Untersuchungen über den Wasserhaushalt der...

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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution 4.0 International License. Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht: Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz. Untersuchungen über den Wasserhaushalt der Pflanzen bei Stickstoffmangel Von FRITZ GESSNER und MARIA SCHUMANN-PETERSEN Aus dem Pflanzenphysiologischen Institut der Botanischen Staatsanstalten in München (Z. Naturforschg. 3b. 36—41 [1948]; e i n g e g a n g e n a m 30. J u l i 1946) Stickstoffmangel erzeugt bei Tradescantia und Impatiens in Wasserkultur Verände- rungen in Richtung auf zunehmende Sukkulenz. Damit ist eine sehr erhebliche Ab- nahme der Transpiration verbunden, die darauf zurückzuführen ist, daß die Schließ- zellen weitgehend die Fähigkeit verloren haben, sich zu öffnen. Das Protoplasma der N-Mangelpflanzen zeigt eine größere Viskosität; damit steht jedenfalls die Tatsache im Zusammenhang, daß die Kälteresistenz bei N-Hunger gegenüber den normal ernähr- ten Pflanzen erheblich gesteigert ist. A uf der ganzen Erde ist das Wasser derjenige . Faktor, der sich am deutlichsten in Gestalt und Physiognomie der Pflanzen ausprägt. Wenn trotz der vielen Untersuchungen, die diese Tat- sache ausgelöst hat, die Probleme, die sich mit dem Schimperschen Begriffspaar „Xeromorphie— Hydromorphie" beschäftigten, noch keine so all- gemeinen Lösungen gefunden haben, daß sich ein- heitliche Gesetzlichkeiten daraus ableiten ließen, so liegt der Grund wohl darin, daß man den Wasserhaushalt zu sehr in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt hat. Wohl ist der Wasser- haushalt in vielen Fällen dafür maßgebend, daß be- stimmte Pflanzentypen diesen oder jenen Standort besiedeln; wie die Typen aber zustande gekommen sind, werden wir keinesfalls nur durch den Was- serhaushalt allein erklären können. Die modifika- tive Variabilität der Pflanzen, durch die sie uns bei geänderten Außenbedingungen in verschiede- ner äußerer Gestalt und anatomischer Struktur entgegentreten, ist letzten Endes Ausdruck des protoplasmatischen Geschehens. Hier ist der Knotenpunkt, in dem sich vielfältige chemische und physikalische Faktoren treffen und ihre Wir- kungen kombinieren. Ihre reinliche Trennung und vorsichtige Auswertung stellt dem Forscher keine leichte Aufgabe. Die beiden letzten Jahrzehnte haben nun er- geben, daß neben dem Wasserfaktor vor allem auch chemische Faktoren am Zustandekommen morphologischer und anatomischer Veränderun- gen beteiligt sind. So hat z. B. W ö s t m a n n 1 ge- zeigt, welche anatomischen Veränderungen das Resultat verschiedener Kalium-Calcium-Ernäh- rung sind und wie sich diese auf die Transpira- tion auswirken. Den tiefsten Einblick in die Be- ziehung zwischen Struktur und Ernährung ver- danken wir jedoch M o t h e s 2 , der schon 1932 be- wies, daß durch N-Mangel xeromorphe Strukturen hervorgerufen werden. In der vorliegenden Arbeit hatten wir uns zum Ziel gesetzt, zu untersuchen, welche physiologi- schen Veränderungen im Wasserhaushalt einer Pflanze eintreten, wenn sie durch Stickstoffmangel eine Umwandlung in ihrem anatomischen Bau er- fährt. Als Versuchspflanzen dienten Tradescantia viridis und Impatiens Balsamina, die zur Gewin- nung erbgleichen Materials als Stecklinge in feuchtem Quarzsand angezogen worden waren. Zur Ausführung der Versuche wurden diese Stecklinge dann in eine Nährlösung folgender Zu- sammensetzung übergeführt: 1000 g Aqua dest., 0,136 g KH 2 P0 4 , 0,821 g Ca(N0 8 ) 2 , 0,120 g MgS0 4 , 0,506 g KN0 3 , 1 cm 3 0,1-proz. Fe-Tartrat Zu je 1 l dieser Lösung wurde 1 cm 3 der H o a g - 1 a n d sehen AZ-Lösung hinzugefügt, um eventuelle Mangelerscheinungen, hervorgerufen durch Ausfall von Spurenelementen, zu vermeiden. Für die N-freie Lösung bzw. die Lösung mit Vio der normalen Stick- stoffgabe wurde die gleiche Zusammensetzung wie oben benutzt, nur wurden die Nitrate durch Chloride ersetzt. Nachdem nun die Pflanzen einige Zeit in diesen drei Lösungen gewachsen waren, wurden sie zur Weiter- untersuchung verwendet. Zunächst wurde der N-Ge- halt der Blätter bestimmt, wobei festgestellt wurde, daß er bei den N-Mangelpflanzen etwa die Hälfte des Kontrollwertes betrug. Tab. 1 gibt hierfür einige Zahlen. 1 W ö s t m a n n , Jb. wiss. Bot, 90, 335 [1941/42]. 2 M o t h e s , Biol. Zbl. 52, 193 [1932].

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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution4.0 International License.

Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschungin Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung derWissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht:Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz.

Untersuchungen über den Wasserhaushalt der Pflanzen bei Stickstoffmangel V o n FRITZ GESSNER u n d MARIA SCHUMANN-PETERSEN

Aus dem Pflanzenphysiologischen Ins t i t u t der Botanischen Staatsans ta l ten in München (Z. N a t u r f o r s c h g . 3b. 36—41 [1948]; e i n g e g a n g e n am 30. J u l i 1946)

Stickstoffmangel e rzeug t bei Tradescantia und Impatiens in W a s s e r k u l t u r Verände-rungen in Richtung auf zunehmende Sukkulenz. Damit ist eine sehr erhebliche Ab-nahme der Transp i ra t ion verbunden, die darauf zu rückzuführen ist, daß die Schließ-zellen wei tgehend die Fäh igke i t ver loren haben, sich zu öffnen. Das Protoplasma der N-Mangelpflanzen zeigt eine größere Viskos i tä t ; damit s teht jedenfal ls die Tatsache im Zusammenhang, daß die Käl teres is tenz bei N-Hunger gegenüber den normal ernähr-ten Pf lanzen erheblich ges te iger t ist.

Auf der ganzen Erde ist das Wasser derjenige . Faktor, der sich am deutlichsten in Gestalt

und Physiognomie der Pflanzen ausprägt. Wenn trotz der vielen Untersuchungen, die diese Tat-sache ausgelöst hat, die Probleme, die sich mit dem Schimperschen Begriffspaar „Xeromorphie— Hydromorphie" beschäftigten, noch keine so all-gemeinen Lösungen gefunden haben, daß sich ein-heitliche Gesetzlichkeiten daraus ableiten ließen, so liegt der Grund wohl darin, daß man den Wasserhaushalt zu sehr in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt hat. Wohl ist der Wasser-haushalt in vielen Fällen dafür maßgebend, daß be-stimmte Pflanzentypen diesen oder jenen Standort besiedeln; wie die Typen aber zustande gekommen sind, werden wir keinesfalls nur durch den Was-serhaushalt allein erklären können. Die modifika-tive Variabilität der Pflanzen, durch die sie uns bei geänderten Außenbedingungen in verschiede-ner äußerer Gestalt und anatomischer Struktur entgegentreten, ist letzten Endes Ausdruck des protoplasmatischen Geschehens. Hier ist der Knotenpunkt, in dem sich vielfältige chemische und physikalische Faktoren treffen und ihre Wir-kungen kombinieren. Ihre reinliche Trennung und vorsichtige Auswertung stellt dem Forscher keine leichte Aufgabe.

Die beiden letzten Jahrzehnte haben nun er-geben, daß neben dem Wasserfaktor vor allem auch chemische Faktoren am Zustandekommen morphologischer und anatomischer Veränderun-gen beteiligt sind. So hat z. B. W ö s t m a n n 1 ge-zeigt, welche anatomischen Veränderungen das Resultat verschiedener Kalium-Calcium-Ernäh-

rung sind und wie sich diese auf die Transpira-tion auswirken. Den tiefsten Einblick in die Be-ziehung zwischen Struktur und Ernährung ver-danken wir jedoch M o t h e s2 , der schon 1932 be-wies, daß durch N-Mangel xeromorphe Strukturen hervorgerufen werden.

In der vorliegenden Arbeit hatten wir uns zum Ziel gesetzt, zu untersuchen, welche physiologi-schen Veränderungen im Wasserhaushalt einer Pflanze eintreten, wenn sie durch Stickstoffmangel eine Umwandlung in ihrem anatomischen Bau er-fährt. Als Versuchspflanzen dienten Tradescantia viridis und Impatiens Balsamina, die zur Gewin-nung erbgleichen Materials als Stecklinge in feuchtem Quarzsand angezogen worden waren. Zur Ausführung der Versuche wurden diese Stecklinge dann in eine Nährlösung folgender Zu-sammensetzung übergeführt:

1000 g Aqua dest., 0,136 g K H 2 P 0 4 , 0,821 g Ca(N08)2, 0,120 g MgS0 4 , 0,506 g KN0 3 , 1 cm3 0,1-proz. Fe-Tartrat

Zu je 1 l dieser Lösung wurde 1 cm3 der H o a g -1 a n d sehen AZ-Lösung h inzugefügt , um eventuel le Mangelerscheinungen, he rvo rge ru fen durch Ausfa l l von Spurenelementen, zu vermeiden. F ü r die N-freie Lösung bzw. die Lösung mit Vio der normalen Stick-s toffgabe wurde die gleiche Zusammensetzung wie oben benutzt , nur wurden die Ni t ra te durch Chloride ersetzt .

Nachdem nun die Pflanzen einige Zeit in diesen drei Lösungen gewachsen waren, wurden sie zur Wei ter -un te r suchung verwendet . Zunächst wurde der N-Ge-hal t der Blät ter bestimmt, wobei fes tges te l l t wurde, daß er bei den N-Mangelpflanzen e twa die Hä l f t e des Kontro l lwer tes be t rug . Tab. 1 gibt h i e r f ü r einige Zahlen .

1 W ö s t m a n n , Jb . wiss. Bot, 90, 335 [1941/42]. 2 M o t h e s , Biol. Zbl. 52, 193 [1932].

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Stickstoffgehalt (mg) auf je 100 mg

Trockengewicht Tradescantia Impatiens

Kontrolle 4,8 5,0 1/10 Stickstoff . . . 3,0 3,3 Ohne Stickstoff . . . 2,3 2,1

Tab. 1. N-Gehalt der Blä t ter bei verschiedener Stick-s to f fe rnährung .

Die Stickstoff-Mangelpflanzen zeigten schon äußerlich eine erhebliche Sukkulenz, die sich im mikroskopischen Bild bei Tradescantia in einer starken Vergrößerung der Epidermiszellen, bei

Abb. 1. Transp i ra t ion von Tradescantia, bezogen auf 100 mg Frischgewicht . normale Kontrol lpf lan-zen, Pf lanzen mit Vio der normalen N-Gabe,

ohne Stickstoff gezogene Pflanzen.

unterbundener Wasserzufuhr. Wir erkennen, daß die N-Mangelblätter nach 3 Stdn. nur einen ge-ringen Bruchteil derjenigen Wassermenge ab-gaben, welche die Kontrollblätter transpirierten. Bezieht man die Transpiration nicht auf 100 mg Frischgewicht, sondern auf 100 mm2 Oberfläche, so sind die Unterschiede — infolge der geringeren Oberflächenentwicklung der N-Mangelblätter —

Abb. 2. Transp i ra t ion von Tradescantia, bezogen auf 100 mm2 Oberfläche. Kontrol len, N-

Mangelpflanzen.

0 1 2 3

Impatiens in einem beträchtlichen Anschwellen der Schwammparenchymzellen ausdrückte. Be-stimmte man den Sukkulenzgrad aus dem Verhält-nis von Oberfläche/Volumen, so erhielt man bei Tradescantia einen Kontrollwert von 0,14, bei den N-Mangelblättern jedoch von 0,34. Ähnlich war dies bei Impatiens, wo der Quotient bei den Kon-trollen 0,12, bei den N-Mangelpflanzen 0,3 betrug. Daß diese Sukkulenz nicht etwa auf die Chloride zurückzuführen war, welche bei N-Mangel die Nitrate ersetzten, ließ sich dadurch beweisen, daß sie auch in chlorid-freien Lösungen bei N-Mangel auftrat.

Zur Bestimmung der Transpirationsgröße wur-den die Blätter abgeschnitten, bei 15° C und 50% Luftfeuchtigkeit aufgehängt und alle 10 Min. mit einer Torsionswaage gewogen. Abb. 1 zeigt die großen Unterschiede in der Gewichtsabnahme bei

Abb. 3. Transp i ra t ion von Impatiens, bezogen auf 100 mm2 Oberfläche. Sonst wie Abb. 2.

nicht so kraß, aber die Transpiration der Normal-blätter ist auch hier noch doppelt so groß wie die der N-Mangelpflanzen (Abb. 2 u. 3).

Die Ursache dieser Transpirationsunterschiede kann in der kutikulären oder der stomatären Komponente der Transpiration liegen. Da beide Versuchsobjekte nur an der Blattunterseite Spalt-öffnungen tragen, läßt sich diese Frage leicht da-durch entscheiden, daß man einmal die Oberseite, einmal die Unterseite der Blätter durch Vaseline-überzug von der Verdunstung ausschaltet. In Abb. 4 und 5 sehen wir an einem derartigen Ver-

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such, daß das normal ernährte Blatt sehr viel stärker durch die stomata-führende Unterseite als durch die Oberseite transpiriert. Macht man jedoch bei den N-Mangelpflanzen denselben Ver-such, so zeigen sich nur geringe Unterschiede beim Bestreichen der Ober- oder Unterseite der Blätter mit Vaseline. Daraus erkennen wir aber,

min Abb. 4. Transp i ra t ion von Tradescantia, deren Blät-ter an der Ober- bzw. Untersei te durch Vaseline-

Überzug an der Wasserabgabe verhinder t waren. Transp i ra t ion der Untersei te eines normalen

Kontrol lb la t tes (Oberseite t r äg t Vasel ine-Überzug) . Kontrol lpflanze, Transp i ra t ion durch die Ober-

seite (un te re Epidermis t r ä g t Vasel ine-Überzug) . N-Mangelpflanze, Transpi ra t ion durch die

Untersei te . N-Mangelpflanze, Transp i ra t ion durch die Oberseite.

such. Sonst wie Abb. 4.

daß beim normalen Blatt die stomatäre Transpira-tion die kutikuläre bei weitem überwiegt, während beim N-Mangelblatt zwischen der kutikulären Transpiration der Oberseite und der stomatären + kutikulären der Unterseite nahezu kein Unter-schied besteht. Der Spaltöffnungsapparat spielt also bei Stickstoffhunger keine Rolle mehr, er ist irgendwie funktionsunfähig geworden.

Diese Tatsache ist um so mehr überraschend, als man nach anatomischer Betrachtung der N-Mangelblätter eher das Umgekehrte erwartet hätte. Schon M o t h e s hatte bei seinen Tabakblät-tern, die an N-Mangel litten, eine sehr starke Ver-

mehrung der Spaltöffnungen feststellen können, ein Verhalten, das seit langem als Kennzeichen für Xeromorphie bekannt ist. So hat z. B. nach K e l l e r 3 das xerophile Galium verum etwa 436 Spalte pro mm2, das hygrophile G. cruciatum 93. Die Nicotiana-Blätter besitzen nach M o t h e s etwa 130 Spalte/mm2 , die N-mangelleidenden Pflanzen 260 bis 280. Bei unseren Versuchspflan-zen war freilich die Zunahme der Spaltzahl bei Stickstoffmangel keine so beträchtliche wie in den soeben erwähnten Fällen, sie war jedoch auch hier immer sehr deutlich. Tab. 2 bringt hierfür einige Zahlen.

Kontroll-pflanze

N-Mangel-pflanze

Tradescantia Impatiens . .

29 105

39 121

i Tab. 2. Anzahl der Spal töf fnungen auf 1 mm2 Fläche

der Untersei te .

Zahlreiche Arbeiten, die sich mit der Transpira-tion der Xerophyten beschäftigt haben, konnten beweisen, daß die xeromorphen Pflanzen, entgegen älteren Angaben, eine gegenüber mesomorphen oder hygromorphen Pflanzen oft erheblich gestei-gerte Transpiration zeigen. Wir werden nicht fehlgehen, in der Vermehrung der Spaltöffnungen hierfür eine der wesentlichen Ursachen zu sehen.

Ganz anders verhalten sich nun unsere N-Mangelpflanzen, die trotz ihrer stark vermehrten Spaltzahl nahezu gar keine stomatäre Transpi-ration besitzen, eine Tatsache, au§ der wir er-kennen, daß Vermehrung der Spaltöffnungen pri-mär gar nichts mit der Transpiration, ja wahr-scheinlich auch gar nichts mit dem Wasserhaus-halt zu tun hat. Wie es freilich der N-Mangel be-wirkt, daß sich die Zahl der Spaltöffnungen ver-mehrt, wissen wir nicht; gegenüber der großen Anzahl von Untersuchungen, die sich mit der Funktion der Stomata beschäftigen, sind über-haupt unsere Kenntnisse über die Faktoren, die zur Entstehung der Spaltöffnungen führen, sehr dürftig, obgleich die große Variabilität der Spalt-zahl bei den meisten Pflanzen eine willkommene Voraussetzung fü r die experimentelle Analyse darstellt.

Betrachten wir noch einmal die Abb. 4 und 5, so erkennen wir in ihnen noch eine weitere interes-

» K e l l e r , J . Ecology 18. 224 [1925].

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sante Tatsache. Die Kurven zeigen uns nämlich, daß auch die kutikuläre Transpiration der N-Mangelpflanzen gegenüber den Kontrollen herab-gesetzt ist, und zwar so beträchtlich, daß kutiku-läre + stomatäre Transpiration bei den Mangel-pflanzen erheblich geringer ist als die kutikuläre Transpiration der Kontrollen allein. Wir sind also zu der Annahme gezwungen, daß durch den Stick-stoffmangel auch die Struktur der Zellwände be-einflußt wird. O . H ä r t e l 4 konnte zeigen, daß mit steigender Membranquellung die Kutikulartran-spiration abnimmt. Diese Tatsache, die im Gegen-satz zu den Erfahrungen über die Wasserabgabe gequollener Gelatine steht, erklärt Härtel damit, daß die Membrankolloide im gequollenen Zustand die Wegigkeit für das durchströmende Wasser herabsetzen und somit die Transpirationswider-stände erhöhen. WTir werden weiter unten sehen, daß das Plasma bei N-Mangel sich im Zustand großer Hydratation befindet. Nehmen wir dies auch für die Membranen an, so haben wir die Er-klärung für die herabgesetzte Kutikulartranspira-tion.

Wenn wir nun erkannt haben, daß unsere Ver-suchspflanzen trotz ihrer vermehrten Spaltenzahl bei N-Mangel keine stomatäre Transpiration mehr aufweisen, so zwingt uns dies zu der Annahme, daß die Stomata hier dauernd geschlossen sind und sich in einer Art Starrezustand befinden, der ein Öffnen der Spalte verhindert.

Daß diese Annahme zu Recht besteht, zeigt schon die Kollodiummethode. Fertigt man in der allgemein üblichen Weise Kollodiumabzüge von der Epidermis an, so kann man im Mikroskop so-fort erkennen, daß die Spaltöffnungen der N-Mangelpflanzen fast völlig geschlossen sind, wäh-rend sie unter den gleichen Bedingungen bei den Kontrollen weit offen stehen.

Die quantitative Erfassung der Unterschiede in den Öffnungsweiten der Stomata bei unseren Ver-suchspflanzen wurde durch Porometerversuche ermittelt. Die zahlreichen Tageskurven, die wir bei Kontroll- und N-Mangelpflanzen durchgeführt haben, stimmen so gut überein, daß wir uns auf die Wiedergabe je einer Tageskurve fü r Tradescan-tia und Impatiens beschränken können (Abb. 6 und 7). Betrachten wir zunächst den Verlauf der Porometerkurven im Tagesgang bei normal er-nährten Pflanzen, so sehen wir die wohlbekannte

4 0 . H ä r t e l , S.-B. Akad. Wiss. Wien, math.-natur-wiss. Kl. Abt. I, 156, 57 [1947].

Senkung am Morgen und den Anstieg gegen Abend, woraus wir erkennen, daß die Spalte über Tag weit geöffnet sind und sich bei beginnender Dunkelheit schließen (photoaktive Spaltenbewe-

Sek.

Abb. 6. Tradescantia, Porometerversuch. Tagesver lauf der Porometerzei t bei den normal e rnähr ten Kontrol-len (ausgezogene Kurve ) und den N-Mangelpflanzen

(gestr ichel te K u r v e ) .

Abb. 7. Impatiens, Porometerversuch (wie bei Abb. 6).

gung). Prüfen wir nun die Verhältnisse bei den N-Mangelpflanzen, so erkennen wir, daß ein der-artiger Tagesrhythmus auch hier sehr ausge-prägt ist; die absolute Größe der Porometerzeiten ist jedoch gegenüber den Kontrollen überaus ver-schieden. So entsprechen die minimalen Poro-meterzeiten, die etwa in die Mittagsstunden fal-

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len, bei den N-Mangelpflanzen etwa den maxima-len Werten der Kontrollen, die morgens und abends festgestellt wurden. Nun ist die Porometer-zeit keineswegs allein von der Öffnungsweite der Schließzellen abhängig, sondern in hohem Maße auch von der Größe des Interzellularvolumens, welches die L-uftwegigkeit beeinflußt5. Da sich in dieser Hinsicht auch bei Sonnen- und Schatten-blättern große Unterschiede ergeben haben, darf angenommen werden, daß Verschiedenheiten im Sukkulenzgrad ebenfalls Unterschiede im Inter-zellularvolumen und damit der Luftwegigkeit und Porometerzeit herbeiführen. Die von uns festge-stellten Differenzen in den Porometerzeiten bei normalen Pflanzen und N-Mangelpflanzen haben somit sicher zum Teil auch ihre Ursache in Ver-änderungen des Interzellularvolumens. Die direkte Beobachtung der Spalten im Mikroskop hatte je-doch ergeben, daß die Stomata bei N-Mangel immer nahezu völlig geschlossen sind, so daß wir trotzdem zur Annahme berechtigt sind, daß die Hauptursache der gefundenen Unterschiede der Porometerzeiten eben doch in den Spaltöffnungen selbst liegen. Wir dürfen also wohl sagen, daß die Stomata der N-Mangelpflanzen im Zustand ihrer maximalen Öffnungsweite jenem der nor-malen Pflanzen entsprechen, in dem diese sich im Zustand des Spaltenschlusses befinden.

Die Schließzellen der N-Mangelpflanzen sind also nicht völlig starr, ja, sie vermögen sogar noch in gewissem Umfange eine photoaktive Öffnungsbewegung durchzuführen; der erreichte maximale Öffnungsgrad ist jedoch gegenüber den Kontrollen ein überaus geringer.

Wie ist nun dieses eigenartige Verhalten der Schließzellen zu erklären? Haben sie die Fähig-keit verloren, in den Zustand der Vollturgeszenz überzugehen, der zur Öffnung der Spalte nötig ist, oder liegt die Ursache in einer Veränderung der micellaren Struktur der Zellwand, die ja nach Z i e g e n s p e c k 8 für die Spaltbewegung von großer Bedeutung ist? Diese Fragen mußten bis-her offen bleiben, da die Untersuchungen durch die Kriegsumstände abgebrochen werden mußten und noch nicht wieder fortgesetzt werden konnten.

Das schlechte Funktionieren des Spaltöffnungs-apparates bedingt fü r die N-Mangelpflanzen natür-lich eine Reihe schwerwiegender Schädigungen. So ist anzunehmen, daß durch die gehemmte C0o-

5 N i u s , Jb. wiss. Bot. 74, 33 [1931]. 0 Z i e g e n s p e c k , Mez Archiv 39, 268 [1938],

Zufuhr die Assimilationsleistung stark beeinträch-tigt ist, wenngleich diese auch auf anderem Wege, nämlich durch die bei N-Mangel schon lange be-kannte Chlorose der Blätter, zustande kommen dürfte. Jedenfalls bleibt das Trockengewicht der N-Mangelpflanzen gegenüber den Kontrollen stark zurück, wie Tab.3 zeigt:

1 Tradescantia

\ Impatiens

Kontrolle . . 10 9 1/10 N-Gabe 8 7,7 Ohne N . . . L 5 6,5

Tab. 3. Trockengewichte bei verschiedener N - E r n ä h -r u n g (mg auf 100 mg Fr i schgew. ) .

Auch die Aufnahme von Mineralstoffen ist in-folge der geringen Wasserdurchströmung stark eingeschränkt, und es ist interessant, zu beobach-ten, daß die Pflanze durch aktive Ausscheidung von Guttationswasser diesem Mangel abzuhelfen sucht. Beobachtet man nämlich die N-Mangel-pflanzen in den frühen Morgenstunden, so sieht man überall Guttationstropfen, die sich nach ihrem Verdunsten auch noch an dem CaC03-Rückstand erkennen lassen, während die Kon-trollen weder Guttation noch Kalkinkrustationen zeigen.

Die bisher beschriebenen Wirkungen des N-Mangels auf den Wasserhaushalt bezogen sich auf den Endpunkt der Kausalreihe, denn zwischen der mangelhaften N-Zufuhr und der geänderten anatomischen Struktur sowie der durch sie be-dingten physiologischen Leistung liegt eine lange Kette unbekannter Zwischenglieder. Es war für uns darum reizvoll, zu prüfen, ob sich N-Mangel nicht auch schon in einer Änderung plasmati-scher Eigenschaften selbst erkennen lasse. Schon S c h m i d t , D i w a l d und S t o c k e r 7 konnten ja an Avena-Sorten beobachten, daß N-Mangel eine Erhöhung der Plasmaviskosität zur Folge hat. Unsere Versuchspflanzen zeigten das gleiche Verhalten. Wurden Blattquerschnitte mit 0,6 -m. Rohrzuckerlösung plasmolysiert, so trat bei den Kontrollen schon nach 1 Stde. die völlige Abrun-dung des Protoplasten ein, während bei den N-M angelpflanzen die Plasmolyse krampfartig ver-lief und erst nach 3—4 Stdn. ihr Endstadium er-reichte.

7 S c h m i d t , D i w a l d u. S t o c k e r , P lan ta 31, 559 [1940].

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Wir verzichten hier auf die Erörterung der Frage, in welcher Weise durch den Stickstoff-mangel eine Erhöhung der Plasmaviskosität ein-tritt, da eine Beantwortung dieses Problems nur erfolgversprechend ist, wenn wir mehr darüber wissen, was durch N-Mangel im Protoplasma ge-schieht.

Dagegen erschien es uns erfolgversprechend, die Frage zu untersuchen, ob der N-Mangel auf dem Wege über die beobachtete Viskositätserhö-hung die Frostresistenz heraufsetze. Hatten doch K e ß l e r und R u h l a n d 8 zeigen können, daß er-höhte Viskosität — auf dem Wege über eine stär-kere Bindung des Wassers an die Kolloide des Plasmas — auch die Widerstandsfähigkeit gegen-über tiefen Temperaturen fördere.

Unsere Erwartungen, daß deshalb auch Stick-stoffmangel die Frostresistenz erhöhe, wurden nun völlig bestätigt. Je 20 Pflanzen der Kontrolle und der N-Mangelpflanzen wurden im Eisschrank 6 Stdn. verschieden tiefen Temperaturen ausge-setzt. Nach dieser Zeit wurden sie bei 20 0 C wei-ter beobachtet und auf ihre Vitalität geprüft. Das Ergebnis zeigt Tab. 4.

Wir erkennen daraus, wie sehr durch den Stick-stoffmangel die Frostresistenz gestiegen ist. So

Tempe-ratur

°C

Tradescantia Impatiens Tempe-

ratur °C

Von 20 Pflanzen erfroren

Von 20 Pflanzen erfroren

Tempe-ratur

°C normal bei N-Mangel normal bei N-Mangel

- 3 0 0 0 0 — 4 2 0 10 o - 4 , 5 11 0 15—20 0 - 5 , 5 20 2 20 0—5 — 6,5 20 8 20 5 - 1 2

! — 7 20 10 20 12 ! — 8 1

20 15 20 18

Tab. 4. Beeinf lussung der Fros t res i s tenz durch Stick-stoffmangel%

waren z.B. bei einer Temperatur von — 5,5°C von den Kontrollen beider Pflanzenarten schon sämtliche abgestorben, während von den N-Mangel-pflanzen erst etwa 10% erfroren waren.

Diese Beziehung zwischen Kälteresistenz und Stickstoffmangel wird durch gelegentliche Beob-achtungen an anderen Pflanzen bestätigt. So er-trugen Drosera-Arten (D.binata und spatulata), die eine reichliche Stickstoffdüngung erhalten hatten, einen Kälteeinbruch in den Münchner Ge-wächshäusern nicht, während die N-Hungerpflan-zen der gleichen Arten ohne Schaden davonkamen.

Zum Schluß sei noch die Frage gestreift, ob das Plasma bei N-Mangel auch direkt — also nicht auf dem Wege über anatomische Verände-rungen — die Wasserabgabe beeinflusse, so wie es auf die Kälteresistenz einwirke. Die Versuche von M o t h e s 9 , der an Phaseolus multiflorus feststellte, daß die Pflanzen, die durch 7-tägigen Dunkelaufenthalt eiweißarm geworden waren, rascher welkten und mehr Wasser verloren als die Kontrollen, scheinen zu unseren Versuchen in Widerspruch zu stehen, die ja gezeigt haben, daß bei N-Mangel die Wasserabgabe stark herabge-setzt ist. Dieser Widerspruch ist jedoch nur ein scheinbarer. Auch wir konnten z. B. an Fittonia argentea zeigen, daß Pflanzen nach 7-tägiger Dunkelheit erheblich mehr Wasser abgaben als die Kontrollen (nach 4 Stdn. 5,8 mg gegenüber 3,5 mg, auf die gleiche Fläche bezogen). Stickstoff-mangel kann sich eben auf den Wasserhaushalt ganz verschieden auswirken, je nachdem, ob aus-gewachsene Pflanzenteile sekundär ihren Stick-stoff verlieren, oder ob sie sich von vornherein unter N-Mangelbedingungen entwickeln und in anatomischer und morphologischer Hinsicht durch diesen Faktor beeinflußt werden.

8 K e ß l e r u. R u h l a n d , P lan ta 28, 159 [1938]. • M o t h e s , P l an ta 12, 686 [19311.