, wenn jeder Sänger und Sängerin den Gesang in vertrauter Umgebung einsingt. Deswegen ist die Arbeitsweise mit dem Austausch von Daten für Imatem die beste und effi zienteste.

Stell doch mal bitte den Le-sern dein „Reise-Team“ vor. Ich muss sagen, dass auch mir einzelne Namen jetzt nicht di-rekt was sagen. Da hätten wir Sara Noxx (Sara Noxx, Essexx), die mir persönlich bereits seit 1998 bekannt ist. Jinxy von meinem anderem Projekt (San-

ta Hates You), die durch ihre rauchige Stimme verzückt. Nick (Legacy of Music) ist mir bei einem Konzert seiner Band in der Hamburger Markthalle durch seine Live-Stimme aufgefallen. Jan (Revolution) hat bei mir mit der Band Lost Area und seiner Band Revolution einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Jay Smith (Deviant

UK) klingt ein wenig wie der Sohn von Gary Numan und belebt mit seiner Band zurzeit die englische Gothicszene neu. Stefan Großmann (Absurd Minds) sollte fast jedem be-kannt sein. Stefan und mich reizte unter anderem der Gedanke, an die verdutzten Gesichter einiger Pres-seleute. Sven Friedrich (Zeraphine, Solar Fake) brauche ich wohl nicht vorzustellen. Ich habe ihn beim Gothic Aid Festival in Hamburg auf Imatem angesprochen und er hat

spontan zugesagt. Ronan Harris (VNV Nation) dürfte auch jedem bekannt sein. Ich bin sehr dankbar, dass er trotz seines vollen Terminkalenders dieser Zusammen-arbeit zugestimmt hat. Der Song „Haven“ ist dank ihm zu einem genialen Ohrwurm geworden.

Wie war die Zusammenarbeit mit den Gast-Sängern? Was war klasse? Was war strange?Allein schon die Tatsache, dass ich mich mit den von mir geschätzten Künstlern kreativ austauschen durf-te, war klasse. „Strange“ war gar nichts, außer dem Festplattencrash kurz vor dem Mastering-Termin. Glücklicherweise bin ich ein Backup-Fanatiker und sichere alles doppelt und dreifach.

Mit der CD nimmst du uns auf eine Reise. Geht es hier um die Verarbeitung deiner Vergangen-heit? Wohin wird die Reise gehen?Ich verarbeite meine Vergangenheit grundsätzlich nicht in meiner Musik, denn dann würde ich mein Publikum als Therapeut missbrauchen. Wichtig ist nicht, wohin die Reise geht, sondern die Reise selbst. Wenn man sich nur auf das Ziel der Reise - und so-mit auf das Ende – konzentriert, verpasst man die ganzen Impressionen und Bereicherungen, die ein Weg zum Ziel zu bieten hat.

Auf dem diesjährigen Amphi Festival gab es ja mehrere Highlights für dich. Zum einen lief „Timekiller“ in drei verschiedenen Versionen. Zum anderen euer Spontanauftritt bei And One bei „Timekiller“. Was meinst du dazu?Die Entscheidung von Dirk und mir bei And One die

Bühne zu entern, fi el von einer Sekunde auf die andere und hat auch uns selbst ein wenig überrascht. Mit Ste-ve verbindet uns ja schon seit Jahren eine tiefe Hass-liebe und er hat sich offensichtlich genau so gefreut wie wir. Dass sich „Timekiller“ als Remix und als Co-verversion großer Beliebtheit erfreut, macht uns natür-lich stolz und glücklich. Wir verfolgen diese Tendenzen auch sehr aufmerksam und hören genau hin, wenn wir wieder einmal eine neue Version entdecken.

Wen wünschst du dir fürs nächste Album als Gast-Sänger?Dazu werde ich mir konkret Gedanken machen, wenn es soweit ist. Alexander Veljanov wäre jemand, der mir schon lange als Gastsänger bei Imatem vor-schwebt, ich bin aber noch nicht dazu gekommen, ihn einmal persönlich zu fragen.

HEIKO NOLTING

www.myspace.com/imatem

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Karpatische RealitätBombastischer Gothic Metal mit weiblichem Operntouch hat sich gerade in den letzten Jah-ren zu einem der letzten großen Verkaufsschla-ger in und außerhalb der Szene entwickelt. Und in der Tat: Der Quell dieser Bands scheint nicht zu versiegen, auch wenn der Großteil dieser Künstler zunehmend wie von der Stange wirkt. Umso wohltuender ist das neue Album der ru-mänischen Düstermetalband Magica, welche neben ihrer fi nsteren karpatischen Herkunft auch musikalisch zu überzeugen wissen. Der Kopf und Songschreiber der Truppe, Bogdan, zeichnet die Entstehungsgeschichte des Albums im Bannkreis von Wölfen und Hexen nach.

Bogdan: Ich kann gar nicht mehr genau sagen, wann ich anfi ng, die neuen Songs zu schreiben. Nachdem „Hereafter“ 2006 aufgenommen war, hatte ich seit dem Winter eine Menge Zeit, viel zu schreiben, zu verwerfen und neu zu entwickeln. Eigentlich wollten wir das Album in Deutschland aufnehmen, haben uns dann aber doch für ein Studio in unserer Nähe in Constanta entschieden. Schon alleine wegen un-

serer Jobs. Inhaltlich haben wir natürlich tief in der Mythologie unseres Landes gegraben. Sämtliche Songs behandeln Mythen, Sagen

und Erzählungen über Wölfe und Hexen in unserem Land. Diese Inspirationsquelle war schon immer unser Ideengeber. Meine Songs entstehen frei heraus ohne jedes Kalkül. Ich versuche nicht zu denken, sondern zu improvisieren. Sobald erste Ideen stehen, nehme ich das mit meinem Computer auf und entwickel es dann weiter. Manchmal fl iegt das Material auch wie-der komplett weg.

Abseits dieser so interessanten Gerüchte und Spekulationen über den mythischen Teil eures Landes. Was kann man über die aktuelle Musi-kerszene sagen?Traurig aber war. Ein lausiger Zustand. Es gibt we-der Promoter noch Strukturen in der regionalen Musikszene und das in erster Linie, da es keine Fans dieser Musik gibt. Wir sind hier auf einsamen Posten ziemlich verloren und alleine. Natürlich gibt es noch ein paar andere gute Bands, aber ohne große Aus-nahme spielen hier alle Umsonstkonzerte in kleinen, unzureichend ausgestatteten Klubs.

Eure ersten Alben haben einen Siegeszug um die Welt angetreten. Habt ihr selbst auch schon in vielen dieser Länder gastiert?Eigentlich hatten wir in erster Linie in Frankreich und Rumänien gespielt. Und ehrlich gesagt, wir spielen gerne in Rumänien, aber wir lieben es wirklich, in Frankreich zu spielen. Die Franzosen sind unser bestes Publikum, selten gab es eine solche Euphorie auf Kon-zerten. Über unseren Erfolg in Südamerika habe ich nur per Youtube mitbekommen. Besonders stolz war ich, als wir dann ein paar Clips gefunden hatten, in welchen südamerikanische Bands unsere Songs co-verten und live performten – und das sogar auf einem hohen Niveau. Das bedeutet mir sehr viel, denn wenn ich selbst einen Song covere, muss er mir sehr nahe stehen. Ich muss diesen Song wirklich vergöttern.

Seit dem ihr jetzt bei dem renommierten Label AFM unter Vertrag seid, steht eurem großen Durchbruch nichts mehr im Wege. Wie gestaltet sich die aktuelle Arbeit?Zuerst einmal sind die Jungs und Mädels bei AFM wirk-liche Profi s. Darüber hinaus haben wir uns natürlich auch schon näher kennengelernt. Das Kennenlernen

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ging dann auch schon weiter und wir hatten gemeinsam einige rumänische Palika Shots (Red.: Rumänischer Obst-brand). Leider konnten wir uns in letz-ter Zeit nur übers Geschäft unterhalten. Es steht halt auch wirklich viel an. Der Spaß kann dann wieder zur Tournee kommen. Der Tenor des Albums sind Mythen der rumänischen Vergangen-heit und Folklore. Den meisten in un-seren Breiten vor allem durch den Vam-pir bekannt, hat Rumänien noch weit mehr zu bieten. Der Titel „Wolves and Witches“ repräsentiert den Rahmen all jener Mythen. Die rumänische Folklore ist reichhaltig und fantastisch.

Ihr habt in der Vergangenheit mit vielen anderen Bands aus der Fe-male Metal Liga, wie z.B. After Forever, Leaves Eyes etc. zusam-mengespielt. Gibt es untereinan-der bereits Kontakte? Vielleicht zwischen den Sängerinnen?Ja, natürlich gibt es zwischen den Bands hin und wieder Kontakte und Mails. Was die Sängerinnen betrifft, wie wär es mal mit „women bonding“?

In eigenen Worten:

„WOLVES AND WITCHES“ „They stole the sun“

„Zmeu“ ist ein rumänisches Monster mit übernatürlichen Fähigkeiten,

welches öfter Dinge stiehlt

„Don‘t wanna‘ kill“ In „Varcolac“ geht es um einen

rumänischen Wehrwolf

„Just for two coins“ Eine Geschichte über Verrat und die unglückliche Verkettung von Dingen und ihre schwerwiegenden Resultate

„Hold on tight“ Auf den Schwingen eines gefl ügelten Pferdes – die schlechte Nachricht: Ein

blutiger weiblicher Dämon verfolgt dich

„Hurry up ravens“ Die Ewigkeit ist so unsagbar lang

„Maiastra“ Der fantastische Vogel

„Chitaroptera“ Dies ist unser erster aufgenommener

Instrumentalsong, welcher unsere folkloristische Ausrichtung unterstrei-

chen soll.

„Dark secret“ Spiegel refl ektieren deine böse Seite

„In the depths of the lake“ „Stima Apei“ ist ein weiblicher

Wasserdämon

„Mistress of the wind“ „Lelele“ sind heimtückische Geister

des Windes in Form von schönen Mädchen

„Until the light is gone“ eine besorgte Mutter nimmt, mehr

als sie sollte, Kontakt zum Geist ihres Sohnes auf

Im Vergleich zu euren früheren Werken sind diesesmal bedeutend weniger Keyboards zu hören. Ab-sicht?Das war von vornherein wichtig. Ich wollte dieses Album wahrhaftiger und stärker an meinen musikalischen Wur-zeln orientieren. Der Song soll für sich selbst stehen und nicht durch Effekt-spielereien verschleiert werden.

Gerade der inhaltliche Tenor lässt der Fantasie freien Lauf. Habt ihr auch an eine visuelle Umsetzung gedacht?Dieser Aspekt ist mir eigentlich nicht so wichtig. Uns ist das Spielen am wichtigsten, aber du hast Recht. Ein gewisser Look ist wichtig. Anson-sten soll die Musik für sich sprechen. Während ich dieses Interview führe, werden übrigens unsere Tourdaten gebucht.

MARIUS MARX

www.magicaband.com

VÖ „Wolves and Witches“: 28.11.08

Fängt man Ratten mit Strom?

Nach dem Erfolg ihres dritten Studio-albums „Edacious“ (2006, Sonorium) veröffentlichen die Bielefelder Stark-strom-Electro-Rocker Heavy-Current im September 2008 eine Web-EP mit dem Titel „Ratrace“. Der Titeltrack „Ratra-ce“ kommt als treibende Industrial-Punk-Nummer daher und ist der Vor-bote für das Anfang 2009 kommende Album „Push The Fire“ und überzeugt durch druckvollen Synthsound, gepaart mit krachenden Drums und natürlich dem typischen eindringlichen Gesang des Heavy-Current-Sängers Jan. Das Ganze wird gepaart mit einer kräftig losrockenden Gitarre. „Ratrace“ dürfte mit diesen Zutaten auf den Dark- und Alternative-Floors eine richtig gute Fi-gur machen. Tipp: Man sollte sich un-bedingt das ansprechende Video anse-hen, das zu „Ratrace“ gedreht wurde und auf den Webseiten der Band sowie in vielen Portalen wie Youtube bereits zu sehen ist. Der neue Song erscheint rechtzeitig vor der aktuell anstehenden Tour von Heavy-Current zusammen mit Battle Scream und Cephalgy. Neben dem Titelsong werden auf der „Ratra-

ce“-EP acht interessante Versionen von Songs aus dem letzten Album gebo-ten, die von Künstlern wie Novastorm, Kaos-Frequenz, Vani und anderen re-mixed wurden. „Ratrace“ erscheint als Digital-Veröffentlichung im MP3-Format und ist ab dem 12.09.08 bei den meisten Download-Shops wie Mu-sicload, iTunes, Amazon.com erhältlich. Eine streng limitierte CD-Version kann auf den Livekonzerten von Heavy-Cur-rent erworben werden.

NIGHTWOLVE

www.heavy-current.dewww.myspace.com/heavycurrentwww.sonorium.dewww.myspace.com/sonoriumrecords

VÖ „Ratrace“: 12.09.08

Grausame MärchenweltIlluminate veröffentlichen im Oktober 2008 – nach 15 Jahren Bandgeschichte - ihr bereits elftes Studioalbum „Zeit der Wölfe“. Nicht vie-len Bands gelingt es über eine so lange Zeit, eine große, treue Fangemeinde aufrecht zu er-halten und mit jedem Album noch mehr Hörer zu begeistern. Bei ihrem neuen Werk werden wir nicht nur begeistert sein, sondern auch verzaubert. Die zauberhafte Märchenwelt, die wir anfangs erwarten, zeigt jedoch bald ihr unheimliches Gesicht. In Märchen gibt es eben nicht nur schöne Mädchen, sondern auch böse Wölfe. Der „Stille Schrei“, der sich zu Beginn langsam ausbreitet, hält Grausames bereit. Der „Menschenwolf“ hat es diesmal nicht auf die Großmutter abgesehen; das schöne, junge Mädchen beherrscht das Denken des Wolfes. „Die Zeit der Wölfe“ nimmt uns in sich auf – ob wir wollen oder nicht. Sie zieht uns tief in die Märchenwelt. Was „Am Ende des Weges“ steht, bleibt offen. Jedoch gab uns Johannes Berthold einige aufschlussreiche Antworten zu den Arbeiten am Album und dessen symbol-vollen Inhalt sowie einen kleinen Rückblick auf die letzten 15 Jahre Illuminate.

Das auf ein Märchen bezogene Cover fällt sofort auf: Ein rot bekapptes Mädchen sitzt im Wald auf einem Baumstamm, neben sich einen Korb mit Brot und Wein. Auf dem Backcover dann ist der Baumstumpf leer; der Korb und dessen In-halt liegen auf dem Boden. Die rot leuchtende Kappe ist das Einzige, was von dem Mädchen übrig blieb. Was ist passiert? Die Wölfe? Ein Verbrechen? Laut Wikipedia will das Märchen Rotkäppchen in der Grimmschen Fassung „vor Vergewaltigung warnen […], da der Wolf nicht nur Wolf sondern auch Herr Wolf heißt, und Rotkäppchen noch gewarnt wird, nicht vom Wege abzukommen und niemandem zu trau-en.“ Dies ist jedenfalls eine mögliche Lesart. Daran schließt sich an, dass auf eurem neuen Werk die Wölfe – eingebettet in das Märchen-hafte – das Leitmotiv sind. Was symbolisieren sie? Beim Lied „Zeit der Wölfe“ wird – ähnlich wie im Grimmschen Märchen – eine Warnung ausgesprochen: „Die Moral von der Geschicht: Mädchen weich vom Wege nicht, bleib allein und halt nicht an, traue keinem fremden Mann, geh nie bis zum bitteren Ende, gib dich nicht in fremde Hände; deine Schönheit zieht sie an

und ein Wolf ist jeder Mann.“ Also eine War-nung vor fremden Männern und falschem Ver-trauen?Ja, in gewisser Weise schon. Der Wolf steht bei un-serem neuen Album vordergründig als Metapher für das Animalische, das „Triebhafte“ und das Rohe, Gewaltsame (obwohl man da dem Charakter des re-ellen Tieres nicht unbedingt gerecht wird). Auf „Zeit der Wölfe“ haben wir es mit zwei Protagonisten zu tun: Einerseits der Wolf (oder der „Herr Wolf“, wie von dir schon so super recherchiert – bei uns auf der CD heißt die Figur „Menschenwolf“); andererseits mit dem Mädchen, das sich einen Märchenprinzen erträumt. Aus der Begegnung der beiden entsteht das Leitmotiv unseres Konzeptalbums. Die vermeint-liche Unschuld und das unwissende Träumen – und ihm gegenüber der Triebtäter, der Opfer seines inne-ren Wolfes wird.

Das Intro „Stiller Schrei“ klingt noch ruhig, doch verbirgt sich schon etwas Entsetzliches darin. War es schwierig, die Antithese Stille/Schrei musikalisch umzusetzen?Ich denke, dass wir nicht unbedingt auf die wort-genaue musikalische Einhaltung eines Bildes oder einer Metapher Wert legen, sondern vielmehr auf das Gefühl, welches jene vermitteln sollen. Der „Stil-le Schrei“ kann dual ausgelegt werden: Wir haben

einerseits das Mädchen, das sich Tagträumen von der großen Liebe hingibt; andererseits existiert der psychopathische Triebtäter, der von seinen inneren Zwängen beherrscht wird. Für beide Personen kann das Bild mit dem verzweifelten, stillen Schrei zutref-fen. Daher kommt vielleicht auch die Mischung mit dem Schönen gegen das Unheimliche?!

„Zeit der Wölfe“ klingt insgesamt sehr traurig und – vor allem im Requiem – bedrohlich. War es von Anfang an so geplant, dass das neue Album eine bedrückte Stimmung innehat, oder hat es sich während der Arbeiten dorthin ent-wickelt? Es war geplant, ein etwas ruhigeres Album aufzu-nehmen, als dies beim Vorgänger „Zwei Seelen“ der Fall war. Wir wollten zwar die Gitarrenarbeit und den Einsatz des Schlagzeuges sogar noch verstärken, dies aber in etwas kommoderen Bahnen. Dass die Stücke nun nicht nur ruhiger, sondern auch ziemlich traurig geworden sind, ist kein primäres Ziel gewe-sen, sondern hat sich im Laufe der Arbeit mit den Titeln so ergeben.

Die Texte stecken voller Symbole und Motive. Neben den schon angesprochenen Wölfen, ist das Märchenhafte von zentraler Bedeutung. Märchen sind zeitlich nicht defi niert und doch

gibt es in eurem Märchen die „Zeit der Wölfe“. Leben wir in dieser Zeit? Wann hat sie begon-nen?Das ist eine ganz tolle Frage! Auf unserem Album ist die „Zeit der Wölfe“ klar begrenzt auf das Erschei-nen des „Menschenwolfes“ und dessen Aufeinan-dertreffen mit dem Mädchen. Beim „Requiem“ (dem Schlussstück) endet diese Zeit, da der Wolf fl ieht. Ob das nun eine reale Flucht, ein Suizid oder eine Gefangennahme ist, bleibt offen. Wenn man dieses Bild nun aber globaler betrachten möchte, wird die Frage schon etwas schwieriger. Ich bin durchaus der Meinung, dass wir in einer „Zeit der Wölfe“ leben, in welcher Bereicherung auf Kosten anderer, ungezü-geltes Ausleben der eigenen Triebe und Bedürfnisse sowie fehlende Rücksichtnahme und Empathie eine ganz zentrale (und äußerst traurige) Rolle spielen. Wann das angefangen hat? Das kann wahrschein-lich keiner so richtig beantworten, da der Mensch ja schon immer dazu geneigt hat, schlecht zu sein!

Im Outro „Am Ende des Weges“ schließt sich musikalisch der Kreis zum Intro. Doch wohin hat der Weg geführt? Was steht am Ende?Hier stellst du mir eine Frage, die ich eigentlich gar nicht gerne beantworte, nämlich nach der „Aufl ö-

sung“ eines Bildes oder eines musikalischen Inhaltes. Ich weigere mich seit Anbeginn unserer Karriere, persönliche Deutungen oder Interpretati-onen bezüglich unserer Lieder von mir zu geben. Ich fi nde es viel wichtiger, was die Fans und Hörer unserer CDs empfi nden und welche Bilder sich vor de-ren geistigen Augen öffnen, als dass ich dies im Vorfeld durch klare Defi nitionen stören oder beeinfl ussen würde.

Vor 15 Jahren gab es mit „Poesie“ das erste musikalische Lebenszeichen von Illuminate; es folgten zehn Studioalben. Wo seht ihr die Un-terschiede bzw. Parallelen eurer musikalischen Anfänge zu eurem neuesten Werk? Die Unterschiede sind ganz klar in den technischen Möglichkeiten und in der „Reife“ zu suchen, welche ein solch langer Zeitraum von über 15 Jahren mit sich bringt. Ich höre auf der „Poesie“-MC aus dem Jah-re 1995 – ebenso wie auf den ersten ein, zwei CDs – noch ganz deutlich den jungen Johannes Berthold

VÖ „Zeit der Wölfe“: 24.10.08

heraus. Das sind stimmliche Patzer sowie musikalische und textliche Gehversuche, die man heute vielleicht anders machen würde. Aber man muss gerecht sein: Vor 15 Jahren hat man halt so getickt und eben gerade die Musik so gemacht, wie man es gemacht hat. Das ist schlussendlich auch Teil der eigenen Identität, Geschich-te und Entwicklung und daher wichtig für die eigene

musikalische Persönlichkeit. Parallelen gibt es natür-lich auch: Wir verwenden zum Beispiel konsequent nach wie vor die deutsche Sprache und bedienen uns auch nach 15 Jahren noch recht ähnlicher Stil-elemente, was aber nicht zuletzt auch einen unver-kennbaren Sound ausmacht. Ob man das nun mag oder nicht, ist eine andere Frage, aber viele tausend Illuminate -Fans mögen gerade die Tatsache, dass immer ihre Lieblingsmusik drinsteckt, wenn es au-ßen draufsteht.

DIANA SCHLINKE

www.illuminate.de

„Bei Unheilig stehen die

Fans im Mittelpunkt und diese

sollen einen tollen Abend

haben.“

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Die Ernte einholenSeit vielen Jahren arbeitet Der Graf mit einem eingeschworenen Team am Durchbruch der Band und setzt vor allem auf einfühlsame, besinnliche und nachvollziehbare Texte im griffi gen Songkostüm. So war der Chartdurch-bruch fast zu erwarten, denn „Puppenspieler“ (NEGAtief berichtete) ist der bisherige Höhe-punkt des songschreiberischen Ausnahme-talents. Die Live DVD und CD von der letzten Tour hingegen zeigen die großartigen Livequa-litäten der Band und machen heiß auf die zu-sätzlichen Herbstkonzerte der umfangreichen Tournee.

Eine Live-CD nebst DVD von Unheilig! Den Hö-rer erwartet eine unheimliche Dynamik. Wie lange braucht ihr, um eure Werke richtig büh-nenreif zu bekommen. Und wie lange wird für eine Tour geprobt?

Einen komplett durch-geplanten Ablauf oder Ähnliches gibt es nicht, wenn ich mit neuen Songs auf die Bühne gehe. Es gibt eine große Probe vor einer Tour. Da trifft sich dann das gesamte Team, also Musiker und Technik und alles wird aufge-baut und wir spielen die Show ein bis zweimal durch. Licht und Ton und alles was dazu gehört, wird da auch a u s p r o b i e r t und durchge-sprochen. Eine wirklich gute Show bekommt man aber nur hin, wenn man immer mehr Sicherheit bekommt und somit auch lockerer wird. Da-her sind die Auftritte vor einer DVD Aufnah-me natürlich auch sehr wichtig, weil so vieles in Fleisch und Blut über-

gehen kann, bis es letztendlich beim fi nalen Konzert zur Aufzeichnung stimmt.

Der hohe Charteinstieg hat dir endlich bewie-sen, dass du mit deinem ureigenen Stil richtig lagst. Tut so etwas nach so langer harter Arbeit gut? Kannst du den Erfolg auch einmal genießen? Wir haben uns alle riesig gefreut, dass wir so hoch eingestiegen sind. Ich habe es mir erhofft, dass der Einstieg so hoch ist. Gerech-net habe ich damit nicht. Es war ein tolles Gefühl, zu wissen, dass so viele UH Fans uns ein so hohes Vertrauen geschenkt haben, indem sie sich „Puppenspiel“ meist unge-hört zugelegt haben. Ich persönlich habe mich am meisten für die ge-freut, die mit mir schon seit Jahren

zusammenarbeiten und auch immer daran geglaubt haben. Es war ein schönes Zeichen, dass sie richtig lagen. Ansonsten sehe ich das alles als einen Erfolg durch lange, zielstrebige und disziplinierte Arbeit. Unheilig hat klein angefangen und wird immer wie-der ein bisschen größer, weil diejenigen die an die Musik glauben, auch jede Menge dafür tun. Genießen kann man hin und wieder mal ein wenig. Allerdings kommt nach dem einen Highlight schon wieder ein anderes. Irgendwann werden wir uns alle mal eine kurze Zeit zum Genießen geben. Allerdings gibt es immer noch sehr viele zu tun.

Entsteht jetzt nicht noch ein größerer Erfolgsdruck?Erfolgsdruck gibt es immer. Irgendwie muss man sich immer gegenüber anderen beweisen. Warum das so ist, weiß ich nicht. Vielleicht ist es einfach so und ich muss das akzep-tieren. Ich mache mir da auch keine Gedanken mehr drüber. Dinge passieren so, wie sie

passieren. Ich mache einfach in Ruhe meine Musik, gebe mir Mühe in dem was ich tue und bin mir der Verantwortung der Fans gegenüber immer sehr be-wusst und ich liebe meine Arbeit. Bei Unheilig ste-hen die Fans im Mittelpunkt und diese sollen einen tollen Abend haben. Diesen Wunsch versuchen wir bei jedem Konzert zu erfüllen.

Wie sieht ein typischer Unheilig-Backstage-raum aus? Nachher genauso wie vorher. Es gibt nichts Beson-deres, worauf wir oder ich Wert lege. Einfach einen Raum zum Zurückziehen, wenn möglich mit Heizung und Dusche. Ich halte mich da eh kaum drin auf, weil

ich vor dem Konzert und danach immer bei den Fans bin. Ich lege Wert darauf, dass man alles, was man benutzt, genauso hinterlässt, wie man es vorgefunden hat und sich gut benimmt und freundlich zu allen ist. Wir haben alle keine Starallüren und das ist auch gut so. So etwas würde nicht in unser Team passen.

DANIEL FRIEDRICH

www.unheilig.comVÖ „Vorhang auf!“: 03.10.08

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„Romancer“Nicht zum ersten Mal fi nden sich Rozencrantz im NEGAtief wieder, denn um „ROZ“ wird es selten still. Dafür ist die Band auch zu aktiv und umtriebig. Am 14.11. ist es so weit: „Romancer“ erblickt das Licht der Welt. Womit wir es hier zu tun haben? Eine Datenträger füllende EP! Denn neben den vier neuen Songs sind auch gleich noch vier Videotracks vorzufi nden, drei davon live vom Castle Rock 2008 und ein von der Band selbst produzierter Clip zum neuen Song „Skin on Skin“. Wie immer haben Rozen-crantz wert darauf gelegt, das Steuer nie ganz aus der Hand zu geben und so viel wie möglich selbst geleistet. Mir ihrem Videoclip haben sie die Latte für DIY-Produktionen gehörig nach oben geschraubt. Im Gespräch mit Horatio ha-ben wir mehr über „Romancer“ und das dahin-ter stehende Konzept erfahren.

Die Nähe zu Bands wie HIM wird nun noch deutlicher als auf eurem Debüt „Salvation“. Wie kam es zu dieser musikalischen Weiterent-wicklung? Die Romantik hat sich noch stärker in die textliche Ebene verschoben. Dafür ist die musikalische Seite härter und klarer geworden. Wir sind das Songwri-ting diesmal ein wenig anders angegangen, haben intensiver und strukturierter gearbeitet und dabei

auch gerade die Kraft, die ein Song bei einer Live-Performance entwickeln kann, im Auge gehabt. Mit unseren neuen Musikern Gray an der Gitarre und Ja-ckie Saint an den Drums kamen natürlich auch neue Akzente in die Musik.

„Romancer“ ist auch die imaginäre Figur auf dem Cover. Wofür steht er? Wer ist für das be-achtliche Coverartwork verantwortlich? Unser Romancer steht für jeden von uns, der sich durch die Höhen und Tiefen des Liebens und der zwischenmenschlichen Beziehungen tragen lässt. Überwältigt von seinen Gefühlen und hin- und her-gerissen zwischen Romantik, Lust, Verlustängsten und Hoffnung. Er hat ein Loch in seiner Brust, wo eigentlich sein Herz sitzen sollte, fühlt sich leer und ausgebrannt, und doch würde er jederzeit wieder in die Achterbahn der Gefühle einsteigen, alles von vorn beginnen. Für unser neues Artwort ist, wie auch schon für das Artwort von „Salvation“ und „Reapercussion“, die russische Künstlerin Aminess verantwortlich.

Neben vier neuen Songs fi nden sich auch drei Videos vom diesjährigen Auftritt auf dem

Castle Rock. Es war einer eurer ersten Festivalgigs. Hat euch der Zuspruch überrascht? Ja und nein. Einerseits ist es natürlich überwältigend, als Opener in der Mittagszeit vor solch einer begeisterten Menge zu spielen. Ande-rerseits hat sich dies schon durch den enormen Zu-spruch, den wir in den letz-ten Monaten bei MySpace and anderen digitalen Me-dien hatten, angekündigt. Schön zu sehen war es, dass wir auch etliche Fans an-derer Bands vor der Bühne halten und begeistern konn-ten. Mit dem gewaltigen Andrang bei unserer Auto-gramstunde hat allerdings keiner gerechnet.

Zu „Skin On Skin“ befi ndet sich auch ein opu-lentes Video auf der EP. Nicht euer erstes. Ihr scheint eine große Affi nität zur Videoproduk-tion zu haben. Woher kommt diese? Wir versuchen stets möglichst alles, was diese Band an die Welt herausgibt, selbst zu machen. Manch-mal ist dies, wie beim Artwork nicht möglich. Al-lerdings suchen wir dann auch jemanden, der in den Crantz passt und langfristig mit uns arbeiten möchte. Im Falle des Videos machen wir jedoch al-les selbst. „Skin on Skin“ ist mit Sicherheit unser bisher aufwendigstes Video. Wir haben es an zwei Tagen auf vier Sets gedreht, massiv Technik aufge-fahren und unserer Kreativität freien Lauf gelas-sen. Der Song „Skin on Skin“ handelt vom Wunsch nach Hautkontakt, nach menschlicher Wärme. Einem Gefühl, das sich immer wieder durchsetzt, sozusagen am Ende immer wieder als zentrales Grundbedürfnis übrig bleibt. Auch hier beleuchten wir natürlich die Licht- und Schattenseiten, hier dargestellt durch unsere mit schwarzem, respekti-ve weißem Bodypainting gestalteten Tänzerinnen.

Welche Livekonzerte stehen noch an? Unsere Konzentration gilt jetzt unseren Record Re-lease Shows (22.11. Bochum, 28.11. Erfurt). Das wirklich erfolgreiche Jahr 2008 beschließen wir dann zu Weihnachten in Moskau mit unserem ersten Aus-landsgastspiel.

POLONI MELNIKOV

www.myspace.com/rozencrantz

VÖ „Romancer“: 14.11.08

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Blaublütige CineastenSchlägt man den Namen in den einschlägigen Enzyklopädien nach, dann wird man der ade-ligen Verpfl ichtung, Gutes für das Volk zu tun, gewahr. Der Titel „In Exil“ lässt dann auch die Nachfahren Napoleons vermuten, doch neben der eingangs vermuteten Verpfl ichtung, gute Musik für das tanzende Alternativvolk zu kre-denzen, wollen die beiden Protagonisten im 70ies Outfi t nicht so ganz zur royalen Vision passen. Zu bürgerlich und frech nimmt sich der neue Longplayer aus, der teilweise auch aus der fröhlichen Feder eines zeitgemäßen Weills stammen könnte.

Valerie: Wir sind von DVDs regelrecht besessen. Gerade Filme sind die wichtigsten Einfl üsse unserer Songs. Natürlich ist unser Filmgeschmack genauso weit gefächert, wie es unsere Musik erwarten lässt. Neben großen Klassikern von Bergman und Dreyer mögen wir vor allem die hochwertigen Veröffentli-chungen von Chabrol, den Cohen Brüdern und David Lynch. Ich lernte mal die Schauspielerei und in der Musik versuche ich vor Allem dem Theater und dem Film ähnliche Atmosphären zu erzeugen.

Mittlerweile gibt es eine kleine Schar jener fi l-misch klingenden Bands wie z.B. Vive La Fete, Dresden Dolls oder auch IAMX. Fühlt ihr euch diesen verbunden?Mit Vive La Fete und Dresden Dolls hatten wir bereits zusammen gespielt. IAMX mö-gen wir auch sehr gerne, aber versuchen natürlich trotzdem unser ureigenes Ding zu ma-chen. Wir mischen verschie-denste Genres und gegensätz-liche Stimmungen in unseren Songs. Ich kenne sonst auch keine Band, die Masai-Gesänge („Monkey Business”) verarbei-ten oder Polka Punk Songs („Under the fl oorboard”) schreiben würde. Wir versuchen, unsere Grenzen so weit wie möglich auszudehnen.

Discokugeln, monochrome Farbgebung, Afro-look und die spezifi schen Klamotten der 70er. Was fasziniert euch gerade an diesem stili-stischen Brückenschlag?Das war jetzt wirklich keine bewusste Entscheidung. Wir nehmen mit, was uns gefällt und spielen, damit bis es zu uns passt. Die 70er waren in musikalischer

Hinsicht natürlich ein großartiges Jahrzehnt. Aber Sebastian mag auch sehr gerne die 60er und ich lie-be die 80er Sachen. Eigentlich haben wir uns nie auf eine spezifi sche Richtung festgelegt.

In euren Songs ist eine Menge Platz für die ei-gene Inspiration. Die luftig entspannte Atmo-sphäre ist allen Titeln gemein. Versucht ihr da-mit selbst auch Raum zu schaffen, angesichts eures hektischen Lebensalltags in Berlin? Jeder Song soll eine Reise durch bekannte und unbe-

kannte Landschaften vor dem inneren Auge ermöglichen. Gerade diese fi lmische Quali-tät ist uns wichtig. Wir haben immer in großen Städten wie Barcelona und Paris gelebt. Gerade nach unserer Londo-ner Zeit erscheint einem Ber-lin nicht wirklich so hektisch, eher das Gegenteil. Der Puls

dieser Stadt ist gemächlich, es ist wirklich relaxing und chillig. Übrigens einer der Gründe, warum wir London den Rücken gekehrt haben. Eigentlich ist es wie mit jeder künstlerischen Beschäftigung, die eine wunderbare Möglichkeit darstellt, sich vom Alltag und der täglichen Last zu befreien.

Gibt es einen bestimmten Grund für die jewei-lige Sprache eurer Songs?Wir sind beide sehr häufi g umgezogen, haben keine Wurzeln und fühlen uns eigentlich überall wohl. Daher kommt es wohl auch, das die Ideen zu verschiedenen Songs oft in verschiedenen Sprachen entstehen. Mei-

VÖ „In Exil“: 19.09.08

„Er fand gerade, dass ich den Song mit

meiner schrecklichen deutschen Aussprache

hervorragend intonieren könnte.”

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stens gibt das auch die Stimmung des jeweiligen Songs vor. Wir fühlen uns aber auch nicht als Poeten – uns sind Melodien wichtiger. Ich glaube jedoch, dass wir einen typisch europäischen Feel in unseren Songs haben, auch wenn es keine wirklichen Regeln für das Entste-hen von Songs gibt. Das passiert alles instinktiv, so wie z.B. auch bei der Single „Tanz Mephisto”. Sebastian hatte den Text geschrieben und fand gerade, dass ich diesen Song mit meiner schreck-lichen deutschen Aussprache hervorra-gend intonieren könnte. Und jetzt macht das vielleicht gerade den Reiz aus.

„In Exile” – Fühlt ihr euch im Exil?Wir sind seit zwei Jahren glücklich in Berlin und fi nden immer wieder neue Ecken und Fleckchen, die uns inspi-rieren. Berlin ist gerade für Künstler unglaublich erfüllend und vibriert re-gelrecht. Das kosmopolitische, auch leicht Dunkle und der zurückgelehnte Charakter der Bewohner plus einem außergewöhnlichen Nightlife passen perfekt zu uns.

Ihr verwendet viele Percussion-loops. Entsteht mit deren Hilfe das Grundgerüst eurer Songs?Wir mischen sehr gerne Loops und Samples mit realen Drums. Das klingt einfach fetter. Live verwenden wir sehr gerne viele Percussioninstrumente, wie z.B. Cowbells und Granitblöcke. Es ist fantastisch, wie dein Körper ein Teil des Musizierens wird. Und Per-cussions geben dem Ganzen diesen stammestypischen Touch. Sebastian spielt meistens zuerst ein paar Melo-dien auf der Gitarre, manchmal ich auf dem Klavier und dann entstehen erst später die Texte. Oft spielen wir auch in totaler Finsternis in unserem Studio. Da kann man dann regelrecht in Tran-ce verfallen.

Wer oder was steckt hinter den Vocalsamples von „Partners in Crime”?Das könnte ich dir sagen, aber danach müsste ich dich leider umbringen.

GERT DREXL

www.noblesseoblige.co.uk

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Visual EBM

Gothika, eine der rührigsten elek-tronischen Duos Asiens, touren Jahr für Jahr durch Europa, Russ-land und Asien und bieten neben ihrer schillernden Bühnenperfor-mance zwischen traditionellem Kimono und Latexstretch ein zu-tiefst asiatisches Werk zwischen schlageresker Eingängigkeit und ver-störender Atonalität, ohne je den Sinn für griffi ge Songstrukturen zu verlieren. Im Gegen-satz zu den so metalla-stigen Visual Kei Lands-leuten ist Gothika von der ersten Note an hö-renswert und exotisch zugleich.

Andro: In Japan werden wir eigentlich nie in den Visual Kei Topf geworfen sondern immer als elektro-nische Band wahrgenom-men. Die Exotik und das japanische Flair werden in Europa aber gerne mit Visual Kei gleichgesetzt, aber das ist dann auch die einzige Gemeinsamkeit. In Japan werden europä-ische Bands auch immer erst als typisch westlich bezeichnet, bevor man auf ihren eigentlichen Stil eingeht.

Ist euer Albumtitel „120 Days Of Sodom“ an den berühmt berüch-tigten Film von Pasolini ange-lehnt?Die Songs beziehen sich klar auf den konträren mit allen Formen der Per-version auseinandersetzenden Film, der seinerseits an Dantes Inferno an-gelehnt ist. Tabuthemen sind in der

Nahtoderlebnisse

Der Hintergrund der illustren ita-lienischen Band Timecut ist weit verzweigt, rekrutiert sich das ur-sprünglich in London gegründete Trio aus ehemaligen New Wavern, Industrialpunkern und harten Ro-ckern. Von Anfang an verstand man sich als ein Künstlerkonglome-rat, welches nicht nur mit der Musik begeistern wollte. So ist es nicht erstaunlich, dass die Band zu jedem Song eine Videoinstallation produ-ziert hat, welche im Hintergrund der Liveshows projiziert wird. Das selbst betitelte Album „Timecut“ indes bricht eine Lanze für traditi-onell melodisch dunklen Gothmetal mit Industrial und Elektrozitaten, ohne je die Hook aus dem Ohr zu verlieren. Kurz: Ein weiterer Beweis für die Ohrwurmqualitäten der dü-steren Sonnenkinder Europas. Gibt es gemeinsame musikalische Vorlieben, die ihr auch als Inspirati-on gelten lassen würdet? Joba: Ehrlich gesagt, gibt es heutzutage vor allem schlechte Bands, bei denen man sich abschaut, wie man es auf keinen Fall machen sollte. So gesehen auch ein Einfl uss. Trotzdem gibt es auch Künstler, die uns allen viel Bedeuten, seien das Nine Inch Nails mit ihrer re-volutionären „Downward Spiral“ oder

auch Tool und Manson, den wir auch schätzen. Natürlich ist dann auch noch die ganze Musikbiographie von Joy Divi-sion bis AC/DC dabei.

Eure visuelle Komponente spielt eine große Rolle? Damit versuchen wir die Bedeutung der Texte noch stärker zu unterstreichen. Wir sind auch alle drei permanent da-mit beschäftigt, und erfreuen uns auch der Mithilfe vieler externer Kräfte, wie diverse Horrorfi lmregisseure, denen un-sere Musik gefällt. Wichtig ist die provo-kante aber auch manchmal sarkastische Art, Dinge zu visualisieren. Was unseren Videoclip betrifft, der wird leider nicht in Italien gespielt. Die Sender fühlten sich provoziert.

Euer Name Timecut lässt viele Ebe-nen zu.Ehrlich gesagt, falls jemand unseren Namen richtig nachfühlen will, sollte er oder sie ein Nahtoderlebnis gehabt haben – vielleicht mit entsprechenden Substanzen wie Ketaminen. Dieses Ge-fühl, im Äther zu schweben, kommt dem Namen am nächsten.

GERT DREXL

www.timecut.net

japanischen Gesellschaft weit mehr ausgeprägt als in Europa.

Was hast du vor Gothika ge-macht?Ursprünglich waren wir drei Bandmit-glieder und nannten uns damals noch Euthanasie. Musikalisch würde ich un-seren Stil als digital Rock bezeichnen.

Gothika hat sich direkt daraus erge-ben, aber die Gitarre weggelassen.

Was sind die Hauptinspirations-quellen für eure teilweise japa-nisch abgefassten Texte?Als visuelle Band sind das natürlich viele Filme, aber auch Bücher. Und dann ist da noch die Pornografi e, die mich wirklich sehr inspiriert.

GERT DREXL

www.myspace.com/gothikatokyoVÖ „120 Days Of Sodom“: 24.10.08

Play The Game – Game Over?

Nein, nichts ist vor-bei, es hat gerade erst begonnen. Nach dem vielbeachteten Debü-talbum „Therapie“ setzt der aus Hessen stammende Ein-Frau-Electro-Act Eisschock mit der Web-EP „Play The Game“ nach. Der gleichnamige Song auf der EP wird nicht nur akustisch dargeboten, sondern auch mit einem durchaus ansprechenden Vi-deoclip visualisiert – hier lohnt sich das Reinschauen wirklich! Auf kokette und herausfordernde Art und Weise veranlasst Eisschock den Zuhörer bzw. Zuschauer, das Spiel zu spielen. Man könnte annehmen, dass mit dem „Spiel“, das „Spiel des Lebens“ gemeint ist. Denn bei genauer Betrachtung der Songtitel („Hass Mich“, „Pictures Of The Past“, „Platitudes“ und „Far Far Away“) und deren Lyrik fällt auf, dass Bereiche des Lebens thematisiert werden. So handelt beispielsweise das Stück „Pic-tures Of The Past“ von unangenehmen Bildern der Vergangenheit, die jemanden immer wieder verfolgen und nicht zur Ruhe kommen lassen. Dabei ist der Titel in eine emotional-bewegende Synthpop-Melodie und Kinderstimmen-Samples eingehüllt. Im Kontrast dazu heben die Vocals der Künstlerin die quälenden Lei-den der gemachten Erfahrungen hervor. Dadurch wird die innere Zerrissenheit

hörbar. Ein weiterer Synthpop-lastiger Song ist „Platitudes“, der von iro-

nischen Anspielungen über die (leider) weit verbreiteten, seichten

Redensarten strotzt. Im scharfen und provo-

kanten Gegensatz zu den vorangegangenen

Liedern steht der Titel „Hass Mich“, in dem auf eine

ungewohnte Art mit dem Scheitern einer Beziehung abgerechnet wird. Der heraus-fordernde, deutschsprachige Sprechge-sang ist in genau dazu passende, anfeu-ernde EBM-Beats verpackt. Somit eignet sich dieses Musikstück besonders gut, um aufgestaute Aggressionen abzutan-zen. Wer danach Ruhe und Entspannung braucht, für den ist der abschließende Ti-tel der EP „Far Far Away“ das Richtige. Eisschock bedient mit dieser EP sowohl das tanzwütige Volk als auch intellektuel-le Charaktere, da sich die tricky arrangier-ten Songs zwischen Synthpop und här-terem Electrosound auch wohltuend von eher simpel gestrickten reinen Tanztracks abheben. Die Kombination aus vermeint-lichen Gegensätzen und Widersprüch-lichkeiten wird durch die imponierende, feminine Ausstrahlung von Eisschock noch zusätzlich bekräftigt. In diesem Fall kommt man der Aufforderung „Play The Game“ doch gerne nach.

NIGHTWOLVE

www.eisschock.dewww.myspace.com/eisschockVÖ „Play The Game“: 17.10.08

5858

VÖ „Zwischenwelt“: 10.10.

Der „ZwischenWelt“ dunkle Seite

Nachdem die Fans vier Jahre auf „ZwischenWelt“ gewartet haben, ist es nun endlich am 10.10.08 soweit: Das Folgewerk von „Auf Sehnsucht folgt Ernüchterung“ erscheint bei Danse Macabre Records. Man war gespannt, wohin sich das Quintett in den letzten Jahren entwickelt hat. Immer wieder verschob sich die Veröf-fentlichung, doch hat sich das Warten gelohnt. „ZwischenWelt“ ist voller Energie, Intensität und Gefühl. Die Texte behandeln das mensch-liche Seelenleben mit seinen Abgründen, üben Gesellschaftskritik, motivieren aber auch, sei-nen eigenen Weg im Leben zu suchen. Songs wie „Tote Seelen lieben nicht“, „Immer noch“ und „Deadnettlepan“ (vor allem im P.A.L. – Re-mix) haben durchaus das Potenzial, Clubhits zu werden. SiS verstehen es, gut (aber nicht leicht) zugänglichen Dark Rock zu machen, mit tief gehenden Texten und ergreifenden Stim-mungen. Sie erschufen in ihrer „ZwischenWelt“ eine Melange von Zweifel und Hoffnung, Resi-gnation und Neubeginn, Leid und Lichtblicken. Stefan Siegl führte uns ein Stück weit auf dem Weg in die „ZwischenWelt“.

Das dem Prolog Das dem Prolog folgende „Zwi-folgende „Zwi-schen Hier schen Hier und Leben“ und Leben“ wirft die wirft die Frage auf: Frage auf: Was ist das Was ist das Hier, wenn Hier, wenn nicht das Le-nicht das Le-ben? Ist das Hier ben? Ist das Hier die „Zwischen-die „Zwischen-Welt“? Was Welt“? Was befi ndet sich in befi ndet sich in der „Zwischen-der „Zwischen-Welt“?Welt“?Das Stück macht da wei-ter, wo wir vor vier Jahren am Ende von „Auf Sehnsucht folgt E r n ü c h t e r u n g “ aufgehört haben.

Dort ist die Schwelle zum Tod angedeutet worden. „Zwischen Hier und Leben“ macht nicht deutlich, wo es weitergeht – deswegen ist „Hier“ auch nicht weiter defi niert, „Leben“ ist es aber sicher nicht.

Vier Jahre sind seit eurem letzten Album „Auf Vier Jahre sind seit eurem letzten Album „Auf Sehnsucht folgt Ernüchterung“ vergangen. Sehnsucht folgt Ernüchterung“ vergangen. Was ist in der Zwischenzeit bei euch passiert?Was ist in der Zwischenzeit bei euch passiert?Ich glaube, ich habe alles ausprobiert, was man musikalisch ausprobieren kann. Seitdem ist „Zwi-schenWelt“ immer wieder in vielfältigster Weise fer-tig geworden, war aber nie so, dass es uns getaugt hätte. Nach all dem Experimentieren sind wir dann aber doch stilistisch sehr zu den Wurzeln zurückge-kehrt, haben aber inhaltlich etwas komplett Neues gemacht. Das war uns sehr wichtig, sonst hätte sich

die Sache früher oder später im Sand ver-laufen. Durch zahlreiche Andeutungen

und sogar Umkehrung früherer Text-phrasen ist aus den ersten drei Alben eine Trilogie geworden, die jetzt abge-

schlossen ist.

Das Cover Das Cover zeigt eine sehr zeigt eine sehr düstere Stim-düstere Stim-mung. Ein ein-mung. Ein ein-

zelner, kahler zelner, kahler Baum in einer Baum in einer

Landschaft , Landschaft , darüber ein darüber ein dunkelblau-dunkelblau-er Himmel. er Himmel. Wie seid Wie seid ihr auf das ihr auf das Motiv ge-Motiv ge-kommen?kommen? Im Cover v e r s t e c k t sich weniger

Collage, als man vermutet.

Diesen Flecken Erde gibt es wirklich und er ist ei-gentlich sehr schön und sehr ruhig. Es handelt sich um den östlichen Zipfel von „Stadtamhof“, einer Donauinsel hier in Regensburg. Bei Tage und in der Realität betrachtet, würde er die helle Seite von „ZwischenWelt“ repräsentieren. Allein durch die Nachbearbeitung für das Cover wurde er verdüstert und symbolisiert so die dunkle Seite.

Trotz der düsteren Grundstimmung lässt sich Trotz der düsteren Grundstimmung lässt sich auch Hoffnung heraushören. Gerade bei „Der auch Hoffnung heraushören. Gerade bei „Der Zweite Weg“ wird aufgefordert, nicht passiv Zweite Weg“ wird aufgefordert, nicht passiv zu bleiben, sondern etwas zu verändern; sich zu bleiben, sondern etwas zu verändern; sich nicht seinem Schicksal zu ergeben. Kann man nicht seinem Schicksal zu ergeben. Kann man das als essenzielle Aussage des Albums sehen? das als essenzielle Aussage des Albums sehen? Lebt ihr auch nach diesem Prinzip? Lebt ihr auch nach diesem Prinzip? Sich seinem Schicksal zu ergeben, ist die eine Sache. Was man daraus macht, ist wichtig! Wir leben in ei-ner perversen Welt, in der du als Einzelner nicht im-mer etwas ausrichten kannst. Aber: Man kann – zu-mindest in Europa – jederzeit seine Stimme erheben. Noch viel wichtiger ist es, nicht dort zu vergammeln, wo es keine Hoffnung und keine Menschlichkeit gibt, sondern ein wenig auf sich aufzupassen und sich letztendlich auf das zu stützen, was einem am Wichtigsten ist – sonst wird man seiner Lebzeit nicht glücklich.

Wann werden wir euch wieder live sehen kön-Wann werden wir euch wieder live sehen kön-nen?nen?Nicht, wenn ich‘s verhindern kann. Wir alle würden gerne wieder durch die Republik ziehen und für un-sere Fans singen, aber nicht zu jedem Preis. Wenn sich was ergibt – jederzeit, aber nicht mehr diese di-lettantischen Improvisationen ohne die Möglichkeit, sich ordentlich zu inszenieren.

DIANA SCHLINKE

www.soulinsadness.dewww.myspace.com/soulinsadness

Foto: Michael Heinrich

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OKTOBER / NOVEMBER 08AUSGABE 16 - JAHRGANG 3

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IMATEMIMATEMVELJANOVVELJANOV

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DAS ICHDAS ICH

JACK FROSTJACK FROST

QNTALQNTAL

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SCREAM SILENCE SCREAM SILENCE WHISPERS IN THE SHADOW WHISPERS IN THE SHADOW SOUL IN SADNESSSOUL IN SADNESS

KONTRASTKONTRAST

DAS ICHDAS ICH