Untersuchung informationsstruktureller...

27
Untersuchung informationsstruktureller Perspektivierungssche mata in deutschen und ungarischen Erzähl- und Berichtstexten Bernadett Modrián-Horváth PhD-Dissertationsprojekt Österreichische Studierendenkonferenz Wien, 29. 11– 1. 12. 2013 Diese Forschung wurde mit der Unterstützung des Ungarischen Staates und der Ko-Finanzierung des Europäischen Sozialfonds verwirklicht, im Rahmen des Projektes TÁMOP 4.2.4. A/1-11-1-1012-0001 ’Nationales Excellenzprogramm’. 1

Transcript of Untersuchung informationsstruktureller...

Untersuchung

informationsstruktureller

Perspektivierungssche

mata in deutschen und

ungarischen Erzähl-

und Berichtstexten

Bernadett Modrián-Horváth PhD-Dissertationsprojekt

Österreichische

Studierendenkonferenz

Wien, 29. 11– 1. 12. 2013

Diese Forschung wurde mit der

Unterstützung des Ungarischen Staates

und der Ko-Finanzierung des

Europäischen Sozialfonds verwirklicht,

im Rahmen des Projektes TÁMOP 4.2.4.

A/1-11-1-1012-0001

’Nationales Excellenzprogramm’.

1

1 Vorstellung der Arbeit (noch: Work in progress; alle Kommentare

willkommen!)

Thema: Informationsstruktur > Topik/Thema

v.a. auf der Satzebene, aber unter Berücksichtigung textueller Phänomene (‚Diskurstopik’)

Theoretischer Hintergrund: funktionale Theorien (Einbettung der Sprache – Wichtigkeit des Kontextes; Adäquatheit der Beschreibung u.a. für mentale Phänomene, Prinzip der Perspektiviertheit der Sprache)

2

1.1 Zielsetzungen und

Methode Ausgangspunkt: Organisation der (Teil)Sätze

(clauses) in ganzheitlichen Schemata

‚Funktionskomplexe’ in Hoffmans (2003; 2013) Sinn – Wortstellung, Intonation und andere Faktoren gestalten gemeinsam bestimmte Schemata zur Perspektivierung (Darbietung) des Inhaltes

Feststellung der Schemata

Analyse in Korpora, unter Einbeziehung intonatorischer Aspekte

erwartete Ergebnisse (auf Grund theoretischer Überlegungen und Voruntersuchungen): Perspektivierungsunterschiede zwischen den untersuchten Textsorten

3

1.2 Aufbau der Arbeit 1. Einleitung (Themenangabe, Zielsetzung,

Methoden, theoretische Prinzipien geklärt)

2. Forschungsüberblick (Schwerpunkt: funktionale Ansätze)

3. Theoretische Grundlegung (Interpretationsrahmen; Topikbegriffe)

4. Vorstellung der informationsstrukturellen Schemata

5. Korpusanalyse

6. Diskussion der Ergebnisse 7. Zusammenfassung und Ausblick

4

1.3 Terminologie Informationsstruktur: komplexes Phänomen mit

verschiedenen Ebenen und Aspekten; höhere Ebenen: Sprechhandlungsebene, textuelle Organisation; Aspekte: kognitiver Status, Aboutness (‚Bezogenheit’), Perpektive/Ausgangspunkt

Teilsatz (clause): grundlegende Einheit der Informationsverarbeitung; elementare Analyseeinheit

Informationsstrukturelles Prädikat: (~ Fokus) informationsstruktureller Schwerpunkt des Teilsatzes, Aussagekern; ‚Inkorporation’ valenzgebundener oder nichtvalenzgebundener Elemente zur Sachverhaltsdarstellung (die Kinder <spielen auf dem Spielplatz>); notwendiger Bestandteil des Teilsatzes

5

Thema (Satzthema): Ausgangspunkt des

Teilsatzes (Halliday 1994);

Interpretationshilfe /-Instruktion für die

Satzverarbeitung; Satzanfang

Topik (Diskurstopik): Entität, die im Text

fortlaufend im Zentrum der

Aufmerksamkeit steht; Kontinuität typisch

(kontinuierliche explizite oder implizite

Bezugnahme)

6

2. Vorstellung der

informationsstrukturellen

Schemata

Informationsstrukturelle Schemata: Teilsatzebene der Informationsstruktur

Interpretationshilfe oder – Instruktion (vgl. instructions von Vallduví/Engdahl 1996)

Funktionskomplexe (Hoffmann 2003; 2013): gleichzeitige und gemeinsame Wirkung linguistischer Ausdrucksmittel; Konstruktionen (Goldberg 1995) – Form-Funktions-Paare

Funktion: bei der Perspektivierung von Teilsätzen

7

2.1 Komponenten

Wortstellung

Intonation

grammatikalisierte Satztypen –

wechselseitige Wirkung

Thematypen (Elemente am Satzanfang) Hallidays System mit Veränderungen

8

Thematypen - textuelle Themata: Konjunktionen,

Konkunktionaladverbien (dass, und, deshalb…)

- interpersonelle Themata: Modalwörter, Modalpartikeln, Vokative… (allerdings, wahrscheinlich)

- ‚topikale’ Themata

- Teilnehmer (im Sachverhalt nvolviert)

- Umstände (~ freie Angaben)

- Prozesse (~ Verben)

9

Änderungen

Satzbeginn mit dem informationsstrukturellen Prädikat: kein Thema Verben,

hauptakzentuierte inkorporierte Elemente

Textuelle Themata: höhere Organisationsebene nicht zu den

Satzthemata gerechnet

Interpersonelle Themata + Umstände: hier aus

technischen Gründen gemeinsam behandelt

als Rahmensetzungen; Übergangsschemata

10

2.2 Perpektivebegriff auf der

Satzebene

Thema als Perspektive/Ausgangspunkt:

Interpretationshilfe oder Instruktion; mit der

Satzinitialität verbunden (Halliday 1994, Welke

1993)

Frankreich grenzt an die Schweiz.

Die Schweiz grenzt an Frankreich.

Frage: Wo ist die Sparkasse?

Die Sparkasse ist direkt neben der Post.

# Die Post ist direkt neben der Sparkasse.

11

2.3 Perpektivebegriff auf der

Textebene Topik: nicht nur die Gesamtheit von

Koreferenzbeziehungen, sondern das Im-Vordergrund-Stehen von Entitäten (Hervorhebung als Figur im Textzusammenhang).

Sie hatte lange auf diese Begegnung gewartet und dafür einen beschwerlichen Weg auf sich genommen. Dublin war fast 150 Kilometer entfernt [Origo der Rekurssituation], und die Busse in dieses Dorf waren unbequem gewesen und hatten unmögliche Abfahrtszeiten [aus Bridas Perspektive]. Sie hatte früh aufstehen müssen, war drei Stunden gereist, hatte in der kleinen Stadt nach ihm gefragt, erklären müssen, was sie von diesem merkwürdigen Mann wollte. (COE)

außer Koreferenzbeziehungen: Faktoren wie Origoübertragung, direkte oder erlebte Rede oder Ausdrücke, die auf eine subjektive Einstellung hinweisen

12

2.4 Drei Grundschemata der

Satzperspektivierung

ableitbar aus den elementaren

Konzeptualisierungmöglichkeiten

(ganzheitliche vs. analytische

Verarbeitung) + Perspektivierung auf der

Textebene

a) Themasetzung (~ analytisch)

b) ‚All-new’-Schema (~ ganzheitlich)

c) Topikkontinuierungsschema

13

a) Themasetzung a. Marçal Gacho schiebt diskret den linken Ärmel seiner Uniformjacke nach oben, um auf die Uhr zu sehen, er ist beunruhigt, weil der Verkehr immer dichter wird und er weiß, dass es von nun an, wenn sie erst in den Industriegürtel kommen, immer langsamer gehen wird. Der Schwiegervater bemerkt seine Geste, schweigt jedoch dazu […] (SAR)

b. Marçal Gacho diszkréten följebb húzta bal karján a kabát ujját, órájára pillantott, szorong, mert fokozatosan sűrűsödik a forgalom, és mert tudja, hogy innentől fogva, amikor az Ipari Övezetbe érnek, csak nehezebb lesz. Apósa észrevette a mozdulatot, de nem szólt […]

14

Der Vater der Initiative, Thomas Minder, argumentierte, dass exzessive Zahlungen an Manager ethisch nicht zu vertreten seien und das Vertrauen in die Marktwirtschaft erschütterten. Die Zahlungen an die Konzernchefs im Jahr 2011 zeigen für ihn einmal mehr, dass die Verwaltungsräte der Konzerne die Kontrolle und das Augenmaß verloren haben. Linke, grüne und bürgerliche Politiker sowie Kirchenvertreter und Gewerkschaften unterstützten die Abzockerinitiative. Der parteilose Minder sitzt als Ständerat im Schweizer Parlament. (BER)

15

Szakértők egyöntetű véleménye azonban az, hogy ilyen helyzetben nem lehet választási győzelemről sem beszélni, hiszen a balközép vezető pártja, a Demokrata Párt (DP) a szavazók hét százalékát veszítette el az előző választásokhoz képest. (BER)

‚Die einstimmige Meinung von Experten ist, dass man in einer solchen Situation nicht von einem Wahlsieg sprechen kann, denn die führende Mitte-links-Partei, die Demokratische Partei (DP) verlor sieben Prozent seiner Wähler im Vergleich zu den früheren Wahlen.’ [eig. Übs.]

16

b) All-new-Schema Beginn mit dem informationsstrukturellen Prädikat (Verb,

inkorporiertes Element) oder dem ‚Horizontpronomen’ (Weinrlich 1993; ~ Expletiv)

~ ‚thetische Sätze’ (aber: breiter gefasst, keine logische sonder perspektivebezogene Interpretation)

a. Sogar der STADTrat wollte anrücken. (JON)

b. Elvesztette első helyét Karintiában Jörg Haider egykori pártja (BER) ‚Die ehemalige Partei von Jörg Haider hat ihren ersten Platz verloren’ [eig. Übs.]

c. Chuck HAgel ist der neue Chef im Pentagon (BER)

d. hogy elmúlt a terrorveszély ’dass die Gefahr durch Terror vorbei ist’ [eig. Übs.]

e. Es wird erwartet, dass dies mehrere Tage in Anspruch nimmt. (BER)

17

c) Topikkontinuierungsschema

(1) [Der Schwiegervater]Th [bemerkt seine Geste]IS Präd,

(2) [schweigt jedoch dazu]IS Präd+ TK.,

(3) [dieser Schwiegersohn]Th [ist zweifellos ein netter Kerl] IS Präd,

(4) [aber]textuelles Th [er ist nervös] IS Präd+ topikkont.,

(5) [gehört zum Schlag der ewig ruhelosen] IS Präd+ topkont

(6) [ist stets beunruhigt über den Lauf der Zeit] IS Präd+ topkont

(7) [selbst wenn] textuelles Th. [er zu viel davon hat] IS Präd+ TK […]

(SAR)

18

d) Übergangsschemata Thema: Rahmensetzung (i.w.S.); keine

Teilnehmer/Figur

Deutungspräferenzen (Aboutness vs. ganzheitliche Interpretation) – Vorkenntnisse, emotionale Bindung… -- individuelle Faktoren

In einer knappen Stunde sollte die Geburtstagsfeier im Gemeinschaftsraum losgehen. (JON)

Umgestaltung: in das All-new-Schema: Die GeBURTstagsfeier sollte losgehen / Es sollte die GeBURTstagsfeier losgehen.

Ungarisch: Ausgangspunkt: der Gemeinschaftsraum

präferierte Lesart: ganzheitlich, nicht eine Aussage über die Geburtstagsfeier

19

3. Korpusanalyse

Korpus: Erzähl- und Berichtstexte ca. 15.000 Textwörter, manuell verarbeitet

Erzähltexte: paralleles Korpus, Ausschnitte aus Romanen; Übersetzungen aus einer dritten Sprache

Berichtstexte: Multilinguales Korpus, Nachrichten mit denselben Themen, aus Nachrichtenportalen von öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern

Untersucht: Anfang von Teilsätzen (hier: von Konjunktionen und Subjunktionen abgesehen), und Intonation

20

3.1 Untersuchte Kategorien - Thema(setzung)

- Rahmensetzungselemente: Umstände und interpersonelle Themata

- Halbtextuelle Elemente: Konjunktionaladverbien und Relativa

- Vollfokussierte Sätze: Verberstsätze, Sätze mit Expletiva und Sätze mit einer hauptakzentuierten Phrase am Anfang

- Topikkontinuität: im Deutschen: schwache Pronomina am Satzanfang, Koordinationellipse und zu+Infinitive mit einer Intonationsphrase; im Ungarischen: Vollfokussierte Sätze mit morhologischer Markierung des Diskurstopiks

21

3.2 Ergebnisse: Berichtstexte

020406080

100120140160180200

189

71

32 52 63

188

78

40

69 53

Deutsch

Ungarisch

22

3.3 Ergebnisse: Erzähltexte

0

50

100

150

200

250

114

56 59 93

220

117 92

63 81

184

Deutsch

Ungarisch

23

4. Zusammenfassung der

Ergebnisse und Fazit parallele Tendenzen im deutschen und

ungarischen Korpus Perspektivierngsstrategien weitgehend von der Textsorte (und von den Hadlungszwecken) bestimmt – sehr enge Zusammenhänge mit den Themenentfaltungstypen (Unterschiede auch zwischen den einzenen Texten)

Berichtstexte: auffallend häufig Themasetzungen

Erzähltexten (bes. in narrativen Teilen): Topikkontinuierungsschema

Schemata: geeignet zur Beschreibung der Informationsstruktur als Perspektivierung (ein wichtiger Aspekt)

24

Quellen COE: Coelho, Paulo: Brida. Übs.: Nagy Viktória.

Athenaeum. Coelho, Paulo: Brida. Übs.: Klaus Schmotz.

JON: Jonasson, Jonas: A százéves ember, aki kimászott az ablakon és eltűnt. Übs.: Kúnos László. Athenaeum. Jonasson, Jonas: Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand. Übs.: Wibke Kuhn. Carl’s books.

SAR: Saramago, José: A barlang. Übs.: Lukács Laura. Palatinus. Saramago, José: Das Zentrum. Übs.: Marianne Gareis. Rowohlt.

BER: 2x11 Nachrichten aus den Nachrichtenportalen des ARD, ZDF und ung. MTV – ‚Ungarisches Fernsehen’

25

Literatur Eroms, Hans-Werner. 2000. Syntax der deutschen Sprache

Berlin [u.a.]: de Gruyter.

Goldberg, Adele. 1995. Constructions Chicago: The University of Chicago Press.

Hoffmann, Ludger. 2003. Funktionale Syntax: Prinzipien und Prozeduren. Funktionale Syntax. Die pragmatische Perspektive, ed. by L. Hoffmann, 18-121. Berlin: de Gruyter.

—. 2013. Deutsche Grammatik. Grundlagen für Lehrerausbildung, Schule, Deutsch als Zweitsprache und Deutsch als Fremdsprache Berlin: Erich Schmidt Verlag.

Vallduví, Enric & Elisabet Engdahl. 1996. The linguistic realization of information packaging. Linguistics 34.459-520.

Weinrich, Harald. 1993. Textgrammatik der deutschen Sprache Mannheim et al.: Dudenverlag.

26

Vielen Dank für die

Aufmerksamkeit!

27