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Wie läuft die mündliche Kommu- nikation im Englischunterricht ab? Welchen Beitrag zum Lernerfolg leistet die Unterrichtsqualität? Das und noch mehr hat die DESI-Videostudie untersucht. Ergebnisse dazu und was man daraus lernen kann, stellt dieser Artikel vor. .ERNGRUPPE: Lehrkräfte IDEE: Überblick über Ziele, Anlage und Instrumente der DESI-Videostudie, Ergebnisse zu Unterrichtswirksam- keit , Sprechanteile, Unterrichts- sprache und Diagnosegenauigkeit , Ideen zur Arbeit mit Videotrans- kripten in der Lehrerausbildung METHODE: Analyse von Videotranskripten MATERIAL: worksheets 1 Transkript eines Unterrichtsausschnitts (S. 43) DER FREMDSPRACHLICHE UNTERRICHT ENGLISCH 90 I 2007 UNTERRICHT ANDREAS HELMKE / TUYET HELMKE/IRiS KLEINBUB/ IRIS NORDHEIDER/FRIEDRICH-WILHELM SCHRADER/ WOLFGANG WAGNER Di'e DESI-Videostudie Unterrichtstranskripte für die Lehrerausbildung nutzen Wir möchten in diesem Beitrag die Videostudie des Englischunterrichts vorstellen, die als Teil des DESI-Pro- jektes (Deutsch Englisch Schüler- l eistungen International) durchge- führt wurde. Diese Studie wurde im Auftrag der KMK als Ergänzung zu PISA von einem interdisziplinären Konsortium unter der Federführung des DIPF (Deutsches Institut für päd- agogische Forschung) durchgeführt. Ausführliche und methodisch an- spruchsvolle komplexe Anal ysen zur Rolle video basiert erhobener Merk- male des Englischunt erric hts sind Bestandteil des Ergebni sbandes zur DESI-Studie (Helmke, T., Helmke, A., Schrader et al. , in Druck). Dort sind auch genauere Angaben z ur Studie sowie Ergebnisse zu anderen Teilen der Un- tersuchung zu finden . Die DESI-Hauptstudie umfasste im Kern eine Längsschnitterhebung der Leistungen in den Fächern Deutsch und Englisch sowie lernrelevanter Schülermerkmale zu zwei Messzeit- punkten. Um Aufschluss über den Unterricht zu erhalten, wurden Lehr- kräfte sowie Schülerinnen und Schü- ler befragt. Die DESI- Videostudie ergänzt und vertieft die in der Haupt- studie gewonnenen Angaben zum Unterricht für das Fach Englisch. Nach einem Überbli ck über Ziele, Anlage und Instrumente der DES I- Videostudie berichten wir einige der interessantesten Ergebnisse zu den Themen Unterrichtswirksamkeit, Sprechanteile, Unterrichtssprache und Diagnos egena uigkeit. Absch li eße nd werden wir Ideen vorstellen, wie man die DESI-Videos für die Lehreraus- und -fortbildung nutzen kann. Anlage und Ziele der DESI-Videostudie In der DESI-Hauptstudie wurden in 427 Klassen all er Schularten zu Be- ginn und am Ende der 9. Klasse die Deutsch- und Englischleistungen er- hoben sowie z usätzlich Schüler- und I! Lehrerfragebögen e ingeset zt, unter anderem zum Unt erricht (für eine Übersicht der Fragebogeninhalte sie- he Helmkel Schrader IWagner IKliemel Nold/Scluöder, im Druck). In ca. einem Viertel der Gesamtstichprobe, näm- lich in 105 Klassen, fand zu sätzlich eine Videostudie des Englischunter- richts sta tt. KASTEN 1 (S. 38) veran- schaulicht das Design der Gesamtstu- die. Die Ziele der DESI- Videostudie lassen sich so zusammenfassen: Beschreibung und Analyse der rea- len Unterrichtspraxis, insbesondere bei Themen, die sich einer Befra- gung von Lehrkräften oder Lernern entzieh en (z. B. Wartezeiten, Mus- ter d er Le hrkraft-Lern er-Interakti- on oder Sprechanteile) oder für die ein mehrperspektivischer Ansatz, d. h. eine Erfassung des Unterrichts aus untersc hiedlicher Sicht (Beur- teilung durch Lehrkräfte, Schüler sowie externe Unterrichtsbeobach- terl sinnvoll erscheint. Gewinnung verhaltens bezogener, beobachtbarer Indikatoren der Un- terrichtsqualität, um so genauere Hinweise zu ihrer Rolle für die Ent- wicklung der sprachlichen Leis- tung en zu erhalten. Bestandsaufnahme der mündlichen Kommunikation im Unterricht. Um diese Ziele zu erreichen, eine möglichst hohe Repräsentativität der 37 I

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Wie läuft die mündliche Kommu­

nikation im Englischunterricht ab?

Welchen Beitrag zum Lernerfolg

leistet die Unterrichtsqualität?

Das und noch mehr hat die

DESI-Videostudie untersucht.

Ergebnisse dazu und was man

daraus lernen kann, stellt dieser

Artikel vor.

.ERNGRUPPE: Lehrkräfte

IDEE: Überblick über Ziele, Anlage und Instrumente der DESI-Videostudie, Ergebnisse zu Unterrichtswirksam­keit, Sprechanteile, Unterrichts­sprache und Diagnosegenauigkeit, Ideen zur Arbeit mit Videotrans­kripten in der Lehrerausbildung

METHODE: Analyse von Videotranskripten

MATERIAL: worksheets 1 Transkript eines

Unterrichtsausschnitts (S. 43)

DER FREMDSPRACHLICHE UNTERRICHT ENGLISCH 90 I 2007

UNTERRICHT

ANDREAS HELMKE / TUYET HELMKE/IRiS KLEINBUB/ IRIS NORDHEIDER/FRIEDRICH-WILHELM SCHRADER/

WOLFGANG WAGNER

Di'e DESI-Videostudie Unterrichtstranskripte für die Lehrerausbildung nutzen

Wir möchten in diesem Beitrag die Videostudie des Englischunterrichts vorstellen, die als Teil des DESI-Pro­jektes (Deutsch Englisch Schüler­leistungen International) durchge­führt wurde. Diese Studie wurde im Auftrag der KMK als Ergänzung zu PISA von einem interdisziplinären Konsortium unter der Federführung des DIPF (Deutsches Institut für päd­agogische Forschung) durchgeführt. Ausführliche und methodisch an­spruchsvolle komplexe Analysen zur Rolle videobasiert erhobener Merk­male des Englischunterrichts sind Bestandteil des Ergebnisbandes zur DESI-Studie (Helmke, T., Helmke, A.,

Schrader et al. , in Druck). Dort sind auch genauere Angaben zur Studie sowie Ergebnisse zu anderen Teilen der Un­tersuchung zu finden .

Die DESI-Hauptstudie umfasste im

Kern eine Längsschnitterhebung der Leistungen in den Fächern Deutsch und Englisch sowie lernrelevanter Schülermerkmale zu zwei Messzeit ­punkten. Um Aufschluss über den Unterricht zu erhalten, wurden Lehr­kräfte sowie Schülerinnen und Schü­ler befragt. Die DESI-Videostudie ergänzt und vertieft die in der Haupt­studie gewonnenen Angaben zum Unterricht für das Fach Englisch.

Nach einem Überblick über Ziele, Anlage und Instrumente der DESI­Videostudie berichten wir einige der interessantesten Ergebnisse zu den Themen Unterrichtswirksamkeit, Sprechanteile, Unterrichtssprache und Diagnosegenauigkeit. Abschließend werden wir Ideen vorstellen, wie man die DESI-Videos für die Lehreraus­und -fortbildung nutzen kann.

Anlage und Ziele der DESI-Videostudie

In der DESI-Hauptstudie wurden in 427 Klassen aller Schularten zu Be­ginn und am Ende der 9. Klasse die Deutsch- und Englischleistungen er­hoben sowie zusätzlich Schüler- und I!

Lehrerfragebögen eingesetzt, unter anderem zum Unterricht (für eine

Übersicht der Fragebogeninhalte sie­

he Helmkel Schrader IWagner IKliemel

Nold/Scluöder, im Druck). In ca. einem Viertel der Gesamtstichprobe, näm­lich in 105 Klassen, fand zusätzlich eine Videostudie des Englischunter­richts sta tt. ~ KASTEN 1 (S. 38) veran­schaulicht das Design der Gesamtstu­die. Die Ziele der DESI-Videostudie lassen sich so zusammenfassen:

• Beschreibung und Analyse der rea­len Unterrichtspraxis, insbesondere bei Themen, die sich einer Befra­gung von Lehrkräften oder Lernern entziehen (z. B. Wartezeiten, Mus­ter der Lehrkraft-Lerner-Interakti ­on oder Sprechanteile) oder für die ein mehrperspektivischer Ansatz, d. h. eine Erfassung des Unterrichts

aus unterschiedlicher Sicht (Beur­teilung durch Lehrkräfte, Schüler sowie externe Unterrichtsbeobach­terl sinnvoll erscheint.

• Gewinnung verhaltensbezogener, beobachtbarer Indikatoren der Un­terrichtsqualität, um so genauere Hinweise zu ihrer Rolle für die Ent­wicklung der sprachlichen Leis­tungen zu erhalten.

• Bestandsaufnahme der mündlichen Kommunikation im Unterricht.

Um diese Ziele zu erreichen, eine möglichst hohe Repräsentativität der

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Die Videostudie im Kontext der DESI-Hauptstudie

Hauptstudie, Welle 1 Videostudie Englisch in 105 Klassen Hauptstudie, Welle 2 in 427 Klassen in 427 Klassen

Leistungstests LeistungstestsVideografieEnglisch, Deutsch Englisch, Deutsch des

Englischunterrichts Fähigkeitstests

je eine Stunde ­ Intelligenz mit sprachlernbezogenem Lesegeschwindigkeit

und interkulturellem Schul- und Sprachbiografie Schülerfragebogen

Schwerpunkt Leistungsstatus Schülerfragebogen

Leistungsstatus Lernstrategien Lernmotivation

Motivation U[lterrichtsqualität direk1 nach der Videografie: Lernstrategien

- Lehrerinterview Unterrichtsqualität - Schülerkurzfragbogen Familäre Lernumwelt

Interkulturelle Einstellung

Lehrerfragebogen Lehrerfragebogen Klassenkontext f--: Sprach biografie Ziele, Standards, Ausbildung Lehrmethoden

:- ­ Leistungsbeurteilung Diagnostische Kompetenzen Umgang mit Fehlern

--1 Elternfragebogen

Unterrichtsvideografie zu gewährleis­

ten und die Akzeptanz nicht unnötig

einzuschränken, galten die folgen­

den Vorgaben:

• Pro Klasse wurden zwei Unter­

richtsstunden aufgezeichnet, die

zwei unterschiedliche Themen­

schwerpunkte aufweisen sollten:

ein stärker sprachlernorientiertes

Thema und ein interkulturelles Thema, In diesem Beitrag diffe­

renzieren wir nicht zwischen die­

sen beiden Stunden,

• Die inhaltliche und methodische

Ausgestaltung dieser beiden Stun­

den blieb der Lehrperson überlas­

sen, Es wurde lediglich darauf hin­

gewiesen, dass die Schülerinnen

und Schüler oft zum freien Spre­

chen kommen sollten, deswegen

seien Inhalte wünschenswert, zu

denen möglichst alle Schülerinnen

und Schüler der Klasse etwas bei­tragen können,

• Da es aus technischen Gründen

nicht möglich war, Sprachäuße­

rungen von Kleingruppen simultan

aufzuzeichnen, sollte diese Lehr­form (ebensowenig wie z, B.Stillar­

beitsphasen, die für die Videogra­

fie nicht ergiebig sind) zumindest nicht im Vordergrund stehen,

Auswertung der Videos Die Auswertung der videografierten Unterrichtsstunden erfolgte auf zwei

Ebenen: Zum einen wurde die Ge­

samtstunde betrachtet, zum ande­

ren einzelne Äußerungen. Von jeder

Stunde lagen zwei Videoaufzeich­

nungen vor: eine aus S.icht einer der

Lehrkraft folgenden "Lehrerkame­ra" und einer den gesamten Unter­

richtskontext filmenden" Klassenka­mera".

Der erste Schritt der Auswertung

war die Erstellung eines Transkripts,

also einer Abschrift aller verbalen

Äußerungen. Das Transkript dient

dazu, die späteren Kodierungen zu

erleichtern. Grundlegende Kodierun­

gen sind bereits auf dieser Basis mög­

lich (z. B. Sprechanteile, gesprochene Sprache, Funktion der Lehreraktivi­

tät). In manchen Fällen muss aber die visuell-akustische Information hinzu­

gezogen werden, um eine eindeuti ­

ge Kodierung vornehmen zu können.

Dies gilt insbesondere für nonver­

bale und paraverbale Aspekte der

Kommunikation, die Gegenstand ei­

ner noch nicht publizierten vertiefen­

den Analyse der DESI-Daten sind.

Die erste und wichtigste Analyse­

strategie ist eine "Basiskodierung " des gesamten Unterrichtsgeschehens. Da die verbalen Äußerungen von

Lehrpersonen oft sehr lang und facet­

tenreich sind, erschien es uns unange­

messen, den" turn" (Sprecherwech­sel) als Analyseeinheit zu verwenden.

Die DESI-Videostudie geht deshalb

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UNTERRICHT

noch eine Ebene tiefer als die bisheri­ge videobasierte Unterrichtsforschung und analysiert einzelne Äußerungen (Sätze oder Satzfragmente). Zunächst haben wir eine zeitbasie rte Basisko­dierung wichtiger Beschre ibungsdi­mensionen des Unterrichts (z . B. de r Häufigkeit von Schüle rfehle rn und

des Umganges damit) vorgenommen. Dabei gingen wir von de n Kategori­

en des COLT ("communicative orien­

tation of language teaching" , Spada/

Fröhlich, 1995). eines in der Forschung zum Fremdsprachenunterricht häu­fig eingesetzten Beobachtungsver­fahrens, aus, adaptierten die Katego­rien dieses Verfahrens und ergänzten sie durch eigene Konstrukte. Für alle Analysen auf Schulklassenebene werden die auf Mikroebene - Basis dafür sind einzelne Äußerungen (Sät­ze oder Satzfragmente) - erhobenen Daten über die gesamte Stunde hin­weg zu Prozentwerten aggregiert. Je nach Fragestellung können dabei zeit- oder häufigkeitsbasierte Maße verwendet werden. Ein Beispiel: • Verbale Interaktion der gesamten

Klasse: Wer spricht zu wem? Wel­che Sprache wird genutzt (Eng­

lisch , Deutsch, gemischt)? Was ist Gegenstand der Äußerung (lehr­inhaltsbezogen, disziplinbezogen, organisatorisch, sozial)?

• Verbale Interaktion der Lerner: Länge der Schüleräußerung (Ein­wort-Äußemng, Satz fragment, gan­

zer Satz, Satzunterbrechung durch Lehrkraft) , Art der Äußerung (Wie­

derholen , Ablesen, Sprech en nach Vorgabe, freies Sprechen), Richtig­

keit der Schüleräußerung • Verbale Interaktion der Lehrkraft:

Funktion der Lehreraktivität (Dar­stellung, strukturierender Hinweis, Frage, Anweisung, Aufforderung), Funktion der Lehrerreaktion (Hilfe­stellung, Rückmeldung, Fehlerbe ­handlung, Se lbstbeantwortung), Charakteristika der Frage (Antwort­spielraum, sprachliche Komplexität der geforderten Antwort, Authen­tizität, Le benswe ltbezug), Gehalt der Lehrerrückmeldung (informa ­tiv und affektiv). Umgang mit Feh­lern (wie , wann wurde welche Feh­lerart korrigiert?)

f)

Kategorien des Rating-Bogens der DESI-Videostudie

Zielorientierung · Einbezug möglichst aller Schüler (Vorgabe der DESI-Videostudie)

· Kommunikation (Schaffung von Sprechanlässen und Gesprächssituationen im Unterricht)

· Anregung von Lern- und Denkstrategien

· Eingehen auf Lern- und Verständnisschwierigkeiten

· Anregung anspruchsvoller, weiterführender Themen

· Berücksichtigung von Korrektheit

· Berücksichtigung von Flüssigkeit

Klarheit · Klarheit/Kohärenz (Inhaltsaspekt)

· Prägnanz der Lehrersprache (Sprachaspekt)

Strukturiertheit · Systematischer, sachlogisch geordneter Stundenauf­bau

· Previews, Zusammenfassungen, Reviews

· Hervorhebungen und Hinweise (cues)

· Herstellung von Verknüpfungen; Reaktivierung oder Schaffung von Vorwissen für nachfolgende Unter­richtsinhalte

Lenkung · Engführung

· Schülerorientierung

Klassenführung und Zeitnutzung

· Aufgabenorientierung

· Unterrichtsplanung und Zeitmanagement

· Störungsfreiheit; Kontrolle

Unterrichtsklima, Beziehungsqualität

· Sozialklima; Empathie , Emotionalität

· Humor

Fehlerklima · Umgang mit Fehlern (Lehrerseite)

· Fehlerklima (Schülerseite)

Motivierungsqualität · Lehrerengagement

· Schülerengagement

· Lebensweltbezug und Authentizität

· Ermutigung/Anregung von Schüleräußerungen

Variation/Passung · Variation des Unterrichts

· Anforderungsniveau

Lehrersprache · Sprechweise

· Aussprache

· Wortschatzsicherheit

· Grammatiksicherheit

· Inhaltliche Korrektheit

Diese Basiskodierung wurde durch Beurteilungen auf der Ebene der ge­samten Stunde ergänzt.

Die Ausprägung von Merkmalen der Lehrer-Schüler-Interaktion, der Unterrichtsqualität und der Lehrer­sprache wurde von trainierten Urtei­le rn (bei DESI überwiegend Anglis­tikstudie rende höherer Semester) mit Hilfe eines Rating-Bogens beurteilt. Grundlage dieses Bogens sind The­orien und Ergebnisse der internati ­

onalen Unterrichtsforschung (Helm­

ke 2006) und die in diesem Kontext,

z. B. in der "Münchner Studie" (Helm­

ke / Schrade r 1993) entwickelten Beob­achtungsinstrumente , ergänzt durch Ansätze aus der Fachdidaktik (insbe ­

sondere Spada/Fröhlich 1995). ~ KASTEN 2 (oben) führt die wichtigsten Kategori­en des Rating-Bogens auf. Die einzel­nen Qualitätsbereiche sowie die Ant­wortkategorien sind dort detailliert beschrieben, in beobachtbare Indika­toren übersetzt und anhand von Bei­spielen erläutert.

39DER FREMDSPRACHLICHE UNTERRICHT ENG LI SCH 90 I 2007

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Sprechanteile und Unterrichtssprache Lehrkraft! Lerner

Unterrichtssprache Englisch 84 %

Lehrperson spricht 51 % Schüler/in 23 %

Unterrichtssprache Englisch 76 %

Keine mündliche Sprachproduktion 26 %

"~ G: gemischt (5 %)

U: unverständlich (5 %)1

Geschätzte versus reale Lehrkraftsprechanteile

Q) 40:@ ~ 35 .c Q) 30....J

Qj 251:)

2 20 ccx: 15Qj <ii 10:J C Q) 5N e

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Sprechanteil der Lehrkraft an der gesamten Sprechzeit D Selbsteinschätzung

• tatsächlicher Anteil

Ergebnisse

Wir berichten im Folgenden aus­gewählte Ergebnisse der Videostu­die, ohne an dieser SteHe zum For­

schungsstand und den leitenden Hypothesen im Einzelnen Stellung nehmen zu können. Obwohl die Teil­nahme an der Videostudie selbstver­

ständlich freiwillig war, unterschei­den sich die DESI-Video-Klassen im Leistungsstand nicht signifikant von Nicht-Teilnehmern an der Videostu­die, so dass sich diesbezüglich keine Einschränkungen der Verallgemein­erbarkeit ergeben. Alle hier berichte­

ten Ergebnisse sind entsprechend der Vorkommenshäufigkeit der verschie­denen Bildungsgänge gewichtet, las­sen sich also auf Englischunterricht in der 9. K!assenstufe verallgemeinern.

Schulart - oder bildungsgangspezifi­sche Ergebnisse sind nicht Gegen­stand dieser Darstellung.

Unterrichtswirksamkeit Welche Bedeutung haben die video­basiert erhobenen und in -+ KASTEN 2 (S. 39) gelisteten Unterrichtsmerkma­le für den Lernerfolg der Schüler? Hier möchten wir uns auf die Entwicklung der Hörverstehensleistung beschrän­

ken, bei der die größten Unterschie­de zwischen Schulklassen festzustel­len waren . Besonders relevant für den Kompetenzzuwachs im HÖlver­stehen sind die folgenden Merkmale, wobei das zuers t genannte Merkmal hat den höchsten Erklärungswert hat. Das Vorzeichen symbolisiert, ob das Merkmal die Entwickiung des Hör­verstehens beeinträchtigt (-) oder för­deTt (+). Zu einigen dieser Merkmale werden anschließend deskriptive Er­gebnisse berichtet. - Nicht-fachlicher Unterrichtsgegen­

stand, z. B. Äußerungen organisa­torischer oder privater Art

- Lehrkraft spricht im Unterrichtsge­spräch Deutsch (allerdings zeigten sich in anderen Kontexten, z . B. bei Übergängen, entgegen der Erwar­tung keine oder sogar positive Be­ziehungen zwischen der Verwen­dung der deutschen Sprache und dem Zuwachs der Hörverstehens­leistung)

+ Sprechanteil für Lerner (egal in welcher Sprache)

+ Sprechen nach Vorgabe (Vor- und Ablesen, Nachsprechen)

+ Selbstkorrektur von Fehlern + Lerner sprechen Englisch + Wartezeit nach Lehrerfragen - Lerner antworten in Ein-Wort-Sätzen + Vorlesen eigener (Schüler- ) Texte + gleicher Lerner spricht mit Lehr­

kraft (Lehrkraft-Lerner-Dialoge über vier und mehr Stationen)

Sprechanteile und Unterrichtssprache In -+ KASTEN 3 (S. 40) sind die Sprechan­teile der Lehrkraft sowie die der Ler­ner nach der verwendeten Sprache aufgeschlüsselt: Englisch, Deutsch, gemischt ("code switching") sowie

"unverständlich" bzw. "nicht zu­zuordnen" (dazu gehört bei den Lehrkräften z. B. das Nennen von Schülernamen , das keiner Sprache zuzuordnen ist). Der größte Teil (84 %)

aller im Unterricht zu findend en

Lehreräußerungen erfolgt auf Eng­lisch. Wenn Lerner zu Wort kommen, dann sprechen sie in 76% der Fälle Englisch. Jedoch sprechen Lehrkräf­te im Durchschnitt mehr als dop­pelt so lange wie ihre Schülerinnen und Schüler zusammen. Das restli-

DER FREMDSPRAC HLICHE UNTERRICHT ENGLISCH 90 I 2007 40

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ehe Viertel der Zeit ("keine mündli­che Sprachproduktion") umfasst Ak­tivitäten wie Still- oder Einzelarbeit, Übergänge, Vorbereitung von Medi­en oder Wartezeit. Bei eier Interpre­tation des hohen Sprechanteils von Lehrkräften ist allerdings zu beach­ten, dass Gruppenarbeit Partnerar­

beit und Einzelarbeit in den gefilm­ten Stunden vermutlich seltener als im Unterrichtsalltag vorkamen.

Geschlechtsunterschiede Die Anlage der Videostudie ermöglicht es auch, Geschlechtsunterschiede im beobachtbaren Verhalten zu unter­suchen, also z. B. der Frage nachzu­gehen , ob Mädchen - gemessen an ihrem prozentualen Anteil an der Klasse - im Englischunterricht aktiver sind (häufiger aufgerufen werden,

mehr sprechen) als Jungen. Wie hier nicht näher ausgeführt werden kann, ist die zunächst nahe liegende Lösung, den Sprechanteil der Mäd­chen einfach durch den Mädchenan­teil zu dividieren, aus methodischen Gründen problematisch. Stattdessen muss ein komplexerer Index gebildet werden, um adjustierte, d. h. um die jeweilige Geschlechtszusammenset­zung der Klasse bereinigte Sprech­anteile zu erhalten. Legt man e in sol­ches Maß zugrunde, dann erhält Dlan ein Ergebnis, das insofern interessant ist, als es die Leistungsergebnisse er­gänzt. Dort hatte sich am Ende der 9. Klasse ein bedeutsamer Vorsprung der Mädchen herausgestellt, am höchsten bei der schriftlichen Sprach­produktion (Textrekonstruktion und Schreiben) und am geringsten beim Hörverstehen. Eine Erklärung für die vergleichsweise geringe Überlegen­heit der Mädchen beim Hörverste­hen könnte sein, dass Mädchen im Unterricht weniger sprechen und so in Kommunikationssituationen weni­

ger Sprechgelegenheiten erhalten. In der Tat findet sich in unserer Untersu­chung bei entsprechender Adjustie­rung ein geringerer Sprechanteil der

Mädchen im Unterricht: Setzt man die Sprechzeit der Jungen mit 100'10

an, so haben die Mädchen im Ver­gleich zu den Jungen durchschnittlich nur einen Sprechzeitanteil von 88 'Yr,.

DE R FREMDSPRACHLICHE UNTERR ICHT ENGLISCH 90 I 2007

Der Sachverhalt, dass ein geringerer Sprechanteil der Mädchen mit hoher Wahrscheinlichkeit durch einen hö­heren Höranteil (in Situationen, in de­nen die Jungen sprechen) kompen­siert wird, bleibt offensichtlich olme positiven Einfluss . Zwischen den Bil­dungsgängen zeigen sich keine be­deutsamen Unterschiede (Haupt­schule: 94 % , Realschule: 88%, und Gymnasium: 88 % ).

Wie gut können Lehrkräfte ihre Sprechanteile einschätzen? Eine für die Unterrichtsentwicklung wichtige Frage ist, in welchem Maße sich Lehrkräfte eigentlich bestimmter Merkmale ihres eigenen Unterrichts bewusst sind. Bei DES! \-vurden die Lehrkräfte deshalb unmittelbar nach der videografierten Unterrichtsstun­de u . a. danach gefragt, welcher An­teil der gesamten Sprechzeit dieser Stunde in etwa auf das eigene Reden entfallen sei. -t KASTEN 4 (S. 40) zeigt, dass Lehrkräfte insgesamt gesehen, d. h. über alle Klassen hinweg, ihre ei­gene Sprechzeit unterschätzen. Etwa ein Drittel der Lehrkräfte schätzt den eigenen Anteil an der Sprechzeit als eher gering ein, hier festgemacht an einem Wert von höchstens 40'Yo

- solch geringe Sprechquoten kom­men jedoch laut Videostudie in kei­nem einzigen Fall vor.

Wartezeit nach Lehrerfragen Aus der Unterrichtsforschung fBorich 2000) wissen wir, dass angemessene Wart.ezeiten ein wichtiges lernförder­liches Element des Unterrichts sein können. Untersuchen lässt sich diese Frage nur mit Verfahren, die den Ver­lauf der Lehrer-Schüler-Interaktion in Echtzeit erfassen. Entsprechende Analysen wurden in der deutschspra­chigen Unterrichtsforschung unseres Wissens bisher nicht durchgeführt.

Wenn eine Frage nicht spontan (d . h. innerhalb eines Toleranzinter­valls von drei Sekunden) beantwortet wird, haben Lehrkräfte verschiede­

ne Möglichkeiten zu reagieren: Hil­festeIlung geben, eine andere Frage stellen, das Frage-Antwort-Spiel ab­brechen, im Stoff weitergehen, die an die Lerner gerichtete Frage selbst be-

Das Thema "Working with words" findet Anne besonders spannend

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antworten. In ca. 40% der Fälle ent­scheiden sich Lehrkräfte für eine die­ser Möglichkeiten. Sie können jedoch auch warten, also der gefragten Schü­lerin oder dem gefragten Schüler Zeit geben, um eine Antwort zu überle­gen. Dies passiert allerdings nur in ca. 11 % der Fälle.

Die Transkripte nutzen

Zur Wahrung des Datenschutzes war es bei der Ziehung der DESI-Stich­probe erforderlich, die schriftliche Einwilligung der Eltern einzuholen. Um den Erfolg der DESI-Videostu­die nicht zu gefährden, haben wir bei dem Genehmigungsverfahren davon abgesehen, die Eltern zu bitten, zu­sätzlich zur Teilnahme ihres Kindes an DESI auch noch einer über die Auswertungen im Rahmen des For­schungsprojektes hinausgehenden Nutzung der Vicleoaufzeichnungen (für Wissenschaft, Lehreraus- und ­fortbildung) zuzustimmen. Dies hätte dazu führen können, dass ein größe­rer Teil der Eltern keine Einwilligung gegeben hätte, und damit das vor­zeitige Ende der gesamten Videostu­die bedeuten können. Im Nachhin­ein ist es wahrscheinlich unmöglich, alle Eltern der damals an der Video­studie beteiligten Lerner komplett aufzuspüren und sie um eine vveiter­gehende Genehmigung zur Nutzung der Videos zu bitten. Jedoch können wir Interessenten Transkripte der vi­deografierten Unterrichtsstunden zur Verfügung stellen. Diese stellen eine so reichhaltige Fundgrube für vertie­fende Analysen beispielsweise zum "clGssroom discourse" dar (vgl. Caz­den 1986), dass es schade wäre, dieses Potenzial ungenutzt zu lassen.

Transkripte wie das in ~ WORKSHEET

1 (S. 43f.) ermöglichen einen direkten Zugriff auf die reale Unterrichtsitua­tion. Sie können eine 'Nichtige Basis sein um zu zeigen, welchen Sprach­stand Lerner der 9. Klasse tatsäch­lich aufweisen. Denn für Lehrkräfte stellt die Beurteilung solcher Schüler­leistungen ein bisher nicht befriedi­gend gelöstes Problem dar. Wie Zyda­tiß (1998) beklagt, "fehlt es bei uns

zurzeit noch an sachlich angemes­senen und politisch konsensfähigen Prüfungsformen für das mündliche Ausdrucksvermögen ". Er hält "sach­gerechte Kriterien für die kommuni­kationsbezogene Charakterisierung der Sprechfertigkeit sowie operatio­nalisierbare und administrable Kri­terien der Beurteilung mündlicher Leistungsprofile, etwa Flüssigkeit, Höflichkeit, Akzent, Idiomatik sowie Fehlergewichtung" für nötig. Solche Beurteilungen lassen sich schon an­hand von verschriftlichten Äußerun­gen vornehmen.

Transkripte können viel über die Lehrenden selbst aussagen, über ihre Einstellungen und Werthaltun­gen, über subjektive Theorien, Welt­bilder und Selbstverständnis. Analy­sierte man z. B. die Äußerungen der Lehrkräfte in den Stunden mit inter­kulturellem Schwerpunkt, so ließen sich sicherlich Kulturvorstellungen extrahieren, auf die Lehrende bei ih­ren Erklärungen zurückgreifen, mög­licherweise ohne sich dessen selbst bewusst zu sein. Ebenso interes­sant wäre es zu beobachten, auf wel­chen Sprachbegriff das verbale Ver­halten der Lehrpersonen schließen lässt (vgl. Edmondson 1998) und wie sie sich Lernern gegenüber kommu­nikativ verhalten (ob sie z. B. höflich sind, selbst eine Meinung vertreten, an der Meinung der Lerner interes­siert sind oder ihre Fragen selbst be­antworten). Schließlich wäre zu un­tersuchen, wie gut das Englisch des Lehrenden eigentlich ist - nicht nur bei teils fachfremd unterrichtenden Lehrkräften eine berechtigte Frage:

Nach Krashen kann man "compre­

hensible input als den wichtigsten Faktor des Spracherwerbs bezeich­nen (zit. n. Butzkamm 1998: 46). Deshalb appelliert Butzkamm: "Lehrer dürfen sich nicht der Pflicht, Muster und Mo­dell eines fremdsprachlichen Kom­munikationspartners abzugeben, mit der Ausrede entziehen, es gelte zur Selbstständigkeit zu erziehen" (Butz­kamm 1998: 52).

Die verhaltensnahen Indikatoren der Unterrichtsqualität können mit Hilfe der Transkripte konkretisiert und veranschaulicht werden, wenn

beispielsweise Studierende und Lehr­amtsanwärter angeregt werden, die Rolle von "Unterrichtsbeobachtern " zu spielen. Ausgesuchte Passagen der Transkripte wie der Unterrichts­ausschnitt auf ~ WORKSHEET 1 (S.43f.) dienen hierbei als Anschauungsmate­rialien, auf deren Grundlage neural­gische Punkte der Unterrichtsführung und -kommunikation thematisiert so­wie "typische Fallen" identifiziert werden können, z. B.

• Sprechanteile LehrkraftlLerner: Welche Lehreräußerungen sind lernförderlich und nötig, welche kann man zugunsten des Schüler­sprechanteils kürzen? Wie entsteht eine Engführung der Kommunika­tion und wie kann ich das als Lehr­kraft verhindern? Wie formuliere ich Fragen, Arbeitsaufträge, Im­pulse etc. so, dass ich den Lernen­den Sprechanlässe eröffne?

• Zielklarheit und Verständlichkeit: Wie lassen sich Arbeitsaufträge präzise und prägnant formulieren?

• Code-switching: Wie häufig wird die Sprache im Unterricht gewech­selt? Wann kann nicht mehr von ei­

nem "einsprachigen Englischun­terricht" gesprochen werden? An welchen Stellen des Unterrichts ist ein code-switching der Lernenden zu tolerieren? Wann ist - im Hin­blick auf die Lernvoraussetzun­gen der Lerngruppe - das Eng­lische einzufordern? Wie können Lehrkräfte bei unangemessenem code-switching der Lernenden in­tervenieren und zum Gebrauch der Fremdsprache motivieren?

• Classroom phrases: Welche c1ass­room phrases werden von Lehren­den und Lernenden genutzt? Wel­che weiteren phrases könnte man einführen, um den Sprechanteil der Lernenden zu erhöhen?

• Umgang mit Fehlern: Wie geht die LehrkraH mit Fehlern um? Welche Möglichkeiten gibt es, um Selbst­korrektur und Peer-Korrektur zu initiieren?

• Rückmeldespektrum: Welche Formulierungen sind für positive und negative Rückmeldungen geeignet? Wann sind strukturie­rende Äußerungen des Lehrenden

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UNTERRICHT

und/oder der Lernenden im Unter­

richtsverlauf sinnvoll? Wie können

sie formuliert werden?

Die Transkripte können als frucht­

bare Vorlage für Unterrichtsminia­

turen genutzt werden. Methodisch

dienen sie als Textvorlage, anhand

derer sowohl angemessene Beispie­

le für Unterrichtshandeln und Unter­

richtskommunikation identifiziert als

auch Korrekturen und Modifikatio­

nen vorgenommen "verden können.

Lehrkräfte in Ausbildung überarbe i­

ten die Transkriptvorlage nach obe n

genannten Fragestellungen, gestal­

ten die Unterrichtssituation im Rol­

lenspiel nach und überpr üfen sie auf

ihre Wirkung hin. Neben dem analyti­

schen ist ein handelnder Umgang mit

den Transkripten hierbei ausdrück­

lich erwünscht und verspricht inter­

essante Einsichten in den Lehrberuf

und eine Sensibilisierung für verhal­

tensnahe Indikatoren der Unterrichts­

qualität. Lernerfolge sind somit auch

bei dieser Zielgruppe sowohl indirekt

durch eine Intensivierung der Beob­

achtungs- und Analysefähigkeit in

Hospitationssituationen als auch di­

rekt durch Reflexion eigener Unter­

richtspraxis zu erwarten.

Literatur Borich, G. D. (2000): Eiieclive TeacJring Melhods.

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Andreas Helmke Universität Koblenz-Landau, Carnpus Landau

Tuyet Helmke, Iris Kleinbub, Iris Nordheider, Friedrich-Wilhelm Schrader, Wollgang Wagner Universität Koblenz-Landau, Carnpus Landau

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Transkript eines Unterri,chtsausschnitts

Dieses Transkript gibt einen Ausschnitt aus einer Unterrichtsstunde in einer Realschule wider.

Die Abkürzungen bedeuten: L = Lehrkraft, K = Klasse, S =

(a) = abgelesene Texte, 11 = Unterbrechung.

L Okay, so

2 K (L schreibt an die Tafel)

3 L Now, I would like you to write down five

things that come into your mind when you

hear either 'The USA' or 'The Americans'!

Just take a piece of paper and write down

five items for each!

4 K (Gemurmel, Klasse beginnt mit Aufgabe)

5 L Soll

6 S Drei Stück habe ich hingekriegt.

7 L Ja, it's okay.

8 L Eh, for those who came a bit later: Please

write down on a piece of paper five items

which fit here and five items wh ich fit here!

Ja?

9 L You can write down nouns, verbs,

adjectives, whatever you want. Ja?

10 L USA, the Americans. Ja?

SchülerlSchülerin, (u) = akustisch unverständlich,

11 L The USA: country, the Americans:

the people.

12 L Andll

13 S IIFrau (u)?

14 L YO UI didn't understand? Really not?

15 L When you hear: The USA, whatever comes to

your mind!

16 L I don't know.

17 L When you hear: The Americans, what do you

spontanously think?

18 L Ja?

19 S (Sollen wir) was mit Freiheit schreiben?

20 L Whatever comes to your mind, I'm interested in

whatever comes to your mind.

21 L Andl while you're doing this, 1'11 give you two

sheets of paper. Ja?

22 L While you're doing this.

23 L No, no, you just write it on the paper.

Page 8: UNTERRICHT IRIS NORDHEIDER/FRIEDRICH-WILHELM … · noch eine Ebene tiefer als die bisheri ge videobasierte Unterrichtsforschung und analysiert einzelne Äußerungen (Sätze oder

-Ql 24 S Ja ja! Das passt schon. 70 L Okay, so (u) some things that you lound out. Ql

..c: CI3

25 L Or in your book. 71 L What about the Americans , the people? ~... 26 K (Klasse bearbeitet Aufgabe, L teilt Blätter 72 L Peter! 0

== aus) 73 S President.

27 S (u)? 74 L Mhm. 00 you know the name?

28 L The Americans are the people, the USA ... 75 SSBush.

weil , what comes to your mind when you 76 L Good , good. President Bush.

think of the Americans? 77 L What else?

29 L What do you think - just - I don't know. 78 S Street gangs.

30 S (u) 79 L Mhm. Street Gangs. Good .

31 L Mhm? 80 S Eh ­ filmstars .

32 S (u) 81 L Mhm. Eh - filmstars.

33 L Yes please. 82 L Anything else?

34 K (Klasse bearbeitet Aufgabe, 83 S Fat ... lat people.

L teilt Blätter aus) 84 L Fat people? Aha. Interesting.

35 S (u)? 85 L Is there anybody who has 'fat people' as weil?

36 L Mh? 86 L Nicole? Mhm, good.

37 S (u) ? 87 L What else?

38 L Was fällt dir ein, wenn du (u) , ganz einlach, 88 S Many rich people.

was kommt dir da in den Sinn? 89 L Yes, many rich people.

39 S (u) ? 90 S Poor people.

40 L Nee, USA: the country, the Americans: the 91 L Yeah, I think, we could write both, you 're right.

people. 92 L Many rich people.

41 L It's a bit different. 93 L Okay. So there are quite a lot 01 things that

42 K (Klasse bearbeitet Aufgabe, come to your mind when you think 01 America.

L teilt Blätter aus) 94 L Have you ever heard 01 the expression 'the

43 S Stimmt das hier? American dream'? ... The American dream?

44 L Es gibt nicht richtig oder laiseh, was immer 95 S Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

du schreibst, ist was du halt meinst. 96 L Ja, I think it has something to do with it.

45 S (u) hinschreiben bei Americans? 97 L Please take your worksheet with the heading:

46 L Ja, just one word or live words . The American dream.

47 K (Klasse bearbeitet Aufgabe, L teilt restliche 98 L Now, task one: What do you und erstand by the

Blätter aus) expression? (a)

48 L So, now what did you write? 99 L You have lour solutions.

49 L Let's start with the USA! 100 L a) the American dream. (a)

50 L Peter! 101 L Is it the idea that a) in America everyone can

51 S The Statue 01 Liberty. become president? (a)

52 L Oh right! Statue 01 Liberty. 102 L Or is it b) America will rule the world someday? (a)

53 L Anybody else got that? 103 L Or is it c) Americans will be the lirst to live on

54 L Okay. Statue of Liberty. the moon? (a)

55 L What else? 104 L Or is it d) Americans and American Indians will

56 S Ground Zero. live in peace? (a)

57 L Aha, Ground Zero. 105 L So what do you think is ­ eh - the idea 01 the

58 L Did anybody else write Ground Zero? American dream?

59 L Aha, World Trade Center, . . . mhm, 106 L Which of these four possible solutions?

... all right. 107 L What do you think?

60 S Fast Food. 108 L Who would choose solution

61 L Mhm. USA or Americans? a) Anyone can become president?

62 S USA. 109 L Who would choose solution

63 L USA. b) America will rule the world?

64 L Okay, what else? 110 L c) First on the moon?

65 S American Football. 111 L So, you are all for d)? Really?

66 L Mhm, American Football. 112 L What do you think Werner?

67 L And the last one? 113 L What, what is the most - weil - sensible one?

68 S Empire State Building. 114 L What, what do you think is ... ?

69 L Mhm. 115 L Ja?

Page 9: UNTERRICHT IRIS NORDHEIDER/FRIEDRICH-WILHELM … · noch eine Ebene tiefer als die bisheri ge videobasierte Unterrichtsforschung und analysiert einzelne Äußerungen (Sätze oder

CI

116 L So nobody for a)? Cl) -Cl)

117 L Is that right? .c: In

.:..:: 118 L Nobody for b)? Ja?

119 L The correct solution is a) ,In America anyone .... 3:

can become President, which means :

Everyoneliving in America has equal oppor­

tunities , has not even the same rights, but

can also weil become even president. Ja?

120 L In California the American Dream has

become true for somebody.

121 L Who am I talking about?

122 L Yes?

123 S Arnold Schwarzenegger?

124 L Yes, Arnold Schwarzenegger.

125 L Why?

126 L Nicole?

127 S He is Gouverneur.

128 L Mhm, right.

129 L He has become governor of the very

important state of California.

130 L Now Arnold Schwarzenegger, who has

never heard the name?

131 L So you all know who he iso

132 L What do you know about him?

133 L Where was he born?

134 L Michael?

135 S He was born in Austria.

136 L Right, he was born in Austria and/I

137 S Illn der Schweiz.!1

138 L Il ln Switzerland? No, I ... I thought it was

Austria.

139 L But it' s quite close to Austria.

140 L So not a big difference.

141 L So, he was born in Austria.

142 L Eh - what was his big hobby?

143 L Where was he really good at?

144 S (u).

145 L Mhm. He was a bodybuilder, good.

146 L And he was not even - eh - not only a

normal bodybuilder but?

147 L He even got a title.

148 S Mister Universum.

149 L Ja? Whoever?

150 S Mister Universum.

151 L Yes. He once was Mister Universe.

152 L And - yeah, what did he do then?

153 L He left Austria, where did he go and why?

154 S To Hollywood .

155 L Mhm.

156 L And why?

157 S He wanted to become a filmstar.

158 L Yes he wanted to become a filmstar.

159 L And did he succeed?

160 L Ja Thorsten?

161 S (u).

162 L Yes Terminator ... his Terminator films - eh - got

very successful.

163 L Eh - do you know by the (u) the lirst that made

him really famous?

164 S Conan der Barbar.

165 L Mhm, ja I think you 're right, Conan der Barbar.

166 L Who saw it?

167 L Is he good?

168 L Okay, so Mister Schwarzenegger started as a

bodybuilder, a very good bodybuilder, then he

became a very successful filmstar and now he

even became governor of California.

169 L Eh - what do you know about his personal

situation, about his family?

170 L Do you know if he's married?

171 L Ja Bernd?

172 S Yes I think.

173 t Ja he is married.

174 L Has he got children?

175 L Ja? Two children?

176 L Actually I'm not quite sure, I just know he's mar­

ried .

177 L What about his financial situation.

178 L What do you think? Mh?

179 L As far as I know he 's one - or he is the best

paid actor in America.

180 L So really very successful.

181 L Good , can he go on filming or making films as

governor, what do you think?

182 L Nicole? Ja, you think so?

183 L I don ' t think, I think he will be too busy, right.

184 L So can you think 01 other examples for the

American Dream come true?

185 L Are there any other people in America who have

started Irom very poor and become very suc­

cesslul?

186 L Any idea?

187 L Somebody?

188 L Actors , popstars?

189 L Ja Michael?

190 S Keanu Reeves war vorher ein Pizzabäcker.

191 L Aha, Keanu Reeves started as a . .. ja

pizzacook, baker.

192 L What else, anybody else?

193 S Clint Eastwood war Hausmeister.

194 L Aha, Clint Eastwood, caretaker before he

started his career.

195 L Anybody else?

196 L All right.