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Unterstützung statt Risikomanagement Zur Aufgabenbestimmung der Bewährungshilfe im Spiegel der Professionalisierung Sozialer Arbeit Prof. Dr. Ralf Bohrhardt Hochschule Coburg

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Unterstützung statt Risikomanagement Zur Aufgabenbestimmung der Bewährungshilfe im

Spiegel der Professionalisierung Sozialer Arbeit

Prof. Dr. Ralf Bohrhardt Hochschule Coburg

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Veränderungen der Bwh?

Logik der Veränderungen?

Professionalisierung?

Andere Berufsgruppen?

Sozialer Wandel?

Kursbestimmung?!

1

2

3

Unterstützung statt Risikomanagement Zur Aufgabenbestimmung der Bewährungshilfe im

Spiegel der Professionalisierung Sozialer Arbeit

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Welche Aufgabe hat Soziale Arbeit?

Beruhigung des Gewissens

"Restebearbeitung"

Ermöglichung von Wohltätigkeit

Sicherung des sozialen Friendens

Verstecken des Elends

LotsInnentum

Wahlkampfmittel

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Welche Aufgabe hat Soziale Arbeit?

"The social work profession promotes social change, problem solving in human relationships and the empowerment and liberation of people to enhance well-being.“ (IFSW 2000)

Gesellschaft verändern Beziehungen stärken befähigen befreien

Positive Entfaltung von Menschen unterstützen.

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Professionalisierung Sozialer Arbeit

Gesellschaft verändern Beziehungen stärken befähigen befreien

Positive Entfaltung von Menschen unterstützen.

Ende der Fürsorge

Von der Fremd- zur Selbstbestimmung der Klient_innen

Von der Disziplinierung zur Partizipation

1 1

Wertrationalität

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Professionalisierung Sozialer Arbeit

Gesellschaft verändern Beziehungen stärken befähigen befreien

Positive Entfaltung von Menschen unterstützen.

Funktionalisierung Sozialer Arbeit

Von der Hilfe zum Dienst- leistungssystem

Die Idee vom "multiplen Mandat"

2 1

Wertrationalität

2

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Professionalisierung Sozialer Arbeit

Gesellschaft verändern Beziehungen stärken befähigen befreien

Positive Entfaltung von Menschen unterstützen.

Ökonomisierung

Vom Menschen zur Zielvariable

Von Unterstützung zum Management

Von der Beziehung zum Prozesscontrolling

3 1

Wertrationalität

3

2

Zweckrationalität

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Was ich verstanden habe …

Risikoorientierung | Worum es geht

Gearbeitet wird am Risiko, nicht am Menschen.

Im Fokus stehen Defizite, keine Stärken.

Der „Proband“ wird zunächst nach forensischen Kriterien in eine Schublade einsortiert. (Dittmann in Recht & Psychiatrie)

Gearbeitet wird mit einem psychologischen Modell der extern induzierten Verhaltensänderung.

Juristisch verstandene Kontrolle wiegt schwerer als „Hilfe“ und betont den Zwangskontext (Erhöhung von Reaktanz).

Die problematische Lebenssituation der Straffälligen wird als „behandelbares“ Unvermögen individualisiert, entpolitisiert, assesed und gemanaged und damit vermeintlich „beherrschbar“.

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Risikoorientierung | Worum es geht

Soziale Arbeit “Soziale Arbeit als Profession fördert den sozialen Wandel und die Lösung von Problemen in zwischenmenschlichen Beziehungen, und sie befähigt die Menschen, in freier Entscheidung [...] ihre gesamten Möglichkeiten zu entwickeln, ihr Leben zu bereichern“. (IFSW)

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Was ich verstanden habe …

Risikoorientierung | Worum es geht

Gearbeitet wird am Risiko, nicht am Menschen.

Im Fokus stehen Defizite, keine Stärken.

Der „Proband“ wird zunächst nach forensischen Kriterien in eine Schublade einsortiert. (Dittmann in Recht & Psychiatrie)

Gearbeitet wird mit einem psychologischen Modell der extern induzierten Verhaltensänderung.

Juristisch verstandene Kontrolle wiegt schwerer als „Hilfe“ und betont den Zwangskontext (Erhöhung von Reaktanz).

Die problematische Lebenssituation der Straffälligen wird als „behandelbares“ Unvermögen individualisiert, entpolitisiert, assesed und gemanaged und damit vermeintlich „beherrschbar“.

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Risiko 2

Risiko 3

Risiko 4

These 1

Risiko 5

Risikoorientierung | Worum es geht

De-Professionalisierung Das Konzept der ROB stammt aus der verhaltenstheoretisch orientierten Psychologie.

Die ROB folgt den Kontrollinteressen der Rechts- und Betriebswirtschaft

Soziale Arbeit unterstützt Menschen in der Komplexität und den Widersprüchlichkeiten ihres Alltags. Die Risikoorientierung droht den professionellen Kern Sozialer Arbeit aus der Bewährungshilfe zu verdrängen.

Risiko 1

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Soziale Arbeit als Profession

Wertvorstellung Life, Liberty, Happiness Government

Menschen sollen gesund sein.

Gesundheitspolitik (ICD, SGB V)

Krankenhaus (Versorgung)

Medizin

Pflege, Soziale Arbeit etc.

Präventions- kurse

etc.

Menschen sollen keine Opfer werden.

Kriminalpolitik (StGB, JVG, PolG)

Bewährungshilfe (§ 56d StGB)

Soziale Arbeit

Medizin, Psychologie etc.

Präventions- kurse

etc.

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Risiko 2

Risiko 3

Risiko 4

Risiko 1

Risiko 5

Risikoorientierung | Worum es geht

De-Professionalisierung Eine normative Formalisierung/Manualisierung von Handlungsabläufen unterläuft die professionelle Handlungsautonomie

Risiko 2

Bewährungshilfe wird zu einem verwaltungs- bezogenen Ausbildungsberuf (Fallsteuerung) oder einer „Psycho-Therapeutische Assistenz (PTA)“

Kontrollorientierte Deutungsmuster nehmen zu.

Mitbestimmunsmöglichkeiten nehmen ab.

Die Standardisierung führt zur De-Qualifikation der beruflichen Tätigkeit.

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Risiko 2

Risiko 3

Risiko 4

Risiko 1

Risiko 5

Risikoorientierung | Worum es geht

Nicht umsetzbar! Die notwendige „Behandlungsfrequenz“ ist nicht realistisch.

Die Dokumentationsdichte ist auch unter sozialtherapeutischen Gesichtspunkten kontraproduktiv.

Eine standardisiert-manualisierte risikoorientierte Bewährungshilfe bleibt unter realistischen Bedingungen reine Wunschvorstellung.

Risiko 3

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Risiko 2

Risiko 3

Risiko 4

Risiko 1

Risiko 5

Risikoorientierung | Worum es geht

Prozessverwirrung Die sytematische Trennung von Hilfe und Kontrolle ist weder theoretisch noch praktisch durchzuhalten.

Risiko 4

Jede Hilfe beinhaltet immer auch Kontrolle.

Kontrolle ohne Hilfe hilft dem Klienten nicht - und wäre entsprechend allenfalls Aufgabe der Polizei.

Freiwilligkeit und Motivation schwanken und machen eine kontinuierliche Prozesszuweisung unmöglich.

Notwendige Doppeldokumentation von Themen (z.B. Suchtberatung vs. Urinkontrolle)

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Risiko 2

Risiko 3

Risiko 4

Risiko 1

Risiko 5

Risikoorientierung | Worum es geht

Entsolidarisierung Die problematische Lebenssituation der Straffälligen wird als „behandelbares“ Unvermögen individualisiert

Risiko 5

Die Delinquenz verursachenden politischen Verhältnisse geraten aus dem Blick (Entpolitisierung)

Zunahme staatlicher Repressivität als Folge der Neoliberalisierung unserer Gesellschaft (Garland)

Nunmehr operationalisierbare Kontrolle auch der BewährungshelferInnen / spezialisierte Vergütungsklassen

Eine risikoorientierte Bewährungshilfe fördert die Entsolidarisierungstendenzen in unserer Gesellschaft.

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Professionelle Handlungsstandards

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Professionalisierung Sozialer Arbeit

Gesellschaft verändern Beziehungen stärken befähigen befreien

Positive Entfaltung von Menschen unterstützen.

Subjektzentrierung / Potentialentfaltung

Den Menschen als Ganzen sehen und schätzen

Definitionshoheit zurück- erlangen, politisch werden

4 1

Wertrationalität

3

2

Zweckrationalität

4

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Fokus 2

Fokus 3

Fokus 4

Fokus 1

Fokus 5

Subjektzentrierung | Eine Perspektive

Grundannahme In jedem Menschen steckt, so verschüttet sie auch sein mag, eine Kraft, die ihn von ganz alleine dazu bringt, sich so zu entfalten, dass er ein für sich und seine Umwelt befriedigendes Leben leben wird.

Bei vielen Menschen ist diese positive Entfaltungs-kraft durch ungünstige Bedingungen mehr oder weniger eingeschränkt oder in eine für sie abträgliche Richtung gelenkt worden.

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Fokus 2

Fokus 3

Fokus 4

Fokus 1

Fokus 5

Subjektzentrierung | Eine Perspektive

Resilienz statt Risiko Nicht "behandeln", "erziehen" oder "steuern", sondern Menschen um ihrer selbst willen stark machen; Entfaltungs- und Verwirklichungschancen ermöglichen, anregen und unterstützen

Nicht "protektive" Faktoren stärken, sondern Ressourcen zur Selbstentfaltung mobilisieren

Nicht Bewährungsauflagen durchsetzen, sondern unterstützen, eigene Ziele entwickeln und erreichen zu können

Fokus 1

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Fokus 3

Fokus 4

Fokus 1

Fokus 5

Subjektzentrierung | Eine Perspektive

Heilsame Beziehungen mit sich im Einklang sein

dem Klienten ermöglichen, sich ohne, dass er etwas dafür tun muss, postitiv beachtet und angenommen zu fühlen

den Klienten erfahren lassen, dass sich sein Gegenüber in seine Gedanken und Gefühle genauestens hineinversetzt und vielleicht sogar genauere Worte dafür findet, als sie ihm selbst zur Verfügung stehen

Fokus 2

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Fokus 2

Fokus 3

Fokus 4

Fokus 1

Fokus 5

Subjektzentrierung | Eine Perspektive

Konstruktive Kontrolle Keine Kontrolle um ihrer selbst willen!

Fokus 3

Kontrolle stets so gestalten, dass sie für den Klienten nützlich ist

Bei jeder Kontrolle auch Unterstützung anbieten

Kontrolle als Kontrolle der eigenen Intervention verstehen

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Fokus 2

Fokus 3

Fokus 4

Fokus 1

Fokus 5

Subjektzentrierung | Eine Perspektive

Ökologisch arbeiten Das Subjekt in seinen eigenen Sinnbezügen auf seine spezifische Umwelt / Lebenswelt erkennen und achten

Nicht nur mit den Klienten, sondern auch mit seiner Umwelt arbeiten (Gemeinwesenorientierung)

Positive Zugehörigkeiten mobilisieren (positive peer culture)

Meisterschaft ermöglichen / Generosität erleben lassen (Gruppenarbeit, Projekte)

Autonomie herstellen (restaurative justice)

Fokus 4

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Fokus 2

Fokus 3

Fokus 4

Fokus 1

Fokus 5

Subjektzentrierung | Eine Perspektive

Repolitisierung Sensibilisierung der Öffentlichkeit und politischer MandatsträgerInnen bezogen auf

Fokus 5

die verursachenden Verhältnisse von Delinquenz

den gesellschaftlichen Umgang mit Straffälligen

die Leistungen und Bedürfnisse des eigenen Berufsstands

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Bewährungshilfe

Risken managen oder Menschen ermutigen?

Prozesse controllen oder Menschen begleiten?

Probanden steuern oder Menschen in einer

professionellen Begegnung wachsen und nachreifen lassen?

'Behandlungspläne' abarbeiten oder in

unterstützenden Beziehungen ansprechbar und verlässlich sein?

Risikoorientierung vs. Subjektzentrierung