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Unsere Schule spricht viele Sprachen Leitfaden für die Freizeitpädagogik

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Unsere Schule spricht viele SprachenLeitfaden fuumlr die Freizeitpaumldagogik

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InhaltVorwort Stadtrat Juumlrgen Czernohorsky 5Vorwort Geschaumlftsfuumlhrer Mario Rieder 7Das Potential der Freizeit paumldagogik fuumlr den Spracherwerb 8

Kapitel 1 Interessante Daten amp Fakten zu Mehrsprachigkeit 10

Kapitel 2 Spracherwerb bei mehrsprachigen Kindern 1221 Das Einmaleins der Mehrsprachigkeit ndash

Erklaumlrungen zu gaumlngigen Definitionen 1222 Warum es grundsaumltzlich nie falsch ist Mehrsprachigkeit zu foumlrdern 1523 Spracherwerb zuhause 17

Kapitel 3 Sprachgebrauch im schulischen Kontext 1831 Code-switching und Code-mixing 1832 Dominante und schwache Sprache 2033 Gesellschaftliches Prestige der Sprachen 2134 Interferenzen und Lerntransfer 2235 Sprachbewusstsein foumlrdern eine Methode die viel bewirkt 24

Kapitel 4 Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein 2641 Wenn Kinder untereinander in einer

anderen Sprache als Deutsch sprechen 2642 Wenn Kinder Sie in Ihrer Erstsprache ansprechen 2843 Wenn Kinder offensichtlich ungute Dinge zu jemanden

in einer Sprache sagen die Sie nicht verstehen 3044 Wenn SchuumllerInnen die in Deutsch noch schwach sind

ausgegrenzt werden 30

Kapitel 5 Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren 3251 Ein Erklaumlrungsversuch ndash warum die Foumlrderung und Anerkennung

sprachlicher und soziokultureller Diversitaumlt in Frage gestellt wird 3252 Argumentationslinien und moumlgliche Positionen im Austausch

mit KollegInnen Eltern KlassenlehrerInnen und DirektorInnen 34

Kapitel 6 Weitere Uumlbungs- und Anwendungsideen 37

Kapitel 7 Empfehlungen 39

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Sprachen sind die Schluumlssel zur Welt Durch sie koumlnnen sich Kinder und Erwachsene mit anderen Menschen verstaumlndigen Beziehungen eingehen Beobachtungen teilen Dinge beschreiben und erklaumlren Beduumlrfnisse aumluszligern Miss-verstaumlndnisse klaumlren streiten und loben

Sprachen sind nicht nur ein Mittel zur Kommunikation sondern auch ein Werkzeug um das eigene Leben aktiv zu gestalten Mithilfe von Sprachen wird Wissen erworben und vermittelt ndash und das nicht nur in Schulfaumlchern wie Deutsch und Englisch

Mehrsprachigkeit ist ein groszliger Schatz und eine groszlige Bereicherung fuumlr jeden Menschen In einer Welt die von internationaler Vernetzung gekennzeichnet ist und in einer Stadt die vielfaumlltig und offen ist wird es immer wichtiger mehrsprachig zu kommunizieren Fuumlr eine erfolgreiche Bildungslaufbahn ist Mehrsprachigkeit die moumlglichst fruumlh ansetzt ein entscheidender Grundstein Dazu muumlssen mehrsprachliche Begegnungsraumlume geschaffen werden denn Spracherwerb ist kein abstrakter Lernprozess sondern Ergebnis zwischenmenschlicher Interaktion

Dieser Leitfaden soll mit dazu beitragen den Wert von Mehrsprachigkeit in allen Lebensbereichen ndash speziell auch in der Freizeitpaumldagogik ndash zu heben und Kinder zu ermutigen ihre vielfaumlltigen Sprachkompetenzen auch aktiv einzusetzen Denn wie kompetent Kinder Sprachen nutzbar machen koumlnnen beeinflusst ihre Bildungschancen und damit auch ihren weiteren Lebensweg

Juumlrgen CzernohorszkyStadtrat fuumlr Bildung Integration Jugend und Personal in Wien

Juumlrgen Czernohorszky

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Es ist unsere gemeinsame Aufgabe im Bildungsbereich Kinder und Jugendliche fuumlr das Leben in einer offenen vielfaumlltigen und vielsprachigen Stadt wie Wien zu befaumlhigen und zu staumlrken

Das bedeutet auch bdquoKinder und Erwachsene die bereits mehrsprachig sind nicht einsprachig zu machen sondern ihre Sprachen und sprachlichen Faumlhigkeiten zu nutzen und zu erweitern und das bedeutet zum andern auch einsprachigen Kindern fruumlh einen Zugang zu Mehrsprachigkeit zu eroumlffnenldquo (Hans-Juumlrgen Krumm Sprachlehr- und -lernforscher)

Unser Ziel sollte daher sein das gemeinsame Lernen und Arbeiten in der Schule so zu gestalten dass Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit mit allen damit verbundenen Erscheinungen wie Sprachenwechseln und Sprachenmischen von PaumldagogInnen und Kindern als Normalitaumlt und nicht als Ausnahme- oder Problemfall empfunden und gelebt werden

Wir als BiM ndash Bildung im Mittelpunkt verfuumlgen durch unsere eigene Vielsprachigkeit und Interkulturalitaumlt durch die Vielfalt der sprachlichen und kulturellen Erfahrungen unserer PaumldagogInnen uumlber ein wertvolles Potenzial das wir dafuumlr einbringen koumlnnen und sollen Und wir koumlnnen auch durch den eigenen Umgang mit unserer jeweils individuellen Erst- Zweit- oder Fremdsprachigkeit diese Normalitaumlt von Mehrsprachigkeit und Sprachenvielfalt vorleben Damit jedes Kind sich mit seinen Kompetenzen und Faumlhigkeiten seinen Erfahrungen und Lebenswelten willkommen wahrgenommen und gestaumlrkt fuumlhlt

Dieser Leitfaden mit den darin enthaltenen Informationen und Handlungsvorschlaumlgen soll dabei in der taumlglichen paumldago-gischen Arbeit im gemeinsamen Arbeiten mit anderen Paumldago-gInnen und im Kontakt mit Eltern unterstuumltzen und ermutigen

Mario RiederGeschaumlftsfuumlhrer BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbH

Mario Rieder

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Eine sprachsensibel gestaltete Freizeitpaumldagogik kann einen entscheidenden Beitrag zur guten Sprachentwicklung von Kindern leisten Kinder lernen Sprache besonders gut in einer entspannten und freundlichen Atmosphaumlre Gerade in der Freizeit koumlnnen PaumldagogInnen den Spracherwerb besonders gut unterstuumltzen Die Lernmomente sind in den Kontext von Spielen eingebettet die PaumldagogInnen sind nicht an einen Lehrplan gebunden und koumlnnen die Foumlrderung der Sprachkompetenzen je nach Dynamik der Gruppe frei gestalten und sie koumlnnen Mehr-sprachigkeit ganz explizit in ihre Didaktik einbauen da sie keine festgelegten Lernziele erfuumlllen muumlssen Diese offene Arbeit mit den Kindern ist die ideale Voraussetzung dafuumlr ganzheitlich alle Sprachkompetenzen der Kinder in ihrer jeweiligen Spezifik wahrzunehmen und entsprechend gezielt zu foumlrdern

Dieser Leitfaden hat das Ziel als Hilfestellung Orientierung und Ideenpool zu dienen sowie PaumldagogInnen im schulischen Freizeitkontext langfristig im Umgang mit Mehrsprachigkeit zu professionalisieren

Wird der sprachliche und kulturelle Reichtum der aus gelebter Mehrsprachigkeit entsteht in der Gruppe spuumlrbar gemacht werden die SchuumllerInnen in ihrer sprachlichen Entwicklung dauerhaft gefoumlrdert

Der Leitfaden gibt einen Uumlberblick zur Sprachentwicklung von mehrsprachigen Kindern und erklaumlrt wichtige Situationen aus dem Sprachgebrauch die in der Schule haumlufig vorkommen Auch herausfordernde Situationen die sich durch die Mehrsprachigkeit der SchuumllerInnen ergeben koumlnnen werden beleuchtet und es werden moumlgliche Loumlsungsansaumltze geboten

Es werden Ideen fuumlr vielseitige Uumlbungen und Spiele fuumlr die Betreuungszeit vermit-telt die mit kreativen Methoden das Sprachbewusstsein der Kinder wecken Dadurch wird die Sprachbildung der SchuumllerInnen unterstuumltzt und Freude und Lust auf Sprache vermittelt

Zum Thema Zweisprachigkeit und Mehrsprachigkeit halten sich leider immer noch viele falsche Vorurteile Deshalb ist es ein weiteres Ziel des Leitfadens bereits vorhandene erwerbsfoumlrdernde Ansaumltze und die eigene Position in Bezug auf die Foumlrderung von Mehrsprachigkeit argumentativ zu staumlrken und Vorurteile zu entkraumlften

Als Verfasserin des Leitfadens ist es mir wichtig Angst und Druck von den Paumldago-gInnen zu nehmen und stattdessen Moumlglichkeiten zu eroumlffnen entspannt und mit Freude an die vielen Sprachpotentiale der Kinder heranzugehen

Mag1012833 Zwetelina OrtegaSprachwissenschaftlerin und Expertin fuumlr Mehrsprachigkeit

Die Terminologie In diesem Leitfaden wird der Begriff Mehrsprachigkeit verwendet um die Situation an den Wiener

Schulen an denen viele unterschiedliche Sprachen zusammenkommen konzeptuell zusammenzufas-sen Wir verstehen den Begriff als einen weit gefassten der der Diversitaumlt innerhalb der Mehrsprachig-keit Rechnung traumlgt Mehrsprachigkeit begegnet uns gesellschaftlich und individuell in vielen unterschiedlichen Facetten Angefangen von verschiedenen Formen der Bilingualitaumlt aber auch wenn Kinder mit mehr als zwei Sprachen aufwachsen wenn sie mit unterschiedlichen Varianten einer Sprache also zthinspB Standardsprache und Dialekt groszligwerden wenn sie zwei Erstsprachen haben und eine weitere Zweitsprache bzw eine Drittsprache sprechen etc Denn gelebte Mehrsprachigkeit kennt sehr viele Erscheinungsformen

Wir werden immer wieder auf konkrete Situationen eingehen um die Theorie zu veranschaulichen dabei werden wir oft von kindlicher Bilingualitaumlt ausgehen Es sind darin aber auch alle weiteren Erscheinungsformen von Mehrsprachigkeit einbegriffen

Nutzen fuumlr alle An mehreren Stellen im Leitfaden geben wir konkrete Uumlbungs- und Spielideen Alle Uumlbungen und

Spiele sind so gewaumlhlt dass die gesamte Gruppe daran teilnehmen kann Das heiszligt auch Kinder die nur mit Deutsch groszlig werden Die Uumlbungen werden auch fuumlr sie nuumltzlich sein Damit kann Mehrsprachig-keit in der Freizeitbetreuung gefoumlrdert werden aber auch das Sprachbewusstsein und die Fremdspra-chenerfahrung der SchuumllerInnen Das kommt der gesamten Gruppe zugute

Inhaltliche Anmerkungen

Mag1012833 ZwetelinaOrtega

Das Potential der Freizeit-paumldagogik fuumlr den Spracherwerb

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Wien

WUSSTEN SIE hellip

Quelle Statistik Austria

Kapitel 1

Interessante Daten amp Fakten zu Mehrsprachigkeit

Spielend mehr erfahren uumlber Sprachenvielfalt Auf der Webseite des bdquoEuropean Centre for Modern Languagesldquo finden Sie Spiele und Uumlbungen mit denen Sie das Wissen der Kinder uumlber Mehrsprachigkeit erweitern koumlnnen httpsedlecmlat

Wenn Sie spielerisch das Thema bdquoMinderheitensprachenldquo aufgreifen wollen finden Sie auf folgender Website der Europaumlischen Kommission viele Ideen und Materialien httplanguage-diversityeu

Auch zu den oumlsterreichischen Dialekten lassen sich spannende Spiele anwenden Material dazu finden Sie hier httpsbildungbmbwfgvatschulenunterrichtoedpdf61edf0

Auf der Welt

WUSSTEN SIE hellip

Oumlsterreich

WUSSTEN SIE hellip

hellip dass es auf der Welt zwischen 6000 und 7000 Sprachen gibt die von 7 Milliarden Menschen in 189 un abhaumlngigen Staaten gesprochen werden

hellip dass zur Familie der germanischen Sprachen

zu der das Deutsche gehoumlrt auch folgende

Sprachen zaumlhlen Daumlnisch Norwegisch

Schwedisch Islaumlndisch Niederlaumlndisch Englisch

und Jiddisch

hellip dass die meisten Sprachen in Asien und Afrika gesprochen werden

hellip dass schaumltzungsweise 60ndash70thinsp der Weltbevoumllkerung bilingual oder mehrsprachig ist Das heiszligt weltweit ist Mehrsprachigkeit die Regel und nicht die Ausnahme

hellip dass in der oumlsterreichischen Verfassung folgende sieben Minderheitensprachen anerkannt sind

Ungarisch Slowenisch Burgenlandkroatisch Tschechisch Slowakisch Romani und die

oumlsterreichische Gebaumlrdensprache

hellip dass in Oumlsterreich neben Deutsch ca 250 weitere Sprachen gesprochen werden (zthinspB Bosnisch Kroatisch Serbisch Tuumlrkisch Arabisch Englisch Armenisch Pashto Somali Tschetschenisch Zazaki etc)

hellip dass in den Volksschulen in Oumlsterreich 308thinsp der SchuumllerInnen eine andere Umgangssprache als Deutsch haben oder eine weitere neben Deutsch

hellip dass die unterschiedlichen Dialekte des Deutschen fuumlr einen Groszligteil der Bevoumllkerung die taumlgliche Umgangs sprache sind Solche Dialekte sind zum Beispiel Wienerisch Tirolerisch Kaumlrntnerisch Vorarlbergerisch

hellip dass mehr als die Haumllfte der Wiener VolksschuumllerInnen eine andere Umgangsprache als Deutsch haben oder neben Deutsch eine weitere

hellip dass Mutter-sprachen unterricht in 25 Sprachen angeboten wird Der Besuch des Mutter-sprachenunterrichts ist kostenfrei und steht jedem Schuumllerthinspthinspjeder Schuumllerin zu

hellip dass in Wien an den Schulen etwa 80 verschiedene Sprachen vertreten sind

Quelle European Centre for Modern Languages

Quelle Statistik Austria

hellipdass genau genommen niemand einsprachig ist denn wir alle wechseln von Umgangssprache in Standard-sprache oder von Dialekt in Hochsprache von einer Sprache in eine andere von einer formalen in eine informelle Weise des Ausdrucks genannt Sprachregister usw Mehrspra-chigkeit ist in sich vielfaumlltiger als man annehmen wuumlrde

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Kapitel 2

Spracherwerb bei mehrsprachigen Kindern Uumlberblick zu den verschiedenen Definitionen von Mehrsprachigkeit sowie zu den Entwicklungsverlaumlufen bei mehrsprachigen Kindern

Fuumlr die schulische Laufbahn entscheidend ist die sprachliche Entwicklung des Kindes Was macht aber den Unterschied aus dass sich ein Kind im Hinblick auf seine Sprache ndash oder Spra-chen wenn es davon mehrere im Leben des Kindes gibt ndash bes-ser ent wickelt als ein anderes Der sprachliche Erfolg in der Schule haumlngt auch davon ab wie sehr Kinder ihre eigene Bilingualitaumlt positiv erleben Dabei kann die Betreuung in der Freizeit einen entscheidenden Beitrag leisten

Wichtig ist dass die vielseitigen Sprachkompetenzen der Kinder gesehen werden und nicht das Defizit im Vordergrund steht wenn ein Kind noch nicht so gut Deutsch spricht wie einige seiner MitschuumllerInnen

Angesichts einer SchuumllerInnenschaft die unterschiedliche Erstspra-chen und Familiensprachen mitbringt und natuumlrlich auch sozial und familiaumlr sehr durchmischt ist muss vor allem den Kindern vermittelt werden dass sie Kompetenzen mitbringen und ihre Mehrsprachig-keit ein Mehrwert ist Die Herausforderung liegt darin diese Einstellung selbst zu verinnerlichen und daran zu glauben Denn es geht darum das Kind zu bejahen mit allem was es ausmacht

21 Das Einmaleins der Mehrsprachigkeit ndash Erklaumlrungen zu gaumlngigen Definitionen

Ist Muttersprache und Erstsprache dasselbe Was bedeutet Herzsprache und gibt es auch Vatersprache Die Begriffe mit denen wir uumlber Mehrsprachigkeit sprechen stoszligen an Grenzen und uumlberholen sich schnell Das liegt daran dass sich unsere Gesellschaft im stetigen Wandel befindet und Mehrsprachigkeit vor allem ein gesellschaftliches Phaumlnomen ist

Ein kurzer Uumlberblick zu Terminologien und Definitionen soll Klarheit schaffen

Erstsprache und Erstspracherwerb Erstspracherwerb erfolgt auf natuumlrliche und kindliche Weise in der ersten fruumlhkindlichen Spracherwerbsphase Bilinguale Kinder koumlnnen auch zwei Erstsprachen haben Der Begriff Erstsprache bezieht sich in dieser Definition nur auf den Zeitpunkt ab wann das Kind mit der Sprache sozialisiert wird Er gibt keine Auskunft uumlber Kompetenz und emotionale Beziehung zur Sprache Bisweilen wird der Begriff Erstsprache nicht genealogisch sondern qualitativ interpretiert und bezeichnet die dominierende bzw meistgebrauchte Sprache und die wiederum kann vor allem in Migrationskontexten durchaus eine andere als die ersterwor-bene Sprache sein

bdquoDie Sprache gehoumlrt zum Charakter des Menschenldquo[Sir Francis von Verulam Bacon englischer Philosoph]

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Kapitel 2

Spracherwerb bei mehrsprachigen Kindern

Muttersprache Dieser Begriff wird als eine Art Synonym fuumlr Erstsprache verwendet Da er missverstaumlndlich ist ndash denn auch die Sprache des Vaters ist eine Muttersprache fuumlr das Kind ndash wird dieser Begriff im wissen-schaftlichen Kontext und in der Forschung nicht mehr verwendet Im Alltag ist er durch-aus gebraumluchlich und per se nicht falsch

Zweitsprache und Zweitspracherwerb Eine zweite Sprache wird nach dem Erwerb der Erstsprache (in der fruumlhen Spracherwerbs-phase) erworben Achtung eine zweite Erstsprache ist keine Zweitsprache Meist spricht man von Zweitsprache wenn das Kind uumlber vier Jahre alt ist und damit der Erstspracherwerb zumindest weit fortgeschritten ist und in seiner weiteren Sozia-lisierung eine neue Sprache hinzukommt

Ein Beispiel Ein Kind waumlchst in Syrien mit Arabisch und Kurdisch auf mit sechs Jahren kommt es nach Oumlsterreich In diesem Fall sind Arabisch und Kurdisch Erstsprachen und Deutsch eine Zweitsprache Oft beobachtet man dass sich langfristig die Sprachkompetenz zu Gunsten der Zweitsprache bzw Bildungssprache verschiebt

Die Definitionen bezuumlglich Mehrsprachigkeitsentwicklung sind auch deshalb eine Herausforderung weil Sprache viele weitere Aspekte hat Emotionalitaumlt gesellschaftlich-kulturelle Zusam-menhaumlnge und Sprache ist auch stark mit der Identitaumlt und deren Entwicklung verbunden Die Sprachen die uns umgeben beeinflussen unsere Persoumlnlichkeit und unsere Gefuumlhlswelt Deshalb hat sich der Begriff bdquoHerzspracheldquo ergeben um so der Emotionalitaumlt von Sprache gerecht zu werden Dieser Begriff wird sogar in der Wissenschaft verwendet und beschreibt die Sprache die einem nahe ist und zu der man eine enge emotio-nale Bildung hat Das kann manchmal ein Dialekt sein oder auch sehr oft die Sprache der eigenen Eltern Welche die Herzsprache eines Menschen ist ist aber letztendlich sehr individuell

Zu oft wachsen Kinder aus Migrantenfamilien mit der Vorstel-lung auf Deutsch sei nicht bdquoihreldquo Sprache Dabei geht es sehr stark um die subjektive Zuordnung von Muttersprache Dieses Gefuumlhl der Zugehoumlrigkeit zu einer SprecherInnengruppe ist deshalb so wichtig weil es das Selbstbewusstsein der Kinder staumlrkt und ihnen im Spracherwerb Sicherheit gibt Es geht also auch darum den Kindern zu vermitteln dass Deutsch ihre Bildungssprache ist und sie selbstbewusst mit ihren Sprach-kompetenzen umgehen sollen selbst wenn zuhause kein Deutsch gesprochen wird

22 Warum es grundsaumltzlich nie falsch ist Mehrsprachigkeit zu foumlrdern

Wenn wir uns die Sprachentwicklung des doppelten Sprachauf-baus ansehen so gibt es allerhand Unterschiede im Vergleich zu einer monolingualen Sprachentwicklung Es werden gleich-zeitig zwei unabhaumlngige Sprachsysteme aufgebaut Unabhaumln-gig aber auch staumlndig im Kontakt und Austausch miteinander Dieser Austausch fuumlhrt unter anderem dazu dass Mehrsprachi-ge im sprachlichen Begreifen oft kognitiv flexibler und effizien-ter als Monolinguale sind Anfangs aber koumlnnen sich die Sprachen bdquoim Weg stehenldquo Es kommt zu sogenannten Interfe-renzen die uns als Fehler auffallen

bdquoKinder die von Geburt an zweisprachig aufwachsen erwerben also nicht nur zwei Verbalsprachen sondern auch zwei Systeme von Aussprache und Sprachme-lodie Gestik und Mimik sowie von kulturellen Regeln der Kommunikationldquo [Anja Leist- Villis deutsche Erziehungswissen-schaftlerin]

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Sprachbewusstseinsfoumlrderung unterstuumltzt die Kinder dabei sich in ihren Sprachsystemen zurechtzufinden

Und weil bei Bilingualen die Sprachen sich bdquoberuumlhrenldquo und bdquobeeinflussenldquo ist es besonders gut wenn in der Sprachfoumlrde-rung alle Sprachen des Kindes Beachtung finden Denn beide Sprachsysteme beeinflussen sich gegenseitig in ihrem Wachs-tum Das ist wissenschaftlich ausfuumlhrlich erforscht und belegt Aus zahlreichen Forschungsergebnissen weiszlig man auch dass die Sprachen nicht getrennt im Gehirn verortet sind sondern in einem Sprachzentrum Der Erhalt der Muttersprache gefaumlhrdet somit in keiner Weise den guten Erwerb des Deutschen im Gegenteil

Es geht auch darum das wertvolle Potenzial der Mehr-sprachigkeit in den Kindern zu staumlrken Es geht nicht darum sich nur auf eine konkrete Sprache zu konzentrieren sondern die Sprachenvielfalt spuumlrbar zu machen Das fuumlhrt nicht nur dazu dass die Kinder viele Sprachen gut sprechen koumlnnen sondern durch diesen Ansatz foumlrdern PaumldagogInnen auch die sprachliche Entwick-lung generell Somit lernen die SchuumllerInnen all ihre Sprachen kompetent und selbstbewusst zu nutzen Diesen selbstbe-wussten Zugang koumlnnen Sie auch durch Ihre Vorbildwirkung foumlrdern indem Sie Ihre Kompe-tenzen in Ihrer eignen Erstspra-che oder in erworbenen Fremd-sprachen gemeinsam mit den Kindern nutzen Damit zeigen Sie dass Sprachenvielfalt zum Alltag gehoumlrt

23 Spracherwerb zuhause

Die Sprache der Eltern ist durch die ersten Bindungserfahrun-gen stark emotional besetzt Mit der Erstsprache werden zugleich spezifische soziale Regeln Normen und Werte vermittelt die dem Kind Orientierungspunkte fuumlr den Aufbau seiner Identitaumlt bieten

Fuumlr die freizeitpaumldagogische Arbeit bedeutet dies dass auch auf die Sprachkompetenz aus dem familiaumlren Kontext einge-gangen werden sollte Das kann den Kindern helfen bereits Gelerntes aus der Herkunftssprache mit neuen Inhalten aus dem Deutschen zu verknuumlpfen

Diese Herangehens- weise wird auch mit

OPOL abgekuumlrzt Dies bedeutet dass jeder Elternteil in seiner jeweiligen Erstsprache mit dem Kind spricht Es ist eine Methode die sich uumlberaus bewaumlhrt hat Denn das Kind assozi-iert die Person mit der Sprache Zweisprachige Kinder reagieren sehr sensibel auf ihr Gegenuumlber und wenn sie eine Sprache mit einer Person assoziieren dann bleibt diese Verbindung Uumlber die Sprache entsteht auch eine emotionale Bindung zu der Person die wiederum zur emotionalen Bindung mit der Sprache selbst fuumlhrt Wichtig ist dass die Anwendung dieser Strategie auf natuumlrliche Weise passiert und nicht gekuumlnstelt oder ver-krampft

Deshalb ist es wichtig dass die Eltern bei ihrer Kommunika-tionssprache mit dem Kind bleiben und diese nicht migrations-bedingt aumlndern

Fuumlr die Foumlrderung der Herkunftssprache koumlnnen Eltern auch die zahlreichen Angebote des Schulsystems nutzen zthinspB den Muttersprachenunterricht Mehr Information dazu wwwschule-mehrsprachigat

One person ndash one language

Kapitel 2

Spracherwerb bei mehrsprachigen Kindern

bdquoDer Mensch ist ein komple-xes Lernwesen und Sprache braucht die emotionale und gesellschaftlich kontextuelle Verknuumlpfungldquo [Zwetelina Ortega]

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31 Code-switching und Code-mixing

Mehrsprachige Kinder bdquovermischenldquo oftmals ihre Sprachen Dieses Phaumlnomen wird auch Code-mixing genannt Oder sie wechseln zwischen den Sprachen genannt Code-switching Dieses Sprachverhalten kann PaumldagogInnen verunsichern Faumllschlicherweise wird Mehrsprachigen nachgesagt sie haumltten einen eingeschraumlnkten Wortschatz und weniger ausdifferen-zierte sprachliche Ressourcen in den jeweiligen Sprachen als Kinder mit einer Erstsprache Untersuchungen zeigen aber dass dies nur fuumlr die ersten Lebensjahre stimmt Gegen Ende der Volksschule gleichen sich Grammatik und Wortschatz in der dominanten Sprache aus und oft uumlberholen die bilingualen Kinder sogar die monolingualen

Junge Menschen verwenden Code-switching auch als bdquoHilfs-strategieldquo wenn der fuumlr ein Thema relevante Wortschatz in der anderen Sprache leichter verfuumlgbar ist

Nahezu alle mehrsprachigen Menschen mischen und vermi-schen ihre Sprachen vor allem in informellen Gespraumlchskontex-ten Es ist auch nicht weiter schlimm solange es in dem eben dargelegten Rahmen bleibt

Fuumlr Sie als PaumldagogIn heiszligt das dass Sie nicht das Gefuumlhl haben muumlssen immer eine einheit-

liche Sprache einzufordern Versuchen Sie im Sprachwechsel auch die Kreativitaumlt der Kinder zu erkennen und diese in der Betreuung zu nutzen Vielleicht moumlchte das Kind erklaumlren warum es gerade dieses Wort aus einer anderen Sprache verwendet hat und welche die besondere Bedeutung ist

In der paumldagogischen Praxis

Weitere Moumlglichkeiten auf Code-switching und Code-mixing spielerisch einzugehen vielsprachige kreative Texte schreiben in denen alle Sprachen vorkommen duumlrfen

Ein vielsprachiges bdquoStadt Land Flussldquo-Spiel bei dem alle Sprachen erlaubt sind Wichtige Regel dabei die Kinder muumlssen versuchen die Begriffe auf Deutsch zu uumlbersetzen zu umschreiben oder zu erklaumlren um sie so der ganzen Gruppe verstaumlndlich zu machen Es ist dabei hilfreich wenn Sie als PaumldagogIn den Anfang machen und sich selbst auch mit Ihren Sprachkenntnissen einbringen So verstehen die Kinder das Spiel besser und trauen sich eher ihre Erstsprachen zu verwen-den

Oder als Reihum-Fragespiel bdquoWie sagt man in deiner (nicht-deutschen) Sprache fuumlr Ich habe einen Baumlrenhunger hellip Der ist bekannt wie ein bunter Hund hellip Du kannst mir mal den Buckel runterrutschen hellipldquo und andere bekannte Redensarten

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen KontextErscheinungsformen gelebter Mehrsprachigkeit in der Schule und viele Beispiele fuumlr praxisnahe Handlungsfelder und Uumlbungen

bdquoEine Umsetzung mehrschriftlicher und multilingua-ler Ansaumltze kann allen Beteiligten zu mehr Freiheit und Selbstbe-stimmung verhelfen [hellip]ldquo [Elke Montanarithinspthinsp Julie Panagioto-poulou in Mehrsprachigkeit und Bildung in Kitas und Schule]

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Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

32 Dominante und schwache Sprache

Nahezu jede Sprachsituation im Leben von zweisprachigen Kindern ist einzigartig Diese haumlngt von unterschiedlichen Gegebenheiten ab Wie oft ist das Kind im Kontakt mit einer Sprache Wie haumlufig wird sie gesprochen Mit wem wird sie gesprochen Wie viel und welcher Input ist da usw In vielen Faumlllen entwickelt sich eine Sprache schneller und besser als die andere Die Kompetenzen in den Sprachen koumlnnen sich im Laufe des Lebens veraumlndern oder auch verschieben je nach Sprachsituation und Motivation des Menschen Nur selten beherrschen Kinder beide Sprachen gleich gut Auch Erst- oder Zweitsprachen koumlnnen sich je nach Lebenssituation in ihrer Dominanz verschieben

Auch wenn Sie das Gefuumlhl haben dass das Kind seine Erstsprache nicht so gut beherrscht wird

es sich sicher freuen und es als positiv erleben wenn es etwas daruumlber erzaumlhlen kann oder sich mit Wortbeitraumlgen und Kommentaren in dieser Sprache einbringen kann

In der paumldagogischen Praxis

33 Gesellschaftliches Prestige der Sprachen

bdquoAlle Sprachen sind gleichwertigldquo ndash diese so selbstverstaumlndlich schei-nende Aussage deckt sich leider ganz und gar nicht mit der Wirklichkeit Viele Vorurteile truumlben den Blick auf den Wert individueller migrationsbe-dingter Mehrsprachigkeit Vorurteile sind wie ein Echo auf die Mehrspra-chigkeit Das Kind bekommt sie fruumlher mit als uns lieb ist Dieser Umstand kann die gesamte Sprachentwicklung bremsen

Das Prestige einer Sprache haumlngt in erster Linie vom Ansehen ihrer SprecherInnen ab Dieses Ansehen wiederum ist vor allem durch die wirtschaftliche und soziale Position einer bestimmten SprecherInnengruppe in der Gesellschaft beeinflusst

Als PaumldagogIn kann man mit dem eigenen Verhalten

zeigen dass alle Sprachen gleich geschaumltzt werden Diese Wertschaumltzung gilt es auch den Eltern zu signalisierten Dabei reichen oft kleine Kommentare Zum Beispiel bdquoEs ist groszligartig dass du so viele Sprachen sprichstldquo bdquoEs gefaumlllt mir wenn ich dich hellip sprechen houmlreldquo oder bdquoSchoumln dass Ihr Kind zwei Sprachen so gut beherrschtldquo Und Sie koumlnnen den Kindern und Eltern auch von Ihren eignen Erfahrungen erzaumlhlen beim Sprachenlernen oder von Ihrer eignen Bilingualitaumlt ZthinspB durch Beispiele fuumlr die Nuumltzlichkeit von Mehrsprachigkeit im Urlaub oder durch den Hinweis auf berufliche Vorteile Oumlsterreichische Firmen (zthinspB Banken) stellen naumlmlich gerne MitarbeiterInnen ein die neben Deutsch nicht immer nur Englisch sondern gerne auch andere Sprachen wie die BKS-Sprachen oder Tuumlrkisch sprechen So vermitteln Sie das Thema auf authentische Weise und staumlrken gleichzeitig die Familie positiv mit ihrer eigenen Mehrsprachigkeit umzugehen

In der paumldagogischen Praxis

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34 Interferenzen und Lerntransfer

Wenn Sprachen sich gegenseitig beeinflussen und es dadurch zu einer Fehlleistung kommt sprechen wir von Interferenz Dies kann auf grammatikalischer phonetischer oder lexikali-scher Ebene vorkommen Meist beeinflusst die dominante Sprache die schwaumlchere Im Spracherwerb kann es Phasen geben in denen es zu zahlreichen Interferenzen kommt Diese Phasen gehen aber meist wieder zuruumlck wenn die Sprachen sich gut entwickeln und das sprachliche Repertoire des Kindes waumlchst Voraussetzung dafuumlr ist eine gute Lernumgebung und Menschen die viel und richtig mit dem Kind sprechen Eltern die meinen ihrem Kind etwas Gutes zu tun indem sie mit ihm Deutsch sprechen obwohl sie die Sprache nicht auf Mutter-sprachenniveau beherrschen schaden damit der kindlichen Sprachentwicklung

Es gibt aber auch einen Lerntransfer zwischen den Sprachen und zwar dann wenn sie sich positiv beeinflussen und es beim Sprachenlernen zu sogenannten Uumlbertragungen kommt Diese bleiben fuumlr uns verborgen weil sie eine Form gelingenden Sprechens sind

PRAXIS Umgehen mit sprachlichen Fehlleistungen

Korrektives Feedback wiederholen Sie im Gespraumlch mit dem Kind richtig was falsch gesagt wurde und versuchen Sie es in das Gespraumlch einflieszligen zu lassen Wiederholen Sie Schluumls-selwoumlrter die das Kind falsch gesagt hat eher am Ende des Gespraumlchs richtig Versuchen Sie auf direktes Verbessern zu verzichten Es stoumlrt den Gespraumlchsverlauf Fordern Sie die Kinder nicht staumlndig auf das falsch Gesagte richtig zu wieder-holen Hin und wieder kann es zielfuumlhrend sein weil es Klarheit verschafft zu oft eingefordert kann es die Kinder beim Sprechen hemmen

Geduld Spracherwerb ist ein langsamer Prozess der noch dazu nicht linear verlaumluft Es gibt Entwicklungsspruumlnge dann wieder Phasen in denen sich vermeintlich wenig weiterentwi-

ckelt Kinder nehmen Sprachinput auf und verarbeiten ihn fuumlr sich Bis es uns beim Reden auffaumlllt muss manchmal etwas Zeit vergehen Haben Sie also Geduld Ihre Foumlrderansaumltze brauchen einfach etwas Zeit um zu fruchten

Wahrnehmen Jeder freut sich wenn man seine Anstren-gung wahrnimmt Wenn Ihnen bei einem Kind eine sprachliche Errungenschaft auffaumlllt so koumlnnen Sie es explizit sagen

Stuumltze in der Erstsprache des Kindes Sollten Sie die Erstsprache des Kindes beherrschen koumlnnen Sie diese Kompe-tenz selbstverstaumlndlich nutzen um dem Kind in seinem Spracherwerb zu helfen Beispielsweise indem Sie ihm etwas kurz erklaumlren damit es dieses besser versteht Manchmal hilft es auch den Fehler in der deutschen Sprache aus der Sicht der Erstsprache zu betrachten dann kann man das Kind besser unterstuumltzen Nutzen Sie diese Chance wenn Sie sie haben

Fehler machen ist Teil jeder Form von Spracherwerb und von Sprachlernen Fehlermachen im gesteuerten ebenso wie im ungesteuerten Spracherwerb ist etwas voumlllig Natuumlrliches Fehler zu machen und sie als solche zu erkennen ist ein Schluumls-selelement jeder Form des Spracherwerbs Wenn Sie als PaumldagogIn Ihrerseits Deutsch nicht als Muttersprache erwor-ben haben koumlnnen Sie auf eigene Fehler und Muumlhen im Erwerb

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

bdquoEine andere Sprache ist eine andere Sicht auf das Lebenldquo [Federico Fellini italienischer Filmemacher]

bdquoDer Akzent sorgt fuumlr die Schoumlnheitsmale auf der Sprach-hautldquo[Ilija Trojanow bulgarisch- deutscher Schriftsteller]

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des Deutschen verweisen (zthinspB auf die richtige Beugung unregelmaumlszligiger Verben oder die Stellung des Verbs am Ende des Nebensatzes etc)

35 Sprachbewusstsein foumlrdern eine Methode die viel bewirkt

Im Gegensatz zur schulischen Mehrsprachigkeit wird die migrationsbedingte bzw lebensweltliche Mehrsprachigkeit bisher zaghaft gefoumlrdert und im Unterricht weitgehend ausge-blendet Die Herkunftssprachen der SchuumllerInnen werden im Unterricht selten einbezogen Sie werden eher als Belastung bzw als Problem und nicht als Ressource angesehen

Sprachbewusstsein ist das Bewusstsein fuumlr die Funktionsweise und Bedeutung von Sprachen Wenn man Kinder darin unter-stuumltzt so gibt man ihnen die Moumlglichkeit und befaumlhigt sie sprachliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erkennen Zudem werden sie darin gefoumlrdert zu erkennen welche Rolle Sprache in unserer Gesellschaft spielt

Bei diesem Prozess koumlnnen die SchuumllerInnen auf bereits vorhandenes Sprachlernwissen zuruumlckgegriffen Wenn sie sich mit ihrem Wissen aus der erworbenen Herkunftssprache einbringen koumlnnen so bewirkt dies einen Motivationsschub der sich positiv auf das weitere Sprachenlernen auswirken kann

Stellen Sie Spiele und Uumlbungen und Methoden zur Verfuumlgung die die Kinder motivieren ihre vorhandenen Sprachkenntnisse zu nutzen so dass die Sprachen auch erklingen koumlnnen Und vergessen Sie dabei nicht auf die zentrale Vorbildwirkung die Sie selbst einbringen koumlnnen Beteiligen Sie sich selbst an den Spielen und Uumlbungen mit Ihren Sprachkenntnissen Die Kinder werden viel Freude daran haben diese weitere Facette die Sie ausmacht kennenzulernen So koumlnnen Sie gemeinsam mit den Kindern Lieder singen die es in mehreren Sprachversionen gibt (wie zthinspB Fregravere JacquesthinspthinspBruder Jakob und in der Weihnachts-zeit Stille Nacht heilige Nacht ndash ein Lied das es bestimmt in den Sprachen aller beteiligten Kinder gibt)

PRAXIS Anwendungsideen

Am Anfang steht die Bereitschaft Raum fuumlr Gespraumlche uumlber die eigene Sprachbiografie zu schaffen Natuumlrlich nehmen an diesen Gespraumlchen alle Kinder teil auch jene die nicht bilingual aufwachsen Weitere Spielideen

Sprachenportrait ndash meine Sprachen in mir Uumlber Sprache nachdenken und daruumlber sprechen Meine Sprachbiografie Meine Familie und ihre Sprachen Sprachenstammbaum der Familie Uumlbersetzungsspiel UmgangssprachethinspthinspFachsprache oder HochsprachethinspthinspDialekt

Redewendungen aus aller Welt Mehrsprachige Wortfelder

Die naumlhere Ausfuumlhrung zu den jeweiligen Spielideen finden Sie auf der Website und im Intranet der BiM ndash Bildung im Mittel-punkt Weitere Uumlbungen um Sprachbewusstsein und Mehr-sprachigkeit zu foumlrdern sind in Kapitel 6 angefuumlhrt

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

bdquoDer Geist einer Sprache offenbart sich am deutlichsten in ihren unuumlber- setzbaren Wortenldquo[Marie von Ebner-Eschenbach oumlsterreichische Schriftstellerin]

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Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd seinNutzen der eigenen Sprachkompetenzen und Umgang mit kritischen Situationen die sich durch die Mehrsprachigkeit der Kinder ergeben koumlnnen

41 Wenn Kinder untereinander in einer anderen Sprache als Deutsch sprechen

In vielen Schulen wird nach wie vor das Prinzip gelebt dass nur Deutsch gesprochen werden darf und soll Dieser Zugang blendet die Realitaumlt bilingualer Menschen aus und signalisiert den Kindern dass ein Teil von ihnen unerwuumlnscht ist Das ist weder fuumlr den Deutscherwerb noch fuumlr die Persoumlnlichkeitsent-wicklung des Kindes foumlrderlich Und dabei wird auszliger Acht gelassen warum Kinder in eine andere Sprache switchen

weil sie sich in ihrer Erstsprache sicherer fuumlhlen und Deutsch noch nicht gut beherrschen Fuumlr die Kommunikation eine Sprache zu waumlhlen die man gemeinsam gut kann ist ein natuumlrlicher Zugang Wuumlrde man die Kinder dann zwingen auf Deutsch zu wechseln wuumlrde man sie foumlrmlich verstummen lassen

Das Sprachwechseln kann auch bei Kindern die gut Deutsch sprechen ganz intuitiv passieren und vom Kind in diesem Moment nicht bewusst wahrgenommen werden Diese Sprach-wahl des Kindes zeugt eher von einer hohen Sprachkompetenz und von seinem kreativen Umgang mit der eigenen Bilinguali-taumlt

Als Problem wird haumlufig dargestellt dass andere Kinder durch den nichtdeutschen Sprachgebrauch ausgegrenzt wuumlrden Wenn Sie tatsaumlchlich beobachten dass Kinder jemanden durch Sprachwechsel ausgrenzen dann ist das Problem die Ausgren-zung Ein Sprachverbot ist hier der falsche Weg Viel wichtiger ist es uumlber das Ausgrenzen anderer Kinder an sich zu sprechen

Damit sich vielleicht andere Kinder nicht verunsichert fuumlhlen kann man auch die Bilingualitaumlt der SchuumllerInnen zum Thema zu machen und mit der Gruppe besprechen Dann kann man auch den Kindern vermitteln dass die gemeinsame Sprache der Gruppe Deutsch ist Damit Kinder ihre Bilingualitaumlt positiv erleben koumlnnen ist es aber ratsam dass sie im schulischen Kontext auch eine ihrer Erstsprachen verwenden koumlnnen So koumlnnen tatsaumlchlich ihre beiden Sprachen Platz haben so wie es auch ihrer Wirklichkeit entspricht Wie und wann geswitcht werden kann kann man in der Gruppe gemeinsam vereinbaren So haben die Kinder sowohl Deutschinput als auch die Moumlglich-keit all ihre Sprachkompetenzen zu benutzen

bdquoSprache ist der Schluumlssel zur Weltldquo[Alexander von Humboldt deutscher Naturforscher]

28 29

Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein

42 Wenn Kinder Sie in Ihrer Erstsprache ansprechen

Viele FreizeitpaumldagogInnen der BiM ndash Bildung im Mittelpunkt haben selbst unterschiedliche und vielfaumlltige kulturelle und sprachliche Kompetenzen Und diese betrachten wir als wertvoll Sehen Sie Ihre Sprachkompetenz deshalb als Berei-cherung und Chance Denn Sprache ist mehr als Kommunika-tion es geht nicht nur darum dass die Kinder von Ihnen Deutsch lernen sie haben auch eine Bindung zu Ihnen aufge-baut oder sind gerade dabei Sich uumlber eine gemeinsame Sprache auszutauschen kann Vertrauen schaffen Manchmal wollen die Kinder einfach zeigen was sie alles koumlnnen

Wenn ein Kind tatsaumlchlich noch kein Deutsch spricht und versteht koumlnnen Sie mit Ihrer Sprachkompetenz eine gute Bruumlcke schlagen und das Kind dabei unterstuumltzen sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden durch kleine Erklaumlrungen oder indem Sie auf die Ausfuumlhrung des Kindes reagieren Ihre sprachliche Unterstuumltzung erleichtert dem Kind vor allem sich in der neuen Situation einzuleben Auch in der Kommunikation mit den Eltern koumlnnen Sie Ihre Sprachkenntnisse nutzen

PRAXIS die eigenen Sprachkompetenzen nutzen

Kurze Erklaumlrungen Wenn Sie bemerken dass sich ein Kind aus sprachlichen Gruumlnden in einer Situation ganz und gar nicht zurechtfindet und Sie haben eine andere gemeinsame Sprache koumlnnen Sie diese nutzen um dem Kind zu erklaumlren was gerade passiert oder was zu tun ist Beispielweise wenn es darum geht dass Sie gemeinsam in den Park gehen wollen und sich die Kinder anstellen sollten oder Aumlhnliches Danach koumlnnen Sie wieder auf Deutsch switchen Sie koumlnnen auch den restlichen Kindern kurz erklaumlren dass Sie in einer anderen Sprache gesprochen haben um dem Kind zu helfen besser zu verstehen was passiert So fuumlhlen sich die Kinder nicht ausgeschlossen und erleben dass Sprachgebrauch vielseitig sein kann und sein darf

Gespraumlch mit Eltern Wenn Sie bemerken dass es den Eltern schwer faumlllt auf Deutsch zu kommunizieren und Sie wissen sie haben eine andere gemeinsame Sprache in der es ihnen leichter fallen wuumlrde koumlnnen Sie es den Eltern behutsam und mit dem notwendigen Fingerspitzengefuumlhl anbieten So schaffen Sie eine leichtere Basis fuumlr Kommunikation sowie Austausch und Vertrauen

bdquoWir wohnen nicht in einem Land sondern in einer Spracheldquo[Emil Cioran rumaumlnischer Philosoph]

bdquoGelebte Zweisprachig-keit ist eher selten aumlqui-valent sondern asymmetrisch oft hierarchisch und bisweilen konfliktivldquo [Georg Kremnitz deutscher Romanist]

30 31

43 Wenn Kinder offensichtlich ungute Dinge zu jemanden in einer Sprache sagen die Sie nicht verstehen

Wenn man Kindern die Moumlglichkeit einraumlumt ihre Erstsprachen zu verwenden haben Paumldago-gInnen manchmal Angst sie koumlnnten dies dafuumlr nutzen um Schimpfwoumlrter oder andere respekt-lose Ausdruumlcke zu verwenden In den seltensten Faumlllen ist es so Ihre Intuition wird Ihnen zeigen sollte tatsaumlchlich respektlos miteinander umgegangen werden Dazu braucht man nicht jedes Wort zu verstehen denn Kommunikation passiert auch auf nonverbaler Ebene Dabei ist natuumlrlich der respektlose Umgang zu hinterfra-gen Auch in diesem Fall ist ein Deutschgebot das die Verwendung anderer Sprachen unter-bindet nicht zielfuumlhrend Denn einerseits wuumlrde man dadurch die Kinder die respektvoll mitein-ander umgehen auch sanktionieren und ander-seits wird dadurch das Problem des fehlenden Respekts nicht geloumlst Viel wichtiger ist es einen respektvollen Umgang miteinander zu foumlrdern unabhaumlngig davon welche Sprache dabei gesprochen wird

44 Wenn SchuumllerInnen die in Deutsch noch schwach sind ausgegrenzt werden

Fehlende Sprachkompetenz kann auch ausgrenzend wirken Das Kind kann sich nicht verstaumlndigen bei Spielen und Gesprauml-chen nicht mitmachen und wird vielleicht von den Mitschuumller-Innen nicht in die Gruppe integriert Das kann zu einer Nega-tiv-Spirale fuumlhren denn die eingeschraumlnkten sozialen Kontakte schraumlnken auch den sprachlichen Kontakt ein und Kinder lernen besonders viel von- und miteinander In solch einer Situation kann es hilfreich sein dass Sie thematisieren wie es einem geht wenn man eine neue Sprache lernt Dazu gibt es zahlrei-che kindgerechte Uumlbungen ZthinspB ausgeruumlstet nur mit einem

Woumlrterbuch in einer ganz fremden Sprache etwas erklaumlren muumlssen oder auch selbst daruumlber reflektieren wie geht es mir beim Fremdsprachenlernen zthinspB Englisch Wenn man sich besinnt wie herausfordernd der Weg ist hat man auch mehr Verstaumlndnis fuumlr den neuenthinspthinspdie neue MitschuumllerIn

Helfen kann auch die Kinder von Anfang an als Stuumltze und Hilfe fuumlr das neue Kind einzubinden So fuumlhlen sie Verantwor-tung und koumlnnen selbst etwas fuumlr den guten sozialen Klassen-verband beitragen

Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein

bdquoMehrsprachige Kompetenz ist nicht nur Ein - sprachigkeit in mehreren Sprachen sondern ist als eine ganzheit-liche Sprach-kompetenz aufzufassen und zu foumlrdernldquo [Elisabeth Allgaumluer-Hacklthinspthinsp Ulrike Jessner in Mehrsprachig-keitsunterricht aus mehrsprachiger Sicht Zur Foumlrderung des metalinguistischen Bewusstseins]

32 33

Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren Argumente und Darstellungen fuumlr Gespraumlche und Fragen mit denen Sie Ihre Position Mehrsprachigkeit zu foumlrdern erklaumlren und staumlrken koumlnnen

51 Ein Erklaumlrungsversuch ndash warum die Foumlrderung und Anerkennung sprachlicher und soziokultureller Diversitaumlt in Frage gestellt wird

Uumlber Mehrsprachigkeit wird schon seit langem geforscht denn Gesellschaften in denen mehrere Sprachen zusammenkom-men hat es seit jeher gegeben Die wissenschaftlichen und empirischen Ergebnisse aus der Mehrsprachigkeitsforschung zeigen allesamt dass die Foumlrderung der individuellen und gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit allen zugutekommt Zum Beispiel schadet es nicht dem Erlernen und Erwerben des Deutschen wenn Kinder auch in ihren anderen Erstsprachen gefoumlrdert werden Genau das Gegenteil ist der Fall Kinder entwickeln sich insgesamt sprachlich besser Und viele weitere positive Argumente wurden formuliert

Diese gesellschaftliche Mehrsprachigkeit und Plurikulturalitaumlt verlaumluft aber in den seltensten Faumlllen konfliktfrei Die Konflikte sind meist das Ergebnis von politischen Maszlignahmen die bestim-men SprecherInnengruppen mehr Macht und staumlrkere Positionen einraumlumen Das fuumlhrt auch dazu dass im oumlffentlichen Diskurs ndash in den Medien in Debatten und Stellungnahmen usw ndash manche Menschen die Position vertreten nur die anerkannte Amtsspra-che Deutsch sei foumlrdernswert und von Nutzen Die anderen Sprachkompetenzen werden als Problem angesehen Diese Haltung ist eine ausgrenzende die Menschen diskriminiert Diskriminierung fuumlhrt in keinem Fall zu einem besseren Schul-erfolg oder zur besseren Integration Auffaumlllig bei dieser Haltung ist dass die Sprachen selbst bewertet werden Beispielsweise wird das Erwerben von Englisch als positiv bewertet und eine Deutsch-Englisch Bilingualitaumlt auch Wenn es um migrationsbe-dingte Mehrsprachigkeit geht wird diese als Hindernis einge-

bdquoSchule muss bilinguale Kinder auch als solche wahrnehmen und nicht versuchen sie in die Passform des einsprachigen Kindes zu pressenldquo [Zwetelina Ortega]

34 35

Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

stuft Wie steht es um die Erstsprachen die durch Migration nach Oumlsterreich gelangt sind Wie ist ihr Image Eine entscheidende Rolle spielt der Status der SprecherInnen Um mit Robert Walser zu sprechen Money rules the world Ist die Gruppe der Sprech-erInnen wirtschaftlich stark hat ihre Sprache gesellschaftlich hohe Anerkennung Uumlbt die Vielzahl einer SprecherInnengruppe jedoch niederqualifizierte und schlecht bezahlte Jobs aus ist sie wirtschaftlich schwach so hat ihre Sprache ein schlechtes Image in der Gesellschaft Diese Situation ist in allen Einwanderungsge-sellschaften aumlhnlich die Sprachen sind auswechselbar

Tatsache ist dass sich falsche und diskriminierende Argumente immer noch halten und dass Ihnen vielleicht Menschen begeg-nen werden die versuchen werden gegen die Foumlrderung von Mehrsprachigkeit zu argumentieren

Es gibt keinen Grund der Diskriminierung und Ausgrenzung zulaumlssig macht Das Ziel einer gelungenen paumldagogischen Arbeit ist es alle Facetten des Kindes anzunehmen und sie als Teil des paumldagogischen Alltags zu integrieren

52 Argumentationslinien und moumlgliche Positionen im Austausch mit KollegInnen Eltern KlassenlehrerInnen und DirektorInnen

Um Ihre Position zu staumlrken dass alle Sprachen und Sprach-kompetenzen gleichberechtigt und wertvoll sind und Sie sie deshalb in Ihrer Arbeit beruumlcksichtigen und foumlrdern haben wir einige Argumente fuumlr Sie ausgearbeitet

Familiaumlrer Kontext

Voraussetzung fuumlr eine gute Lernumgebung sind Menschen die viel und richtig mit dem Kind sprechen Eltern die meinen ihrem Kind etwas Gutes zu tun indem sie mit ihm Deutsch sprechen obwohl sie die Sprache nicht auf Muttersprachen-niveau beherrschen koumlnnen damit der kindlichen Sprachent-wicklung manchmal mehr schaden als helfen

Wichtig ist dass mit den Kindern viel gesprochen erzaumlhlt gelesen und vorgelesen wird Die Sprache die die Eltern dabei verwenden sollte eine sein in der sie sich wohl und sicher fuumlhlen und vielseitig ausdruumlcken koumlnnen Uumlblicherweise ist dies die Erstsprache der Eltern Kinder koumlnnen dann generell besser mit Sprache umgehen ndash auch mit Deutsch

Paumldagogischer und schulischer Kontext

Durch sprachsensible paumldagogische Arbeit die auch die Mehrsprachigkeit der Kinder beruumlcksichtigt wird das Verinner-lichen der sprachlichen Inhalte vor allem auch der bildungs-sprachlichen verbessert Der Aufbau von Bildungssprache ist Grundlage fuumlr Wissenserwerb Diese Faumlhigkeit die Sie den SchuumllerInnen vermitteln wird sie langfristig dazu befaumlhigen auch in ihren weiterfuumlhrenden Ausbildungen besser voranzu-kommen Dadurch werden auch die Bildungschancen aller SchuumllerInnen erhoumlht und zum Teil werden ungleiche Bildungs-bedingungen uumlberwunden

Beim doppelten Spracherwerb also bei Kindern die bilingu-al aufwachsen beeinflussen sich beide Sprachsysteme gegen-seitig positiv in ihrem Wachstum Das ist wissenschaftlich erwiesen Der Erhalt der Erstsprache gefaumlhrdet in keiner Weise den guten Erwerb des Deutschen im Gegenteil

bdquoEs ist doch ein groszliger Unter-schied ob einem gesagt wird dass Sprachen gleichwertig sind und man alles in jeder ausdruumlcken kann oder ob man es tutldquo [Elke Montanari deutsche Sprach- wissenschaftlerin]

bdquoDer Mensch ist Mensch nur durch Spracheldquo[Johann Gottfried von Herder deutscher Dichter und Uumlbersetzer]

3736

Wer sein Wissen aus den vorab erworbenen oder erlernten Sprachen einbringen kann der erfaumlhrt einen Motivationsschub der sich positiv auf das weitere Sprachenlernen auswirken kann

Die Anerkennung einer Herkunftssprache im schulischen Kontext kann zu einer positiven Persoumlnlichkeitsentwicklung der SchuumllerInnen fuumlhren Deren Aufwertung gibt den Kindern Selbstvertrauen und Sicherheit die sich auf den gesamten Lernerfolg gut auswirken

Eines der Ziele die sich die Europaumlische Union gesetzt hat ist es dass jeder Buumlrgerthinspthinspjede Buumlrgerin seinethinspthinspihre Mutterspra-che sowie mindestens zwei weitere Sprachen beherrscht Diesem Ziel ruumlcken wir naumlher wenn wir die vorhandenen Sprachkompetenzen der Kinder nutzbar machen

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen dass bei einer Foumlrderung der durchgaumlngigen Sprachbildung und lebenswelt-lichen Mehrsprachigkeit von Kindern die narrative Schreibfauml-higkeit und die schriftliche Kompetenzentwicklung gestaumlrkt werden und die bildungssprachlichen Elemente im Deutschen zunehmen

Es gibt noch viele weitere Argumente warum Mehrsprachigkeit immer ein Vorteil ist und nicht als Problem gesehen werden sollte Weitere Argumente werden Sie bestimmt in Ihrer eigenen Arbeit und Erfahrung mit den Kindern selbst finden Trauen Sie sich selbstbewusst zu Ihrer Position zu stehen und lassen Sie diskriminierende Haltungen nicht unkommentiert Wenn Sie die Moumlglichkeit haben nutzen Sie Ihre eigenen vielseitigen Sprachkompetenzen seien es Fremdsprachen oder weitere Erstsprachen sei es im spielerischen Umgang oder wenn Sie etwas erklaumlren Gemeinsam koumlnnen wir dazu beitra-gen dass mehrsprachige Kinder positiv wahrgenommen werden

Kapitel 6

Weitere Uumlbungs- und Anwendungsideen In diesem Kapitel finden Sie viele praxisnahe Uumlbungen fuumlr den spielerischen Umgang mit Mehrsprachigkeit in der Freizeitpaumldagogik

Wenn Sie solche oder aumlhnliche Uumlbungen mit den Kindern ausprobieren werden Sie vielleicht selbst oder gemeinsam mit ihnen viele neue Ideen entwickeln wie man Mehrsprachigkeit spielerisch und mit Freude in der Freizeitbetreuung aufgreifen kann Probieren Sie es aus Es wird allen SchuumllerInnen be-stimmt gefallen Das sind die Erfahrungen die wir bisher gemacht haben Hier einige Ansaumltze fuumlr Sie

Die Herkunft der Vor- und Nachnamen ndash wir erkunden die Bedeutungen unserer Namen

Radio aus aller Welt ndash wir houmlren in Online-Radiosender in verschiedenen Sprachen hinein Dabei koumlnnen die Kinder raten oder versuchen zu erkennen welche Sprache gerade erklingt

Stille Post mit den Sprachen unserer Klasse spielen

Kleine Sprachschule ndash jeweils ein Kind bringen dem Rest der MitschuumllerInnen einfache Saumltze und nuumltzliche Worte bei

Mehrsprachigkeit im oumlffentli-chen Raum ndash wir begeben uns auf Entdeckungsreise und suchen Orte wo wir unter-schiedliche Sprachen houmlren und sehen

Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

bdquoKennst du viele Sprachen ndash hast du viele Schluumlssel fuumlr ein Schloszligldquo[Voltaire franzoumlsischer Philosoph und Schriftsteller]

38 39

Kapitel 7

EmpfehlungenLektuumlreempfehlungen zur Vertiefung Zahlreiche Links die weitere Anwendungsideen fuumlr die Praxis bieten aber auch vielseitige Artikel zum Thema

Weiterfuumlhrende Literatur

Krumm Hans-JuumlrgenthinspthinspReich Hans H 2011 Curriculum Mehrsprachigkeit Online im Internet

Montanari Elke 2013 Mit zwei Sprachen groszlig werden Mehrsprachige Erziehung in Familie Kindergarten und Schule Muumlnchen Koumlsel

Montanari ElkethinspthinspPanagiotopoulou Julie 2019 Mehrsprachigkeit und Bildung in Kitas und Schulen UTB

Schader Basil 2013 Sprachenvielfalt als Chance Handbuch fuumlr den Unterricht in mehrsprachigen Klassen Zuumlrich orell fuumlssli

Hilfreiche Institutionen

Kinderbuumlcherei der Weltsprachen gehoumlrt zu den Staumldtischen Buumlchereien wwwkirangoat Veranstaltungen zu Lesefoumlrderung fuumlr Schulen und Kindergaumlrten Teil der Buumlcherei Wien

wwwbaobabat BAOBAB ndash GLOBALES LERNEN vielseitige Arbeitsmaterialen und Literatur

Links

wwwlanguage-diversityeu ndash Arbeitsblaumltter Lehrmaterial Unterrichtsideen Schwerpunkt auf Minderheitensprachen in Europa

wwwpapperlapappcoat ndash Bilinguale Kinderzeitschrift wwwmultilingual-familieseu ndash Materialen fuumlr mehrsprachige Erziehung wwwderstandardatr2000023362091Linguamulti ndash monatlicher Blog zu Mehrsprachigkeit und Spracherwerb

wwwschule-mehrsprachigat ndash Kinder- und Jugendbuumlcher in vielen Sprachen Infos zum Muttersprachenunterricht

wwwfacebookcomlinguamulti ndash taumlglich Inhalte zum Thema Mehrsprachigkeit und Interkulturalitaumlt

Anschuumltzgasse 1 2 Stock 1150 WienTel +43 1 524 25 09-0 Fax +43 1 524 25 09-30officebildung-wienat wwwbildung-wienat

IMPRESSUMMedieninhaber und fuumlr den Inhalt verantwortlich BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbHAnschuumltzgasse 1 1150 Wien | Firmensitz Wien | FN502272k | Handelsgericht WienKonzeption Redaktion Text Zwetelina Ortega Linguamulti ndash wwwlinguamultiat (unter Mitwirken von BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbH)Fotos C Pertramer (S 5) J Zinner M Possert (S8)Grafik Gerald Waibel effundweat

Page 2: Unsere Schule spricht viele Sprachen · Unsere Schule spricht viele Sprachen Leitfaden für die Freizeitpädagogik. 2 3 Inhalt ... Es ist unsere gemeinsame Aufgabe im Bildungsbereich,

2 3

InhaltVorwort Stadtrat Juumlrgen Czernohorsky 5Vorwort Geschaumlftsfuumlhrer Mario Rieder 7Das Potential der Freizeit paumldagogik fuumlr den Spracherwerb 8

Kapitel 1 Interessante Daten amp Fakten zu Mehrsprachigkeit 10

Kapitel 2 Spracherwerb bei mehrsprachigen Kindern 1221 Das Einmaleins der Mehrsprachigkeit ndash

Erklaumlrungen zu gaumlngigen Definitionen 1222 Warum es grundsaumltzlich nie falsch ist Mehrsprachigkeit zu foumlrdern 1523 Spracherwerb zuhause 17

Kapitel 3 Sprachgebrauch im schulischen Kontext 1831 Code-switching und Code-mixing 1832 Dominante und schwache Sprache 2033 Gesellschaftliches Prestige der Sprachen 2134 Interferenzen und Lerntransfer 2235 Sprachbewusstsein foumlrdern eine Methode die viel bewirkt 24

Kapitel 4 Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein 2641 Wenn Kinder untereinander in einer

anderen Sprache als Deutsch sprechen 2642 Wenn Kinder Sie in Ihrer Erstsprache ansprechen 2843 Wenn Kinder offensichtlich ungute Dinge zu jemanden

in einer Sprache sagen die Sie nicht verstehen 3044 Wenn SchuumllerInnen die in Deutsch noch schwach sind

ausgegrenzt werden 30

Kapitel 5 Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren 3251 Ein Erklaumlrungsversuch ndash warum die Foumlrderung und Anerkennung

sprachlicher und soziokultureller Diversitaumlt in Frage gestellt wird 3252 Argumentationslinien und moumlgliche Positionen im Austausch

mit KollegInnen Eltern KlassenlehrerInnen und DirektorInnen 34

Kapitel 6 Weitere Uumlbungs- und Anwendungsideen 37

Kapitel 7 Empfehlungen 39

4 5

Sprachen sind die Schluumlssel zur Welt Durch sie koumlnnen sich Kinder und Erwachsene mit anderen Menschen verstaumlndigen Beziehungen eingehen Beobachtungen teilen Dinge beschreiben und erklaumlren Beduumlrfnisse aumluszligern Miss-verstaumlndnisse klaumlren streiten und loben

Sprachen sind nicht nur ein Mittel zur Kommunikation sondern auch ein Werkzeug um das eigene Leben aktiv zu gestalten Mithilfe von Sprachen wird Wissen erworben und vermittelt ndash und das nicht nur in Schulfaumlchern wie Deutsch und Englisch

Mehrsprachigkeit ist ein groszliger Schatz und eine groszlige Bereicherung fuumlr jeden Menschen In einer Welt die von internationaler Vernetzung gekennzeichnet ist und in einer Stadt die vielfaumlltig und offen ist wird es immer wichtiger mehrsprachig zu kommunizieren Fuumlr eine erfolgreiche Bildungslaufbahn ist Mehrsprachigkeit die moumlglichst fruumlh ansetzt ein entscheidender Grundstein Dazu muumlssen mehrsprachliche Begegnungsraumlume geschaffen werden denn Spracherwerb ist kein abstrakter Lernprozess sondern Ergebnis zwischenmenschlicher Interaktion

Dieser Leitfaden soll mit dazu beitragen den Wert von Mehrsprachigkeit in allen Lebensbereichen ndash speziell auch in der Freizeitpaumldagogik ndash zu heben und Kinder zu ermutigen ihre vielfaumlltigen Sprachkompetenzen auch aktiv einzusetzen Denn wie kompetent Kinder Sprachen nutzbar machen koumlnnen beeinflusst ihre Bildungschancen und damit auch ihren weiteren Lebensweg

Juumlrgen CzernohorszkyStadtrat fuumlr Bildung Integration Jugend und Personal in Wien

Juumlrgen Czernohorszky

6 7

Es ist unsere gemeinsame Aufgabe im Bildungsbereich Kinder und Jugendliche fuumlr das Leben in einer offenen vielfaumlltigen und vielsprachigen Stadt wie Wien zu befaumlhigen und zu staumlrken

Das bedeutet auch bdquoKinder und Erwachsene die bereits mehrsprachig sind nicht einsprachig zu machen sondern ihre Sprachen und sprachlichen Faumlhigkeiten zu nutzen und zu erweitern und das bedeutet zum andern auch einsprachigen Kindern fruumlh einen Zugang zu Mehrsprachigkeit zu eroumlffnenldquo (Hans-Juumlrgen Krumm Sprachlehr- und -lernforscher)

Unser Ziel sollte daher sein das gemeinsame Lernen und Arbeiten in der Schule so zu gestalten dass Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit mit allen damit verbundenen Erscheinungen wie Sprachenwechseln und Sprachenmischen von PaumldagogInnen und Kindern als Normalitaumlt und nicht als Ausnahme- oder Problemfall empfunden und gelebt werden

Wir als BiM ndash Bildung im Mittelpunkt verfuumlgen durch unsere eigene Vielsprachigkeit und Interkulturalitaumlt durch die Vielfalt der sprachlichen und kulturellen Erfahrungen unserer PaumldagogInnen uumlber ein wertvolles Potenzial das wir dafuumlr einbringen koumlnnen und sollen Und wir koumlnnen auch durch den eigenen Umgang mit unserer jeweils individuellen Erst- Zweit- oder Fremdsprachigkeit diese Normalitaumlt von Mehrsprachigkeit und Sprachenvielfalt vorleben Damit jedes Kind sich mit seinen Kompetenzen und Faumlhigkeiten seinen Erfahrungen und Lebenswelten willkommen wahrgenommen und gestaumlrkt fuumlhlt

Dieser Leitfaden mit den darin enthaltenen Informationen und Handlungsvorschlaumlgen soll dabei in der taumlglichen paumldago-gischen Arbeit im gemeinsamen Arbeiten mit anderen Paumldago-gInnen und im Kontakt mit Eltern unterstuumltzen und ermutigen

Mario RiederGeschaumlftsfuumlhrer BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbH

Mario Rieder

8 9

Eine sprachsensibel gestaltete Freizeitpaumldagogik kann einen entscheidenden Beitrag zur guten Sprachentwicklung von Kindern leisten Kinder lernen Sprache besonders gut in einer entspannten und freundlichen Atmosphaumlre Gerade in der Freizeit koumlnnen PaumldagogInnen den Spracherwerb besonders gut unterstuumltzen Die Lernmomente sind in den Kontext von Spielen eingebettet die PaumldagogInnen sind nicht an einen Lehrplan gebunden und koumlnnen die Foumlrderung der Sprachkompetenzen je nach Dynamik der Gruppe frei gestalten und sie koumlnnen Mehr-sprachigkeit ganz explizit in ihre Didaktik einbauen da sie keine festgelegten Lernziele erfuumlllen muumlssen Diese offene Arbeit mit den Kindern ist die ideale Voraussetzung dafuumlr ganzheitlich alle Sprachkompetenzen der Kinder in ihrer jeweiligen Spezifik wahrzunehmen und entsprechend gezielt zu foumlrdern

Dieser Leitfaden hat das Ziel als Hilfestellung Orientierung und Ideenpool zu dienen sowie PaumldagogInnen im schulischen Freizeitkontext langfristig im Umgang mit Mehrsprachigkeit zu professionalisieren

Wird der sprachliche und kulturelle Reichtum der aus gelebter Mehrsprachigkeit entsteht in der Gruppe spuumlrbar gemacht werden die SchuumllerInnen in ihrer sprachlichen Entwicklung dauerhaft gefoumlrdert

Der Leitfaden gibt einen Uumlberblick zur Sprachentwicklung von mehrsprachigen Kindern und erklaumlrt wichtige Situationen aus dem Sprachgebrauch die in der Schule haumlufig vorkommen Auch herausfordernde Situationen die sich durch die Mehrsprachigkeit der SchuumllerInnen ergeben koumlnnen werden beleuchtet und es werden moumlgliche Loumlsungsansaumltze geboten

Es werden Ideen fuumlr vielseitige Uumlbungen und Spiele fuumlr die Betreuungszeit vermit-telt die mit kreativen Methoden das Sprachbewusstsein der Kinder wecken Dadurch wird die Sprachbildung der SchuumllerInnen unterstuumltzt und Freude und Lust auf Sprache vermittelt

Zum Thema Zweisprachigkeit und Mehrsprachigkeit halten sich leider immer noch viele falsche Vorurteile Deshalb ist es ein weiteres Ziel des Leitfadens bereits vorhandene erwerbsfoumlrdernde Ansaumltze und die eigene Position in Bezug auf die Foumlrderung von Mehrsprachigkeit argumentativ zu staumlrken und Vorurteile zu entkraumlften

Als Verfasserin des Leitfadens ist es mir wichtig Angst und Druck von den Paumldago-gInnen zu nehmen und stattdessen Moumlglichkeiten zu eroumlffnen entspannt und mit Freude an die vielen Sprachpotentiale der Kinder heranzugehen

Mag1012833 Zwetelina OrtegaSprachwissenschaftlerin und Expertin fuumlr Mehrsprachigkeit

Die Terminologie In diesem Leitfaden wird der Begriff Mehrsprachigkeit verwendet um die Situation an den Wiener

Schulen an denen viele unterschiedliche Sprachen zusammenkommen konzeptuell zusammenzufas-sen Wir verstehen den Begriff als einen weit gefassten der der Diversitaumlt innerhalb der Mehrsprachig-keit Rechnung traumlgt Mehrsprachigkeit begegnet uns gesellschaftlich und individuell in vielen unterschiedlichen Facetten Angefangen von verschiedenen Formen der Bilingualitaumlt aber auch wenn Kinder mit mehr als zwei Sprachen aufwachsen wenn sie mit unterschiedlichen Varianten einer Sprache also zthinspB Standardsprache und Dialekt groszligwerden wenn sie zwei Erstsprachen haben und eine weitere Zweitsprache bzw eine Drittsprache sprechen etc Denn gelebte Mehrsprachigkeit kennt sehr viele Erscheinungsformen

Wir werden immer wieder auf konkrete Situationen eingehen um die Theorie zu veranschaulichen dabei werden wir oft von kindlicher Bilingualitaumlt ausgehen Es sind darin aber auch alle weiteren Erscheinungsformen von Mehrsprachigkeit einbegriffen

Nutzen fuumlr alle An mehreren Stellen im Leitfaden geben wir konkrete Uumlbungs- und Spielideen Alle Uumlbungen und

Spiele sind so gewaumlhlt dass die gesamte Gruppe daran teilnehmen kann Das heiszligt auch Kinder die nur mit Deutsch groszlig werden Die Uumlbungen werden auch fuumlr sie nuumltzlich sein Damit kann Mehrsprachig-keit in der Freizeitbetreuung gefoumlrdert werden aber auch das Sprachbewusstsein und die Fremdspra-chenerfahrung der SchuumllerInnen Das kommt der gesamten Gruppe zugute

Inhaltliche Anmerkungen

Mag1012833 ZwetelinaOrtega

Das Potential der Freizeit-paumldagogik fuumlr den Spracherwerb

10 11

Wien

WUSSTEN SIE hellip

Quelle Statistik Austria

Kapitel 1

Interessante Daten amp Fakten zu Mehrsprachigkeit

Spielend mehr erfahren uumlber Sprachenvielfalt Auf der Webseite des bdquoEuropean Centre for Modern Languagesldquo finden Sie Spiele und Uumlbungen mit denen Sie das Wissen der Kinder uumlber Mehrsprachigkeit erweitern koumlnnen httpsedlecmlat

Wenn Sie spielerisch das Thema bdquoMinderheitensprachenldquo aufgreifen wollen finden Sie auf folgender Website der Europaumlischen Kommission viele Ideen und Materialien httplanguage-diversityeu

Auch zu den oumlsterreichischen Dialekten lassen sich spannende Spiele anwenden Material dazu finden Sie hier httpsbildungbmbwfgvatschulenunterrichtoedpdf61edf0

Auf der Welt

WUSSTEN SIE hellip

Oumlsterreich

WUSSTEN SIE hellip

hellip dass es auf der Welt zwischen 6000 und 7000 Sprachen gibt die von 7 Milliarden Menschen in 189 un abhaumlngigen Staaten gesprochen werden

hellip dass zur Familie der germanischen Sprachen

zu der das Deutsche gehoumlrt auch folgende

Sprachen zaumlhlen Daumlnisch Norwegisch

Schwedisch Islaumlndisch Niederlaumlndisch Englisch

und Jiddisch

hellip dass die meisten Sprachen in Asien und Afrika gesprochen werden

hellip dass schaumltzungsweise 60ndash70thinsp der Weltbevoumllkerung bilingual oder mehrsprachig ist Das heiszligt weltweit ist Mehrsprachigkeit die Regel und nicht die Ausnahme

hellip dass in der oumlsterreichischen Verfassung folgende sieben Minderheitensprachen anerkannt sind

Ungarisch Slowenisch Burgenlandkroatisch Tschechisch Slowakisch Romani und die

oumlsterreichische Gebaumlrdensprache

hellip dass in Oumlsterreich neben Deutsch ca 250 weitere Sprachen gesprochen werden (zthinspB Bosnisch Kroatisch Serbisch Tuumlrkisch Arabisch Englisch Armenisch Pashto Somali Tschetschenisch Zazaki etc)

hellip dass in den Volksschulen in Oumlsterreich 308thinsp der SchuumllerInnen eine andere Umgangssprache als Deutsch haben oder eine weitere neben Deutsch

hellip dass die unterschiedlichen Dialekte des Deutschen fuumlr einen Groszligteil der Bevoumllkerung die taumlgliche Umgangs sprache sind Solche Dialekte sind zum Beispiel Wienerisch Tirolerisch Kaumlrntnerisch Vorarlbergerisch

hellip dass mehr als die Haumllfte der Wiener VolksschuumllerInnen eine andere Umgangsprache als Deutsch haben oder neben Deutsch eine weitere

hellip dass Mutter-sprachen unterricht in 25 Sprachen angeboten wird Der Besuch des Mutter-sprachenunterrichts ist kostenfrei und steht jedem Schuumllerthinspthinspjeder Schuumllerin zu

hellip dass in Wien an den Schulen etwa 80 verschiedene Sprachen vertreten sind

Quelle European Centre for Modern Languages

Quelle Statistik Austria

hellipdass genau genommen niemand einsprachig ist denn wir alle wechseln von Umgangssprache in Standard-sprache oder von Dialekt in Hochsprache von einer Sprache in eine andere von einer formalen in eine informelle Weise des Ausdrucks genannt Sprachregister usw Mehrspra-chigkeit ist in sich vielfaumlltiger als man annehmen wuumlrde

12 13

Kapitel 2

Spracherwerb bei mehrsprachigen Kindern Uumlberblick zu den verschiedenen Definitionen von Mehrsprachigkeit sowie zu den Entwicklungsverlaumlufen bei mehrsprachigen Kindern

Fuumlr die schulische Laufbahn entscheidend ist die sprachliche Entwicklung des Kindes Was macht aber den Unterschied aus dass sich ein Kind im Hinblick auf seine Sprache ndash oder Spra-chen wenn es davon mehrere im Leben des Kindes gibt ndash bes-ser ent wickelt als ein anderes Der sprachliche Erfolg in der Schule haumlngt auch davon ab wie sehr Kinder ihre eigene Bilingualitaumlt positiv erleben Dabei kann die Betreuung in der Freizeit einen entscheidenden Beitrag leisten

Wichtig ist dass die vielseitigen Sprachkompetenzen der Kinder gesehen werden und nicht das Defizit im Vordergrund steht wenn ein Kind noch nicht so gut Deutsch spricht wie einige seiner MitschuumllerInnen

Angesichts einer SchuumllerInnenschaft die unterschiedliche Erstspra-chen und Familiensprachen mitbringt und natuumlrlich auch sozial und familiaumlr sehr durchmischt ist muss vor allem den Kindern vermittelt werden dass sie Kompetenzen mitbringen und ihre Mehrsprachig-keit ein Mehrwert ist Die Herausforderung liegt darin diese Einstellung selbst zu verinnerlichen und daran zu glauben Denn es geht darum das Kind zu bejahen mit allem was es ausmacht

21 Das Einmaleins der Mehrsprachigkeit ndash Erklaumlrungen zu gaumlngigen Definitionen

Ist Muttersprache und Erstsprache dasselbe Was bedeutet Herzsprache und gibt es auch Vatersprache Die Begriffe mit denen wir uumlber Mehrsprachigkeit sprechen stoszligen an Grenzen und uumlberholen sich schnell Das liegt daran dass sich unsere Gesellschaft im stetigen Wandel befindet und Mehrsprachigkeit vor allem ein gesellschaftliches Phaumlnomen ist

Ein kurzer Uumlberblick zu Terminologien und Definitionen soll Klarheit schaffen

Erstsprache und Erstspracherwerb Erstspracherwerb erfolgt auf natuumlrliche und kindliche Weise in der ersten fruumlhkindlichen Spracherwerbsphase Bilinguale Kinder koumlnnen auch zwei Erstsprachen haben Der Begriff Erstsprache bezieht sich in dieser Definition nur auf den Zeitpunkt ab wann das Kind mit der Sprache sozialisiert wird Er gibt keine Auskunft uumlber Kompetenz und emotionale Beziehung zur Sprache Bisweilen wird der Begriff Erstsprache nicht genealogisch sondern qualitativ interpretiert und bezeichnet die dominierende bzw meistgebrauchte Sprache und die wiederum kann vor allem in Migrationskontexten durchaus eine andere als die ersterwor-bene Sprache sein

bdquoDie Sprache gehoumlrt zum Charakter des Menschenldquo[Sir Francis von Verulam Bacon englischer Philosoph]

14 15

Kapitel 2

Spracherwerb bei mehrsprachigen Kindern

Muttersprache Dieser Begriff wird als eine Art Synonym fuumlr Erstsprache verwendet Da er missverstaumlndlich ist ndash denn auch die Sprache des Vaters ist eine Muttersprache fuumlr das Kind ndash wird dieser Begriff im wissen-schaftlichen Kontext und in der Forschung nicht mehr verwendet Im Alltag ist er durch-aus gebraumluchlich und per se nicht falsch

Zweitsprache und Zweitspracherwerb Eine zweite Sprache wird nach dem Erwerb der Erstsprache (in der fruumlhen Spracherwerbs-phase) erworben Achtung eine zweite Erstsprache ist keine Zweitsprache Meist spricht man von Zweitsprache wenn das Kind uumlber vier Jahre alt ist und damit der Erstspracherwerb zumindest weit fortgeschritten ist und in seiner weiteren Sozia-lisierung eine neue Sprache hinzukommt

Ein Beispiel Ein Kind waumlchst in Syrien mit Arabisch und Kurdisch auf mit sechs Jahren kommt es nach Oumlsterreich In diesem Fall sind Arabisch und Kurdisch Erstsprachen und Deutsch eine Zweitsprache Oft beobachtet man dass sich langfristig die Sprachkompetenz zu Gunsten der Zweitsprache bzw Bildungssprache verschiebt

Die Definitionen bezuumlglich Mehrsprachigkeitsentwicklung sind auch deshalb eine Herausforderung weil Sprache viele weitere Aspekte hat Emotionalitaumlt gesellschaftlich-kulturelle Zusam-menhaumlnge und Sprache ist auch stark mit der Identitaumlt und deren Entwicklung verbunden Die Sprachen die uns umgeben beeinflussen unsere Persoumlnlichkeit und unsere Gefuumlhlswelt Deshalb hat sich der Begriff bdquoHerzspracheldquo ergeben um so der Emotionalitaumlt von Sprache gerecht zu werden Dieser Begriff wird sogar in der Wissenschaft verwendet und beschreibt die Sprache die einem nahe ist und zu der man eine enge emotio-nale Bildung hat Das kann manchmal ein Dialekt sein oder auch sehr oft die Sprache der eigenen Eltern Welche die Herzsprache eines Menschen ist ist aber letztendlich sehr individuell

Zu oft wachsen Kinder aus Migrantenfamilien mit der Vorstel-lung auf Deutsch sei nicht bdquoihreldquo Sprache Dabei geht es sehr stark um die subjektive Zuordnung von Muttersprache Dieses Gefuumlhl der Zugehoumlrigkeit zu einer SprecherInnengruppe ist deshalb so wichtig weil es das Selbstbewusstsein der Kinder staumlrkt und ihnen im Spracherwerb Sicherheit gibt Es geht also auch darum den Kindern zu vermitteln dass Deutsch ihre Bildungssprache ist und sie selbstbewusst mit ihren Sprach-kompetenzen umgehen sollen selbst wenn zuhause kein Deutsch gesprochen wird

22 Warum es grundsaumltzlich nie falsch ist Mehrsprachigkeit zu foumlrdern

Wenn wir uns die Sprachentwicklung des doppelten Sprachauf-baus ansehen so gibt es allerhand Unterschiede im Vergleich zu einer monolingualen Sprachentwicklung Es werden gleich-zeitig zwei unabhaumlngige Sprachsysteme aufgebaut Unabhaumln-gig aber auch staumlndig im Kontakt und Austausch miteinander Dieser Austausch fuumlhrt unter anderem dazu dass Mehrsprachi-ge im sprachlichen Begreifen oft kognitiv flexibler und effizien-ter als Monolinguale sind Anfangs aber koumlnnen sich die Sprachen bdquoim Weg stehenldquo Es kommt zu sogenannten Interfe-renzen die uns als Fehler auffallen

bdquoKinder die von Geburt an zweisprachig aufwachsen erwerben also nicht nur zwei Verbalsprachen sondern auch zwei Systeme von Aussprache und Sprachme-lodie Gestik und Mimik sowie von kulturellen Regeln der Kommunikationldquo [Anja Leist- Villis deutsche Erziehungswissen-schaftlerin]

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Sprachbewusstseinsfoumlrderung unterstuumltzt die Kinder dabei sich in ihren Sprachsystemen zurechtzufinden

Und weil bei Bilingualen die Sprachen sich bdquoberuumlhrenldquo und bdquobeeinflussenldquo ist es besonders gut wenn in der Sprachfoumlrde-rung alle Sprachen des Kindes Beachtung finden Denn beide Sprachsysteme beeinflussen sich gegenseitig in ihrem Wachs-tum Das ist wissenschaftlich ausfuumlhrlich erforscht und belegt Aus zahlreichen Forschungsergebnissen weiszlig man auch dass die Sprachen nicht getrennt im Gehirn verortet sind sondern in einem Sprachzentrum Der Erhalt der Muttersprache gefaumlhrdet somit in keiner Weise den guten Erwerb des Deutschen im Gegenteil

Es geht auch darum das wertvolle Potenzial der Mehr-sprachigkeit in den Kindern zu staumlrken Es geht nicht darum sich nur auf eine konkrete Sprache zu konzentrieren sondern die Sprachenvielfalt spuumlrbar zu machen Das fuumlhrt nicht nur dazu dass die Kinder viele Sprachen gut sprechen koumlnnen sondern durch diesen Ansatz foumlrdern PaumldagogInnen auch die sprachliche Entwick-lung generell Somit lernen die SchuumllerInnen all ihre Sprachen kompetent und selbstbewusst zu nutzen Diesen selbstbe-wussten Zugang koumlnnen Sie auch durch Ihre Vorbildwirkung foumlrdern indem Sie Ihre Kompe-tenzen in Ihrer eignen Erstspra-che oder in erworbenen Fremd-sprachen gemeinsam mit den Kindern nutzen Damit zeigen Sie dass Sprachenvielfalt zum Alltag gehoumlrt

23 Spracherwerb zuhause

Die Sprache der Eltern ist durch die ersten Bindungserfahrun-gen stark emotional besetzt Mit der Erstsprache werden zugleich spezifische soziale Regeln Normen und Werte vermittelt die dem Kind Orientierungspunkte fuumlr den Aufbau seiner Identitaumlt bieten

Fuumlr die freizeitpaumldagogische Arbeit bedeutet dies dass auch auf die Sprachkompetenz aus dem familiaumlren Kontext einge-gangen werden sollte Das kann den Kindern helfen bereits Gelerntes aus der Herkunftssprache mit neuen Inhalten aus dem Deutschen zu verknuumlpfen

Diese Herangehens- weise wird auch mit

OPOL abgekuumlrzt Dies bedeutet dass jeder Elternteil in seiner jeweiligen Erstsprache mit dem Kind spricht Es ist eine Methode die sich uumlberaus bewaumlhrt hat Denn das Kind assozi-iert die Person mit der Sprache Zweisprachige Kinder reagieren sehr sensibel auf ihr Gegenuumlber und wenn sie eine Sprache mit einer Person assoziieren dann bleibt diese Verbindung Uumlber die Sprache entsteht auch eine emotionale Bindung zu der Person die wiederum zur emotionalen Bindung mit der Sprache selbst fuumlhrt Wichtig ist dass die Anwendung dieser Strategie auf natuumlrliche Weise passiert und nicht gekuumlnstelt oder ver-krampft

Deshalb ist es wichtig dass die Eltern bei ihrer Kommunika-tionssprache mit dem Kind bleiben und diese nicht migrations-bedingt aumlndern

Fuumlr die Foumlrderung der Herkunftssprache koumlnnen Eltern auch die zahlreichen Angebote des Schulsystems nutzen zthinspB den Muttersprachenunterricht Mehr Information dazu wwwschule-mehrsprachigat

One person ndash one language

Kapitel 2

Spracherwerb bei mehrsprachigen Kindern

bdquoDer Mensch ist ein komple-xes Lernwesen und Sprache braucht die emotionale und gesellschaftlich kontextuelle Verknuumlpfungldquo [Zwetelina Ortega]

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31 Code-switching und Code-mixing

Mehrsprachige Kinder bdquovermischenldquo oftmals ihre Sprachen Dieses Phaumlnomen wird auch Code-mixing genannt Oder sie wechseln zwischen den Sprachen genannt Code-switching Dieses Sprachverhalten kann PaumldagogInnen verunsichern Faumllschlicherweise wird Mehrsprachigen nachgesagt sie haumltten einen eingeschraumlnkten Wortschatz und weniger ausdifferen-zierte sprachliche Ressourcen in den jeweiligen Sprachen als Kinder mit einer Erstsprache Untersuchungen zeigen aber dass dies nur fuumlr die ersten Lebensjahre stimmt Gegen Ende der Volksschule gleichen sich Grammatik und Wortschatz in der dominanten Sprache aus und oft uumlberholen die bilingualen Kinder sogar die monolingualen

Junge Menschen verwenden Code-switching auch als bdquoHilfs-strategieldquo wenn der fuumlr ein Thema relevante Wortschatz in der anderen Sprache leichter verfuumlgbar ist

Nahezu alle mehrsprachigen Menschen mischen und vermi-schen ihre Sprachen vor allem in informellen Gespraumlchskontex-ten Es ist auch nicht weiter schlimm solange es in dem eben dargelegten Rahmen bleibt

Fuumlr Sie als PaumldagogIn heiszligt das dass Sie nicht das Gefuumlhl haben muumlssen immer eine einheit-

liche Sprache einzufordern Versuchen Sie im Sprachwechsel auch die Kreativitaumlt der Kinder zu erkennen und diese in der Betreuung zu nutzen Vielleicht moumlchte das Kind erklaumlren warum es gerade dieses Wort aus einer anderen Sprache verwendet hat und welche die besondere Bedeutung ist

In der paumldagogischen Praxis

Weitere Moumlglichkeiten auf Code-switching und Code-mixing spielerisch einzugehen vielsprachige kreative Texte schreiben in denen alle Sprachen vorkommen duumlrfen

Ein vielsprachiges bdquoStadt Land Flussldquo-Spiel bei dem alle Sprachen erlaubt sind Wichtige Regel dabei die Kinder muumlssen versuchen die Begriffe auf Deutsch zu uumlbersetzen zu umschreiben oder zu erklaumlren um sie so der ganzen Gruppe verstaumlndlich zu machen Es ist dabei hilfreich wenn Sie als PaumldagogIn den Anfang machen und sich selbst auch mit Ihren Sprachkenntnissen einbringen So verstehen die Kinder das Spiel besser und trauen sich eher ihre Erstsprachen zu verwen-den

Oder als Reihum-Fragespiel bdquoWie sagt man in deiner (nicht-deutschen) Sprache fuumlr Ich habe einen Baumlrenhunger hellip Der ist bekannt wie ein bunter Hund hellip Du kannst mir mal den Buckel runterrutschen hellipldquo und andere bekannte Redensarten

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen KontextErscheinungsformen gelebter Mehrsprachigkeit in der Schule und viele Beispiele fuumlr praxisnahe Handlungsfelder und Uumlbungen

bdquoEine Umsetzung mehrschriftlicher und multilingua-ler Ansaumltze kann allen Beteiligten zu mehr Freiheit und Selbstbe-stimmung verhelfen [hellip]ldquo [Elke Montanarithinspthinsp Julie Panagioto-poulou in Mehrsprachigkeit und Bildung in Kitas und Schule]

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Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

32 Dominante und schwache Sprache

Nahezu jede Sprachsituation im Leben von zweisprachigen Kindern ist einzigartig Diese haumlngt von unterschiedlichen Gegebenheiten ab Wie oft ist das Kind im Kontakt mit einer Sprache Wie haumlufig wird sie gesprochen Mit wem wird sie gesprochen Wie viel und welcher Input ist da usw In vielen Faumlllen entwickelt sich eine Sprache schneller und besser als die andere Die Kompetenzen in den Sprachen koumlnnen sich im Laufe des Lebens veraumlndern oder auch verschieben je nach Sprachsituation und Motivation des Menschen Nur selten beherrschen Kinder beide Sprachen gleich gut Auch Erst- oder Zweitsprachen koumlnnen sich je nach Lebenssituation in ihrer Dominanz verschieben

Auch wenn Sie das Gefuumlhl haben dass das Kind seine Erstsprache nicht so gut beherrscht wird

es sich sicher freuen und es als positiv erleben wenn es etwas daruumlber erzaumlhlen kann oder sich mit Wortbeitraumlgen und Kommentaren in dieser Sprache einbringen kann

In der paumldagogischen Praxis

33 Gesellschaftliches Prestige der Sprachen

bdquoAlle Sprachen sind gleichwertigldquo ndash diese so selbstverstaumlndlich schei-nende Aussage deckt sich leider ganz und gar nicht mit der Wirklichkeit Viele Vorurteile truumlben den Blick auf den Wert individueller migrationsbe-dingter Mehrsprachigkeit Vorurteile sind wie ein Echo auf die Mehrspra-chigkeit Das Kind bekommt sie fruumlher mit als uns lieb ist Dieser Umstand kann die gesamte Sprachentwicklung bremsen

Das Prestige einer Sprache haumlngt in erster Linie vom Ansehen ihrer SprecherInnen ab Dieses Ansehen wiederum ist vor allem durch die wirtschaftliche und soziale Position einer bestimmten SprecherInnengruppe in der Gesellschaft beeinflusst

Als PaumldagogIn kann man mit dem eigenen Verhalten

zeigen dass alle Sprachen gleich geschaumltzt werden Diese Wertschaumltzung gilt es auch den Eltern zu signalisierten Dabei reichen oft kleine Kommentare Zum Beispiel bdquoEs ist groszligartig dass du so viele Sprachen sprichstldquo bdquoEs gefaumlllt mir wenn ich dich hellip sprechen houmlreldquo oder bdquoSchoumln dass Ihr Kind zwei Sprachen so gut beherrschtldquo Und Sie koumlnnen den Kindern und Eltern auch von Ihren eignen Erfahrungen erzaumlhlen beim Sprachenlernen oder von Ihrer eignen Bilingualitaumlt ZthinspB durch Beispiele fuumlr die Nuumltzlichkeit von Mehrsprachigkeit im Urlaub oder durch den Hinweis auf berufliche Vorteile Oumlsterreichische Firmen (zthinspB Banken) stellen naumlmlich gerne MitarbeiterInnen ein die neben Deutsch nicht immer nur Englisch sondern gerne auch andere Sprachen wie die BKS-Sprachen oder Tuumlrkisch sprechen So vermitteln Sie das Thema auf authentische Weise und staumlrken gleichzeitig die Familie positiv mit ihrer eigenen Mehrsprachigkeit umzugehen

In der paumldagogischen Praxis

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34 Interferenzen und Lerntransfer

Wenn Sprachen sich gegenseitig beeinflussen und es dadurch zu einer Fehlleistung kommt sprechen wir von Interferenz Dies kann auf grammatikalischer phonetischer oder lexikali-scher Ebene vorkommen Meist beeinflusst die dominante Sprache die schwaumlchere Im Spracherwerb kann es Phasen geben in denen es zu zahlreichen Interferenzen kommt Diese Phasen gehen aber meist wieder zuruumlck wenn die Sprachen sich gut entwickeln und das sprachliche Repertoire des Kindes waumlchst Voraussetzung dafuumlr ist eine gute Lernumgebung und Menschen die viel und richtig mit dem Kind sprechen Eltern die meinen ihrem Kind etwas Gutes zu tun indem sie mit ihm Deutsch sprechen obwohl sie die Sprache nicht auf Mutter-sprachenniveau beherrschen schaden damit der kindlichen Sprachentwicklung

Es gibt aber auch einen Lerntransfer zwischen den Sprachen und zwar dann wenn sie sich positiv beeinflussen und es beim Sprachenlernen zu sogenannten Uumlbertragungen kommt Diese bleiben fuumlr uns verborgen weil sie eine Form gelingenden Sprechens sind

PRAXIS Umgehen mit sprachlichen Fehlleistungen

Korrektives Feedback wiederholen Sie im Gespraumlch mit dem Kind richtig was falsch gesagt wurde und versuchen Sie es in das Gespraumlch einflieszligen zu lassen Wiederholen Sie Schluumls-selwoumlrter die das Kind falsch gesagt hat eher am Ende des Gespraumlchs richtig Versuchen Sie auf direktes Verbessern zu verzichten Es stoumlrt den Gespraumlchsverlauf Fordern Sie die Kinder nicht staumlndig auf das falsch Gesagte richtig zu wieder-holen Hin und wieder kann es zielfuumlhrend sein weil es Klarheit verschafft zu oft eingefordert kann es die Kinder beim Sprechen hemmen

Geduld Spracherwerb ist ein langsamer Prozess der noch dazu nicht linear verlaumluft Es gibt Entwicklungsspruumlnge dann wieder Phasen in denen sich vermeintlich wenig weiterentwi-

ckelt Kinder nehmen Sprachinput auf und verarbeiten ihn fuumlr sich Bis es uns beim Reden auffaumlllt muss manchmal etwas Zeit vergehen Haben Sie also Geduld Ihre Foumlrderansaumltze brauchen einfach etwas Zeit um zu fruchten

Wahrnehmen Jeder freut sich wenn man seine Anstren-gung wahrnimmt Wenn Ihnen bei einem Kind eine sprachliche Errungenschaft auffaumlllt so koumlnnen Sie es explizit sagen

Stuumltze in der Erstsprache des Kindes Sollten Sie die Erstsprache des Kindes beherrschen koumlnnen Sie diese Kompe-tenz selbstverstaumlndlich nutzen um dem Kind in seinem Spracherwerb zu helfen Beispielsweise indem Sie ihm etwas kurz erklaumlren damit es dieses besser versteht Manchmal hilft es auch den Fehler in der deutschen Sprache aus der Sicht der Erstsprache zu betrachten dann kann man das Kind besser unterstuumltzen Nutzen Sie diese Chance wenn Sie sie haben

Fehler machen ist Teil jeder Form von Spracherwerb und von Sprachlernen Fehlermachen im gesteuerten ebenso wie im ungesteuerten Spracherwerb ist etwas voumlllig Natuumlrliches Fehler zu machen und sie als solche zu erkennen ist ein Schluumls-selelement jeder Form des Spracherwerbs Wenn Sie als PaumldagogIn Ihrerseits Deutsch nicht als Muttersprache erwor-ben haben koumlnnen Sie auf eigene Fehler und Muumlhen im Erwerb

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

bdquoEine andere Sprache ist eine andere Sicht auf das Lebenldquo [Federico Fellini italienischer Filmemacher]

bdquoDer Akzent sorgt fuumlr die Schoumlnheitsmale auf der Sprach-hautldquo[Ilija Trojanow bulgarisch- deutscher Schriftsteller]

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des Deutschen verweisen (zthinspB auf die richtige Beugung unregelmaumlszligiger Verben oder die Stellung des Verbs am Ende des Nebensatzes etc)

35 Sprachbewusstsein foumlrdern eine Methode die viel bewirkt

Im Gegensatz zur schulischen Mehrsprachigkeit wird die migrationsbedingte bzw lebensweltliche Mehrsprachigkeit bisher zaghaft gefoumlrdert und im Unterricht weitgehend ausge-blendet Die Herkunftssprachen der SchuumllerInnen werden im Unterricht selten einbezogen Sie werden eher als Belastung bzw als Problem und nicht als Ressource angesehen

Sprachbewusstsein ist das Bewusstsein fuumlr die Funktionsweise und Bedeutung von Sprachen Wenn man Kinder darin unter-stuumltzt so gibt man ihnen die Moumlglichkeit und befaumlhigt sie sprachliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erkennen Zudem werden sie darin gefoumlrdert zu erkennen welche Rolle Sprache in unserer Gesellschaft spielt

Bei diesem Prozess koumlnnen die SchuumllerInnen auf bereits vorhandenes Sprachlernwissen zuruumlckgegriffen Wenn sie sich mit ihrem Wissen aus der erworbenen Herkunftssprache einbringen koumlnnen so bewirkt dies einen Motivationsschub der sich positiv auf das weitere Sprachenlernen auswirken kann

Stellen Sie Spiele und Uumlbungen und Methoden zur Verfuumlgung die die Kinder motivieren ihre vorhandenen Sprachkenntnisse zu nutzen so dass die Sprachen auch erklingen koumlnnen Und vergessen Sie dabei nicht auf die zentrale Vorbildwirkung die Sie selbst einbringen koumlnnen Beteiligen Sie sich selbst an den Spielen und Uumlbungen mit Ihren Sprachkenntnissen Die Kinder werden viel Freude daran haben diese weitere Facette die Sie ausmacht kennenzulernen So koumlnnen Sie gemeinsam mit den Kindern Lieder singen die es in mehreren Sprachversionen gibt (wie zthinspB Fregravere JacquesthinspthinspBruder Jakob und in der Weihnachts-zeit Stille Nacht heilige Nacht ndash ein Lied das es bestimmt in den Sprachen aller beteiligten Kinder gibt)

PRAXIS Anwendungsideen

Am Anfang steht die Bereitschaft Raum fuumlr Gespraumlche uumlber die eigene Sprachbiografie zu schaffen Natuumlrlich nehmen an diesen Gespraumlchen alle Kinder teil auch jene die nicht bilingual aufwachsen Weitere Spielideen

Sprachenportrait ndash meine Sprachen in mir Uumlber Sprache nachdenken und daruumlber sprechen Meine Sprachbiografie Meine Familie und ihre Sprachen Sprachenstammbaum der Familie Uumlbersetzungsspiel UmgangssprachethinspthinspFachsprache oder HochsprachethinspthinspDialekt

Redewendungen aus aller Welt Mehrsprachige Wortfelder

Die naumlhere Ausfuumlhrung zu den jeweiligen Spielideen finden Sie auf der Website und im Intranet der BiM ndash Bildung im Mittel-punkt Weitere Uumlbungen um Sprachbewusstsein und Mehr-sprachigkeit zu foumlrdern sind in Kapitel 6 angefuumlhrt

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

bdquoDer Geist einer Sprache offenbart sich am deutlichsten in ihren unuumlber- setzbaren Wortenldquo[Marie von Ebner-Eschenbach oumlsterreichische Schriftstellerin]

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Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd seinNutzen der eigenen Sprachkompetenzen und Umgang mit kritischen Situationen die sich durch die Mehrsprachigkeit der Kinder ergeben koumlnnen

41 Wenn Kinder untereinander in einer anderen Sprache als Deutsch sprechen

In vielen Schulen wird nach wie vor das Prinzip gelebt dass nur Deutsch gesprochen werden darf und soll Dieser Zugang blendet die Realitaumlt bilingualer Menschen aus und signalisiert den Kindern dass ein Teil von ihnen unerwuumlnscht ist Das ist weder fuumlr den Deutscherwerb noch fuumlr die Persoumlnlichkeitsent-wicklung des Kindes foumlrderlich Und dabei wird auszliger Acht gelassen warum Kinder in eine andere Sprache switchen

weil sie sich in ihrer Erstsprache sicherer fuumlhlen und Deutsch noch nicht gut beherrschen Fuumlr die Kommunikation eine Sprache zu waumlhlen die man gemeinsam gut kann ist ein natuumlrlicher Zugang Wuumlrde man die Kinder dann zwingen auf Deutsch zu wechseln wuumlrde man sie foumlrmlich verstummen lassen

Das Sprachwechseln kann auch bei Kindern die gut Deutsch sprechen ganz intuitiv passieren und vom Kind in diesem Moment nicht bewusst wahrgenommen werden Diese Sprach-wahl des Kindes zeugt eher von einer hohen Sprachkompetenz und von seinem kreativen Umgang mit der eigenen Bilinguali-taumlt

Als Problem wird haumlufig dargestellt dass andere Kinder durch den nichtdeutschen Sprachgebrauch ausgegrenzt wuumlrden Wenn Sie tatsaumlchlich beobachten dass Kinder jemanden durch Sprachwechsel ausgrenzen dann ist das Problem die Ausgren-zung Ein Sprachverbot ist hier der falsche Weg Viel wichtiger ist es uumlber das Ausgrenzen anderer Kinder an sich zu sprechen

Damit sich vielleicht andere Kinder nicht verunsichert fuumlhlen kann man auch die Bilingualitaumlt der SchuumllerInnen zum Thema zu machen und mit der Gruppe besprechen Dann kann man auch den Kindern vermitteln dass die gemeinsame Sprache der Gruppe Deutsch ist Damit Kinder ihre Bilingualitaumlt positiv erleben koumlnnen ist es aber ratsam dass sie im schulischen Kontext auch eine ihrer Erstsprachen verwenden koumlnnen So koumlnnen tatsaumlchlich ihre beiden Sprachen Platz haben so wie es auch ihrer Wirklichkeit entspricht Wie und wann geswitcht werden kann kann man in der Gruppe gemeinsam vereinbaren So haben die Kinder sowohl Deutschinput als auch die Moumlglich-keit all ihre Sprachkompetenzen zu benutzen

bdquoSprache ist der Schluumlssel zur Weltldquo[Alexander von Humboldt deutscher Naturforscher]

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Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein

42 Wenn Kinder Sie in Ihrer Erstsprache ansprechen

Viele FreizeitpaumldagogInnen der BiM ndash Bildung im Mittelpunkt haben selbst unterschiedliche und vielfaumlltige kulturelle und sprachliche Kompetenzen Und diese betrachten wir als wertvoll Sehen Sie Ihre Sprachkompetenz deshalb als Berei-cherung und Chance Denn Sprache ist mehr als Kommunika-tion es geht nicht nur darum dass die Kinder von Ihnen Deutsch lernen sie haben auch eine Bindung zu Ihnen aufge-baut oder sind gerade dabei Sich uumlber eine gemeinsame Sprache auszutauschen kann Vertrauen schaffen Manchmal wollen die Kinder einfach zeigen was sie alles koumlnnen

Wenn ein Kind tatsaumlchlich noch kein Deutsch spricht und versteht koumlnnen Sie mit Ihrer Sprachkompetenz eine gute Bruumlcke schlagen und das Kind dabei unterstuumltzen sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden durch kleine Erklaumlrungen oder indem Sie auf die Ausfuumlhrung des Kindes reagieren Ihre sprachliche Unterstuumltzung erleichtert dem Kind vor allem sich in der neuen Situation einzuleben Auch in der Kommunikation mit den Eltern koumlnnen Sie Ihre Sprachkenntnisse nutzen

PRAXIS die eigenen Sprachkompetenzen nutzen

Kurze Erklaumlrungen Wenn Sie bemerken dass sich ein Kind aus sprachlichen Gruumlnden in einer Situation ganz und gar nicht zurechtfindet und Sie haben eine andere gemeinsame Sprache koumlnnen Sie diese nutzen um dem Kind zu erklaumlren was gerade passiert oder was zu tun ist Beispielweise wenn es darum geht dass Sie gemeinsam in den Park gehen wollen und sich die Kinder anstellen sollten oder Aumlhnliches Danach koumlnnen Sie wieder auf Deutsch switchen Sie koumlnnen auch den restlichen Kindern kurz erklaumlren dass Sie in einer anderen Sprache gesprochen haben um dem Kind zu helfen besser zu verstehen was passiert So fuumlhlen sich die Kinder nicht ausgeschlossen und erleben dass Sprachgebrauch vielseitig sein kann und sein darf

Gespraumlch mit Eltern Wenn Sie bemerken dass es den Eltern schwer faumlllt auf Deutsch zu kommunizieren und Sie wissen sie haben eine andere gemeinsame Sprache in der es ihnen leichter fallen wuumlrde koumlnnen Sie es den Eltern behutsam und mit dem notwendigen Fingerspitzengefuumlhl anbieten So schaffen Sie eine leichtere Basis fuumlr Kommunikation sowie Austausch und Vertrauen

bdquoWir wohnen nicht in einem Land sondern in einer Spracheldquo[Emil Cioran rumaumlnischer Philosoph]

bdquoGelebte Zweisprachig-keit ist eher selten aumlqui-valent sondern asymmetrisch oft hierarchisch und bisweilen konfliktivldquo [Georg Kremnitz deutscher Romanist]

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43 Wenn Kinder offensichtlich ungute Dinge zu jemanden in einer Sprache sagen die Sie nicht verstehen

Wenn man Kindern die Moumlglichkeit einraumlumt ihre Erstsprachen zu verwenden haben Paumldago-gInnen manchmal Angst sie koumlnnten dies dafuumlr nutzen um Schimpfwoumlrter oder andere respekt-lose Ausdruumlcke zu verwenden In den seltensten Faumlllen ist es so Ihre Intuition wird Ihnen zeigen sollte tatsaumlchlich respektlos miteinander umgegangen werden Dazu braucht man nicht jedes Wort zu verstehen denn Kommunikation passiert auch auf nonverbaler Ebene Dabei ist natuumlrlich der respektlose Umgang zu hinterfra-gen Auch in diesem Fall ist ein Deutschgebot das die Verwendung anderer Sprachen unter-bindet nicht zielfuumlhrend Denn einerseits wuumlrde man dadurch die Kinder die respektvoll mitein-ander umgehen auch sanktionieren und ander-seits wird dadurch das Problem des fehlenden Respekts nicht geloumlst Viel wichtiger ist es einen respektvollen Umgang miteinander zu foumlrdern unabhaumlngig davon welche Sprache dabei gesprochen wird

44 Wenn SchuumllerInnen die in Deutsch noch schwach sind ausgegrenzt werden

Fehlende Sprachkompetenz kann auch ausgrenzend wirken Das Kind kann sich nicht verstaumlndigen bei Spielen und Gesprauml-chen nicht mitmachen und wird vielleicht von den Mitschuumller-Innen nicht in die Gruppe integriert Das kann zu einer Nega-tiv-Spirale fuumlhren denn die eingeschraumlnkten sozialen Kontakte schraumlnken auch den sprachlichen Kontakt ein und Kinder lernen besonders viel von- und miteinander In solch einer Situation kann es hilfreich sein dass Sie thematisieren wie es einem geht wenn man eine neue Sprache lernt Dazu gibt es zahlrei-che kindgerechte Uumlbungen ZthinspB ausgeruumlstet nur mit einem

Woumlrterbuch in einer ganz fremden Sprache etwas erklaumlren muumlssen oder auch selbst daruumlber reflektieren wie geht es mir beim Fremdsprachenlernen zthinspB Englisch Wenn man sich besinnt wie herausfordernd der Weg ist hat man auch mehr Verstaumlndnis fuumlr den neuenthinspthinspdie neue MitschuumllerIn

Helfen kann auch die Kinder von Anfang an als Stuumltze und Hilfe fuumlr das neue Kind einzubinden So fuumlhlen sie Verantwor-tung und koumlnnen selbst etwas fuumlr den guten sozialen Klassen-verband beitragen

Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein

bdquoMehrsprachige Kompetenz ist nicht nur Ein - sprachigkeit in mehreren Sprachen sondern ist als eine ganzheit-liche Sprach-kompetenz aufzufassen und zu foumlrdernldquo [Elisabeth Allgaumluer-Hacklthinspthinsp Ulrike Jessner in Mehrsprachig-keitsunterricht aus mehrsprachiger Sicht Zur Foumlrderung des metalinguistischen Bewusstseins]

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Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren Argumente und Darstellungen fuumlr Gespraumlche und Fragen mit denen Sie Ihre Position Mehrsprachigkeit zu foumlrdern erklaumlren und staumlrken koumlnnen

51 Ein Erklaumlrungsversuch ndash warum die Foumlrderung und Anerkennung sprachlicher und soziokultureller Diversitaumlt in Frage gestellt wird

Uumlber Mehrsprachigkeit wird schon seit langem geforscht denn Gesellschaften in denen mehrere Sprachen zusammenkom-men hat es seit jeher gegeben Die wissenschaftlichen und empirischen Ergebnisse aus der Mehrsprachigkeitsforschung zeigen allesamt dass die Foumlrderung der individuellen und gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit allen zugutekommt Zum Beispiel schadet es nicht dem Erlernen und Erwerben des Deutschen wenn Kinder auch in ihren anderen Erstsprachen gefoumlrdert werden Genau das Gegenteil ist der Fall Kinder entwickeln sich insgesamt sprachlich besser Und viele weitere positive Argumente wurden formuliert

Diese gesellschaftliche Mehrsprachigkeit und Plurikulturalitaumlt verlaumluft aber in den seltensten Faumlllen konfliktfrei Die Konflikte sind meist das Ergebnis von politischen Maszlignahmen die bestim-men SprecherInnengruppen mehr Macht und staumlrkere Positionen einraumlumen Das fuumlhrt auch dazu dass im oumlffentlichen Diskurs ndash in den Medien in Debatten und Stellungnahmen usw ndash manche Menschen die Position vertreten nur die anerkannte Amtsspra-che Deutsch sei foumlrdernswert und von Nutzen Die anderen Sprachkompetenzen werden als Problem angesehen Diese Haltung ist eine ausgrenzende die Menschen diskriminiert Diskriminierung fuumlhrt in keinem Fall zu einem besseren Schul-erfolg oder zur besseren Integration Auffaumlllig bei dieser Haltung ist dass die Sprachen selbst bewertet werden Beispielsweise wird das Erwerben von Englisch als positiv bewertet und eine Deutsch-Englisch Bilingualitaumlt auch Wenn es um migrationsbe-dingte Mehrsprachigkeit geht wird diese als Hindernis einge-

bdquoSchule muss bilinguale Kinder auch als solche wahrnehmen und nicht versuchen sie in die Passform des einsprachigen Kindes zu pressenldquo [Zwetelina Ortega]

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Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

stuft Wie steht es um die Erstsprachen die durch Migration nach Oumlsterreich gelangt sind Wie ist ihr Image Eine entscheidende Rolle spielt der Status der SprecherInnen Um mit Robert Walser zu sprechen Money rules the world Ist die Gruppe der Sprech-erInnen wirtschaftlich stark hat ihre Sprache gesellschaftlich hohe Anerkennung Uumlbt die Vielzahl einer SprecherInnengruppe jedoch niederqualifizierte und schlecht bezahlte Jobs aus ist sie wirtschaftlich schwach so hat ihre Sprache ein schlechtes Image in der Gesellschaft Diese Situation ist in allen Einwanderungsge-sellschaften aumlhnlich die Sprachen sind auswechselbar

Tatsache ist dass sich falsche und diskriminierende Argumente immer noch halten und dass Ihnen vielleicht Menschen begeg-nen werden die versuchen werden gegen die Foumlrderung von Mehrsprachigkeit zu argumentieren

Es gibt keinen Grund der Diskriminierung und Ausgrenzung zulaumlssig macht Das Ziel einer gelungenen paumldagogischen Arbeit ist es alle Facetten des Kindes anzunehmen und sie als Teil des paumldagogischen Alltags zu integrieren

52 Argumentationslinien und moumlgliche Positionen im Austausch mit KollegInnen Eltern KlassenlehrerInnen und DirektorInnen

Um Ihre Position zu staumlrken dass alle Sprachen und Sprach-kompetenzen gleichberechtigt und wertvoll sind und Sie sie deshalb in Ihrer Arbeit beruumlcksichtigen und foumlrdern haben wir einige Argumente fuumlr Sie ausgearbeitet

Familiaumlrer Kontext

Voraussetzung fuumlr eine gute Lernumgebung sind Menschen die viel und richtig mit dem Kind sprechen Eltern die meinen ihrem Kind etwas Gutes zu tun indem sie mit ihm Deutsch sprechen obwohl sie die Sprache nicht auf Muttersprachen-niveau beherrschen koumlnnen damit der kindlichen Sprachent-wicklung manchmal mehr schaden als helfen

Wichtig ist dass mit den Kindern viel gesprochen erzaumlhlt gelesen und vorgelesen wird Die Sprache die die Eltern dabei verwenden sollte eine sein in der sie sich wohl und sicher fuumlhlen und vielseitig ausdruumlcken koumlnnen Uumlblicherweise ist dies die Erstsprache der Eltern Kinder koumlnnen dann generell besser mit Sprache umgehen ndash auch mit Deutsch

Paumldagogischer und schulischer Kontext

Durch sprachsensible paumldagogische Arbeit die auch die Mehrsprachigkeit der Kinder beruumlcksichtigt wird das Verinner-lichen der sprachlichen Inhalte vor allem auch der bildungs-sprachlichen verbessert Der Aufbau von Bildungssprache ist Grundlage fuumlr Wissenserwerb Diese Faumlhigkeit die Sie den SchuumllerInnen vermitteln wird sie langfristig dazu befaumlhigen auch in ihren weiterfuumlhrenden Ausbildungen besser voranzu-kommen Dadurch werden auch die Bildungschancen aller SchuumllerInnen erhoumlht und zum Teil werden ungleiche Bildungs-bedingungen uumlberwunden

Beim doppelten Spracherwerb also bei Kindern die bilingu-al aufwachsen beeinflussen sich beide Sprachsysteme gegen-seitig positiv in ihrem Wachstum Das ist wissenschaftlich erwiesen Der Erhalt der Erstsprache gefaumlhrdet in keiner Weise den guten Erwerb des Deutschen im Gegenteil

bdquoEs ist doch ein groszliger Unter-schied ob einem gesagt wird dass Sprachen gleichwertig sind und man alles in jeder ausdruumlcken kann oder ob man es tutldquo [Elke Montanari deutsche Sprach- wissenschaftlerin]

bdquoDer Mensch ist Mensch nur durch Spracheldquo[Johann Gottfried von Herder deutscher Dichter und Uumlbersetzer]

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Wer sein Wissen aus den vorab erworbenen oder erlernten Sprachen einbringen kann der erfaumlhrt einen Motivationsschub der sich positiv auf das weitere Sprachenlernen auswirken kann

Die Anerkennung einer Herkunftssprache im schulischen Kontext kann zu einer positiven Persoumlnlichkeitsentwicklung der SchuumllerInnen fuumlhren Deren Aufwertung gibt den Kindern Selbstvertrauen und Sicherheit die sich auf den gesamten Lernerfolg gut auswirken

Eines der Ziele die sich die Europaumlische Union gesetzt hat ist es dass jeder Buumlrgerthinspthinspjede Buumlrgerin seinethinspthinspihre Mutterspra-che sowie mindestens zwei weitere Sprachen beherrscht Diesem Ziel ruumlcken wir naumlher wenn wir die vorhandenen Sprachkompetenzen der Kinder nutzbar machen

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen dass bei einer Foumlrderung der durchgaumlngigen Sprachbildung und lebenswelt-lichen Mehrsprachigkeit von Kindern die narrative Schreibfauml-higkeit und die schriftliche Kompetenzentwicklung gestaumlrkt werden und die bildungssprachlichen Elemente im Deutschen zunehmen

Es gibt noch viele weitere Argumente warum Mehrsprachigkeit immer ein Vorteil ist und nicht als Problem gesehen werden sollte Weitere Argumente werden Sie bestimmt in Ihrer eigenen Arbeit und Erfahrung mit den Kindern selbst finden Trauen Sie sich selbstbewusst zu Ihrer Position zu stehen und lassen Sie diskriminierende Haltungen nicht unkommentiert Wenn Sie die Moumlglichkeit haben nutzen Sie Ihre eigenen vielseitigen Sprachkompetenzen seien es Fremdsprachen oder weitere Erstsprachen sei es im spielerischen Umgang oder wenn Sie etwas erklaumlren Gemeinsam koumlnnen wir dazu beitra-gen dass mehrsprachige Kinder positiv wahrgenommen werden

Kapitel 6

Weitere Uumlbungs- und Anwendungsideen In diesem Kapitel finden Sie viele praxisnahe Uumlbungen fuumlr den spielerischen Umgang mit Mehrsprachigkeit in der Freizeitpaumldagogik

Wenn Sie solche oder aumlhnliche Uumlbungen mit den Kindern ausprobieren werden Sie vielleicht selbst oder gemeinsam mit ihnen viele neue Ideen entwickeln wie man Mehrsprachigkeit spielerisch und mit Freude in der Freizeitbetreuung aufgreifen kann Probieren Sie es aus Es wird allen SchuumllerInnen be-stimmt gefallen Das sind die Erfahrungen die wir bisher gemacht haben Hier einige Ansaumltze fuumlr Sie

Die Herkunft der Vor- und Nachnamen ndash wir erkunden die Bedeutungen unserer Namen

Radio aus aller Welt ndash wir houmlren in Online-Radiosender in verschiedenen Sprachen hinein Dabei koumlnnen die Kinder raten oder versuchen zu erkennen welche Sprache gerade erklingt

Stille Post mit den Sprachen unserer Klasse spielen

Kleine Sprachschule ndash jeweils ein Kind bringen dem Rest der MitschuumllerInnen einfache Saumltze und nuumltzliche Worte bei

Mehrsprachigkeit im oumlffentli-chen Raum ndash wir begeben uns auf Entdeckungsreise und suchen Orte wo wir unter-schiedliche Sprachen houmlren und sehen

Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

bdquoKennst du viele Sprachen ndash hast du viele Schluumlssel fuumlr ein Schloszligldquo[Voltaire franzoumlsischer Philosoph und Schriftsteller]

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Kapitel 7

EmpfehlungenLektuumlreempfehlungen zur Vertiefung Zahlreiche Links die weitere Anwendungsideen fuumlr die Praxis bieten aber auch vielseitige Artikel zum Thema

Weiterfuumlhrende Literatur

Krumm Hans-JuumlrgenthinspthinspReich Hans H 2011 Curriculum Mehrsprachigkeit Online im Internet

Montanari Elke 2013 Mit zwei Sprachen groszlig werden Mehrsprachige Erziehung in Familie Kindergarten und Schule Muumlnchen Koumlsel

Montanari ElkethinspthinspPanagiotopoulou Julie 2019 Mehrsprachigkeit und Bildung in Kitas und Schulen UTB

Schader Basil 2013 Sprachenvielfalt als Chance Handbuch fuumlr den Unterricht in mehrsprachigen Klassen Zuumlrich orell fuumlssli

Hilfreiche Institutionen

Kinderbuumlcherei der Weltsprachen gehoumlrt zu den Staumldtischen Buumlchereien wwwkirangoat Veranstaltungen zu Lesefoumlrderung fuumlr Schulen und Kindergaumlrten Teil der Buumlcherei Wien

wwwbaobabat BAOBAB ndash GLOBALES LERNEN vielseitige Arbeitsmaterialen und Literatur

Links

wwwlanguage-diversityeu ndash Arbeitsblaumltter Lehrmaterial Unterrichtsideen Schwerpunkt auf Minderheitensprachen in Europa

wwwpapperlapappcoat ndash Bilinguale Kinderzeitschrift wwwmultilingual-familieseu ndash Materialen fuumlr mehrsprachige Erziehung wwwderstandardatr2000023362091Linguamulti ndash monatlicher Blog zu Mehrsprachigkeit und Spracherwerb

wwwschule-mehrsprachigat ndash Kinder- und Jugendbuumlcher in vielen Sprachen Infos zum Muttersprachenunterricht

wwwfacebookcomlinguamulti ndash taumlglich Inhalte zum Thema Mehrsprachigkeit und Interkulturalitaumlt

Anschuumltzgasse 1 2 Stock 1150 WienTel +43 1 524 25 09-0 Fax +43 1 524 25 09-30officebildung-wienat wwwbildung-wienat

IMPRESSUMMedieninhaber und fuumlr den Inhalt verantwortlich BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbHAnschuumltzgasse 1 1150 Wien | Firmensitz Wien | FN502272k | Handelsgericht WienKonzeption Redaktion Text Zwetelina Ortega Linguamulti ndash wwwlinguamultiat (unter Mitwirken von BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbH)Fotos C Pertramer (S 5) J Zinner M Possert (S8)Grafik Gerald Waibel effundweat

Page 3: Unsere Schule spricht viele Sprachen · Unsere Schule spricht viele Sprachen Leitfaden für die Freizeitpädagogik. 2 3 Inhalt ... Es ist unsere gemeinsame Aufgabe im Bildungsbereich,

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Sprachen sind die Schluumlssel zur Welt Durch sie koumlnnen sich Kinder und Erwachsene mit anderen Menschen verstaumlndigen Beziehungen eingehen Beobachtungen teilen Dinge beschreiben und erklaumlren Beduumlrfnisse aumluszligern Miss-verstaumlndnisse klaumlren streiten und loben

Sprachen sind nicht nur ein Mittel zur Kommunikation sondern auch ein Werkzeug um das eigene Leben aktiv zu gestalten Mithilfe von Sprachen wird Wissen erworben und vermittelt ndash und das nicht nur in Schulfaumlchern wie Deutsch und Englisch

Mehrsprachigkeit ist ein groszliger Schatz und eine groszlige Bereicherung fuumlr jeden Menschen In einer Welt die von internationaler Vernetzung gekennzeichnet ist und in einer Stadt die vielfaumlltig und offen ist wird es immer wichtiger mehrsprachig zu kommunizieren Fuumlr eine erfolgreiche Bildungslaufbahn ist Mehrsprachigkeit die moumlglichst fruumlh ansetzt ein entscheidender Grundstein Dazu muumlssen mehrsprachliche Begegnungsraumlume geschaffen werden denn Spracherwerb ist kein abstrakter Lernprozess sondern Ergebnis zwischenmenschlicher Interaktion

Dieser Leitfaden soll mit dazu beitragen den Wert von Mehrsprachigkeit in allen Lebensbereichen ndash speziell auch in der Freizeitpaumldagogik ndash zu heben und Kinder zu ermutigen ihre vielfaumlltigen Sprachkompetenzen auch aktiv einzusetzen Denn wie kompetent Kinder Sprachen nutzbar machen koumlnnen beeinflusst ihre Bildungschancen und damit auch ihren weiteren Lebensweg

Juumlrgen CzernohorszkyStadtrat fuumlr Bildung Integration Jugend und Personal in Wien

Juumlrgen Czernohorszky

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Es ist unsere gemeinsame Aufgabe im Bildungsbereich Kinder und Jugendliche fuumlr das Leben in einer offenen vielfaumlltigen und vielsprachigen Stadt wie Wien zu befaumlhigen und zu staumlrken

Das bedeutet auch bdquoKinder und Erwachsene die bereits mehrsprachig sind nicht einsprachig zu machen sondern ihre Sprachen und sprachlichen Faumlhigkeiten zu nutzen und zu erweitern und das bedeutet zum andern auch einsprachigen Kindern fruumlh einen Zugang zu Mehrsprachigkeit zu eroumlffnenldquo (Hans-Juumlrgen Krumm Sprachlehr- und -lernforscher)

Unser Ziel sollte daher sein das gemeinsame Lernen und Arbeiten in der Schule so zu gestalten dass Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit mit allen damit verbundenen Erscheinungen wie Sprachenwechseln und Sprachenmischen von PaumldagogInnen und Kindern als Normalitaumlt und nicht als Ausnahme- oder Problemfall empfunden und gelebt werden

Wir als BiM ndash Bildung im Mittelpunkt verfuumlgen durch unsere eigene Vielsprachigkeit und Interkulturalitaumlt durch die Vielfalt der sprachlichen und kulturellen Erfahrungen unserer PaumldagogInnen uumlber ein wertvolles Potenzial das wir dafuumlr einbringen koumlnnen und sollen Und wir koumlnnen auch durch den eigenen Umgang mit unserer jeweils individuellen Erst- Zweit- oder Fremdsprachigkeit diese Normalitaumlt von Mehrsprachigkeit und Sprachenvielfalt vorleben Damit jedes Kind sich mit seinen Kompetenzen und Faumlhigkeiten seinen Erfahrungen und Lebenswelten willkommen wahrgenommen und gestaumlrkt fuumlhlt

Dieser Leitfaden mit den darin enthaltenen Informationen und Handlungsvorschlaumlgen soll dabei in der taumlglichen paumldago-gischen Arbeit im gemeinsamen Arbeiten mit anderen Paumldago-gInnen und im Kontakt mit Eltern unterstuumltzen und ermutigen

Mario RiederGeschaumlftsfuumlhrer BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbH

Mario Rieder

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Eine sprachsensibel gestaltete Freizeitpaumldagogik kann einen entscheidenden Beitrag zur guten Sprachentwicklung von Kindern leisten Kinder lernen Sprache besonders gut in einer entspannten und freundlichen Atmosphaumlre Gerade in der Freizeit koumlnnen PaumldagogInnen den Spracherwerb besonders gut unterstuumltzen Die Lernmomente sind in den Kontext von Spielen eingebettet die PaumldagogInnen sind nicht an einen Lehrplan gebunden und koumlnnen die Foumlrderung der Sprachkompetenzen je nach Dynamik der Gruppe frei gestalten und sie koumlnnen Mehr-sprachigkeit ganz explizit in ihre Didaktik einbauen da sie keine festgelegten Lernziele erfuumlllen muumlssen Diese offene Arbeit mit den Kindern ist die ideale Voraussetzung dafuumlr ganzheitlich alle Sprachkompetenzen der Kinder in ihrer jeweiligen Spezifik wahrzunehmen und entsprechend gezielt zu foumlrdern

Dieser Leitfaden hat das Ziel als Hilfestellung Orientierung und Ideenpool zu dienen sowie PaumldagogInnen im schulischen Freizeitkontext langfristig im Umgang mit Mehrsprachigkeit zu professionalisieren

Wird der sprachliche und kulturelle Reichtum der aus gelebter Mehrsprachigkeit entsteht in der Gruppe spuumlrbar gemacht werden die SchuumllerInnen in ihrer sprachlichen Entwicklung dauerhaft gefoumlrdert

Der Leitfaden gibt einen Uumlberblick zur Sprachentwicklung von mehrsprachigen Kindern und erklaumlrt wichtige Situationen aus dem Sprachgebrauch die in der Schule haumlufig vorkommen Auch herausfordernde Situationen die sich durch die Mehrsprachigkeit der SchuumllerInnen ergeben koumlnnen werden beleuchtet und es werden moumlgliche Loumlsungsansaumltze geboten

Es werden Ideen fuumlr vielseitige Uumlbungen und Spiele fuumlr die Betreuungszeit vermit-telt die mit kreativen Methoden das Sprachbewusstsein der Kinder wecken Dadurch wird die Sprachbildung der SchuumllerInnen unterstuumltzt und Freude und Lust auf Sprache vermittelt

Zum Thema Zweisprachigkeit und Mehrsprachigkeit halten sich leider immer noch viele falsche Vorurteile Deshalb ist es ein weiteres Ziel des Leitfadens bereits vorhandene erwerbsfoumlrdernde Ansaumltze und die eigene Position in Bezug auf die Foumlrderung von Mehrsprachigkeit argumentativ zu staumlrken und Vorurteile zu entkraumlften

Als Verfasserin des Leitfadens ist es mir wichtig Angst und Druck von den Paumldago-gInnen zu nehmen und stattdessen Moumlglichkeiten zu eroumlffnen entspannt und mit Freude an die vielen Sprachpotentiale der Kinder heranzugehen

Mag1012833 Zwetelina OrtegaSprachwissenschaftlerin und Expertin fuumlr Mehrsprachigkeit

Die Terminologie In diesem Leitfaden wird der Begriff Mehrsprachigkeit verwendet um die Situation an den Wiener

Schulen an denen viele unterschiedliche Sprachen zusammenkommen konzeptuell zusammenzufas-sen Wir verstehen den Begriff als einen weit gefassten der der Diversitaumlt innerhalb der Mehrsprachig-keit Rechnung traumlgt Mehrsprachigkeit begegnet uns gesellschaftlich und individuell in vielen unterschiedlichen Facetten Angefangen von verschiedenen Formen der Bilingualitaumlt aber auch wenn Kinder mit mehr als zwei Sprachen aufwachsen wenn sie mit unterschiedlichen Varianten einer Sprache also zthinspB Standardsprache und Dialekt groszligwerden wenn sie zwei Erstsprachen haben und eine weitere Zweitsprache bzw eine Drittsprache sprechen etc Denn gelebte Mehrsprachigkeit kennt sehr viele Erscheinungsformen

Wir werden immer wieder auf konkrete Situationen eingehen um die Theorie zu veranschaulichen dabei werden wir oft von kindlicher Bilingualitaumlt ausgehen Es sind darin aber auch alle weiteren Erscheinungsformen von Mehrsprachigkeit einbegriffen

Nutzen fuumlr alle An mehreren Stellen im Leitfaden geben wir konkrete Uumlbungs- und Spielideen Alle Uumlbungen und

Spiele sind so gewaumlhlt dass die gesamte Gruppe daran teilnehmen kann Das heiszligt auch Kinder die nur mit Deutsch groszlig werden Die Uumlbungen werden auch fuumlr sie nuumltzlich sein Damit kann Mehrsprachig-keit in der Freizeitbetreuung gefoumlrdert werden aber auch das Sprachbewusstsein und die Fremdspra-chenerfahrung der SchuumllerInnen Das kommt der gesamten Gruppe zugute

Inhaltliche Anmerkungen

Mag1012833 ZwetelinaOrtega

Das Potential der Freizeit-paumldagogik fuumlr den Spracherwerb

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Wien

WUSSTEN SIE hellip

Quelle Statistik Austria

Kapitel 1

Interessante Daten amp Fakten zu Mehrsprachigkeit

Spielend mehr erfahren uumlber Sprachenvielfalt Auf der Webseite des bdquoEuropean Centre for Modern Languagesldquo finden Sie Spiele und Uumlbungen mit denen Sie das Wissen der Kinder uumlber Mehrsprachigkeit erweitern koumlnnen httpsedlecmlat

Wenn Sie spielerisch das Thema bdquoMinderheitensprachenldquo aufgreifen wollen finden Sie auf folgender Website der Europaumlischen Kommission viele Ideen und Materialien httplanguage-diversityeu

Auch zu den oumlsterreichischen Dialekten lassen sich spannende Spiele anwenden Material dazu finden Sie hier httpsbildungbmbwfgvatschulenunterrichtoedpdf61edf0

Auf der Welt

WUSSTEN SIE hellip

Oumlsterreich

WUSSTEN SIE hellip

hellip dass es auf der Welt zwischen 6000 und 7000 Sprachen gibt die von 7 Milliarden Menschen in 189 un abhaumlngigen Staaten gesprochen werden

hellip dass zur Familie der germanischen Sprachen

zu der das Deutsche gehoumlrt auch folgende

Sprachen zaumlhlen Daumlnisch Norwegisch

Schwedisch Islaumlndisch Niederlaumlndisch Englisch

und Jiddisch

hellip dass die meisten Sprachen in Asien und Afrika gesprochen werden

hellip dass schaumltzungsweise 60ndash70thinsp der Weltbevoumllkerung bilingual oder mehrsprachig ist Das heiszligt weltweit ist Mehrsprachigkeit die Regel und nicht die Ausnahme

hellip dass in der oumlsterreichischen Verfassung folgende sieben Minderheitensprachen anerkannt sind

Ungarisch Slowenisch Burgenlandkroatisch Tschechisch Slowakisch Romani und die

oumlsterreichische Gebaumlrdensprache

hellip dass in Oumlsterreich neben Deutsch ca 250 weitere Sprachen gesprochen werden (zthinspB Bosnisch Kroatisch Serbisch Tuumlrkisch Arabisch Englisch Armenisch Pashto Somali Tschetschenisch Zazaki etc)

hellip dass in den Volksschulen in Oumlsterreich 308thinsp der SchuumllerInnen eine andere Umgangssprache als Deutsch haben oder eine weitere neben Deutsch

hellip dass die unterschiedlichen Dialekte des Deutschen fuumlr einen Groszligteil der Bevoumllkerung die taumlgliche Umgangs sprache sind Solche Dialekte sind zum Beispiel Wienerisch Tirolerisch Kaumlrntnerisch Vorarlbergerisch

hellip dass mehr als die Haumllfte der Wiener VolksschuumllerInnen eine andere Umgangsprache als Deutsch haben oder neben Deutsch eine weitere

hellip dass Mutter-sprachen unterricht in 25 Sprachen angeboten wird Der Besuch des Mutter-sprachenunterrichts ist kostenfrei und steht jedem Schuumllerthinspthinspjeder Schuumllerin zu

hellip dass in Wien an den Schulen etwa 80 verschiedene Sprachen vertreten sind

Quelle European Centre for Modern Languages

Quelle Statistik Austria

hellipdass genau genommen niemand einsprachig ist denn wir alle wechseln von Umgangssprache in Standard-sprache oder von Dialekt in Hochsprache von einer Sprache in eine andere von einer formalen in eine informelle Weise des Ausdrucks genannt Sprachregister usw Mehrspra-chigkeit ist in sich vielfaumlltiger als man annehmen wuumlrde

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Kapitel 2

Spracherwerb bei mehrsprachigen Kindern Uumlberblick zu den verschiedenen Definitionen von Mehrsprachigkeit sowie zu den Entwicklungsverlaumlufen bei mehrsprachigen Kindern

Fuumlr die schulische Laufbahn entscheidend ist die sprachliche Entwicklung des Kindes Was macht aber den Unterschied aus dass sich ein Kind im Hinblick auf seine Sprache ndash oder Spra-chen wenn es davon mehrere im Leben des Kindes gibt ndash bes-ser ent wickelt als ein anderes Der sprachliche Erfolg in der Schule haumlngt auch davon ab wie sehr Kinder ihre eigene Bilingualitaumlt positiv erleben Dabei kann die Betreuung in der Freizeit einen entscheidenden Beitrag leisten

Wichtig ist dass die vielseitigen Sprachkompetenzen der Kinder gesehen werden und nicht das Defizit im Vordergrund steht wenn ein Kind noch nicht so gut Deutsch spricht wie einige seiner MitschuumllerInnen

Angesichts einer SchuumllerInnenschaft die unterschiedliche Erstspra-chen und Familiensprachen mitbringt und natuumlrlich auch sozial und familiaumlr sehr durchmischt ist muss vor allem den Kindern vermittelt werden dass sie Kompetenzen mitbringen und ihre Mehrsprachig-keit ein Mehrwert ist Die Herausforderung liegt darin diese Einstellung selbst zu verinnerlichen und daran zu glauben Denn es geht darum das Kind zu bejahen mit allem was es ausmacht

21 Das Einmaleins der Mehrsprachigkeit ndash Erklaumlrungen zu gaumlngigen Definitionen

Ist Muttersprache und Erstsprache dasselbe Was bedeutet Herzsprache und gibt es auch Vatersprache Die Begriffe mit denen wir uumlber Mehrsprachigkeit sprechen stoszligen an Grenzen und uumlberholen sich schnell Das liegt daran dass sich unsere Gesellschaft im stetigen Wandel befindet und Mehrsprachigkeit vor allem ein gesellschaftliches Phaumlnomen ist

Ein kurzer Uumlberblick zu Terminologien und Definitionen soll Klarheit schaffen

Erstsprache und Erstspracherwerb Erstspracherwerb erfolgt auf natuumlrliche und kindliche Weise in der ersten fruumlhkindlichen Spracherwerbsphase Bilinguale Kinder koumlnnen auch zwei Erstsprachen haben Der Begriff Erstsprache bezieht sich in dieser Definition nur auf den Zeitpunkt ab wann das Kind mit der Sprache sozialisiert wird Er gibt keine Auskunft uumlber Kompetenz und emotionale Beziehung zur Sprache Bisweilen wird der Begriff Erstsprache nicht genealogisch sondern qualitativ interpretiert und bezeichnet die dominierende bzw meistgebrauchte Sprache und die wiederum kann vor allem in Migrationskontexten durchaus eine andere als die ersterwor-bene Sprache sein

bdquoDie Sprache gehoumlrt zum Charakter des Menschenldquo[Sir Francis von Verulam Bacon englischer Philosoph]

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Kapitel 2

Spracherwerb bei mehrsprachigen Kindern

Muttersprache Dieser Begriff wird als eine Art Synonym fuumlr Erstsprache verwendet Da er missverstaumlndlich ist ndash denn auch die Sprache des Vaters ist eine Muttersprache fuumlr das Kind ndash wird dieser Begriff im wissen-schaftlichen Kontext und in der Forschung nicht mehr verwendet Im Alltag ist er durch-aus gebraumluchlich und per se nicht falsch

Zweitsprache und Zweitspracherwerb Eine zweite Sprache wird nach dem Erwerb der Erstsprache (in der fruumlhen Spracherwerbs-phase) erworben Achtung eine zweite Erstsprache ist keine Zweitsprache Meist spricht man von Zweitsprache wenn das Kind uumlber vier Jahre alt ist und damit der Erstspracherwerb zumindest weit fortgeschritten ist und in seiner weiteren Sozia-lisierung eine neue Sprache hinzukommt

Ein Beispiel Ein Kind waumlchst in Syrien mit Arabisch und Kurdisch auf mit sechs Jahren kommt es nach Oumlsterreich In diesem Fall sind Arabisch und Kurdisch Erstsprachen und Deutsch eine Zweitsprache Oft beobachtet man dass sich langfristig die Sprachkompetenz zu Gunsten der Zweitsprache bzw Bildungssprache verschiebt

Die Definitionen bezuumlglich Mehrsprachigkeitsentwicklung sind auch deshalb eine Herausforderung weil Sprache viele weitere Aspekte hat Emotionalitaumlt gesellschaftlich-kulturelle Zusam-menhaumlnge und Sprache ist auch stark mit der Identitaumlt und deren Entwicklung verbunden Die Sprachen die uns umgeben beeinflussen unsere Persoumlnlichkeit und unsere Gefuumlhlswelt Deshalb hat sich der Begriff bdquoHerzspracheldquo ergeben um so der Emotionalitaumlt von Sprache gerecht zu werden Dieser Begriff wird sogar in der Wissenschaft verwendet und beschreibt die Sprache die einem nahe ist und zu der man eine enge emotio-nale Bildung hat Das kann manchmal ein Dialekt sein oder auch sehr oft die Sprache der eigenen Eltern Welche die Herzsprache eines Menschen ist ist aber letztendlich sehr individuell

Zu oft wachsen Kinder aus Migrantenfamilien mit der Vorstel-lung auf Deutsch sei nicht bdquoihreldquo Sprache Dabei geht es sehr stark um die subjektive Zuordnung von Muttersprache Dieses Gefuumlhl der Zugehoumlrigkeit zu einer SprecherInnengruppe ist deshalb so wichtig weil es das Selbstbewusstsein der Kinder staumlrkt und ihnen im Spracherwerb Sicherheit gibt Es geht also auch darum den Kindern zu vermitteln dass Deutsch ihre Bildungssprache ist und sie selbstbewusst mit ihren Sprach-kompetenzen umgehen sollen selbst wenn zuhause kein Deutsch gesprochen wird

22 Warum es grundsaumltzlich nie falsch ist Mehrsprachigkeit zu foumlrdern

Wenn wir uns die Sprachentwicklung des doppelten Sprachauf-baus ansehen so gibt es allerhand Unterschiede im Vergleich zu einer monolingualen Sprachentwicklung Es werden gleich-zeitig zwei unabhaumlngige Sprachsysteme aufgebaut Unabhaumln-gig aber auch staumlndig im Kontakt und Austausch miteinander Dieser Austausch fuumlhrt unter anderem dazu dass Mehrsprachi-ge im sprachlichen Begreifen oft kognitiv flexibler und effizien-ter als Monolinguale sind Anfangs aber koumlnnen sich die Sprachen bdquoim Weg stehenldquo Es kommt zu sogenannten Interfe-renzen die uns als Fehler auffallen

bdquoKinder die von Geburt an zweisprachig aufwachsen erwerben also nicht nur zwei Verbalsprachen sondern auch zwei Systeme von Aussprache und Sprachme-lodie Gestik und Mimik sowie von kulturellen Regeln der Kommunikationldquo [Anja Leist- Villis deutsche Erziehungswissen-schaftlerin]

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Sprachbewusstseinsfoumlrderung unterstuumltzt die Kinder dabei sich in ihren Sprachsystemen zurechtzufinden

Und weil bei Bilingualen die Sprachen sich bdquoberuumlhrenldquo und bdquobeeinflussenldquo ist es besonders gut wenn in der Sprachfoumlrde-rung alle Sprachen des Kindes Beachtung finden Denn beide Sprachsysteme beeinflussen sich gegenseitig in ihrem Wachs-tum Das ist wissenschaftlich ausfuumlhrlich erforscht und belegt Aus zahlreichen Forschungsergebnissen weiszlig man auch dass die Sprachen nicht getrennt im Gehirn verortet sind sondern in einem Sprachzentrum Der Erhalt der Muttersprache gefaumlhrdet somit in keiner Weise den guten Erwerb des Deutschen im Gegenteil

Es geht auch darum das wertvolle Potenzial der Mehr-sprachigkeit in den Kindern zu staumlrken Es geht nicht darum sich nur auf eine konkrete Sprache zu konzentrieren sondern die Sprachenvielfalt spuumlrbar zu machen Das fuumlhrt nicht nur dazu dass die Kinder viele Sprachen gut sprechen koumlnnen sondern durch diesen Ansatz foumlrdern PaumldagogInnen auch die sprachliche Entwick-lung generell Somit lernen die SchuumllerInnen all ihre Sprachen kompetent und selbstbewusst zu nutzen Diesen selbstbe-wussten Zugang koumlnnen Sie auch durch Ihre Vorbildwirkung foumlrdern indem Sie Ihre Kompe-tenzen in Ihrer eignen Erstspra-che oder in erworbenen Fremd-sprachen gemeinsam mit den Kindern nutzen Damit zeigen Sie dass Sprachenvielfalt zum Alltag gehoumlrt

23 Spracherwerb zuhause

Die Sprache der Eltern ist durch die ersten Bindungserfahrun-gen stark emotional besetzt Mit der Erstsprache werden zugleich spezifische soziale Regeln Normen und Werte vermittelt die dem Kind Orientierungspunkte fuumlr den Aufbau seiner Identitaumlt bieten

Fuumlr die freizeitpaumldagogische Arbeit bedeutet dies dass auch auf die Sprachkompetenz aus dem familiaumlren Kontext einge-gangen werden sollte Das kann den Kindern helfen bereits Gelerntes aus der Herkunftssprache mit neuen Inhalten aus dem Deutschen zu verknuumlpfen

Diese Herangehens- weise wird auch mit

OPOL abgekuumlrzt Dies bedeutet dass jeder Elternteil in seiner jeweiligen Erstsprache mit dem Kind spricht Es ist eine Methode die sich uumlberaus bewaumlhrt hat Denn das Kind assozi-iert die Person mit der Sprache Zweisprachige Kinder reagieren sehr sensibel auf ihr Gegenuumlber und wenn sie eine Sprache mit einer Person assoziieren dann bleibt diese Verbindung Uumlber die Sprache entsteht auch eine emotionale Bindung zu der Person die wiederum zur emotionalen Bindung mit der Sprache selbst fuumlhrt Wichtig ist dass die Anwendung dieser Strategie auf natuumlrliche Weise passiert und nicht gekuumlnstelt oder ver-krampft

Deshalb ist es wichtig dass die Eltern bei ihrer Kommunika-tionssprache mit dem Kind bleiben und diese nicht migrations-bedingt aumlndern

Fuumlr die Foumlrderung der Herkunftssprache koumlnnen Eltern auch die zahlreichen Angebote des Schulsystems nutzen zthinspB den Muttersprachenunterricht Mehr Information dazu wwwschule-mehrsprachigat

One person ndash one language

Kapitel 2

Spracherwerb bei mehrsprachigen Kindern

bdquoDer Mensch ist ein komple-xes Lernwesen und Sprache braucht die emotionale und gesellschaftlich kontextuelle Verknuumlpfungldquo [Zwetelina Ortega]

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31 Code-switching und Code-mixing

Mehrsprachige Kinder bdquovermischenldquo oftmals ihre Sprachen Dieses Phaumlnomen wird auch Code-mixing genannt Oder sie wechseln zwischen den Sprachen genannt Code-switching Dieses Sprachverhalten kann PaumldagogInnen verunsichern Faumllschlicherweise wird Mehrsprachigen nachgesagt sie haumltten einen eingeschraumlnkten Wortschatz und weniger ausdifferen-zierte sprachliche Ressourcen in den jeweiligen Sprachen als Kinder mit einer Erstsprache Untersuchungen zeigen aber dass dies nur fuumlr die ersten Lebensjahre stimmt Gegen Ende der Volksschule gleichen sich Grammatik und Wortschatz in der dominanten Sprache aus und oft uumlberholen die bilingualen Kinder sogar die monolingualen

Junge Menschen verwenden Code-switching auch als bdquoHilfs-strategieldquo wenn der fuumlr ein Thema relevante Wortschatz in der anderen Sprache leichter verfuumlgbar ist

Nahezu alle mehrsprachigen Menschen mischen und vermi-schen ihre Sprachen vor allem in informellen Gespraumlchskontex-ten Es ist auch nicht weiter schlimm solange es in dem eben dargelegten Rahmen bleibt

Fuumlr Sie als PaumldagogIn heiszligt das dass Sie nicht das Gefuumlhl haben muumlssen immer eine einheit-

liche Sprache einzufordern Versuchen Sie im Sprachwechsel auch die Kreativitaumlt der Kinder zu erkennen und diese in der Betreuung zu nutzen Vielleicht moumlchte das Kind erklaumlren warum es gerade dieses Wort aus einer anderen Sprache verwendet hat und welche die besondere Bedeutung ist

In der paumldagogischen Praxis

Weitere Moumlglichkeiten auf Code-switching und Code-mixing spielerisch einzugehen vielsprachige kreative Texte schreiben in denen alle Sprachen vorkommen duumlrfen

Ein vielsprachiges bdquoStadt Land Flussldquo-Spiel bei dem alle Sprachen erlaubt sind Wichtige Regel dabei die Kinder muumlssen versuchen die Begriffe auf Deutsch zu uumlbersetzen zu umschreiben oder zu erklaumlren um sie so der ganzen Gruppe verstaumlndlich zu machen Es ist dabei hilfreich wenn Sie als PaumldagogIn den Anfang machen und sich selbst auch mit Ihren Sprachkenntnissen einbringen So verstehen die Kinder das Spiel besser und trauen sich eher ihre Erstsprachen zu verwen-den

Oder als Reihum-Fragespiel bdquoWie sagt man in deiner (nicht-deutschen) Sprache fuumlr Ich habe einen Baumlrenhunger hellip Der ist bekannt wie ein bunter Hund hellip Du kannst mir mal den Buckel runterrutschen hellipldquo und andere bekannte Redensarten

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen KontextErscheinungsformen gelebter Mehrsprachigkeit in der Schule und viele Beispiele fuumlr praxisnahe Handlungsfelder und Uumlbungen

bdquoEine Umsetzung mehrschriftlicher und multilingua-ler Ansaumltze kann allen Beteiligten zu mehr Freiheit und Selbstbe-stimmung verhelfen [hellip]ldquo [Elke Montanarithinspthinsp Julie Panagioto-poulou in Mehrsprachigkeit und Bildung in Kitas und Schule]

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Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

32 Dominante und schwache Sprache

Nahezu jede Sprachsituation im Leben von zweisprachigen Kindern ist einzigartig Diese haumlngt von unterschiedlichen Gegebenheiten ab Wie oft ist das Kind im Kontakt mit einer Sprache Wie haumlufig wird sie gesprochen Mit wem wird sie gesprochen Wie viel und welcher Input ist da usw In vielen Faumlllen entwickelt sich eine Sprache schneller und besser als die andere Die Kompetenzen in den Sprachen koumlnnen sich im Laufe des Lebens veraumlndern oder auch verschieben je nach Sprachsituation und Motivation des Menschen Nur selten beherrschen Kinder beide Sprachen gleich gut Auch Erst- oder Zweitsprachen koumlnnen sich je nach Lebenssituation in ihrer Dominanz verschieben

Auch wenn Sie das Gefuumlhl haben dass das Kind seine Erstsprache nicht so gut beherrscht wird

es sich sicher freuen und es als positiv erleben wenn es etwas daruumlber erzaumlhlen kann oder sich mit Wortbeitraumlgen und Kommentaren in dieser Sprache einbringen kann

In der paumldagogischen Praxis

33 Gesellschaftliches Prestige der Sprachen

bdquoAlle Sprachen sind gleichwertigldquo ndash diese so selbstverstaumlndlich schei-nende Aussage deckt sich leider ganz und gar nicht mit der Wirklichkeit Viele Vorurteile truumlben den Blick auf den Wert individueller migrationsbe-dingter Mehrsprachigkeit Vorurteile sind wie ein Echo auf die Mehrspra-chigkeit Das Kind bekommt sie fruumlher mit als uns lieb ist Dieser Umstand kann die gesamte Sprachentwicklung bremsen

Das Prestige einer Sprache haumlngt in erster Linie vom Ansehen ihrer SprecherInnen ab Dieses Ansehen wiederum ist vor allem durch die wirtschaftliche und soziale Position einer bestimmten SprecherInnengruppe in der Gesellschaft beeinflusst

Als PaumldagogIn kann man mit dem eigenen Verhalten

zeigen dass alle Sprachen gleich geschaumltzt werden Diese Wertschaumltzung gilt es auch den Eltern zu signalisierten Dabei reichen oft kleine Kommentare Zum Beispiel bdquoEs ist groszligartig dass du so viele Sprachen sprichstldquo bdquoEs gefaumlllt mir wenn ich dich hellip sprechen houmlreldquo oder bdquoSchoumln dass Ihr Kind zwei Sprachen so gut beherrschtldquo Und Sie koumlnnen den Kindern und Eltern auch von Ihren eignen Erfahrungen erzaumlhlen beim Sprachenlernen oder von Ihrer eignen Bilingualitaumlt ZthinspB durch Beispiele fuumlr die Nuumltzlichkeit von Mehrsprachigkeit im Urlaub oder durch den Hinweis auf berufliche Vorteile Oumlsterreichische Firmen (zthinspB Banken) stellen naumlmlich gerne MitarbeiterInnen ein die neben Deutsch nicht immer nur Englisch sondern gerne auch andere Sprachen wie die BKS-Sprachen oder Tuumlrkisch sprechen So vermitteln Sie das Thema auf authentische Weise und staumlrken gleichzeitig die Familie positiv mit ihrer eigenen Mehrsprachigkeit umzugehen

In der paumldagogischen Praxis

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34 Interferenzen und Lerntransfer

Wenn Sprachen sich gegenseitig beeinflussen und es dadurch zu einer Fehlleistung kommt sprechen wir von Interferenz Dies kann auf grammatikalischer phonetischer oder lexikali-scher Ebene vorkommen Meist beeinflusst die dominante Sprache die schwaumlchere Im Spracherwerb kann es Phasen geben in denen es zu zahlreichen Interferenzen kommt Diese Phasen gehen aber meist wieder zuruumlck wenn die Sprachen sich gut entwickeln und das sprachliche Repertoire des Kindes waumlchst Voraussetzung dafuumlr ist eine gute Lernumgebung und Menschen die viel und richtig mit dem Kind sprechen Eltern die meinen ihrem Kind etwas Gutes zu tun indem sie mit ihm Deutsch sprechen obwohl sie die Sprache nicht auf Mutter-sprachenniveau beherrschen schaden damit der kindlichen Sprachentwicklung

Es gibt aber auch einen Lerntransfer zwischen den Sprachen und zwar dann wenn sie sich positiv beeinflussen und es beim Sprachenlernen zu sogenannten Uumlbertragungen kommt Diese bleiben fuumlr uns verborgen weil sie eine Form gelingenden Sprechens sind

PRAXIS Umgehen mit sprachlichen Fehlleistungen

Korrektives Feedback wiederholen Sie im Gespraumlch mit dem Kind richtig was falsch gesagt wurde und versuchen Sie es in das Gespraumlch einflieszligen zu lassen Wiederholen Sie Schluumls-selwoumlrter die das Kind falsch gesagt hat eher am Ende des Gespraumlchs richtig Versuchen Sie auf direktes Verbessern zu verzichten Es stoumlrt den Gespraumlchsverlauf Fordern Sie die Kinder nicht staumlndig auf das falsch Gesagte richtig zu wieder-holen Hin und wieder kann es zielfuumlhrend sein weil es Klarheit verschafft zu oft eingefordert kann es die Kinder beim Sprechen hemmen

Geduld Spracherwerb ist ein langsamer Prozess der noch dazu nicht linear verlaumluft Es gibt Entwicklungsspruumlnge dann wieder Phasen in denen sich vermeintlich wenig weiterentwi-

ckelt Kinder nehmen Sprachinput auf und verarbeiten ihn fuumlr sich Bis es uns beim Reden auffaumlllt muss manchmal etwas Zeit vergehen Haben Sie also Geduld Ihre Foumlrderansaumltze brauchen einfach etwas Zeit um zu fruchten

Wahrnehmen Jeder freut sich wenn man seine Anstren-gung wahrnimmt Wenn Ihnen bei einem Kind eine sprachliche Errungenschaft auffaumlllt so koumlnnen Sie es explizit sagen

Stuumltze in der Erstsprache des Kindes Sollten Sie die Erstsprache des Kindes beherrschen koumlnnen Sie diese Kompe-tenz selbstverstaumlndlich nutzen um dem Kind in seinem Spracherwerb zu helfen Beispielsweise indem Sie ihm etwas kurz erklaumlren damit es dieses besser versteht Manchmal hilft es auch den Fehler in der deutschen Sprache aus der Sicht der Erstsprache zu betrachten dann kann man das Kind besser unterstuumltzen Nutzen Sie diese Chance wenn Sie sie haben

Fehler machen ist Teil jeder Form von Spracherwerb und von Sprachlernen Fehlermachen im gesteuerten ebenso wie im ungesteuerten Spracherwerb ist etwas voumlllig Natuumlrliches Fehler zu machen und sie als solche zu erkennen ist ein Schluumls-selelement jeder Form des Spracherwerbs Wenn Sie als PaumldagogIn Ihrerseits Deutsch nicht als Muttersprache erwor-ben haben koumlnnen Sie auf eigene Fehler und Muumlhen im Erwerb

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

bdquoEine andere Sprache ist eine andere Sicht auf das Lebenldquo [Federico Fellini italienischer Filmemacher]

bdquoDer Akzent sorgt fuumlr die Schoumlnheitsmale auf der Sprach-hautldquo[Ilija Trojanow bulgarisch- deutscher Schriftsteller]

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des Deutschen verweisen (zthinspB auf die richtige Beugung unregelmaumlszligiger Verben oder die Stellung des Verbs am Ende des Nebensatzes etc)

35 Sprachbewusstsein foumlrdern eine Methode die viel bewirkt

Im Gegensatz zur schulischen Mehrsprachigkeit wird die migrationsbedingte bzw lebensweltliche Mehrsprachigkeit bisher zaghaft gefoumlrdert und im Unterricht weitgehend ausge-blendet Die Herkunftssprachen der SchuumllerInnen werden im Unterricht selten einbezogen Sie werden eher als Belastung bzw als Problem und nicht als Ressource angesehen

Sprachbewusstsein ist das Bewusstsein fuumlr die Funktionsweise und Bedeutung von Sprachen Wenn man Kinder darin unter-stuumltzt so gibt man ihnen die Moumlglichkeit und befaumlhigt sie sprachliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erkennen Zudem werden sie darin gefoumlrdert zu erkennen welche Rolle Sprache in unserer Gesellschaft spielt

Bei diesem Prozess koumlnnen die SchuumllerInnen auf bereits vorhandenes Sprachlernwissen zuruumlckgegriffen Wenn sie sich mit ihrem Wissen aus der erworbenen Herkunftssprache einbringen koumlnnen so bewirkt dies einen Motivationsschub der sich positiv auf das weitere Sprachenlernen auswirken kann

Stellen Sie Spiele und Uumlbungen und Methoden zur Verfuumlgung die die Kinder motivieren ihre vorhandenen Sprachkenntnisse zu nutzen so dass die Sprachen auch erklingen koumlnnen Und vergessen Sie dabei nicht auf die zentrale Vorbildwirkung die Sie selbst einbringen koumlnnen Beteiligen Sie sich selbst an den Spielen und Uumlbungen mit Ihren Sprachkenntnissen Die Kinder werden viel Freude daran haben diese weitere Facette die Sie ausmacht kennenzulernen So koumlnnen Sie gemeinsam mit den Kindern Lieder singen die es in mehreren Sprachversionen gibt (wie zthinspB Fregravere JacquesthinspthinspBruder Jakob und in der Weihnachts-zeit Stille Nacht heilige Nacht ndash ein Lied das es bestimmt in den Sprachen aller beteiligten Kinder gibt)

PRAXIS Anwendungsideen

Am Anfang steht die Bereitschaft Raum fuumlr Gespraumlche uumlber die eigene Sprachbiografie zu schaffen Natuumlrlich nehmen an diesen Gespraumlchen alle Kinder teil auch jene die nicht bilingual aufwachsen Weitere Spielideen

Sprachenportrait ndash meine Sprachen in mir Uumlber Sprache nachdenken und daruumlber sprechen Meine Sprachbiografie Meine Familie und ihre Sprachen Sprachenstammbaum der Familie Uumlbersetzungsspiel UmgangssprachethinspthinspFachsprache oder HochsprachethinspthinspDialekt

Redewendungen aus aller Welt Mehrsprachige Wortfelder

Die naumlhere Ausfuumlhrung zu den jeweiligen Spielideen finden Sie auf der Website und im Intranet der BiM ndash Bildung im Mittel-punkt Weitere Uumlbungen um Sprachbewusstsein und Mehr-sprachigkeit zu foumlrdern sind in Kapitel 6 angefuumlhrt

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

bdquoDer Geist einer Sprache offenbart sich am deutlichsten in ihren unuumlber- setzbaren Wortenldquo[Marie von Ebner-Eschenbach oumlsterreichische Schriftstellerin]

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Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd seinNutzen der eigenen Sprachkompetenzen und Umgang mit kritischen Situationen die sich durch die Mehrsprachigkeit der Kinder ergeben koumlnnen

41 Wenn Kinder untereinander in einer anderen Sprache als Deutsch sprechen

In vielen Schulen wird nach wie vor das Prinzip gelebt dass nur Deutsch gesprochen werden darf und soll Dieser Zugang blendet die Realitaumlt bilingualer Menschen aus und signalisiert den Kindern dass ein Teil von ihnen unerwuumlnscht ist Das ist weder fuumlr den Deutscherwerb noch fuumlr die Persoumlnlichkeitsent-wicklung des Kindes foumlrderlich Und dabei wird auszliger Acht gelassen warum Kinder in eine andere Sprache switchen

weil sie sich in ihrer Erstsprache sicherer fuumlhlen und Deutsch noch nicht gut beherrschen Fuumlr die Kommunikation eine Sprache zu waumlhlen die man gemeinsam gut kann ist ein natuumlrlicher Zugang Wuumlrde man die Kinder dann zwingen auf Deutsch zu wechseln wuumlrde man sie foumlrmlich verstummen lassen

Das Sprachwechseln kann auch bei Kindern die gut Deutsch sprechen ganz intuitiv passieren und vom Kind in diesem Moment nicht bewusst wahrgenommen werden Diese Sprach-wahl des Kindes zeugt eher von einer hohen Sprachkompetenz und von seinem kreativen Umgang mit der eigenen Bilinguali-taumlt

Als Problem wird haumlufig dargestellt dass andere Kinder durch den nichtdeutschen Sprachgebrauch ausgegrenzt wuumlrden Wenn Sie tatsaumlchlich beobachten dass Kinder jemanden durch Sprachwechsel ausgrenzen dann ist das Problem die Ausgren-zung Ein Sprachverbot ist hier der falsche Weg Viel wichtiger ist es uumlber das Ausgrenzen anderer Kinder an sich zu sprechen

Damit sich vielleicht andere Kinder nicht verunsichert fuumlhlen kann man auch die Bilingualitaumlt der SchuumllerInnen zum Thema zu machen und mit der Gruppe besprechen Dann kann man auch den Kindern vermitteln dass die gemeinsame Sprache der Gruppe Deutsch ist Damit Kinder ihre Bilingualitaumlt positiv erleben koumlnnen ist es aber ratsam dass sie im schulischen Kontext auch eine ihrer Erstsprachen verwenden koumlnnen So koumlnnen tatsaumlchlich ihre beiden Sprachen Platz haben so wie es auch ihrer Wirklichkeit entspricht Wie und wann geswitcht werden kann kann man in der Gruppe gemeinsam vereinbaren So haben die Kinder sowohl Deutschinput als auch die Moumlglich-keit all ihre Sprachkompetenzen zu benutzen

bdquoSprache ist der Schluumlssel zur Weltldquo[Alexander von Humboldt deutscher Naturforscher]

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Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein

42 Wenn Kinder Sie in Ihrer Erstsprache ansprechen

Viele FreizeitpaumldagogInnen der BiM ndash Bildung im Mittelpunkt haben selbst unterschiedliche und vielfaumlltige kulturelle und sprachliche Kompetenzen Und diese betrachten wir als wertvoll Sehen Sie Ihre Sprachkompetenz deshalb als Berei-cherung und Chance Denn Sprache ist mehr als Kommunika-tion es geht nicht nur darum dass die Kinder von Ihnen Deutsch lernen sie haben auch eine Bindung zu Ihnen aufge-baut oder sind gerade dabei Sich uumlber eine gemeinsame Sprache auszutauschen kann Vertrauen schaffen Manchmal wollen die Kinder einfach zeigen was sie alles koumlnnen

Wenn ein Kind tatsaumlchlich noch kein Deutsch spricht und versteht koumlnnen Sie mit Ihrer Sprachkompetenz eine gute Bruumlcke schlagen und das Kind dabei unterstuumltzen sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden durch kleine Erklaumlrungen oder indem Sie auf die Ausfuumlhrung des Kindes reagieren Ihre sprachliche Unterstuumltzung erleichtert dem Kind vor allem sich in der neuen Situation einzuleben Auch in der Kommunikation mit den Eltern koumlnnen Sie Ihre Sprachkenntnisse nutzen

PRAXIS die eigenen Sprachkompetenzen nutzen

Kurze Erklaumlrungen Wenn Sie bemerken dass sich ein Kind aus sprachlichen Gruumlnden in einer Situation ganz und gar nicht zurechtfindet und Sie haben eine andere gemeinsame Sprache koumlnnen Sie diese nutzen um dem Kind zu erklaumlren was gerade passiert oder was zu tun ist Beispielweise wenn es darum geht dass Sie gemeinsam in den Park gehen wollen und sich die Kinder anstellen sollten oder Aumlhnliches Danach koumlnnen Sie wieder auf Deutsch switchen Sie koumlnnen auch den restlichen Kindern kurz erklaumlren dass Sie in einer anderen Sprache gesprochen haben um dem Kind zu helfen besser zu verstehen was passiert So fuumlhlen sich die Kinder nicht ausgeschlossen und erleben dass Sprachgebrauch vielseitig sein kann und sein darf

Gespraumlch mit Eltern Wenn Sie bemerken dass es den Eltern schwer faumlllt auf Deutsch zu kommunizieren und Sie wissen sie haben eine andere gemeinsame Sprache in der es ihnen leichter fallen wuumlrde koumlnnen Sie es den Eltern behutsam und mit dem notwendigen Fingerspitzengefuumlhl anbieten So schaffen Sie eine leichtere Basis fuumlr Kommunikation sowie Austausch und Vertrauen

bdquoWir wohnen nicht in einem Land sondern in einer Spracheldquo[Emil Cioran rumaumlnischer Philosoph]

bdquoGelebte Zweisprachig-keit ist eher selten aumlqui-valent sondern asymmetrisch oft hierarchisch und bisweilen konfliktivldquo [Georg Kremnitz deutscher Romanist]

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43 Wenn Kinder offensichtlich ungute Dinge zu jemanden in einer Sprache sagen die Sie nicht verstehen

Wenn man Kindern die Moumlglichkeit einraumlumt ihre Erstsprachen zu verwenden haben Paumldago-gInnen manchmal Angst sie koumlnnten dies dafuumlr nutzen um Schimpfwoumlrter oder andere respekt-lose Ausdruumlcke zu verwenden In den seltensten Faumlllen ist es so Ihre Intuition wird Ihnen zeigen sollte tatsaumlchlich respektlos miteinander umgegangen werden Dazu braucht man nicht jedes Wort zu verstehen denn Kommunikation passiert auch auf nonverbaler Ebene Dabei ist natuumlrlich der respektlose Umgang zu hinterfra-gen Auch in diesem Fall ist ein Deutschgebot das die Verwendung anderer Sprachen unter-bindet nicht zielfuumlhrend Denn einerseits wuumlrde man dadurch die Kinder die respektvoll mitein-ander umgehen auch sanktionieren und ander-seits wird dadurch das Problem des fehlenden Respekts nicht geloumlst Viel wichtiger ist es einen respektvollen Umgang miteinander zu foumlrdern unabhaumlngig davon welche Sprache dabei gesprochen wird

44 Wenn SchuumllerInnen die in Deutsch noch schwach sind ausgegrenzt werden

Fehlende Sprachkompetenz kann auch ausgrenzend wirken Das Kind kann sich nicht verstaumlndigen bei Spielen und Gesprauml-chen nicht mitmachen und wird vielleicht von den Mitschuumller-Innen nicht in die Gruppe integriert Das kann zu einer Nega-tiv-Spirale fuumlhren denn die eingeschraumlnkten sozialen Kontakte schraumlnken auch den sprachlichen Kontakt ein und Kinder lernen besonders viel von- und miteinander In solch einer Situation kann es hilfreich sein dass Sie thematisieren wie es einem geht wenn man eine neue Sprache lernt Dazu gibt es zahlrei-che kindgerechte Uumlbungen ZthinspB ausgeruumlstet nur mit einem

Woumlrterbuch in einer ganz fremden Sprache etwas erklaumlren muumlssen oder auch selbst daruumlber reflektieren wie geht es mir beim Fremdsprachenlernen zthinspB Englisch Wenn man sich besinnt wie herausfordernd der Weg ist hat man auch mehr Verstaumlndnis fuumlr den neuenthinspthinspdie neue MitschuumllerIn

Helfen kann auch die Kinder von Anfang an als Stuumltze und Hilfe fuumlr das neue Kind einzubinden So fuumlhlen sie Verantwor-tung und koumlnnen selbst etwas fuumlr den guten sozialen Klassen-verband beitragen

Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein

bdquoMehrsprachige Kompetenz ist nicht nur Ein - sprachigkeit in mehreren Sprachen sondern ist als eine ganzheit-liche Sprach-kompetenz aufzufassen und zu foumlrdernldquo [Elisabeth Allgaumluer-Hacklthinspthinsp Ulrike Jessner in Mehrsprachig-keitsunterricht aus mehrsprachiger Sicht Zur Foumlrderung des metalinguistischen Bewusstseins]

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Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren Argumente und Darstellungen fuumlr Gespraumlche und Fragen mit denen Sie Ihre Position Mehrsprachigkeit zu foumlrdern erklaumlren und staumlrken koumlnnen

51 Ein Erklaumlrungsversuch ndash warum die Foumlrderung und Anerkennung sprachlicher und soziokultureller Diversitaumlt in Frage gestellt wird

Uumlber Mehrsprachigkeit wird schon seit langem geforscht denn Gesellschaften in denen mehrere Sprachen zusammenkom-men hat es seit jeher gegeben Die wissenschaftlichen und empirischen Ergebnisse aus der Mehrsprachigkeitsforschung zeigen allesamt dass die Foumlrderung der individuellen und gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit allen zugutekommt Zum Beispiel schadet es nicht dem Erlernen und Erwerben des Deutschen wenn Kinder auch in ihren anderen Erstsprachen gefoumlrdert werden Genau das Gegenteil ist der Fall Kinder entwickeln sich insgesamt sprachlich besser Und viele weitere positive Argumente wurden formuliert

Diese gesellschaftliche Mehrsprachigkeit und Plurikulturalitaumlt verlaumluft aber in den seltensten Faumlllen konfliktfrei Die Konflikte sind meist das Ergebnis von politischen Maszlignahmen die bestim-men SprecherInnengruppen mehr Macht und staumlrkere Positionen einraumlumen Das fuumlhrt auch dazu dass im oumlffentlichen Diskurs ndash in den Medien in Debatten und Stellungnahmen usw ndash manche Menschen die Position vertreten nur die anerkannte Amtsspra-che Deutsch sei foumlrdernswert und von Nutzen Die anderen Sprachkompetenzen werden als Problem angesehen Diese Haltung ist eine ausgrenzende die Menschen diskriminiert Diskriminierung fuumlhrt in keinem Fall zu einem besseren Schul-erfolg oder zur besseren Integration Auffaumlllig bei dieser Haltung ist dass die Sprachen selbst bewertet werden Beispielsweise wird das Erwerben von Englisch als positiv bewertet und eine Deutsch-Englisch Bilingualitaumlt auch Wenn es um migrationsbe-dingte Mehrsprachigkeit geht wird diese als Hindernis einge-

bdquoSchule muss bilinguale Kinder auch als solche wahrnehmen und nicht versuchen sie in die Passform des einsprachigen Kindes zu pressenldquo [Zwetelina Ortega]

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Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

stuft Wie steht es um die Erstsprachen die durch Migration nach Oumlsterreich gelangt sind Wie ist ihr Image Eine entscheidende Rolle spielt der Status der SprecherInnen Um mit Robert Walser zu sprechen Money rules the world Ist die Gruppe der Sprech-erInnen wirtschaftlich stark hat ihre Sprache gesellschaftlich hohe Anerkennung Uumlbt die Vielzahl einer SprecherInnengruppe jedoch niederqualifizierte und schlecht bezahlte Jobs aus ist sie wirtschaftlich schwach so hat ihre Sprache ein schlechtes Image in der Gesellschaft Diese Situation ist in allen Einwanderungsge-sellschaften aumlhnlich die Sprachen sind auswechselbar

Tatsache ist dass sich falsche und diskriminierende Argumente immer noch halten und dass Ihnen vielleicht Menschen begeg-nen werden die versuchen werden gegen die Foumlrderung von Mehrsprachigkeit zu argumentieren

Es gibt keinen Grund der Diskriminierung und Ausgrenzung zulaumlssig macht Das Ziel einer gelungenen paumldagogischen Arbeit ist es alle Facetten des Kindes anzunehmen und sie als Teil des paumldagogischen Alltags zu integrieren

52 Argumentationslinien und moumlgliche Positionen im Austausch mit KollegInnen Eltern KlassenlehrerInnen und DirektorInnen

Um Ihre Position zu staumlrken dass alle Sprachen und Sprach-kompetenzen gleichberechtigt und wertvoll sind und Sie sie deshalb in Ihrer Arbeit beruumlcksichtigen und foumlrdern haben wir einige Argumente fuumlr Sie ausgearbeitet

Familiaumlrer Kontext

Voraussetzung fuumlr eine gute Lernumgebung sind Menschen die viel und richtig mit dem Kind sprechen Eltern die meinen ihrem Kind etwas Gutes zu tun indem sie mit ihm Deutsch sprechen obwohl sie die Sprache nicht auf Muttersprachen-niveau beherrschen koumlnnen damit der kindlichen Sprachent-wicklung manchmal mehr schaden als helfen

Wichtig ist dass mit den Kindern viel gesprochen erzaumlhlt gelesen und vorgelesen wird Die Sprache die die Eltern dabei verwenden sollte eine sein in der sie sich wohl und sicher fuumlhlen und vielseitig ausdruumlcken koumlnnen Uumlblicherweise ist dies die Erstsprache der Eltern Kinder koumlnnen dann generell besser mit Sprache umgehen ndash auch mit Deutsch

Paumldagogischer und schulischer Kontext

Durch sprachsensible paumldagogische Arbeit die auch die Mehrsprachigkeit der Kinder beruumlcksichtigt wird das Verinner-lichen der sprachlichen Inhalte vor allem auch der bildungs-sprachlichen verbessert Der Aufbau von Bildungssprache ist Grundlage fuumlr Wissenserwerb Diese Faumlhigkeit die Sie den SchuumllerInnen vermitteln wird sie langfristig dazu befaumlhigen auch in ihren weiterfuumlhrenden Ausbildungen besser voranzu-kommen Dadurch werden auch die Bildungschancen aller SchuumllerInnen erhoumlht und zum Teil werden ungleiche Bildungs-bedingungen uumlberwunden

Beim doppelten Spracherwerb also bei Kindern die bilingu-al aufwachsen beeinflussen sich beide Sprachsysteme gegen-seitig positiv in ihrem Wachstum Das ist wissenschaftlich erwiesen Der Erhalt der Erstsprache gefaumlhrdet in keiner Weise den guten Erwerb des Deutschen im Gegenteil

bdquoEs ist doch ein groszliger Unter-schied ob einem gesagt wird dass Sprachen gleichwertig sind und man alles in jeder ausdruumlcken kann oder ob man es tutldquo [Elke Montanari deutsche Sprach- wissenschaftlerin]

bdquoDer Mensch ist Mensch nur durch Spracheldquo[Johann Gottfried von Herder deutscher Dichter und Uumlbersetzer]

3736

Wer sein Wissen aus den vorab erworbenen oder erlernten Sprachen einbringen kann der erfaumlhrt einen Motivationsschub der sich positiv auf das weitere Sprachenlernen auswirken kann

Die Anerkennung einer Herkunftssprache im schulischen Kontext kann zu einer positiven Persoumlnlichkeitsentwicklung der SchuumllerInnen fuumlhren Deren Aufwertung gibt den Kindern Selbstvertrauen und Sicherheit die sich auf den gesamten Lernerfolg gut auswirken

Eines der Ziele die sich die Europaumlische Union gesetzt hat ist es dass jeder Buumlrgerthinspthinspjede Buumlrgerin seinethinspthinspihre Mutterspra-che sowie mindestens zwei weitere Sprachen beherrscht Diesem Ziel ruumlcken wir naumlher wenn wir die vorhandenen Sprachkompetenzen der Kinder nutzbar machen

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen dass bei einer Foumlrderung der durchgaumlngigen Sprachbildung und lebenswelt-lichen Mehrsprachigkeit von Kindern die narrative Schreibfauml-higkeit und die schriftliche Kompetenzentwicklung gestaumlrkt werden und die bildungssprachlichen Elemente im Deutschen zunehmen

Es gibt noch viele weitere Argumente warum Mehrsprachigkeit immer ein Vorteil ist und nicht als Problem gesehen werden sollte Weitere Argumente werden Sie bestimmt in Ihrer eigenen Arbeit und Erfahrung mit den Kindern selbst finden Trauen Sie sich selbstbewusst zu Ihrer Position zu stehen und lassen Sie diskriminierende Haltungen nicht unkommentiert Wenn Sie die Moumlglichkeit haben nutzen Sie Ihre eigenen vielseitigen Sprachkompetenzen seien es Fremdsprachen oder weitere Erstsprachen sei es im spielerischen Umgang oder wenn Sie etwas erklaumlren Gemeinsam koumlnnen wir dazu beitra-gen dass mehrsprachige Kinder positiv wahrgenommen werden

Kapitel 6

Weitere Uumlbungs- und Anwendungsideen In diesem Kapitel finden Sie viele praxisnahe Uumlbungen fuumlr den spielerischen Umgang mit Mehrsprachigkeit in der Freizeitpaumldagogik

Wenn Sie solche oder aumlhnliche Uumlbungen mit den Kindern ausprobieren werden Sie vielleicht selbst oder gemeinsam mit ihnen viele neue Ideen entwickeln wie man Mehrsprachigkeit spielerisch und mit Freude in der Freizeitbetreuung aufgreifen kann Probieren Sie es aus Es wird allen SchuumllerInnen be-stimmt gefallen Das sind die Erfahrungen die wir bisher gemacht haben Hier einige Ansaumltze fuumlr Sie

Die Herkunft der Vor- und Nachnamen ndash wir erkunden die Bedeutungen unserer Namen

Radio aus aller Welt ndash wir houmlren in Online-Radiosender in verschiedenen Sprachen hinein Dabei koumlnnen die Kinder raten oder versuchen zu erkennen welche Sprache gerade erklingt

Stille Post mit den Sprachen unserer Klasse spielen

Kleine Sprachschule ndash jeweils ein Kind bringen dem Rest der MitschuumllerInnen einfache Saumltze und nuumltzliche Worte bei

Mehrsprachigkeit im oumlffentli-chen Raum ndash wir begeben uns auf Entdeckungsreise und suchen Orte wo wir unter-schiedliche Sprachen houmlren und sehen

Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

bdquoKennst du viele Sprachen ndash hast du viele Schluumlssel fuumlr ein Schloszligldquo[Voltaire franzoumlsischer Philosoph und Schriftsteller]

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Kapitel 7

EmpfehlungenLektuumlreempfehlungen zur Vertiefung Zahlreiche Links die weitere Anwendungsideen fuumlr die Praxis bieten aber auch vielseitige Artikel zum Thema

Weiterfuumlhrende Literatur

Krumm Hans-JuumlrgenthinspthinspReich Hans H 2011 Curriculum Mehrsprachigkeit Online im Internet

Montanari Elke 2013 Mit zwei Sprachen groszlig werden Mehrsprachige Erziehung in Familie Kindergarten und Schule Muumlnchen Koumlsel

Montanari ElkethinspthinspPanagiotopoulou Julie 2019 Mehrsprachigkeit und Bildung in Kitas und Schulen UTB

Schader Basil 2013 Sprachenvielfalt als Chance Handbuch fuumlr den Unterricht in mehrsprachigen Klassen Zuumlrich orell fuumlssli

Hilfreiche Institutionen

Kinderbuumlcherei der Weltsprachen gehoumlrt zu den Staumldtischen Buumlchereien wwwkirangoat Veranstaltungen zu Lesefoumlrderung fuumlr Schulen und Kindergaumlrten Teil der Buumlcherei Wien

wwwbaobabat BAOBAB ndash GLOBALES LERNEN vielseitige Arbeitsmaterialen und Literatur

Links

wwwlanguage-diversityeu ndash Arbeitsblaumltter Lehrmaterial Unterrichtsideen Schwerpunkt auf Minderheitensprachen in Europa

wwwpapperlapappcoat ndash Bilinguale Kinderzeitschrift wwwmultilingual-familieseu ndash Materialen fuumlr mehrsprachige Erziehung wwwderstandardatr2000023362091Linguamulti ndash monatlicher Blog zu Mehrsprachigkeit und Spracherwerb

wwwschule-mehrsprachigat ndash Kinder- und Jugendbuumlcher in vielen Sprachen Infos zum Muttersprachenunterricht

wwwfacebookcomlinguamulti ndash taumlglich Inhalte zum Thema Mehrsprachigkeit und Interkulturalitaumlt

Anschuumltzgasse 1 2 Stock 1150 WienTel +43 1 524 25 09-0 Fax +43 1 524 25 09-30officebildung-wienat wwwbildung-wienat

IMPRESSUMMedieninhaber und fuumlr den Inhalt verantwortlich BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbHAnschuumltzgasse 1 1150 Wien | Firmensitz Wien | FN502272k | Handelsgericht WienKonzeption Redaktion Text Zwetelina Ortega Linguamulti ndash wwwlinguamultiat (unter Mitwirken von BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbH)Fotos C Pertramer (S 5) J Zinner M Possert (S8)Grafik Gerald Waibel effundweat

Page 4: Unsere Schule spricht viele Sprachen · Unsere Schule spricht viele Sprachen Leitfaden für die Freizeitpädagogik. 2 3 Inhalt ... Es ist unsere gemeinsame Aufgabe im Bildungsbereich,

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Es ist unsere gemeinsame Aufgabe im Bildungsbereich Kinder und Jugendliche fuumlr das Leben in einer offenen vielfaumlltigen und vielsprachigen Stadt wie Wien zu befaumlhigen und zu staumlrken

Das bedeutet auch bdquoKinder und Erwachsene die bereits mehrsprachig sind nicht einsprachig zu machen sondern ihre Sprachen und sprachlichen Faumlhigkeiten zu nutzen und zu erweitern und das bedeutet zum andern auch einsprachigen Kindern fruumlh einen Zugang zu Mehrsprachigkeit zu eroumlffnenldquo (Hans-Juumlrgen Krumm Sprachlehr- und -lernforscher)

Unser Ziel sollte daher sein das gemeinsame Lernen und Arbeiten in der Schule so zu gestalten dass Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit mit allen damit verbundenen Erscheinungen wie Sprachenwechseln und Sprachenmischen von PaumldagogInnen und Kindern als Normalitaumlt und nicht als Ausnahme- oder Problemfall empfunden und gelebt werden

Wir als BiM ndash Bildung im Mittelpunkt verfuumlgen durch unsere eigene Vielsprachigkeit und Interkulturalitaumlt durch die Vielfalt der sprachlichen und kulturellen Erfahrungen unserer PaumldagogInnen uumlber ein wertvolles Potenzial das wir dafuumlr einbringen koumlnnen und sollen Und wir koumlnnen auch durch den eigenen Umgang mit unserer jeweils individuellen Erst- Zweit- oder Fremdsprachigkeit diese Normalitaumlt von Mehrsprachigkeit und Sprachenvielfalt vorleben Damit jedes Kind sich mit seinen Kompetenzen und Faumlhigkeiten seinen Erfahrungen und Lebenswelten willkommen wahrgenommen und gestaumlrkt fuumlhlt

Dieser Leitfaden mit den darin enthaltenen Informationen und Handlungsvorschlaumlgen soll dabei in der taumlglichen paumldago-gischen Arbeit im gemeinsamen Arbeiten mit anderen Paumldago-gInnen und im Kontakt mit Eltern unterstuumltzen und ermutigen

Mario RiederGeschaumlftsfuumlhrer BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbH

Mario Rieder

8 9

Eine sprachsensibel gestaltete Freizeitpaumldagogik kann einen entscheidenden Beitrag zur guten Sprachentwicklung von Kindern leisten Kinder lernen Sprache besonders gut in einer entspannten und freundlichen Atmosphaumlre Gerade in der Freizeit koumlnnen PaumldagogInnen den Spracherwerb besonders gut unterstuumltzen Die Lernmomente sind in den Kontext von Spielen eingebettet die PaumldagogInnen sind nicht an einen Lehrplan gebunden und koumlnnen die Foumlrderung der Sprachkompetenzen je nach Dynamik der Gruppe frei gestalten und sie koumlnnen Mehr-sprachigkeit ganz explizit in ihre Didaktik einbauen da sie keine festgelegten Lernziele erfuumlllen muumlssen Diese offene Arbeit mit den Kindern ist die ideale Voraussetzung dafuumlr ganzheitlich alle Sprachkompetenzen der Kinder in ihrer jeweiligen Spezifik wahrzunehmen und entsprechend gezielt zu foumlrdern

Dieser Leitfaden hat das Ziel als Hilfestellung Orientierung und Ideenpool zu dienen sowie PaumldagogInnen im schulischen Freizeitkontext langfristig im Umgang mit Mehrsprachigkeit zu professionalisieren

Wird der sprachliche und kulturelle Reichtum der aus gelebter Mehrsprachigkeit entsteht in der Gruppe spuumlrbar gemacht werden die SchuumllerInnen in ihrer sprachlichen Entwicklung dauerhaft gefoumlrdert

Der Leitfaden gibt einen Uumlberblick zur Sprachentwicklung von mehrsprachigen Kindern und erklaumlrt wichtige Situationen aus dem Sprachgebrauch die in der Schule haumlufig vorkommen Auch herausfordernde Situationen die sich durch die Mehrsprachigkeit der SchuumllerInnen ergeben koumlnnen werden beleuchtet und es werden moumlgliche Loumlsungsansaumltze geboten

Es werden Ideen fuumlr vielseitige Uumlbungen und Spiele fuumlr die Betreuungszeit vermit-telt die mit kreativen Methoden das Sprachbewusstsein der Kinder wecken Dadurch wird die Sprachbildung der SchuumllerInnen unterstuumltzt und Freude und Lust auf Sprache vermittelt

Zum Thema Zweisprachigkeit und Mehrsprachigkeit halten sich leider immer noch viele falsche Vorurteile Deshalb ist es ein weiteres Ziel des Leitfadens bereits vorhandene erwerbsfoumlrdernde Ansaumltze und die eigene Position in Bezug auf die Foumlrderung von Mehrsprachigkeit argumentativ zu staumlrken und Vorurteile zu entkraumlften

Als Verfasserin des Leitfadens ist es mir wichtig Angst und Druck von den Paumldago-gInnen zu nehmen und stattdessen Moumlglichkeiten zu eroumlffnen entspannt und mit Freude an die vielen Sprachpotentiale der Kinder heranzugehen

Mag1012833 Zwetelina OrtegaSprachwissenschaftlerin und Expertin fuumlr Mehrsprachigkeit

Die Terminologie In diesem Leitfaden wird der Begriff Mehrsprachigkeit verwendet um die Situation an den Wiener

Schulen an denen viele unterschiedliche Sprachen zusammenkommen konzeptuell zusammenzufas-sen Wir verstehen den Begriff als einen weit gefassten der der Diversitaumlt innerhalb der Mehrsprachig-keit Rechnung traumlgt Mehrsprachigkeit begegnet uns gesellschaftlich und individuell in vielen unterschiedlichen Facetten Angefangen von verschiedenen Formen der Bilingualitaumlt aber auch wenn Kinder mit mehr als zwei Sprachen aufwachsen wenn sie mit unterschiedlichen Varianten einer Sprache also zthinspB Standardsprache und Dialekt groszligwerden wenn sie zwei Erstsprachen haben und eine weitere Zweitsprache bzw eine Drittsprache sprechen etc Denn gelebte Mehrsprachigkeit kennt sehr viele Erscheinungsformen

Wir werden immer wieder auf konkrete Situationen eingehen um die Theorie zu veranschaulichen dabei werden wir oft von kindlicher Bilingualitaumlt ausgehen Es sind darin aber auch alle weiteren Erscheinungsformen von Mehrsprachigkeit einbegriffen

Nutzen fuumlr alle An mehreren Stellen im Leitfaden geben wir konkrete Uumlbungs- und Spielideen Alle Uumlbungen und

Spiele sind so gewaumlhlt dass die gesamte Gruppe daran teilnehmen kann Das heiszligt auch Kinder die nur mit Deutsch groszlig werden Die Uumlbungen werden auch fuumlr sie nuumltzlich sein Damit kann Mehrsprachig-keit in der Freizeitbetreuung gefoumlrdert werden aber auch das Sprachbewusstsein und die Fremdspra-chenerfahrung der SchuumllerInnen Das kommt der gesamten Gruppe zugute

Inhaltliche Anmerkungen

Mag1012833 ZwetelinaOrtega

Das Potential der Freizeit-paumldagogik fuumlr den Spracherwerb

10 11

Wien

WUSSTEN SIE hellip

Quelle Statistik Austria

Kapitel 1

Interessante Daten amp Fakten zu Mehrsprachigkeit

Spielend mehr erfahren uumlber Sprachenvielfalt Auf der Webseite des bdquoEuropean Centre for Modern Languagesldquo finden Sie Spiele und Uumlbungen mit denen Sie das Wissen der Kinder uumlber Mehrsprachigkeit erweitern koumlnnen httpsedlecmlat

Wenn Sie spielerisch das Thema bdquoMinderheitensprachenldquo aufgreifen wollen finden Sie auf folgender Website der Europaumlischen Kommission viele Ideen und Materialien httplanguage-diversityeu

Auch zu den oumlsterreichischen Dialekten lassen sich spannende Spiele anwenden Material dazu finden Sie hier httpsbildungbmbwfgvatschulenunterrichtoedpdf61edf0

Auf der Welt

WUSSTEN SIE hellip

Oumlsterreich

WUSSTEN SIE hellip

hellip dass es auf der Welt zwischen 6000 und 7000 Sprachen gibt die von 7 Milliarden Menschen in 189 un abhaumlngigen Staaten gesprochen werden

hellip dass zur Familie der germanischen Sprachen

zu der das Deutsche gehoumlrt auch folgende

Sprachen zaumlhlen Daumlnisch Norwegisch

Schwedisch Islaumlndisch Niederlaumlndisch Englisch

und Jiddisch

hellip dass die meisten Sprachen in Asien und Afrika gesprochen werden

hellip dass schaumltzungsweise 60ndash70thinsp der Weltbevoumllkerung bilingual oder mehrsprachig ist Das heiszligt weltweit ist Mehrsprachigkeit die Regel und nicht die Ausnahme

hellip dass in der oumlsterreichischen Verfassung folgende sieben Minderheitensprachen anerkannt sind

Ungarisch Slowenisch Burgenlandkroatisch Tschechisch Slowakisch Romani und die

oumlsterreichische Gebaumlrdensprache

hellip dass in Oumlsterreich neben Deutsch ca 250 weitere Sprachen gesprochen werden (zthinspB Bosnisch Kroatisch Serbisch Tuumlrkisch Arabisch Englisch Armenisch Pashto Somali Tschetschenisch Zazaki etc)

hellip dass in den Volksschulen in Oumlsterreich 308thinsp der SchuumllerInnen eine andere Umgangssprache als Deutsch haben oder eine weitere neben Deutsch

hellip dass die unterschiedlichen Dialekte des Deutschen fuumlr einen Groszligteil der Bevoumllkerung die taumlgliche Umgangs sprache sind Solche Dialekte sind zum Beispiel Wienerisch Tirolerisch Kaumlrntnerisch Vorarlbergerisch

hellip dass mehr als die Haumllfte der Wiener VolksschuumllerInnen eine andere Umgangsprache als Deutsch haben oder neben Deutsch eine weitere

hellip dass Mutter-sprachen unterricht in 25 Sprachen angeboten wird Der Besuch des Mutter-sprachenunterrichts ist kostenfrei und steht jedem Schuumllerthinspthinspjeder Schuumllerin zu

hellip dass in Wien an den Schulen etwa 80 verschiedene Sprachen vertreten sind

Quelle European Centre for Modern Languages

Quelle Statistik Austria

hellipdass genau genommen niemand einsprachig ist denn wir alle wechseln von Umgangssprache in Standard-sprache oder von Dialekt in Hochsprache von einer Sprache in eine andere von einer formalen in eine informelle Weise des Ausdrucks genannt Sprachregister usw Mehrspra-chigkeit ist in sich vielfaumlltiger als man annehmen wuumlrde

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Kapitel 2

Spracherwerb bei mehrsprachigen Kindern Uumlberblick zu den verschiedenen Definitionen von Mehrsprachigkeit sowie zu den Entwicklungsverlaumlufen bei mehrsprachigen Kindern

Fuumlr die schulische Laufbahn entscheidend ist die sprachliche Entwicklung des Kindes Was macht aber den Unterschied aus dass sich ein Kind im Hinblick auf seine Sprache ndash oder Spra-chen wenn es davon mehrere im Leben des Kindes gibt ndash bes-ser ent wickelt als ein anderes Der sprachliche Erfolg in der Schule haumlngt auch davon ab wie sehr Kinder ihre eigene Bilingualitaumlt positiv erleben Dabei kann die Betreuung in der Freizeit einen entscheidenden Beitrag leisten

Wichtig ist dass die vielseitigen Sprachkompetenzen der Kinder gesehen werden und nicht das Defizit im Vordergrund steht wenn ein Kind noch nicht so gut Deutsch spricht wie einige seiner MitschuumllerInnen

Angesichts einer SchuumllerInnenschaft die unterschiedliche Erstspra-chen und Familiensprachen mitbringt und natuumlrlich auch sozial und familiaumlr sehr durchmischt ist muss vor allem den Kindern vermittelt werden dass sie Kompetenzen mitbringen und ihre Mehrsprachig-keit ein Mehrwert ist Die Herausforderung liegt darin diese Einstellung selbst zu verinnerlichen und daran zu glauben Denn es geht darum das Kind zu bejahen mit allem was es ausmacht

21 Das Einmaleins der Mehrsprachigkeit ndash Erklaumlrungen zu gaumlngigen Definitionen

Ist Muttersprache und Erstsprache dasselbe Was bedeutet Herzsprache und gibt es auch Vatersprache Die Begriffe mit denen wir uumlber Mehrsprachigkeit sprechen stoszligen an Grenzen und uumlberholen sich schnell Das liegt daran dass sich unsere Gesellschaft im stetigen Wandel befindet und Mehrsprachigkeit vor allem ein gesellschaftliches Phaumlnomen ist

Ein kurzer Uumlberblick zu Terminologien und Definitionen soll Klarheit schaffen

Erstsprache und Erstspracherwerb Erstspracherwerb erfolgt auf natuumlrliche und kindliche Weise in der ersten fruumlhkindlichen Spracherwerbsphase Bilinguale Kinder koumlnnen auch zwei Erstsprachen haben Der Begriff Erstsprache bezieht sich in dieser Definition nur auf den Zeitpunkt ab wann das Kind mit der Sprache sozialisiert wird Er gibt keine Auskunft uumlber Kompetenz und emotionale Beziehung zur Sprache Bisweilen wird der Begriff Erstsprache nicht genealogisch sondern qualitativ interpretiert und bezeichnet die dominierende bzw meistgebrauchte Sprache und die wiederum kann vor allem in Migrationskontexten durchaus eine andere als die ersterwor-bene Sprache sein

bdquoDie Sprache gehoumlrt zum Charakter des Menschenldquo[Sir Francis von Verulam Bacon englischer Philosoph]

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Kapitel 2

Spracherwerb bei mehrsprachigen Kindern

Muttersprache Dieser Begriff wird als eine Art Synonym fuumlr Erstsprache verwendet Da er missverstaumlndlich ist ndash denn auch die Sprache des Vaters ist eine Muttersprache fuumlr das Kind ndash wird dieser Begriff im wissen-schaftlichen Kontext und in der Forschung nicht mehr verwendet Im Alltag ist er durch-aus gebraumluchlich und per se nicht falsch

Zweitsprache und Zweitspracherwerb Eine zweite Sprache wird nach dem Erwerb der Erstsprache (in der fruumlhen Spracherwerbs-phase) erworben Achtung eine zweite Erstsprache ist keine Zweitsprache Meist spricht man von Zweitsprache wenn das Kind uumlber vier Jahre alt ist und damit der Erstspracherwerb zumindest weit fortgeschritten ist und in seiner weiteren Sozia-lisierung eine neue Sprache hinzukommt

Ein Beispiel Ein Kind waumlchst in Syrien mit Arabisch und Kurdisch auf mit sechs Jahren kommt es nach Oumlsterreich In diesem Fall sind Arabisch und Kurdisch Erstsprachen und Deutsch eine Zweitsprache Oft beobachtet man dass sich langfristig die Sprachkompetenz zu Gunsten der Zweitsprache bzw Bildungssprache verschiebt

Die Definitionen bezuumlglich Mehrsprachigkeitsentwicklung sind auch deshalb eine Herausforderung weil Sprache viele weitere Aspekte hat Emotionalitaumlt gesellschaftlich-kulturelle Zusam-menhaumlnge und Sprache ist auch stark mit der Identitaumlt und deren Entwicklung verbunden Die Sprachen die uns umgeben beeinflussen unsere Persoumlnlichkeit und unsere Gefuumlhlswelt Deshalb hat sich der Begriff bdquoHerzspracheldquo ergeben um so der Emotionalitaumlt von Sprache gerecht zu werden Dieser Begriff wird sogar in der Wissenschaft verwendet und beschreibt die Sprache die einem nahe ist und zu der man eine enge emotio-nale Bildung hat Das kann manchmal ein Dialekt sein oder auch sehr oft die Sprache der eigenen Eltern Welche die Herzsprache eines Menschen ist ist aber letztendlich sehr individuell

Zu oft wachsen Kinder aus Migrantenfamilien mit der Vorstel-lung auf Deutsch sei nicht bdquoihreldquo Sprache Dabei geht es sehr stark um die subjektive Zuordnung von Muttersprache Dieses Gefuumlhl der Zugehoumlrigkeit zu einer SprecherInnengruppe ist deshalb so wichtig weil es das Selbstbewusstsein der Kinder staumlrkt und ihnen im Spracherwerb Sicherheit gibt Es geht also auch darum den Kindern zu vermitteln dass Deutsch ihre Bildungssprache ist und sie selbstbewusst mit ihren Sprach-kompetenzen umgehen sollen selbst wenn zuhause kein Deutsch gesprochen wird

22 Warum es grundsaumltzlich nie falsch ist Mehrsprachigkeit zu foumlrdern

Wenn wir uns die Sprachentwicklung des doppelten Sprachauf-baus ansehen so gibt es allerhand Unterschiede im Vergleich zu einer monolingualen Sprachentwicklung Es werden gleich-zeitig zwei unabhaumlngige Sprachsysteme aufgebaut Unabhaumln-gig aber auch staumlndig im Kontakt und Austausch miteinander Dieser Austausch fuumlhrt unter anderem dazu dass Mehrsprachi-ge im sprachlichen Begreifen oft kognitiv flexibler und effizien-ter als Monolinguale sind Anfangs aber koumlnnen sich die Sprachen bdquoim Weg stehenldquo Es kommt zu sogenannten Interfe-renzen die uns als Fehler auffallen

bdquoKinder die von Geburt an zweisprachig aufwachsen erwerben also nicht nur zwei Verbalsprachen sondern auch zwei Systeme von Aussprache und Sprachme-lodie Gestik und Mimik sowie von kulturellen Regeln der Kommunikationldquo [Anja Leist- Villis deutsche Erziehungswissen-schaftlerin]

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Sprachbewusstseinsfoumlrderung unterstuumltzt die Kinder dabei sich in ihren Sprachsystemen zurechtzufinden

Und weil bei Bilingualen die Sprachen sich bdquoberuumlhrenldquo und bdquobeeinflussenldquo ist es besonders gut wenn in der Sprachfoumlrde-rung alle Sprachen des Kindes Beachtung finden Denn beide Sprachsysteme beeinflussen sich gegenseitig in ihrem Wachs-tum Das ist wissenschaftlich ausfuumlhrlich erforscht und belegt Aus zahlreichen Forschungsergebnissen weiszlig man auch dass die Sprachen nicht getrennt im Gehirn verortet sind sondern in einem Sprachzentrum Der Erhalt der Muttersprache gefaumlhrdet somit in keiner Weise den guten Erwerb des Deutschen im Gegenteil

Es geht auch darum das wertvolle Potenzial der Mehr-sprachigkeit in den Kindern zu staumlrken Es geht nicht darum sich nur auf eine konkrete Sprache zu konzentrieren sondern die Sprachenvielfalt spuumlrbar zu machen Das fuumlhrt nicht nur dazu dass die Kinder viele Sprachen gut sprechen koumlnnen sondern durch diesen Ansatz foumlrdern PaumldagogInnen auch die sprachliche Entwick-lung generell Somit lernen die SchuumllerInnen all ihre Sprachen kompetent und selbstbewusst zu nutzen Diesen selbstbe-wussten Zugang koumlnnen Sie auch durch Ihre Vorbildwirkung foumlrdern indem Sie Ihre Kompe-tenzen in Ihrer eignen Erstspra-che oder in erworbenen Fremd-sprachen gemeinsam mit den Kindern nutzen Damit zeigen Sie dass Sprachenvielfalt zum Alltag gehoumlrt

23 Spracherwerb zuhause

Die Sprache der Eltern ist durch die ersten Bindungserfahrun-gen stark emotional besetzt Mit der Erstsprache werden zugleich spezifische soziale Regeln Normen und Werte vermittelt die dem Kind Orientierungspunkte fuumlr den Aufbau seiner Identitaumlt bieten

Fuumlr die freizeitpaumldagogische Arbeit bedeutet dies dass auch auf die Sprachkompetenz aus dem familiaumlren Kontext einge-gangen werden sollte Das kann den Kindern helfen bereits Gelerntes aus der Herkunftssprache mit neuen Inhalten aus dem Deutschen zu verknuumlpfen

Diese Herangehens- weise wird auch mit

OPOL abgekuumlrzt Dies bedeutet dass jeder Elternteil in seiner jeweiligen Erstsprache mit dem Kind spricht Es ist eine Methode die sich uumlberaus bewaumlhrt hat Denn das Kind assozi-iert die Person mit der Sprache Zweisprachige Kinder reagieren sehr sensibel auf ihr Gegenuumlber und wenn sie eine Sprache mit einer Person assoziieren dann bleibt diese Verbindung Uumlber die Sprache entsteht auch eine emotionale Bindung zu der Person die wiederum zur emotionalen Bindung mit der Sprache selbst fuumlhrt Wichtig ist dass die Anwendung dieser Strategie auf natuumlrliche Weise passiert und nicht gekuumlnstelt oder ver-krampft

Deshalb ist es wichtig dass die Eltern bei ihrer Kommunika-tionssprache mit dem Kind bleiben und diese nicht migrations-bedingt aumlndern

Fuumlr die Foumlrderung der Herkunftssprache koumlnnen Eltern auch die zahlreichen Angebote des Schulsystems nutzen zthinspB den Muttersprachenunterricht Mehr Information dazu wwwschule-mehrsprachigat

One person ndash one language

Kapitel 2

Spracherwerb bei mehrsprachigen Kindern

bdquoDer Mensch ist ein komple-xes Lernwesen und Sprache braucht die emotionale und gesellschaftlich kontextuelle Verknuumlpfungldquo [Zwetelina Ortega]

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31 Code-switching und Code-mixing

Mehrsprachige Kinder bdquovermischenldquo oftmals ihre Sprachen Dieses Phaumlnomen wird auch Code-mixing genannt Oder sie wechseln zwischen den Sprachen genannt Code-switching Dieses Sprachverhalten kann PaumldagogInnen verunsichern Faumllschlicherweise wird Mehrsprachigen nachgesagt sie haumltten einen eingeschraumlnkten Wortschatz und weniger ausdifferen-zierte sprachliche Ressourcen in den jeweiligen Sprachen als Kinder mit einer Erstsprache Untersuchungen zeigen aber dass dies nur fuumlr die ersten Lebensjahre stimmt Gegen Ende der Volksschule gleichen sich Grammatik und Wortschatz in der dominanten Sprache aus und oft uumlberholen die bilingualen Kinder sogar die monolingualen

Junge Menschen verwenden Code-switching auch als bdquoHilfs-strategieldquo wenn der fuumlr ein Thema relevante Wortschatz in der anderen Sprache leichter verfuumlgbar ist

Nahezu alle mehrsprachigen Menschen mischen und vermi-schen ihre Sprachen vor allem in informellen Gespraumlchskontex-ten Es ist auch nicht weiter schlimm solange es in dem eben dargelegten Rahmen bleibt

Fuumlr Sie als PaumldagogIn heiszligt das dass Sie nicht das Gefuumlhl haben muumlssen immer eine einheit-

liche Sprache einzufordern Versuchen Sie im Sprachwechsel auch die Kreativitaumlt der Kinder zu erkennen und diese in der Betreuung zu nutzen Vielleicht moumlchte das Kind erklaumlren warum es gerade dieses Wort aus einer anderen Sprache verwendet hat und welche die besondere Bedeutung ist

In der paumldagogischen Praxis

Weitere Moumlglichkeiten auf Code-switching und Code-mixing spielerisch einzugehen vielsprachige kreative Texte schreiben in denen alle Sprachen vorkommen duumlrfen

Ein vielsprachiges bdquoStadt Land Flussldquo-Spiel bei dem alle Sprachen erlaubt sind Wichtige Regel dabei die Kinder muumlssen versuchen die Begriffe auf Deutsch zu uumlbersetzen zu umschreiben oder zu erklaumlren um sie so der ganzen Gruppe verstaumlndlich zu machen Es ist dabei hilfreich wenn Sie als PaumldagogIn den Anfang machen und sich selbst auch mit Ihren Sprachkenntnissen einbringen So verstehen die Kinder das Spiel besser und trauen sich eher ihre Erstsprachen zu verwen-den

Oder als Reihum-Fragespiel bdquoWie sagt man in deiner (nicht-deutschen) Sprache fuumlr Ich habe einen Baumlrenhunger hellip Der ist bekannt wie ein bunter Hund hellip Du kannst mir mal den Buckel runterrutschen hellipldquo und andere bekannte Redensarten

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen KontextErscheinungsformen gelebter Mehrsprachigkeit in der Schule und viele Beispiele fuumlr praxisnahe Handlungsfelder und Uumlbungen

bdquoEine Umsetzung mehrschriftlicher und multilingua-ler Ansaumltze kann allen Beteiligten zu mehr Freiheit und Selbstbe-stimmung verhelfen [hellip]ldquo [Elke Montanarithinspthinsp Julie Panagioto-poulou in Mehrsprachigkeit und Bildung in Kitas und Schule]

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Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

32 Dominante und schwache Sprache

Nahezu jede Sprachsituation im Leben von zweisprachigen Kindern ist einzigartig Diese haumlngt von unterschiedlichen Gegebenheiten ab Wie oft ist das Kind im Kontakt mit einer Sprache Wie haumlufig wird sie gesprochen Mit wem wird sie gesprochen Wie viel und welcher Input ist da usw In vielen Faumlllen entwickelt sich eine Sprache schneller und besser als die andere Die Kompetenzen in den Sprachen koumlnnen sich im Laufe des Lebens veraumlndern oder auch verschieben je nach Sprachsituation und Motivation des Menschen Nur selten beherrschen Kinder beide Sprachen gleich gut Auch Erst- oder Zweitsprachen koumlnnen sich je nach Lebenssituation in ihrer Dominanz verschieben

Auch wenn Sie das Gefuumlhl haben dass das Kind seine Erstsprache nicht so gut beherrscht wird

es sich sicher freuen und es als positiv erleben wenn es etwas daruumlber erzaumlhlen kann oder sich mit Wortbeitraumlgen und Kommentaren in dieser Sprache einbringen kann

In der paumldagogischen Praxis

33 Gesellschaftliches Prestige der Sprachen

bdquoAlle Sprachen sind gleichwertigldquo ndash diese so selbstverstaumlndlich schei-nende Aussage deckt sich leider ganz und gar nicht mit der Wirklichkeit Viele Vorurteile truumlben den Blick auf den Wert individueller migrationsbe-dingter Mehrsprachigkeit Vorurteile sind wie ein Echo auf die Mehrspra-chigkeit Das Kind bekommt sie fruumlher mit als uns lieb ist Dieser Umstand kann die gesamte Sprachentwicklung bremsen

Das Prestige einer Sprache haumlngt in erster Linie vom Ansehen ihrer SprecherInnen ab Dieses Ansehen wiederum ist vor allem durch die wirtschaftliche und soziale Position einer bestimmten SprecherInnengruppe in der Gesellschaft beeinflusst

Als PaumldagogIn kann man mit dem eigenen Verhalten

zeigen dass alle Sprachen gleich geschaumltzt werden Diese Wertschaumltzung gilt es auch den Eltern zu signalisierten Dabei reichen oft kleine Kommentare Zum Beispiel bdquoEs ist groszligartig dass du so viele Sprachen sprichstldquo bdquoEs gefaumlllt mir wenn ich dich hellip sprechen houmlreldquo oder bdquoSchoumln dass Ihr Kind zwei Sprachen so gut beherrschtldquo Und Sie koumlnnen den Kindern und Eltern auch von Ihren eignen Erfahrungen erzaumlhlen beim Sprachenlernen oder von Ihrer eignen Bilingualitaumlt ZthinspB durch Beispiele fuumlr die Nuumltzlichkeit von Mehrsprachigkeit im Urlaub oder durch den Hinweis auf berufliche Vorteile Oumlsterreichische Firmen (zthinspB Banken) stellen naumlmlich gerne MitarbeiterInnen ein die neben Deutsch nicht immer nur Englisch sondern gerne auch andere Sprachen wie die BKS-Sprachen oder Tuumlrkisch sprechen So vermitteln Sie das Thema auf authentische Weise und staumlrken gleichzeitig die Familie positiv mit ihrer eigenen Mehrsprachigkeit umzugehen

In der paumldagogischen Praxis

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34 Interferenzen und Lerntransfer

Wenn Sprachen sich gegenseitig beeinflussen und es dadurch zu einer Fehlleistung kommt sprechen wir von Interferenz Dies kann auf grammatikalischer phonetischer oder lexikali-scher Ebene vorkommen Meist beeinflusst die dominante Sprache die schwaumlchere Im Spracherwerb kann es Phasen geben in denen es zu zahlreichen Interferenzen kommt Diese Phasen gehen aber meist wieder zuruumlck wenn die Sprachen sich gut entwickeln und das sprachliche Repertoire des Kindes waumlchst Voraussetzung dafuumlr ist eine gute Lernumgebung und Menschen die viel und richtig mit dem Kind sprechen Eltern die meinen ihrem Kind etwas Gutes zu tun indem sie mit ihm Deutsch sprechen obwohl sie die Sprache nicht auf Mutter-sprachenniveau beherrschen schaden damit der kindlichen Sprachentwicklung

Es gibt aber auch einen Lerntransfer zwischen den Sprachen und zwar dann wenn sie sich positiv beeinflussen und es beim Sprachenlernen zu sogenannten Uumlbertragungen kommt Diese bleiben fuumlr uns verborgen weil sie eine Form gelingenden Sprechens sind

PRAXIS Umgehen mit sprachlichen Fehlleistungen

Korrektives Feedback wiederholen Sie im Gespraumlch mit dem Kind richtig was falsch gesagt wurde und versuchen Sie es in das Gespraumlch einflieszligen zu lassen Wiederholen Sie Schluumls-selwoumlrter die das Kind falsch gesagt hat eher am Ende des Gespraumlchs richtig Versuchen Sie auf direktes Verbessern zu verzichten Es stoumlrt den Gespraumlchsverlauf Fordern Sie die Kinder nicht staumlndig auf das falsch Gesagte richtig zu wieder-holen Hin und wieder kann es zielfuumlhrend sein weil es Klarheit verschafft zu oft eingefordert kann es die Kinder beim Sprechen hemmen

Geduld Spracherwerb ist ein langsamer Prozess der noch dazu nicht linear verlaumluft Es gibt Entwicklungsspruumlnge dann wieder Phasen in denen sich vermeintlich wenig weiterentwi-

ckelt Kinder nehmen Sprachinput auf und verarbeiten ihn fuumlr sich Bis es uns beim Reden auffaumlllt muss manchmal etwas Zeit vergehen Haben Sie also Geduld Ihre Foumlrderansaumltze brauchen einfach etwas Zeit um zu fruchten

Wahrnehmen Jeder freut sich wenn man seine Anstren-gung wahrnimmt Wenn Ihnen bei einem Kind eine sprachliche Errungenschaft auffaumlllt so koumlnnen Sie es explizit sagen

Stuumltze in der Erstsprache des Kindes Sollten Sie die Erstsprache des Kindes beherrschen koumlnnen Sie diese Kompe-tenz selbstverstaumlndlich nutzen um dem Kind in seinem Spracherwerb zu helfen Beispielsweise indem Sie ihm etwas kurz erklaumlren damit es dieses besser versteht Manchmal hilft es auch den Fehler in der deutschen Sprache aus der Sicht der Erstsprache zu betrachten dann kann man das Kind besser unterstuumltzen Nutzen Sie diese Chance wenn Sie sie haben

Fehler machen ist Teil jeder Form von Spracherwerb und von Sprachlernen Fehlermachen im gesteuerten ebenso wie im ungesteuerten Spracherwerb ist etwas voumlllig Natuumlrliches Fehler zu machen und sie als solche zu erkennen ist ein Schluumls-selelement jeder Form des Spracherwerbs Wenn Sie als PaumldagogIn Ihrerseits Deutsch nicht als Muttersprache erwor-ben haben koumlnnen Sie auf eigene Fehler und Muumlhen im Erwerb

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

bdquoEine andere Sprache ist eine andere Sicht auf das Lebenldquo [Federico Fellini italienischer Filmemacher]

bdquoDer Akzent sorgt fuumlr die Schoumlnheitsmale auf der Sprach-hautldquo[Ilija Trojanow bulgarisch- deutscher Schriftsteller]

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des Deutschen verweisen (zthinspB auf die richtige Beugung unregelmaumlszligiger Verben oder die Stellung des Verbs am Ende des Nebensatzes etc)

35 Sprachbewusstsein foumlrdern eine Methode die viel bewirkt

Im Gegensatz zur schulischen Mehrsprachigkeit wird die migrationsbedingte bzw lebensweltliche Mehrsprachigkeit bisher zaghaft gefoumlrdert und im Unterricht weitgehend ausge-blendet Die Herkunftssprachen der SchuumllerInnen werden im Unterricht selten einbezogen Sie werden eher als Belastung bzw als Problem und nicht als Ressource angesehen

Sprachbewusstsein ist das Bewusstsein fuumlr die Funktionsweise und Bedeutung von Sprachen Wenn man Kinder darin unter-stuumltzt so gibt man ihnen die Moumlglichkeit und befaumlhigt sie sprachliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erkennen Zudem werden sie darin gefoumlrdert zu erkennen welche Rolle Sprache in unserer Gesellschaft spielt

Bei diesem Prozess koumlnnen die SchuumllerInnen auf bereits vorhandenes Sprachlernwissen zuruumlckgegriffen Wenn sie sich mit ihrem Wissen aus der erworbenen Herkunftssprache einbringen koumlnnen so bewirkt dies einen Motivationsschub der sich positiv auf das weitere Sprachenlernen auswirken kann

Stellen Sie Spiele und Uumlbungen und Methoden zur Verfuumlgung die die Kinder motivieren ihre vorhandenen Sprachkenntnisse zu nutzen so dass die Sprachen auch erklingen koumlnnen Und vergessen Sie dabei nicht auf die zentrale Vorbildwirkung die Sie selbst einbringen koumlnnen Beteiligen Sie sich selbst an den Spielen und Uumlbungen mit Ihren Sprachkenntnissen Die Kinder werden viel Freude daran haben diese weitere Facette die Sie ausmacht kennenzulernen So koumlnnen Sie gemeinsam mit den Kindern Lieder singen die es in mehreren Sprachversionen gibt (wie zthinspB Fregravere JacquesthinspthinspBruder Jakob und in der Weihnachts-zeit Stille Nacht heilige Nacht ndash ein Lied das es bestimmt in den Sprachen aller beteiligten Kinder gibt)

PRAXIS Anwendungsideen

Am Anfang steht die Bereitschaft Raum fuumlr Gespraumlche uumlber die eigene Sprachbiografie zu schaffen Natuumlrlich nehmen an diesen Gespraumlchen alle Kinder teil auch jene die nicht bilingual aufwachsen Weitere Spielideen

Sprachenportrait ndash meine Sprachen in mir Uumlber Sprache nachdenken und daruumlber sprechen Meine Sprachbiografie Meine Familie und ihre Sprachen Sprachenstammbaum der Familie Uumlbersetzungsspiel UmgangssprachethinspthinspFachsprache oder HochsprachethinspthinspDialekt

Redewendungen aus aller Welt Mehrsprachige Wortfelder

Die naumlhere Ausfuumlhrung zu den jeweiligen Spielideen finden Sie auf der Website und im Intranet der BiM ndash Bildung im Mittel-punkt Weitere Uumlbungen um Sprachbewusstsein und Mehr-sprachigkeit zu foumlrdern sind in Kapitel 6 angefuumlhrt

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

bdquoDer Geist einer Sprache offenbart sich am deutlichsten in ihren unuumlber- setzbaren Wortenldquo[Marie von Ebner-Eschenbach oumlsterreichische Schriftstellerin]

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Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd seinNutzen der eigenen Sprachkompetenzen und Umgang mit kritischen Situationen die sich durch die Mehrsprachigkeit der Kinder ergeben koumlnnen

41 Wenn Kinder untereinander in einer anderen Sprache als Deutsch sprechen

In vielen Schulen wird nach wie vor das Prinzip gelebt dass nur Deutsch gesprochen werden darf und soll Dieser Zugang blendet die Realitaumlt bilingualer Menschen aus und signalisiert den Kindern dass ein Teil von ihnen unerwuumlnscht ist Das ist weder fuumlr den Deutscherwerb noch fuumlr die Persoumlnlichkeitsent-wicklung des Kindes foumlrderlich Und dabei wird auszliger Acht gelassen warum Kinder in eine andere Sprache switchen

weil sie sich in ihrer Erstsprache sicherer fuumlhlen und Deutsch noch nicht gut beherrschen Fuumlr die Kommunikation eine Sprache zu waumlhlen die man gemeinsam gut kann ist ein natuumlrlicher Zugang Wuumlrde man die Kinder dann zwingen auf Deutsch zu wechseln wuumlrde man sie foumlrmlich verstummen lassen

Das Sprachwechseln kann auch bei Kindern die gut Deutsch sprechen ganz intuitiv passieren und vom Kind in diesem Moment nicht bewusst wahrgenommen werden Diese Sprach-wahl des Kindes zeugt eher von einer hohen Sprachkompetenz und von seinem kreativen Umgang mit der eigenen Bilinguali-taumlt

Als Problem wird haumlufig dargestellt dass andere Kinder durch den nichtdeutschen Sprachgebrauch ausgegrenzt wuumlrden Wenn Sie tatsaumlchlich beobachten dass Kinder jemanden durch Sprachwechsel ausgrenzen dann ist das Problem die Ausgren-zung Ein Sprachverbot ist hier der falsche Weg Viel wichtiger ist es uumlber das Ausgrenzen anderer Kinder an sich zu sprechen

Damit sich vielleicht andere Kinder nicht verunsichert fuumlhlen kann man auch die Bilingualitaumlt der SchuumllerInnen zum Thema zu machen und mit der Gruppe besprechen Dann kann man auch den Kindern vermitteln dass die gemeinsame Sprache der Gruppe Deutsch ist Damit Kinder ihre Bilingualitaumlt positiv erleben koumlnnen ist es aber ratsam dass sie im schulischen Kontext auch eine ihrer Erstsprachen verwenden koumlnnen So koumlnnen tatsaumlchlich ihre beiden Sprachen Platz haben so wie es auch ihrer Wirklichkeit entspricht Wie und wann geswitcht werden kann kann man in der Gruppe gemeinsam vereinbaren So haben die Kinder sowohl Deutschinput als auch die Moumlglich-keit all ihre Sprachkompetenzen zu benutzen

bdquoSprache ist der Schluumlssel zur Weltldquo[Alexander von Humboldt deutscher Naturforscher]

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Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein

42 Wenn Kinder Sie in Ihrer Erstsprache ansprechen

Viele FreizeitpaumldagogInnen der BiM ndash Bildung im Mittelpunkt haben selbst unterschiedliche und vielfaumlltige kulturelle und sprachliche Kompetenzen Und diese betrachten wir als wertvoll Sehen Sie Ihre Sprachkompetenz deshalb als Berei-cherung und Chance Denn Sprache ist mehr als Kommunika-tion es geht nicht nur darum dass die Kinder von Ihnen Deutsch lernen sie haben auch eine Bindung zu Ihnen aufge-baut oder sind gerade dabei Sich uumlber eine gemeinsame Sprache auszutauschen kann Vertrauen schaffen Manchmal wollen die Kinder einfach zeigen was sie alles koumlnnen

Wenn ein Kind tatsaumlchlich noch kein Deutsch spricht und versteht koumlnnen Sie mit Ihrer Sprachkompetenz eine gute Bruumlcke schlagen und das Kind dabei unterstuumltzen sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden durch kleine Erklaumlrungen oder indem Sie auf die Ausfuumlhrung des Kindes reagieren Ihre sprachliche Unterstuumltzung erleichtert dem Kind vor allem sich in der neuen Situation einzuleben Auch in der Kommunikation mit den Eltern koumlnnen Sie Ihre Sprachkenntnisse nutzen

PRAXIS die eigenen Sprachkompetenzen nutzen

Kurze Erklaumlrungen Wenn Sie bemerken dass sich ein Kind aus sprachlichen Gruumlnden in einer Situation ganz und gar nicht zurechtfindet und Sie haben eine andere gemeinsame Sprache koumlnnen Sie diese nutzen um dem Kind zu erklaumlren was gerade passiert oder was zu tun ist Beispielweise wenn es darum geht dass Sie gemeinsam in den Park gehen wollen und sich die Kinder anstellen sollten oder Aumlhnliches Danach koumlnnen Sie wieder auf Deutsch switchen Sie koumlnnen auch den restlichen Kindern kurz erklaumlren dass Sie in einer anderen Sprache gesprochen haben um dem Kind zu helfen besser zu verstehen was passiert So fuumlhlen sich die Kinder nicht ausgeschlossen und erleben dass Sprachgebrauch vielseitig sein kann und sein darf

Gespraumlch mit Eltern Wenn Sie bemerken dass es den Eltern schwer faumlllt auf Deutsch zu kommunizieren und Sie wissen sie haben eine andere gemeinsame Sprache in der es ihnen leichter fallen wuumlrde koumlnnen Sie es den Eltern behutsam und mit dem notwendigen Fingerspitzengefuumlhl anbieten So schaffen Sie eine leichtere Basis fuumlr Kommunikation sowie Austausch und Vertrauen

bdquoWir wohnen nicht in einem Land sondern in einer Spracheldquo[Emil Cioran rumaumlnischer Philosoph]

bdquoGelebte Zweisprachig-keit ist eher selten aumlqui-valent sondern asymmetrisch oft hierarchisch und bisweilen konfliktivldquo [Georg Kremnitz deutscher Romanist]

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43 Wenn Kinder offensichtlich ungute Dinge zu jemanden in einer Sprache sagen die Sie nicht verstehen

Wenn man Kindern die Moumlglichkeit einraumlumt ihre Erstsprachen zu verwenden haben Paumldago-gInnen manchmal Angst sie koumlnnten dies dafuumlr nutzen um Schimpfwoumlrter oder andere respekt-lose Ausdruumlcke zu verwenden In den seltensten Faumlllen ist es so Ihre Intuition wird Ihnen zeigen sollte tatsaumlchlich respektlos miteinander umgegangen werden Dazu braucht man nicht jedes Wort zu verstehen denn Kommunikation passiert auch auf nonverbaler Ebene Dabei ist natuumlrlich der respektlose Umgang zu hinterfra-gen Auch in diesem Fall ist ein Deutschgebot das die Verwendung anderer Sprachen unter-bindet nicht zielfuumlhrend Denn einerseits wuumlrde man dadurch die Kinder die respektvoll mitein-ander umgehen auch sanktionieren und ander-seits wird dadurch das Problem des fehlenden Respekts nicht geloumlst Viel wichtiger ist es einen respektvollen Umgang miteinander zu foumlrdern unabhaumlngig davon welche Sprache dabei gesprochen wird

44 Wenn SchuumllerInnen die in Deutsch noch schwach sind ausgegrenzt werden

Fehlende Sprachkompetenz kann auch ausgrenzend wirken Das Kind kann sich nicht verstaumlndigen bei Spielen und Gesprauml-chen nicht mitmachen und wird vielleicht von den Mitschuumller-Innen nicht in die Gruppe integriert Das kann zu einer Nega-tiv-Spirale fuumlhren denn die eingeschraumlnkten sozialen Kontakte schraumlnken auch den sprachlichen Kontakt ein und Kinder lernen besonders viel von- und miteinander In solch einer Situation kann es hilfreich sein dass Sie thematisieren wie es einem geht wenn man eine neue Sprache lernt Dazu gibt es zahlrei-che kindgerechte Uumlbungen ZthinspB ausgeruumlstet nur mit einem

Woumlrterbuch in einer ganz fremden Sprache etwas erklaumlren muumlssen oder auch selbst daruumlber reflektieren wie geht es mir beim Fremdsprachenlernen zthinspB Englisch Wenn man sich besinnt wie herausfordernd der Weg ist hat man auch mehr Verstaumlndnis fuumlr den neuenthinspthinspdie neue MitschuumllerIn

Helfen kann auch die Kinder von Anfang an als Stuumltze und Hilfe fuumlr das neue Kind einzubinden So fuumlhlen sie Verantwor-tung und koumlnnen selbst etwas fuumlr den guten sozialen Klassen-verband beitragen

Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein

bdquoMehrsprachige Kompetenz ist nicht nur Ein - sprachigkeit in mehreren Sprachen sondern ist als eine ganzheit-liche Sprach-kompetenz aufzufassen und zu foumlrdernldquo [Elisabeth Allgaumluer-Hacklthinspthinsp Ulrike Jessner in Mehrsprachig-keitsunterricht aus mehrsprachiger Sicht Zur Foumlrderung des metalinguistischen Bewusstseins]

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Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren Argumente und Darstellungen fuumlr Gespraumlche und Fragen mit denen Sie Ihre Position Mehrsprachigkeit zu foumlrdern erklaumlren und staumlrken koumlnnen

51 Ein Erklaumlrungsversuch ndash warum die Foumlrderung und Anerkennung sprachlicher und soziokultureller Diversitaumlt in Frage gestellt wird

Uumlber Mehrsprachigkeit wird schon seit langem geforscht denn Gesellschaften in denen mehrere Sprachen zusammenkom-men hat es seit jeher gegeben Die wissenschaftlichen und empirischen Ergebnisse aus der Mehrsprachigkeitsforschung zeigen allesamt dass die Foumlrderung der individuellen und gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit allen zugutekommt Zum Beispiel schadet es nicht dem Erlernen und Erwerben des Deutschen wenn Kinder auch in ihren anderen Erstsprachen gefoumlrdert werden Genau das Gegenteil ist der Fall Kinder entwickeln sich insgesamt sprachlich besser Und viele weitere positive Argumente wurden formuliert

Diese gesellschaftliche Mehrsprachigkeit und Plurikulturalitaumlt verlaumluft aber in den seltensten Faumlllen konfliktfrei Die Konflikte sind meist das Ergebnis von politischen Maszlignahmen die bestim-men SprecherInnengruppen mehr Macht und staumlrkere Positionen einraumlumen Das fuumlhrt auch dazu dass im oumlffentlichen Diskurs ndash in den Medien in Debatten und Stellungnahmen usw ndash manche Menschen die Position vertreten nur die anerkannte Amtsspra-che Deutsch sei foumlrdernswert und von Nutzen Die anderen Sprachkompetenzen werden als Problem angesehen Diese Haltung ist eine ausgrenzende die Menschen diskriminiert Diskriminierung fuumlhrt in keinem Fall zu einem besseren Schul-erfolg oder zur besseren Integration Auffaumlllig bei dieser Haltung ist dass die Sprachen selbst bewertet werden Beispielsweise wird das Erwerben von Englisch als positiv bewertet und eine Deutsch-Englisch Bilingualitaumlt auch Wenn es um migrationsbe-dingte Mehrsprachigkeit geht wird diese als Hindernis einge-

bdquoSchule muss bilinguale Kinder auch als solche wahrnehmen und nicht versuchen sie in die Passform des einsprachigen Kindes zu pressenldquo [Zwetelina Ortega]

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Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

stuft Wie steht es um die Erstsprachen die durch Migration nach Oumlsterreich gelangt sind Wie ist ihr Image Eine entscheidende Rolle spielt der Status der SprecherInnen Um mit Robert Walser zu sprechen Money rules the world Ist die Gruppe der Sprech-erInnen wirtschaftlich stark hat ihre Sprache gesellschaftlich hohe Anerkennung Uumlbt die Vielzahl einer SprecherInnengruppe jedoch niederqualifizierte und schlecht bezahlte Jobs aus ist sie wirtschaftlich schwach so hat ihre Sprache ein schlechtes Image in der Gesellschaft Diese Situation ist in allen Einwanderungsge-sellschaften aumlhnlich die Sprachen sind auswechselbar

Tatsache ist dass sich falsche und diskriminierende Argumente immer noch halten und dass Ihnen vielleicht Menschen begeg-nen werden die versuchen werden gegen die Foumlrderung von Mehrsprachigkeit zu argumentieren

Es gibt keinen Grund der Diskriminierung und Ausgrenzung zulaumlssig macht Das Ziel einer gelungenen paumldagogischen Arbeit ist es alle Facetten des Kindes anzunehmen und sie als Teil des paumldagogischen Alltags zu integrieren

52 Argumentationslinien und moumlgliche Positionen im Austausch mit KollegInnen Eltern KlassenlehrerInnen und DirektorInnen

Um Ihre Position zu staumlrken dass alle Sprachen und Sprach-kompetenzen gleichberechtigt und wertvoll sind und Sie sie deshalb in Ihrer Arbeit beruumlcksichtigen und foumlrdern haben wir einige Argumente fuumlr Sie ausgearbeitet

Familiaumlrer Kontext

Voraussetzung fuumlr eine gute Lernumgebung sind Menschen die viel und richtig mit dem Kind sprechen Eltern die meinen ihrem Kind etwas Gutes zu tun indem sie mit ihm Deutsch sprechen obwohl sie die Sprache nicht auf Muttersprachen-niveau beherrschen koumlnnen damit der kindlichen Sprachent-wicklung manchmal mehr schaden als helfen

Wichtig ist dass mit den Kindern viel gesprochen erzaumlhlt gelesen und vorgelesen wird Die Sprache die die Eltern dabei verwenden sollte eine sein in der sie sich wohl und sicher fuumlhlen und vielseitig ausdruumlcken koumlnnen Uumlblicherweise ist dies die Erstsprache der Eltern Kinder koumlnnen dann generell besser mit Sprache umgehen ndash auch mit Deutsch

Paumldagogischer und schulischer Kontext

Durch sprachsensible paumldagogische Arbeit die auch die Mehrsprachigkeit der Kinder beruumlcksichtigt wird das Verinner-lichen der sprachlichen Inhalte vor allem auch der bildungs-sprachlichen verbessert Der Aufbau von Bildungssprache ist Grundlage fuumlr Wissenserwerb Diese Faumlhigkeit die Sie den SchuumllerInnen vermitteln wird sie langfristig dazu befaumlhigen auch in ihren weiterfuumlhrenden Ausbildungen besser voranzu-kommen Dadurch werden auch die Bildungschancen aller SchuumllerInnen erhoumlht und zum Teil werden ungleiche Bildungs-bedingungen uumlberwunden

Beim doppelten Spracherwerb also bei Kindern die bilingu-al aufwachsen beeinflussen sich beide Sprachsysteme gegen-seitig positiv in ihrem Wachstum Das ist wissenschaftlich erwiesen Der Erhalt der Erstsprache gefaumlhrdet in keiner Weise den guten Erwerb des Deutschen im Gegenteil

bdquoEs ist doch ein groszliger Unter-schied ob einem gesagt wird dass Sprachen gleichwertig sind und man alles in jeder ausdruumlcken kann oder ob man es tutldquo [Elke Montanari deutsche Sprach- wissenschaftlerin]

bdquoDer Mensch ist Mensch nur durch Spracheldquo[Johann Gottfried von Herder deutscher Dichter und Uumlbersetzer]

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Wer sein Wissen aus den vorab erworbenen oder erlernten Sprachen einbringen kann der erfaumlhrt einen Motivationsschub der sich positiv auf das weitere Sprachenlernen auswirken kann

Die Anerkennung einer Herkunftssprache im schulischen Kontext kann zu einer positiven Persoumlnlichkeitsentwicklung der SchuumllerInnen fuumlhren Deren Aufwertung gibt den Kindern Selbstvertrauen und Sicherheit die sich auf den gesamten Lernerfolg gut auswirken

Eines der Ziele die sich die Europaumlische Union gesetzt hat ist es dass jeder Buumlrgerthinspthinspjede Buumlrgerin seinethinspthinspihre Mutterspra-che sowie mindestens zwei weitere Sprachen beherrscht Diesem Ziel ruumlcken wir naumlher wenn wir die vorhandenen Sprachkompetenzen der Kinder nutzbar machen

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen dass bei einer Foumlrderung der durchgaumlngigen Sprachbildung und lebenswelt-lichen Mehrsprachigkeit von Kindern die narrative Schreibfauml-higkeit und die schriftliche Kompetenzentwicklung gestaumlrkt werden und die bildungssprachlichen Elemente im Deutschen zunehmen

Es gibt noch viele weitere Argumente warum Mehrsprachigkeit immer ein Vorteil ist und nicht als Problem gesehen werden sollte Weitere Argumente werden Sie bestimmt in Ihrer eigenen Arbeit und Erfahrung mit den Kindern selbst finden Trauen Sie sich selbstbewusst zu Ihrer Position zu stehen und lassen Sie diskriminierende Haltungen nicht unkommentiert Wenn Sie die Moumlglichkeit haben nutzen Sie Ihre eigenen vielseitigen Sprachkompetenzen seien es Fremdsprachen oder weitere Erstsprachen sei es im spielerischen Umgang oder wenn Sie etwas erklaumlren Gemeinsam koumlnnen wir dazu beitra-gen dass mehrsprachige Kinder positiv wahrgenommen werden

Kapitel 6

Weitere Uumlbungs- und Anwendungsideen In diesem Kapitel finden Sie viele praxisnahe Uumlbungen fuumlr den spielerischen Umgang mit Mehrsprachigkeit in der Freizeitpaumldagogik

Wenn Sie solche oder aumlhnliche Uumlbungen mit den Kindern ausprobieren werden Sie vielleicht selbst oder gemeinsam mit ihnen viele neue Ideen entwickeln wie man Mehrsprachigkeit spielerisch und mit Freude in der Freizeitbetreuung aufgreifen kann Probieren Sie es aus Es wird allen SchuumllerInnen be-stimmt gefallen Das sind die Erfahrungen die wir bisher gemacht haben Hier einige Ansaumltze fuumlr Sie

Die Herkunft der Vor- und Nachnamen ndash wir erkunden die Bedeutungen unserer Namen

Radio aus aller Welt ndash wir houmlren in Online-Radiosender in verschiedenen Sprachen hinein Dabei koumlnnen die Kinder raten oder versuchen zu erkennen welche Sprache gerade erklingt

Stille Post mit den Sprachen unserer Klasse spielen

Kleine Sprachschule ndash jeweils ein Kind bringen dem Rest der MitschuumllerInnen einfache Saumltze und nuumltzliche Worte bei

Mehrsprachigkeit im oumlffentli-chen Raum ndash wir begeben uns auf Entdeckungsreise und suchen Orte wo wir unter-schiedliche Sprachen houmlren und sehen

Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

bdquoKennst du viele Sprachen ndash hast du viele Schluumlssel fuumlr ein Schloszligldquo[Voltaire franzoumlsischer Philosoph und Schriftsteller]

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Kapitel 7

EmpfehlungenLektuumlreempfehlungen zur Vertiefung Zahlreiche Links die weitere Anwendungsideen fuumlr die Praxis bieten aber auch vielseitige Artikel zum Thema

Weiterfuumlhrende Literatur

Krumm Hans-JuumlrgenthinspthinspReich Hans H 2011 Curriculum Mehrsprachigkeit Online im Internet

Montanari Elke 2013 Mit zwei Sprachen groszlig werden Mehrsprachige Erziehung in Familie Kindergarten und Schule Muumlnchen Koumlsel

Montanari ElkethinspthinspPanagiotopoulou Julie 2019 Mehrsprachigkeit und Bildung in Kitas und Schulen UTB

Schader Basil 2013 Sprachenvielfalt als Chance Handbuch fuumlr den Unterricht in mehrsprachigen Klassen Zuumlrich orell fuumlssli

Hilfreiche Institutionen

Kinderbuumlcherei der Weltsprachen gehoumlrt zu den Staumldtischen Buumlchereien wwwkirangoat Veranstaltungen zu Lesefoumlrderung fuumlr Schulen und Kindergaumlrten Teil der Buumlcherei Wien

wwwbaobabat BAOBAB ndash GLOBALES LERNEN vielseitige Arbeitsmaterialen und Literatur

Links

wwwlanguage-diversityeu ndash Arbeitsblaumltter Lehrmaterial Unterrichtsideen Schwerpunkt auf Minderheitensprachen in Europa

wwwpapperlapappcoat ndash Bilinguale Kinderzeitschrift wwwmultilingual-familieseu ndash Materialen fuumlr mehrsprachige Erziehung wwwderstandardatr2000023362091Linguamulti ndash monatlicher Blog zu Mehrsprachigkeit und Spracherwerb

wwwschule-mehrsprachigat ndash Kinder- und Jugendbuumlcher in vielen Sprachen Infos zum Muttersprachenunterricht

wwwfacebookcomlinguamulti ndash taumlglich Inhalte zum Thema Mehrsprachigkeit und Interkulturalitaumlt

Anschuumltzgasse 1 2 Stock 1150 WienTel +43 1 524 25 09-0 Fax +43 1 524 25 09-30officebildung-wienat wwwbildung-wienat

IMPRESSUMMedieninhaber und fuumlr den Inhalt verantwortlich BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbHAnschuumltzgasse 1 1150 Wien | Firmensitz Wien | FN502272k | Handelsgericht WienKonzeption Redaktion Text Zwetelina Ortega Linguamulti ndash wwwlinguamultiat (unter Mitwirken von BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbH)Fotos C Pertramer (S 5) J Zinner M Possert (S8)Grafik Gerald Waibel effundweat

Page 5: Unsere Schule spricht viele Sprachen · Unsere Schule spricht viele Sprachen Leitfaden für die Freizeitpädagogik. 2 3 Inhalt ... Es ist unsere gemeinsame Aufgabe im Bildungsbereich,

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Eine sprachsensibel gestaltete Freizeitpaumldagogik kann einen entscheidenden Beitrag zur guten Sprachentwicklung von Kindern leisten Kinder lernen Sprache besonders gut in einer entspannten und freundlichen Atmosphaumlre Gerade in der Freizeit koumlnnen PaumldagogInnen den Spracherwerb besonders gut unterstuumltzen Die Lernmomente sind in den Kontext von Spielen eingebettet die PaumldagogInnen sind nicht an einen Lehrplan gebunden und koumlnnen die Foumlrderung der Sprachkompetenzen je nach Dynamik der Gruppe frei gestalten und sie koumlnnen Mehr-sprachigkeit ganz explizit in ihre Didaktik einbauen da sie keine festgelegten Lernziele erfuumlllen muumlssen Diese offene Arbeit mit den Kindern ist die ideale Voraussetzung dafuumlr ganzheitlich alle Sprachkompetenzen der Kinder in ihrer jeweiligen Spezifik wahrzunehmen und entsprechend gezielt zu foumlrdern

Dieser Leitfaden hat das Ziel als Hilfestellung Orientierung und Ideenpool zu dienen sowie PaumldagogInnen im schulischen Freizeitkontext langfristig im Umgang mit Mehrsprachigkeit zu professionalisieren

Wird der sprachliche und kulturelle Reichtum der aus gelebter Mehrsprachigkeit entsteht in der Gruppe spuumlrbar gemacht werden die SchuumllerInnen in ihrer sprachlichen Entwicklung dauerhaft gefoumlrdert

Der Leitfaden gibt einen Uumlberblick zur Sprachentwicklung von mehrsprachigen Kindern und erklaumlrt wichtige Situationen aus dem Sprachgebrauch die in der Schule haumlufig vorkommen Auch herausfordernde Situationen die sich durch die Mehrsprachigkeit der SchuumllerInnen ergeben koumlnnen werden beleuchtet und es werden moumlgliche Loumlsungsansaumltze geboten

Es werden Ideen fuumlr vielseitige Uumlbungen und Spiele fuumlr die Betreuungszeit vermit-telt die mit kreativen Methoden das Sprachbewusstsein der Kinder wecken Dadurch wird die Sprachbildung der SchuumllerInnen unterstuumltzt und Freude und Lust auf Sprache vermittelt

Zum Thema Zweisprachigkeit und Mehrsprachigkeit halten sich leider immer noch viele falsche Vorurteile Deshalb ist es ein weiteres Ziel des Leitfadens bereits vorhandene erwerbsfoumlrdernde Ansaumltze und die eigene Position in Bezug auf die Foumlrderung von Mehrsprachigkeit argumentativ zu staumlrken und Vorurteile zu entkraumlften

Als Verfasserin des Leitfadens ist es mir wichtig Angst und Druck von den Paumldago-gInnen zu nehmen und stattdessen Moumlglichkeiten zu eroumlffnen entspannt und mit Freude an die vielen Sprachpotentiale der Kinder heranzugehen

Mag1012833 Zwetelina OrtegaSprachwissenschaftlerin und Expertin fuumlr Mehrsprachigkeit

Die Terminologie In diesem Leitfaden wird der Begriff Mehrsprachigkeit verwendet um die Situation an den Wiener

Schulen an denen viele unterschiedliche Sprachen zusammenkommen konzeptuell zusammenzufas-sen Wir verstehen den Begriff als einen weit gefassten der der Diversitaumlt innerhalb der Mehrsprachig-keit Rechnung traumlgt Mehrsprachigkeit begegnet uns gesellschaftlich und individuell in vielen unterschiedlichen Facetten Angefangen von verschiedenen Formen der Bilingualitaumlt aber auch wenn Kinder mit mehr als zwei Sprachen aufwachsen wenn sie mit unterschiedlichen Varianten einer Sprache also zthinspB Standardsprache und Dialekt groszligwerden wenn sie zwei Erstsprachen haben und eine weitere Zweitsprache bzw eine Drittsprache sprechen etc Denn gelebte Mehrsprachigkeit kennt sehr viele Erscheinungsformen

Wir werden immer wieder auf konkrete Situationen eingehen um die Theorie zu veranschaulichen dabei werden wir oft von kindlicher Bilingualitaumlt ausgehen Es sind darin aber auch alle weiteren Erscheinungsformen von Mehrsprachigkeit einbegriffen

Nutzen fuumlr alle An mehreren Stellen im Leitfaden geben wir konkrete Uumlbungs- und Spielideen Alle Uumlbungen und

Spiele sind so gewaumlhlt dass die gesamte Gruppe daran teilnehmen kann Das heiszligt auch Kinder die nur mit Deutsch groszlig werden Die Uumlbungen werden auch fuumlr sie nuumltzlich sein Damit kann Mehrsprachig-keit in der Freizeitbetreuung gefoumlrdert werden aber auch das Sprachbewusstsein und die Fremdspra-chenerfahrung der SchuumllerInnen Das kommt der gesamten Gruppe zugute

Inhaltliche Anmerkungen

Mag1012833 ZwetelinaOrtega

Das Potential der Freizeit-paumldagogik fuumlr den Spracherwerb

10 11

Wien

WUSSTEN SIE hellip

Quelle Statistik Austria

Kapitel 1

Interessante Daten amp Fakten zu Mehrsprachigkeit

Spielend mehr erfahren uumlber Sprachenvielfalt Auf der Webseite des bdquoEuropean Centre for Modern Languagesldquo finden Sie Spiele und Uumlbungen mit denen Sie das Wissen der Kinder uumlber Mehrsprachigkeit erweitern koumlnnen httpsedlecmlat

Wenn Sie spielerisch das Thema bdquoMinderheitensprachenldquo aufgreifen wollen finden Sie auf folgender Website der Europaumlischen Kommission viele Ideen und Materialien httplanguage-diversityeu

Auch zu den oumlsterreichischen Dialekten lassen sich spannende Spiele anwenden Material dazu finden Sie hier httpsbildungbmbwfgvatschulenunterrichtoedpdf61edf0

Auf der Welt

WUSSTEN SIE hellip

Oumlsterreich

WUSSTEN SIE hellip

hellip dass es auf der Welt zwischen 6000 und 7000 Sprachen gibt die von 7 Milliarden Menschen in 189 un abhaumlngigen Staaten gesprochen werden

hellip dass zur Familie der germanischen Sprachen

zu der das Deutsche gehoumlrt auch folgende

Sprachen zaumlhlen Daumlnisch Norwegisch

Schwedisch Islaumlndisch Niederlaumlndisch Englisch

und Jiddisch

hellip dass die meisten Sprachen in Asien und Afrika gesprochen werden

hellip dass schaumltzungsweise 60ndash70thinsp der Weltbevoumllkerung bilingual oder mehrsprachig ist Das heiszligt weltweit ist Mehrsprachigkeit die Regel und nicht die Ausnahme

hellip dass in der oumlsterreichischen Verfassung folgende sieben Minderheitensprachen anerkannt sind

Ungarisch Slowenisch Burgenlandkroatisch Tschechisch Slowakisch Romani und die

oumlsterreichische Gebaumlrdensprache

hellip dass in Oumlsterreich neben Deutsch ca 250 weitere Sprachen gesprochen werden (zthinspB Bosnisch Kroatisch Serbisch Tuumlrkisch Arabisch Englisch Armenisch Pashto Somali Tschetschenisch Zazaki etc)

hellip dass in den Volksschulen in Oumlsterreich 308thinsp der SchuumllerInnen eine andere Umgangssprache als Deutsch haben oder eine weitere neben Deutsch

hellip dass die unterschiedlichen Dialekte des Deutschen fuumlr einen Groszligteil der Bevoumllkerung die taumlgliche Umgangs sprache sind Solche Dialekte sind zum Beispiel Wienerisch Tirolerisch Kaumlrntnerisch Vorarlbergerisch

hellip dass mehr als die Haumllfte der Wiener VolksschuumllerInnen eine andere Umgangsprache als Deutsch haben oder neben Deutsch eine weitere

hellip dass Mutter-sprachen unterricht in 25 Sprachen angeboten wird Der Besuch des Mutter-sprachenunterrichts ist kostenfrei und steht jedem Schuumllerthinspthinspjeder Schuumllerin zu

hellip dass in Wien an den Schulen etwa 80 verschiedene Sprachen vertreten sind

Quelle European Centre for Modern Languages

Quelle Statistik Austria

hellipdass genau genommen niemand einsprachig ist denn wir alle wechseln von Umgangssprache in Standard-sprache oder von Dialekt in Hochsprache von einer Sprache in eine andere von einer formalen in eine informelle Weise des Ausdrucks genannt Sprachregister usw Mehrspra-chigkeit ist in sich vielfaumlltiger als man annehmen wuumlrde

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Kapitel 2

Spracherwerb bei mehrsprachigen Kindern Uumlberblick zu den verschiedenen Definitionen von Mehrsprachigkeit sowie zu den Entwicklungsverlaumlufen bei mehrsprachigen Kindern

Fuumlr die schulische Laufbahn entscheidend ist die sprachliche Entwicklung des Kindes Was macht aber den Unterschied aus dass sich ein Kind im Hinblick auf seine Sprache ndash oder Spra-chen wenn es davon mehrere im Leben des Kindes gibt ndash bes-ser ent wickelt als ein anderes Der sprachliche Erfolg in der Schule haumlngt auch davon ab wie sehr Kinder ihre eigene Bilingualitaumlt positiv erleben Dabei kann die Betreuung in der Freizeit einen entscheidenden Beitrag leisten

Wichtig ist dass die vielseitigen Sprachkompetenzen der Kinder gesehen werden und nicht das Defizit im Vordergrund steht wenn ein Kind noch nicht so gut Deutsch spricht wie einige seiner MitschuumllerInnen

Angesichts einer SchuumllerInnenschaft die unterschiedliche Erstspra-chen und Familiensprachen mitbringt und natuumlrlich auch sozial und familiaumlr sehr durchmischt ist muss vor allem den Kindern vermittelt werden dass sie Kompetenzen mitbringen und ihre Mehrsprachig-keit ein Mehrwert ist Die Herausforderung liegt darin diese Einstellung selbst zu verinnerlichen und daran zu glauben Denn es geht darum das Kind zu bejahen mit allem was es ausmacht

21 Das Einmaleins der Mehrsprachigkeit ndash Erklaumlrungen zu gaumlngigen Definitionen

Ist Muttersprache und Erstsprache dasselbe Was bedeutet Herzsprache und gibt es auch Vatersprache Die Begriffe mit denen wir uumlber Mehrsprachigkeit sprechen stoszligen an Grenzen und uumlberholen sich schnell Das liegt daran dass sich unsere Gesellschaft im stetigen Wandel befindet und Mehrsprachigkeit vor allem ein gesellschaftliches Phaumlnomen ist

Ein kurzer Uumlberblick zu Terminologien und Definitionen soll Klarheit schaffen

Erstsprache und Erstspracherwerb Erstspracherwerb erfolgt auf natuumlrliche und kindliche Weise in der ersten fruumlhkindlichen Spracherwerbsphase Bilinguale Kinder koumlnnen auch zwei Erstsprachen haben Der Begriff Erstsprache bezieht sich in dieser Definition nur auf den Zeitpunkt ab wann das Kind mit der Sprache sozialisiert wird Er gibt keine Auskunft uumlber Kompetenz und emotionale Beziehung zur Sprache Bisweilen wird der Begriff Erstsprache nicht genealogisch sondern qualitativ interpretiert und bezeichnet die dominierende bzw meistgebrauchte Sprache und die wiederum kann vor allem in Migrationskontexten durchaus eine andere als die ersterwor-bene Sprache sein

bdquoDie Sprache gehoumlrt zum Charakter des Menschenldquo[Sir Francis von Verulam Bacon englischer Philosoph]

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Kapitel 2

Spracherwerb bei mehrsprachigen Kindern

Muttersprache Dieser Begriff wird als eine Art Synonym fuumlr Erstsprache verwendet Da er missverstaumlndlich ist ndash denn auch die Sprache des Vaters ist eine Muttersprache fuumlr das Kind ndash wird dieser Begriff im wissen-schaftlichen Kontext und in der Forschung nicht mehr verwendet Im Alltag ist er durch-aus gebraumluchlich und per se nicht falsch

Zweitsprache und Zweitspracherwerb Eine zweite Sprache wird nach dem Erwerb der Erstsprache (in der fruumlhen Spracherwerbs-phase) erworben Achtung eine zweite Erstsprache ist keine Zweitsprache Meist spricht man von Zweitsprache wenn das Kind uumlber vier Jahre alt ist und damit der Erstspracherwerb zumindest weit fortgeschritten ist und in seiner weiteren Sozia-lisierung eine neue Sprache hinzukommt

Ein Beispiel Ein Kind waumlchst in Syrien mit Arabisch und Kurdisch auf mit sechs Jahren kommt es nach Oumlsterreich In diesem Fall sind Arabisch und Kurdisch Erstsprachen und Deutsch eine Zweitsprache Oft beobachtet man dass sich langfristig die Sprachkompetenz zu Gunsten der Zweitsprache bzw Bildungssprache verschiebt

Die Definitionen bezuumlglich Mehrsprachigkeitsentwicklung sind auch deshalb eine Herausforderung weil Sprache viele weitere Aspekte hat Emotionalitaumlt gesellschaftlich-kulturelle Zusam-menhaumlnge und Sprache ist auch stark mit der Identitaumlt und deren Entwicklung verbunden Die Sprachen die uns umgeben beeinflussen unsere Persoumlnlichkeit und unsere Gefuumlhlswelt Deshalb hat sich der Begriff bdquoHerzspracheldquo ergeben um so der Emotionalitaumlt von Sprache gerecht zu werden Dieser Begriff wird sogar in der Wissenschaft verwendet und beschreibt die Sprache die einem nahe ist und zu der man eine enge emotio-nale Bildung hat Das kann manchmal ein Dialekt sein oder auch sehr oft die Sprache der eigenen Eltern Welche die Herzsprache eines Menschen ist ist aber letztendlich sehr individuell

Zu oft wachsen Kinder aus Migrantenfamilien mit der Vorstel-lung auf Deutsch sei nicht bdquoihreldquo Sprache Dabei geht es sehr stark um die subjektive Zuordnung von Muttersprache Dieses Gefuumlhl der Zugehoumlrigkeit zu einer SprecherInnengruppe ist deshalb so wichtig weil es das Selbstbewusstsein der Kinder staumlrkt und ihnen im Spracherwerb Sicherheit gibt Es geht also auch darum den Kindern zu vermitteln dass Deutsch ihre Bildungssprache ist und sie selbstbewusst mit ihren Sprach-kompetenzen umgehen sollen selbst wenn zuhause kein Deutsch gesprochen wird

22 Warum es grundsaumltzlich nie falsch ist Mehrsprachigkeit zu foumlrdern

Wenn wir uns die Sprachentwicklung des doppelten Sprachauf-baus ansehen so gibt es allerhand Unterschiede im Vergleich zu einer monolingualen Sprachentwicklung Es werden gleich-zeitig zwei unabhaumlngige Sprachsysteme aufgebaut Unabhaumln-gig aber auch staumlndig im Kontakt und Austausch miteinander Dieser Austausch fuumlhrt unter anderem dazu dass Mehrsprachi-ge im sprachlichen Begreifen oft kognitiv flexibler und effizien-ter als Monolinguale sind Anfangs aber koumlnnen sich die Sprachen bdquoim Weg stehenldquo Es kommt zu sogenannten Interfe-renzen die uns als Fehler auffallen

bdquoKinder die von Geburt an zweisprachig aufwachsen erwerben also nicht nur zwei Verbalsprachen sondern auch zwei Systeme von Aussprache und Sprachme-lodie Gestik und Mimik sowie von kulturellen Regeln der Kommunikationldquo [Anja Leist- Villis deutsche Erziehungswissen-schaftlerin]

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Sprachbewusstseinsfoumlrderung unterstuumltzt die Kinder dabei sich in ihren Sprachsystemen zurechtzufinden

Und weil bei Bilingualen die Sprachen sich bdquoberuumlhrenldquo und bdquobeeinflussenldquo ist es besonders gut wenn in der Sprachfoumlrde-rung alle Sprachen des Kindes Beachtung finden Denn beide Sprachsysteme beeinflussen sich gegenseitig in ihrem Wachs-tum Das ist wissenschaftlich ausfuumlhrlich erforscht und belegt Aus zahlreichen Forschungsergebnissen weiszlig man auch dass die Sprachen nicht getrennt im Gehirn verortet sind sondern in einem Sprachzentrum Der Erhalt der Muttersprache gefaumlhrdet somit in keiner Weise den guten Erwerb des Deutschen im Gegenteil

Es geht auch darum das wertvolle Potenzial der Mehr-sprachigkeit in den Kindern zu staumlrken Es geht nicht darum sich nur auf eine konkrete Sprache zu konzentrieren sondern die Sprachenvielfalt spuumlrbar zu machen Das fuumlhrt nicht nur dazu dass die Kinder viele Sprachen gut sprechen koumlnnen sondern durch diesen Ansatz foumlrdern PaumldagogInnen auch die sprachliche Entwick-lung generell Somit lernen die SchuumllerInnen all ihre Sprachen kompetent und selbstbewusst zu nutzen Diesen selbstbe-wussten Zugang koumlnnen Sie auch durch Ihre Vorbildwirkung foumlrdern indem Sie Ihre Kompe-tenzen in Ihrer eignen Erstspra-che oder in erworbenen Fremd-sprachen gemeinsam mit den Kindern nutzen Damit zeigen Sie dass Sprachenvielfalt zum Alltag gehoumlrt

23 Spracherwerb zuhause

Die Sprache der Eltern ist durch die ersten Bindungserfahrun-gen stark emotional besetzt Mit der Erstsprache werden zugleich spezifische soziale Regeln Normen und Werte vermittelt die dem Kind Orientierungspunkte fuumlr den Aufbau seiner Identitaumlt bieten

Fuumlr die freizeitpaumldagogische Arbeit bedeutet dies dass auch auf die Sprachkompetenz aus dem familiaumlren Kontext einge-gangen werden sollte Das kann den Kindern helfen bereits Gelerntes aus der Herkunftssprache mit neuen Inhalten aus dem Deutschen zu verknuumlpfen

Diese Herangehens- weise wird auch mit

OPOL abgekuumlrzt Dies bedeutet dass jeder Elternteil in seiner jeweiligen Erstsprache mit dem Kind spricht Es ist eine Methode die sich uumlberaus bewaumlhrt hat Denn das Kind assozi-iert die Person mit der Sprache Zweisprachige Kinder reagieren sehr sensibel auf ihr Gegenuumlber und wenn sie eine Sprache mit einer Person assoziieren dann bleibt diese Verbindung Uumlber die Sprache entsteht auch eine emotionale Bindung zu der Person die wiederum zur emotionalen Bindung mit der Sprache selbst fuumlhrt Wichtig ist dass die Anwendung dieser Strategie auf natuumlrliche Weise passiert und nicht gekuumlnstelt oder ver-krampft

Deshalb ist es wichtig dass die Eltern bei ihrer Kommunika-tionssprache mit dem Kind bleiben und diese nicht migrations-bedingt aumlndern

Fuumlr die Foumlrderung der Herkunftssprache koumlnnen Eltern auch die zahlreichen Angebote des Schulsystems nutzen zthinspB den Muttersprachenunterricht Mehr Information dazu wwwschule-mehrsprachigat

One person ndash one language

Kapitel 2

Spracherwerb bei mehrsprachigen Kindern

bdquoDer Mensch ist ein komple-xes Lernwesen und Sprache braucht die emotionale und gesellschaftlich kontextuelle Verknuumlpfungldquo [Zwetelina Ortega]

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31 Code-switching und Code-mixing

Mehrsprachige Kinder bdquovermischenldquo oftmals ihre Sprachen Dieses Phaumlnomen wird auch Code-mixing genannt Oder sie wechseln zwischen den Sprachen genannt Code-switching Dieses Sprachverhalten kann PaumldagogInnen verunsichern Faumllschlicherweise wird Mehrsprachigen nachgesagt sie haumltten einen eingeschraumlnkten Wortschatz und weniger ausdifferen-zierte sprachliche Ressourcen in den jeweiligen Sprachen als Kinder mit einer Erstsprache Untersuchungen zeigen aber dass dies nur fuumlr die ersten Lebensjahre stimmt Gegen Ende der Volksschule gleichen sich Grammatik und Wortschatz in der dominanten Sprache aus und oft uumlberholen die bilingualen Kinder sogar die monolingualen

Junge Menschen verwenden Code-switching auch als bdquoHilfs-strategieldquo wenn der fuumlr ein Thema relevante Wortschatz in der anderen Sprache leichter verfuumlgbar ist

Nahezu alle mehrsprachigen Menschen mischen und vermi-schen ihre Sprachen vor allem in informellen Gespraumlchskontex-ten Es ist auch nicht weiter schlimm solange es in dem eben dargelegten Rahmen bleibt

Fuumlr Sie als PaumldagogIn heiszligt das dass Sie nicht das Gefuumlhl haben muumlssen immer eine einheit-

liche Sprache einzufordern Versuchen Sie im Sprachwechsel auch die Kreativitaumlt der Kinder zu erkennen und diese in der Betreuung zu nutzen Vielleicht moumlchte das Kind erklaumlren warum es gerade dieses Wort aus einer anderen Sprache verwendet hat und welche die besondere Bedeutung ist

In der paumldagogischen Praxis

Weitere Moumlglichkeiten auf Code-switching und Code-mixing spielerisch einzugehen vielsprachige kreative Texte schreiben in denen alle Sprachen vorkommen duumlrfen

Ein vielsprachiges bdquoStadt Land Flussldquo-Spiel bei dem alle Sprachen erlaubt sind Wichtige Regel dabei die Kinder muumlssen versuchen die Begriffe auf Deutsch zu uumlbersetzen zu umschreiben oder zu erklaumlren um sie so der ganzen Gruppe verstaumlndlich zu machen Es ist dabei hilfreich wenn Sie als PaumldagogIn den Anfang machen und sich selbst auch mit Ihren Sprachkenntnissen einbringen So verstehen die Kinder das Spiel besser und trauen sich eher ihre Erstsprachen zu verwen-den

Oder als Reihum-Fragespiel bdquoWie sagt man in deiner (nicht-deutschen) Sprache fuumlr Ich habe einen Baumlrenhunger hellip Der ist bekannt wie ein bunter Hund hellip Du kannst mir mal den Buckel runterrutschen hellipldquo und andere bekannte Redensarten

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen KontextErscheinungsformen gelebter Mehrsprachigkeit in der Schule und viele Beispiele fuumlr praxisnahe Handlungsfelder und Uumlbungen

bdquoEine Umsetzung mehrschriftlicher und multilingua-ler Ansaumltze kann allen Beteiligten zu mehr Freiheit und Selbstbe-stimmung verhelfen [hellip]ldquo [Elke Montanarithinspthinsp Julie Panagioto-poulou in Mehrsprachigkeit und Bildung in Kitas und Schule]

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Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

32 Dominante und schwache Sprache

Nahezu jede Sprachsituation im Leben von zweisprachigen Kindern ist einzigartig Diese haumlngt von unterschiedlichen Gegebenheiten ab Wie oft ist das Kind im Kontakt mit einer Sprache Wie haumlufig wird sie gesprochen Mit wem wird sie gesprochen Wie viel und welcher Input ist da usw In vielen Faumlllen entwickelt sich eine Sprache schneller und besser als die andere Die Kompetenzen in den Sprachen koumlnnen sich im Laufe des Lebens veraumlndern oder auch verschieben je nach Sprachsituation und Motivation des Menschen Nur selten beherrschen Kinder beide Sprachen gleich gut Auch Erst- oder Zweitsprachen koumlnnen sich je nach Lebenssituation in ihrer Dominanz verschieben

Auch wenn Sie das Gefuumlhl haben dass das Kind seine Erstsprache nicht so gut beherrscht wird

es sich sicher freuen und es als positiv erleben wenn es etwas daruumlber erzaumlhlen kann oder sich mit Wortbeitraumlgen und Kommentaren in dieser Sprache einbringen kann

In der paumldagogischen Praxis

33 Gesellschaftliches Prestige der Sprachen

bdquoAlle Sprachen sind gleichwertigldquo ndash diese so selbstverstaumlndlich schei-nende Aussage deckt sich leider ganz und gar nicht mit der Wirklichkeit Viele Vorurteile truumlben den Blick auf den Wert individueller migrationsbe-dingter Mehrsprachigkeit Vorurteile sind wie ein Echo auf die Mehrspra-chigkeit Das Kind bekommt sie fruumlher mit als uns lieb ist Dieser Umstand kann die gesamte Sprachentwicklung bremsen

Das Prestige einer Sprache haumlngt in erster Linie vom Ansehen ihrer SprecherInnen ab Dieses Ansehen wiederum ist vor allem durch die wirtschaftliche und soziale Position einer bestimmten SprecherInnengruppe in der Gesellschaft beeinflusst

Als PaumldagogIn kann man mit dem eigenen Verhalten

zeigen dass alle Sprachen gleich geschaumltzt werden Diese Wertschaumltzung gilt es auch den Eltern zu signalisierten Dabei reichen oft kleine Kommentare Zum Beispiel bdquoEs ist groszligartig dass du so viele Sprachen sprichstldquo bdquoEs gefaumlllt mir wenn ich dich hellip sprechen houmlreldquo oder bdquoSchoumln dass Ihr Kind zwei Sprachen so gut beherrschtldquo Und Sie koumlnnen den Kindern und Eltern auch von Ihren eignen Erfahrungen erzaumlhlen beim Sprachenlernen oder von Ihrer eignen Bilingualitaumlt ZthinspB durch Beispiele fuumlr die Nuumltzlichkeit von Mehrsprachigkeit im Urlaub oder durch den Hinweis auf berufliche Vorteile Oumlsterreichische Firmen (zthinspB Banken) stellen naumlmlich gerne MitarbeiterInnen ein die neben Deutsch nicht immer nur Englisch sondern gerne auch andere Sprachen wie die BKS-Sprachen oder Tuumlrkisch sprechen So vermitteln Sie das Thema auf authentische Weise und staumlrken gleichzeitig die Familie positiv mit ihrer eigenen Mehrsprachigkeit umzugehen

In der paumldagogischen Praxis

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34 Interferenzen und Lerntransfer

Wenn Sprachen sich gegenseitig beeinflussen und es dadurch zu einer Fehlleistung kommt sprechen wir von Interferenz Dies kann auf grammatikalischer phonetischer oder lexikali-scher Ebene vorkommen Meist beeinflusst die dominante Sprache die schwaumlchere Im Spracherwerb kann es Phasen geben in denen es zu zahlreichen Interferenzen kommt Diese Phasen gehen aber meist wieder zuruumlck wenn die Sprachen sich gut entwickeln und das sprachliche Repertoire des Kindes waumlchst Voraussetzung dafuumlr ist eine gute Lernumgebung und Menschen die viel und richtig mit dem Kind sprechen Eltern die meinen ihrem Kind etwas Gutes zu tun indem sie mit ihm Deutsch sprechen obwohl sie die Sprache nicht auf Mutter-sprachenniveau beherrschen schaden damit der kindlichen Sprachentwicklung

Es gibt aber auch einen Lerntransfer zwischen den Sprachen und zwar dann wenn sie sich positiv beeinflussen und es beim Sprachenlernen zu sogenannten Uumlbertragungen kommt Diese bleiben fuumlr uns verborgen weil sie eine Form gelingenden Sprechens sind

PRAXIS Umgehen mit sprachlichen Fehlleistungen

Korrektives Feedback wiederholen Sie im Gespraumlch mit dem Kind richtig was falsch gesagt wurde und versuchen Sie es in das Gespraumlch einflieszligen zu lassen Wiederholen Sie Schluumls-selwoumlrter die das Kind falsch gesagt hat eher am Ende des Gespraumlchs richtig Versuchen Sie auf direktes Verbessern zu verzichten Es stoumlrt den Gespraumlchsverlauf Fordern Sie die Kinder nicht staumlndig auf das falsch Gesagte richtig zu wieder-holen Hin und wieder kann es zielfuumlhrend sein weil es Klarheit verschafft zu oft eingefordert kann es die Kinder beim Sprechen hemmen

Geduld Spracherwerb ist ein langsamer Prozess der noch dazu nicht linear verlaumluft Es gibt Entwicklungsspruumlnge dann wieder Phasen in denen sich vermeintlich wenig weiterentwi-

ckelt Kinder nehmen Sprachinput auf und verarbeiten ihn fuumlr sich Bis es uns beim Reden auffaumlllt muss manchmal etwas Zeit vergehen Haben Sie also Geduld Ihre Foumlrderansaumltze brauchen einfach etwas Zeit um zu fruchten

Wahrnehmen Jeder freut sich wenn man seine Anstren-gung wahrnimmt Wenn Ihnen bei einem Kind eine sprachliche Errungenschaft auffaumlllt so koumlnnen Sie es explizit sagen

Stuumltze in der Erstsprache des Kindes Sollten Sie die Erstsprache des Kindes beherrschen koumlnnen Sie diese Kompe-tenz selbstverstaumlndlich nutzen um dem Kind in seinem Spracherwerb zu helfen Beispielsweise indem Sie ihm etwas kurz erklaumlren damit es dieses besser versteht Manchmal hilft es auch den Fehler in der deutschen Sprache aus der Sicht der Erstsprache zu betrachten dann kann man das Kind besser unterstuumltzen Nutzen Sie diese Chance wenn Sie sie haben

Fehler machen ist Teil jeder Form von Spracherwerb und von Sprachlernen Fehlermachen im gesteuerten ebenso wie im ungesteuerten Spracherwerb ist etwas voumlllig Natuumlrliches Fehler zu machen und sie als solche zu erkennen ist ein Schluumls-selelement jeder Form des Spracherwerbs Wenn Sie als PaumldagogIn Ihrerseits Deutsch nicht als Muttersprache erwor-ben haben koumlnnen Sie auf eigene Fehler und Muumlhen im Erwerb

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

bdquoEine andere Sprache ist eine andere Sicht auf das Lebenldquo [Federico Fellini italienischer Filmemacher]

bdquoDer Akzent sorgt fuumlr die Schoumlnheitsmale auf der Sprach-hautldquo[Ilija Trojanow bulgarisch- deutscher Schriftsteller]

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des Deutschen verweisen (zthinspB auf die richtige Beugung unregelmaumlszligiger Verben oder die Stellung des Verbs am Ende des Nebensatzes etc)

35 Sprachbewusstsein foumlrdern eine Methode die viel bewirkt

Im Gegensatz zur schulischen Mehrsprachigkeit wird die migrationsbedingte bzw lebensweltliche Mehrsprachigkeit bisher zaghaft gefoumlrdert und im Unterricht weitgehend ausge-blendet Die Herkunftssprachen der SchuumllerInnen werden im Unterricht selten einbezogen Sie werden eher als Belastung bzw als Problem und nicht als Ressource angesehen

Sprachbewusstsein ist das Bewusstsein fuumlr die Funktionsweise und Bedeutung von Sprachen Wenn man Kinder darin unter-stuumltzt so gibt man ihnen die Moumlglichkeit und befaumlhigt sie sprachliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erkennen Zudem werden sie darin gefoumlrdert zu erkennen welche Rolle Sprache in unserer Gesellschaft spielt

Bei diesem Prozess koumlnnen die SchuumllerInnen auf bereits vorhandenes Sprachlernwissen zuruumlckgegriffen Wenn sie sich mit ihrem Wissen aus der erworbenen Herkunftssprache einbringen koumlnnen so bewirkt dies einen Motivationsschub der sich positiv auf das weitere Sprachenlernen auswirken kann

Stellen Sie Spiele und Uumlbungen und Methoden zur Verfuumlgung die die Kinder motivieren ihre vorhandenen Sprachkenntnisse zu nutzen so dass die Sprachen auch erklingen koumlnnen Und vergessen Sie dabei nicht auf die zentrale Vorbildwirkung die Sie selbst einbringen koumlnnen Beteiligen Sie sich selbst an den Spielen und Uumlbungen mit Ihren Sprachkenntnissen Die Kinder werden viel Freude daran haben diese weitere Facette die Sie ausmacht kennenzulernen So koumlnnen Sie gemeinsam mit den Kindern Lieder singen die es in mehreren Sprachversionen gibt (wie zthinspB Fregravere JacquesthinspthinspBruder Jakob und in der Weihnachts-zeit Stille Nacht heilige Nacht ndash ein Lied das es bestimmt in den Sprachen aller beteiligten Kinder gibt)

PRAXIS Anwendungsideen

Am Anfang steht die Bereitschaft Raum fuumlr Gespraumlche uumlber die eigene Sprachbiografie zu schaffen Natuumlrlich nehmen an diesen Gespraumlchen alle Kinder teil auch jene die nicht bilingual aufwachsen Weitere Spielideen

Sprachenportrait ndash meine Sprachen in mir Uumlber Sprache nachdenken und daruumlber sprechen Meine Sprachbiografie Meine Familie und ihre Sprachen Sprachenstammbaum der Familie Uumlbersetzungsspiel UmgangssprachethinspthinspFachsprache oder HochsprachethinspthinspDialekt

Redewendungen aus aller Welt Mehrsprachige Wortfelder

Die naumlhere Ausfuumlhrung zu den jeweiligen Spielideen finden Sie auf der Website und im Intranet der BiM ndash Bildung im Mittel-punkt Weitere Uumlbungen um Sprachbewusstsein und Mehr-sprachigkeit zu foumlrdern sind in Kapitel 6 angefuumlhrt

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

bdquoDer Geist einer Sprache offenbart sich am deutlichsten in ihren unuumlber- setzbaren Wortenldquo[Marie von Ebner-Eschenbach oumlsterreichische Schriftstellerin]

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Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd seinNutzen der eigenen Sprachkompetenzen und Umgang mit kritischen Situationen die sich durch die Mehrsprachigkeit der Kinder ergeben koumlnnen

41 Wenn Kinder untereinander in einer anderen Sprache als Deutsch sprechen

In vielen Schulen wird nach wie vor das Prinzip gelebt dass nur Deutsch gesprochen werden darf und soll Dieser Zugang blendet die Realitaumlt bilingualer Menschen aus und signalisiert den Kindern dass ein Teil von ihnen unerwuumlnscht ist Das ist weder fuumlr den Deutscherwerb noch fuumlr die Persoumlnlichkeitsent-wicklung des Kindes foumlrderlich Und dabei wird auszliger Acht gelassen warum Kinder in eine andere Sprache switchen

weil sie sich in ihrer Erstsprache sicherer fuumlhlen und Deutsch noch nicht gut beherrschen Fuumlr die Kommunikation eine Sprache zu waumlhlen die man gemeinsam gut kann ist ein natuumlrlicher Zugang Wuumlrde man die Kinder dann zwingen auf Deutsch zu wechseln wuumlrde man sie foumlrmlich verstummen lassen

Das Sprachwechseln kann auch bei Kindern die gut Deutsch sprechen ganz intuitiv passieren und vom Kind in diesem Moment nicht bewusst wahrgenommen werden Diese Sprach-wahl des Kindes zeugt eher von einer hohen Sprachkompetenz und von seinem kreativen Umgang mit der eigenen Bilinguali-taumlt

Als Problem wird haumlufig dargestellt dass andere Kinder durch den nichtdeutschen Sprachgebrauch ausgegrenzt wuumlrden Wenn Sie tatsaumlchlich beobachten dass Kinder jemanden durch Sprachwechsel ausgrenzen dann ist das Problem die Ausgren-zung Ein Sprachverbot ist hier der falsche Weg Viel wichtiger ist es uumlber das Ausgrenzen anderer Kinder an sich zu sprechen

Damit sich vielleicht andere Kinder nicht verunsichert fuumlhlen kann man auch die Bilingualitaumlt der SchuumllerInnen zum Thema zu machen und mit der Gruppe besprechen Dann kann man auch den Kindern vermitteln dass die gemeinsame Sprache der Gruppe Deutsch ist Damit Kinder ihre Bilingualitaumlt positiv erleben koumlnnen ist es aber ratsam dass sie im schulischen Kontext auch eine ihrer Erstsprachen verwenden koumlnnen So koumlnnen tatsaumlchlich ihre beiden Sprachen Platz haben so wie es auch ihrer Wirklichkeit entspricht Wie und wann geswitcht werden kann kann man in der Gruppe gemeinsam vereinbaren So haben die Kinder sowohl Deutschinput als auch die Moumlglich-keit all ihre Sprachkompetenzen zu benutzen

bdquoSprache ist der Schluumlssel zur Weltldquo[Alexander von Humboldt deutscher Naturforscher]

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Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein

42 Wenn Kinder Sie in Ihrer Erstsprache ansprechen

Viele FreizeitpaumldagogInnen der BiM ndash Bildung im Mittelpunkt haben selbst unterschiedliche und vielfaumlltige kulturelle und sprachliche Kompetenzen Und diese betrachten wir als wertvoll Sehen Sie Ihre Sprachkompetenz deshalb als Berei-cherung und Chance Denn Sprache ist mehr als Kommunika-tion es geht nicht nur darum dass die Kinder von Ihnen Deutsch lernen sie haben auch eine Bindung zu Ihnen aufge-baut oder sind gerade dabei Sich uumlber eine gemeinsame Sprache auszutauschen kann Vertrauen schaffen Manchmal wollen die Kinder einfach zeigen was sie alles koumlnnen

Wenn ein Kind tatsaumlchlich noch kein Deutsch spricht und versteht koumlnnen Sie mit Ihrer Sprachkompetenz eine gute Bruumlcke schlagen und das Kind dabei unterstuumltzen sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden durch kleine Erklaumlrungen oder indem Sie auf die Ausfuumlhrung des Kindes reagieren Ihre sprachliche Unterstuumltzung erleichtert dem Kind vor allem sich in der neuen Situation einzuleben Auch in der Kommunikation mit den Eltern koumlnnen Sie Ihre Sprachkenntnisse nutzen

PRAXIS die eigenen Sprachkompetenzen nutzen

Kurze Erklaumlrungen Wenn Sie bemerken dass sich ein Kind aus sprachlichen Gruumlnden in einer Situation ganz und gar nicht zurechtfindet und Sie haben eine andere gemeinsame Sprache koumlnnen Sie diese nutzen um dem Kind zu erklaumlren was gerade passiert oder was zu tun ist Beispielweise wenn es darum geht dass Sie gemeinsam in den Park gehen wollen und sich die Kinder anstellen sollten oder Aumlhnliches Danach koumlnnen Sie wieder auf Deutsch switchen Sie koumlnnen auch den restlichen Kindern kurz erklaumlren dass Sie in einer anderen Sprache gesprochen haben um dem Kind zu helfen besser zu verstehen was passiert So fuumlhlen sich die Kinder nicht ausgeschlossen und erleben dass Sprachgebrauch vielseitig sein kann und sein darf

Gespraumlch mit Eltern Wenn Sie bemerken dass es den Eltern schwer faumlllt auf Deutsch zu kommunizieren und Sie wissen sie haben eine andere gemeinsame Sprache in der es ihnen leichter fallen wuumlrde koumlnnen Sie es den Eltern behutsam und mit dem notwendigen Fingerspitzengefuumlhl anbieten So schaffen Sie eine leichtere Basis fuumlr Kommunikation sowie Austausch und Vertrauen

bdquoWir wohnen nicht in einem Land sondern in einer Spracheldquo[Emil Cioran rumaumlnischer Philosoph]

bdquoGelebte Zweisprachig-keit ist eher selten aumlqui-valent sondern asymmetrisch oft hierarchisch und bisweilen konfliktivldquo [Georg Kremnitz deutscher Romanist]

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43 Wenn Kinder offensichtlich ungute Dinge zu jemanden in einer Sprache sagen die Sie nicht verstehen

Wenn man Kindern die Moumlglichkeit einraumlumt ihre Erstsprachen zu verwenden haben Paumldago-gInnen manchmal Angst sie koumlnnten dies dafuumlr nutzen um Schimpfwoumlrter oder andere respekt-lose Ausdruumlcke zu verwenden In den seltensten Faumlllen ist es so Ihre Intuition wird Ihnen zeigen sollte tatsaumlchlich respektlos miteinander umgegangen werden Dazu braucht man nicht jedes Wort zu verstehen denn Kommunikation passiert auch auf nonverbaler Ebene Dabei ist natuumlrlich der respektlose Umgang zu hinterfra-gen Auch in diesem Fall ist ein Deutschgebot das die Verwendung anderer Sprachen unter-bindet nicht zielfuumlhrend Denn einerseits wuumlrde man dadurch die Kinder die respektvoll mitein-ander umgehen auch sanktionieren und ander-seits wird dadurch das Problem des fehlenden Respekts nicht geloumlst Viel wichtiger ist es einen respektvollen Umgang miteinander zu foumlrdern unabhaumlngig davon welche Sprache dabei gesprochen wird

44 Wenn SchuumllerInnen die in Deutsch noch schwach sind ausgegrenzt werden

Fehlende Sprachkompetenz kann auch ausgrenzend wirken Das Kind kann sich nicht verstaumlndigen bei Spielen und Gesprauml-chen nicht mitmachen und wird vielleicht von den Mitschuumller-Innen nicht in die Gruppe integriert Das kann zu einer Nega-tiv-Spirale fuumlhren denn die eingeschraumlnkten sozialen Kontakte schraumlnken auch den sprachlichen Kontakt ein und Kinder lernen besonders viel von- und miteinander In solch einer Situation kann es hilfreich sein dass Sie thematisieren wie es einem geht wenn man eine neue Sprache lernt Dazu gibt es zahlrei-che kindgerechte Uumlbungen ZthinspB ausgeruumlstet nur mit einem

Woumlrterbuch in einer ganz fremden Sprache etwas erklaumlren muumlssen oder auch selbst daruumlber reflektieren wie geht es mir beim Fremdsprachenlernen zthinspB Englisch Wenn man sich besinnt wie herausfordernd der Weg ist hat man auch mehr Verstaumlndnis fuumlr den neuenthinspthinspdie neue MitschuumllerIn

Helfen kann auch die Kinder von Anfang an als Stuumltze und Hilfe fuumlr das neue Kind einzubinden So fuumlhlen sie Verantwor-tung und koumlnnen selbst etwas fuumlr den guten sozialen Klassen-verband beitragen

Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein

bdquoMehrsprachige Kompetenz ist nicht nur Ein - sprachigkeit in mehreren Sprachen sondern ist als eine ganzheit-liche Sprach-kompetenz aufzufassen und zu foumlrdernldquo [Elisabeth Allgaumluer-Hacklthinspthinsp Ulrike Jessner in Mehrsprachig-keitsunterricht aus mehrsprachiger Sicht Zur Foumlrderung des metalinguistischen Bewusstseins]

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Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren Argumente und Darstellungen fuumlr Gespraumlche und Fragen mit denen Sie Ihre Position Mehrsprachigkeit zu foumlrdern erklaumlren und staumlrken koumlnnen

51 Ein Erklaumlrungsversuch ndash warum die Foumlrderung und Anerkennung sprachlicher und soziokultureller Diversitaumlt in Frage gestellt wird

Uumlber Mehrsprachigkeit wird schon seit langem geforscht denn Gesellschaften in denen mehrere Sprachen zusammenkom-men hat es seit jeher gegeben Die wissenschaftlichen und empirischen Ergebnisse aus der Mehrsprachigkeitsforschung zeigen allesamt dass die Foumlrderung der individuellen und gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit allen zugutekommt Zum Beispiel schadet es nicht dem Erlernen und Erwerben des Deutschen wenn Kinder auch in ihren anderen Erstsprachen gefoumlrdert werden Genau das Gegenteil ist der Fall Kinder entwickeln sich insgesamt sprachlich besser Und viele weitere positive Argumente wurden formuliert

Diese gesellschaftliche Mehrsprachigkeit und Plurikulturalitaumlt verlaumluft aber in den seltensten Faumlllen konfliktfrei Die Konflikte sind meist das Ergebnis von politischen Maszlignahmen die bestim-men SprecherInnengruppen mehr Macht und staumlrkere Positionen einraumlumen Das fuumlhrt auch dazu dass im oumlffentlichen Diskurs ndash in den Medien in Debatten und Stellungnahmen usw ndash manche Menschen die Position vertreten nur die anerkannte Amtsspra-che Deutsch sei foumlrdernswert und von Nutzen Die anderen Sprachkompetenzen werden als Problem angesehen Diese Haltung ist eine ausgrenzende die Menschen diskriminiert Diskriminierung fuumlhrt in keinem Fall zu einem besseren Schul-erfolg oder zur besseren Integration Auffaumlllig bei dieser Haltung ist dass die Sprachen selbst bewertet werden Beispielsweise wird das Erwerben von Englisch als positiv bewertet und eine Deutsch-Englisch Bilingualitaumlt auch Wenn es um migrationsbe-dingte Mehrsprachigkeit geht wird diese als Hindernis einge-

bdquoSchule muss bilinguale Kinder auch als solche wahrnehmen und nicht versuchen sie in die Passform des einsprachigen Kindes zu pressenldquo [Zwetelina Ortega]

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Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

stuft Wie steht es um die Erstsprachen die durch Migration nach Oumlsterreich gelangt sind Wie ist ihr Image Eine entscheidende Rolle spielt der Status der SprecherInnen Um mit Robert Walser zu sprechen Money rules the world Ist die Gruppe der Sprech-erInnen wirtschaftlich stark hat ihre Sprache gesellschaftlich hohe Anerkennung Uumlbt die Vielzahl einer SprecherInnengruppe jedoch niederqualifizierte und schlecht bezahlte Jobs aus ist sie wirtschaftlich schwach so hat ihre Sprache ein schlechtes Image in der Gesellschaft Diese Situation ist in allen Einwanderungsge-sellschaften aumlhnlich die Sprachen sind auswechselbar

Tatsache ist dass sich falsche und diskriminierende Argumente immer noch halten und dass Ihnen vielleicht Menschen begeg-nen werden die versuchen werden gegen die Foumlrderung von Mehrsprachigkeit zu argumentieren

Es gibt keinen Grund der Diskriminierung und Ausgrenzung zulaumlssig macht Das Ziel einer gelungenen paumldagogischen Arbeit ist es alle Facetten des Kindes anzunehmen und sie als Teil des paumldagogischen Alltags zu integrieren

52 Argumentationslinien und moumlgliche Positionen im Austausch mit KollegInnen Eltern KlassenlehrerInnen und DirektorInnen

Um Ihre Position zu staumlrken dass alle Sprachen und Sprach-kompetenzen gleichberechtigt und wertvoll sind und Sie sie deshalb in Ihrer Arbeit beruumlcksichtigen und foumlrdern haben wir einige Argumente fuumlr Sie ausgearbeitet

Familiaumlrer Kontext

Voraussetzung fuumlr eine gute Lernumgebung sind Menschen die viel und richtig mit dem Kind sprechen Eltern die meinen ihrem Kind etwas Gutes zu tun indem sie mit ihm Deutsch sprechen obwohl sie die Sprache nicht auf Muttersprachen-niveau beherrschen koumlnnen damit der kindlichen Sprachent-wicklung manchmal mehr schaden als helfen

Wichtig ist dass mit den Kindern viel gesprochen erzaumlhlt gelesen und vorgelesen wird Die Sprache die die Eltern dabei verwenden sollte eine sein in der sie sich wohl und sicher fuumlhlen und vielseitig ausdruumlcken koumlnnen Uumlblicherweise ist dies die Erstsprache der Eltern Kinder koumlnnen dann generell besser mit Sprache umgehen ndash auch mit Deutsch

Paumldagogischer und schulischer Kontext

Durch sprachsensible paumldagogische Arbeit die auch die Mehrsprachigkeit der Kinder beruumlcksichtigt wird das Verinner-lichen der sprachlichen Inhalte vor allem auch der bildungs-sprachlichen verbessert Der Aufbau von Bildungssprache ist Grundlage fuumlr Wissenserwerb Diese Faumlhigkeit die Sie den SchuumllerInnen vermitteln wird sie langfristig dazu befaumlhigen auch in ihren weiterfuumlhrenden Ausbildungen besser voranzu-kommen Dadurch werden auch die Bildungschancen aller SchuumllerInnen erhoumlht und zum Teil werden ungleiche Bildungs-bedingungen uumlberwunden

Beim doppelten Spracherwerb also bei Kindern die bilingu-al aufwachsen beeinflussen sich beide Sprachsysteme gegen-seitig positiv in ihrem Wachstum Das ist wissenschaftlich erwiesen Der Erhalt der Erstsprache gefaumlhrdet in keiner Weise den guten Erwerb des Deutschen im Gegenteil

bdquoEs ist doch ein groszliger Unter-schied ob einem gesagt wird dass Sprachen gleichwertig sind und man alles in jeder ausdruumlcken kann oder ob man es tutldquo [Elke Montanari deutsche Sprach- wissenschaftlerin]

bdquoDer Mensch ist Mensch nur durch Spracheldquo[Johann Gottfried von Herder deutscher Dichter und Uumlbersetzer]

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Wer sein Wissen aus den vorab erworbenen oder erlernten Sprachen einbringen kann der erfaumlhrt einen Motivationsschub der sich positiv auf das weitere Sprachenlernen auswirken kann

Die Anerkennung einer Herkunftssprache im schulischen Kontext kann zu einer positiven Persoumlnlichkeitsentwicklung der SchuumllerInnen fuumlhren Deren Aufwertung gibt den Kindern Selbstvertrauen und Sicherheit die sich auf den gesamten Lernerfolg gut auswirken

Eines der Ziele die sich die Europaumlische Union gesetzt hat ist es dass jeder Buumlrgerthinspthinspjede Buumlrgerin seinethinspthinspihre Mutterspra-che sowie mindestens zwei weitere Sprachen beherrscht Diesem Ziel ruumlcken wir naumlher wenn wir die vorhandenen Sprachkompetenzen der Kinder nutzbar machen

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen dass bei einer Foumlrderung der durchgaumlngigen Sprachbildung und lebenswelt-lichen Mehrsprachigkeit von Kindern die narrative Schreibfauml-higkeit und die schriftliche Kompetenzentwicklung gestaumlrkt werden und die bildungssprachlichen Elemente im Deutschen zunehmen

Es gibt noch viele weitere Argumente warum Mehrsprachigkeit immer ein Vorteil ist und nicht als Problem gesehen werden sollte Weitere Argumente werden Sie bestimmt in Ihrer eigenen Arbeit und Erfahrung mit den Kindern selbst finden Trauen Sie sich selbstbewusst zu Ihrer Position zu stehen und lassen Sie diskriminierende Haltungen nicht unkommentiert Wenn Sie die Moumlglichkeit haben nutzen Sie Ihre eigenen vielseitigen Sprachkompetenzen seien es Fremdsprachen oder weitere Erstsprachen sei es im spielerischen Umgang oder wenn Sie etwas erklaumlren Gemeinsam koumlnnen wir dazu beitra-gen dass mehrsprachige Kinder positiv wahrgenommen werden

Kapitel 6

Weitere Uumlbungs- und Anwendungsideen In diesem Kapitel finden Sie viele praxisnahe Uumlbungen fuumlr den spielerischen Umgang mit Mehrsprachigkeit in der Freizeitpaumldagogik

Wenn Sie solche oder aumlhnliche Uumlbungen mit den Kindern ausprobieren werden Sie vielleicht selbst oder gemeinsam mit ihnen viele neue Ideen entwickeln wie man Mehrsprachigkeit spielerisch und mit Freude in der Freizeitbetreuung aufgreifen kann Probieren Sie es aus Es wird allen SchuumllerInnen be-stimmt gefallen Das sind die Erfahrungen die wir bisher gemacht haben Hier einige Ansaumltze fuumlr Sie

Die Herkunft der Vor- und Nachnamen ndash wir erkunden die Bedeutungen unserer Namen

Radio aus aller Welt ndash wir houmlren in Online-Radiosender in verschiedenen Sprachen hinein Dabei koumlnnen die Kinder raten oder versuchen zu erkennen welche Sprache gerade erklingt

Stille Post mit den Sprachen unserer Klasse spielen

Kleine Sprachschule ndash jeweils ein Kind bringen dem Rest der MitschuumllerInnen einfache Saumltze und nuumltzliche Worte bei

Mehrsprachigkeit im oumlffentli-chen Raum ndash wir begeben uns auf Entdeckungsreise und suchen Orte wo wir unter-schiedliche Sprachen houmlren und sehen

Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

bdquoKennst du viele Sprachen ndash hast du viele Schluumlssel fuumlr ein Schloszligldquo[Voltaire franzoumlsischer Philosoph und Schriftsteller]

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Kapitel 7

EmpfehlungenLektuumlreempfehlungen zur Vertiefung Zahlreiche Links die weitere Anwendungsideen fuumlr die Praxis bieten aber auch vielseitige Artikel zum Thema

Weiterfuumlhrende Literatur

Krumm Hans-JuumlrgenthinspthinspReich Hans H 2011 Curriculum Mehrsprachigkeit Online im Internet

Montanari Elke 2013 Mit zwei Sprachen groszlig werden Mehrsprachige Erziehung in Familie Kindergarten und Schule Muumlnchen Koumlsel

Montanari ElkethinspthinspPanagiotopoulou Julie 2019 Mehrsprachigkeit und Bildung in Kitas und Schulen UTB

Schader Basil 2013 Sprachenvielfalt als Chance Handbuch fuumlr den Unterricht in mehrsprachigen Klassen Zuumlrich orell fuumlssli

Hilfreiche Institutionen

Kinderbuumlcherei der Weltsprachen gehoumlrt zu den Staumldtischen Buumlchereien wwwkirangoat Veranstaltungen zu Lesefoumlrderung fuumlr Schulen und Kindergaumlrten Teil der Buumlcherei Wien

wwwbaobabat BAOBAB ndash GLOBALES LERNEN vielseitige Arbeitsmaterialen und Literatur

Links

wwwlanguage-diversityeu ndash Arbeitsblaumltter Lehrmaterial Unterrichtsideen Schwerpunkt auf Minderheitensprachen in Europa

wwwpapperlapappcoat ndash Bilinguale Kinderzeitschrift wwwmultilingual-familieseu ndash Materialen fuumlr mehrsprachige Erziehung wwwderstandardatr2000023362091Linguamulti ndash monatlicher Blog zu Mehrsprachigkeit und Spracherwerb

wwwschule-mehrsprachigat ndash Kinder- und Jugendbuumlcher in vielen Sprachen Infos zum Muttersprachenunterricht

wwwfacebookcomlinguamulti ndash taumlglich Inhalte zum Thema Mehrsprachigkeit und Interkulturalitaumlt

Anschuumltzgasse 1 2 Stock 1150 WienTel +43 1 524 25 09-0 Fax +43 1 524 25 09-30officebildung-wienat wwwbildung-wienat

IMPRESSUMMedieninhaber und fuumlr den Inhalt verantwortlich BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbHAnschuumltzgasse 1 1150 Wien | Firmensitz Wien | FN502272k | Handelsgericht WienKonzeption Redaktion Text Zwetelina Ortega Linguamulti ndash wwwlinguamultiat (unter Mitwirken von BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbH)Fotos C Pertramer (S 5) J Zinner M Possert (S8)Grafik Gerald Waibel effundweat

Page 6: Unsere Schule spricht viele Sprachen · Unsere Schule spricht viele Sprachen Leitfaden für die Freizeitpädagogik. 2 3 Inhalt ... Es ist unsere gemeinsame Aufgabe im Bildungsbereich,

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Wien

WUSSTEN SIE hellip

Quelle Statistik Austria

Kapitel 1

Interessante Daten amp Fakten zu Mehrsprachigkeit

Spielend mehr erfahren uumlber Sprachenvielfalt Auf der Webseite des bdquoEuropean Centre for Modern Languagesldquo finden Sie Spiele und Uumlbungen mit denen Sie das Wissen der Kinder uumlber Mehrsprachigkeit erweitern koumlnnen httpsedlecmlat

Wenn Sie spielerisch das Thema bdquoMinderheitensprachenldquo aufgreifen wollen finden Sie auf folgender Website der Europaumlischen Kommission viele Ideen und Materialien httplanguage-diversityeu

Auch zu den oumlsterreichischen Dialekten lassen sich spannende Spiele anwenden Material dazu finden Sie hier httpsbildungbmbwfgvatschulenunterrichtoedpdf61edf0

Auf der Welt

WUSSTEN SIE hellip

Oumlsterreich

WUSSTEN SIE hellip

hellip dass es auf der Welt zwischen 6000 und 7000 Sprachen gibt die von 7 Milliarden Menschen in 189 un abhaumlngigen Staaten gesprochen werden

hellip dass zur Familie der germanischen Sprachen

zu der das Deutsche gehoumlrt auch folgende

Sprachen zaumlhlen Daumlnisch Norwegisch

Schwedisch Islaumlndisch Niederlaumlndisch Englisch

und Jiddisch

hellip dass die meisten Sprachen in Asien und Afrika gesprochen werden

hellip dass schaumltzungsweise 60ndash70thinsp der Weltbevoumllkerung bilingual oder mehrsprachig ist Das heiszligt weltweit ist Mehrsprachigkeit die Regel und nicht die Ausnahme

hellip dass in der oumlsterreichischen Verfassung folgende sieben Minderheitensprachen anerkannt sind

Ungarisch Slowenisch Burgenlandkroatisch Tschechisch Slowakisch Romani und die

oumlsterreichische Gebaumlrdensprache

hellip dass in Oumlsterreich neben Deutsch ca 250 weitere Sprachen gesprochen werden (zthinspB Bosnisch Kroatisch Serbisch Tuumlrkisch Arabisch Englisch Armenisch Pashto Somali Tschetschenisch Zazaki etc)

hellip dass in den Volksschulen in Oumlsterreich 308thinsp der SchuumllerInnen eine andere Umgangssprache als Deutsch haben oder eine weitere neben Deutsch

hellip dass die unterschiedlichen Dialekte des Deutschen fuumlr einen Groszligteil der Bevoumllkerung die taumlgliche Umgangs sprache sind Solche Dialekte sind zum Beispiel Wienerisch Tirolerisch Kaumlrntnerisch Vorarlbergerisch

hellip dass mehr als die Haumllfte der Wiener VolksschuumllerInnen eine andere Umgangsprache als Deutsch haben oder neben Deutsch eine weitere

hellip dass Mutter-sprachen unterricht in 25 Sprachen angeboten wird Der Besuch des Mutter-sprachenunterrichts ist kostenfrei und steht jedem Schuumllerthinspthinspjeder Schuumllerin zu

hellip dass in Wien an den Schulen etwa 80 verschiedene Sprachen vertreten sind

Quelle European Centre for Modern Languages

Quelle Statistik Austria

hellipdass genau genommen niemand einsprachig ist denn wir alle wechseln von Umgangssprache in Standard-sprache oder von Dialekt in Hochsprache von einer Sprache in eine andere von einer formalen in eine informelle Weise des Ausdrucks genannt Sprachregister usw Mehrspra-chigkeit ist in sich vielfaumlltiger als man annehmen wuumlrde

12 13

Kapitel 2

Spracherwerb bei mehrsprachigen Kindern Uumlberblick zu den verschiedenen Definitionen von Mehrsprachigkeit sowie zu den Entwicklungsverlaumlufen bei mehrsprachigen Kindern

Fuumlr die schulische Laufbahn entscheidend ist die sprachliche Entwicklung des Kindes Was macht aber den Unterschied aus dass sich ein Kind im Hinblick auf seine Sprache ndash oder Spra-chen wenn es davon mehrere im Leben des Kindes gibt ndash bes-ser ent wickelt als ein anderes Der sprachliche Erfolg in der Schule haumlngt auch davon ab wie sehr Kinder ihre eigene Bilingualitaumlt positiv erleben Dabei kann die Betreuung in der Freizeit einen entscheidenden Beitrag leisten

Wichtig ist dass die vielseitigen Sprachkompetenzen der Kinder gesehen werden und nicht das Defizit im Vordergrund steht wenn ein Kind noch nicht so gut Deutsch spricht wie einige seiner MitschuumllerInnen

Angesichts einer SchuumllerInnenschaft die unterschiedliche Erstspra-chen und Familiensprachen mitbringt und natuumlrlich auch sozial und familiaumlr sehr durchmischt ist muss vor allem den Kindern vermittelt werden dass sie Kompetenzen mitbringen und ihre Mehrsprachig-keit ein Mehrwert ist Die Herausforderung liegt darin diese Einstellung selbst zu verinnerlichen und daran zu glauben Denn es geht darum das Kind zu bejahen mit allem was es ausmacht

21 Das Einmaleins der Mehrsprachigkeit ndash Erklaumlrungen zu gaumlngigen Definitionen

Ist Muttersprache und Erstsprache dasselbe Was bedeutet Herzsprache und gibt es auch Vatersprache Die Begriffe mit denen wir uumlber Mehrsprachigkeit sprechen stoszligen an Grenzen und uumlberholen sich schnell Das liegt daran dass sich unsere Gesellschaft im stetigen Wandel befindet und Mehrsprachigkeit vor allem ein gesellschaftliches Phaumlnomen ist

Ein kurzer Uumlberblick zu Terminologien und Definitionen soll Klarheit schaffen

Erstsprache und Erstspracherwerb Erstspracherwerb erfolgt auf natuumlrliche und kindliche Weise in der ersten fruumlhkindlichen Spracherwerbsphase Bilinguale Kinder koumlnnen auch zwei Erstsprachen haben Der Begriff Erstsprache bezieht sich in dieser Definition nur auf den Zeitpunkt ab wann das Kind mit der Sprache sozialisiert wird Er gibt keine Auskunft uumlber Kompetenz und emotionale Beziehung zur Sprache Bisweilen wird der Begriff Erstsprache nicht genealogisch sondern qualitativ interpretiert und bezeichnet die dominierende bzw meistgebrauchte Sprache und die wiederum kann vor allem in Migrationskontexten durchaus eine andere als die ersterwor-bene Sprache sein

bdquoDie Sprache gehoumlrt zum Charakter des Menschenldquo[Sir Francis von Verulam Bacon englischer Philosoph]

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Kapitel 2

Spracherwerb bei mehrsprachigen Kindern

Muttersprache Dieser Begriff wird als eine Art Synonym fuumlr Erstsprache verwendet Da er missverstaumlndlich ist ndash denn auch die Sprache des Vaters ist eine Muttersprache fuumlr das Kind ndash wird dieser Begriff im wissen-schaftlichen Kontext und in der Forschung nicht mehr verwendet Im Alltag ist er durch-aus gebraumluchlich und per se nicht falsch

Zweitsprache und Zweitspracherwerb Eine zweite Sprache wird nach dem Erwerb der Erstsprache (in der fruumlhen Spracherwerbs-phase) erworben Achtung eine zweite Erstsprache ist keine Zweitsprache Meist spricht man von Zweitsprache wenn das Kind uumlber vier Jahre alt ist und damit der Erstspracherwerb zumindest weit fortgeschritten ist und in seiner weiteren Sozia-lisierung eine neue Sprache hinzukommt

Ein Beispiel Ein Kind waumlchst in Syrien mit Arabisch und Kurdisch auf mit sechs Jahren kommt es nach Oumlsterreich In diesem Fall sind Arabisch und Kurdisch Erstsprachen und Deutsch eine Zweitsprache Oft beobachtet man dass sich langfristig die Sprachkompetenz zu Gunsten der Zweitsprache bzw Bildungssprache verschiebt

Die Definitionen bezuumlglich Mehrsprachigkeitsentwicklung sind auch deshalb eine Herausforderung weil Sprache viele weitere Aspekte hat Emotionalitaumlt gesellschaftlich-kulturelle Zusam-menhaumlnge und Sprache ist auch stark mit der Identitaumlt und deren Entwicklung verbunden Die Sprachen die uns umgeben beeinflussen unsere Persoumlnlichkeit und unsere Gefuumlhlswelt Deshalb hat sich der Begriff bdquoHerzspracheldquo ergeben um so der Emotionalitaumlt von Sprache gerecht zu werden Dieser Begriff wird sogar in der Wissenschaft verwendet und beschreibt die Sprache die einem nahe ist und zu der man eine enge emotio-nale Bildung hat Das kann manchmal ein Dialekt sein oder auch sehr oft die Sprache der eigenen Eltern Welche die Herzsprache eines Menschen ist ist aber letztendlich sehr individuell

Zu oft wachsen Kinder aus Migrantenfamilien mit der Vorstel-lung auf Deutsch sei nicht bdquoihreldquo Sprache Dabei geht es sehr stark um die subjektive Zuordnung von Muttersprache Dieses Gefuumlhl der Zugehoumlrigkeit zu einer SprecherInnengruppe ist deshalb so wichtig weil es das Selbstbewusstsein der Kinder staumlrkt und ihnen im Spracherwerb Sicherheit gibt Es geht also auch darum den Kindern zu vermitteln dass Deutsch ihre Bildungssprache ist und sie selbstbewusst mit ihren Sprach-kompetenzen umgehen sollen selbst wenn zuhause kein Deutsch gesprochen wird

22 Warum es grundsaumltzlich nie falsch ist Mehrsprachigkeit zu foumlrdern

Wenn wir uns die Sprachentwicklung des doppelten Sprachauf-baus ansehen so gibt es allerhand Unterschiede im Vergleich zu einer monolingualen Sprachentwicklung Es werden gleich-zeitig zwei unabhaumlngige Sprachsysteme aufgebaut Unabhaumln-gig aber auch staumlndig im Kontakt und Austausch miteinander Dieser Austausch fuumlhrt unter anderem dazu dass Mehrsprachi-ge im sprachlichen Begreifen oft kognitiv flexibler und effizien-ter als Monolinguale sind Anfangs aber koumlnnen sich die Sprachen bdquoim Weg stehenldquo Es kommt zu sogenannten Interfe-renzen die uns als Fehler auffallen

bdquoKinder die von Geburt an zweisprachig aufwachsen erwerben also nicht nur zwei Verbalsprachen sondern auch zwei Systeme von Aussprache und Sprachme-lodie Gestik und Mimik sowie von kulturellen Regeln der Kommunikationldquo [Anja Leist- Villis deutsche Erziehungswissen-schaftlerin]

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Sprachbewusstseinsfoumlrderung unterstuumltzt die Kinder dabei sich in ihren Sprachsystemen zurechtzufinden

Und weil bei Bilingualen die Sprachen sich bdquoberuumlhrenldquo und bdquobeeinflussenldquo ist es besonders gut wenn in der Sprachfoumlrde-rung alle Sprachen des Kindes Beachtung finden Denn beide Sprachsysteme beeinflussen sich gegenseitig in ihrem Wachs-tum Das ist wissenschaftlich ausfuumlhrlich erforscht und belegt Aus zahlreichen Forschungsergebnissen weiszlig man auch dass die Sprachen nicht getrennt im Gehirn verortet sind sondern in einem Sprachzentrum Der Erhalt der Muttersprache gefaumlhrdet somit in keiner Weise den guten Erwerb des Deutschen im Gegenteil

Es geht auch darum das wertvolle Potenzial der Mehr-sprachigkeit in den Kindern zu staumlrken Es geht nicht darum sich nur auf eine konkrete Sprache zu konzentrieren sondern die Sprachenvielfalt spuumlrbar zu machen Das fuumlhrt nicht nur dazu dass die Kinder viele Sprachen gut sprechen koumlnnen sondern durch diesen Ansatz foumlrdern PaumldagogInnen auch die sprachliche Entwick-lung generell Somit lernen die SchuumllerInnen all ihre Sprachen kompetent und selbstbewusst zu nutzen Diesen selbstbe-wussten Zugang koumlnnen Sie auch durch Ihre Vorbildwirkung foumlrdern indem Sie Ihre Kompe-tenzen in Ihrer eignen Erstspra-che oder in erworbenen Fremd-sprachen gemeinsam mit den Kindern nutzen Damit zeigen Sie dass Sprachenvielfalt zum Alltag gehoumlrt

23 Spracherwerb zuhause

Die Sprache der Eltern ist durch die ersten Bindungserfahrun-gen stark emotional besetzt Mit der Erstsprache werden zugleich spezifische soziale Regeln Normen und Werte vermittelt die dem Kind Orientierungspunkte fuumlr den Aufbau seiner Identitaumlt bieten

Fuumlr die freizeitpaumldagogische Arbeit bedeutet dies dass auch auf die Sprachkompetenz aus dem familiaumlren Kontext einge-gangen werden sollte Das kann den Kindern helfen bereits Gelerntes aus der Herkunftssprache mit neuen Inhalten aus dem Deutschen zu verknuumlpfen

Diese Herangehens- weise wird auch mit

OPOL abgekuumlrzt Dies bedeutet dass jeder Elternteil in seiner jeweiligen Erstsprache mit dem Kind spricht Es ist eine Methode die sich uumlberaus bewaumlhrt hat Denn das Kind assozi-iert die Person mit der Sprache Zweisprachige Kinder reagieren sehr sensibel auf ihr Gegenuumlber und wenn sie eine Sprache mit einer Person assoziieren dann bleibt diese Verbindung Uumlber die Sprache entsteht auch eine emotionale Bindung zu der Person die wiederum zur emotionalen Bindung mit der Sprache selbst fuumlhrt Wichtig ist dass die Anwendung dieser Strategie auf natuumlrliche Weise passiert und nicht gekuumlnstelt oder ver-krampft

Deshalb ist es wichtig dass die Eltern bei ihrer Kommunika-tionssprache mit dem Kind bleiben und diese nicht migrations-bedingt aumlndern

Fuumlr die Foumlrderung der Herkunftssprache koumlnnen Eltern auch die zahlreichen Angebote des Schulsystems nutzen zthinspB den Muttersprachenunterricht Mehr Information dazu wwwschule-mehrsprachigat

One person ndash one language

Kapitel 2

Spracherwerb bei mehrsprachigen Kindern

bdquoDer Mensch ist ein komple-xes Lernwesen und Sprache braucht die emotionale und gesellschaftlich kontextuelle Verknuumlpfungldquo [Zwetelina Ortega]

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31 Code-switching und Code-mixing

Mehrsprachige Kinder bdquovermischenldquo oftmals ihre Sprachen Dieses Phaumlnomen wird auch Code-mixing genannt Oder sie wechseln zwischen den Sprachen genannt Code-switching Dieses Sprachverhalten kann PaumldagogInnen verunsichern Faumllschlicherweise wird Mehrsprachigen nachgesagt sie haumltten einen eingeschraumlnkten Wortschatz und weniger ausdifferen-zierte sprachliche Ressourcen in den jeweiligen Sprachen als Kinder mit einer Erstsprache Untersuchungen zeigen aber dass dies nur fuumlr die ersten Lebensjahre stimmt Gegen Ende der Volksschule gleichen sich Grammatik und Wortschatz in der dominanten Sprache aus und oft uumlberholen die bilingualen Kinder sogar die monolingualen

Junge Menschen verwenden Code-switching auch als bdquoHilfs-strategieldquo wenn der fuumlr ein Thema relevante Wortschatz in der anderen Sprache leichter verfuumlgbar ist

Nahezu alle mehrsprachigen Menschen mischen und vermi-schen ihre Sprachen vor allem in informellen Gespraumlchskontex-ten Es ist auch nicht weiter schlimm solange es in dem eben dargelegten Rahmen bleibt

Fuumlr Sie als PaumldagogIn heiszligt das dass Sie nicht das Gefuumlhl haben muumlssen immer eine einheit-

liche Sprache einzufordern Versuchen Sie im Sprachwechsel auch die Kreativitaumlt der Kinder zu erkennen und diese in der Betreuung zu nutzen Vielleicht moumlchte das Kind erklaumlren warum es gerade dieses Wort aus einer anderen Sprache verwendet hat und welche die besondere Bedeutung ist

In der paumldagogischen Praxis

Weitere Moumlglichkeiten auf Code-switching und Code-mixing spielerisch einzugehen vielsprachige kreative Texte schreiben in denen alle Sprachen vorkommen duumlrfen

Ein vielsprachiges bdquoStadt Land Flussldquo-Spiel bei dem alle Sprachen erlaubt sind Wichtige Regel dabei die Kinder muumlssen versuchen die Begriffe auf Deutsch zu uumlbersetzen zu umschreiben oder zu erklaumlren um sie so der ganzen Gruppe verstaumlndlich zu machen Es ist dabei hilfreich wenn Sie als PaumldagogIn den Anfang machen und sich selbst auch mit Ihren Sprachkenntnissen einbringen So verstehen die Kinder das Spiel besser und trauen sich eher ihre Erstsprachen zu verwen-den

Oder als Reihum-Fragespiel bdquoWie sagt man in deiner (nicht-deutschen) Sprache fuumlr Ich habe einen Baumlrenhunger hellip Der ist bekannt wie ein bunter Hund hellip Du kannst mir mal den Buckel runterrutschen hellipldquo und andere bekannte Redensarten

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen KontextErscheinungsformen gelebter Mehrsprachigkeit in der Schule und viele Beispiele fuumlr praxisnahe Handlungsfelder und Uumlbungen

bdquoEine Umsetzung mehrschriftlicher und multilingua-ler Ansaumltze kann allen Beteiligten zu mehr Freiheit und Selbstbe-stimmung verhelfen [hellip]ldquo [Elke Montanarithinspthinsp Julie Panagioto-poulou in Mehrsprachigkeit und Bildung in Kitas und Schule]

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Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

32 Dominante und schwache Sprache

Nahezu jede Sprachsituation im Leben von zweisprachigen Kindern ist einzigartig Diese haumlngt von unterschiedlichen Gegebenheiten ab Wie oft ist das Kind im Kontakt mit einer Sprache Wie haumlufig wird sie gesprochen Mit wem wird sie gesprochen Wie viel und welcher Input ist da usw In vielen Faumlllen entwickelt sich eine Sprache schneller und besser als die andere Die Kompetenzen in den Sprachen koumlnnen sich im Laufe des Lebens veraumlndern oder auch verschieben je nach Sprachsituation und Motivation des Menschen Nur selten beherrschen Kinder beide Sprachen gleich gut Auch Erst- oder Zweitsprachen koumlnnen sich je nach Lebenssituation in ihrer Dominanz verschieben

Auch wenn Sie das Gefuumlhl haben dass das Kind seine Erstsprache nicht so gut beherrscht wird

es sich sicher freuen und es als positiv erleben wenn es etwas daruumlber erzaumlhlen kann oder sich mit Wortbeitraumlgen und Kommentaren in dieser Sprache einbringen kann

In der paumldagogischen Praxis

33 Gesellschaftliches Prestige der Sprachen

bdquoAlle Sprachen sind gleichwertigldquo ndash diese so selbstverstaumlndlich schei-nende Aussage deckt sich leider ganz und gar nicht mit der Wirklichkeit Viele Vorurteile truumlben den Blick auf den Wert individueller migrationsbe-dingter Mehrsprachigkeit Vorurteile sind wie ein Echo auf die Mehrspra-chigkeit Das Kind bekommt sie fruumlher mit als uns lieb ist Dieser Umstand kann die gesamte Sprachentwicklung bremsen

Das Prestige einer Sprache haumlngt in erster Linie vom Ansehen ihrer SprecherInnen ab Dieses Ansehen wiederum ist vor allem durch die wirtschaftliche und soziale Position einer bestimmten SprecherInnengruppe in der Gesellschaft beeinflusst

Als PaumldagogIn kann man mit dem eigenen Verhalten

zeigen dass alle Sprachen gleich geschaumltzt werden Diese Wertschaumltzung gilt es auch den Eltern zu signalisierten Dabei reichen oft kleine Kommentare Zum Beispiel bdquoEs ist groszligartig dass du so viele Sprachen sprichstldquo bdquoEs gefaumlllt mir wenn ich dich hellip sprechen houmlreldquo oder bdquoSchoumln dass Ihr Kind zwei Sprachen so gut beherrschtldquo Und Sie koumlnnen den Kindern und Eltern auch von Ihren eignen Erfahrungen erzaumlhlen beim Sprachenlernen oder von Ihrer eignen Bilingualitaumlt ZthinspB durch Beispiele fuumlr die Nuumltzlichkeit von Mehrsprachigkeit im Urlaub oder durch den Hinweis auf berufliche Vorteile Oumlsterreichische Firmen (zthinspB Banken) stellen naumlmlich gerne MitarbeiterInnen ein die neben Deutsch nicht immer nur Englisch sondern gerne auch andere Sprachen wie die BKS-Sprachen oder Tuumlrkisch sprechen So vermitteln Sie das Thema auf authentische Weise und staumlrken gleichzeitig die Familie positiv mit ihrer eigenen Mehrsprachigkeit umzugehen

In der paumldagogischen Praxis

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34 Interferenzen und Lerntransfer

Wenn Sprachen sich gegenseitig beeinflussen und es dadurch zu einer Fehlleistung kommt sprechen wir von Interferenz Dies kann auf grammatikalischer phonetischer oder lexikali-scher Ebene vorkommen Meist beeinflusst die dominante Sprache die schwaumlchere Im Spracherwerb kann es Phasen geben in denen es zu zahlreichen Interferenzen kommt Diese Phasen gehen aber meist wieder zuruumlck wenn die Sprachen sich gut entwickeln und das sprachliche Repertoire des Kindes waumlchst Voraussetzung dafuumlr ist eine gute Lernumgebung und Menschen die viel und richtig mit dem Kind sprechen Eltern die meinen ihrem Kind etwas Gutes zu tun indem sie mit ihm Deutsch sprechen obwohl sie die Sprache nicht auf Mutter-sprachenniveau beherrschen schaden damit der kindlichen Sprachentwicklung

Es gibt aber auch einen Lerntransfer zwischen den Sprachen und zwar dann wenn sie sich positiv beeinflussen und es beim Sprachenlernen zu sogenannten Uumlbertragungen kommt Diese bleiben fuumlr uns verborgen weil sie eine Form gelingenden Sprechens sind

PRAXIS Umgehen mit sprachlichen Fehlleistungen

Korrektives Feedback wiederholen Sie im Gespraumlch mit dem Kind richtig was falsch gesagt wurde und versuchen Sie es in das Gespraumlch einflieszligen zu lassen Wiederholen Sie Schluumls-selwoumlrter die das Kind falsch gesagt hat eher am Ende des Gespraumlchs richtig Versuchen Sie auf direktes Verbessern zu verzichten Es stoumlrt den Gespraumlchsverlauf Fordern Sie die Kinder nicht staumlndig auf das falsch Gesagte richtig zu wieder-holen Hin und wieder kann es zielfuumlhrend sein weil es Klarheit verschafft zu oft eingefordert kann es die Kinder beim Sprechen hemmen

Geduld Spracherwerb ist ein langsamer Prozess der noch dazu nicht linear verlaumluft Es gibt Entwicklungsspruumlnge dann wieder Phasen in denen sich vermeintlich wenig weiterentwi-

ckelt Kinder nehmen Sprachinput auf und verarbeiten ihn fuumlr sich Bis es uns beim Reden auffaumlllt muss manchmal etwas Zeit vergehen Haben Sie also Geduld Ihre Foumlrderansaumltze brauchen einfach etwas Zeit um zu fruchten

Wahrnehmen Jeder freut sich wenn man seine Anstren-gung wahrnimmt Wenn Ihnen bei einem Kind eine sprachliche Errungenschaft auffaumlllt so koumlnnen Sie es explizit sagen

Stuumltze in der Erstsprache des Kindes Sollten Sie die Erstsprache des Kindes beherrschen koumlnnen Sie diese Kompe-tenz selbstverstaumlndlich nutzen um dem Kind in seinem Spracherwerb zu helfen Beispielsweise indem Sie ihm etwas kurz erklaumlren damit es dieses besser versteht Manchmal hilft es auch den Fehler in der deutschen Sprache aus der Sicht der Erstsprache zu betrachten dann kann man das Kind besser unterstuumltzen Nutzen Sie diese Chance wenn Sie sie haben

Fehler machen ist Teil jeder Form von Spracherwerb und von Sprachlernen Fehlermachen im gesteuerten ebenso wie im ungesteuerten Spracherwerb ist etwas voumlllig Natuumlrliches Fehler zu machen und sie als solche zu erkennen ist ein Schluumls-selelement jeder Form des Spracherwerbs Wenn Sie als PaumldagogIn Ihrerseits Deutsch nicht als Muttersprache erwor-ben haben koumlnnen Sie auf eigene Fehler und Muumlhen im Erwerb

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

bdquoEine andere Sprache ist eine andere Sicht auf das Lebenldquo [Federico Fellini italienischer Filmemacher]

bdquoDer Akzent sorgt fuumlr die Schoumlnheitsmale auf der Sprach-hautldquo[Ilija Trojanow bulgarisch- deutscher Schriftsteller]

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des Deutschen verweisen (zthinspB auf die richtige Beugung unregelmaumlszligiger Verben oder die Stellung des Verbs am Ende des Nebensatzes etc)

35 Sprachbewusstsein foumlrdern eine Methode die viel bewirkt

Im Gegensatz zur schulischen Mehrsprachigkeit wird die migrationsbedingte bzw lebensweltliche Mehrsprachigkeit bisher zaghaft gefoumlrdert und im Unterricht weitgehend ausge-blendet Die Herkunftssprachen der SchuumllerInnen werden im Unterricht selten einbezogen Sie werden eher als Belastung bzw als Problem und nicht als Ressource angesehen

Sprachbewusstsein ist das Bewusstsein fuumlr die Funktionsweise und Bedeutung von Sprachen Wenn man Kinder darin unter-stuumltzt so gibt man ihnen die Moumlglichkeit und befaumlhigt sie sprachliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erkennen Zudem werden sie darin gefoumlrdert zu erkennen welche Rolle Sprache in unserer Gesellschaft spielt

Bei diesem Prozess koumlnnen die SchuumllerInnen auf bereits vorhandenes Sprachlernwissen zuruumlckgegriffen Wenn sie sich mit ihrem Wissen aus der erworbenen Herkunftssprache einbringen koumlnnen so bewirkt dies einen Motivationsschub der sich positiv auf das weitere Sprachenlernen auswirken kann

Stellen Sie Spiele und Uumlbungen und Methoden zur Verfuumlgung die die Kinder motivieren ihre vorhandenen Sprachkenntnisse zu nutzen so dass die Sprachen auch erklingen koumlnnen Und vergessen Sie dabei nicht auf die zentrale Vorbildwirkung die Sie selbst einbringen koumlnnen Beteiligen Sie sich selbst an den Spielen und Uumlbungen mit Ihren Sprachkenntnissen Die Kinder werden viel Freude daran haben diese weitere Facette die Sie ausmacht kennenzulernen So koumlnnen Sie gemeinsam mit den Kindern Lieder singen die es in mehreren Sprachversionen gibt (wie zthinspB Fregravere JacquesthinspthinspBruder Jakob und in der Weihnachts-zeit Stille Nacht heilige Nacht ndash ein Lied das es bestimmt in den Sprachen aller beteiligten Kinder gibt)

PRAXIS Anwendungsideen

Am Anfang steht die Bereitschaft Raum fuumlr Gespraumlche uumlber die eigene Sprachbiografie zu schaffen Natuumlrlich nehmen an diesen Gespraumlchen alle Kinder teil auch jene die nicht bilingual aufwachsen Weitere Spielideen

Sprachenportrait ndash meine Sprachen in mir Uumlber Sprache nachdenken und daruumlber sprechen Meine Sprachbiografie Meine Familie und ihre Sprachen Sprachenstammbaum der Familie Uumlbersetzungsspiel UmgangssprachethinspthinspFachsprache oder HochsprachethinspthinspDialekt

Redewendungen aus aller Welt Mehrsprachige Wortfelder

Die naumlhere Ausfuumlhrung zu den jeweiligen Spielideen finden Sie auf der Website und im Intranet der BiM ndash Bildung im Mittel-punkt Weitere Uumlbungen um Sprachbewusstsein und Mehr-sprachigkeit zu foumlrdern sind in Kapitel 6 angefuumlhrt

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

bdquoDer Geist einer Sprache offenbart sich am deutlichsten in ihren unuumlber- setzbaren Wortenldquo[Marie von Ebner-Eschenbach oumlsterreichische Schriftstellerin]

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Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd seinNutzen der eigenen Sprachkompetenzen und Umgang mit kritischen Situationen die sich durch die Mehrsprachigkeit der Kinder ergeben koumlnnen

41 Wenn Kinder untereinander in einer anderen Sprache als Deutsch sprechen

In vielen Schulen wird nach wie vor das Prinzip gelebt dass nur Deutsch gesprochen werden darf und soll Dieser Zugang blendet die Realitaumlt bilingualer Menschen aus und signalisiert den Kindern dass ein Teil von ihnen unerwuumlnscht ist Das ist weder fuumlr den Deutscherwerb noch fuumlr die Persoumlnlichkeitsent-wicklung des Kindes foumlrderlich Und dabei wird auszliger Acht gelassen warum Kinder in eine andere Sprache switchen

weil sie sich in ihrer Erstsprache sicherer fuumlhlen und Deutsch noch nicht gut beherrschen Fuumlr die Kommunikation eine Sprache zu waumlhlen die man gemeinsam gut kann ist ein natuumlrlicher Zugang Wuumlrde man die Kinder dann zwingen auf Deutsch zu wechseln wuumlrde man sie foumlrmlich verstummen lassen

Das Sprachwechseln kann auch bei Kindern die gut Deutsch sprechen ganz intuitiv passieren und vom Kind in diesem Moment nicht bewusst wahrgenommen werden Diese Sprach-wahl des Kindes zeugt eher von einer hohen Sprachkompetenz und von seinem kreativen Umgang mit der eigenen Bilinguali-taumlt

Als Problem wird haumlufig dargestellt dass andere Kinder durch den nichtdeutschen Sprachgebrauch ausgegrenzt wuumlrden Wenn Sie tatsaumlchlich beobachten dass Kinder jemanden durch Sprachwechsel ausgrenzen dann ist das Problem die Ausgren-zung Ein Sprachverbot ist hier der falsche Weg Viel wichtiger ist es uumlber das Ausgrenzen anderer Kinder an sich zu sprechen

Damit sich vielleicht andere Kinder nicht verunsichert fuumlhlen kann man auch die Bilingualitaumlt der SchuumllerInnen zum Thema zu machen und mit der Gruppe besprechen Dann kann man auch den Kindern vermitteln dass die gemeinsame Sprache der Gruppe Deutsch ist Damit Kinder ihre Bilingualitaumlt positiv erleben koumlnnen ist es aber ratsam dass sie im schulischen Kontext auch eine ihrer Erstsprachen verwenden koumlnnen So koumlnnen tatsaumlchlich ihre beiden Sprachen Platz haben so wie es auch ihrer Wirklichkeit entspricht Wie und wann geswitcht werden kann kann man in der Gruppe gemeinsam vereinbaren So haben die Kinder sowohl Deutschinput als auch die Moumlglich-keit all ihre Sprachkompetenzen zu benutzen

bdquoSprache ist der Schluumlssel zur Weltldquo[Alexander von Humboldt deutscher Naturforscher]

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Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein

42 Wenn Kinder Sie in Ihrer Erstsprache ansprechen

Viele FreizeitpaumldagogInnen der BiM ndash Bildung im Mittelpunkt haben selbst unterschiedliche und vielfaumlltige kulturelle und sprachliche Kompetenzen Und diese betrachten wir als wertvoll Sehen Sie Ihre Sprachkompetenz deshalb als Berei-cherung und Chance Denn Sprache ist mehr als Kommunika-tion es geht nicht nur darum dass die Kinder von Ihnen Deutsch lernen sie haben auch eine Bindung zu Ihnen aufge-baut oder sind gerade dabei Sich uumlber eine gemeinsame Sprache auszutauschen kann Vertrauen schaffen Manchmal wollen die Kinder einfach zeigen was sie alles koumlnnen

Wenn ein Kind tatsaumlchlich noch kein Deutsch spricht und versteht koumlnnen Sie mit Ihrer Sprachkompetenz eine gute Bruumlcke schlagen und das Kind dabei unterstuumltzen sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden durch kleine Erklaumlrungen oder indem Sie auf die Ausfuumlhrung des Kindes reagieren Ihre sprachliche Unterstuumltzung erleichtert dem Kind vor allem sich in der neuen Situation einzuleben Auch in der Kommunikation mit den Eltern koumlnnen Sie Ihre Sprachkenntnisse nutzen

PRAXIS die eigenen Sprachkompetenzen nutzen

Kurze Erklaumlrungen Wenn Sie bemerken dass sich ein Kind aus sprachlichen Gruumlnden in einer Situation ganz und gar nicht zurechtfindet und Sie haben eine andere gemeinsame Sprache koumlnnen Sie diese nutzen um dem Kind zu erklaumlren was gerade passiert oder was zu tun ist Beispielweise wenn es darum geht dass Sie gemeinsam in den Park gehen wollen und sich die Kinder anstellen sollten oder Aumlhnliches Danach koumlnnen Sie wieder auf Deutsch switchen Sie koumlnnen auch den restlichen Kindern kurz erklaumlren dass Sie in einer anderen Sprache gesprochen haben um dem Kind zu helfen besser zu verstehen was passiert So fuumlhlen sich die Kinder nicht ausgeschlossen und erleben dass Sprachgebrauch vielseitig sein kann und sein darf

Gespraumlch mit Eltern Wenn Sie bemerken dass es den Eltern schwer faumlllt auf Deutsch zu kommunizieren und Sie wissen sie haben eine andere gemeinsame Sprache in der es ihnen leichter fallen wuumlrde koumlnnen Sie es den Eltern behutsam und mit dem notwendigen Fingerspitzengefuumlhl anbieten So schaffen Sie eine leichtere Basis fuumlr Kommunikation sowie Austausch und Vertrauen

bdquoWir wohnen nicht in einem Land sondern in einer Spracheldquo[Emil Cioran rumaumlnischer Philosoph]

bdquoGelebte Zweisprachig-keit ist eher selten aumlqui-valent sondern asymmetrisch oft hierarchisch und bisweilen konfliktivldquo [Georg Kremnitz deutscher Romanist]

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43 Wenn Kinder offensichtlich ungute Dinge zu jemanden in einer Sprache sagen die Sie nicht verstehen

Wenn man Kindern die Moumlglichkeit einraumlumt ihre Erstsprachen zu verwenden haben Paumldago-gInnen manchmal Angst sie koumlnnten dies dafuumlr nutzen um Schimpfwoumlrter oder andere respekt-lose Ausdruumlcke zu verwenden In den seltensten Faumlllen ist es so Ihre Intuition wird Ihnen zeigen sollte tatsaumlchlich respektlos miteinander umgegangen werden Dazu braucht man nicht jedes Wort zu verstehen denn Kommunikation passiert auch auf nonverbaler Ebene Dabei ist natuumlrlich der respektlose Umgang zu hinterfra-gen Auch in diesem Fall ist ein Deutschgebot das die Verwendung anderer Sprachen unter-bindet nicht zielfuumlhrend Denn einerseits wuumlrde man dadurch die Kinder die respektvoll mitein-ander umgehen auch sanktionieren und ander-seits wird dadurch das Problem des fehlenden Respekts nicht geloumlst Viel wichtiger ist es einen respektvollen Umgang miteinander zu foumlrdern unabhaumlngig davon welche Sprache dabei gesprochen wird

44 Wenn SchuumllerInnen die in Deutsch noch schwach sind ausgegrenzt werden

Fehlende Sprachkompetenz kann auch ausgrenzend wirken Das Kind kann sich nicht verstaumlndigen bei Spielen und Gesprauml-chen nicht mitmachen und wird vielleicht von den Mitschuumller-Innen nicht in die Gruppe integriert Das kann zu einer Nega-tiv-Spirale fuumlhren denn die eingeschraumlnkten sozialen Kontakte schraumlnken auch den sprachlichen Kontakt ein und Kinder lernen besonders viel von- und miteinander In solch einer Situation kann es hilfreich sein dass Sie thematisieren wie es einem geht wenn man eine neue Sprache lernt Dazu gibt es zahlrei-che kindgerechte Uumlbungen ZthinspB ausgeruumlstet nur mit einem

Woumlrterbuch in einer ganz fremden Sprache etwas erklaumlren muumlssen oder auch selbst daruumlber reflektieren wie geht es mir beim Fremdsprachenlernen zthinspB Englisch Wenn man sich besinnt wie herausfordernd der Weg ist hat man auch mehr Verstaumlndnis fuumlr den neuenthinspthinspdie neue MitschuumllerIn

Helfen kann auch die Kinder von Anfang an als Stuumltze und Hilfe fuumlr das neue Kind einzubinden So fuumlhlen sie Verantwor-tung und koumlnnen selbst etwas fuumlr den guten sozialen Klassen-verband beitragen

Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein

bdquoMehrsprachige Kompetenz ist nicht nur Ein - sprachigkeit in mehreren Sprachen sondern ist als eine ganzheit-liche Sprach-kompetenz aufzufassen und zu foumlrdernldquo [Elisabeth Allgaumluer-Hacklthinspthinsp Ulrike Jessner in Mehrsprachig-keitsunterricht aus mehrsprachiger Sicht Zur Foumlrderung des metalinguistischen Bewusstseins]

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Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren Argumente und Darstellungen fuumlr Gespraumlche und Fragen mit denen Sie Ihre Position Mehrsprachigkeit zu foumlrdern erklaumlren und staumlrken koumlnnen

51 Ein Erklaumlrungsversuch ndash warum die Foumlrderung und Anerkennung sprachlicher und soziokultureller Diversitaumlt in Frage gestellt wird

Uumlber Mehrsprachigkeit wird schon seit langem geforscht denn Gesellschaften in denen mehrere Sprachen zusammenkom-men hat es seit jeher gegeben Die wissenschaftlichen und empirischen Ergebnisse aus der Mehrsprachigkeitsforschung zeigen allesamt dass die Foumlrderung der individuellen und gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit allen zugutekommt Zum Beispiel schadet es nicht dem Erlernen und Erwerben des Deutschen wenn Kinder auch in ihren anderen Erstsprachen gefoumlrdert werden Genau das Gegenteil ist der Fall Kinder entwickeln sich insgesamt sprachlich besser Und viele weitere positive Argumente wurden formuliert

Diese gesellschaftliche Mehrsprachigkeit und Plurikulturalitaumlt verlaumluft aber in den seltensten Faumlllen konfliktfrei Die Konflikte sind meist das Ergebnis von politischen Maszlignahmen die bestim-men SprecherInnengruppen mehr Macht und staumlrkere Positionen einraumlumen Das fuumlhrt auch dazu dass im oumlffentlichen Diskurs ndash in den Medien in Debatten und Stellungnahmen usw ndash manche Menschen die Position vertreten nur die anerkannte Amtsspra-che Deutsch sei foumlrdernswert und von Nutzen Die anderen Sprachkompetenzen werden als Problem angesehen Diese Haltung ist eine ausgrenzende die Menschen diskriminiert Diskriminierung fuumlhrt in keinem Fall zu einem besseren Schul-erfolg oder zur besseren Integration Auffaumlllig bei dieser Haltung ist dass die Sprachen selbst bewertet werden Beispielsweise wird das Erwerben von Englisch als positiv bewertet und eine Deutsch-Englisch Bilingualitaumlt auch Wenn es um migrationsbe-dingte Mehrsprachigkeit geht wird diese als Hindernis einge-

bdquoSchule muss bilinguale Kinder auch als solche wahrnehmen und nicht versuchen sie in die Passform des einsprachigen Kindes zu pressenldquo [Zwetelina Ortega]

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Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

stuft Wie steht es um die Erstsprachen die durch Migration nach Oumlsterreich gelangt sind Wie ist ihr Image Eine entscheidende Rolle spielt der Status der SprecherInnen Um mit Robert Walser zu sprechen Money rules the world Ist die Gruppe der Sprech-erInnen wirtschaftlich stark hat ihre Sprache gesellschaftlich hohe Anerkennung Uumlbt die Vielzahl einer SprecherInnengruppe jedoch niederqualifizierte und schlecht bezahlte Jobs aus ist sie wirtschaftlich schwach so hat ihre Sprache ein schlechtes Image in der Gesellschaft Diese Situation ist in allen Einwanderungsge-sellschaften aumlhnlich die Sprachen sind auswechselbar

Tatsache ist dass sich falsche und diskriminierende Argumente immer noch halten und dass Ihnen vielleicht Menschen begeg-nen werden die versuchen werden gegen die Foumlrderung von Mehrsprachigkeit zu argumentieren

Es gibt keinen Grund der Diskriminierung und Ausgrenzung zulaumlssig macht Das Ziel einer gelungenen paumldagogischen Arbeit ist es alle Facetten des Kindes anzunehmen und sie als Teil des paumldagogischen Alltags zu integrieren

52 Argumentationslinien und moumlgliche Positionen im Austausch mit KollegInnen Eltern KlassenlehrerInnen und DirektorInnen

Um Ihre Position zu staumlrken dass alle Sprachen und Sprach-kompetenzen gleichberechtigt und wertvoll sind und Sie sie deshalb in Ihrer Arbeit beruumlcksichtigen und foumlrdern haben wir einige Argumente fuumlr Sie ausgearbeitet

Familiaumlrer Kontext

Voraussetzung fuumlr eine gute Lernumgebung sind Menschen die viel und richtig mit dem Kind sprechen Eltern die meinen ihrem Kind etwas Gutes zu tun indem sie mit ihm Deutsch sprechen obwohl sie die Sprache nicht auf Muttersprachen-niveau beherrschen koumlnnen damit der kindlichen Sprachent-wicklung manchmal mehr schaden als helfen

Wichtig ist dass mit den Kindern viel gesprochen erzaumlhlt gelesen und vorgelesen wird Die Sprache die die Eltern dabei verwenden sollte eine sein in der sie sich wohl und sicher fuumlhlen und vielseitig ausdruumlcken koumlnnen Uumlblicherweise ist dies die Erstsprache der Eltern Kinder koumlnnen dann generell besser mit Sprache umgehen ndash auch mit Deutsch

Paumldagogischer und schulischer Kontext

Durch sprachsensible paumldagogische Arbeit die auch die Mehrsprachigkeit der Kinder beruumlcksichtigt wird das Verinner-lichen der sprachlichen Inhalte vor allem auch der bildungs-sprachlichen verbessert Der Aufbau von Bildungssprache ist Grundlage fuumlr Wissenserwerb Diese Faumlhigkeit die Sie den SchuumllerInnen vermitteln wird sie langfristig dazu befaumlhigen auch in ihren weiterfuumlhrenden Ausbildungen besser voranzu-kommen Dadurch werden auch die Bildungschancen aller SchuumllerInnen erhoumlht und zum Teil werden ungleiche Bildungs-bedingungen uumlberwunden

Beim doppelten Spracherwerb also bei Kindern die bilingu-al aufwachsen beeinflussen sich beide Sprachsysteme gegen-seitig positiv in ihrem Wachstum Das ist wissenschaftlich erwiesen Der Erhalt der Erstsprache gefaumlhrdet in keiner Weise den guten Erwerb des Deutschen im Gegenteil

bdquoEs ist doch ein groszliger Unter-schied ob einem gesagt wird dass Sprachen gleichwertig sind und man alles in jeder ausdruumlcken kann oder ob man es tutldquo [Elke Montanari deutsche Sprach- wissenschaftlerin]

bdquoDer Mensch ist Mensch nur durch Spracheldquo[Johann Gottfried von Herder deutscher Dichter und Uumlbersetzer]

3736

Wer sein Wissen aus den vorab erworbenen oder erlernten Sprachen einbringen kann der erfaumlhrt einen Motivationsschub der sich positiv auf das weitere Sprachenlernen auswirken kann

Die Anerkennung einer Herkunftssprache im schulischen Kontext kann zu einer positiven Persoumlnlichkeitsentwicklung der SchuumllerInnen fuumlhren Deren Aufwertung gibt den Kindern Selbstvertrauen und Sicherheit die sich auf den gesamten Lernerfolg gut auswirken

Eines der Ziele die sich die Europaumlische Union gesetzt hat ist es dass jeder Buumlrgerthinspthinspjede Buumlrgerin seinethinspthinspihre Mutterspra-che sowie mindestens zwei weitere Sprachen beherrscht Diesem Ziel ruumlcken wir naumlher wenn wir die vorhandenen Sprachkompetenzen der Kinder nutzbar machen

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen dass bei einer Foumlrderung der durchgaumlngigen Sprachbildung und lebenswelt-lichen Mehrsprachigkeit von Kindern die narrative Schreibfauml-higkeit und die schriftliche Kompetenzentwicklung gestaumlrkt werden und die bildungssprachlichen Elemente im Deutschen zunehmen

Es gibt noch viele weitere Argumente warum Mehrsprachigkeit immer ein Vorteil ist und nicht als Problem gesehen werden sollte Weitere Argumente werden Sie bestimmt in Ihrer eigenen Arbeit und Erfahrung mit den Kindern selbst finden Trauen Sie sich selbstbewusst zu Ihrer Position zu stehen und lassen Sie diskriminierende Haltungen nicht unkommentiert Wenn Sie die Moumlglichkeit haben nutzen Sie Ihre eigenen vielseitigen Sprachkompetenzen seien es Fremdsprachen oder weitere Erstsprachen sei es im spielerischen Umgang oder wenn Sie etwas erklaumlren Gemeinsam koumlnnen wir dazu beitra-gen dass mehrsprachige Kinder positiv wahrgenommen werden

Kapitel 6

Weitere Uumlbungs- und Anwendungsideen In diesem Kapitel finden Sie viele praxisnahe Uumlbungen fuumlr den spielerischen Umgang mit Mehrsprachigkeit in der Freizeitpaumldagogik

Wenn Sie solche oder aumlhnliche Uumlbungen mit den Kindern ausprobieren werden Sie vielleicht selbst oder gemeinsam mit ihnen viele neue Ideen entwickeln wie man Mehrsprachigkeit spielerisch und mit Freude in der Freizeitbetreuung aufgreifen kann Probieren Sie es aus Es wird allen SchuumllerInnen be-stimmt gefallen Das sind die Erfahrungen die wir bisher gemacht haben Hier einige Ansaumltze fuumlr Sie

Die Herkunft der Vor- und Nachnamen ndash wir erkunden die Bedeutungen unserer Namen

Radio aus aller Welt ndash wir houmlren in Online-Radiosender in verschiedenen Sprachen hinein Dabei koumlnnen die Kinder raten oder versuchen zu erkennen welche Sprache gerade erklingt

Stille Post mit den Sprachen unserer Klasse spielen

Kleine Sprachschule ndash jeweils ein Kind bringen dem Rest der MitschuumllerInnen einfache Saumltze und nuumltzliche Worte bei

Mehrsprachigkeit im oumlffentli-chen Raum ndash wir begeben uns auf Entdeckungsreise und suchen Orte wo wir unter-schiedliche Sprachen houmlren und sehen

Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

bdquoKennst du viele Sprachen ndash hast du viele Schluumlssel fuumlr ein Schloszligldquo[Voltaire franzoumlsischer Philosoph und Schriftsteller]

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Kapitel 7

EmpfehlungenLektuumlreempfehlungen zur Vertiefung Zahlreiche Links die weitere Anwendungsideen fuumlr die Praxis bieten aber auch vielseitige Artikel zum Thema

Weiterfuumlhrende Literatur

Krumm Hans-JuumlrgenthinspthinspReich Hans H 2011 Curriculum Mehrsprachigkeit Online im Internet

Montanari Elke 2013 Mit zwei Sprachen groszlig werden Mehrsprachige Erziehung in Familie Kindergarten und Schule Muumlnchen Koumlsel

Montanari ElkethinspthinspPanagiotopoulou Julie 2019 Mehrsprachigkeit und Bildung in Kitas und Schulen UTB

Schader Basil 2013 Sprachenvielfalt als Chance Handbuch fuumlr den Unterricht in mehrsprachigen Klassen Zuumlrich orell fuumlssli

Hilfreiche Institutionen

Kinderbuumlcherei der Weltsprachen gehoumlrt zu den Staumldtischen Buumlchereien wwwkirangoat Veranstaltungen zu Lesefoumlrderung fuumlr Schulen und Kindergaumlrten Teil der Buumlcherei Wien

wwwbaobabat BAOBAB ndash GLOBALES LERNEN vielseitige Arbeitsmaterialen und Literatur

Links

wwwlanguage-diversityeu ndash Arbeitsblaumltter Lehrmaterial Unterrichtsideen Schwerpunkt auf Minderheitensprachen in Europa

wwwpapperlapappcoat ndash Bilinguale Kinderzeitschrift wwwmultilingual-familieseu ndash Materialen fuumlr mehrsprachige Erziehung wwwderstandardatr2000023362091Linguamulti ndash monatlicher Blog zu Mehrsprachigkeit und Spracherwerb

wwwschule-mehrsprachigat ndash Kinder- und Jugendbuumlcher in vielen Sprachen Infos zum Muttersprachenunterricht

wwwfacebookcomlinguamulti ndash taumlglich Inhalte zum Thema Mehrsprachigkeit und Interkulturalitaumlt

Anschuumltzgasse 1 2 Stock 1150 WienTel +43 1 524 25 09-0 Fax +43 1 524 25 09-30officebildung-wienat wwwbildung-wienat

IMPRESSUMMedieninhaber und fuumlr den Inhalt verantwortlich BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbHAnschuumltzgasse 1 1150 Wien | Firmensitz Wien | FN502272k | Handelsgericht WienKonzeption Redaktion Text Zwetelina Ortega Linguamulti ndash wwwlinguamultiat (unter Mitwirken von BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbH)Fotos C Pertramer (S 5) J Zinner M Possert (S8)Grafik Gerald Waibel effundweat

Page 7: Unsere Schule spricht viele Sprachen · Unsere Schule spricht viele Sprachen Leitfaden für die Freizeitpädagogik. 2 3 Inhalt ... Es ist unsere gemeinsame Aufgabe im Bildungsbereich,

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Kapitel 2

Spracherwerb bei mehrsprachigen Kindern Uumlberblick zu den verschiedenen Definitionen von Mehrsprachigkeit sowie zu den Entwicklungsverlaumlufen bei mehrsprachigen Kindern

Fuumlr die schulische Laufbahn entscheidend ist die sprachliche Entwicklung des Kindes Was macht aber den Unterschied aus dass sich ein Kind im Hinblick auf seine Sprache ndash oder Spra-chen wenn es davon mehrere im Leben des Kindes gibt ndash bes-ser ent wickelt als ein anderes Der sprachliche Erfolg in der Schule haumlngt auch davon ab wie sehr Kinder ihre eigene Bilingualitaumlt positiv erleben Dabei kann die Betreuung in der Freizeit einen entscheidenden Beitrag leisten

Wichtig ist dass die vielseitigen Sprachkompetenzen der Kinder gesehen werden und nicht das Defizit im Vordergrund steht wenn ein Kind noch nicht so gut Deutsch spricht wie einige seiner MitschuumllerInnen

Angesichts einer SchuumllerInnenschaft die unterschiedliche Erstspra-chen und Familiensprachen mitbringt und natuumlrlich auch sozial und familiaumlr sehr durchmischt ist muss vor allem den Kindern vermittelt werden dass sie Kompetenzen mitbringen und ihre Mehrsprachig-keit ein Mehrwert ist Die Herausforderung liegt darin diese Einstellung selbst zu verinnerlichen und daran zu glauben Denn es geht darum das Kind zu bejahen mit allem was es ausmacht

21 Das Einmaleins der Mehrsprachigkeit ndash Erklaumlrungen zu gaumlngigen Definitionen

Ist Muttersprache und Erstsprache dasselbe Was bedeutet Herzsprache und gibt es auch Vatersprache Die Begriffe mit denen wir uumlber Mehrsprachigkeit sprechen stoszligen an Grenzen und uumlberholen sich schnell Das liegt daran dass sich unsere Gesellschaft im stetigen Wandel befindet und Mehrsprachigkeit vor allem ein gesellschaftliches Phaumlnomen ist

Ein kurzer Uumlberblick zu Terminologien und Definitionen soll Klarheit schaffen

Erstsprache und Erstspracherwerb Erstspracherwerb erfolgt auf natuumlrliche und kindliche Weise in der ersten fruumlhkindlichen Spracherwerbsphase Bilinguale Kinder koumlnnen auch zwei Erstsprachen haben Der Begriff Erstsprache bezieht sich in dieser Definition nur auf den Zeitpunkt ab wann das Kind mit der Sprache sozialisiert wird Er gibt keine Auskunft uumlber Kompetenz und emotionale Beziehung zur Sprache Bisweilen wird der Begriff Erstsprache nicht genealogisch sondern qualitativ interpretiert und bezeichnet die dominierende bzw meistgebrauchte Sprache und die wiederum kann vor allem in Migrationskontexten durchaus eine andere als die ersterwor-bene Sprache sein

bdquoDie Sprache gehoumlrt zum Charakter des Menschenldquo[Sir Francis von Verulam Bacon englischer Philosoph]

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Kapitel 2

Spracherwerb bei mehrsprachigen Kindern

Muttersprache Dieser Begriff wird als eine Art Synonym fuumlr Erstsprache verwendet Da er missverstaumlndlich ist ndash denn auch die Sprache des Vaters ist eine Muttersprache fuumlr das Kind ndash wird dieser Begriff im wissen-schaftlichen Kontext und in der Forschung nicht mehr verwendet Im Alltag ist er durch-aus gebraumluchlich und per se nicht falsch

Zweitsprache und Zweitspracherwerb Eine zweite Sprache wird nach dem Erwerb der Erstsprache (in der fruumlhen Spracherwerbs-phase) erworben Achtung eine zweite Erstsprache ist keine Zweitsprache Meist spricht man von Zweitsprache wenn das Kind uumlber vier Jahre alt ist und damit der Erstspracherwerb zumindest weit fortgeschritten ist und in seiner weiteren Sozia-lisierung eine neue Sprache hinzukommt

Ein Beispiel Ein Kind waumlchst in Syrien mit Arabisch und Kurdisch auf mit sechs Jahren kommt es nach Oumlsterreich In diesem Fall sind Arabisch und Kurdisch Erstsprachen und Deutsch eine Zweitsprache Oft beobachtet man dass sich langfristig die Sprachkompetenz zu Gunsten der Zweitsprache bzw Bildungssprache verschiebt

Die Definitionen bezuumlglich Mehrsprachigkeitsentwicklung sind auch deshalb eine Herausforderung weil Sprache viele weitere Aspekte hat Emotionalitaumlt gesellschaftlich-kulturelle Zusam-menhaumlnge und Sprache ist auch stark mit der Identitaumlt und deren Entwicklung verbunden Die Sprachen die uns umgeben beeinflussen unsere Persoumlnlichkeit und unsere Gefuumlhlswelt Deshalb hat sich der Begriff bdquoHerzspracheldquo ergeben um so der Emotionalitaumlt von Sprache gerecht zu werden Dieser Begriff wird sogar in der Wissenschaft verwendet und beschreibt die Sprache die einem nahe ist und zu der man eine enge emotio-nale Bildung hat Das kann manchmal ein Dialekt sein oder auch sehr oft die Sprache der eigenen Eltern Welche die Herzsprache eines Menschen ist ist aber letztendlich sehr individuell

Zu oft wachsen Kinder aus Migrantenfamilien mit der Vorstel-lung auf Deutsch sei nicht bdquoihreldquo Sprache Dabei geht es sehr stark um die subjektive Zuordnung von Muttersprache Dieses Gefuumlhl der Zugehoumlrigkeit zu einer SprecherInnengruppe ist deshalb so wichtig weil es das Selbstbewusstsein der Kinder staumlrkt und ihnen im Spracherwerb Sicherheit gibt Es geht also auch darum den Kindern zu vermitteln dass Deutsch ihre Bildungssprache ist und sie selbstbewusst mit ihren Sprach-kompetenzen umgehen sollen selbst wenn zuhause kein Deutsch gesprochen wird

22 Warum es grundsaumltzlich nie falsch ist Mehrsprachigkeit zu foumlrdern

Wenn wir uns die Sprachentwicklung des doppelten Sprachauf-baus ansehen so gibt es allerhand Unterschiede im Vergleich zu einer monolingualen Sprachentwicklung Es werden gleich-zeitig zwei unabhaumlngige Sprachsysteme aufgebaut Unabhaumln-gig aber auch staumlndig im Kontakt und Austausch miteinander Dieser Austausch fuumlhrt unter anderem dazu dass Mehrsprachi-ge im sprachlichen Begreifen oft kognitiv flexibler und effizien-ter als Monolinguale sind Anfangs aber koumlnnen sich die Sprachen bdquoim Weg stehenldquo Es kommt zu sogenannten Interfe-renzen die uns als Fehler auffallen

bdquoKinder die von Geburt an zweisprachig aufwachsen erwerben also nicht nur zwei Verbalsprachen sondern auch zwei Systeme von Aussprache und Sprachme-lodie Gestik und Mimik sowie von kulturellen Regeln der Kommunikationldquo [Anja Leist- Villis deutsche Erziehungswissen-schaftlerin]

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Sprachbewusstseinsfoumlrderung unterstuumltzt die Kinder dabei sich in ihren Sprachsystemen zurechtzufinden

Und weil bei Bilingualen die Sprachen sich bdquoberuumlhrenldquo und bdquobeeinflussenldquo ist es besonders gut wenn in der Sprachfoumlrde-rung alle Sprachen des Kindes Beachtung finden Denn beide Sprachsysteme beeinflussen sich gegenseitig in ihrem Wachs-tum Das ist wissenschaftlich ausfuumlhrlich erforscht und belegt Aus zahlreichen Forschungsergebnissen weiszlig man auch dass die Sprachen nicht getrennt im Gehirn verortet sind sondern in einem Sprachzentrum Der Erhalt der Muttersprache gefaumlhrdet somit in keiner Weise den guten Erwerb des Deutschen im Gegenteil

Es geht auch darum das wertvolle Potenzial der Mehr-sprachigkeit in den Kindern zu staumlrken Es geht nicht darum sich nur auf eine konkrete Sprache zu konzentrieren sondern die Sprachenvielfalt spuumlrbar zu machen Das fuumlhrt nicht nur dazu dass die Kinder viele Sprachen gut sprechen koumlnnen sondern durch diesen Ansatz foumlrdern PaumldagogInnen auch die sprachliche Entwick-lung generell Somit lernen die SchuumllerInnen all ihre Sprachen kompetent und selbstbewusst zu nutzen Diesen selbstbe-wussten Zugang koumlnnen Sie auch durch Ihre Vorbildwirkung foumlrdern indem Sie Ihre Kompe-tenzen in Ihrer eignen Erstspra-che oder in erworbenen Fremd-sprachen gemeinsam mit den Kindern nutzen Damit zeigen Sie dass Sprachenvielfalt zum Alltag gehoumlrt

23 Spracherwerb zuhause

Die Sprache der Eltern ist durch die ersten Bindungserfahrun-gen stark emotional besetzt Mit der Erstsprache werden zugleich spezifische soziale Regeln Normen und Werte vermittelt die dem Kind Orientierungspunkte fuumlr den Aufbau seiner Identitaumlt bieten

Fuumlr die freizeitpaumldagogische Arbeit bedeutet dies dass auch auf die Sprachkompetenz aus dem familiaumlren Kontext einge-gangen werden sollte Das kann den Kindern helfen bereits Gelerntes aus der Herkunftssprache mit neuen Inhalten aus dem Deutschen zu verknuumlpfen

Diese Herangehens- weise wird auch mit

OPOL abgekuumlrzt Dies bedeutet dass jeder Elternteil in seiner jeweiligen Erstsprache mit dem Kind spricht Es ist eine Methode die sich uumlberaus bewaumlhrt hat Denn das Kind assozi-iert die Person mit der Sprache Zweisprachige Kinder reagieren sehr sensibel auf ihr Gegenuumlber und wenn sie eine Sprache mit einer Person assoziieren dann bleibt diese Verbindung Uumlber die Sprache entsteht auch eine emotionale Bindung zu der Person die wiederum zur emotionalen Bindung mit der Sprache selbst fuumlhrt Wichtig ist dass die Anwendung dieser Strategie auf natuumlrliche Weise passiert und nicht gekuumlnstelt oder ver-krampft

Deshalb ist es wichtig dass die Eltern bei ihrer Kommunika-tionssprache mit dem Kind bleiben und diese nicht migrations-bedingt aumlndern

Fuumlr die Foumlrderung der Herkunftssprache koumlnnen Eltern auch die zahlreichen Angebote des Schulsystems nutzen zthinspB den Muttersprachenunterricht Mehr Information dazu wwwschule-mehrsprachigat

One person ndash one language

Kapitel 2

Spracherwerb bei mehrsprachigen Kindern

bdquoDer Mensch ist ein komple-xes Lernwesen und Sprache braucht die emotionale und gesellschaftlich kontextuelle Verknuumlpfungldquo [Zwetelina Ortega]

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31 Code-switching und Code-mixing

Mehrsprachige Kinder bdquovermischenldquo oftmals ihre Sprachen Dieses Phaumlnomen wird auch Code-mixing genannt Oder sie wechseln zwischen den Sprachen genannt Code-switching Dieses Sprachverhalten kann PaumldagogInnen verunsichern Faumllschlicherweise wird Mehrsprachigen nachgesagt sie haumltten einen eingeschraumlnkten Wortschatz und weniger ausdifferen-zierte sprachliche Ressourcen in den jeweiligen Sprachen als Kinder mit einer Erstsprache Untersuchungen zeigen aber dass dies nur fuumlr die ersten Lebensjahre stimmt Gegen Ende der Volksschule gleichen sich Grammatik und Wortschatz in der dominanten Sprache aus und oft uumlberholen die bilingualen Kinder sogar die monolingualen

Junge Menschen verwenden Code-switching auch als bdquoHilfs-strategieldquo wenn der fuumlr ein Thema relevante Wortschatz in der anderen Sprache leichter verfuumlgbar ist

Nahezu alle mehrsprachigen Menschen mischen und vermi-schen ihre Sprachen vor allem in informellen Gespraumlchskontex-ten Es ist auch nicht weiter schlimm solange es in dem eben dargelegten Rahmen bleibt

Fuumlr Sie als PaumldagogIn heiszligt das dass Sie nicht das Gefuumlhl haben muumlssen immer eine einheit-

liche Sprache einzufordern Versuchen Sie im Sprachwechsel auch die Kreativitaumlt der Kinder zu erkennen und diese in der Betreuung zu nutzen Vielleicht moumlchte das Kind erklaumlren warum es gerade dieses Wort aus einer anderen Sprache verwendet hat und welche die besondere Bedeutung ist

In der paumldagogischen Praxis

Weitere Moumlglichkeiten auf Code-switching und Code-mixing spielerisch einzugehen vielsprachige kreative Texte schreiben in denen alle Sprachen vorkommen duumlrfen

Ein vielsprachiges bdquoStadt Land Flussldquo-Spiel bei dem alle Sprachen erlaubt sind Wichtige Regel dabei die Kinder muumlssen versuchen die Begriffe auf Deutsch zu uumlbersetzen zu umschreiben oder zu erklaumlren um sie so der ganzen Gruppe verstaumlndlich zu machen Es ist dabei hilfreich wenn Sie als PaumldagogIn den Anfang machen und sich selbst auch mit Ihren Sprachkenntnissen einbringen So verstehen die Kinder das Spiel besser und trauen sich eher ihre Erstsprachen zu verwen-den

Oder als Reihum-Fragespiel bdquoWie sagt man in deiner (nicht-deutschen) Sprache fuumlr Ich habe einen Baumlrenhunger hellip Der ist bekannt wie ein bunter Hund hellip Du kannst mir mal den Buckel runterrutschen hellipldquo und andere bekannte Redensarten

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen KontextErscheinungsformen gelebter Mehrsprachigkeit in der Schule und viele Beispiele fuumlr praxisnahe Handlungsfelder und Uumlbungen

bdquoEine Umsetzung mehrschriftlicher und multilingua-ler Ansaumltze kann allen Beteiligten zu mehr Freiheit und Selbstbe-stimmung verhelfen [hellip]ldquo [Elke Montanarithinspthinsp Julie Panagioto-poulou in Mehrsprachigkeit und Bildung in Kitas und Schule]

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Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

32 Dominante und schwache Sprache

Nahezu jede Sprachsituation im Leben von zweisprachigen Kindern ist einzigartig Diese haumlngt von unterschiedlichen Gegebenheiten ab Wie oft ist das Kind im Kontakt mit einer Sprache Wie haumlufig wird sie gesprochen Mit wem wird sie gesprochen Wie viel und welcher Input ist da usw In vielen Faumlllen entwickelt sich eine Sprache schneller und besser als die andere Die Kompetenzen in den Sprachen koumlnnen sich im Laufe des Lebens veraumlndern oder auch verschieben je nach Sprachsituation und Motivation des Menschen Nur selten beherrschen Kinder beide Sprachen gleich gut Auch Erst- oder Zweitsprachen koumlnnen sich je nach Lebenssituation in ihrer Dominanz verschieben

Auch wenn Sie das Gefuumlhl haben dass das Kind seine Erstsprache nicht so gut beherrscht wird

es sich sicher freuen und es als positiv erleben wenn es etwas daruumlber erzaumlhlen kann oder sich mit Wortbeitraumlgen und Kommentaren in dieser Sprache einbringen kann

In der paumldagogischen Praxis

33 Gesellschaftliches Prestige der Sprachen

bdquoAlle Sprachen sind gleichwertigldquo ndash diese so selbstverstaumlndlich schei-nende Aussage deckt sich leider ganz und gar nicht mit der Wirklichkeit Viele Vorurteile truumlben den Blick auf den Wert individueller migrationsbe-dingter Mehrsprachigkeit Vorurteile sind wie ein Echo auf die Mehrspra-chigkeit Das Kind bekommt sie fruumlher mit als uns lieb ist Dieser Umstand kann die gesamte Sprachentwicklung bremsen

Das Prestige einer Sprache haumlngt in erster Linie vom Ansehen ihrer SprecherInnen ab Dieses Ansehen wiederum ist vor allem durch die wirtschaftliche und soziale Position einer bestimmten SprecherInnengruppe in der Gesellschaft beeinflusst

Als PaumldagogIn kann man mit dem eigenen Verhalten

zeigen dass alle Sprachen gleich geschaumltzt werden Diese Wertschaumltzung gilt es auch den Eltern zu signalisierten Dabei reichen oft kleine Kommentare Zum Beispiel bdquoEs ist groszligartig dass du so viele Sprachen sprichstldquo bdquoEs gefaumlllt mir wenn ich dich hellip sprechen houmlreldquo oder bdquoSchoumln dass Ihr Kind zwei Sprachen so gut beherrschtldquo Und Sie koumlnnen den Kindern und Eltern auch von Ihren eignen Erfahrungen erzaumlhlen beim Sprachenlernen oder von Ihrer eignen Bilingualitaumlt ZthinspB durch Beispiele fuumlr die Nuumltzlichkeit von Mehrsprachigkeit im Urlaub oder durch den Hinweis auf berufliche Vorteile Oumlsterreichische Firmen (zthinspB Banken) stellen naumlmlich gerne MitarbeiterInnen ein die neben Deutsch nicht immer nur Englisch sondern gerne auch andere Sprachen wie die BKS-Sprachen oder Tuumlrkisch sprechen So vermitteln Sie das Thema auf authentische Weise und staumlrken gleichzeitig die Familie positiv mit ihrer eigenen Mehrsprachigkeit umzugehen

In der paumldagogischen Praxis

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34 Interferenzen und Lerntransfer

Wenn Sprachen sich gegenseitig beeinflussen und es dadurch zu einer Fehlleistung kommt sprechen wir von Interferenz Dies kann auf grammatikalischer phonetischer oder lexikali-scher Ebene vorkommen Meist beeinflusst die dominante Sprache die schwaumlchere Im Spracherwerb kann es Phasen geben in denen es zu zahlreichen Interferenzen kommt Diese Phasen gehen aber meist wieder zuruumlck wenn die Sprachen sich gut entwickeln und das sprachliche Repertoire des Kindes waumlchst Voraussetzung dafuumlr ist eine gute Lernumgebung und Menschen die viel und richtig mit dem Kind sprechen Eltern die meinen ihrem Kind etwas Gutes zu tun indem sie mit ihm Deutsch sprechen obwohl sie die Sprache nicht auf Mutter-sprachenniveau beherrschen schaden damit der kindlichen Sprachentwicklung

Es gibt aber auch einen Lerntransfer zwischen den Sprachen und zwar dann wenn sie sich positiv beeinflussen und es beim Sprachenlernen zu sogenannten Uumlbertragungen kommt Diese bleiben fuumlr uns verborgen weil sie eine Form gelingenden Sprechens sind

PRAXIS Umgehen mit sprachlichen Fehlleistungen

Korrektives Feedback wiederholen Sie im Gespraumlch mit dem Kind richtig was falsch gesagt wurde und versuchen Sie es in das Gespraumlch einflieszligen zu lassen Wiederholen Sie Schluumls-selwoumlrter die das Kind falsch gesagt hat eher am Ende des Gespraumlchs richtig Versuchen Sie auf direktes Verbessern zu verzichten Es stoumlrt den Gespraumlchsverlauf Fordern Sie die Kinder nicht staumlndig auf das falsch Gesagte richtig zu wieder-holen Hin und wieder kann es zielfuumlhrend sein weil es Klarheit verschafft zu oft eingefordert kann es die Kinder beim Sprechen hemmen

Geduld Spracherwerb ist ein langsamer Prozess der noch dazu nicht linear verlaumluft Es gibt Entwicklungsspruumlnge dann wieder Phasen in denen sich vermeintlich wenig weiterentwi-

ckelt Kinder nehmen Sprachinput auf und verarbeiten ihn fuumlr sich Bis es uns beim Reden auffaumlllt muss manchmal etwas Zeit vergehen Haben Sie also Geduld Ihre Foumlrderansaumltze brauchen einfach etwas Zeit um zu fruchten

Wahrnehmen Jeder freut sich wenn man seine Anstren-gung wahrnimmt Wenn Ihnen bei einem Kind eine sprachliche Errungenschaft auffaumlllt so koumlnnen Sie es explizit sagen

Stuumltze in der Erstsprache des Kindes Sollten Sie die Erstsprache des Kindes beherrschen koumlnnen Sie diese Kompe-tenz selbstverstaumlndlich nutzen um dem Kind in seinem Spracherwerb zu helfen Beispielsweise indem Sie ihm etwas kurz erklaumlren damit es dieses besser versteht Manchmal hilft es auch den Fehler in der deutschen Sprache aus der Sicht der Erstsprache zu betrachten dann kann man das Kind besser unterstuumltzen Nutzen Sie diese Chance wenn Sie sie haben

Fehler machen ist Teil jeder Form von Spracherwerb und von Sprachlernen Fehlermachen im gesteuerten ebenso wie im ungesteuerten Spracherwerb ist etwas voumlllig Natuumlrliches Fehler zu machen und sie als solche zu erkennen ist ein Schluumls-selelement jeder Form des Spracherwerbs Wenn Sie als PaumldagogIn Ihrerseits Deutsch nicht als Muttersprache erwor-ben haben koumlnnen Sie auf eigene Fehler und Muumlhen im Erwerb

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

bdquoEine andere Sprache ist eine andere Sicht auf das Lebenldquo [Federico Fellini italienischer Filmemacher]

bdquoDer Akzent sorgt fuumlr die Schoumlnheitsmale auf der Sprach-hautldquo[Ilija Trojanow bulgarisch- deutscher Schriftsteller]

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des Deutschen verweisen (zthinspB auf die richtige Beugung unregelmaumlszligiger Verben oder die Stellung des Verbs am Ende des Nebensatzes etc)

35 Sprachbewusstsein foumlrdern eine Methode die viel bewirkt

Im Gegensatz zur schulischen Mehrsprachigkeit wird die migrationsbedingte bzw lebensweltliche Mehrsprachigkeit bisher zaghaft gefoumlrdert und im Unterricht weitgehend ausge-blendet Die Herkunftssprachen der SchuumllerInnen werden im Unterricht selten einbezogen Sie werden eher als Belastung bzw als Problem und nicht als Ressource angesehen

Sprachbewusstsein ist das Bewusstsein fuumlr die Funktionsweise und Bedeutung von Sprachen Wenn man Kinder darin unter-stuumltzt so gibt man ihnen die Moumlglichkeit und befaumlhigt sie sprachliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erkennen Zudem werden sie darin gefoumlrdert zu erkennen welche Rolle Sprache in unserer Gesellschaft spielt

Bei diesem Prozess koumlnnen die SchuumllerInnen auf bereits vorhandenes Sprachlernwissen zuruumlckgegriffen Wenn sie sich mit ihrem Wissen aus der erworbenen Herkunftssprache einbringen koumlnnen so bewirkt dies einen Motivationsschub der sich positiv auf das weitere Sprachenlernen auswirken kann

Stellen Sie Spiele und Uumlbungen und Methoden zur Verfuumlgung die die Kinder motivieren ihre vorhandenen Sprachkenntnisse zu nutzen so dass die Sprachen auch erklingen koumlnnen Und vergessen Sie dabei nicht auf die zentrale Vorbildwirkung die Sie selbst einbringen koumlnnen Beteiligen Sie sich selbst an den Spielen und Uumlbungen mit Ihren Sprachkenntnissen Die Kinder werden viel Freude daran haben diese weitere Facette die Sie ausmacht kennenzulernen So koumlnnen Sie gemeinsam mit den Kindern Lieder singen die es in mehreren Sprachversionen gibt (wie zthinspB Fregravere JacquesthinspthinspBruder Jakob und in der Weihnachts-zeit Stille Nacht heilige Nacht ndash ein Lied das es bestimmt in den Sprachen aller beteiligten Kinder gibt)

PRAXIS Anwendungsideen

Am Anfang steht die Bereitschaft Raum fuumlr Gespraumlche uumlber die eigene Sprachbiografie zu schaffen Natuumlrlich nehmen an diesen Gespraumlchen alle Kinder teil auch jene die nicht bilingual aufwachsen Weitere Spielideen

Sprachenportrait ndash meine Sprachen in mir Uumlber Sprache nachdenken und daruumlber sprechen Meine Sprachbiografie Meine Familie und ihre Sprachen Sprachenstammbaum der Familie Uumlbersetzungsspiel UmgangssprachethinspthinspFachsprache oder HochsprachethinspthinspDialekt

Redewendungen aus aller Welt Mehrsprachige Wortfelder

Die naumlhere Ausfuumlhrung zu den jeweiligen Spielideen finden Sie auf der Website und im Intranet der BiM ndash Bildung im Mittel-punkt Weitere Uumlbungen um Sprachbewusstsein und Mehr-sprachigkeit zu foumlrdern sind in Kapitel 6 angefuumlhrt

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

bdquoDer Geist einer Sprache offenbart sich am deutlichsten in ihren unuumlber- setzbaren Wortenldquo[Marie von Ebner-Eschenbach oumlsterreichische Schriftstellerin]

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Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd seinNutzen der eigenen Sprachkompetenzen und Umgang mit kritischen Situationen die sich durch die Mehrsprachigkeit der Kinder ergeben koumlnnen

41 Wenn Kinder untereinander in einer anderen Sprache als Deutsch sprechen

In vielen Schulen wird nach wie vor das Prinzip gelebt dass nur Deutsch gesprochen werden darf und soll Dieser Zugang blendet die Realitaumlt bilingualer Menschen aus und signalisiert den Kindern dass ein Teil von ihnen unerwuumlnscht ist Das ist weder fuumlr den Deutscherwerb noch fuumlr die Persoumlnlichkeitsent-wicklung des Kindes foumlrderlich Und dabei wird auszliger Acht gelassen warum Kinder in eine andere Sprache switchen

weil sie sich in ihrer Erstsprache sicherer fuumlhlen und Deutsch noch nicht gut beherrschen Fuumlr die Kommunikation eine Sprache zu waumlhlen die man gemeinsam gut kann ist ein natuumlrlicher Zugang Wuumlrde man die Kinder dann zwingen auf Deutsch zu wechseln wuumlrde man sie foumlrmlich verstummen lassen

Das Sprachwechseln kann auch bei Kindern die gut Deutsch sprechen ganz intuitiv passieren und vom Kind in diesem Moment nicht bewusst wahrgenommen werden Diese Sprach-wahl des Kindes zeugt eher von einer hohen Sprachkompetenz und von seinem kreativen Umgang mit der eigenen Bilinguali-taumlt

Als Problem wird haumlufig dargestellt dass andere Kinder durch den nichtdeutschen Sprachgebrauch ausgegrenzt wuumlrden Wenn Sie tatsaumlchlich beobachten dass Kinder jemanden durch Sprachwechsel ausgrenzen dann ist das Problem die Ausgren-zung Ein Sprachverbot ist hier der falsche Weg Viel wichtiger ist es uumlber das Ausgrenzen anderer Kinder an sich zu sprechen

Damit sich vielleicht andere Kinder nicht verunsichert fuumlhlen kann man auch die Bilingualitaumlt der SchuumllerInnen zum Thema zu machen und mit der Gruppe besprechen Dann kann man auch den Kindern vermitteln dass die gemeinsame Sprache der Gruppe Deutsch ist Damit Kinder ihre Bilingualitaumlt positiv erleben koumlnnen ist es aber ratsam dass sie im schulischen Kontext auch eine ihrer Erstsprachen verwenden koumlnnen So koumlnnen tatsaumlchlich ihre beiden Sprachen Platz haben so wie es auch ihrer Wirklichkeit entspricht Wie und wann geswitcht werden kann kann man in der Gruppe gemeinsam vereinbaren So haben die Kinder sowohl Deutschinput als auch die Moumlglich-keit all ihre Sprachkompetenzen zu benutzen

bdquoSprache ist der Schluumlssel zur Weltldquo[Alexander von Humboldt deutscher Naturforscher]

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Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein

42 Wenn Kinder Sie in Ihrer Erstsprache ansprechen

Viele FreizeitpaumldagogInnen der BiM ndash Bildung im Mittelpunkt haben selbst unterschiedliche und vielfaumlltige kulturelle und sprachliche Kompetenzen Und diese betrachten wir als wertvoll Sehen Sie Ihre Sprachkompetenz deshalb als Berei-cherung und Chance Denn Sprache ist mehr als Kommunika-tion es geht nicht nur darum dass die Kinder von Ihnen Deutsch lernen sie haben auch eine Bindung zu Ihnen aufge-baut oder sind gerade dabei Sich uumlber eine gemeinsame Sprache auszutauschen kann Vertrauen schaffen Manchmal wollen die Kinder einfach zeigen was sie alles koumlnnen

Wenn ein Kind tatsaumlchlich noch kein Deutsch spricht und versteht koumlnnen Sie mit Ihrer Sprachkompetenz eine gute Bruumlcke schlagen und das Kind dabei unterstuumltzen sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden durch kleine Erklaumlrungen oder indem Sie auf die Ausfuumlhrung des Kindes reagieren Ihre sprachliche Unterstuumltzung erleichtert dem Kind vor allem sich in der neuen Situation einzuleben Auch in der Kommunikation mit den Eltern koumlnnen Sie Ihre Sprachkenntnisse nutzen

PRAXIS die eigenen Sprachkompetenzen nutzen

Kurze Erklaumlrungen Wenn Sie bemerken dass sich ein Kind aus sprachlichen Gruumlnden in einer Situation ganz und gar nicht zurechtfindet und Sie haben eine andere gemeinsame Sprache koumlnnen Sie diese nutzen um dem Kind zu erklaumlren was gerade passiert oder was zu tun ist Beispielweise wenn es darum geht dass Sie gemeinsam in den Park gehen wollen und sich die Kinder anstellen sollten oder Aumlhnliches Danach koumlnnen Sie wieder auf Deutsch switchen Sie koumlnnen auch den restlichen Kindern kurz erklaumlren dass Sie in einer anderen Sprache gesprochen haben um dem Kind zu helfen besser zu verstehen was passiert So fuumlhlen sich die Kinder nicht ausgeschlossen und erleben dass Sprachgebrauch vielseitig sein kann und sein darf

Gespraumlch mit Eltern Wenn Sie bemerken dass es den Eltern schwer faumlllt auf Deutsch zu kommunizieren und Sie wissen sie haben eine andere gemeinsame Sprache in der es ihnen leichter fallen wuumlrde koumlnnen Sie es den Eltern behutsam und mit dem notwendigen Fingerspitzengefuumlhl anbieten So schaffen Sie eine leichtere Basis fuumlr Kommunikation sowie Austausch und Vertrauen

bdquoWir wohnen nicht in einem Land sondern in einer Spracheldquo[Emil Cioran rumaumlnischer Philosoph]

bdquoGelebte Zweisprachig-keit ist eher selten aumlqui-valent sondern asymmetrisch oft hierarchisch und bisweilen konfliktivldquo [Georg Kremnitz deutscher Romanist]

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43 Wenn Kinder offensichtlich ungute Dinge zu jemanden in einer Sprache sagen die Sie nicht verstehen

Wenn man Kindern die Moumlglichkeit einraumlumt ihre Erstsprachen zu verwenden haben Paumldago-gInnen manchmal Angst sie koumlnnten dies dafuumlr nutzen um Schimpfwoumlrter oder andere respekt-lose Ausdruumlcke zu verwenden In den seltensten Faumlllen ist es so Ihre Intuition wird Ihnen zeigen sollte tatsaumlchlich respektlos miteinander umgegangen werden Dazu braucht man nicht jedes Wort zu verstehen denn Kommunikation passiert auch auf nonverbaler Ebene Dabei ist natuumlrlich der respektlose Umgang zu hinterfra-gen Auch in diesem Fall ist ein Deutschgebot das die Verwendung anderer Sprachen unter-bindet nicht zielfuumlhrend Denn einerseits wuumlrde man dadurch die Kinder die respektvoll mitein-ander umgehen auch sanktionieren und ander-seits wird dadurch das Problem des fehlenden Respekts nicht geloumlst Viel wichtiger ist es einen respektvollen Umgang miteinander zu foumlrdern unabhaumlngig davon welche Sprache dabei gesprochen wird

44 Wenn SchuumllerInnen die in Deutsch noch schwach sind ausgegrenzt werden

Fehlende Sprachkompetenz kann auch ausgrenzend wirken Das Kind kann sich nicht verstaumlndigen bei Spielen und Gesprauml-chen nicht mitmachen und wird vielleicht von den Mitschuumller-Innen nicht in die Gruppe integriert Das kann zu einer Nega-tiv-Spirale fuumlhren denn die eingeschraumlnkten sozialen Kontakte schraumlnken auch den sprachlichen Kontakt ein und Kinder lernen besonders viel von- und miteinander In solch einer Situation kann es hilfreich sein dass Sie thematisieren wie es einem geht wenn man eine neue Sprache lernt Dazu gibt es zahlrei-che kindgerechte Uumlbungen ZthinspB ausgeruumlstet nur mit einem

Woumlrterbuch in einer ganz fremden Sprache etwas erklaumlren muumlssen oder auch selbst daruumlber reflektieren wie geht es mir beim Fremdsprachenlernen zthinspB Englisch Wenn man sich besinnt wie herausfordernd der Weg ist hat man auch mehr Verstaumlndnis fuumlr den neuenthinspthinspdie neue MitschuumllerIn

Helfen kann auch die Kinder von Anfang an als Stuumltze und Hilfe fuumlr das neue Kind einzubinden So fuumlhlen sie Verantwor-tung und koumlnnen selbst etwas fuumlr den guten sozialen Klassen-verband beitragen

Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein

bdquoMehrsprachige Kompetenz ist nicht nur Ein - sprachigkeit in mehreren Sprachen sondern ist als eine ganzheit-liche Sprach-kompetenz aufzufassen und zu foumlrdernldquo [Elisabeth Allgaumluer-Hacklthinspthinsp Ulrike Jessner in Mehrsprachig-keitsunterricht aus mehrsprachiger Sicht Zur Foumlrderung des metalinguistischen Bewusstseins]

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Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren Argumente und Darstellungen fuumlr Gespraumlche und Fragen mit denen Sie Ihre Position Mehrsprachigkeit zu foumlrdern erklaumlren und staumlrken koumlnnen

51 Ein Erklaumlrungsversuch ndash warum die Foumlrderung und Anerkennung sprachlicher und soziokultureller Diversitaumlt in Frage gestellt wird

Uumlber Mehrsprachigkeit wird schon seit langem geforscht denn Gesellschaften in denen mehrere Sprachen zusammenkom-men hat es seit jeher gegeben Die wissenschaftlichen und empirischen Ergebnisse aus der Mehrsprachigkeitsforschung zeigen allesamt dass die Foumlrderung der individuellen und gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit allen zugutekommt Zum Beispiel schadet es nicht dem Erlernen und Erwerben des Deutschen wenn Kinder auch in ihren anderen Erstsprachen gefoumlrdert werden Genau das Gegenteil ist der Fall Kinder entwickeln sich insgesamt sprachlich besser Und viele weitere positive Argumente wurden formuliert

Diese gesellschaftliche Mehrsprachigkeit und Plurikulturalitaumlt verlaumluft aber in den seltensten Faumlllen konfliktfrei Die Konflikte sind meist das Ergebnis von politischen Maszlignahmen die bestim-men SprecherInnengruppen mehr Macht und staumlrkere Positionen einraumlumen Das fuumlhrt auch dazu dass im oumlffentlichen Diskurs ndash in den Medien in Debatten und Stellungnahmen usw ndash manche Menschen die Position vertreten nur die anerkannte Amtsspra-che Deutsch sei foumlrdernswert und von Nutzen Die anderen Sprachkompetenzen werden als Problem angesehen Diese Haltung ist eine ausgrenzende die Menschen diskriminiert Diskriminierung fuumlhrt in keinem Fall zu einem besseren Schul-erfolg oder zur besseren Integration Auffaumlllig bei dieser Haltung ist dass die Sprachen selbst bewertet werden Beispielsweise wird das Erwerben von Englisch als positiv bewertet und eine Deutsch-Englisch Bilingualitaumlt auch Wenn es um migrationsbe-dingte Mehrsprachigkeit geht wird diese als Hindernis einge-

bdquoSchule muss bilinguale Kinder auch als solche wahrnehmen und nicht versuchen sie in die Passform des einsprachigen Kindes zu pressenldquo [Zwetelina Ortega]

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Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

stuft Wie steht es um die Erstsprachen die durch Migration nach Oumlsterreich gelangt sind Wie ist ihr Image Eine entscheidende Rolle spielt der Status der SprecherInnen Um mit Robert Walser zu sprechen Money rules the world Ist die Gruppe der Sprech-erInnen wirtschaftlich stark hat ihre Sprache gesellschaftlich hohe Anerkennung Uumlbt die Vielzahl einer SprecherInnengruppe jedoch niederqualifizierte und schlecht bezahlte Jobs aus ist sie wirtschaftlich schwach so hat ihre Sprache ein schlechtes Image in der Gesellschaft Diese Situation ist in allen Einwanderungsge-sellschaften aumlhnlich die Sprachen sind auswechselbar

Tatsache ist dass sich falsche und diskriminierende Argumente immer noch halten und dass Ihnen vielleicht Menschen begeg-nen werden die versuchen werden gegen die Foumlrderung von Mehrsprachigkeit zu argumentieren

Es gibt keinen Grund der Diskriminierung und Ausgrenzung zulaumlssig macht Das Ziel einer gelungenen paumldagogischen Arbeit ist es alle Facetten des Kindes anzunehmen und sie als Teil des paumldagogischen Alltags zu integrieren

52 Argumentationslinien und moumlgliche Positionen im Austausch mit KollegInnen Eltern KlassenlehrerInnen und DirektorInnen

Um Ihre Position zu staumlrken dass alle Sprachen und Sprach-kompetenzen gleichberechtigt und wertvoll sind und Sie sie deshalb in Ihrer Arbeit beruumlcksichtigen und foumlrdern haben wir einige Argumente fuumlr Sie ausgearbeitet

Familiaumlrer Kontext

Voraussetzung fuumlr eine gute Lernumgebung sind Menschen die viel und richtig mit dem Kind sprechen Eltern die meinen ihrem Kind etwas Gutes zu tun indem sie mit ihm Deutsch sprechen obwohl sie die Sprache nicht auf Muttersprachen-niveau beherrschen koumlnnen damit der kindlichen Sprachent-wicklung manchmal mehr schaden als helfen

Wichtig ist dass mit den Kindern viel gesprochen erzaumlhlt gelesen und vorgelesen wird Die Sprache die die Eltern dabei verwenden sollte eine sein in der sie sich wohl und sicher fuumlhlen und vielseitig ausdruumlcken koumlnnen Uumlblicherweise ist dies die Erstsprache der Eltern Kinder koumlnnen dann generell besser mit Sprache umgehen ndash auch mit Deutsch

Paumldagogischer und schulischer Kontext

Durch sprachsensible paumldagogische Arbeit die auch die Mehrsprachigkeit der Kinder beruumlcksichtigt wird das Verinner-lichen der sprachlichen Inhalte vor allem auch der bildungs-sprachlichen verbessert Der Aufbau von Bildungssprache ist Grundlage fuumlr Wissenserwerb Diese Faumlhigkeit die Sie den SchuumllerInnen vermitteln wird sie langfristig dazu befaumlhigen auch in ihren weiterfuumlhrenden Ausbildungen besser voranzu-kommen Dadurch werden auch die Bildungschancen aller SchuumllerInnen erhoumlht und zum Teil werden ungleiche Bildungs-bedingungen uumlberwunden

Beim doppelten Spracherwerb also bei Kindern die bilingu-al aufwachsen beeinflussen sich beide Sprachsysteme gegen-seitig positiv in ihrem Wachstum Das ist wissenschaftlich erwiesen Der Erhalt der Erstsprache gefaumlhrdet in keiner Weise den guten Erwerb des Deutschen im Gegenteil

bdquoEs ist doch ein groszliger Unter-schied ob einem gesagt wird dass Sprachen gleichwertig sind und man alles in jeder ausdruumlcken kann oder ob man es tutldquo [Elke Montanari deutsche Sprach- wissenschaftlerin]

bdquoDer Mensch ist Mensch nur durch Spracheldquo[Johann Gottfried von Herder deutscher Dichter und Uumlbersetzer]

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Wer sein Wissen aus den vorab erworbenen oder erlernten Sprachen einbringen kann der erfaumlhrt einen Motivationsschub der sich positiv auf das weitere Sprachenlernen auswirken kann

Die Anerkennung einer Herkunftssprache im schulischen Kontext kann zu einer positiven Persoumlnlichkeitsentwicklung der SchuumllerInnen fuumlhren Deren Aufwertung gibt den Kindern Selbstvertrauen und Sicherheit die sich auf den gesamten Lernerfolg gut auswirken

Eines der Ziele die sich die Europaumlische Union gesetzt hat ist es dass jeder Buumlrgerthinspthinspjede Buumlrgerin seinethinspthinspihre Mutterspra-che sowie mindestens zwei weitere Sprachen beherrscht Diesem Ziel ruumlcken wir naumlher wenn wir die vorhandenen Sprachkompetenzen der Kinder nutzbar machen

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen dass bei einer Foumlrderung der durchgaumlngigen Sprachbildung und lebenswelt-lichen Mehrsprachigkeit von Kindern die narrative Schreibfauml-higkeit und die schriftliche Kompetenzentwicklung gestaumlrkt werden und die bildungssprachlichen Elemente im Deutschen zunehmen

Es gibt noch viele weitere Argumente warum Mehrsprachigkeit immer ein Vorteil ist und nicht als Problem gesehen werden sollte Weitere Argumente werden Sie bestimmt in Ihrer eigenen Arbeit und Erfahrung mit den Kindern selbst finden Trauen Sie sich selbstbewusst zu Ihrer Position zu stehen und lassen Sie diskriminierende Haltungen nicht unkommentiert Wenn Sie die Moumlglichkeit haben nutzen Sie Ihre eigenen vielseitigen Sprachkompetenzen seien es Fremdsprachen oder weitere Erstsprachen sei es im spielerischen Umgang oder wenn Sie etwas erklaumlren Gemeinsam koumlnnen wir dazu beitra-gen dass mehrsprachige Kinder positiv wahrgenommen werden

Kapitel 6

Weitere Uumlbungs- und Anwendungsideen In diesem Kapitel finden Sie viele praxisnahe Uumlbungen fuumlr den spielerischen Umgang mit Mehrsprachigkeit in der Freizeitpaumldagogik

Wenn Sie solche oder aumlhnliche Uumlbungen mit den Kindern ausprobieren werden Sie vielleicht selbst oder gemeinsam mit ihnen viele neue Ideen entwickeln wie man Mehrsprachigkeit spielerisch und mit Freude in der Freizeitbetreuung aufgreifen kann Probieren Sie es aus Es wird allen SchuumllerInnen be-stimmt gefallen Das sind die Erfahrungen die wir bisher gemacht haben Hier einige Ansaumltze fuumlr Sie

Die Herkunft der Vor- und Nachnamen ndash wir erkunden die Bedeutungen unserer Namen

Radio aus aller Welt ndash wir houmlren in Online-Radiosender in verschiedenen Sprachen hinein Dabei koumlnnen die Kinder raten oder versuchen zu erkennen welche Sprache gerade erklingt

Stille Post mit den Sprachen unserer Klasse spielen

Kleine Sprachschule ndash jeweils ein Kind bringen dem Rest der MitschuumllerInnen einfache Saumltze und nuumltzliche Worte bei

Mehrsprachigkeit im oumlffentli-chen Raum ndash wir begeben uns auf Entdeckungsreise und suchen Orte wo wir unter-schiedliche Sprachen houmlren und sehen

Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

bdquoKennst du viele Sprachen ndash hast du viele Schluumlssel fuumlr ein Schloszligldquo[Voltaire franzoumlsischer Philosoph und Schriftsteller]

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Kapitel 7

EmpfehlungenLektuumlreempfehlungen zur Vertiefung Zahlreiche Links die weitere Anwendungsideen fuumlr die Praxis bieten aber auch vielseitige Artikel zum Thema

Weiterfuumlhrende Literatur

Krumm Hans-JuumlrgenthinspthinspReich Hans H 2011 Curriculum Mehrsprachigkeit Online im Internet

Montanari Elke 2013 Mit zwei Sprachen groszlig werden Mehrsprachige Erziehung in Familie Kindergarten und Schule Muumlnchen Koumlsel

Montanari ElkethinspthinspPanagiotopoulou Julie 2019 Mehrsprachigkeit und Bildung in Kitas und Schulen UTB

Schader Basil 2013 Sprachenvielfalt als Chance Handbuch fuumlr den Unterricht in mehrsprachigen Klassen Zuumlrich orell fuumlssli

Hilfreiche Institutionen

Kinderbuumlcherei der Weltsprachen gehoumlrt zu den Staumldtischen Buumlchereien wwwkirangoat Veranstaltungen zu Lesefoumlrderung fuumlr Schulen und Kindergaumlrten Teil der Buumlcherei Wien

wwwbaobabat BAOBAB ndash GLOBALES LERNEN vielseitige Arbeitsmaterialen und Literatur

Links

wwwlanguage-diversityeu ndash Arbeitsblaumltter Lehrmaterial Unterrichtsideen Schwerpunkt auf Minderheitensprachen in Europa

wwwpapperlapappcoat ndash Bilinguale Kinderzeitschrift wwwmultilingual-familieseu ndash Materialen fuumlr mehrsprachige Erziehung wwwderstandardatr2000023362091Linguamulti ndash monatlicher Blog zu Mehrsprachigkeit und Spracherwerb

wwwschule-mehrsprachigat ndash Kinder- und Jugendbuumlcher in vielen Sprachen Infos zum Muttersprachenunterricht

wwwfacebookcomlinguamulti ndash taumlglich Inhalte zum Thema Mehrsprachigkeit und Interkulturalitaumlt

Anschuumltzgasse 1 2 Stock 1150 WienTel +43 1 524 25 09-0 Fax +43 1 524 25 09-30officebildung-wienat wwwbildung-wienat

IMPRESSUMMedieninhaber und fuumlr den Inhalt verantwortlich BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbHAnschuumltzgasse 1 1150 Wien | Firmensitz Wien | FN502272k | Handelsgericht WienKonzeption Redaktion Text Zwetelina Ortega Linguamulti ndash wwwlinguamultiat (unter Mitwirken von BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbH)Fotos C Pertramer (S 5) J Zinner M Possert (S8)Grafik Gerald Waibel effundweat

Page 8: Unsere Schule spricht viele Sprachen · Unsere Schule spricht viele Sprachen Leitfaden für die Freizeitpädagogik. 2 3 Inhalt ... Es ist unsere gemeinsame Aufgabe im Bildungsbereich,

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Kapitel 2

Spracherwerb bei mehrsprachigen Kindern

Muttersprache Dieser Begriff wird als eine Art Synonym fuumlr Erstsprache verwendet Da er missverstaumlndlich ist ndash denn auch die Sprache des Vaters ist eine Muttersprache fuumlr das Kind ndash wird dieser Begriff im wissen-schaftlichen Kontext und in der Forschung nicht mehr verwendet Im Alltag ist er durch-aus gebraumluchlich und per se nicht falsch

Zweitsprache und Zweitspracherwerb Eine zweite Sprache wird nach dem Erwerb der Erstsprache (in der fruumlhen Spracherwerbs-phase) erworben Achtung eine zweite Erstsprache ist keine Zweitsprache Meist spricht man von Zweitsprache wenn das Kind uumlber vier Jahre alt ist und damit der Erstspracherwerb zumindest weit fortgeschritten ist und in seiner weiteren Sozia-lisierung eine neue Sprache hinzukommt

Ein Beispiel Ein Kind waumlchst in Syrien mit Arabisch und Kurdisch auf mit sechs Jahren kommt es nach Oumlsterreich In diesem Fall sind Arabisch und Kurdisch Erstsprachen und Deutsch eine Zweitsprache Oft beobachtet man dass sich langfristig die Sprachkompetenz zu Gunsten der Zweitsprache bzw Bildungssprache verschiebt

Die Definitionen bezuumlglich Mehrsprachigkeitsentwicklung sind auch deshalb eine Herausforderung weil Sprache viele weitere Aspekte hat Emotionalitaumlt gesellschaftlich-kulturelle Zusam-menhaumlnge und Sprache ist auch stark mit der Identitaumlt und deren Entwicklung verbunden Die Sprachen die uns umgeben beeinflussen unsere Persoumlnlichkeit und unsere Gefuumlhlswelt Deshalb hat sich der Begriff bdquoHerzspracheldquo ergeben um so der Emotionalitaumlt von Sprache gerecht zu werden Dieser Begriff wird sogar in der Wissenschaft verwendet und beschreibt die Sprache die einem nahe ist und zu der man eine enge emotio-nale Bildung hat Das kann manchmal ein Dialekt sein oder auch sehr oft die Sprache der eigenen Eltern Welche die Herzsprache eines Menschen ist ist aber letztendlich sehr individuell

Zu oft wachsen Kinder aus Migrantenfamilien mit der Vorstel-lung auf Deutsch sei nicht bdquoihreldquo Sprache Dabei geht es sehr stark um die subjektive Zuordnung von Muttersprache Dieses Gefuumlhl der Zugehoumlrigkeit zu einer SprecherInnengruppe ist deshalb so wichtig weil es das Selbstbewusstsein der Kinder staumlrkt und ihnen im Spracherwerb Sicherheit gibt Es geht also auch darum den Kindern zu vermitteln dass Deutsch ihre Bildungssprache ist und sie selbstbewusst mit ihren Sprach-kompetenzen umgehen sollen selbst wenn zuhause kein Deutsch gesprochen wird

22 Warum es grundsaumltzlich nie falsch ist Mehrsprachigkeit zu foumlrdern

Wenn wir uns die Sprachentwicklung des doppelten Sprachauf-baus ansehen so gibt es allerhand Unterschiede im Vergleich zu einer monolingualen Sprachentwicklung Es werden gleich-zeitig zwei unabhaumlngige Sprachsysteme aufgebaut Unabhaumln-gig aber auch staumlndig im Kontakt und Austausch miteinander Dieser Austausch fuumlhrt unter anderem dazu dass Mehrsprachi-ge im sprachlichen Begreifen oft kognitiv flexibler und effizien-ter als Monolinguale sind Anfangs aber koumlnnen sich die Sprachen bdquoim Weg stehenldquo Es kommt zu sogenannten Interfe-renzen die uns als Fehler auffallen

bdquoKinder die von Geburt an zweisprachig aufwachsen erwerben also nicht nur zwei Verbalsprachen sondern auch zwei Systeme von Aussprache und Sprachme-lodie Gestik und Mimik sowie von kulturellen Regeln der Kommunikationldquo [Anja Leist- Villis deutsche Erziehungswissen-schaftlerin]

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Sprachbewusstseinsfoumlrderung unterstuumltzt die Kinder dabei sich in ihren Sprachsystemen zurechtzufinden

Und weil bei Bilingualen die Sprachen sich bdquoberuumlhrenldquo und bdquobeeinflussenldquo ist es besonders gut wenn in der Sprachfoumlrde-rung alle Sprachen des Kindes Beachtung finden Denn beide Sprachsysteme beeinflussen sich gegenseitig in ihrem Wachs-tum Das ist wissenschaftlich ausfuumlhrlich erforscht und belegt Aus zahlreichen Forschungsergebnissen weiszlig man auch dass die Sprachen nicht getrennt im Gehirn verortet sind sondern in einem Sprachzentrum Der Erhalt der Muttersprache gefaumlhrdet somit in keiner Weise den guten Erwerb des Deutschen im Gegenteil

Es geht auch darum das wertvolle Potenzial der Mehr-sprachigkeit in den Kindern zu staumlrken Es geht nicht darum sich nur auf eine konkrete Sprache zu konzentrieren sondern die Sprachenvielfalt spuumlrbar zu machen Das fuumlhrt nicht nur dazu dass die Kinder viele Sprachen gut sprechen koumlnnen sondern durch diesen Ansatz foumlrdern PaumldagogInnen auch die sprachliche Entwick-lung generell Somit lernen die SchuumllerInnen all ihre Sprachen kompetent und selbstbewusst zu nutzen Diesen selbstbe-wussten Zugang koumlnnen Sie auch durch Ihre Vorbildwirkung foumlrdern indem Sie Ihre Kompe-tenzen in Ihrer eignen Erstspra-che oder in erworbenen Fremd-sprachen gemeinsam mit den Kindern nutzen Damit zeigen Sie dass Sprachenvielfalt zum Alltag gehoumlrt

23 Spracherwerb zuhause

Die Sprache der Eltern ist durch die ersten Bindungserfahrun-gen stark emotional besetzt Mit der Erstsprache werden zugleich spezifische soziale Regeln Normen und Werte vermittelt die dem Kind Orientierungspunkte fuumlr den Aufbau seiner Identitaumlt bieten

Fuumlr die freizeitpaumldagogische Arbeit bedeutet dies dass auch auf die Sprachkompetenz aus dem familiaumlren Kontext einge-gangen werden sollte Das kann den Kindern helfen bereits Gelerntes aus der Herkunftssprache mit neuen Inhalten aus dem Deutschen zu verknuumlpfen

Diese Herangehens- weise wird auch mit

OPOL abgekuumlrzt Dies bedeutet dass jeder Elternteil in seiner jeweiligen Erstsprache mit dem Kind spricht Es ist eine Methode die sich uumlberaus bewaumlhrt hat Denn das Kind assozi-iert die Person mit der Sprache Zweisprachige Kinder reagieren sehr sensibel auf ihr Gegenuumlber und wenn sie eine Sprache mit einer Person assoziieren dann bleibt diese Verbindung Uumlber die Sprache entsteht auch eine emotionale Bindung zu der Person die wiederum zur emotionalen Bindung mit der Sprache selbst fuumlhrt Wichtig ist dass die Anwendung dieser Strategie auf natuumlrliche Weise passiert und nicht gekuumlnstelt oder ver-krampft

Deshalb ist es wichtig dass die Eltern bei ihrer Kommunika-tionssprache mit dem Kind bleiben und diese nicht migrations-bedingt aumlndern

Fuumlr die Foumlrderung der Herkunftssprache koumlnnen Eltern auch die zahlreichen Angebote des Schulsystems nutzen zthinspB den Muttersprachenunterricht Mehr Information dazu wwwschule-mehrsprachigat

One person ndash one language

Kapitel 2

Spracherwerb bei mehrsprachigen Kindern

bdquoDer Mensch ist ein komple-xes Lernwesen und Sprache braucht die emotionale und gesellschaftlich kontextuelle Verknuumlpfungldquo [Zwetelina Ortega]

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31 Code-switching und Code-mixing

Mehrsprachige Kinder bdquovermischenldquo oftmals ihre Sprachen Dieses Phaumlnomen wird auch Code-mixing genannt Oder sie wechseln zwischen den Sprachen genannt Code-switching Dieses Sprachverhalten kann PaumldagogInnen verunsichern Faumllschlicherweise wird Mehrsprachigen nachgesagt sie haumltten einen eingeschraumlnkten Wortschatz und weniger ausdifferen-zierte sprachliche Ressourcen in den jeweiligen Sprachen als Kinder mit einer Erstsprache Untersuchungen zeigen aber dass dies nur fuumlr die ersten Lebensjahre stimmt Gegen Ende der Volksschule gleichen sich Grammatik und Wortschatz in der dominanten Sprache aus und oft uumlberholen die bilingualen Kinder sogar die monolingualen

Junge Menschen verwenden Code-switching auch als bdquoHilfs-strategieldquo wenn der fuumlr ein Thema relevante Wortschatz in der anderen Sprache leichter verfuumlgbar ist

Nahezu alle mehrsprachigen Menschen mischen und vermi-schen ihre Sprachen vor allem in informellen Gespraumlchskontex-ten Es ist auch nicht weiter schlimm solange es in dem eben dargelegten Rahmen bleibt

Fuumlr Sie als PaumldagogIn heiszligt das dass Sie nicht das Gefuumlhl haben muumlssen immer eine einheit-

liche Sprache einzufordern Versuchen Sie im Sprachwechsel auch die Kreativitaumlt der Kinder zu erkennen und diese in der Betreuung zu nutzen Vielleicht moumlchte das Kind erklaumlren warum es gerade dieses Wort aus einer anderen Sprache verwendet hat und welche die besondere Bedeutung ist

In der paumldagogischen Praxis

Weitere Moumlglichkeiten auf Code-switching und Code-mixing spielerisch einzugehen vielsprachige kreative Texte schreiben in denen alle Sprachen vorkommen duumlrfen

Ein vielsprachiges bdquoStadt Land Flussldquo-Spiel bei dem alle Sprachen erlaubt sind Wichtige Regel dabei die Kinder muumlssen versuchen die Begriffe auf Deutsch zu uumlbersetzen zu umschreiben oder zu erklaumlren um sie so der ganzen Gruppe verstaumlndlich zu machen Es ist dabei hilfreich wenn Sie als PaumldagogIn den Anfang machen und sich selbst auch mit Ihren Sprachkenntnissen einbringen So verstehen die Kinder das Spiel besser und trauen sich eher ihre Erstsprachen zu verwen-den

Oder als Reihum-Fragespiel bdquoWie sagt man in deiner (nicht-deutschen) Sprache fuumlr Ich habe einen Baumlrenhunger hellip Der ist bekannt wie ein bunter Hund hellip Du kannst mir mal den Buckel runterrutschen hellipldquo und andere bekannte Redensarten

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen KontextErscheinungsformen gelebter Mehrsprachigkeit in der Schule und viele Beispiele fuumlr praxisnahe Handlungsfelder und Uumlbungen

bdquoEine Umsetzung mehrschriftlicher und multilingua-ler Ansaumltze kann allen Beteiligten zu mehr Freiheit und Selbstbe-stimmung verhelfen [hellip]ldquo [Elke Montanarithinspthinsp Julie Panagioto-poulou in Mehrsprachigkeit und Bildung in Kitas und Schule]

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Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

32 Dominante und schwache Sprache

Nahezu jede Sprachsituation im Leben von zweisprachigen Kindern ist einzigartig Diese haumlngt von unterschiedlichen Gegebenheiten ab Wie oft ist das Kind im Kontakt mit einer Sprache Wie haumlufig wird sie gesprochen Mit wem wird sie gesprochen Wie viel und welcher Input ist da usw In vielen Faumlllen entwickelt sich eine Sprache schneller und besser als die andere Die Kompetenzen in den Sprachen koumlnnen sich im Laufe des Lebens veraumlndern oder auch verschieben je nach Sprachsituation und Motivation des Menschen Nur selten beherrschen Kinder beide Sprachen gleich gut Auch Erst- oder Zweitsprachen koumlnnen sich je nach Lebenssituation in ihrer Dominanz verschieben

Auch wenn Sie das Gefuumlhl haben dass das Kind seine Erstsprache nicht so gut beherrscht wird

es sich sicher freuen und es als positiv erleben wenn es etwas daruumlber erzaumlhlen kann oder sich mit Wortbeitraumlgen und Kommentaren in dieser Sprache einbringen kann

In der paumldagogischen Praxis

33 Gesellschaftliches Prestige der Sprachen

bdquoAlle Sprachen sind gleichwertigldquo ndash diese so selbstverstaumlndlich schei-nende Aussage deckt sich leider ganz und gar nicht mit der Wirklichkeit Viele Vorurteile truumlben den Blick auf den Wert individueller migrationsbe-dingter Mehrsprachigkeit Vorurteile sind wie ein Echo auf die Mehrspra-chigkeit Das Kind bekommt sie fruumlher mit als uns lieb ist Dieser Umstand kann die gesamte Sprachentwicklung bremsen

Das Prestige einer Sprache haumlngt in erster Linie vom Ansehen ihrer SprecherInnen ab Dieses Ansehen wiederum ist vor allem durch die wirtschaftliche und soziale Position einer bestimmten SprecherInnengruppe in der Gesellschaft beeinflusst

Als PaumldagogIn kann man mit dem eigenen Verhalten

zeigen dass alle Sprachen gleich geschaumltzt werden Diese Wertschaumltzung gilt es auch den Eltern zu signalisierten Dabei reichen oft kleine Kommentare Zum Beispiel bdquoEs ist groszligartig dass du so viele Sprachen sprichstldquo bdquoEs gefaumlllt mir wenn ich dich hellip sprechen houmlreldquo oder bdquoSchoumln dass Ihr Kind zwei Sprachen so gut beherrschtldquo Und Sie koumlnnen den Kindern und Eltern auch von Ihren eignen Erfahrungen erzaumlhlen beim Sprachenlernen oder von Ihrer eignen Bilingualitaumlt ZthinspB durch Beispiele fuumlr die Nuumltzlichkeit von Mehrsprachigkeit im Urlaub oder durch den Hinweis auf berufliche Vorteile Oumlsterreichische Firmen (zthinspB Banken) stellen naumlmlich gerne MitarbeiterInnen ein die neben Deutsch nicht immer nur Englisch sondern gerne auch andere Sprachen wie die BKS-Sprachen oder Tuumlrkisch sprechen So vermitteln Sie das Thema auf authentische Weise und staumlrken gleichzeitig die Familie positiv mit ihrer eigenen Mehrsprachigkeit umzugehen

In der paumldagogischen Praxis

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34 Interferenzen und Lerntransfer

Wenn Sprachen sich gegenseitig beeinflussen und es dadurch zu einer Fehlleistung kommt sprechen wir von Interferenz Dies kann auf grammatikalischer phonetischer oder lexikali-scher Ebene vorkommen Meist beeinflusst die dominante Sprache die schwaumlchere Im Spracherwerb kann es Phasen geben in denen es zu zahlreichen Interferenzen kommt Diese Phasen gehen aber meist wieder zuruumlck wenn die Sprachen sich gut entwickeln und das sprachliche Repertoire des Kindes waumlchst Voraussetzung dafuumlr ist eine gute Lernumgebung und Menschen die viel und richtig mit dem Kind sprechen Eltern die meinen ihrem Kind etwas Gutes zu tun indem sie mit ihm Deutsch sprechen obwohl sie die Sprache nicht auf Mutter-sprachenniveau beherrschen schaden damit der kindlichen Sprachentwicklung

Es gibt aber auch einen Lerntransfer zwischen den Sprachen und zwar dann wenn sie sich positiv beeinflussen und es beim Sprachenlernen zu sogenannten Uumlbertragungen kommt Diese bleiben fuumlr uns verborgen weil sie eine Form gelingenden Sprechens sind

PRAXIS Umgehen mit sprachlichen Fehlleistungen

Korrektives Feedback wiederholen Sie im Gespraumlch mit dem Kind richtig was falsch gesagt wurde und versuchen Sie es in das Gespraumlch einflieszligen zu lassen Wiederholen Sie Schluumls-selwoumlrter die das Kind falsch gesagt hat eher am Ende des Gespraumlchs richtig Versuchen Sie auf direktes Verbessern zu verzichten Es stoumlrt den Gespraumlchsverlauf Fordern Sie die Kinder nicht staumlndig auf das falsch Gesagte richtig zu wieder-holen Hin und wieder kann es zielfuumlhrend sein weil es Klarheit verschafft zu oft eingefordert kann es die Kinder beim Sprechen hemmen

Geduld Spracherwerb ist ein langsamer Prozess der noch dazu nicht linear verlaumluft Es gibt Entwicklungsspruumlnge dann wieder Phasen in denen sich vermeintlich wenig weiterentwi-

ckelt Kinder nehmen Sprachinput auf und verarbeiten ihn fuumlr sich Bis es uns beim Reden auffaumlllt muss manchmal etwas Zeit vergehen Haben Sie also Geduld Ihre Foumlrderansaumltze brauchen einfach etwas Zeit um zu fruchten

Wahrnehmen Jeder freut sich wenn man seine Anstren-gung wahrnimmt Wenn Ihnen bei einem Kind eine sprachliche Errungenschaft auffaumlllt so koumlnnen Sie es explizit sagen

Stuumltze in der Erstsprache des Kindes Sollten Sie die Erstsprache des Kindes beherrschen koumlnnen Sie diese Kompe-tenz selbstverstaumlndlich nutzen um dem Kind in seinem Spracherwerb zu helfen Beispielsweise indem Sie ihm etwas kurz erklaumlren damit es dieses besser versteht Manchmal hilft es auch den Fehler in der deutschen Sprache aus der Sicht der Erstsprache zu betrachten dann kann man das Kind besser unterstuumltzen Nutzen Sie diese Chance wenn Sie sie haben

Fehler machen ist Teil jeder Form von Spracherwerb und von Sprachlernen Fehlermachen im gesteuerten ebenso wie im ungesteuerten Spracherwerb ist etwas voumlllig Natuumlrliches Fehler zu machen und sie als solche zu erkennen ist ein Schluumls-selelement jeder Form des Spracherwerbs Wenn Sie als PaumldagogIn Ihrerseits Deutsch nicht als Muttersprache erwor-ben haben koumlnnen Sie auf eigene Fehler und Muumlhen im Erwerb

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

bdquoEine andere Sprache ist eine andere Sicht auf das Lebenldquo [Federico Fellini italienischer Filmemacher]

bdquoDer Akzent sorgt fuumlr die Schoumlnheitsmale auf der Sprach-hautldquo[Ilija Trojanow bulgarisch- deutscher Schriftsteller]

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des Deutschen verweisen (zthinspB auf die richtige Beugung unregelmaumlszligiger Verben oder die Stellung des Verbs am Ende des Nebensatzes etc)

35 Sprachbewusstsein foumlrdern eine Methode die viel bewirkt

Im Gegensatz zur schulischen Mehrsprachigkeit wird die migrationsbedingte bzw lebensweltliche Mehrsprachigkeit bisher zaghaft gefoumlrdert und im Unterricht weitgehend ausge-blendet Die Herkunftssprachen der SchuumllerInnen werden im Unterricht selten einbezogen Sie werden eher als Belastung bzw als Problem und nicht als Ressource angesehen

Sprachbewusstsein ist das Bewusstsein fuumlr die Funktionsweise und Bedeutung von Sprachen Wenn man Kinder darin unter-stuumltzt so gibt man ihnen die Moumlglichkeit und befaumlhigt sie sprachliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erkennen Zudem werden sie darin gefoumlrdert zu erkennen welche Rolle Sprache in unserer Gesellschaft spielt

Bei diesem Prozess koumlnnen die SchuumllerInnen auf bereits vorhandenes Sprachlernwissen zuruumlckgegriffen Wenn sie sich mit ihrem Wissen aus der erworbenen Herkunftssprache einbringen koumlnnen so bewirkt dies einen Motivationsschub der sich positiv auf das weitere Sprachenlernen auswirken kann

Stellen Sie Spiele und Uumlbungen und Methoden zur Verfuumlgung die die Kinder motivieren ihre vorhandenen Sprachkenntnisse zu nutzen so dass die Sprachen auch erklingen koumlnnen Und vergessen Sie dabei nicht auf die zentrale Vorbildwirkung die Sie selbst einbringen koumlnnen Beteiligen Sie sich selbst an den Spielen und Uumlbungen mit Ihren Sprachkenntnissen Die Kinder werden viel Freude daran haben diese weitere Facette die Sie ausmacht kennenzulernen So koumlnnen Sie gemeinsam mit den Kindern Lieder singen die es in mehreren Sprachversionen gibt (wie zthinspB Fregravere JacquesthinspthinspBruder Jakob und in der Weihnachts-zeit Stille Nacht heilige Nacht ndash ein Lied das es bestimmt in den Sprachen aller beteiligten Kinder gibt)

PRAXIS Anwendungsideen

Am Anfang steht die Bereitschaft Raum fuumlr Gespraumlche uumlber die eigene Sprachbiografie zu schaffen Natuumlrlich nehmen an diesen Gespraumlchen alle Kinder teil auch jene die nicht bilingual aufwachsen Weitere Spielideen

Sprachenportrait ndash meine Sprachen in mir Uumlber Sprache nachdenken und daruumlber sprechen Meine Sprachbiografie Meine Familie und ihre Sprachen Sprachenstammbaum der Familie Uumlbersetzungsspiel UmgangssprachethinspthinspFachsprache oder HochsprachethinspthinspDialekt

Redewendungen aus aller Welt Mehrsprachige Wortfelder

Die naumlhere Ausfuumlhrung zu den jeweiligen Spielideen finden Sie auf der Website und im Intranet der BiM ndash Bildung im Mittel-punkt Weitere Uumlbungen um Sprachbewusstsein und Mehr-sprachigkeit zu foumlrdern sind in Kapitel 6 angefuumlhrt

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

bdquoDer Geist einer Sprache offenbart sich am deutlichsten in ihren unuumlber- setzbaren Wortenldquo[Marie von Ebner-Eschenbach oumlsterreichische Schriftstellerin]

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Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd seinNutzen der eigenen Sprachkompetenzen und Umgang mit kritischen Situationen die sich durch die Mehrsprachigkeit der Kinder ergeben koumlnnen

41 Wenn Kinder untereinander in einer anderen Sprache als Deutsch sprechen

In vielen Schulen wird nach wie vor das Prinzip gelebt dass nur Deutsch gesprochen werden darf und soll Dieser Zugang blendet die Realitaumlt bilingualer Menschen aus und signalisiert den Kindern dass ein Teil von ihnen unerwuumlnscht ist Das ist weder fuumlr den Deutscherwerb noch fuumlr die Persoumlnlichkeitsent-wicklung des Kindes foumlrderlich Und dabei wird auszliger Acht gelassen warum Kinder in eine andere Sprache switchen

weil sie sich in ihrer Erstsprache sicherer fuumlhlen und Deutsch noch nicht gut beherrschen Fuumlr die Kommunikation eine Sprache zu waumlhlen die man gemeinsam gut kann ist ein natuumlrlicher Zugang Wuumlrde man die Kinder dann zwingen auf Deutsch zu wechseln wuumlrde man sie foumlrmlich verstummen lassen

Das Sprachwechseln kann auch bei Kindern die gut Deutsch sprechen ganz intuitiv passieren und vom Kind in diesem Moment nicht bewusst wahrgenommen werden Diese Sprach-wahl des Kindes zeugt eher von einer hohen Sprachkompetenz und von seinem kreativen Umgang mit der eigenen Bilinguali-taumlt

Als Problem wird haumlufig dargestellt dass andere Kinder durch den nichtdeutschen Sprachgebrauch ausgegrenzt wuumlrden Wenn Sie tatsaumlchlich beobachten dass Kinder jemanden durch Sprachwechsel ausgrenzen dann ist das Problem die Ausgren-zung Ein Sprachverbot ist hier der falsche Weg Viel wichtiger ist es uumlber das Ausgrenzen anderer Kinder an sich zu sprechen

Damit sich vielleicht andere Kinder nicht verunsichert fuumlhlen kann man auch die Bilingualitaumlt der SchuumllerInnen zum Thema zu machen und mit der Gruppe besprechen Dann kann man auch den Kindern vermitteln dass die gemeinsame Sprache der Gruppe Deutsch ist Damit Kinder ihre Bilingualitaumlt positiv erleben koumlnnen ist es aber ratsam dass sie im schulischen Kontext auch eine ihrer Erstsprachen verwenden koumlnnen So koumlnnen tatsaumlchlich ihre beiden Sprachen Platz haben so wie es auch ihrer Wirklichkeit entspricht Wie und wann geswitcht werden kann kann man in der Gruppe gemeinsam vereinbaren So haben die Kinder sowohl Deutschinput als auch die Moumlglich-keit all ihre Sprachkompetenzen zu benutzen

bdquoSprache ist der Schluumlssel zur Weltldquo[Alexander von Humboldt deutscher Naturforscher]

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Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein

42 Wenn Kinder Sie in Ihrer Erstsprache ansprechen

Viele FreizeitpaumldagogInnen der BiM ndash Bildung im Mittelpunkt haben selbst unterschiedliche und vielfaumlltige kulturelle und sprachliche Kompetenzen Und diese betrachten wir als wertvoll Sehen Sie Ihre Sprachkompetenz deshalb als Berei-cherung und Chance Denn Sprache ist mehr als Kommunika-tion es geht nicht nur darum dass die Kinder von Ihnen Deutsch lernen sie haben auch eine Bindung zu Ihnen aufge-baut oder sind gerade dabei Sich uumlber eine gemeinsame Sprache auszutauschen kann Vertrauen schaffen Manchmal wollen die Kinder einfach zeigen was sie alles koumlnnen

Wenn ein Kind tatsaumlchlich noch kein Deutsch spricht und versteht koumlnnen Sie mit Ihrer Sprachkompetenz eine gute Bruumlcke schlagen und das Kind dabei unterstuumltzen sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden durch kleine Erklaumlrungen oder indem Sie auf die Ausfuumlhrung des Kindes reagieren Ihre sprachliche Unterstuumltzung erleichtert dem Kind vor allem sich in der neuen Situation einzuleben Auch in der Kommunikation mit den Eltern koumlnnen Sie Ihre Sprachkenntnisse nutzen

PRAXIS die eigenen Sprachkompetenzen nutzen

Kurze Erklaumlrungen Wenn Sie bemerken dass sich ein Kind aus sprachlichen Gruumlnden in einer Situation ganz und gar nicht zurechtfindet und Sie haben eine andere gemeinsame Sprache koumlnnen Sie diese nutzen um dem Kind zu erklaumlren was gerade passiert oder was zu tun ist Beispielweise wenn es darum geht dass Sie gemeinsam in den Park gehen wollen und sich die Kinder anstellen sollten oder Aumlhnliches Danach koumlnnen Sie wieder auf Deutsch switchen Sie koumlnnen auch den restlichen Kindern kurz erklaumlren dass Sie in einer anderen Sprache gesprochen haben um dem Kind zu helfen besser zu verstehen was passiert So fuumlhlen sich die Kinder nicht ausgeschlossen und erleben dass Sprachgebrauch vielseitig sein kann und sein darf

Gespraumlch mit Eltern Wenn Sie bemerken dass es den Eltern schwer faumlllt auf Deutsch zu kommunizieren und Sie wissen sie haben eine andere gemeinsame Sprache in der es ihnen leichter fallen wuumlrde koumlnnen Sie es den Eltern behutsam und mit dem notwendigen Fingerspitzengefuumlhl anbieten So schaffen Sie eine leichtere Basis fuumlr Kommunikation sowie Austausch und Vertrauen

bdquoWir wohnen nicht in einem Land sondern in einer Spracheldquo[Emil Cioran rumaumlnischer Philosoph]

bdquoGelebte Zweisprachig-keit ist eher selten aumlqui-valent sondern asymmetrisch oft hierarchisch und bisweilen konfliktivldquo [Georg Kremnitz deutscher Romanist]

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43 Wenn Kinder offensichtlich ungute Dinge zu jemanden in einer Sprache sagen die Sie nicht verstehen

Wenn man Kindern die Moumlglichkeit einraumlumt ihre Erstsprachen zu verwenden haben Paumldago-gInnen manchmal Angst sie koumlnnten dies dafuumlr nutzen um Schimpfwoumlrter oder andere respekt-lose Ausdruumlcke zu verwenden In den seltensten Faumlllen ist es so Ihre Intuition wird Ihnen zeigen sollte tatsaumlchlich respektlos miteinander umgegangen werden Dazu braucht man nicht jedes Wort zu verstehen denn Kommunikation passiert auch auf nonverbaler Ebene Dabei ist natuumlrlich der respektlose Umgang zu hinterfra-gen Auch in diesem Fall ist ein Deutschgebot das die Verwendung anderer Sprachen unter-bindet nicht zielfuumlhrend Denn einerseits wuumlrde man dadurch die Kinder die respektvoll mitein-ander umgehen auch sanktionieren und ander-seits wird dadurch das Problem des fehlenden Respekts nicht geloumlst Viel wichtiger ist es einen respektvollen Umgang miteinander zu foumlrdern unabhaumlngig davon welche Sprache dabei gesprochen wird

44 Wenn SchuumllerInnen die in Deutsch noch schwach sind ausgegrenzt werden

Fehlende Sprachkompetenz kann auch ausgrenzend wirken Das Kind kann sich nicht verstaumlndigen bei Spielen und Gesprauml-chen nicht mitmachen und wird vielleicht von den Mitschuumller-Innen nicht in die Gruppe integriert Das kann zu einer Nega-tiv-Spirale fuumlhren denn die eingeschraumlnkten sozialen Kontakte schraumlnken auch den sprachlichen Kontakt ein und Kinder lernen besonders viel von- und miteinander In solch einer Situation kann es hilfreich sein dass Sie thematisieren wie es einem geht wenn man eine neue Sprache lernt Dazu gibt es zahlrei-che kindgerechte Uumlbungen ZthinspB ausgeruumlstet nur mit einem

Woumlrterbuch in einer ganz fremden Sprache etwas erklaumlren muumlssen oder auch selbst daruumlber reflektieren wie geht es mir beim Fremdsprachenlernen zthinspB Englisch Wenn man sich besinnt wie herausfordernd der Weg ist hat man auch mehr Verstaumlndnis fuumlr den neuenthinspthinspdie neue MitschuumllerIn

Helfen kann auch die Kinder von Anfang an als Stuumltze und Hilfe fuumlr das neue Kind einzubinden So fuumlhlen sie Verantwor-tung und koumlnnen selbst etwas fuumlr den guten sozialen Klassen-verband beitragen

Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein

bdquoMehrsprachige Kompetenz ist nicht nur Ein - sprachigkeit in mehreren Sprachen sondern ist als eine ganzheit-liche Sprach-kompetenz aufzufassen und zu foumlrdernldquo [Elisabeth Allgaumluer-Hacklthinspthinsp Ulrike Jessner in Mehrsprachig-keitsunterricht aus mehrsprachiger Sicht Zur Foumlrderung des metalinguistischen Bewusstseins]

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Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren Argumente und Darstellungen fuumlr Gespraumlche und Fragen mit denen Sie Ihre Position Mehrsprachigkeit zu foumlrdern erklaumlren und staumlrken koumlnnen

51 Ein Erklaumlrungsversuch ndash warum die Foumlrderung und Anerkennung sprachlicher und soziokultureller Diversitaumlt in Frage gestellt wird

Uumlber Mehrsprachigkeit wird schon seit langem geforscht denn Gesellschaften in denen mehrere Sprachen zusammenkom-men hat es seit jeher gegeben Die wissenschaftlichen und empirischen Ergebnisse aus der Mehrsprachigkeitsforschung zeigen allesamt dass die Foumlrderung der individuellen und gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit allen zugutekommt Zum Beispiel schadet es nicht dem Erlernen und Erwerben des Deutschen wenn Kinder auch in ihren anderen Erstsprachen gefoumlrdert werden Genau das Gegenteil ist der Fall Kinder entwickeln sich insgesamt sprachlich besser Und viele weitere positive Argumente wurden formuliert

Diese gesellschaftliche Mehrsprachigkeit und Plurikulturalitaumlt verlaumluft aber in den seltensten Faumlllen konfliktfrei Die Konflikte sind meist das Ergebnis von politischen Maszlignahmen die bestim-men SprecherInnengruppen mehr Macht und staumlrkere Positionen einraumlumen Das fuumlhrt auch dazu dass im oumlffentlichen Diskurs ndash in den Medien in Debatten und Stellungnahmen usw ndash manche Menschen die Position vertreten nur die anerkannte Amtsspra-che Deutsch sei foumlrdernswert und von Nutzen Die anderen Sprachkompetenzen werden als Problem angesehen Diese Haltung ist eine ausgrenzende die Menschen diskriminiert Diskriminierung fuumlhrt in keinem Fall zu einem besseren Schul-erfolg oder zur besseren Integration Auffaumlllig bei dieser Haltung ist dass die Sprachen selbst bewertet werden Beispielsweise wird das Erwerben von Englisch als positiv bewertet und eine Deutsch-Englisch Bilingualitaumlt auch Wenn es um migrationsbe-dingte Mehrsprachigkeit geht wird diese als Hindernis einge-

bdquoSchule muss bilinguale Kinder auch als solche wahrnehmen und nicht versuchen sie in die Passform des einsprachigen Kindes zu pressenldquo [Zwetelina Ortega]

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Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

stuft Wie steht es um die Erstsprachen die durch Migration nach Oumlsterreich gelangt sind Wie ist ihr Image Eine entscheidende Rolle spielt der Status der SprecherInnen Um mit Robert Walser zu sprechen Money rules the world Ist die Gruppe der Sprech-erInnen wirtschaftlich stark hat ihre Sprache gesellschaftlich hohe Anerkennung Uumlbt die Vielzahl einer SprecherInnengruppe jedoch niederqualifizierte und schlecht bezahlte Jobs aus ist sie wirtschaftlich schwach so hat ihre Sprache ein schlechtes Image in der Gesellschaft Diese Situation ist in allen Einwanderungsge-sellschaften aumlhnlich die Sprachen sind auswechselbar

Tatsache ist dass sich falsche und diskriminierende Argumente immer noch halten und dass Ihnen vielleicht Menschen begeg-nen werden die versuchen werden gegen die Foumlrderung von Mehrsprachigkeit zu argumentieren

Es gibt keinen Grund der Diskriminierung und Ausgrenzung zulaumlssig macht Das Ziel einer gelungenen paumldagogischen Arbeit ist es alle Facetten des Kindes anzunehmen und sie als Teil des paumldagogischen Alltags zu integrieren

52 Argumentationslinien und moumlgliche Positionen im Austausch mit KollegInnen Eltern KlassenlehrerInnen und DirektorInnen

Um Ihre Position zu staumlrken dass alle Sprachen und Sprach-kompetenzen gleichberechtigt und wertvoll sind und Sie sie deshalb in Ihrer Arbeit beruumlcksichtigen und foumlrdern haben wir einige Argumente fuumlr Sie ausgearbeitet

Familiaumlrer Kontext

Voraussetzung fuumlr eine gute Lernumgebung sind Menschen die viel und richtig mit dem Kind sprechen Eltern die meinen ihrem Kind etwas Gutes zu tun indem sie mit ihm Deutsch sprechen obwohl sie die Sprache nicht auf Muttersprachen-niveau beherrschen koumlnnen damit der kindlichen Sprachent-wicklung manchmal mehr schaden als helfen

Wichtig ist dass mit den Kindern viel gesprochen erzaumlhlt gelesen und vorgelesen wird Die Sprache die die Eltern dabei verwenden sollte eine sein in der sie sich wohl und sicher fuumlhlen und vielseitig ausdruumlcken koumlnnen Uumlblicherweise ist dies die Erstsprache der Eltern Kinder koumlnnen dann generell besser mit Sprache umgehen ndash auch mit Deutsch

Paumldagogischer und schulischer Kontext

Durch sprachsensible paumldagogische Arbeit die auch die Mehrsprachigkeit der Kinder beruumlcksichtigt wird das Verinner-lichen der sprachlichen Inhalte vor allem auch der bildungs-sprachlichen verbessert Der Aufbau von Bildungssprache ist Grundlage fuumlr Wissenserwerb Diese Faumlhigkeit die Sie den SchuumllerInnen vermitteln wird sie langfristig dazu befaumlhigen auch in ihren weiterfuumlhrenden Ausbildungen besser voranzu-kommen Dadurch werden auch die Bildungschancen aller SchuumllerInnen erhoumlht und zum Teil werden ungleiche Bildungs-bedingungen uumlberwunden

Beim doppelten Spracherwerb also bei Kindern die bilingu-al aufwachsen beeinflussen sich beide Sprachsysteme gegen-seitig positiv in ihrem Wachstum Das ist wissenschaftlich erwiesen Der Erhalt der Erstsprache gefaumlhrdet in keiner Weise den guten Erwerb des Deutschen im Gegenteil

bdquoEs ist doch ein groszliger Unter-schied ob einem gesagt wird dass Sprachen gleichwertig sind und man alles in jeder ausdruumlcken kann oder ob man es tutldquo [Elke Montanari deutsche Sprach- wissenschaftlerin]

bdquoDer Mensch ist Mensch nur durch Spracheldquo[Johann Gottfried von Herder deutscher Dichter und Uumlbersetzer]

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Wer sein Wissen aus den vorab erworbenen oder erlernten Sprachen einbringen kann der erfaumlhrt einen Motivationsschub der sich positiv auf das weitere Sprachenlernen auswirken kann

Die Anerkennung einer Herkunftssprache im schulischen Kontext kann zu einer positiven Persoumlnlichkeitsentwicklung der SchuumllerInnen fuumlhren Deren Aufwertung gibt den Kindern Selbstvertrauen und Sicherheit die sich auf den gesamten Lernerfolg gut auswirken

Eines der Ziele die sich die Europaumlische Union gesetzt hat ist es dass jeder Buumlrgerthinspthinspjede Buumlrgerin seinethinspthinspihre Mutterspra-che sowie mindestens zwei weitere Sprachen beherrscht Diesem Ziel ruumlcken wir naumlher wenn wir die vorhandenen Sprachkompetenzen der Kinder nutzbar machen

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen dass bei einer Foumlrderung der durchgaumlngigen Sprachbildung und lebenswelt-lichen Mehrsprachigkeit von Kindern die narrative Schreibfauml-higkeit und die schriftliche Kompetenzentwicklung gestaumlrkt werden und die bildungssprachlichen Elemente im Deutschen zunehmen

Es gibt noch viele weitere Argumente warum Mehrsprachigkeit immer ein Vorteil ist und nicht als Problem gesehen werden sollte Weitere Argumente werden Sie bestimmt in Ihrer eigenen Arbeit und Erfahrung mit den Kindern selbst finden Trauen Sie sich selbstbewusst zu Ihrer Position zu stehen und lassen Sie diskriminierende Haltungen nicht unkommentiert Wenn Sie die Moumlglichkeit haben nutzen Sie Ihre eigenen vielseitigen Sprachkompetenzen seien es Fremdsprachen oder weitere Erstsprachen sei es im spielerischen Umgang oder wenn Sie etwas erklaumlren Gemeinsam koumlnnen wir dazu beitra-gen dass mehrsprachige Kinder positiv wahrgenommen werden

Kapitel 6

Weitere Uumlbungs- und Anwendungsideen In diesem Kapitel finden Sie viele praxisnahe Uumlbungen fuumlr den spielerischen Umgang mit Mehrsprachigkeit in der Freizeitpaumldagogik

Wenn Sie solche oder aumlhnliche Uumlbungen mit den Kindern ausprobieren werden Sie vielleicht selbst oder gemeinsam mit ihnen viele neue Ideen entwickeln wie man Mehrsprachigkeit spielerisch und mit Freude in der Freizeitbetreuung aufgreifen kann Probieren Sie es aus Es wird allen SchuumllerInnen be-stimmt gefallen Das sind die Erfahrungen die wir bisher gemacht haben Hier einige Ansaumltze fuumlr Sie

Die Herkunft der Vor- und Nachnamen ndash wir erkunden die Bedeutungen unserer Namen

Radio aus aller Welt ndash wir houmlren in Online-Radiosender in verschiedenen Sprachen hinein Dabei koumlnnen die Kinder raten oder versuchen zu erkennen welche Sprache gerade erklingt

Stille Post mit den Sprachen unserer Klasse spielen

Kleine Sprachschule ndash jeweils ein Kind bringen dem Rest der MitschuumllerInnen einfache Saumltze und nuumltzliche Worte bei

Mehrsprachigkeit im oumlffentli-chen Raum ndash wir begeben uns auf Entdeckungsreise und suchen Orte wo wir unter-schiedliche Sprachen houmlren und sehen

Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

bdquoKennst du viele Sprachen ndash hast du viele Schluumlssel fuumlr ein Schloszligldquo[Voltaire franzoumlsischer Philosoph und Schriftsteller]

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Kapitel 7

EmpfehlungenLektuumlreempfehlungen zur Vertiefung Zahlreiche Links die weitere Anwendungsideen fuumlr die Praxis bieten aber auch vielseitige Artikel zum Thema

Weiterfuumlhrende Literatur

Krumm Hans-JuumlrgenthinspthinspReich Hans H 2011 Curriculum Mehrsprachigkeit Online im Internet

Montanari Elke 2013 Mit zwei Sprachen groszlig werden Mehrsprachige Erziehung in Familie Kindergarten und Schule Muumlnchen Koumlsel

Montanari ElkethinspthinspPanagiotopoulou Julie 2019 Mehrsprachigkeit und Bildung in Kitas und Schulen UTB

Schader Basil 2013 Sprachenvielfalt als Chance Handbuch fuumlr den Unterricht in mehrsprachigen Klassen Zuumlrich orell fuumlssli

Hilfreiche Institutionen

Kinderbuumlcherei der Weltsprachen gehoumlrt zu den Staumldtischen Buumlchereien wwwkirangoat Veranstaltungen zu Lesefoumlrderung fuumlr Schulen und Kindergaumlrten Teil der Buumlcherei Wien

wwwbaobabat BAOBAB ndash GLOBALES LERNEN vielseitige Arbeitsmaterialen und Literatur

Links

wwwlanguage-diversityeu ndash Arbeitsblaumltter Lehrmaterial Unterrichtsideen Schwerpunkt auf Minderheitensprachen in Europa

wwwpapperlapappcoat ndash Bilinguale Kinderzeitschrift wwwmultilingual-familieseu ndash Materialen fuumlr mehrsprachige Erziehung wwwderstandardatr2000023362091Linguamulti ndash monatlicher Blog zu Mehrsprachigkeit und Spracherwerb

wwwschule-mehrsprachigat ndash Kinder- und Jugendbuumlcher in vielen Sprachen Infos zum Muttersprachenunterricht

wwwfacebookcomlinguamulti ndash taumlglich Inhalte zum Thema Mehrsprachigkeit und Interkulturalitaumlt

Anschuumltzgasse 1 2 Stock 1150 WienTel +43 1 524 25 09-0 Fax +43 1 524 25 09-30officebildung-wienat wwwbildung-wienat

IMPRESSUMMedieninhaber und fuumlr den Inhalt verantwortlich BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbHAnschuumltzgasse 1 1150 Wien | Firmensitz Wien | FN502272k | Handelsgericht WienKonzeption Redaktion Text Zwetelina Ortega Linguamulti ndash wwwlinguamultiat (unter Mitwirken von BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbH)Fotos C Pertramer (S 5) J Zinner M Possert (S8)Grafik Gerald Waibel effundweat

Page 9: Unsere Schule spricht viele Sprachen · Unsere Schule spricht viele Sprachen Leitfaden für die Freizeitpädagogik. 2 3 Inhalt ... Es ist unsere gemeinsame Aufgabe im Bildungsbereich,

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Sprachbewusstseinsfoumlrderung unterstuumltzt die Kinder dabei sich in ihren Sprachsystemen zurechtzufinden

Und weil bei Bilingualen die Sprachen sich bdquoberuumlhrenldquo und bdquobeeinflussenldquo ist es besonders gut wenn in der Sprachfoumlrde-rung alle Sprachen des Kindes Beachtung finden Denn beide Sprachsysteme beeinflussen sich gegenseitig in ihrem Wachs-tum Das ist wissenschaftlich ausfuumlhrlich erforscht und belegt Aus zahlreichen Forschungsergebnissen weiszlig man auch dass die Sprachen nicht getrennt im Gehirn verortet sind sondern in einem Sprachzentrum Der Erhalt der Muttersprache gefaumlhrdet somit in keiner Weise den guten Erwerb des Deutschen im Gegenteil

Es geht auch darum das wertvolle Potenzial der Mehr-sprachigkeit in den Kindern zu staumlrken Es geht nicht darum sich nur auf eine konkrete Sprache zu konzentrieren sondern die Sprachenvielfalt spuumlrbar zu machen Das fuumlhrt nicht nur dazu dass die Kinder viele Sprachen gut sprechen koumlnnen sondern durch diesen Ansatz foumlrdern PaumldagogInnen auch die sprachliche Entwick-lung generell Somit lernen die SchuumllerInnen all ihre Sprachen kompetent und selbstbewusst zu nutzen Diesen selbstbe-wussten Zugang koumlnnen Sie auch durch Ihre Vorbildwirkung foumlrdern indem Sie Ihre Kompe-tenzen in Ihrer eignen Erstspra-che oder in erworbenen Fremd-sprachen gemeinsam mit den Kindern nutzen Damit zeigen Sie dass Sprachenvielfalt zum Alltag gehoumlrt

23 Spracherwerb zuhause

Die Sprache der Eltern ist durch die ersten Bindungserfahrun-gen stark emotional besetzt Mit der Erstsprache werden zugleich spezifische soziale Regeln Normen und Werte vermittelt die dem Kind Orientierungspunkte fuumlr den Aufbau seiner Identitaumlt bieten

Fuumlr die freizeitpaumldagogische Arbeit bedeutet dies dass auch auf die Sprachkompetenz aus dem familiaumlren Kontext einge-gangen werden sollte Das kann den Kindern helfen bereits Gelerntes aus der Herkunftssprache mit neuen Inhalten aus dem Deutschen zu verknuumlpfen

Diese Herangehens- weise wird auch mit

OPOL abgekuumlrzt Dies bedeutet dass jeder Elternteil in seiner jeweiligen Erstsprache mit dem Kind spricht Es ist eine Methode die sich uumlberaus bewaumlhrt hat Denn das Kind assozi-iert die Person mit der Sprache Zweisprachige Kinder reagieren sehr sensibel auf ihr Gegenuumlber und wenn sie eine Sprache mit einer Person assoziieren dann bleibt diese Verbindung Uumlber die Sprache entsteht auch eine emotionale Bindung zu der Person die wiederum zur emotionalen Bindung mit der Sprache selbst fuumlhrt Wichtig ist dass die Anwendung dieser Strategie auf natuumlrliche Weise passiert und nicht gekuumlnstelt oder ver-krampft

Deshalb ist es wichtig dass die Eltern bei ihrer Kommunika-tionssprache mit dem Kind bleiben und diese nicht migrations-bedingt aumlndern

Fuumlr die Foumlrderung der Herkunftssprache koumlnnen Eltern auch die zahlreichen Angebote des Schulsystems nutzen zthinspB den Muttersprachenunterricht Mehr Information dazu wwwschule-mehrsprachigat

One person ndash one language

Kapitel 2

Spracherwerb bei mehrsprachigen Kindern

bdquoDer Mensch ist ein komple-xes Lernwesen und Sprache braucht die emotionale und gesellschaftlich kontextuelle Verknuumlpfungldquo [Zwetelina Ortega]

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31 Code-switching und Code-mixing

Mehrsprachige Kinder bdquovermischenldquo oftmals ihre Sprachen Dieses Phaumlnomen wird auch Code-mixing genannt Oder sie wechseln zwischen den Sprachen genannt Code-switching Dieses Sprachverhalten kann PaumldagogInnen verunsichern Faumllschlicherweise wird Mehrsprachigen nachgesagt sie haumltten einen eingeschraumlnkten Wortschatz und weniger ausdifferen-zierte sprachliche Ressourcen in den jeweiligen Sprachen als Kinder mit einer Erstsprache Untersuchungen zeigen aber dass dies nur fuumlr die ersten Lebensjahre stimmt Gegen Ende der Volksschule gleichen sich Grammatik und Wortschatz in der dominanten Sprache aus und oft uumlberholen die bilingualen Kinder sogar die monolingualen

Junge Menschen verwenden Code-switching auch als bdquoHilfs-strategieldquo wenn der fuumlr ein Thema relevante Wortschatz in der anderen Sprache leichter verfuumlgbar ist

Nahezu alle mehrsprachigen Menschen mischen und vermi-schen ihre Sprachen vor allem in informellen Gespraumlchskontex-ten Es ist auch nicht weiter schlimm solange es in dem eben dargelegten Rahmen bleibt

Fuumlr Sie als PaumldagogIn heiszligt das dass Sie nicht das Gefuumlhl haben muumlssen immer eine einheit-

liche Sprache einzufordern Versuchen Sie im Sprachwechsel auch die Kreativitaumlt der Kinder zu erkennen und diese in der Betreuung zu nutzen Vielleicht moumlchte das Kind erklaumlren warum es gerade dieses Wort aus einer anderen Sprache verwendet hat und welche die besondere Bedeutung ist

In der paumldagogischen Praxis

Weitere Moumlglichkeiten auf Code-switching und Code-mixing spielerisch einzugehen vielsprachige kreative Texte schreiben in denen alle Sprachen vorkommen duumlrfen

Ein vielsprachiges bdquoStadt Land Flussldquo-Spiel bei dem alle Sprachen erlaubt sind Wichtige Regel dabei die Kinder muumlssen versuchen die Begriffe auf Deutsch zu uumlbersetzen zu umschreiben oder zu erklaumlren um sie so der ganzen Gruppe verstaumlndlich zu machen Es ist dabei hilfreich wenn Sie als PaumldagogIn den Anfang machen und sich selbst auch mit Ihren Sprachkenntnissen einbringen So verstehen die Kinder das Spiel besser und trauen sich eher ihre Erstsprachen zu verwen-den

Oder als Reihum-Fragespiel bdquoWie sagt man in deiner (nicht-deutschen) Sprache fuumlr Ich habe einen Baumlrenhunger hellip Der ist bekannt wie ein bunter Hund hellip Du kannst mir mal den Buckel runterrutschen hellipldquo und andere bekannte Redensarten

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen KontextErscheinungsformen gelebter Mehrsprachigkeit in der Schule und viele Beispiele fuumlr praxisnahe Handlungsfelder und Uumlbungen

bdquoEine Umsetzung mehrschriftlicher und multilingua-ler Ansaumltze kann allen Beteiligten zu mehr Freiheit und Selbstbe-stimmung verhelfen [hellip]ldquo [Elke Montanarithinspthinsp Julie Panagioto-poulou in Mehrsprachigkeit und Bildung in Kitas und Schule]

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Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

32 Dominante und schwache Sprache

Nahezu jede Sprachsituation im Leben von zweisprachigen Kindern ist einzigartig Diese haumlngt von unterschiedlichen Gegebenheiten ab Wie oft ist das Kind im Kontakt mit einer Sprache Wie haumlufig wird sie gesprochen Mit wem wird sie gesprochen Wie viel und welcher Input ist da usw In vielen Faumlllen entwickelt sich eine Sprache schneller und besser als die andere Die Kompetenzen in den Sprachen koumlnnen sich im Laufe des Lebens veraumlndern oder auch verschieben je nach Sprachsituation und Motivation des Menschen Nur selten beherrschen Kinder beide Sprachen gleich gut Auch Erst- oder Zweitsprachen koumlnnen sich je nach Lebenssituation in ihrer Dominanz verschieben

Auch wenn Sie das Gefuumlhl haben dass das Kind seine Erstsprache nicht so gut beherrscht wird

es sich sicher freuen und es als positiv erleben wenn es etwas daruumlber erzaumlhlen kann oder sich mit Wortbeitraumlgen und Kommentaren in dieser Sprache einbringen kann

In der paumldagogischen Praxis

33 Gesellschaftliches Prestige der Sprachen

bdquoAlle Sprachen sind gleichwertigldquo ndash diese so selbstverstaumlndlich schei-nende Aussage deckt sich leider ganz und gar nicht mit der Wirklichkeit Viele Vorurteile truumlben den Blick auf den Wert individueller migrationsbe-dingter Mehrsprachigkeit Vorurteile sind wie ein Echo auf die Mehrspra-chigkeit Das Kind bekommt sie fruumlher mit als uns lieb ist Dieser Umstand kann die gesamte Sprachentwicklung bremsen

Das Prestige einer Sprache haumlngt in erster Linie vom Ansehen ihrer SprecherInnen ab Dieses Ansehen wiederum ist vor allem durch die wirtschaftliche und soziale Position einer bestimmten SprecherInnengruppe in der Gesellschaft beeinflusst

Als PaumldagogIn kann man mit dem eigenen Verhalten

zeigen dass alle Sprachen gleich geschaumltzt werden Diese Wertschaumltzung gilt es auch den Eltern zu signalisierten Dabei reichen oft kleine Kommentare Zum Beispiel bdquoEs ist groszligartig dass du so viele Sprachen sprichstldquo bdquoEs gefaumlllt mir wenn ich dich hellip sprechen houmlreldquo oder bdquoSchoumln dass Ihr Kind zwei Sprachen so gut beherrschtldquo Und Sie koumlnnen den Kindern und Eltern auch von Ihren eignen Erfahrungen erzaumlhlen beim Sprachenlernen oder von Ihrer eignen Bilingualitaumlt ZthinspB durch Beispiele fuumlr die Nuumltzlichkeit von Mehrsprachigkeit im Urlaub oder durch den Hinweis auf berufliche Vorteile Oumlsterreichische Firmen (zthinspB Banken) stellen naumlmlich gerne MitarbeiterInnen ein die neben Deutsch nicht immer nur Englisch sondern gerne auch andere Sprachen wie die BKS-Sprachen oder Tuumlrkisch sprechen So vermitteln Sie das Thema auf authentische Weise und staumlrken gleichzeitig die Familie positiv mit ihrer eigenen Mehrsprachigkeit umzugehen

In der paumldagogischen Praxis

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34 Interferenzen und Lerntransfer

Wenn Sprachen sich gegenseitig beeinflussen und es dadurch zu einer Fehlleistung kommt sprechen wir von Interferenz Dies kann auf grammatikalischer phonetischer oder lexikali-scher Ebene vorkommen Meist beeinflusst die dominante Sprache die schwaumlchere Im Spracherwerb kann es Phasen geben in denen es zu zahlreichen Interferenzen kommt Diese Phasen gehen aber meist wieder zuruumlck wenn die Sprachen sich gut entwickeln und das sprachliche Repertoire des Kindes waumlchst Voraussetzung dafuumlr ist eine gute Lernumgebung und Menschen die viel und richtig mit dem Kind sprechen Eltern die meinen ihrem Kind etwas Gutes zu tun indem sie mit ihm Deutsch sprechen obwohl sie die Sprache nicht auf Mutter-sprachenniveau beherrschen schaden damit der kindlichen Sprachentwicklung

Es gibt aber auch einen Lerntransfer zwischen den Sprachen und zwar dann wenn sie sich positiv beeinflussen und es beim Sprachenlernen zu sogenannten Uumlbertragungen kommt Diese bleiben fuumlr uns verborgen weil sie eine Form gelingenden Sprechens sind

PRAXIS Umgehen mit sprachlichen Fehlleistungen

Korrektives Feedback wiederholen Sie im Gespraumlch mit dem Kind richtig was falsch gesagt wurde und versuchen Sie es in das Gespraumlch einflieszligen zu lassen Wiederholen Sie Schluumls-selwoumlrter die das Kind falsch gesagt hat eher am Ende des Gespraumlchs richtig Versuchen Sie auf direktes Verbessern zu verzichten Es stoumlrt den Gespraumlchsverlauf Fordern Sie die Kinder nicht staumlndig auf das falsch Gesagte richtig zu wieder-holen Hin und wieder kann es zielfuumlhrend sein weil es Klarheit verschafft zu oft eingefordert kann es die Kinder beim Sprechen hemmen

Geduld Spracherwerb ist ein langsamer Prozess der noch dazu nicht linear verlaumluft Es gibt Entwicklungsspruumlnge dann wieder Phasen in denen sich vermeintlich wenig weiterentwi-

ckelt Kinder nehmen Sprachinput auf und verarbeiten ihn fuumlr sich Bis es uns beim Reden auffaumlllt muss manchmal etwas Zeit vergehen Haben Sie also Geduld Ihre Foumlrderansaumltze brauchen einfach etwas Zeit um zu fruchten

Wahrnehmen Jeder freut sich wenn man seine Anstren-gung wahrnimmt Wenn Ihnen bei einem Kind eine sprachliche Errungenschaft auffaumlllt so koumlnnen Sie es explizit sagen

Stuumltze in der Erstsprache des Kindes Sollten Sie die Erstsprache des Kindes beherrschen koumlnnen Sie diese Kompe-tenz selbstverstaumlndlich nutzen um dem Kind in seinem Spracherwerb zu helfen Beispielsweise indem Sie ihm etwas kurz erklaumlren damit es dieses besser versteht Manchmal hilft es auch den Fehler in der deutschen Sprache aus der Sicht der Erstsprache zu betrachten dann kann man das Kind besser unterstuumltzen Nutzen Sie diese Chance wenn Sie sie haben

Fehler machen ist Teil jeder Form von Spracherwerb und von Sprachlernen Fehlermachen im gesteuerten ebenso wie im ungesteuerten Spracherwerb ist etwas voumlllig Natuumlrliches Fehler zu machen und sie als solche zu erkennen ist ein Schluumls-selelement jeder Form des Spracherwerbs Wenn Sie als PaumldagogIn Ihrerseits Deutsch nicht als Muttersprache erwor-ben haben koumlnnen Sie auf eigene Fehler und Muumlhen im Erwerb

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

bdquoEine andere Sprache ist eine andere Sicht auf das Lebenldquo [Federico Fellini italienischer Filmemacher]

bdquoDer Akzent sorgt fuumlr die Schoumlnheitsmale auf der Sprach-hautldquo[Ilija Trojanow bulgarisch- deutscher Schriftsteller]

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des Deutschen verweisen (zthinspB auf die richtige Beugung unregelmaumlszligiger Verben oder die Stellung des Verbs am Ende des Nebensatzes etc)

35 Sprachbewusstsein foumlrdern eine Methode die viel bewirkt

Im Gegensatz zur schulischen Mehrsprachigkeit wird die migrationsbedingte bzw lebensweltliche Mehrsprachigkeit bisher zaghaft gefoumlrdert und im Unterricht weitgehend ausge-blendet Die Herkunftssprachen der SchuumllerInnen werden im Unterricht selten einbezogen Sie werden eher als Belastung bzw als Problem und nicht als Ressource angesehen

Sprachbewusstsein ist das Bewusstsein fuumlr die Funktionsweise und Bedeutung von Sprachen Wenn man Kinder darin unter-stuumltzt so gibt man ihnen die Moumlglichkeit und befaumlhigt sie sprachliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erkennen Zudem werden sie darin gefoumlrdert zu erkennen welche Rolle Sprache in unserer Gesellschaft spielt

Bei diesem Prozess koumlnnen die SchuumllerInnen auf bereits vorhandenes Sprachlernwissen zuruumlckgegriffen Wenn sie sich mit ihrem Wissen aus der erworbenen Herkunftssprache einbringen koumlnnen so bewirkt dies einen Motivationsschub der sich positiv auf das weitere Sprachenlernen auswirken kann

Stellen Sie Spiele und Uumlbungen und Methoden zur Verfuumlgung die die Kinder motivieren ihre vorhandenen Sprachkenntnisse zu nutzen so dass die Sprachen auch erklingen koumlnnen Und vergessen Sie dabei nicht auf die zentrale Vorbildwirkung die Sie selbst einbringen koumlnnen Beteiligen Sie sich selbst an den Spielen und Uumlbungen mit Ihren Sprachkenntnissen Die Kinder werden viel Freude daran haben diese weitere Facette die Sie ausmacht kennenzulernen So koumlnnen Sie gemeinsam mit den Kindern Lieder singen die es in mehreren Sprachversionen gibt (wie zthinspB Fregravere JacquesthinspthinspBruder Jakob und in der Weihnachts-zeit Stille Nacht heilige Nacht ndash ein Lied das es bestimmt in den Sprachen aller beteiligten Kinder gibt)

PRAXIS Anwendungsideen

Am Anfang steht die Bereitschaft Raum fuumlr Gespraumlche uumlber die eigene Sprachbiografie zu schaffen Natuumlrlich nehmen an diesen Gespraumlchen alle Kinder teil auch jene die nicht bilingual aufwachsen Weitere Spielideen

Sprachenportrait ndash meine Sprachen in mir Uumlber Sprache nachdenken und daruumlber sprechen Meine Sprachbiografie Meine Familie und ihre Sprachen Sprachenstammbaum der Familie Uumlbersetzungsspiel UmgangssprachethinspthinspFachsprache oder HochsprachethinspthinspDialekt

Redewendungen aus aller Welt Mehrsprachige Wortfelder

Die naumlhere Ausfuumlhrung zu den jeweiligen Spielideen finden Sie auf der Website und im Intranet der BiM ndash Bildung im Mittel-punkt Weitere Uumlbungen um Sprachbewusstsein und Mehr-sprachigkeit zu foumlrdern sind in Kapitel 6 angefuumlhrt

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

bdquoDer Geist einer Sprache offenbart sich am deutlichsten in ihren unuumlber- setzbaren Wortenldquo[Marie von Ebner-Eschenbach oumlsterreichische Schriftstellerin]

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Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd seinNutzen der eigenen Sprachkompetenzen und Umgang mit kritischen Situationen die sich durch die Mehrsprachigkeit der Kinder ergeben koumlnnen

41 Wenn Kinder untereinander in einer anderen Sprache als Deutsch sprechen

In vielen Schulen wird nach wie vor das Prinzip gelebt dass nur Deutsch gesprochen werden darf und soll Dieser Zugang blendet die Realitaumlt bilingualer Menschen aus und signalisiert den Kindern dass ein Teil von ihnen unerwuumlnscht ist Das ist weder fuumlr den Deutscherwerb noch fuumlr die Persoumlnlichkeitsent-wicklung des Kindes foumlrderlich Und dabei wird auszliger Acht gelassen warum Kinder in eine andere Sprache switchen

weil sie sich in ihrer Erstsprache sicherer fuumlhlen und Deutsch noch nicht gut beherrschen Fuumlr die Kommunikation eine Sprache zu waumlhlen die man gemeinsam gut kann ist ein natuumlrlicher Zugang Wuumlrde man die Kinder dann zwingen auf Deutsch zu wechseln wuumlrde man sie foumlrmlich verstummen lassen

Das Sprachwechseln kann auch bei Kindern die gut Deutsch sprechen ganz intuitiv passieren und vom Kind in diesem Moment nicht bewusst wahrgenommen werden Diese Sprach-wahl des Kindes zeugt eher von einer hohen Sprachkompetenz und von seinem kreativen Umgang mit der eigenen Bilinguali-taumlt

Als Problem wird haumlufig dargestellt dass andere Kinder durch den nichtdeutschen Sprachgebrauch ausgegrenzt wuumlrden Wenn Sie tatsaumlchlich beobachten dass Kinder jemanden durch Sprachwechsel ausgrenzen dann ist das Problem die Ausgren-zung Ein Sprachverbot ist hier der falsche Weg Viel wichtiger ist es uumlber das Ausgrenzen anderer Kinder an sich zu sprechen

Damit sich vielleicht andere Kinder nicht verunsichert fuumlhlen kann man auch die Bilingualitaumlt der SchuumllerInnen zum Thema zu machen und mit der Gruppe besprechen Dann kann man auch den Kindern vermitteln dass die gemeinsame Sprache der Gruppe Deutsch ist Damit Kinder ihre Bilingualitaumlt positiv erleben koumlnnen ist es aber ratsam dass sie im schulischen Kontext auch eine ihrer Erstsprachen verwenden koumlnnen So koumlnnen tatsaumlchlich ihre beiden Sprachen Platz haben so wie es auch ihrer Wirklichkeit entspricht Wie und wann geswitcht werden kann kann man in der Gruppe gemeinsam vereinbaren So haben die Kinder sowohl Deutschinput als auch die Moumlglich-keit all ihre Sprachkompetenzen zu benutzen

bdquoSprache ist der Schluumlssel zur Weltldquo[Alexander von Humboldt deutscher Naturforscher]

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Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein

42 Wenn Kinder Sie in Ihrer Erstsprache ansprechen

Viele FreizeitpaumldagogInnen der BiM ndash Bildung im Mittelpunkt haben selbst unterschiedliche und vielfaumlltige kulturelle und sprachliche Kompetenzen Und diese betrachten wir als wertvoll Sehen Sie Ihre Sprachkompetenz deshalb als Berei-cherung und Chance Denn Sprache ist mehr als Kommunika-tion es geht nicht nur darum dass die Kinder von Ihnen Deutsch lernen sie haben auch eine Bindung zu Ihnen aufge-baut oder sind gerade dabei Sich uumlber eine gemeinsame Sprache auszutauschen kann Vertrauen schaffen Manchmal wollen die Kinder einfach zeigen was sie alles koumlnnen

Wenn ein Kind tatsaumlchlich noch kein Deutsch spricht und versteht koumlnnen Sie mit Ihrer Sprachkompetenz eine gute Bruumlcke schlagen und das Kind dabei unterstuumltzen sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden durch kleine Erklaumlrungen oder indem Sie auf die Ausfuumlhrung des Kindes reagieren Ihre sprachliche Unterstuumltzung erleichtert dem Kind vor allem sich in der neuen Situation einzuleben Auch in der Kommunikation mit den Eltern koumlnnen Sie Ihre Sprachkenntnisse nutzen

PRAXIS die eigenen Sprachkompetenzen nutzen

Kurze Erklaumlrungen Wenn Sie bemerken dass sich ein Kind aus sprachlichen Gruumlnden in einer Situation ganz und gar nicht zurechtfindet und Sie haben eine andere gemeinsame Sprache koumlnnen Sie diese nutzen um dem Kind zu erklaumlren was gerade passiert oder was zu tun ist Beispielweise wenn es darum geht dass Sie gemeinsam in den Park gehen wollen und sich die Kinder anstellen sollten oder Aumlhnliches Danach koumlnnen Sie wieder auf Deutsch switchen Sie koumlnnen auch den restlichen Kindern kurz erklaumlren dass Sie in einer anderen Sprache gesprochen haben um dem Kind zu helfen besser zu verstehen was passiert So fuumlhlen sich die Kinder nicht ausgeschlossen und erleben dass Sprachgebrauch vielseitig sein kann und sein darf

Gespraumlch mit Eltern Wenn Sie bemerken dass es den Eltern schwer faumlllt auf Deutsch zu kommunizieren und Sie wissen sie haben eine andere gemeinsame Sprache in der es ihnen leichter fallen wuumlrde koumlnnen Sie es den Eltern behutsam und mit dem notwendigen Fingerspitzengefuumlhl anbieten So schaffen Sie eine leichtere Basis fuumlr Kommunikation sowie Austausch und Vertrauen

bdquoWir wohnen nicht in einem Land sondern in einer Spracheldquo[Emil Cioran rumaumlnischer Philosoph]

bdquoGelebte Zweisprachig-keit ist eher selten aumlqui-valent sondern asymmetrisch oft hierarchisch und bisweilen konfliktivldquo [Georg Kremnitz deutscher Romanist]

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43 Wenn Kinder offensichtlich ungute Dinge zu jemanden in einer Sprache sagen die Sie nicht verstehen

Wenn man Kindern die Moumlglichkeit einraumlumt ihre Erstsprachen zu verwenden haben Paumldago-gInnen manchmal Angst sie koumlnnten dies dafuumlr nutzen um Schimpfwoumlrter oder andere respekt-lose Ausdruumlcke zu verwenden In den seltensten Faumlllen ist es so Ihre Intuition wird Ihnen zeigen sollte tatsaumlchlich respektlos miteinander umgegangen werden Dazu braucht man nicht jedes Wort zu verstehen denn Kommunikation passiert auch auf nonverbaler Ebene Dabei ist natuumlrlich der respektlose Umgang zu hinterfra-gen Auch in diesem Fall ist ein Deutschgebot das die Verwendung anderer Sprachen unter-bindet nicht zielfuumlhrend Denn einerseits wuumlrde man dadurch die Kinder die respektvoll mitein-ander umgehen auch sanktionieren und ander-seits wird dadurch das Problem des fehlenden Respekts nicht geloumlst Viel wichtiger ist es einen respektvollen Umgang miteinander zu foumlrdern unabhaumlngig davon welche Sprache dabei gesprochen wird

44 Wenn SchuumllerInnen die in Deutsch noch schwach sind ausgegrenzt werden

Fehlende Sprachkompetenz kann auch ausgrenzend wirken Das Kind kann sich nicht verstaumlndigen bei Spielen und Gesprauml-chen nicht mitmachen und wird vielleicht von den Mitschuumller-Innen nicht in die Gruppe integriert Das kann zu einer Nega-tiv-Spirale fuumlhren denn die eingeschraumlnkten sozialen Kontakte schraumlnken auch den sprachlichen Kontakt ein und Kinder lernen besonders viel von- und miteinander In solch einer Situation kann es hilfreich sein dass Sie thematisieren wie es einem geht wenn man eine neue Sprache lernt Dazu gibt es zahlrei-che kindgerechte Uumlbungen ZthinspB ausgeruumlstet nur mit einem

Woumlrterbuch in einer ganz fremden Sprache etwas erklaumlren muumlssen oder auch selbst daruumlber reflektieren wie geht es mir beim Fremdsprachenlernen zthinspB Englisch Wenn man sich besinnt wie herausfordernd der Weg ist hat man auch mehr Verstaumlndnis fuumlr den neuenthinspthinspdie neue MitschuumllerIn

Helfen kann auch die Kinder von Anfang an als Stuumltze und Hilfe fuumlr das neue Kind einzubinden So fuumlhlen sie Verantwor-tung und koumlnnen selbst etwas fuumlr den guten sozialen Klassen-verband beitragen

Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein

bdquoMehrsprachige Kompetenz ist nicht nur Ein - sprachigkeit in mehreren Sprachen sondern ist als eine ganzheit-liche Sprach-kompetenz aufzufassen und zu foumlrdernldquo [Elisabeth Allgaumluer-Hacklthinspthinsp Ulrike Jessner in Mehrsprachig-keitsunterricht aus mehrsprachiger Sicht Zur Foumlrderung des metalinguistischen Bewusstseins]

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Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren Argumente und Darstellungen fuumlr Gespraumlche und Fragen mit denen Sie Ihre Position Mehrsprachigkeit zu foumlrdern erklaumlren und staumlrken koumlnnen

51 Ein Erklaumlrungsversuch ndash warum die Foumlrderung und Anerkennung sprachlicher und soziokultureller Diversitaumlt in Frage gestellt wird

Uumlber Mehrsprachigkeit wird schon seit langem geforscht denn Gesellschaften in denen mehrere Sprachen zusammenkom-men hat es seit jeher gegeben Die wissenschaftlichen und empirischen Ergebnisse aus der Mehrsprachigkeitsforschung zeigen allesamt dass die Foumlrderung der individuellen und gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit allen zugutekommt Zum Beispiel schadet es nicht dem Erlernen und Erwerben des Deutschen wenn Kinder auch in ihren anderen Erstsprachen gefoumlrdert werden Genau das Gegenteil ist der Fall Kinder entwickeln sich insgesamt sprachlich besser Und viele weitere positive Argumente wurden formuliert

Diese gesellschaftliche Mehrsprachigkeit und Plurikulturalitaumlt verlaumluft aber in den seltensten Faumlllen konfliktfrei Die Konflikte sind meist das Ergebnis von politischen Maszlignahmen die bestim-men SprecherInnengruppen mehr Macht und staumlrkere Positionen einraumlumen Das fuumlhrt auch dazu dass im oumlffentlichen Diskurs ndash in den Medien in Debatten und Stellungnahmen usw ndash manche Menschen die Position vertreten nur die anerkannte Amtsspra-che Deutsch sei foumlrdernswert und von Nutzen Die anderen Sprachkompetenzen werden als Problem angesehen Diese Haltung ist eine ausgrenzende die Menschen diskriminiert Diskriminierung fuumlhrt in keinem Fall zu einem besseren Schul-erfolg oder zur besseren Integration Auffaumlllig bei dieser Haltung ist dass die Sprachen selbst bewertet werden Beispielsweise wird das Erwerben von Englisch als positiv bewertet und eine Deutsch-Englisch Bilingualitaumlt auch Wenn es um migrationsbe-dingte Mehrsprachigkeit geht wird diese als Hindernis einge-

bdquoSchule muss bilinguale Kinder auch als solche wahrnehmen und nicht versuchen sie in die Passform des einsprachigen Kindes zu pressenldquo [Zwetelina Ortega]

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Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

stuft Wie steht es um die Erstsprachen die durch Migration nach Oumlsterreich gelangt sind Wie ist ihr Image Eine entscheidende Rolle spielt der Status der SprecherInnen Um mit Robert Walser zu sprechen Money rules the world Ist die Gruppe der Sprech-erInnen wirtschaftlich stark hat ihre Sprache gesellschaftlich hohe Anerkennung Uumlbt die Vielzahl einer SprecherInnengruppe jedoch niederqualifizierte und schlecht bezahlte Jobs aus ist sie wirtschaftlich schwach so hat ihre Sprache ein schlechtes Image in der Gesellschaft Diese Situation ist in allen Einwanderungsge-sellschaften aumlhnlich die Sprachen sind auswechselbar

Tatsache ist dass sich falsche und diskriminierende Argumente immer noch halten und dass Ihnen vielleicht Menschen begeg-nen werden die versuchen werden gegen die Foumlrderung von Mehrsprachigkeit zu argumentieren

Es gibt keinen Grund der Diskriminierung und Ausgrenzung zulaumlssig macht Das Ziel einer gelungenen paumldagogischen Arbeit ist es alle Facetten des Kindes anzunehmen und sie als Teil des paumldagogischen Alltags zu integrieren

52 Argumentationslinien und moumlgliche Positionen im Austausch mit KollegInnen Eltern KlassenlehrerInnen und DirektorInnen

Um Ihre Position zu staumlrken dass alle Sprachen und Sprach-kompetenzen gleichberechtigt und wertvoll sind und Sie sie deshalb in Ihrer Arbeit beruumlcksichtigen und foumlrdern haben wir einige Argumente fuumlr Sie ausgearbeitet

Familiaumlrer Kontext

Voraussetzung fuumlr eine gute Lernumgebung sind Menschen die viel und richtig mit dem Kind sprechen Eltern die meinen ihrem Kind etwas Gutes zu tun indem sie mit ihm Deutsch sprechen obwohl sie die Sprache nicht auf Muttersprachen-niveau beherrschen koumlnnen damit der kindlichen Sprachent-wicklung manchmal mehr schaden als helfen

Wichtig ist dass mit den Kindern viel gesprochen erzaumlhlt gelesen und vorgelesen wird Die Sprache die die Eltern dabei verwenden sollte eine sein in der sie sich wohl und sicher fuumlhlen und vielseitig ausdruumlcken koumlnnen Uumlblicherweise ist dies die Erstsprache der Eltern Kinder koumlnnen dann generell besser mit Sprache umgehen ndash auch mit Deutsch

Paumldagogischer und schulischer Kontext

Durch sprachsensible paumldagogische Arbeit die auch die Mehrsprachigkeit der Kinder beruumlcksichtigt wird das Verinner-lichen der sprachlichen Inhalte vor allem auch der bildungs-sprachlichen verbessert Der Aufbau von Bildungssprache ist Grundlage fuumlr Wissenserwerb Diese Faumlhigkeit die Sie den SchuumllerInnen vermitteln wird sie langfristig dazu befaumlhigen auch in ihren weiterfuumlhrenden Ausbildungen besser voranzu-kommen Dadurch werden auch die Bildungschancen aller SchuumllerInnen erhoumlht und zum Teil werden ungleiche Bildungs-bedingungen uumlberwunden

Beim doppelten Spracherwerb also bei Kindern die bilingu-al aufwachsen beeinflussen sich beide Sprachsysteme gegen-seitig positiv in ihrem Wachstum Das ist wissenschaftlich erwiesen Der Erhalt der Erstsprache gefaumlhrdet in keiner Weise den guten Erwerb des Deutschen im Gegenteil

bdquoEs ist doch ein groszliger Unter-schied ob einem gesagt wird dass Sprachen gleichwertig sind und man alles in jeder ausdruumlcken kann oder ob man es tutldquo [Elke Montanari deutsche Sprach- wissenschaftlerin]

bdquoDer Mensch ist Mensch nur durch Spracheldquo[Johann Gottfried von Herder deutscher Dichter und Uumlbersetzer]

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Wer sein Wissen aus den vorab erworbenen oder erlernten Sprachen einbringen kann der erfaumlhrt einen Motivationsschub der sich positiv auf das weitere Sprachenlernen auswirken kann

Die Anerkennung einer Herkunftssprache im schulischen Kontext kann zu einer positiven Persoumlnlichkeitsentwicklung der SchuumllerInnen fuumlhren Deren Aufwertung gibt den Kindern Selbstvertrauen und Sicherheit die sich auf den gesamten Lernerfolg gut auswirken

Eines der Ziele die sich die Europaumlische Union gesetzt hat ist es dass jeder Buumlrgerthinspthinspjede Buumlrgerin seinethinspthinspihre Mutterspra-che sowie mindestens zwei weitere Sprachen beherrscht Diesem Ziel ruumlcken wir naumlher wenn wir die vorhandenen Sprachkompetenzen der Kinder nutzbar machen

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen dass bei einer Foumlrderung der durchgaumlngigen Sprachbildung und lebenswelt-lichen Mehrsprachigkeit von Kindern die narrative Schreibfauml-higkeit und die schriftliche Kompetenzentwicklung gestaumlrkt werden und die bildungssprachlichen Elemente im Deutschen zunehmen

Es gibt noch viele weitere Argumente warum Mehrsprachigkeit immer ein Vorteil ist und nicht als Problem gesehen werden sollte Weitere Argumente werden Sie bestimmt in Ihrer eigenen Arbeit und Erfahrung mit den Kindern selbst finden Trauen Sie sich selbstbewusst zu Ihrer Position zu stehen und lassen Sie diskriminierende Haltungen nicht unkommentiert Wenn Sie die Moumlglichkeit haben nutzen Sie Ihre eigenen vielseitigen Sprachkompetenzen seien es Fremdsprachen oder weitere Erstsprachen sei es im spielerischen Umgang oder wenn Sie etwas erklaumlren Gemeinsam koumlnnen wir dazu beitra-gen dass mehrsprachige Kinder positiv wahrgenommen werden

Kapitel 6

Weitere Uumlbungs- und Anwendungsideen In diesem Kapitel finden Sie viele praxisnahe Uumlbungen fuumlr den spielerischen Umgang mit Mehrsprachigkeit in der Freizeitpaumldagogik

Wenn Sie solche oder aumlhnliche Uumlbungen mit den Kindern ausprobieren werden Sie vielleicht selbst oder gemeinsam mit ihnen viele neue Ideen entwickeln wie man Mehrsprachigkeit spielerisch und mit Freude in der Freizeitbetreuung aufgreifen kann Probieren Sie es aus Es wird allen SchuumllerInnen be-stimmt gefallen Das sind die Erfahrungen die wir bisher gemacht haben Hier einige Ansaumltze fuumlr Sie

Die Herkunft der Vor- und Nachnamen ndash wir erkunden die Bedeutungen unserer Namen

Radio aus aller Welt ndash wir houmlren in Online-Radiosender in verschiedenen Sprachen hinein Dabei koumlnnen die Kinder raten oder versuchen zu erkennen welche Sprache gerade erklingt

Stille Post mit den Sprachen unserer Klasse spielen

Kleine Sprachschule ndash jeweils ein Kind bringen dem Rest der MitschuumllerInnen einfache Saumltze und nuumltzliche Worte bei

Mehrsprachigkeit im oumlffentli-chen Raum ndash wir begeben uns auf Entdeckungsreise und suchen Orte wo wir unter-schiedliche Sprachen houmlren und sehen

Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

bdquoKennst du viele Sprachen ndash hast du viele Schluumlssel fuumlr ein Schloszligldquo[Voltaire franzoumlsischer Philosoph und Schriftsteller]

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Kapitel 7

EmpfehlungenLektuumlreempfehlungen zur Vertiefung Zahlreiche Links die weitere Anwendungsideen fuumlr die Praxis bieten aber auch vielseitige Artikel zum Thema

Weiterfuumlhrende Literatur

Krumm Hans-JuumlrgenthinspthinspReich Hans H 2011 Curriculum Mehrsprachigkeit Online im Internet

Montanari Elke 2013 Mit zwei Sprachen groszlig werden Mehrsprachige Erziehung in Familie Kindergarten und Schule Muumlnchen Koumlsel

Montanari ElkethinspthinspPanagiotopoulou Julie 2019 Mehrsprachigkeit und Bildung in Kitas und Schulen UTB

Schader Basil 2013 Sprachenvielfalt als Chance Handbuch fuumlr den Unterricht in mehrsprachigen Klassen Zuumlrich orell fuumlssli

Hilfreiche Institutionen

Kinderbuumlcherei der Weltsprachen gehoumlrt zu den Staumldtischen Buumlchereien wwwkirangoat Veranstaltungen zu Lesefoumlrderung fuumlr Schulen und Kindergaumlrten Teil der Buumlcherei Wien

wwwbaobabat BAOBAB ndash GLOBALES LERNEN vielseitige Arbeitsmaterialen und Literatur

Links

wwwlanguage-diversityeu ndash Arbeitsblaumltter Lehrmaterial Unterrichtsideen Schwerpunkt auf Minderheitensprachen in Europa

wwwpapperlapappcoat ndash Bilinguale Kinderzeitschrift wwwmultilingual-familieseu ndash Materialen fuumlr mehrsprachige Erziehung wwwderstandardatr2000023362091Linguamulti ndash monatlicher Blog zu Mehrsprachigkeit und Spracherwerb

wwwschule-mehrsprachigat ndash Kinder- und Jugendbuumlcher in vielen Sprachen Infos zum Muttersprachenunterricht

wwwfacebookcomlinguamulti ndash taumlglich Inhalte zum Thema Mehrsprachigkeit und Interkulturalitaumlt

Anschuumltzgasse 1 2 Stock 1150 WienTel +43 1 524 25 09-0 Fax +43 1 524 25 09-30officebildung-wienat wwwbildung-wienat

IMPRESSUMMedieninhaber und fuumlr den Inhalt verantwortlich BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbHAnschuumltzgasse 1 1150 Wien | Firmensitz Wien | FN502272k | Handelsgericht WienKonzeption Redaktion Text Zwetelina Ortega Linguamulti ndash wwwlinguamultiat (unter Mitwirken von BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbH)Fotos C Pertramer (S 5) J Zinner M Possert (S8)Grafik Gerald Waibel effundweat

Page 10: Unsere Schule spricht viele Sprachen · Unsere Schule spricht viele Sprachen Leitfaden für die Freizeitpädagogik. 2 3 Inhalt ... Es ist unsere gemeinsame Aufgabe im Bildungsbereich,

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31 Code-switching und Code-mixing

Mehrsprachige Kinder bdquovermischenldquo oftmals ihre Sprachen Dieses Phaumlnomen wird auch Code-mixing genannt Oder sie wechseln zwischen den Sprachen genannt Code-switching Dieses Sprachverhalten kann PaumldagogInnen verunsichern Faumllschlicherweise wird Mehrsprachigen nachgesagt sie haumltten einen eingeschraumlnkten Wortschatz und weniger ausdifferen-zierte sprachliche Ressourcen in den jeweiligen Sprachen als Kinder mit einer Erstsprache Untersuchungen zeigen aber dass dies nur fuumlr die ersten Lebensjahre stimmt Gegen Ende der Volksschule gleichen sich Grammatik und Wortschatz in der dominanten Sprache aus und oft uumlberholen die bilingualen Kinder sogar die monolingualen

Junge Menschen verwenden Code-switching auch als bdquoHilfs-strategieldquo wenn der fuumlr ein Thema relevante Wortschatz in der anderen Sprache leichter verfuumlgbar ist

Nahezu alle mehrsprachigen Menschen mischen und vermi-schen ihre Sprachen vor allem in informellen Gespraumlchskontex-ten Es ist auch nicht weiter schlimm solange es in dem eben dargelegten Rahmen bleibt

Fuumlr Sie als PaumldagogIn heiszligt das dass Sie nicht das Gefuumlhl haben muumlssen immer eine einheit-

liche Sprache einzufordern Versuchen Sie im Sprachwechsel auch die Kreativitaumlt der Kinder zu erkennen und diese in der Betreuung zu nutzen Vielleicht moumlchte das Kind erklaumlren warum es gerade dieses Wort aus einer anderen Sprache verwendet hat und welche die besondere Bedeutung ist

In der paumldagogischen Praxis

Weitere Moumlglichkeiten auf Code-switching und Code-mixing spielerisch einzugehen vielsprachige kreative Texte schreiben in denen alle Sprachen vorkommen duumlrfen

Ein vielsprachiges bdquoStadt Land Flussldquo-Spiel bei dem alle Sprachen erlaubt sind Wichtige Regel dabei die Kinder muumlssen versuchen die Begriffe auf Deutsch zu uumlbersetzen zu umschreiben oder zu erklaumlren um sie so der ganzen Gruppe verstaumlndlich zu machen Es ist dabei hilfreich wenn Sie als PaumldagogIn den Anfang machen und sich selbst auch mit Ihren Sprachkenntnissen einbringen So verstehen die Kinder das Spiel besser und trauen sich eher ihre Erstsprachen zu verwen-den

Oder als Reihum-Fragespiel bdquoWie sagt man in deiner (nicht-deutschen) Sprache fuumlr Ich habe einen Baumlrenhunger hellip Der ist bekannt wie ein bunter Hund hellip Du kannst mir mal den Buckel runterrutschen hellipldquo und andere bekannte Redensarten

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen KontextErscheinungsformen gelebter Mehrsprachigkeit in der Schule und viele Beispiele fuumlr praxisnahe Handlungsfelder und Uumlbungen

bdquoEine Umsetzung mehrschriftlicher und multilingua-ler Ansaumltze kann allen Beteiligten zu mehr Freiheit und Selbstbe-stimmung verhelfen [hellip]ldquo [Elke Montanarithinspthinsp Julie Panagioto-poulou in Mehrsprachigkeit und Bildung in Kitas und Schule]

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Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

32 Dominante und schwache Sprache

Nahezu jede Sprachsituation im Leben von zweisprachigen Kindern ist einzigartig Diese haumlngt von unterschiedlichen Gegebenheiten ab Wie oft ist das Kind im Kontakt mit einer Sprache Wie haumlufig wird sie gesprochen Mit wem wird sie gesprochen Wie viel und welcher Input ist da usw In vielen Faumlllen entwickelt sich eine Sprache schneller und besser als die andere Die Kompetenzen in den Sprachen koumlnnen sich im Laufe des Lebens veraumlndern oder auch verschieben je nach Sprachsituation und Motivation des Menschen Nur selten beherrschen Kinder beide Sprachen gleich gut Auch Erst- oder Zweitsprachen koumlnnen sich je nach Lebenssituation in ihrer Dominanz verschieben

Auch wenn Sie das Gefuumlhl haben dass das Kind seine Erstsprache nicht so gut beherrscht wird

es sich sicher freuen und es als positiv erleben wenn es etwas daruumlber erzaumlhlen kann oder sich mit Wortbeitraumlgen und Kommentaren in dieser Sprache einbringen kann

In der paumldagogischen Praxis

33 Gesellschaftliches Prestige der Sprachen

bdquoAlle Sprachen sind gleichwertigldquo ndash diese so selbstverstaumlndlich schei-nende Aussage deckt sich leider ganz und gar nicht mit der Wirklichkeit Viele Vorurteile truumlben den Blick auf den Wert individueller migrationsbe-dingter Mehrsprachigkeit Vorurteile sind wie ein Echo auf die Mehrspra-chigkeit Das Kind bekommt sie fruumlher mit als uns lieb ist Dieser Umstand kann die gesamte Sprachentwicklung bremsen

Das Prestige einer Sprache haumlngt in erster Linie vom Ansehen ihrer SprecherInnen ab Dieses Ansehen wiederum ist vor allem durch die wirtschaftliche und soziale Position einer bestimmten SprecherInnengruppe in der Gesellschaft beeinflusst

Als PaumldagogIn kann man mit dem eigenen Verhalten

zeigen dass alle Sprachen gleich geschaumltzt werden Diese Wertschaumltzung gilt es auch den Eltern zu signalisierten Dabei reichen oft kleine Kommentare Zum Beispiel bdquoEs ist groszligartig dass du so viele Sprachen sprichstldquo bdquoEs gefaumlllt mir wenn ich dich hellip sprechen houmlreldquo oder bdquoSchoumln dass Ihr Kind zwei Sprachen so gut beherrschtldquo Und Sie koumlnnen den Kindern und Eltern auch von Ihren eignen Erfahrungen erzaumlhlen beim Sprachenlernen oder von Ihrer eignen Bilingualitaumlt ZthinspB durch Beispiele fuumlr die Nuumltzlichkeit von Mehrsprachigkeit im Urlaub oder durch den Hinweis auf berufliche Vorteile Oumlsterreichische Firmen (zthinspB Banken) stellen naumlmlich gerne MitarbeiterInnen ein die neben Deutsch nicht immer nur Englisch sondern gerne auch andere Sprachen wie die BKS-Sprachen oder Tuumlrkisch sprechen So vermitteln Sie das Thema auf authentische Weise und staumlrken gleichzeitig die Familie positiv mit ihrer eigenen Mehrsprachigkeit umzugehen

In der paumldagogischen Praxis

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34 Interferenzen und Lerntransfer

Wenn Sprachen sich gegenseitig beeinflussen und es dadurch zu einer Fehlleistung kommt sprechen wir von Interferenz Dies kann auf grammatikalischer phonetischer oder lexikali-scher Ebene vorkommen Meist beeinflusst die dominante Sprache die schwaumlchere Im Spracherwerb kann es Phasen geben in denen es zu zahlreichen Interferenzen kommt Diese Phasen gehen aber meist wieder zuruumlck wenn die Sprachen sich gut entwickeln und das sprachliche Repertoire des Kindes waumlchst Voraussetzung dafuumlr ist eine gute Lernumgebung und Menschen die viel und richtig mit dem Kind sprechen Eltern die meinen ihrem Kind etwas Gutes zu tun indem sie mit ihm Deutsch sprechen obwohl sie die Sprache nicht auf Mutter-sprachenniveau beherrschen schaden damit der kindlichen Sprachentwicklung

Es gibt aber auch einen Lerntransfer zwischen den Sprachen und zwar dann wenn sie sich positiv beeinflussen und es beim Sprachenlernen zu sogenannten Uumlbertragungen kommt Diese bleiben fuumlr uns verborgen weil sie eine Form gelingenden Sprechens sind

PRAXIS Umgehen mit sprachlichen Fehlleistungen

Korrektives Feedback wiederholen Sie im Gespraumlch mit dem Kind richtig was falsch gesagt wurde und versuchen Sie es in das Gespraumlch einflieszligen zu lassen Wiederholen Sie Schluumls-selwoumlrter die das Kind falsch gesagt hat eher am Ende des Gespraumlchs richtig Versuchen Sie auf direktes Verbessern zu verzichten Es stoumlrt den Gespraumlchsverlauf Fordern Sie die Kinder nicht staumlndig auf das falsch Gesagte richtig zu wieder-holen Hin und wieder kann es zielfuumlhrend sein weil es Klarheit verschafft zu oft eingefordert kann es die Kinder beim Sprechen hemmen

Geduld Spracherwerb ist ein langsamer Prozess der noch dazu nicht linear verlaumluft Es gibt Entwicklungsspruumlnge dann wieder Phasen in denen sich vermeintlich wenig weiterentwi-

ckelt Kinder nehmen Sprachinput auf und verarbeiten ihn fuumlr sich Bis es uns beim Reden auffaumlllt muss manchmal etwas Zeit vergehen Haben Sie also Geduld Ihre Foumlrderansaumltze brauchen einfach etwas Zeit um zu fruchten

Wahrnehmen Jeder freut sich wenn man seine Anstren-gung wahrnimmt Wenn Ihnen bei einem Kind eine sprachliche Errungenschaft auffaumlllt so koumlnnen Sie es explizit sagen

Stuumltze in der Erstsprache des Kindes Sollten Sie die Erstsprache des Kindes beherrschen koumlnnen Sie diese Kompe-tenz selbstverstaumlndlich nutzen um dem Kind in seinem Spracherwerb zu helfen Beispielsweise indem Sie ihm etwas kurz erklaumlren damit es dieses besser versteht Manchmal hilft es auch den Fehler in der deutschen Sprache aus der Sicht der Erstsprache zu betrachten dann kann man das Kind besser unterstuumltzen Nutzen Sie diese Chance wenn Sie sie haben

Fehler machen ist Teil jeder Form von Spracherwerb und von Sprachlernen Fehlermachen im gesteuerten ebenso wie im ungesteuerten Spracherwerb ist etwas voumlllig Natuumlrliches Fehler zu machen und sie als solche zu erkennen ist ein Schluumls-selelement jeder Form des Spracherwerbs Wenn Sie als PaumldagogIn Ihrerseits Deutsch nicht als Muttersprache erwor-ben haben koumlnnen Sie auf eigene Fehler und Muumlhen im Erwerb

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

bdquoEine andere Sprache ist eine andere Sicht auf das Lebenldquo [Federico Fellini italienischer Filmemacher]

bdquoDer Akzent sorgt fuumlr die Schoumlnheitsmale auf der Sprach-hautldquo[Ilija Trojanow bulgarisch- deutscher Schriftsteller]

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des Deutschen verweisen (zthinspB auf die richtige Beugung unregelmaumlszligiger Verben oder die Stellung des Verbs am Ende des Nebensatzes etc)

35 Sprachbewusstsein foumlrdern eine Methode die viel bewirkt

Im Gegensatz zur schulischen Mehrsprachigkeit wird die migrationsbedingte bzw lebensweltliche Mehrsprachigkeit bisher zaghaft gefoumlrdert und im Unterricht weitgehend ausge-blendet Die Herkunftssprachen der SchuumllerInnen werden im Unterricht selten einbezogen Sie werden eher als Belastung bzw als Problem und nicht als Ressource angesehen

Sprachbewusstsein ist das Bewusstsein fuumlr die Funktionsweise und Bedeutung von Sprachen Wenn man Kinder darin unter-stuumltzt so gibt man ihnen die Moumlglichkeit und befaumlhigt sie sprachliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erkennen Zudem werden sie darin gefoumlrdert zu erkennen welche Rolle Sprache in unserer Gesellschaft spielt

Bei diesem Prozess koumlnnen die SchuumllerInnen auf bereits vorhandenes Sprachlernwissen zuruumlckgegriffen Wenn sie sich mit ihrem Wissen aus der erworbenen Herkunftssprache einbringen koumlnnen so bewirkt dies einen Motivationsschub der sich positiv auf das weitere Sprachenlernen auswirken kann

Stellen Sie Spiele und Uumlbungen und Methoden zur Verfuumlgung die die Kinder motivieren ihre vorhandenen Sprachkenntnisse zu nutzen so dass die Sprachen auch erklingen koumlnnen Und vergessen Sie dabei nicht auf die zentrale Vorbildwirkung die Sie selbst einbringen koumlnnen Beteiligen Sie sich selbst an den Spielen und Uumlbungen mit Ihren Sprachkenntnissen Die Kinder werden viel Freude daran haben diese weitere Facette die Sie ausmacht kennenzulernen So koumlnnen Sie gemeinsam mit den Kindern Lieder singen die es in mehreren Sprachversionen gibt (wie zthinspB Fregravere JacquesthinspthinspBruder Jakob und in der Weihnachts-zeit Stille Nacht heilige Nacht ndash ein Lied das es bestimmt in den Sprachen aller beteiligten Kinder gibt)

PRAXIS Anwendungsideen

Am Anfang steht die Bereitschaft Raum fuumlr Gespraumlche uumlber die eigene Sprachbiografie zu schaffen Natuumlrlich nehmen an diesen Gespraumlchen alle Kinder teil auch jene die nicht bilingual aufwachsen Weitere Spielideen

Sprachenportrait ndash meine Sprachen in mir Uumlber Sprache nachdenken und daruumlber sprechen Meine Sprachbiografie Meine Familie und ihre Sprachen Sprachenstammbaum der Familie Uumlbersetzungsspiel UmgangssprachethinspthinspFachsprache oder HochsprachethinspthinspDialekt

Redewendungen aus aller Welt Mehrsprachige Wortfelder

Die naumlhere Ausfuumlhrung zu den jeweiligen Spielideen finden Sie auf der Website und im Intranet der BiM ndash Bildung im Mittel-punkt Weitere Uumlbungen um Sprachbewusstsein und Mehr-sprachigkeit zu foumlrdern sind in Kapitel 6 angefuumlhrt

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

bdquoDer Geist einer Sprache offenbart sich am deutlichsten in ihren unuumlber- setzbaren Wortenldquo[Marie von Ebner-Eschenbach oumlsterreichische Schriftstellerin]

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Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd seinNutzen der eigenen Sprachkompetenzen und Umgang mit kritischen Situationen die sich durch die Mehrsprachigkeit der Kinder ergeben koumlnnen

41 Wenn Kinder untereinander in einer anderen Sprache als Deutsch sprechen

In vielen Schulen wird nach wie vor das Prinzip gelebt dass nur Deutsch gesprochen werden darf und soll Dieser Zugang blendet die Realitaumlt bilingualer Menschen aus und signalisiert den Kindern dass ein Teil von ihnen unerwuumlnscht ist Das ist weder fuumlr den Deutscherwerb noch fuumlr die Persoumlnlichkeitsent-wicklung des Kindes foumlrderlich Und dabei wird auszliger Acht gelassen warum Kinder in eine andere Sprache switchen

weil sie sich in ihrer Erstsprache sicherer fuumlhlen und Deutsch noch nicht gut beherrschen Fuumlr die Kommunikation eine Sprache zu waumlhlen die man gemeinsam gut kann ist ein natuumlrlicher Zugang Wuumlrde man die Kinder dann zwingen auf Deutsch zu wechseln wuumlrde man sie foumlrmlich verstummen lassen

Das Sprachwechseln kann auch bei Kindern die gut Deutsch sprechen ganz intuitiv passieren und vom Kind in diesem Moment nicht bewusst wahrgenommen werden Diese Sprach-wahl des Kindes zeugt eher von einer hohen Sprachkompetenz und von seinem kreativen Umgang mit der eigenen Bilinguali-taumlt

Als Problem wird haumlufig dargestellt dass andere Kinder durch den nichtdeutschen Sprachgebrauch ausgegrenzt wuumlrden Wenn Sie tatsaumlchlich beobachten dass Kinder jemanden durch Sprachwechsel ausgrenzen dann ist das Problem die Ausgren-zung Ein Sprachverbot ist hier der falsche Weg Viel wichtiger ist es uumlber das Ausgrenzen anderer Kinder an sich zu sprechen

Damit sich vielleicht andere Kinder nicht verunsichert fuumlhlen kann man auch die Bilingualitaumlt der SchuumllerInnen zum Thema zu machen und mit der Gruppe besprechen Dann kann man auch den Kindern vermitteln dass die gemeinsame Sprache der Gruppe Deutsch ist Damit Kinder ihre Bilingualitaumlt positiv erleben koumlnnen ist es aber ratsam dass sie im schulischen Kontext auch eine ihrer Erstsprachen verwenden koumlnnen So koumlnnen tatsaumlchlich ihre beiden Sprachen Platz haben so wie es auch ihrer Wirklichkeit entspricht Wie und wann geswitcht werden kann kann man in der Gruppe gemeinsam vereinbaren So haben die Kinder sowohl Deutschinput als auch die Moumlglich-keit all ihre Sprachkompetenzen zu benutzen

bdquoSprache ist der Schluumlssel zur Weltldquo[Alexander von Humboldt deutscher Naturforscher]

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Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein

42 Wenn Kinder Sie in Ihrer Erstsprache ansprechen

Viele FreizeitpaumldagogInnen der BiM ndash Bildung im Mittelpunkt haben selbst unterschiedliche und vielfaumlltige kulturelle und sprachliche Kompetenzen Und diese betrachten wir als wertvoll Sehen Sie Ihre Sprachkompetenz deshalb als Berei-cherung und Chance Denn Sprache ist mehr als Kommunika-tion es geht nicht nur darum dass die Kinder von Ihnen Deutsch lernen sie haben auch eine Bindung zu Ihnen aufge-baut oder sind gerade dabei Sich uumlber eine gemeinsame Sprache auszutauschen kann Vertrauen schaffen Manchmal wollen die Kinder einfach zeigen was sie alles koumlnnen

Wenn ein Kind tatsaumlchlich noch kein Deutsch spricht und versteht koumlnnen Sie mit Ihrer Sprachkompetenz eine gute Bruumlcke schlagen und das Kind dabei unterstuumltzen sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden durch kleine Erklaumlrungen oder indem Sie auf die Ausfuumlhrung des Kindes reagieren Ihre sprachliche Unterstuumltzung erleichtert dem Kind vor allem sich in der neuen Situation einzuleben Auch in der Kommunikation mit den Eltern koumlnnen Sie Ihre Sprachkenntnisse nutzen

PRAXIS die eigenen Sprachkompetenzen nutzen

Kurze Erklaumlrungen Wenn Sie bemerken dass sich ein Kind aus sprachlichen Gruumlnden in einer Situation ganz und gar nicht zurechtfindet und Sie haben eine andere gemeinsame Sprache koumlnnen Sie diese nutzen um dem Kind zu erklaumlren was gerade passiert oder was zu tun ist Beispielweise wenn es darum geht dass Sie gemeinsam in den Park gehen wollen und sich die Kinder anstellen sollten oder Aumlhnliches Danach koumlnnen Sie wieder auf Deutsch switchen Sie koumlnnen auch den restlichen Kindern kurz erklaumlren dass Sie in einer anderen Sprache gesprochen haben um dem Kind zu helfen besser zu verstehen was passiert So fuumlhlen sich die Kinder nicht ausgeschlossen und erleben dass Sprachgebrauch vielseitig sein kann und sein darf

Gespraumlch mit Eltern Wenn Sie bemerken dass es den Eltern schwer faumlllt auf Deutsch zu kommunizieren und Sie wissen sie haben eine andere gemeinsame Sprache in der es ihnen leichter fallen wuumlrde koumlnnen Sie es den Eltern behutsam und mit dem notwendigen Fingerspitzengefuumlhl anbieten So schaffen Sie eine leichtere Basis fuumlr Kommunikation sowie Austausch und Vertrauen

bdquoWir wohnen nicht in einem Land sondern in einer Spracheldquo[Emil Cioran rumaumlnischer Philosoph]

bdquoGelebte Zweisprachig-keit ist eher selten aumlqui-valent sondern asymmetrisch oft hierarchisch und bisweilen konfliktivldquo [Georg Kremnitz deutscher Romanist]

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43 Wenn Kinder offensichtlich ungute Dinge zu jemanden in einer Sprache sagen die Sie nicht verstehen

Wenn man Kindern die Moumlglichkeit einraumlumt ihre Erstsprachen zu verwenden haben Paumldago-gInnen manchmal Angst sie koumlnnten dies dafuumlr nutzen um Schimpfwoumlrter oder andere respekt-lose Ausdruumlcke zu verwenden In den seltensten Faumlllen ist es so Ihre Intuition wird Ihnen zeigen sollte tatsaumlchlich respektlos miteinander umgegangen werden Dazu braucht man nicht jedes Wort zu verstehen denn Kommunikation passiert auch auf nonverbaler Ebene Dabei ist natuumlrlich der respektlose Umgang zu hinterfra-gen Auch in diesem Fall ist ein Deutschgebot das die Verwendung anderer Sprachen unter-bindet nicht zielfuumlhrend Denn einerseits wuumlrde man dadurch die Kinder die respektvoll mitein-ander umgehen auch sanktionieren und ander-seits wird dadurch das Problem des fehlenden Respekts nicht geloumlst Viel wichtiger ist es einen respektvollen Umgang miteinander zu foumlrdern unabhaumlngig davon welche Sprache dabei gesprochen wird

44 Wenn SchuumllerInnen die in Deutsch noch schwach sind ausgegrenzt werden

Fehlende Sprachkompetenz kann auch ausgrenzend wirken Das Kind kann sich nicht verstaumlndigen bei Spielen und Gesprauml-chen nicht mitmachen und wird vielleicht von den Mitschuumller-Innen nicht in die Gruppe integriert Das kann zu einer Nega-tiv-Spirale fuumlhren denn die eingeschraumlnkten sozialen Kontakte schraumlnken auch den sprachlichen Kontakt ein und Kinder lernen besonders viel von- und miteinander In solch einer Situation kann es hilfreich sein dass Sie thematisieren wie es einem geht wenn man eine neue Sprache lernt Dazu gibt es zahlrei-che kindgerechte Uumlbungen ZthinspB ausgeruumlstet nur mit einem

Woumlrterbuch in einer ganz fremden Sprache etwas erklaumlren muumlssen oder auch selbst daruumlber reflektieren wie geht es mir beim Fremdsprachenlernen zthinspB Englisch Wenn man sich besinnt wie herausfordernd der Weg ist hat man auch mehr Verstaumlndnis fuumlr den neuenthinspthinspdie neue MitschuumllerIn

Helfen kann auch die Kinder von Anfang an als Stuumltze und Hilfe fuumlr das neue Kind einzubinden So fuumlhlen sie Verantwor-tung und koumlnnen selbst etwas fuumlr den guten sozialen Klassen-verband beitragen

Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein

bdquoMehrsprachige Kompetenz ist nicht nur Ein - sprachigkeit in mehreren Sprachen sondern ist als eine ganzheit-liche Sprach-kompetenz aufzufassen und zu foumlrdernldquo [Elisabeth Allgaumluer-Hacklthinspthinsp Ulrike Jessner in Mehrsprachig-keitsunterricht aus mehrsprachiger Sicht Zur Foumlrderung des metalinguistischen Bewusstseins]

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Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren Argumente und Darstellungen fuumlr Gespraumlche und Fragen mit denen Sie Ihre Position Mehrsprachigkeit zu foumlrdern erklaumlren und staumlrken koumlnnen

51 Ein Erklaumlrungsversuch ndash warum die Foumlrderung und Anerkennung sprachlicher und soziokultureller Diversitaumlt in Frage gestellt wird

Uumlber Mehrsprachigkeit wird schon seit langem geforscht denn Gesellschaften in denen mehrere Sprachen zusammenkom-men hat es seit jeher gegeben Die wissenschaftlichen und empirischen Ergebnisse aus der Mehrsprachigkeitsforschung zeigen allesamt dass die Foumlrderung der individuellen und gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit allen zugutekommt Zum Beispiel schadet es nicht dem Erlernen und Erwerben des Deutschen wenn Kinder auch in ihren anderen Erstsprachen gefoumlrdert werden Genau das Gegenteil ist der Fall Kinder entwickeln sich insgesamt sprachlich besser Und viele weitere positive Argumente wurden formuliert

Diese gesellschaftliche Mehrsprachigkeit und Plurikulturalitaumlt verlaumluft aber in den seltensten Faumlllen konfliktfrei Die Konflikte sind meist das Ergebnis von politischen Maszlignahmen die bestim-men SprecherInnengruppen mehr Macht und staumlrkere Positionen einraumlumen Das fuumlhrt auch dazu dass im oumlffentlichen Diskurs ndash in den Medien in Debatten und Stellungnahmen usw ndash manche Menschen die Position vertreten nur die anerkannte Amtsspra-che Deutsch sei foumlrdernswert und von Nutzen Die anderen Sprachkompetenzen werden als Problem angesehen Diese Haltung ist eine ausgrenzende die Menschen diskriminiert Diskriminierung fuumlhrt in keinem Fall zu einem besseren Schul-erfolg oder zur besseren Integration Auffaumlllig bei dieser Haltung ist dass die Sprachen selbst bewertet werden Beispielsweise wird das Erwerben von Englisch als positiv bewertet und eine Deutsch-Englisch Bilingualitaumlt auch Wenn es um migrationsbe-dingte Mehrsprachigkeit geht wird diese als Hindernis einge-

bdquoSchule muss bilinguale Kinder auch als solche wahrnehmen und nicht versuchen sie in die Passform des einsprachigen Kindes zu pressenldquo [Zwetelina Ortega]

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Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

stuft Wie steht es um die Erstsprachen die durch Migration nach Oumlsterreich gelangt sind Wie ist ihr Image Eine entscheidende Rolle spielt der Status der SprecherInnen Um mit Robert Walser zu sprechen Money rules the world Ist die Gruppe der Sprech-erInnen wirtschaftlich stark hat ihre Sprache gesellschaftlich hohe Anerkennung Uumlbt die Vielzahl einer SprecherInnengruppe jedoch niederqualifizierte und schlecht bezahlte Jobs aus ist sie wirtschaftlich schwach so hat ihre Sprache ein schlechtes Image in der Gesellschaft Diese Situation ist in allen Einwanderungsge-sellschaften aumlhnlich die Sprachen sind auswechselbar

Tatsache ist dass sich falsche und diskriminierende Argumente immer noch halten und dass Ihnen vielleicht Menschen begeg-nen werden die versuchen werden gegen die Foumlrderung von Mehrsprachigkeit zu argumentieren

Es gibt keinen Grund der Diskriminierung und Ausgrenzung zulaumlssig macht Das Ziel einer gelungenen paumldagogischen Arbeit ist es alle Facetten des Kindes anzunehmen und sie als Teil des paumldagogischen Alltags zu integrieren

52 Argumentationslinien und moumlgliche Positionen im Austausch mit KollegInnen Eltern KlassenlehrerInnen und DirektorInnen

Um Ihre Position zu staumlrken dass alle Sprachen und Sprach-kompetenzen gleichberechtigt und wertvoll sind und Sie sie deshalb in Ihrer Arbeit beruumlcksichtigen und foumlrdern haben wir einige Argumente fuumlr Sie ausgearbeitet

Familiaumlrer Kontext

Voraussetzung fuumlr eine gute Lernumgebung sind Menschen die viel und richtig mit dem Kind sprechen Eltern die meinen ihrem Kind etwas Gutes zu tun indem sie mit ihm Deutsch sprechen obwohl sie die Sprache nicht auf Muttersprachen-niveau beherrschen koumlnnen damit der kindlichen Sprachent-wicklung manchmal mehr schaden als helfen

Wichtig ist dass mit den Kindern viel gesprochen erzaumlhlt gelesen und vorgelesen wird Die Sprache die die Eltern dabei verwenden sollte eine sein in der sie sich wohl und sicher fuumlhlen und vielseitig ausdruumlcken koumlnnen Uumlblicherweise ist dies die Erstsprache der Eltern Kinder koumlnnen dann generell besser mit Sprache umgehen ndash auch mit Deutsch

Paumldagogischer und schulischer Kontext

Durch sprachsensible paumldagogische Arbeit die auch die Mehrsprachigkeit der Kinder beruumlcksichtigt wird das Verinner-lichen der sprachlichen Inhalte vor allem auch der bildungs-sprachlichen verbessert Der Aufbau von Bildungssprache ist Grundlage fuumlr Wissenserwerb Diese Faumlhigkeit die Sie den SchuumllerInnen vermitteln wird sie langfristig dazu befaumlhigen auch in ihren weiterfuumlhrenden Ausbildungen besser voranzu-kommen Dadurch werden auch die Bildungschancen aller SchuumllerInnen erhoumlht und zum Teil werden ungleiche Bildungs-bedingungen uumlberwunden

Beim doppelten Spracherwerb also bei Kindern die bilingu-al aufwachsen beeinflussen sich beide Sprachsysteme gegen-seitig positiv in ihrem Wachstum Das ist wissenschaftlich erwiesen Der Erhalt der Erstsprache gefaumlhrdet in keiner Weise den guten Erwerb des Deutschen im Gegenteil

bdquoEs ist doch ein groszliger Unter-schied ob einem gesagt wird dass Sprachen gleichwertig sind und man alles in jeder ausdruumlcken kann oder ob man es tutldquo [Elke Montanari deutsche Sprach- wissenschaftlerin]

bdquoDer Mensch ist Mensch nur durch Spracheldquo[Johann Gottfried von Herder deutscher Dichter und Uumlbersetzer]

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Wer sein Wissen aus den vorab erworbenen oder erlernten Sprachen einbringen kann der erfaumlhrt einen Motivationsschub der sich positiv auf das weitere Sprachenlernen auswirken kann

Die Anerkennung einer Herkunftssprache im schulischen Kontext kann zu einer positiven Persoumlnlichkeitsentwicklung der SchuumllerInnen fuumlhren Deren Aufwertung gibt den Kindern Selbstvertrauen und Sicherheit die sich auf den gesamten Lernerfolg gut auswirken

Eines der Ziele die sich die Europaumlische Union gesetzt hat ist es dass jeder Buumlrgerthinspthinspjede Buumlrgerin seinethinspthinspihre Mutterspra-che sowie mindestens zwei weitere Sprachen beherrscht Diesem Ziel ruumlcken wir naumlher wenn wir die vorhandenen Sprachkompetenzen der Kinder nutzbar machen

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen dass bei einer Foumlrderung der durchgaumlngigen Sprachbildung und lebenswelt-lichen Mehrsprachigkeit von Kindern die narrative Schreibfauml-higkeit und die schriftliche Kompetenzentwicklung gestaumlrkt werden und die bildungssprachlichen Elemente im Deutschen zunehmen

Es gibt noch viele weitere Argumente warum Mehrsprachigkeit immer ein Vorteil ist und nicht als Problem gesehen werden sollte Weitere Argumente werden Sie bestimmt in Ihrer eigenen Arbeit und Erfahrung mit den Kindern selbst finden Trauen Sie sich selbstbewusst zu Ihrer Position zu stehen und lassen Sie diskriminierende Haltungen nicht unkommentiert Wenn Sie die Moumlglichkeit haben nutzen Sie Ihre eigenen vielseitigen Sprachkompetenzen seien es Fremdsprachen oder weitere Erstsprachen sei es im spielerischen Umgang oder wenn Sie etwas erklaumlren Gemeinsam koumlnnen wir dazu beitra-gen dass mehrsprachige Kinder positiv wahrgenommen werden

Kapitel 6

Weitere Uumlbungs- und Anwendungsideen In diesem Kapitel finden Sie viele praxisnahe Uumlbungen fuumlr den spielerischen Umgang mit Mehrsprachigkeit in der Freizeitpaumldagogik

Wenn Sie solche oder aumlhnliche Uumlbungen mit den Kindern ausprobieren werden Sie vielleicht selbst oder gemeinsam mit ihnen viele neue Ideen entwickeln wie man Mehrsprachigkeit spielerisch und mit Freude in der Freizeitbetreuung aufgreifen kann Probieren Sie es aus Es wird allen SchuumllerInnen be-stimmt gefallen Das sind die Erfahrungen die wir bisher gemacht haben Hier einige Ansaumltze fuumlr Sie

Die Herkunft der Vor- und Nachnamen ndash wir erkunden die Bedeutungen unserer Namen

Radio aus aller Welt ndash wir houmlren in Online-Radiosender in verschiedenen Sprachen hinein Dabei koumlnnen die Kinder raten oder versuchen zu erkennen welche Sprache gerade erklingt

Stille Post mit den Sprachen unserer Klasse spielen

Kleine Sprachschule ndash jeweils ein Kind bringen dem Rest der MitschuumllerInnen einfache Saumltze und nuumltzliche Worte bei

Mehrsprachigkeit im oumlffentli-chen Raum ndash wir begeben uns auf Entdeckungsreise und suchen Orte wo wir unter-schiedliche Sprachen houmlren und sehen

Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

bdquoKennst du viele Sprachen ndash hast du viele Schluumlssel fuumlr ein Schloszligldquo[Voltaire franzoumlsischer Philosoph und Schriftsteller]

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Kapitel 7

EmpfehlungenLektuumlreempfehlungen zur Vertiefung Zahlreiche Links die weitere Anwendungsideen fuumlr die Praxis bieten aber auch vielseitige Artikel zum Thema

Weiterfuumlhrende Literatur

Krumm Hans-JuumlrgenthinspthinspReich Hans H 2011 Curriculum Mehrsprachigkeit Online im Internet

Montanari Elke 2013 Mit zwei Sprachen groszlig werden Mehrsprachige Erziehung in Familie Kindergarten und Schule Muumlnchen Koumlsel

Montanari ElkethinspthinspPanagiotopoulou Julie 2019 Mehrsprachigkeit und Bildung in Kitas und Schulen UTB

Schader Basil 2013 Sprachenvielfalt als Chance Handbuch fuumlr den Unterricht in mehrsprachigen Klassen Zuumlrich orell fuumlssli

Hilfreiche Institutionen

Kinderbuumlcherei der Weltsprachen gehoumlrt zu den Staumldtischen Buumlchereien wwwkirangoat Veranstaltungen zu Lesefoumlrderung fuumlr Schulen und Kindergaumlrten Teil der Buumlcherei Wien

wwwbaobabat BAOBAB ndash GLOBALES LERNEN vielseitige Arbeitsmaterialen und Literatur

Links

wwwlanguage-diversityeu ndash Arbeitsblaumltter Lehrmaterial Unterrichtsideen Schwerpunkt auf Minderheitensprachen in Europa

wwwpapperlapappcoat ndash Bilinguale Kinderzeitschrift wwwmultilingual-familieseu ndash Materialen fuumlr mehrsprachige Erziehung wwwderstandardatr2000023362091Linguamulti ndash monatlicher Blog zu Mehrsprachigkeit und Spracherwerb

wwwschule-mehrsprachigat ndash Kinder- und Jugendbuumlcher in vielen Sprachen Infos zum Muttersprachenunterricht

wwwfacebookcomlinguamulti ndash taumlglich Inhalte zum Thema Mehrsprachigkeit und Interkulturalitaumlt

Anschuumltzgasse 1 2 Stock 1150 WienTel +43 1 524 25 09-0 Fax +43 1 524 25 09-30officebildung-wienat wwwbildung-wienat

IMPRESSUMMedieninhaber und fuumlr den Inhalt verantwortlich BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbHAnschuumltzgasse 1 1150 Wien | Firmensitz Wien | FN502272k | Handelsgericht WienKonzeption Redaktion Text Zwetelina Ortega Linguamulti ndash wwwlinguamultiat (unter Mitwirken von BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbH)Fotos C Pertramer (S 5) J Zinner M Possert (S8)Grafik Gerald Waibel effundweat

Page 11: Unsere Schule spricht viele Sprachen · Unsere Schule spricht viele Sprachen Leitfaden für die Freizeitpädagogik. 2 3 Inhalt ... Es ist unsere gemeinsame Aufgabe im Bildungsbereich,

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Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

32 Dominante und schwache Sprache

Nahezu jede Sprachsituation im Leben von zweisprachigen Kindern ist einzigartig Diese haumlngt von unterschiedlichen Gegebenheiten ab Wie oft ist das Kind im Kontakt mit einer Sprache Wie haumlufig wird sie gesprochen Mit wem wird sie gesprochen Wie viel und welcher Input ist da usw In vielen Faumlllen entwickelt sich eine Sprache schneller und besser als die andere Die Kompetenzen in den Sprachen koumlnnen sich im Laufe des Lebens veraumlndern oder auch verschieben je nach Sprachsituation und Motivation des Menschen Nur selten beherrschen Kinder beide Sprachen gleich gut Auch Erst- oder Zweitsprachen koumlnnen sich je nach Lebenssituation in ihrer Dominanz verschieben

Auch wenn Sie das Gefuumlhl haben dass das Kind seine Erstsprache nicht so gut beherrscht wird

es sich sicher freuen und es als positiv erleben wenn es etwas daruumlber erzaumlhlen kann oder sich mit Wortbeitraumlgen und Kommentaren in dieser Sprache einbringen kann

In der paumldagogischen Praxis

33 Gesellschaftliches Prestige der Sprachen

bdquoAlle Sprachen sind gleichwertigldquo ndash diese so selbstverstaumlndlich schei-nende Aussage deckt sich leider ganz und gar nicht mit der Wirklichkeit Viele Vorurteile truumlben den Blick auf den Wert individueller migrationsbe-dingter Mehrsprachigkeit Vorurteile sind wie ein Echo auf die Mehrspra-chigkeit Das Kind bekommt sie fruumlher mit als uns lieb ist Dieser Umstand kann die gesamte Sprachentwicklung bremsen

Das Prestige einer Sprache haumlngt in erster Linie vom Ansehen ihrer SprecherInnen ab Dieses Ansehen wiederum ist vor allem durch die wirtschaftliche und soziale Position einer bestimmten SprecherInnengruppe in der Gesellschaft beeinflusst

Als PaumldagogIn kann man mit dem eigenen Verhalten

zeigen dass alle Sprachen gleich geschaumltzt werden Diese Wertschaumltzung gilt es auch den Eltern zu signalisierten Dabei reichen oft kleine Kommentare Zum Beispiel bdquoEs ist groszligartig dass du so viele Sprachen sprichstldquo bdquoEs gefaumlllt mir wenn ich dich hellip sprechen houmlreldquo oder bdquoSchoumln dass Ihr Kind zwei Sprachen so gut beherrschtldquo Und Sie koumlnnen den Kindern und Eltern auch von Ihren eignen Erfahrungen erzaumlhlen beim Sprachenlernen oder von Ihrer eignen Bilingualitaumlt ZthinspB durch Beispiele fuumlr die Nuumltzlichkeit von Mehrsprachigkeit im Urlaub oder durch den Hinweis auf berufliche Vorteile Oumlsterreichische Firmen (zthinspB Banken) stellen naumlmlich gerne MitarbeiterInnen ein die neben Deutsch nicht immer nur Englisch sondern gerne auch andere Sprachen wie die BKS-Sprachen oder Tuumlrkisch sprechen So vermitteln Sie das Thema auf authentische Weise und staumlrken gleichzeitig die Familie positiv mit ihrer eigenen Mehrsprachigkeit umzugehen

In der paumldagogischen Praxis

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34 Interferenzen und Lerntransfer

Wenn Sprachen sich gegenseitig beeinflussen und es dadurch zu einer Fehlleistung kommt sprechen wir von Interferenz Dies kann auf grammatikalischer phonetischer oder lexikali-scher Ebene vorkommen Meist beeinflusst die dominante Sprache die schwaumlchere Im Spracherwerb kann es Phasen geben in denen es zu zahlreichen Interferenzen kommt Diese Phasen gehen aber meist wieder zuruumlck wenn die Sprachen sich gut entwickeln und das sprachliche Repertoire des Kindes waumlchst Voraussetzung dafuumlr ist eine gute Lernumgebung und Menschen die viel und richtig mit dem Kind sprechen Eltern die meinen ihrem Kind etwas Gutes zu tun indem sie mit ihm Deutsch sprechen obwohl sie die Sprache nicht auf Mutter-sprachenniveau beherrschen schaden damit der kindlichen Sprachentwicklung

Es gibt aber auch einen Lerntransfer zwischen den Sprachen und zwar dann wenn sie sich positiv beeinflussen und es beim Sprachenlernen zu sogenannten Uumlbertragungen kommt Diese bleiben fuumlr uns verborgen weil sie eine Form gelingenden Sprechens sind

PRAXIS Umgehen mit sprachlichen Fehlleistungen

Korrektives Feedback wiederholen Sie im Gespraumlch mit dem Kind richtig was falsch gesagt wurde und versuchen Sie es in das Gespraumlch einflieszligen zu lassen Wiederholen Sie Schluumls-selwoumlrter die das Kind falsch gesagt hat eher am Ende des Gespraumlchs richtig Versuchen Sie auf direktes Verbessern zu verzichten Es stoumlrt den Gespraumlchsverlauf Fordern Sie die Kinder nicht staumlndig auf das falsch Gesagte richtig zu wieder-holen Hin und wieder kann es zielfuumlhrend sein weil es Klarheit verschafft zu oft eingefordert kann es die Kinder beim Sprechen hemmen

Geduld Spracherwerb ist ein langsamer Prozess der noch dazu nicht linear verlaumluft Es gibt Entwicklungsspruumlnge dann wieder Phasen in denen sich vermeintlich wenig weiterentwi-

ckelt Kinder nehmen Sprachinput auf und verarbeiten ihn fuumlr sich Bis es uns beim Reden auffaumlllt muss manchmal etwas Zeit vergehen Haben Sie also Geduld Ihre Foumlrderansaumltze brauchen einfach etwas Zeit um zu fruchten

Wahrnehmen Jeder freut sich wenn man seine Anstren-gung wahrnimmt Wenn Ihnen bei einem Kind eine sprachliche Errungenschaft auffaumlllt so koumlnnen Sie es explizit sagen

Stuumltze in der Erstsprache des Kindes Sollten Sie die Erstsprache des Kindes beherrschen koumlnnen Sie diese Kompe-tenz selbstverstaumlndlich nutzen um dem Kind in seinem Spracherwerb zu helfen Beispielsweise indem Sie ihm etwas kurz erklaumlren damit es dieses besser versteht Manchmal hilft es auch den Fehler in der deutschen Sprache aus der Sicht der Erstsprache zu betrachten dann kann man das Kind besser unterstuumltzen Nutzen Sie diese Chance wenn Sie sie haben

Fehler machen ist Teil jeder Form von Spracherwerb und von Sprachlernen Fehlermachen im gesteuerten ebenso wie im ungesteuerten Spracherwerb ist etwas voumlllig Natuumlrliches Fehler zu machen und sie als solche zu erkennen ist ein Schluumls-selelement jeder Form des Spracherwerbs Wenn Sie als PaumldagogIn Ihrerseits Deutsch nicht als Muttersprache erwor-ben haben koumlnnen Sie auf eigene Fehler und Muumlhen im Erwerb

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

bdquoEine andere Sprache ist eine andere Sicht auf das Lebenldquo [Federico Fellini italienischer Filmemacher]

bdquoDer Akzent sorgt fuumlr die Schoumlnheitsmale auf der Sprach-hautldquo[Ilija Trojanow bulgarisch- deutscher Schriftsteller]

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des Deutschen verweisen (zthinspB auf die richtige Beugung unregelmaumlszligiger Verben oder die Stellung des Verbs am Ende des Nebensatzes etc)

35 Sprachbewusstsein foumlrdern eine Methode die viel bewirkt

Im Gegensatz zur schulischen Mehrsprachigkeit wird die migrationsbedingte bzw lebensweltliche Mehrsprachigkeit bisher zaghaft gefoumlrdert und im Unterricht weitgehend ausge-blendet Die Herkunftssprachen der SchuumllerInnen werden im Unterricht selten einbezogen Sie werden eher als Belastung bzw als Problem und nicht als Ressource angesehen

Sprachbewusstsein ist das Bewusstsein fuumlr die Funktionsweise und Bedeutung von Sprachen Wenn man Kinder darin unter-stuumltzt so gibt man ihnen die Moumlglichkeit und befaumlhigt sie sprachliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erkennen Zudem werden sie darin gefoumlrdert zu erkennen welche Rolle Sprache in unserer Gesellschaft spielt

Bei diesem Prozess koumlnnen die SchuumllerInnen auf bereits vorhandenes Sprachlernwissen zuruumlckgegriffen Wenn sie sich mit ihrem Wissen aus der erworbenen Herkunftssprache einbringen koumlnnen so bewirkt dies einen Motivationsschub der sich positiv auf das weitere Sprachenlernen auswirken kann

Stellen Sie Spiele und Uumlbungen und Methoden zur Verfuumlgung die die Kinder motivieren ihre vorhandenen Sprachkenntnisse zu nutzen so dass die Sprachen auch erklingen koumlnnen Und vergessen Sie dabei nicht auf die zentrale Vorbildwirkung die Sie selbst einbringen koumlnnen Beteiligen Sie sich selbst an den Spielen und Uumlbungen mit Ihren Sprachkenntnissen Die Kinder werden viel Freude daran haben diese weitere Facette die Sie ausmacht kennenzulernen So koumlnnen Sie gemeinsam mit den Kindern Lieder singen die es in mehreren Sprachversionen gibt (wie zthinspB Fregravere JacquesthinspthinspBruder Jakob und in der Weihnachts-zeit Stille Nacht heilige Nacht ndash ein Lied das es bestimmt in den Sprachen aller beteiligten Kinder gibt)

PRAXIS Anwendungsideen

Am Anfang steht die Bereitschaft Raum fuumlr Gespraumlche uumlber die eigene Sprachbiografie zu schaffen Natuumlrlich nehmen an diesen Gespraumlchen alle Kinder teil auch jene die nicht bilingual aufwachsen Weitere Spielideen

Sprachenportrait ndash meine Sprachen in mir Uumlber Sprache nachdenken und daruumlber sprechen Meine Sprachbiografie Meine Familie und ihre Sprachen Sprachenstammbaum der Familie Uumlbersetzungsspiel UmgangssprachethinspthinspFachsprache oder HochsprachethinspthinspDialekt

Redewendungen aus aller Welt Mehrsprachige Wortfelder

Die naumlhere Ausfuumlhrung zu den jeweiligen Spielideen finden Sie auf der Website und im Intranet der BiM ndash Bildung im Mittel-punkt Weitere Uumlbungen um Sprachbewusstsein und Mehr-sprachigkeit zu foumlrdern sind in Kapitel 6 angefuumlhrt

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

bdquoDer Geist einer Sprache offenbart sich am deutlichsten in ihren unuumlber- setzbaren Wortenldquo[Marie von Ebner-Eschenbach oumlsterreichische Schriftstellerin]

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Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd seinNutzen der eigenen Sprachkompetenzen und Umgang mit kritischen Situationen die sich durch die Mehrsprachigkeit der Kinder ergeben koumlnnen

41 Wenn Kinder untereinander in einer anderen Sprache als Deutsch sprechen

In vielen Schulen wird nach wie vor das Prinzip gelebt dass nur Deutsch gesprochen werden darf und soll Dieser Zugang blendet die Realitaumlt bilingualer Menschen aus und signalisiert den Kindern dass ein Teil von ihnen unerwuumlnscht ist Das ist weder fuumlr den Deutscherwerb noch fuumlr die Persoumlnlichkeitsent-wicklung des Kindes foumlrderlich Und dabei wird auszliger Acht gelassen warum Kinder in eine andere Sprache switchen

weil sie sich in ihrer Erstsprache sicherer fuumlhlen und Deutsch noch nicht gut beherrschen Fuumlr die Kommunikation eine Sprache zu waumlhlen die man gemeinsam gut kann ist ein natuumlrlicher Zugang Wuumlrde man die Kinder dann zwingen auf Deutsch zu wechseln wuumlrde man sie foumlrmlich verstummen lassen

Das Sprachwechseln kann auch bei Kindern die gut Deutsch sprechen ganz intuitiv passieren und vom Kind in diesem Moment nicht bewusst wahrgenommen werden Diese Sprach-wahl des Kindes zeugt eher von einer hohen Sprachkompetenz und von seinem kreativen Umgang mit der eigenen Bilinguali-taumlt

Als Problem wird haumlufig dargestellt dass andere Kinder durch den nichtdeutschen Sprachgebrauch ausgegrenzt wuumlrden Wenn Sie tatsaumlchlich beobachten dass Kinder jemanden durch Sprachwechsel ausgrenzen dann ist das Problem die Ausgren-zung Ein Sprachverbot ist hier der falsche Weg Viel wichtiger ist es uumlber das Ausgrenzen anderer Kinder an sich zu sprechen

Damit sich vielleicht andere Kinder nicht verunsichert fuumlhlen kann man auch die Bilingualitaumlt der SchuumllerInnen zum Thema zu machen und mit der Gruppe besprechen Dann kann man auch den Kindern vermitteln dass die gemeinsame Sprache der Gruppe Deutsch ist Damit Kinder ihre Bilingualitaumlt positiv erleben koumlnnen ist es aber ratsam dass sie im schulischen Kontext auch eine ihrer Erstsprachen verwenden koumlnnen So koumlnnen tatsaumlchlich ihre beiden Sprachen Platz haben so wie es auch ihrer Wirklichkeit entspricht Wie und wann geswitcht werden kann kann man in der Gruppe gemeinsam vereinbaren So haben die Kinder sowohl Deutschinput als auch die Moumlglich-keit all ihre Sprachkompetenzen zu benutzen

bdquoSprache ist der Schluumlssel zur Weltldquo[Alexander von Humboldt deutscher Naturforscher]

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Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein

42 Wenn Kinder Sie in Ihrer Erstsprache ansprechen

Viele FreizeitpaumldagogInnen der BiM ndash Bildung im Mittelpunkt haben selbst unterschiedliche und vielfaumlltige kulturelle und sprachliche Kompetenzen Und diese betrachten wir als wertvoll Sehen Sie Ihre Sprachkompetenz deshalb als Berei-cherung und Chance Denn Sprache ist mehr als Kommunika-tion es geht nicht nur darum dass die Kinder von Ihnen Deutsch lernen sie haben auch eine Bindung zu Ihnen aufge-baut oder sind gerade dabei Sich uumlber eine gemeinsame Sprache auszutauschen kann Vertrauen schaffen Manchmal wollen die Kinder einfach zeigen was sie alles koumlnnen

Wenn ein Kind tatsaumlchlich noch kein Deutsch spricht und versteht koumlnnen Sie mit Ihrer Sprachkompetenz eine gute Bruumlcke schlagen und das Kind dabei unterstuumltzen sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden durch kleine Erklaumlrungen oder indem Sie auf die Ausfuumlhrung des Kindes reagieren Ihre sprachliche Unterstuumltzung erleichtert dem Kind vor allem sich in der neuen Situation einzuleben Auch in der Kommunikation mit den Eltern koumlnnen Sie Ihre Sprachkenntnisse nutzen

PRAXIS die eigenen Sprachkompetenzen nutzen

Kurze Erklaumlrungen Wenn Sie bemerken dass sich ein Kind aus sprachlichen Gruumlnden in einer Situation ganz und gar nicht zurechtfindet und Sie haben eine andere gemeinsame Sprache koumlnnen Sie diese nutzen um dem Kind zu erklaumlren was gerade passiert oder was zu tun ist Beispielweise wenn es darum geht dass Sie gemeinsam in den Park gehen wollen und sich die Kinder anstellen sollten oder Aumlhnliches Danach koumlnnen Sie wieder auf Deutsch switchen Sie koumlnnen auch den restlichen Kindern kurz erklaumlren dass Sie in einer anderen Sprache gesprochen haben um dem Kind zu helfen besser zu verstehen was passiert So fuumlhlen sich die Kinder nicht ausgeschlossen und erleben dass Sprachgebrauch vielseitig sein kann und sein darf

Gespraumlch mit Eltern Wenn Sie bemerken dass es den Eltern schwer faumlllt auf Deutsch zu kommunizieren und Sie wissen sie haben eine andere gemeinsame Sprache in der es ihnen leichter fallen wuumlrde koumlnnen Sie es den Eltern behutsam und mit dem notwendigen Fingerspitzengefuumlhl anbieten So schaffen Sie eine leichtere Basis fuumlr Kommunikation sowie Austausch und Vertrauen

bdquoWir wohnen nicht in einem Land sondern in einer Spracheldquo[Emil Cioran rumaumlnischer Philosoph]

bdquoGelebte Zweisprachig-keit ist eher selten aumlqui-valent sondern asymmetrisch oft hierarchisch und bisweilen konfliktivldquo [Georg Kremnitz deutscher Romanist]

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43 Wenn Kinder offensichtlich ungute Dinge zu jemanden in einer Sprache sagen die Sie nicht verstehen

Wenn man Kindern die Moumlglichkeit einraumlumt ihre Erstsprachen zu verwenden haben Paumldago-gInnen manchmal Angst sie koumlnnten dies dafuumlr nutzen um Schimpfwoumlrter oder andere respekt-lose Ausdruumlcke zu verwenden In den seltensten Faumlllen ist es so Ihre Intuition wird Ihnen zeigen sollte tatsaumlchlich respektlos miteinander umgegangen werden Dazu braucht man nicht jedes Wort zu verstehen denn Kommunikation passiert auch auf nonverbaler Ebene Dabei ist natuumlrlich der respektlose Umgang zu hinterfra-gen Auch in diesem Fall ist ein Deutschgebot das die Verwendung anderer Sprachen unter-bindet nicht zielfuumlhrend Denn einerseits wuumlrde man dadurch die Kinder die respektvoll mitein-ander umgehen auch sanktionieren und ander-seits wird dadurch das Problem des fehlenden Respekts nicht geloumlst Viel wichtiger ist es einen respektvollen Umgang miteinander zu foumlrdern unabhaumlngig davon welche Sprache dabei gesprochen wird

44 Wenn SchuumllerInnen die in Deutsch noch schwach sind ausgegrenzt werden

Fehlende Sprachkompetenz kann auch ausgrenzend wirken Das Kind kann sich nicht verstaumlndigen bei Spielen und Gesprauml-chen nicht mitmachen und wird vielleicht von den Mitschuumller-Innen nicht in die Gruppe integriert Das kann zu einer Nega-tiv-Spirale fuumlhren denn die eingeschraumlnkten sozialen Kontakte schraumlnken auch den sprachlichen Kontakt ein und Kinder lernen besonders viel von- und miteinander In solch einer Situation kann es hilfreich sein dass Sie thematisieren wie es einem geht wenn man eine neue Sprache lernt Dazu gibt es zahlrei-che kindgerechte Uumlbungen ZthinspB ausgeruumlstet nur mit einem

Woumlrterbuch in einer ganz fremden Sprache etwas erklaumlren muumlssen oder auch selbst daruumlber reflektieren wie geht es mir beim Fremdsprachenlernen zthinspB Englisch Wenn man sich besinnt wie herausfordernd der Weg ist hat man auch mehr Verstaumlndnis fuumlr den neuenthinspthinspdie neue MitschuumllerIn

Helfen kann auch die Kinder von Anfang an als Stuumltze und Hilfe fuumlr das neue Kind einzubinden So fuumlhlen sie Verantwor-tung und koumlnnen selbst etwas fuumlr den guten sozialen Klassen-verband beitragen

Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein

bdquoMehrsprachige Kompetenz ist nicht nur Ein - sprachigkeit in mehreren Sprachen sondern ist als eine ganzheit-liche Sprach-kompetenz aufzufassen und zu foumlrdernldquo [Elisabeth Allgaumluer-Hacklthinspthinsp Ulrike Jessner in Mehrsprachig-keitsunterricht aus mehrsprachiger Sicht Zur Foumlrderung des metalinguistischen Bewusstseins]

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Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren Argumente und Darstellungen fuumlr Gespraumlche und Fragen mit denen Sie Ihre Position Mehrsprachigkeit zu foumlrdern erklaumlren und staumlrken koumlnnen

51 Ein Erklaumlrungsversuch ndash warum die Foumlrderung und Anerkennung sprachlicher und soziokultureller Diversitaumlt in Frage gestellt wird

Uumlber Mehrsprachigkeit wird schon seit langem geforscht denn Gesellschaften in denen mehrere Sprachen zusammenkom-men hat es seit jeher gegeben Die wissenschaftlichen und empirischen Ergebnisse aus der Mehrsprachigkeitsforschung zeigen allesamt dass die Foumlrderung der individuellen und gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit allen zugutekommt Zum Beispiel schadet es nicht dem Erlernen und Erwerben des Deutschen wenn Kinder auch in ihren anderen Erstsprachen gefoumlrdert werden Genau das Gegenteil ist der Fall Kinder entwickeln sich insgesamt sprachlich besser Und viele weitere positive Argumente wurden formuliert

Diese gesellschaftliche Mehrsprachigkeit und Plurikulturalitaumlt verlaumluft aber in den seltensten Faumlllen konfliktfrei Die Konflikte sind meist das Ergebnis von politischen Maszlignahmen die bestim-men SprecherInnengruppen mehr Macht und staumlrkere Positionen einraumlumen Das fuumlhrt auch dazu dass im oumlffentlichen Diskurs ndash in den Medien in Debatten und Stellungnahmen usw ndash manche Menschen die Position vertreten nur die anerkannte Amtsspra-che Deutsch sei foumlrdernswert und von Nutzen Die anderen Sprachkompetenzen werden als Problem angesehen Diese Haltung ist eine ausgrenzende die Menschen diskriminiert Diskriminierung fuumlhrt in keinem Fall zu einem besseren Schul-erfolg oder zur besseren Integration Auffaumlllig bei dieser Haltung ist dass die Sprachen selbst bewertet werden Beispielsweise wird das Erwerben von Englisch als positiv bewertet und eine Deutsch-Englisch Bilingualitaumlt auch Wenn es um migrationsbe-dingte Mehrsprachigkeit geht wird diese als Hindernis einge-

bdquoSchule muss bilinguale Kinder auch als solche wahrnehmen und nicht versuchen sie in die Passform des einsprachigen Kindes zu pressenldquo [Zwetelina Ortega]

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Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

stuft Wie steht es um die Erstsprachen die durch Migration nach Oumlsterreich gelangt sind Wie ist ihr Image Eine entscheidende Rolle spielt der Status der SprecherInnen Um mit Robert Walser zu sprechen Money rules the world Ist die Gruppe der Sprech-erInnen wirtschaftlich stark hat ihre Sprache gesellschaftlich hohe Anerkennung Uumlbt die Vielzahl einer SprecherInnengruppe jedoch niederqualifizierte und schlecht bezahlte Jobs aus ist sie wirtschaftlich schwach so hat ihre Sprache ein schlechtes Image in der Gesellschaft Diese Situation ist in allen Einwanderungsge-sellschaften aumlhnlich die Sprachen sind auswechselbar

Tatsache ist dass sich falsche und diskriminierende Argumente immer noch halten und dass Ihnen vielleicht Menschen begeg-nen werden die versuchen werden gegen die Foumlrderung von Mehrsprachigkeit zu argumentieren

Es gibt keinen Grund der Diskriminierung und Ausgrenzung zulaumlssig macht Das Ziel einer gelungenen paumldagogischen Arbeit ist es alle Facetten des Kindes anzunehmen und sie als Teil des paumldagogischen Alltags zu integrieren

52 Argumentationslinien und moumlgliche Positionen im Austausch mit KollegInnen Eltern KlassenlehrerInnen und DirektorInnen

Um Ihre Position zu staumlrken dass alle Sprachen und Sprach-kompetenzen gleichberechtigt und wertvoll sind und Sie sie deshalb in Ihrer Arbeit beruumlcksichtigen und foumlrdern haben wir einige Argumente fuumlr Sie ausgearbeitet

Familiaumlrer Kontext

Voraussetzung fuumlr eine gute Lernumgebung sind Menschen die viel und richtig mit dem Kind sprechen Eltern die meinen ihrem Kind etwas Gutes zu tun indem sie mit ihm Deutsch sprechen obwohl sie die Sprache nicht auf Muttersprachen-niveau beherrschen koumlnnen damit der kindlichen Sprachent-wicklung manchmal mehr schaden als helfen

Wichtig ist dass mit den Kindern viel gesprochen erzaumlhlt gelesen und vorgelesen wird Die Sprache die die Eltern dabei verwenden sollte eine sein in der sie sich wohl und sicher fuumlhlen und vielseitig ausdruumlcken koumlnnen Uumlblicherweise ist dies die Erstsprache der Eltern Kinder koumlnnen dann generell besser mit Sprache umgehen ndash auch mit Deutsch

Paumldagogischer und schulischer Kontext

Durch sprachsensible paumldagogische Arbeit die auch die Mehrsprachigkeit der Kinder beruumlcksichtigt wird das Verinner-lichen der sprachlichen Inhalte vor allem auch der bildungs-sprachlichen verbessert Der Aufbau von Bildungssprache ist Grundlage fuumlr Wissenserwerb Diese Faumlhigkeit die Sie den SchuumllerInnen vermitteln wird sie langfristig dazu befaumlhigen auch in ihren weiterfuumlhrenden Ausbildungen besser voranzu-kommen Dadurch werden auch die Bildungschancen aller SchuumllerInnen erhoumlht und zum Teil werden ungleiche Bildungs-bedingungen uumlberwunden

Beim doppelten Spracherwerb also bei Kindern die bilingu-al aufwachsen beeinflussen sich beide Sprachsysteme gegen-seitig positiv in ihrem Wachstum Das ist wissenschaftlich erwiesen Der Erhalt der Erstsprache gefaumlhrdet in keiner Weise den guten Erwerb des Deutschen im Gegenteil

bdquoEs ist doch ein groszliger Unter-schied ob einem gesagt wird dass Sprachen gleichwertig sind und man alles in jeder ausdruumlcken kann oder ob man es tutldquo [Elke Montanari deutsche Sprach- wissenschaftlerin]

bdquoDer Mensch ist Mensch nur durch Spracheldquo[Johann Gottfried von Herder deutscher Dichter und Uumlbersetzer]

3736

Wer sein Wissen aus den vorab erworbenen oder erlernten Sprachen einbringen kann der erfaumlhrt einen Motivationsschub der sich positiv auf das weitere Sprachenlernen auswirken kann

Die Anerkennung einer Herkunftssprache im schulischen Kontext kann zu einer positiven Persoumlnlichkeitsentwicklung der SchuumllerInnen fuumlhren Deren Aufwertung gibt den Kindern Selbstvertrauen und Sicherheit die sich auf den gesamten Lernerfolg gut auswirken

Eines der Ziele die sich die Europaumlische Union gesetzt hat ist es dass jeder Buumlrgerthinspthinspjede Buumlrgerin seinethinspthinspihre Mutterspra-che sowie mindestens zwei weitere Sprachen beherrscht Diesem Ziel ruumlcken wir naumlher wenn wir die vorhandenen Sprachkompetenzen der Kinder nutzbar machen

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen dass bei einer Foumlrderung der durchgaumlngigen Sprachbildung und lebenswelt-lichen Mehrsprachigkeit von Kindern die narrative Schreibfauml-higkeit und die schriftliche Kompetenzentwicklung gestaumlrkt werden und die bildungssprachlichen Elemente im Deutschen zunehmen

Es gibt noch viele weitere Argumente warum Mehrsprachigkeit immer ein Vorteil ist und nicht als Problem gesehen werden sollte Weitere Argumente werden Sie bestimmt in Ihrer eigenen Arbeit und Erfahrung mit den Kindern selbst finden Trauen Sie sich selbstbewusst zu Ihrer Position zu stehen und lassen Sie diskriminierende Haltungen nicht unkommentiert Wenn Sie die Moumlglichkeit haben nutzen Sie Ihre eigenen vielseitigen Sprachkompetenzen seien es Fremdsprachen oder weitere Erstsprachen sei es im spielerischen Umgang oder wenn Sie etwas erklaumlren Gemeinsam koumlnnen wir dazu beitra-gen dass mehrsprachige Kinder positiv wahrgenommen werden

Kapitel 6

Weitere Uumlbungs- und Anwendungsideen In diesem Kapitel finden Sie viele praxisnahe Uumlbungen fuumlr den spielerischen Umgang mit Mehrsprachigkeit in der Freizeitpaumldagogik

Wenn Sie solche oder aumlhnliche Uumlbungen mit den Kindern ausprobieren werden Sie vielleicht selbst oder gemeinsam mit ihnen viele neue Ideen entwickeln wie man Mehrsprachigkeit spielerisch und mit Freude in der Freizeitbetreuung aufgreifen kann Probieren Sie es aus Es wird allen SchuumllerInnen be-stimmt gefallen Das sind die Erfahrungen die wir bisher gemacht haben Hier einige Ansaumltze fuumlr Sie

Die Herkunft der Vor- und Nachnamen ndash wir erkunden die Bedeutungen unserer Namen

Radio aus aller Welt ndash wir houmlren in Online-Radiosender in verschiedenen Sprachen hinein Dabei koumlnnen die Kinder raten oder versuchen zu erkennen welche Sprache gerade erklingt

Stille Post mit den Sprachen unserer Klasse spielen

Kleine Sprachschule ndash jeweils ein Kind bringen dem Rest der MitschuumllerInnen einfache Saumltze und nuumltzliche Worte bei

Mehrsprachigkeit im oumlffentli-chen Raum ndash wir begeben uns auf Entdeckungsreise und suchen Orte wo wir unter-schiedliche Sprachen houmlren und sehen

Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

bdquoKennst du viele Sprachen ndash hast du viele Schluumlssel fuumlr ein Schloszligldquo[Voltaire franzoumlsischer Philosoph und Schriftsteller]

38 39

Kapitel 7

EmpfehlungenLektuumlreempfehlungen zur Vertiefung Zahlreiche Links die weitere Anwendungsideen fuumlr die Praxis bieten aber auch vielseitige Artikel zum Thema

Weiterfuumlhrende Literatur

Krumm Hans-JuumlrgenthinspthinspReich Hans H 2011 Curriculum Mehrsprachigkeit Online im Internet

Montanari Elke 2013 Mit zwei Sprachen groszlig werden Mehrsprachige Erziehung in Familie Kindergarten und Schule Muumlnchen Koumlsel

Montanari ElkethinspthinspPanagiotopoulou Julie 2019 Mehrsprachigkeit und Bildung in Kitas und Schulen UTB

Schader Basil 2013 Sprachenvielfalt als Chance Handbuch fuumlr den Unterricht in mehrsprachigen Klassen Zuumlrich orell fuumlssli

Hilfreiche Institutionen

Kinderbuumlcherei der Weltsprachen gehoumlrt zu den Staumldtischen Buumlchereien wwwkirangoat Veranstaltungen zu Lesefoumlrderung fuumlr Schulen und Kindergaumlrten Teil der Buumlcherei Wien

wwwbaobabat BAOBAB ndash GLOBALES LERNEN vielseitige Arbeitsmaterialen und Literatur

Links

wwwlanguage-diversityeu ndash Arbeitsblaumltter Lehrmaterial Unterrichtsideen Schwerpunkt auf Minderheitensprachen in Europa

wwwpapperlapappcoat ndash Bilinguale Kinderzeitschrift wwwmultilingual-familieseu ndash Materialen fuumlr mehrsprachige Erziehung wwwderstandardatr2000023362091Linguamulti ndash monatlicher Blog zu Mehrsprachigkeit und Spracherwerb

wwwschule-mehrsprachigat ndash Kinder- und Jugendbuumlcher in vielen Sprachen Infos zum Muttersprachenunterricht

wwwfacebookcomlinguamulti ndash taumlglich Inhalte zum Thema Mehrsprachigkeit und Interkulturalitaumlt

Anschuumltzgasse 1 2 Stock 1150 WienTel +43 1 524 25 09-0 Fax +43 1 524 25 09-30officebildung-wienat wwwbildung-wienat

IMPRESSUMMedieninhaber und fuumlr den Inhalt verantwortlich BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbHAnschuumltzgasse 1 1150 Wien | Firmensitz Wien | FN502272k | Handelsgericht WienKonzeption Redaktion Text Zwetelina Ortega Linguamulti ndash wwwlinguamultiat (unter Mitwirken von BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbH)Fotos C Pertramer (S 5) J Zinner M Possert (S8)Grafik Gerald Waibel effundweat

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34 Interferenzen und Lerntransfer

Wenn Sprachen sich gegenseitig beeinflussen und es dadurch zu einer Fehlleistung kommt sprechen wir von Interferenz Dies kann auf grammatikalischer phonetischer oder lexikali-scher Ebene vorkommen Meist beeinflusst die dominante Sprache die schwaumlchere Im Spracherwerb kann es Phasen geben in denen es zu zahlreichen Interferenzen kommt Diese Phasen gehen aber meist wieder zuruumlck wenn die Sprachen sich gut entwickeln und das sprachliche Repertoire des Kindes waumlchst Voraussetzung dafuumlr ist eine gute Lernumgebung und Menschen die viel und richtig mit dem Kind sprechen Eltern die meinen ihrem Kind etwas Gutes zu tun indem sie mit ihm Deutsch sprechen obwohl sie die Sprache nicht auf Mutter-sprachenniveau beherrschen schaden damit der kindlichen Sprachentwicklung

Es gibt aber auch einen Lerntransfer zwischen den Sprachen und zwar dann wenn sie sich positiv beeinflussen und es beim Sprachenlernen zu sogenannten Uumlbertragungen kommt Diese bleiben fuumlr uns verborgen weil sie eine Form gelingenden Sprechens sind

PRAXIS Umgehen mit sprachlichen Fehlleistungen

Korrektives Feedback wiederholen Sie im Gespraumlch mit dem Kind richtig was falsch gesagt wurde und versuchen Sie es in das Gespraumlch einflieszligen zu lassen Wiederholen Sie Schluumls-selwoumlrter die das Kind falsch gesagt hat eher am Ende des Gespraumlchs richtig Versuchen Sie auf direktes Verbessern zu verzichten Es stoumlrt den Gespraumlchsverlauf Fordern Sie die Kinder nicht staumlndig auf das falsch Gesagte richtig zu wieder-holen Hin und wieder kann es zielfuumlhrend sein weil es Klarheit verschafft zu oft eingefordert kann es die Kinder beim Sprechen hemmen

Geduld Spracherwerb ist ein langsamer Prozess der noch dazu nicht linear verlaumluft Es gibt Entwicklungsspruumlnge dann wieder Phasen in denen sich vermeintlich wenig weiterentwi-

ckelt Kinder nehmen Sprachinput auf und verarbeiten ihn fuumlr sich Bis es uns beim Reden auffaumlllt muss manchmal etwas Zeit vergehen Haben Sie also Geduld Ihre Foumlrderansaumltze brauchen einfach etwas Zeit um zu fruchten

Wahrnehmen Jeder freut sich wenn man seine Anstren-gung wahrnimmt Wenn Ihnen bei einem Kind eine sprachliche Errungenschaft auffaumlllt so koumlnnen Sie es explizit sagen

Stuumltze in der Erstsprache des Kindes Sollten Sie die Erstsprache des Kindes beherrschen koumlnnen Sie diese Kompe-tenz selbstverstaumlndlich nutzen um dem Kind in seinem Spracherwerb zu helfen Beispielsweise indem Sie ihm etwas kurz erklaumlren damit es dieses besser versteht Manchmal hilft es auch den Fehler in der deutschen Sprache aus der Sicht der Erstsprache zu betrachten dann kann man das Kind besser unterstuumltzen Nutzen Sie diese Chance wenn Sie sie haben

Fehler machen ist Teil jeder Form von Spracherwerb und von Sprachlernen Fehlermachen im gesteuerten ebenso wie im ungesteuerten Spracherwerb ist etwas voumlllig Natuumlrliches Fehler zu machen und sie als solche zu erkennen ist ein Schluumls-selelement jeder Form des Spracherwerbs Wenn Sie als PaumldagogIn Ihrerseits Deutsch nicht als Muttersprache erwor-ben haben koumlnnen Sie auf eigene Fehler und Muumlhen im Erwerb

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

bdquoEine andere Sprache ist eine andere Sicht auf das Lebenldquo [Federico Fellini italienischer Filmemacher]

bdquoDer Akzent sorgt fuumlr die Schoumlnheitsmale auf der Sprach-hautldquo[Ilija Trojanow bulgarisch- deutscher Schriftsteller]

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des Deutschen verweisen (zthinspB auf die richtige Beugung unregelmaumlszligiger Verben oder die Stellung des Verbs am Ende des Nebensatzes etc)

35 Sprachbewusstsein foumlrdern eine Methode die viel bewirkt

Im Gegensatz zur schulischen Mehrsprachigkeit wird die migrationsbedingte bzw lebensweltliche Mehrsprachigkeit bisher zaghaft gefoumlrdert und im Unterricht weitgehend ausge-blendet Die Herkunftssprachen der SchuumllerInnen werden im Unterricht selten einbezogen Sie werden eher als Belastung bzw als Problem und nicht als Ressource angesehen

Sprachbewusstsein ist das Bewusstsein fuumlr die Funktionsweise und Bedeutung von Sprachen Wenn man Kinder darin unter-stuumltzt so gibt man ihnen die Moumlglichkeit und befaumlhigt sie sprachliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erkennen Zudem werden sie darin gefoumlrdert zu erkennen welche Rolle Sprache in unserer Gesellschaft spielt

Bei diesem Prozess koumlnnen die SchuumllerInnen auf bereits vorhandenes Sprachlernwissen zuruumlckgegriffen Wenn sie sich mit ihrem Wissen aus der erworbenen Herkunftssprache einbringen koumlnnen so bewirkt dies einen Motivationsschub der sich positiv auf das weitere Sprachenlernen auswirken kann

Stellen Sie Spiele und Uumlbungen und Methoden zur Verfuumlgung die die Kinder motivieren ihre vorhandenen Sprachkenntnisse zu nutzen so dass die Sprachen auch erklingen koumlnnen Und vergessen Sie dabei nicht auf die zentrale Vorbildwirkung die Sie selbst einbringen koumlnnen Beteiligen Sie sich selbst an den Spielen und Uumlbungen mit Ihren Sprachkenntnissen Die Kinder werden viel Freude daran haben diese weitere Facette die Sie ausmacht kennenzulernen So koumlnnen Sie gemeinsam mit den Kindern Lieder singen die es in mehreren Sprachversionen gibt (wie zthinspB Fregravere JacquesthinspthinspBruder Jakob und in der Weihnachts-zeit Stille Nacht heilige Nacht ndash ein Lied das es bestimmt in den Sprachen aller beteiligten Kinder gibt)

PRAXIS Anwendungsideen

Am Anfang steht die Bereitschaft Raum fuumlr Gespraumlche uumlber die eigene Sprachbiografie zu schaffen Natuumlrlich nehmen an diesen Gespraumlchen alle Kinder teil auch jene die nicht bilingual aufwachsen Weitere Spielideen

Sprachenportrait ndash meine Sprachen in mir Uumlber Sprache nachdenken und daruumlber sprechen Meine Sprachbiografie Meine Familie und ihre Sprachen Sprachenstammbaum der Familie Uumlbersetzungsspiel UmgangssprachethinspthinspFachsprache oder HochsprachethinspthinspDialekt

Redewendungen aus aller Welt Mehrsprachige Wortfelder

Die naumlhere Ausfuumlhrung zu den jeweiligen Spielideen finden Sie auf der Website und im Intranet der BiM ndash Bildung im Mittel-punkt Weitere Uumlbungen um Sprachbewusstsein und Mehr-sprachigkeit zu foumlrdern sind in Kapitel 6 angefuumlhrt

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

bdquoDer Geist einer Sprache offenbart sich am deutlichsten in ihren unuumlber- setzbaren Wortenldquo[Marie von Ebner-Eschenbach oumlsterreichische Schriftstellerin]

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Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd seinNutzen der eigenen Sprachkompetenzen und Umgang mit kritischen Situationen die sich durch die Mehrsprachigkeit der Kinder ergeben koumlnnen

41 Wenn Kinder untereinander in einer anderen Sprache als Deutsch sprechen

In vielen Schulen wird nach wie vor das Prinzip gelebt dass nur Deutsch gesprochen werden darf und soll Dieser Zugang blendet die Realitaumlt bilingualer Menschen aus und signalisiert den Kindern dass ein Teil von ihnen unerwuumlnscht ist Das ist weder fuumlr den Deutscherwerb noch fuumlr die Persoumlnlichkeitsent-wicklung des Kindes foumlrderlich Und dabei wird auszliger Acht gelassen warum Kinder in eine andere Sprache switchen

weil sie sich in ihrer Erstsprache sicherer fuumlhlen und Deutsch noch nicht gut beherrschen Fuumlr die Kommunikation eine Sprache zu waumlhlen die man gemeinsam gut kann ist ein natuumlrlicher Zugang Wuumlrde man die Kinder dann zwingen auf Deutsch zu wechseln wuumlrde man sie foumlrmlich verstummen lassen

Das Sprachwechseln kann auch bei Kindern die gut Deutsch sprechen ganz intuitiv passieren und vom Kind in diesem Moment nicht bewusst wahrgenommen werden Diese Sprach-wahl des Kindes zeugt eher von einer hohen Sprachkompetenz und von seinem kreativen Umgang mit der eigenen Bilinguali-taumlt

Als Problem wird haumlufig dargestellt dass andere Kinder durch den nichtdeutschen Sprachgebrauch ausgegrenzt wuumlrden Wenn Sie tatsaumlchlich beobachten dass Kinder jemanden durch Sprachwechsel ausgrenzen dann ist das Problem die Ausgren-zung Ein Sprachverbot ist hier der falsche Weg Viel wichtiger ist es uumlber das Ausgrenzen anderer Kinder an sich zu sprechen

Damit sich vielleicht andere Kinder nicht verunsichert fuumlhlen kann man auch die Bilingualitaumlt der SchuumllerInnen zum Thema zu machen und mit der Gruppe besprechen Dann kann man auch den Kindern vermitteln dass die gemeinsame Sprache der Gruppe Deutsch ist Damit Kinder ihre Bilingualitaumlt positiv erleben koumlnnen ist es aber ratsam dass sie im schulischen Kontext auch eine ihrer Erstsprachen verwenden koumlnnen So koumlnnen tatsaumlchlich ihre beiden Sprachen Platz haben so wie es auch ihrer Wirklichkeit entspricht Wie und wann geswitcht werden kann kann man in der Gruppe gemeinsam vereinbaren So haben die Kinder sowohl Deutschinput als auch die Moumlglich-keit all ihre Sprachkompetenzen zu benutzen

bdquoSprache ist der Schluumlssel zur Weltldquo[Alexander von Humboldt deutscher Naturforscher]

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Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein

42 Wenn Kinder Sie in Ihrer Erstsprache ansprechen

Viele FreizeitpaumldagogInnen der BiM ndash Bildung im Mittelpunkt haben selbst unterschiedliche und vielfaumlltige kulturelle und sprachliche Kompetenzen Und diese betrachten wir als wertvoll Sehen Sie Ihre Sprachkompetenz deshalb als Berei-cherung und Chance Denn Sprache ist mehr als Kommunika-tion es geht nicht nur darum dass die Kinder von Ihnen Deutsch lernen sie haben auch eine Bindung zu Ihnen aufge-baut oder sind gerade dabei Sich uumlber eine gemeinsame Sprache auszutauschen kann Vertrauen schaffen Manchmal wollen die Kinder einfach zeigen was sie alles koumlnnen

Wenn ein Kind tatsaumlchlich noch kein Deutsch spricht und versteht koumlnnen Sie mit Ihrer Sprachkompetenz eine gute Bruumlcke schlagen und das Kind dabei unterstuumltzen sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden durch kleine Erklaumlrungen oder indem Sie auf die Ausfuumlhrung des Kindes reagieren Ihre sprachliche Unterstuumltzung erleichtert dem Kind vor allem sich in der neuen Situation einzuleben Auch in der Kommunikation mit den Eltern koumlnnen Sie Ihre Sprachkenntnisse nutzen

PRAXIS die eigenen Sprachkompetenzen nutzen

Kurze Erklaumlrungen Wenn Sie bemerken dass sich ein Kind aus sprachlichen Gruumlnden in einer Situation ganz und gar nicht zurechtfindet und Sie haben eine andere gemeinsame Sprache koumlnnen Sie diese nutzen um dem Kind zu erklaumlren was gerade passiert oder was zu tun ist Beispielweise wenn es darum geht dass Sie gemeinsam in den Park gehen wollen und sich die Kinder anstellen sollten oder Aumlhnliches Danach koumlnnen Sie wieder auf Deutsch switchen Sie koumlnnen auch den restlichen Kindern kurz erklaumlren dass Sie in einer anderen Sprache gesprochen haben um dem Kind zu helfen besser zu verstehen was passiert So fuumlhlen sich die Kinder nicht ausgeschlossen und erleben dass Sprachgebrauch vielseitig sein kann und sein darf

Gespraumlch mit Eltern Wenn Sie bemerken dass es den Eltern schwer faumlllt auf Deutsch zu kommunizieren und Sie wissen sie haben eine andere gemeinsame Sprache in der es ihnen leichter fallen wuumlrde koumlnnen Sie es den Eltern behutsam und mit dem notwendigen Fingerspitzengefuumlhl anbieten So schaffen Sie eine leichtere Basis fuumlr Kommunikation sowie Austausch und Vertrauen

bdquoWir wohnen nicht in einem Land sondern in einer Spracheldquo[Emil Cioran rumaumlnischer Philosoph]

bdquoGelebte Zweisprachig-keit ist eher selten aumlqui-valent sondern asymmetrisch oft hierarchisch und bisweilen konfliktivldquo [Georg Kremnitz deutscher Romanist]

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43 Wenn Kinder offensichtlich ungute Dinge zu jemanden in einer Sprache sagen die Sie nicht verstehen

Wenn man Kindern die Moumlglichkeit einraumlumt ihre Erstsprachen zu verwenden haben Paumldago-gInnen manchmal Angst sie koumlnnten dies dafuumlr nutzen um Schimpfwoumlrter oder andere respekt-lose Ausdruumlcke zu verwenden In den seltensten Faumlllen ist es so Ihre Intuition wird Ihnen zeigen sollte tatsaumlchlich respektlos miteinander umgegangen werden Dazu braucht man nicht jedes Wort zu verstehen denn Kommunikation passiert auch auf nonverbaler Ebene Dabei ist natuumlrlich der respektlose Umgang zu hinterfra-gen Auch in diesem Fall ist ein Deutschgebot das die Verwendung anderer Sprachen unter-bindet nicht zielfuumlhrend Denn einerseits wuumlrde man dadurch die Kinder die respektvoll mitein-ander umgehen auch sanktionieren und ander-seits wird dadurch das Problem des fehlenden Respekts nicht geloumlst Viel wichtiger ist es einen respektvollen Umgang miteinander zu foumlrdern unabhaumlngig davon welche Sprache dabei gesprochen wird

44 Wenn SchuumllerInnen die in Deutsch noch schwach sind ausgegrenzt werden

Fehlende Sprachkompetenz kann auch ausgrenzend wirken Das Kind kann sich nicht verstaumlndigen bei Spielen und Gesprauml-chen nicht mitmachen und wird vielleicht von den Mitschuumller-Innen nicht in die Gruppe integriert Das kann zu einer Nega-tiv-Spirale fuumlhren denn die eingeschraumlnkten sozialen Kontakte schraumlnken auch den sprachlichen Kontakt ein und Kinder lernen besonders viel von- und miteinander In solch einer Situation kann es hilfreich sein dass Sie thematisieren wie es einem geht wenn man eine neue Sprache lernt Dazu gibt es zahlrei-che kindgerechte Uumlbungen ZthinspB ausgeruumlstet nur mit einem

Woumlrterbuch in einer ganz fremden Sprache etwas erklaumlren muumlssen oder auch selbst daruumlber reflektieren wie geht es mir beim Fremdsprachenlernen zthinspB Englisch Wenn man sich besinnt wie herausfordernd der Weg ist hat man auch mehr Verstaumlndnis fuumlr den neuenthinspthinspdie neue MitschuumllerIn

Helfen kann auch die Kinder von Anfang an als Stuumltze und Hilfe fuumlr das neue Kind einzubinden So fuumlhlen sie Verantwor-tung und koumlnnen selbst etwas fuumlr den guten sozialen Klassen-verband beitragen

Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein

bdquoMehrsprachige Kompetenz ist nicht nur Ein - sprachigkeit in mehreren Sprachen sondern ist als eine ganzheit-liche Sprach-kompetenz aufzufassen und zu foumlrdernldquo [Elisabeth Allgaumluer-Hacklthinspthinsp Ulrike Jessner in Mehrsprachig-keitsunterricht aus mehrsprachiger Sicht Zur Foumlrderung des metalinguistischen Bewusstseins]

32 33

Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren Argumente und Darstellungen fuumlr Gespraumlche und Fragen mit denen Sie Ihre Position Mehrsprachigkeit zu foumlrdern erklaumlren und staumlrken koumlnnen

51 Ein Erklaumlrungsversuch ndash warum die Foumlrderung und Anerkennung sprachlicher und soziokultureller Diversitaumlt in Frage gestellt wird

Uumlber Mehrsprachigkeit wird schon seit langem geforscht denn Gesellschaften in denen mehrere Sprachen zusammenkom-men hat es seit jeher gegeben Die wissenschaftlichen und empirischen Ergebnisse aus der Mehrsprachigkeitsforschung zeigen allesamt dass die Foumlrderung der individuellen und gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit allen zugutekommt Zum Beispiel schadet es nicht dem Erlernen und Erwerben des Deutschen wenn Kinder auch in ihren anderen Erstsprachen gefoumlrdert werden Genau das Gegenteil ist der Fall Kinder entwickeln sich insgesamt sprachlich besser Und viele weitere positive Argumente wurden formuliert

Diese gesellschaftliche Mehrsprachigkeit und Plurikulturalitaumlt verlaumluft aber in den seltensten Faumlllen konfliktfrei Die Konflikte sind meist das Ergebnis von politischen Maszlignahmen die bestim-men SprecherInnengruppen mehr Macht und staumlrkere Positionen einraumlumen Das fuumlhrt auch dazu dass im oumlffentlichen Diskurs ndash in den Medien in Debatten und Stellungnahmen usw ndash manche Menschen die Position vertreten nur die anerkannte Amtsspra-che Deutsch sei foumlrdernswert und von Nutzen Die anderen Sprachkompetenzen werden als Problem angesehen Diese Haltung ist eine ausgrenzende die Menschen diskriminiert Diskriminierung fuumlhrt in keinem Fall zu einem besseren Schul-erfolg oder zur besseren Integration Auffaumlllig bei dieser Haltung ist dass die Sprachen selbst bewertet werden Beispielsweise wird das Erwerben von Englisch als positiv bewertet und eine Deutsch-Englisch Bilingualitaumlt auch Wenn es um migrationsbe-dingte Mehrsprachigkeit geht wird diese als Hindernis einge-

bdquoSchule muss bilinguale Kinder auch als solche wahrnehmen und nicht versuchen sie in die Passform des einsprachigen Kindes zu pressenldquo [Zwetelina Ortega]

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Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

stuft Wie steht es um die Erstsprachen die durch Migration nach Oumlsterreich gelangt sind Wie ist ihr Image Eine entscheidende Rolle spielt der Status der SprecherInnen Um mit Robert Walser zu sprechen Money rules the world Ist die Gruppe der Sprech-erInnen wirtschaftlich stark hat ihre Sprache gesellschaftlich hohe Anerkennung Uumlbt die Vielzahl einer SprecherInnengruppe jedoch niederqualifizierte und schlecht bezahlte Jobs aus ist sie wirtschaftlich schwach so hat ihre Sprache ein schlechtes Image in der Gesellschaft Diese Situation ist in allen Einwanderungsge-sellschaften aumlhnlich die Sprachen sind auswechselbar

Tatsache ist dass sich falsche und diskriminierende Argumente immer noch halten und dass Ihnen vielleicht Menschen begeg-nen werden die versuchen werden gegen die Foumlrderung von Mehrsprachigkeit zu argumentieren

Es gibt keinen Grund der Diskriminierung und Ausgrenzung zulaumlssig macht Das Ziel einer gelungenen paumldagogischen Arbeit ist es alle Facetten des Kindes anzunehmen und sie als Teil des paumldagogischen Alltags zu integrieren

52 Argumentationslinien und moumlgliche Positionen im Austausch mit KollegInnen Eltern KlassenlehrerInnen und DirektorInnen

Um Ihre Position zu staumlrken dass alle Sprachen und Sprach-kompetenzen gleichberechtigt und wertvoll sind und Sie sie deshalb in Ihrer Arbeit beruumlcksichtigen und foumlrdern haben wir einige Argumente fuumlr Sie ausgearbeitet

Familiaumlrer Kontext

Voraussetzung fuumlr eine gute Lernumgebung sind Menschen die viel und richtig mit dem Kind sprechen Eltern die meinen ihrem Kind etwas Gutes zu tun indem sie mit ihm Deutsch sprechen obwohl sie die Sprache nicht auf Muttersprachen-niveau beherrschen koumlnnen damit der kindlichen Sprachent-wicklung manchmal mehr schaden als helfen

Wichtig ist dass mit den Kindern viel gesprochen erzaumlhlt gelesen und vorgelesen wird Die Sprache die die Eltern dabei verwenden sollte eine sein in der sie sich wohl und sicher fuumlhlen und vielseitig ausdruumlcken koumlnnen Uumlblicherweise ist dies die Erstsprache der Eltern Kinder koumlnnen dann generell besser mit Sprache umgehen ndash auch mit Deutsch

Paumldagogischer und schulischer Kontext

Durch sprachsensible paumldagogische Arbeit die auch die Mehrsprachigkeit der Kinder beruumlcksichtigt wird das Verinner-lichen der sprachlichen Inhalte vor allem auch der bildungs-sprachlichen verbessert Der Aufbau von Bildungssprache ist Grundlage fuumlr Wissenserwerb Diese Faumlhigkeit die Sie den SchuumllerInnen vermitteln wird sie langfristig dazu befaumlhigen auch in ihren weiterfuumlhrenden Ausbildungen besser voranzu-kommen Dadurch werden auch die Bildungschancen aller SchuumllerInnen erhoumlht und zum Teil werden ungleiche Bildungs-bedingungen uumlberwunden

Beim doppelten Spracherwerb also bei Kindern die bilingu-al aufwachsen beeinflussen sich beide Sprachsysteme gegen-seitig positiv in ihrem Wachstum Das ist wissenschaftlich erwiesen Der Erhalt der Erstsprache gefaumlhrdet in keiner Weise den guten Erwerb des Deutschen im Gegenteil

bdquoEs ist doch ein groszliger Unter-schied ob einem gesagt wird dass Sprachen gleichwertig sind und man alles in jeder ausdruumlcken kann oder ob man es tutldquo [Elke Montanari deutsche Sprach- wissenschaftlerin]

bdquoDer Mensch ist Mensch nur durch Spracheldquo[Johann Gottfried von Herder deutscher Dichter und Uumlbersetzer]

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Wer sein Wissen aus den vorab erworbenen oder erlernten Sprachen einbringen kann der erfaumlhrt einen Motivationsschub der sich positiv auf das weitere Sprachenlernen auswirken kann

Die Anerkennung einer Herkunftssprache im schulischen Kontext kann zu einer positiven Persoumlnlichkeitsentwicklung der SchuumllerInnen fuumlhren Deren Aufwertung gibt den Kindern Selbstvertrauen und Sicherheit die sich auf den gesamten Lernerfolg gut auswirken

Eines der Ziele die sich die Europaumlische Union gesetzt hat ist es dass jeder Buumlrgerthinspthinspjede Buumlrgerin seinethinspthinspihre Mutterspra-che sowie mindestens zwei weitere Sprachen beherrscht Diesem Ziel ruumlcken wir naumlher wenn wir die vorhandenen Sprachkompetenzen der Kinder nutzbar machen

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen dass bei einer Foumlrderung der durchgaumlngigen Sprachbildung und lebenswelt-lichen Mehrsprachigkeit von Kindern die narrative Schreibfauml-higkeit und die schriftliche Kompetenzentwicklung gestaumlrkt werden und die bildungssprachlichen Elemente im Deutschen zunehmen

Es gibt noch viele weitere Argumente warum Mehrsprachigkeit immer ein Vorteil ist und nicht als Problem gesehen werden sollte Weitere Argumente werden Sie bestimmt in Ihrer eigenen Arbeit und Erfahrung mit den Kindern selbst finden Trauen Sie sich selbstbewusst zu Ihrer Position zu stehen und lassen Sie diskriminierende Haltungen nicht unkommentiert Wenn Sie die Moumlglichkeit haben nutzen Sie Ihre eigenen vielseitigen Sprachkompetenzen seien es Fremdsprachen oder weitere Erstsprachen sei es im spielerischen Umgang oder wenn Sie etwas erklaumlren Gemeinsam koumlnnen wir dazu beitra-gen dass mehrsprachige Kinder positiv wahrgenommen werden

Kapitel 6

Weitere Uumlbungs- und Anwendungsideen In diesem Kapitel finden Sie viele praxisnahe Uumlbungen fuumlr den spielerischen Umgang mit Mehrsprachigkeit in der Freizeitpaumldagogik

Wenn Sie solche oder aumlhnliche Uumlbungen mit den Kindern ausprobieren werden Sie vielleicht selbst oder gemeinsam mit ihnen viele neue Ideen entwickeln wie man Mehrsprachigkeit spielerisch und mit Freude in der Freizeitbetreuung aufgreifen kann Probieren Sie es aus Es wird allen SchuumllerInnen be-stimmt gefallen Das sind die Erfahrungen die wir bisher gemacht haben Hier einige Ansaumltze fuumlr Sie

Die Herkunft der Vor- und Nachnamen ndash wir erkunden die Bedeutungen unserer Namen

Radio aus aller Welt ndash wir houmlren in Online-Radiosender in verschiedenen Sprachen hinein Dabei koumlnnen die Kinder raten oder versuchen zu erkennen welche Sprache gerade erklingt

Stille Post mit den Sprachen unserer Klasse spielen

Kleine Sprachschule ndash jeweils ein Kind bringen dem Rest der MitschuumllerInnen einfache Saumltze und nuumltzliche Worte bei

Mehrsprachigkeit im oumlffentli-chen Raum ndash wir begeben uns auf Entdeckungsreise und suchen Orte wo wir unter-schiedliche Sprachen houmlren und sehen

Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

bdquoKennst du viele Sprachen ndash hast du viele Schluumlssel fuumlr ein Schloszligldquo[Voltaire franzoumlsischer Philosoph und Schriftsteller]

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Kapitel 7

EmpfehlungenLektuumlreempfehlungen zur Vertiefung Zahlreiche Links die weitere Anwendungsideen fuumlr die Praxis bieten aber auch vielseitige Artikel zum Thema

Weiterfuumlhrende Literatur

Krumm Hans-JuumlrgenthinspthinspReich Hans H 2011 Curriculum Mehrsprachigkeit Online im Internet

Montanari Elke 2013 Mit zwei Sprachen groszlig werden Mehrsprachige Erziehung in Familie Kindergarten und Schule Muumlnchen Koumlsel

Montanari ElkethinspthinspPanagiotopoulou Julie 2019 Mehrsprachigkeit und Bildung in Kitas und Schulen UTB

Schader Basil 2013 Sprachenvielfalt als Chance Handbuch fuumlr den Unterricht in mehrsprachigen Klassen Zuumlrich orell fuumlssli

Hilfreiche Institutionen

Kinderbuumlcherei der Weltsprachen gehoumlrt zu den Staumldtischen Buumlchereien wwwkirangoat Veranstaltungen zu Lesefoumlrderung fuumlr Schulen und Kindergaumlrten Teil der Buumlcherei Wien

wwwbaobabat BAOBAB ndash GLOBALES LERNEN vielseitige Arbeitsmaterialen und Literatur

Links

wwwlanguage-diversityeu ndash Arbeitsblaumltter Lehrmaterial Unterrichtsideen Schwerpunkt auf Minderheitensprachen in Europa

wwwpapperlapappcoat ndash Bilinguale Kinderzeitschrift wwwmultilingual-familieseu ndash Materialen fuumlr mehrsprachige Erziehung wwwderstandardatr2000023362091Linguamulti ndash monatlicher Blog zu Mehrsprachigkeit und Spracherwerb

wwwschule-mehrsprachigat ndash Kinder- und Jugendbuumlcher in vielen Sprachen Infos zum Muttersprachenunterricht

wwwfacebookcomlinguamulti ndash taumlglich Inhalte zum Thema Mehrsprachigkeit und Interkulturalitaumlt

Anschuumltzgasse 1 2 Stock 1150 WienTel +43 1 524 25 09-0 Fax +43 1 524 25 09-30officebildung-wienat wwwbildung-wienat

IMPRESSUMMedieninhaber und fuumlr den Inhalt verantwortlich BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbHAnschuumltzgasse 1 1150 Wien | Firmensitz Wien | FN502272k | Handelsgericht WienKonzeption Redaktion Text Zwetelina Ortega Linguamulti ndash wwwlinguamultiat (unter Mitwirken von BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbH)Fotos C Pertramer (S 5) J Zinner M Possert (S8)Grafik Gerald Waibel effundweat

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des Deutschen verweisen (zthinspB auf die richtige Beugung unregelmaumlszligiger Verben oder die Stellung des Verbs am Ende des Nebensatzes etc)

35 Sprachbewusstsein foumlrdern eine Methode die viel bewirkt

Im Gegensatz zur schulischen Mehrsprachigkeit wird die migrationsbedingte bzw lebensweltliche Mehrsprachigkeit bisher zaghaft gefoumlrdert und im Unterricht weitgehend ausge-blendet Die Herkunftssprachen der SchuumllerInnen werden im Unterricht selten einbezogen Sie werden eher als Belastung bzw als Problem und nicht als Ressource angesehen

Sprachbewusstsein ist das Bewusstsein fuumlr die Funktionsweise und Bedeutung von Sprachen Wenn man Kinder darin unter-stuumltzt so gibt man ihnen die Moumlglichkeit und befaumlhigt sie sprachliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erkennen Zudem werden sie darin gefoumlrdert zu erkennen welche Rolle Sprache in unserer Gesellschaft spielt

Bei diesem Prozess koumlnnen die SchuumllerInnen auf bereits vorhandenes Sprachlernwissen zuruumlckgegriffen Wenn sie sich mit ihrem Wissen aus der erworbenen Herkunftssprache einbringen koumlnnen so bewirkt dies einen Motivationsschub der sich positiv auf das weitere Sprachenlernen auswirken kann

Stellen Sie Spiele und Uumlbungen und Methoden zur Verfuumlgung die die Kinder motivieren ihre vorhandenen Sprachkenntnisse zu nutzen so dass die Sprachen auch erklingen koumlnnen Und vergessen Sie dabei nicht auf die zentrale Vorbildwirkung die Sie selbst einbringen koumlnnen Beteiligen Sie sich selbst an den Spielen und Uumlbungen mit Ihren Sprachkenntnissen Die Kinder werden viel Freude daran haben diese weitere Facette die Sie ausmacht kennenzulernen So koumlnnen Sie gemeinsam mit den Kindern Lieder singen die es in mehreren Sprachversionen gibt (wie zthinspB Fregravere JacquesthinspthinspBruder Jakob und in der Weihnachts-zeit Stille Nacht heilige Nacht ndash ein Lied das es bestimmt in den Sprachen aller beteiligten Kinder gibt)

PRAXIS Anwendungsideen

Am Anfang steht die Bereitschaft Raum fuumlr Gespraumlche uumlber die eigene Sprachbiografie zu schaffen Natuumlrlich nehmen an diesen Gespraumlchen alle Kinder teil auch jene die nicht bilingual aufwachsen Weitere Spielideen

Sprachenportrait ndash meine Sprachen in mir Uumlber Sprache nachdenken und daruumlber sprechen Meine Sprachbiografie Meine Familie und ihre Sprachen Sprachenstammbaum der Familie Uumlbersetzungsspiel UmgangssprachethinspthinspFachsprache oder HochsprachethinspthinspDialekt

Redewendungen aus aller Welt Mehrsprachige Wortfelder

Die naumlhere Ausfuumlhrung zu den jeweiligen Spielideen finden Sie auf der Website und im Intranet der BiM ndash Bildung im Mittel-punkt Weitere Uumlbungen um Sprachbewusstsein und Mehr-sprachigkeit zu foumlrdern sind in Kapitel 6 angefuumlhrt

Kapitel 3

Sprachgebrauch im schulischen Kontext

bdquoDer Geist einer Sprache offenbart sich am deutlichsten in ihren unuumlber- setzbaren Wortenldquo[Marie von Ebner-Eschenbach oumlsterreichische Schriftstellerin]

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Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd seinNutzen der eigenen Sprachkompetenzen und Umgang mit kritischen Situationen die sich durch die Mehrsprachigkeit der Kinder ergeben koumlnnen

41 Wenn Kinder untereinander in einer anderen Sprache als Deutsch sprechen

In vielen Schulen wird nach wie vor das Prinzip gelebt dass nur Deutsch gesprochen werden darf und soll Dieser Zugang blendet die Realitaumlt bilingualer Menschen aus und signalisiert den Kindern dass ein Teil von ihnen unerwuumlnscht ist Das ist weder fuumlr den Deutscherwerb noch fuumlr die Persoumlnlichkeitsent-wicklung des Kindes foumlrderlich Und dabei wird auszliger Acht gelassen warum Kinder in eine andere Sprache switchen

weil sie sich in ihrer Erstsprache sicherer fuumlhlen und Deutsch noch nicht gut beherrschen Fuumlr die Kommunikation eine Sprache zu waumlhlen die man gemeinsam gut kann ist ein natuumlrlicher Zugang Wuumlrde man die Kinder dann zwingen auf Deutsch zu wechseln wuumlrde man sie foumlrmlich verstummen lassen

Das Sprachwechseln kann auch bei Kindern die gut Deutsch sprechen ganz intuitiv passieren und vom Kind in diesem Moment nicht bewusst wahrgenommen werden Diese Sprach-wahl des Kindes zeugt eher von einer hohen Sprachkompetenz und von seinem kreativen Umgang mit der eigenen Bilinguali-taumlt

Als Problem wird haumlufig dargestellt dass andere Kinder durch den nichtdeutschen Sprachgebrauch ausgegrenzt wuumlrden Wenn Sie tatsaumlchlich beobachten dass Kinder jemanden durch Sprachwechsel ausgrenzen dann ist das Problem die Ausgren-zung Ein Sprachverbot ist hier der falsche Weg Viel wichtiger ist es uumlber das Ausgrenzen anderer Kinder an sich zu sprechen

Damit sich vielleicht andere Kinder nicht verunsichert fuumlhlen kann man auch die Bilingualitaumlt der SchuumllerInnen zum Thema zu machen und mit der Gruppe besprechen Dann kann man auch den Kindern vermitteln dass die gemeinsame Sprache der Gruppe Deutsch ist Damit Kinder ihre Bilingualitaumlt positiv erleben koumlnnen ist es aber ratsam dass sie im schulischen Kontext auch eine ihrer Erstsprachen verwenden koumlnnen So koumlnnen tatsaumlchlich ihre beiden Sprachen Platz haben so wie es auch ihrer Wirklichkeit entspricht Wie und wann geswitcht werden kann kann man in der Gruppe gemeinsam vereinbaren So haben die Kinder sowohl Deutschinput als auch die Moumlglich-keit all ihre Sprachkompetenzen zu benutzen

bdquoSprache ist der Schluumlssel zur Weltldquo[Alexander von Humboldt deutscher Naturforscher]

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Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein

42 Wenn Kinder Sie in Ihrer Erstsprache ansprechen

Viele FreizeitpaumldagogInnen der BiM ndash Bildung im Mittelpunkt haben selbst unterschiedliche und vielfaumlltige kulturelle und sprachliche Kompetenzen Und diese betrachten wir als wertvoll Sehen Sie Ihre Sprachkompetenz deshalb als Berei-cherung und Chance Denn Sprache ist mehr als Kommunika-tion es geht nicht nur darum dass die Kinder von Ihnen Deutsch lernen sie haben auch eine Bindung zu Ihnen aufge-baut oder sind gerade dabei Sich uumlber eine gemeinsame Sprache auszutauschen kann Vertrauen schaffen Manchmal wollen die Kinder einfach zeigen was sie alles koumlnnen

Wenn ein Kind tatsaumlchlich noch kein Deutsch spricht und versteht koumlnnen Sie mit Ihrer Sprachkompetenz eine gute Bruumlcke schlagen und das Kind dabei unterstuumltzen sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden durch kleine Erklaumlrungen oder indem Sie auf die Ausfuumlhrung des Kindes reagieren Ihre sprachliche Unterstuumltzung erleichtert dem Kind vor allem sich in der neuen Situation einzuleben Auch in der Kommunikation mit den Eltern koumlnnen Sie Ihre Sprachkenntnisse nutzen

PRAXIS die eigenen Sprachkompetenzen nutzen

Kurze Erklaumlrungen Wenn Sie bemerken dass sich ein Kind aus sprachlichen Gruumlnden in einer Situation ganz und gar nicht zurechtfindet und Sie haben eine andere gemeinsame Sprache koumlnnen Sie diese nutzen um dem Kind zu erklaumlren was gerade passiert oder was zu tun ist Beispielweise wenn es darum geht dass Sie gemeinsam in den Park gehen wollen und sich die Kinder anstellen sollten oder Aumlhnliches Danach koumlnnen Sie wieder auf Deutsch switchen Sie koumlnnen auch den restlichen Kindern kurz erklaumlren dass Sie in einer anderen Sprache gesprochen haben um dem Kind zu helfen besser zu verstehen was passiert So fuumlhlen sich die Kinder nicht ausgeschlossen und erleben dass Sprachgebrauch vielseitig sein kann und sein darf

Gespraumlch mit Eltern Wenn Sie bemerken dass es den Eltern schwer faumlllt auf Deutsch zu kommunizieren und Sie wissen sie haben eine andere gemeinsame Sprache in der es ihnen leichter fallen wuumlrde koumlnnen Sie es den Eltern behutsam und mit dem notwendigen Fingerspitzengefuumlhl anbieten So schaffen Sie eine leichtere Basis fuumlr Kommunikation sowie Austausch und Vertrauen

bdquoWir wohnen nicht in einem Land sondern in einer Spracheldquo[Emil Cioran rumaumlnischer Philosoph]

bdquoGelebte Zweisprachig-keit ist eher selten aumlqui-valent sondern asymmetrisch oft hierarchisch und bisweilen konfliktivldquo [Georg Kremnitz deutscher Romanist]

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43 Wenn Kinder offensichtlich ungute Dinge zu jemanden in einer Sprache sagen die Sie nicht verstehen

Wenn man Kindern die Moumlglichkeit einraumlumt ihre Erstsprachen zu verwenden haben Paumldago-gInnen manchmal Angst sie koumlnnten dies dafuumlr nutzen um Schimpfwoumlrter oder andere respekt-lose Ausdruumlcke zu verwenden In den seltensten Faumlllen ist es so Ihre Intuition wird Ihnen zeigen sollte tatsaumlchlich respektlos miteinander umgegangen werden Dazu braucht man nicht jedes Wort zu verstehen denn Kommunikation passiert auch auf nonverbaler Ebene Dabei ist natuumlrlich der respektlose Umgang zu hinterfra-gen Auch in diesem Fall ist ein Deutschgebot das die Verwendung anderer Sprachen unter-bindet nicht zielfuumlhrend Denn einerseits wuumlrde man dadurch die Kinder die respektvoll mitein-ander umgehen auch sanktionieren und ander-seits wird dadurch das Problem des fehlenden Respekts nicht geloumlst Viel wichtiger ist es einen respektvollen Umgang miteinander zu foumlrdern unabhaumlngig davon welche Sprache dabei gesprochen wird

44 Wenn SchuumllerInnen die in Deutsch noch schwach sind ausgegrenzt werden

Fehlende Sprachkompetenz kann auch ausgrenzend wirken Das Kind kann sich nicht verstaumlndigen bei Spielen und Gesprauml-chen nicht mitmachen und wird vielleicht von den Mitschuumller-Innen nicht in die Gruppe integriert Das kann zu einer Nega-tiv-Spirale fuumlhren denn die eingeschraumlnkten sozialen Kontakte schraumlnken auch den sprachlichen Kontakt ein und Kinder lernen besonders viel von- und miteinander In solch einer Situation kann es hilfreich sein dass Sie thematisieren wie es einem geht wenn man eine neue Sprache lernt Dazu gibt es zahlrei-che kindgerechte Uumlbungen ZthinspB ausgeruumlstet nur mit einem

Woumlrterbuch in einer ganz fremden Sprache etwas erklaumlren muumlssen oder auch selbst daruumlber reflektieren wie geht es mir beim Fremdsprachenlernen zthinspB Englisch Wenn man sich besinnt wie herausfordernd der Weg ist hat man auch mehr Verstaumlndnis fuumlr den neuenthinspthinspdie neue MitschuumllerIn

Helfen kann auch die Kinder von Anfang an als Stuumltze und Hilfe fuumlr das neue Kind einzubinden So fuumlhlen sie Verantwor-tung und koumlnnen selbst etwas fuumlr den guten sozialen Klassen-verband beitragen

Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein

bdquoMehrsprachige Kompetenz ist nicht nur Ein - sprachigkeit in mehreren Sprachen sondern ist als eine ganzheit-liche Sprach-kompetenz aufzufassen und zu foumlrdernldquo [Elisabeth Allgaumluer-Hacklthinspthinsp Ulrike Jessner in Mehrsprachig-keitsunterricht aus mehrsprachiger Sicht Zur Foumlrderung des metalinguistischen Bewusstseins]

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Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren Argumente und Darstellungen fuumlr Gespraumlche und Fragen mit denen Sie Ihre Position Mehrsprachigkeit zu foumlrdern erklaumlren und staumlrken koumlnnen

51 Ein Erklaumlrungsversuch ndash warum die Foumlrderung und Anerkennung sprachlicher und soziokultureller Diversitaumlt in Frage gestellt wird

Uumlber Mehrsprachigkeit wird schon seit langem geforscht denn Gesellschaften in denen mehrere Sprachen zusammenkom-men hat es seit jeher gegeben Die wissenschaftlichen und empirischen Ergebnisse aus der Mehrsprachigkeitsforschung zeigen allesamt dass die Foumlrderung der individuellen und gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit allen zugutekommt Zum Beispiel schadet es nicht dem Erlernen und Erwerben des Deutschen wenn Kinder auch in ihren anderen Erstsprachen gefoumlrdert werden Genau das Gegenteil ist der Fall Kinder entwickeln sich insgesamt sprachlich besser Und viele weitere positive Argumente wurden formuliert

Diese gesellschaftliche Mehrsprachigkeit und Plurikulturalitaumlt verlaumluft aber in den seltensten Faumlllen konfliktfrei Die Konflikte sind meist das Ergebnis von politischen Maszlignahmen die bestim-men SprecherInnengruppen mehr Macht und staumlrkere Positionen einraumlumen Das fuumlhrt auch dazu dass im oumlffentlichen Diskurs ndash in den Medien in Debatten und Stellungnahmen usw ndash manche Menschen die Position vertreten nur die anerkannte Amtsspra-che Deutsch sei foumlrdernswert und von Nutzen Die anderen Sprachkompetenzen werden als Problem angesehen Diese Haltung ist eine ausgrenzende die Menschen diskriminiert Diskriminierung fuumlhrt in keinem Fall zu einem besseren Schul-erfolg oder zur besseren Integration Auffaumlllig bei dieser Haltung ist dass die Sprachen selbst bewertet werden Beispielsweise wird das Erwerben von Englisch als positiv bewertet und eine Deutsch-Englisch Bilingualitaumlt auch Wenn es um migrationsbe-dingte Mehrsprachigkeit geht wird diese als Hindernis einge-

bdquoSchule muss bilinguale Kinder auch als solche wahrnehmen und nicht versuchen sie in die Passform des einsprachigen Kindes zu pressenldquo [Zwetelina Ortega]

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Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

stuft Wie steht es um die Erstsprachen die durch Migration nach Oumlsterreich gelangt sind Wie ist ihr Image Eine entscheidende Rolle spielt der Status der SprecherInnen Um mit Robert Walser zu sprechen Money rules the world Ist die Gruppe der Sprech-erInnen wirtschaftlich stark hat ihre Sprache gesellschaftlich hohe Anerkennung Uumlbt die Vielzahl einer SprecherInnengruppe jedoch niederqualifizierte und schlecht bezahlte Jobs aus ist sie wirtschaftlich schwach so hat ihre Sprache ein schlechtes Image in der Gesellschaft Diese Situation ist in allen Einwanderungsge-sellschaften aumlhnlich die Sprachen sind auswechselbar

Tatsache ist dass sich falsche und diskriminierende Argumente immer noch halten und dass Ihnen vielleicht Menschen begeg-nen werden die versuchen werden gegen die Foumlrderung von Mehrsprachigkeit zu argumentieren

Es gibt keinen Grund der Diskriminierung und Ausgrenzung zulaumlssig macht Das Ziel einer gelungenen paumldagogischen Arbeit ist es alle Facetten des Kindes anzunehmen und sie als Teil des paumldagogischen Alltags zu integrieren

52 Argumentationslinien und moumlgliche Positionen im Austausch mit KollegInnen Eltern KlassenlehrerInnen und DirektorInnen

Um Ihre Position zu staumlrken dass alle Sprachen und Sprach-kompetenzen gleichberechtigt und wertvoll sind und Sie sie deshalb in Ihrer Arbeit beruumlcksichtigen und foumlrdern haben wir einige Argumente fuumlr Sie ausgearbeitet

Familiaumlrer Kontext

Voraussetzung fuumlr eine gute Lernumgebung sind Menschen die viel und richtig mit dem Kind sprechen Eltern die meinen ihrem Kind etwas Gutes zu tun indem sie mit ihm Deutsch sprechen obwohl sie die Sprache nicht auf Muttersprachen-niveau beherrschen koumlnnen damit der kindlichen Sprachent-wicklung manchmal mehr schaden als helfen

Wichtig ist dass mit den Kindern viel gesprochen erzaumlhlt gelesen und vorgelesen wird Die Sprache die die Eltern dabei verwenden sollte eine sein in der sie sich wohl und sicher fuumlhlen und vielseitig ausdruumlcken koumlnnen Uumlblicherweise ist dies die Erstsprache der Eltern Kinder koumlnnen dann generell besser mit Sprache umgehen ndash auch mit Deutsch

Paumldagogischer und schulischer Kontext

Durch sprachsensible paumldagogische Arbeit die auch die Mehrsprachigkeit der Kinder beruumlcksichtigt wird das Verinner-lichen der sprachlichen Inhalte vor allem auch der bildungs-sprachlichen verbessert Der Aufbau von Bildungssprache ist Grundlage fuumlr Wissenserwerb Diese Faumlhigkeit die Sie den SchuumllerInnen vermitteln wird sie langfristig dazu befaumlhigen auch in ihren weiterfuumlhrenden Ausbildungen besser voranzu-kommen Dadurch werden auch die Bildungschancen aller SchuumllerInnen erhoumlht und zum Teil werden ungleiche Bildungs-bedingungen uumlberwunden

Beim doppelten Spracherwerb also bei Kindern die bilingu-al aufwachsen beeinflussen sich beide Sprachsysteme gegen-seitig positiv in ihrem Wachstum Das ist wissenschaftlich erwiesen Der Erhalt der Erstsprache gefaumlhrdet in keiner Weise den guten Erwerb des Deutschen im Gegenteil

bdquoEs ist doch ein groszliger Unter-schied ob einem gesagt wird dass Sprachen gleichwertig sind und man alles in jeder ausdruumlcken kann oder ob man es tutldquo [Elke Montanari deutsche Sprach- wissenschaftlerin]

bdquoDer Mensch ist Mensch nur durch Spracheldquo[Johann Gottfried von Herder deutscher Dichter und Uumlbersetzer]

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Wer sein Wissen aus den vorab erworbenen oder erlernten Sprachen einbringen kann der erfaumlhrt einen Motivationsschub der sich positiv auf das weitere Sprachenlernen auswirken kann

Die Anerkennung einer Herkunftssprache im schulischen Kontext kann zu einer positiven Persoumlnlichkeitsentwicklung der SchuumllerInnen fuumlhren Deren Aufwertung gibt den Kindern Selbstvertrauen und Sicherheit die sich auf den gesamten Lernerfolg gut auswirken

Eines der Ziele die sich die Europaumlische Union gesetzt hat ist es dass jeder Buumlrgerthinspthinspjede Buumlrgerin seinethinspthinspihre Mutterspra-che sowie mindestens zwei weitere Sprachen beherrscht Diesem Ziel ruumlcken wir naumlher wenn wir die vorhandenen Sprachkompetenzen der Kinder nutzbar machen

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen dass bei einer Foumlrderung der durchgaumlngigen Sprachbildung und lebenswelt-lichen Mehrsprachigkeit von Kindern die narrative Schreibfauml-higkeit und die schriftliche Kompetenzentwicklung gestaumlrkt werden und die bildungssprachlichen Elemente im Deutschen zunehmen

Es gibt noch viele weitere Argumente warum Mehrsprachigkeit immer ein Vorteil ist und nicht als Problem gesehen werden sollte Weitere Argumente werden Sie bestimmt in Ihrer eigenen Arbeit und Erfahrung mit den Kindern selbst finden Trauen Sie sich selbstbewusst zu Ihrer Position zu stehen und lassen Sie diskriminierende Haltungen nicht unkommentiert Wenn Sie die Moumlglichkeit haben nutzen Sie Ihre eigenen vielseitigen Sprachkompetenzen seien es Fremdsprachen oder weitere Erstsprachen sei es im spielerischen Umgang oder wenn Sie etwas erklaumlren Gemeinsam koumlnnen wir dazu beitra-gen dass mehrsprachige Kinder positiv wahrgenommen werden

Kapitel 6

Weitere Uumlbungs- und Anwendungsideen In diesem Kapitel finden Sie viele praxisnahe Uumlbungen fuumlr den spielerischen Umgang mit Mehrsprachigkeit in der Freizeitpaumldagogik

Wenn Sie solche oder aumlhnliche Uumlbungen mit den Kindern ausprobieren werden Sie vielleicht selbst oder gemeinsam mit ihnen viele neue Ideen entwickeln wie man Mehrsprachigkeit spielerisch und mit Freude in der Freizeitbetreuung aufgreifen kann Probieren Sie es aus Es wird allen SchuumllerInnen be-stimmt gefallen Das sind die Erfahrungen die wir bisher gemacht haben Hier einige Ansaumltze fuumlr Sie

Die Herkunft der Vor- und Nachnamen ndash wir erkunden die Bedeutungen unserer Namen

Radio aus aller Welt ndash wir houmlren in Online-Radiosender in verschiedenen Sprachen hinein Dabei koumlnnen die Kinder raten oder versuchen zu erkennen welche Sprache gerade erklingt

Stille Post mit den Sprachen unserer Klasse spielen

Kleine Sprachschule ndash jeweils ein Kind bringen dem Rest der MitschuumllerInnen einfache Saumltze und nuumltzliche Worte bei

Mehrsprachigkeit im oumlffentli-chen Raum ndash wir begeben uns auf Entdeckungsreise und suchen Orte wo wir unter-schiedliche Sprachen houmlren und sehen

Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

bdquoKennst du viele Sprachen ndash hast du viele Schluumlssel fuumlr ein Schloszligldquo[Voltaire franzoumlsischer Philosoph und Schriftsteller]

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Kapitel 7

EmpfehlungenLektuumlreempfehlungen zur Vertiefung Zahlreiche Links die weitere Anwendungsideen fuumlr die Praxis bieten aber auch vielseitige Artikel zum Thema

Weiterfuumlhrende Literatur

Krumm Hans-JuumlrgenthinspthinspReich Hans H 2011 Curriculum Mehrsprachigkeit Online im Internet

Montanari Elke 2013 Mit zwei Sprachen groszlig werden Mehrsprachige Erziehung in Familie Kindergarten und Schule Muumlnchen Koumlsel

Montanari ElkethinspthinspPanagiotopoulou Julie 2019 Mehrsprachigkeit und Bildung in Kitas und Schulen UTB

Schader Basil 2013 Sprachenvielfalt als Chance Handbuch fuumlr den Unterricht in mehrsprachigen Klassen Zuumlrich orell fuumlssli

Hilfreiche Institutionen

Kinderbuumlcherei der Weltsprachen gehoumlrt zu den Staumldtischen Buumlchereien wwwkirangoat Veranstaltungen zu Lesefoumlrderung fuumlr Schulen und Kindergaumlrten Teil der Buumlcherei Wien

wwwbaobabat BAOBAB ndash GLOBALES LERNEN vielseitige Arbeitsmaterialen und Literatur

Links

wwwlanguage-diversityeu ndash Arbeitsblaumltter Lehrmaterial Unterrichtsideen Schwerpunkt auf Minderheitensprachen in Europa

wwwpapperlapappcoat ndash Bilinguale Kinderzeitschrift wwwmultilingual-familieseu ndash Materialen fuumlr mehrsprachige Erziehung wwwderstandardatr2000023362091Linguamulti ndash monatlicher Blog zu Mehrsprachigkeit und Spracherwerb

wwwschule-mehrsprachigat ndash Kinder- und Jugendbuumlcher in vielen Sprachen Infos zum Muttersprachenunterricht

wwwfacebookcomlinguamulti ndash taumlglich Inhalte zum Thema Mehrsprachigkeit und Interkulturalitaumlt

Anschuumltzgasse 1 2 Stock 1150 WienTel +43 1 524 25 09-0 Fax +43 1 524 25 09-30officebildung-wienat wwwbildung-wienat

IMPRESSUMMedieninhaber und fuumlr den Inhalt verantwortlich BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbHAnschuumltzgasse 1 1150 Wien | Firmensitz Wien | FN502272k | Handelsgericht WienKonzeption Redaktion Text Zwetelina Ortega Linguamulti ndash wwwlinguamultiat (unter Mitwirken von BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbH)Fotos C Pertramer (S 5) J Zinner M Possert (S8)Grafik Gerald Waibel effundweat

Page 14: Unsere Schule spricht viele Sprachen · Unsere Schule spricht viele Sprachen Leitfaden für die Freizeitpädagogik. 2 3 Inhalt ... Es ist unsere gemeinsame Aufgabe im Bildungsbereich,

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Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd seinNutzen der eigenen Sprachkompetenzen und Umgang mit kritischen Situationen die sich durch die Mehrsprachigkeit der Kinder ergeben koumlnnen

41 Wenn Kinder untereinander in einer anderen Sprache als Deutsch sprechen

In vielen Schulen wird nach wie vor das Prinzip gelebt dass nur Deutsch gesprochen werden darf und soll Dieser Zugang blendet die Realitaumlt bilingualer Menschen aus und signalisiert den Kindern dass ein Teil von ihnen unerwuumlnscht ist Das ist weder fuumlr den Deutscherwerb noch fuumlr die Persoumlnlichkeitsent-wicklung des Kindes foumlrderlich Und dabei wird auszliger Acht gelassen warum Kinder in eine andere Sprache switchen

weil sie sich in ihrer Erstsprache sicherer fuumlhlen und Deutsch noch nicht gut beherrschen Fuumlr die Kommunikation eine Sprache zu waumlhlen die man gemeinsam gut kann ist ein natuumlrlicher Zugang Wuumlrde man die Kinder dann zwingen auf Deutsch zu wechseln wuumlrde man sie foumlrmlich verstummen lassen

Das Sprachwechseln kann auch bei Kindern die gut Deutsch sprechen ganz intuitiv passieren und vom Kind in diesem Moment nicht bewusst wahrgenommen werden Diese Sprach-wahl des Kindes zeugt eher von einer hohen Sprachkompetenz und von seinem kreativen Umgang mit der eigenen Bilinguali-taumlt

Als Problem wird haumlufig dargestellt dass andere Kinder durch den nichtdeutschen Sprachgebrauch ausgegrenzt wuumlrden Wenn Sie tatsaumlchlich beobachten dass Kinder jemanden durch Sprachwechsel ausgrenzen dann ist das Problem die Ausgren-zung Ein Sprachverbot ist hier der falsche Weg Viel wichtiger ist es uumlber das Ausgrenzen anderer Kinder an sich zu sprechen

Damit sich vielleicht andere Kinder nicht verunsichert fuumlhlen kann man auch die Bilingualitaumlt der SchuumllerInnen zum Thema zu machen und mit der Gruppe besprechen Dann kann man auch den Kindern vermitteln dass die gemeinsame Sprache der Gruppe Deutsch ist Damit Kinder ihre Bilingualitaumlt positiv erleben koumlnnen ist es aber ratsam dass sie im schulischen Kontext auch eine ihrer Erstsprachen verwenden koumlnnen So koumlnnen tatsaumlchlich ihre beiden Sprachen Platz haben so wie es auch ihrer Wirklichkeit entspricht Wie und wann geswitcht werden kann kann man in der Gruppe gemeinsam vereinbaren So haben die Kinder sowohl Deutschinput als auch die Moumlglich-keit all ihre Sprachkompetenzen zu benutzen

bdquoSprache ist der Schluumlssel zur Weltldquo[Alexander von Humboldt deutscher Naturforscher]

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Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein

42 Wenn Kinder Sie in Ihrer Erstsprache ansprechen

Viele FreizeitpaumldagogInnen der BiM ndash Bildung im Mittelpunkt haben selbst unterschiedliche und vielfaumlltige kulturelle und sprachliche Kompetenzen Und diese betrachten wir als wertvoll Sehen Sie Ihre Sprachkompetenz deshalb als Berei-cherung und Chance Denn Sprache ist mehr als Kommunika-tion es geht nicht nur darum dass die Kinder von Ihnen Deutsch lernen sie haben auch eine Bindung zu Ihnen aufge-baut oder sind gerade dabei Sich uumlber eine gemeinsame Sprache auszutauschen kann Vertrauen schaffen Manchmal wollen die Kinder einfach zeigen was sie alles koumlnnen

Wenn ein Kind tatsaumlchlich noch kein Deutsch spricht und versteht koumlnnen Sie mit Ihrer Sprachkompetenz eine gute Bruumlcke schlagen und das Kind dabei unterstuumltzen sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden durch kleine Erklaumlrungen oder indem Sie auf die Ausfuumlhrung des Kindes reagieren Ihre sprachliche Unterstuumltzung erleichtert dem Kind vor allem sich in der neuen Situation einzuleben Auch in der Kommunikation mit den Eltern koumlnnen Sie Ihre Sprachkenntnisse nutzen

PRAXIS die eigenen Sprachkompetenzen nutzen

Kurze Erklaumlrungen Wenn Sie bemerken dass sich ein Kind aus sprachlichen Gruumlnden in einer Situation ganz und gar nicht zurechtfindet und Sie haben eine andere gemeinsame Sprache koumlnnen Sie diese nutzen um dem Kind zu erklaumlren was gerade passiert oder was zu tun ist Beispielweise wenn es darum geht dass Sie gemeinsam in den Park gehen wollen und sich die Kinder anstellen sollten oder Aumlhnliches Danach koumlnnen Sie wieder auf Deutsch switchen Sie koumlnnen auch den restlichen Kindern kurz erklaumlren dass Sie in einer anderen Sprache gesprochen haben um dem Kind zu helfen besser zu verstehen was passiert So fuumlhlen sich die Kinder nicht ausgeschlossen und erleben dass Sprachgebrauch vielseitig sein kann und sein darf

Gespraumlch mit Eltern Wenn Sie bemerken dass es den Eltern schwer faumlllt auf Deutsch zu kommunizieren und Sie wissen sie haben eine andere gemeinsame Sprache in der es ihnen leichter fallen wuumlrde koumlnnen Sie es den Eltern behutsam und mit dem notwendigen Fingerspitzengefuumlhl anbieten So schaffen Sie eine leichtere Basis fuumlr Kommunikation sowie Austausch und Vertrauen

bdquoWir wohnen nicht in einem Land sondern in einer Spracheldquo[Emil Cioran rumaumlnischer Philosoph]

bdquoGelebte Zweisprachig-keit ist eher selten aumlqui-valent sondern asymmetrisch oft hierarchisch und bisweilen konfliktivldquo [Georg Kremnitz deutscher Romanist]

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43 Wenn Kinder offensichtlich ungute Dinge zu jemanden in einer Sprache sagen die Sie nicht verstehen

Wenn man Kindern die Moumlglichkeit einraumlumt ihre Erstsprachen zu verwenden haben Paumldago-gInnen manchmal Angst sie koumlnnten dies dafuumlr nutzen um Schimpfwoumlrter oder andere respekt-lose Ausdruumlcke zu verwenden In den seltensten Faumlllen ist es so Ihre Intuition wird Ihnen zeigen sollte tatsaumlchlich respektlos miteinander umgegangen werden Dazu braucht man nicht jedes Wort zu verstehen denn Kommunikation passiert auch auf nonverbaler Ebene Dabei ist natuumlrlich der respektlose Umgang zu hinterfra-gen Auch in diesem Fall ist ein Deutschgebot das die Verwendung anderer Sprachen unter-bindet nicht zielfuumlhrend Denn einerseits wuumlrde man dadurch die Kinder die respektvoll mitein-ander umgehen auch sanktionieren und ander-seits wird dadurch das Problem des fehlenden Respekts nicht geloumlst Viel wichtiger ist es einen respektvollen Umgang miteinander zu foumlrdern unabhaumlngig davon welche Sprache dabei gesprochen wird

44 Wenn SchuumllerInnen die in Deutsch noch schwach sind ausgegrenzt werden

Fehlende Sprachkompetenz kann auch ausgrenzend wirken Das Kind kann sich nicht verstaumlndigen bei Spielen und Gesprauml-chen nicht mitmachen und wird vielleicht von den Mitschuumller-Innen nicht in die Gruppe integriert Das kann zu einer Nega-tiv-Spirale fuumlhren denn die eingeschraumlnkten sozialen Kontakte schraumlnken auch den sprachlichen Kontakt ein und Kinder lernen besonders viel von- und miteinander In solch einer Situation kann es hilfreich sein dass Sie thematisieren wie es einem geht wenn man eine neue Sprache lernt Dazu gibt es zahlrei-che kindgerechte Uumlbungen ZthinspB ausgeruumlstet nur mit einem

Woumlrterbuch in einer ganz fremden Sprache etwas erklaumlren muumlssen oder auch selbst daruumlber reflektieren wie geht es mir beim Fremdsprachenlernen zthinspB Englisch Wenn man sich besinnt wie herausfordernd der Weg ist hat man auch mehr Verstaumlndnis fuumlr den neuenthinspthinspdie neue MitschuumllerIn

Helfen kann auch die Kinder von Anfang an als Stuumltze und Hilfe fuumlr das neue Kind einzubinden So fuumlhlen sie Verantwor-tung und koumlnnen selbst etwas fuumlr den guten sozialen Klassen-verband beitragen

Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein

bdquoMehrsprachige Kompetenz ist nicht nur Ein - sprachigkeit in mehreren Sprachen sondern ist als eine ganzheit-liche Sprach-kompetenz aufzufassen und zu foumlrdernldquo [Elisabeth Allgaumluer-Hacklthinspthinsp Ulrike Jessner in Mehrsprachig-keitsunterricht aus mehrsprachiger Sicht Zur Foumlrderung des metalinguistischen Bewusstseins]

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Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren Argumente und Darstellungen fuumlr Gespraumlche und Fragen mit denen Sie Ihre Position Mehrsprachigkeit zu foumlrdern erklaumlren und staumlrken koumlnnen

51 Ein Erklaumlrungsversuch ndash warum die Foumlrderung und Anerkennung sprachlicher und soziokultureller Diversitaumlt in Frage gestellt wird

Uumlber Mehrsprachigkeit wird schon seit langem geforscht denn Gesellschaften in denen mehrere Sprachen zusammenkom-men hat es seit jeher gegeben Die wissenschaftlichen und empirischen Ergebnisse aus der Mehrsprachigkeitsforschung zeigen allesamt dass die Foumlrderung der individuellen und gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit allen zugutekommt Zum Beispiel schadet es nicht dem Erlernen und Erwerben des Deutschen wenn Kinder auch in ihren anderen Erstsprachen gefoumlrdert werden Genau das Gegenteil ist der Fall Kinder entwickeln sich insgesamt sprachlich besser Und viele weitere positive Argumente wurden formuliert

Diese gesellschaftliche Mehrsprachigkeit und Plurikulturalitaumlt verlaumluft aber in den seltensten Faumlllen konfliktfrei Die Konflikte sind meist das Ergebnis von politischen Maszlignahmen die bestim-men SprecherInnengruppen mehr Macht und staumlrkere Positionen einraumlumen Das fuumlhrt auch dazu dass im oumlffentlichen Diskurs ndash in den Medien in Debatten und Stellungnahmen usw ndash manche Menschen die Position vertreten nur die anerkannte Amtsspra-che Deutsch sei foumlrdernswert und von Nutzen Die anderen Sprachkompetenzen werden als Problem angesehen Diese Haltung ist eine ausgrenzende die Menschen diskriminiert Diskriminierung fuumlhrt in keinem Fall zu einem besseren Schul-erfolg oder zur besseren Integration Auffaumlllig bei dieser Haltung ist dass die Sprachen selbst bewertet werden Beispielsweise wird das Erwerben von Englisch als positiv bewertet und eine Deutsch-Englisch Bilingualitaumlt auch Wenn es um migrationsbe-dingte Mehrsprachigkeit geht wird diese als Hindernis einge-

bdquoSchule muss bilinguale Kinder auch als solche wahrnehmen und nicht versuchen sie in die Passform des einsprachigen Kindes zu pressenldquo [Zwetelina Ortega]

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Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

stuft Wie steht es um die Erstsprachen die durch Migration nach Oumlsterreich gelangt sind Wie ist ihr Image Eine entscheidende Rolle spielt der Status der SprecherInnen Um mit Robert Walser zu sprechen Money rules the world Ist die Gruppe der Sprech-erInnen wirtschaftlich stark hat ihre Sprache gesellschaftlich hohe Anerkennung Uumlbt die Vielzahl einer SprecherInnengruppe jedoch niederqualifizierte und schlecht bezahlte Jobs aus ist sie wirtschaftlich schwach so hat ihre Sprache ein schlechtes Image in der Gesellschaft Diese Situation ist in allen Einwanderungsge-sellschaften aumlhnlich die Sprachen sind auswechselbar

Tatsache ist dass sich falsche und diskriminierende Argumente immer noch halten und dass Ihnen vielleicht Menschen begeg-nen werden die versuchen werden gegen die Foumlrderung von Mehrsprachigkeit zu argumentieren

Es gibt keinen Grund der Diskriminierung und Ausgrenzung zulaumlssig macht Das Ziel einer gelungenen paumldagogischen Arbeit ist es alle Facetten des Kindes anzunehmen und sie als Teil des paumldagogischen Alltags zu integrieren

52 Argumentationslinien und moumlgliche Positionen im Austausch mit KollegInnen Eltern KlassenlehrerInnen und DirektorInnen

Um Ihre Position zu staumlrken dass alle Sprachen und Sprach-kompetenzen gleichberechtigt und wertvoll sind und Sie sie deshalb in Ihrer Arbeit beruumlcksichtigen und foumlrdern haben wir einige Argumente fuumlr Sie ausgearbeitet

Familiaumlrer Kontext

Voraussetzung fuumlr eine gute Lernumgebung sind Menschen die viel und richtig mit dem Kind sprechen Eltern die meinen ihrem Kind etwas Gutes zu tun indem sie mit ihm Deutsch sprechen obwohl sie die Sprache nicht auf Muttersprachen-niveau beherrschen koumlnnen damit der kindlichen Sprachent-wicklung manchmal mehr schaden als helfen

Wichtig ist dass mit den Kindern viel gesprochen erzaumlhlt gelesen und vorgelesen wird Die Sprache die die Eltern dabei verwenden sollte eine sein in der sie sich wohl und sicher fuumlhlen und vielseitig ausdruumlcken koumlnnen Uumlblicherweise ist dies die Erstsprache der Eltern Kinder koumlnnen dann generell besser mit Sprache umgehen ndash auch mit Deutsch

Paumldagogischer und schulischer Kontext

Durch sprachsensible paumldagogische Arbeit die auch die Mehrsprachigkeit der Kinder beruumlcksichtigt wird das Verinner-lichen der sprachlichen Inhalte vor allem auch der bildungs-sprachlichen verbessert Der Aufbau von Bildungssprache ist Grundlage fuumlr Wissenserwerb Diese Faumlhigkeit die Sie den SchuumllerInnen vermitteln wird sie langfristig dazu befaumlhigen auch in ihren weiterfuumlhrenden Ausbildungen besser voranzu-kommen Dadurch werden auch die Bildungschancen aller SchuumllerInnen erhoumlht und zum Teil werden ungleiche Bildungs-bedingungen uumlberwunden

Beim doppelten Spracherwerb also bei Kindern die bilingu-al aufwachsen beeinflussen sich beide Sprachsysteme gegen-seitig positiv in ihrem Wachstum Das ist wissenschaftlich erwiesen Der Erhalt der Erstsprache gefaumlhrdet in keiner Weise den guten Erwerb des Deutschen im Gegenteil

bdquoEs ist doch ein groszliger Unter-schied ob einem gesagt wird dass Sprachen gleichwertig sind und man alles in jeder ausdruumlcken kann oder ob man es tutldquo [Elke Montanari deutsche Sprach- wissenschaftlerin]

bdquoDer Mensch ist Mensch nur durch Spracheldquo[Johann Gottfried von Herder deutscher Dichter und Uumlbersetzer]

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Wer sein Wissen aus den vorab erworbenen oder erlernten Sprachen einbringen kann der erfaumlhrt einen Motivationsschub der sich positiv auf das weitere Sprachenlernen auswirken kann

Die Anerkennung einer Herkunftssprache im schulischen Kontext kann zu einer positiven Persoumlnlichkeitsentwicklung der SchuumllerInnen fuumlhren Deren Aufwertung gibt den Kindern Selbstvertrauen und Sicherheit die sich auf den gesamten Lernerfolg gut auswirken

Eines der Ziele die sich die Europaumlische Union gesetzt hat ist es dass jeder Buumlrgerthinspthinspjede Buumlrgerin seinethinspthinspihre Mutterspra-che sowie mindestens zwei weitere Sprachen beherrscht Diesem Ziel ruumlcken wir naumlher wenn wir die vorhandenen Sprachkompetenzen der Kinder nutzbar machen

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen dass bei einer Foumlrderung der durchgaumlngigen Sprachbildung und lebenswelt-lichen Mehrsprachigkeit von Kindern die narrative Schreibfauml-higkeit und die schriftliche Kompetenzentwicklung gestaumlrkt werden und die bildungssprachlichen Elemente im Deutschen zunehmen

Es gibt noch viele weitere Argumente warum Mehrsprachigkeit immer ein Vorteil ist und nicht als Problem gesehen werden sollte Weitere Argumente werden Sie bestimmt in Ihrer eigenen Arbeit und Erfahrung mit den Kindern selbst finden Trauen Sie sich selbstbewusst zu Ihrer Position zu stehen und lassen Sie diskriminierende Haltungen nicht unkommentiert Wenn Sie die Moumlglichkeit haben nutzen Sie Ihre eigenen vielseitigen Sprachkompetenzen seien es Fremdsprachen oder weitere Erstsprachen sei es im spielerischen Umgang oder wenn Sie etwas erklaumlren Gemeinsam koumlnnen wir dazu beitra-gen dass mehrsprachige Kinder positiv wahrgenommen werden

Kapitel 6

Weitere Uumlbungs- und Anwendungsideen In diesem Kapitel finden Sie viele praxisnahe Uumlbungen fuumlr den spielerischen Umgang mit Mehrsprachigkeit in der Freizeitpaumldagogik

Wenn Sie solche oder aumlhnliche Uumlbungen mit den Kindern ausprobieren werden Sie vielleicht selbst oder gemeinsam mit ihnen viele neue Ideen entwickeln wie man Mehrsprachigkeit spielerisch und mit Freude in der Freizeitbetreuung aufgreifen kann Probieren Sie es aus Es wird allen SchuumllerInnen be-stimmt gefallen Das sind die Erfahrungen die wir bisher gemacht haben Hier einige Ansaumltze fuumlr Sie

Die Herkunft der Vor- und Nachnamen ndash wir erkunden die Bedeutungen unserer Namen

Radio aus aller Welt ndash wir houmlren in Online-Radiosender in verschiedenen Sprachen hinein Dabei koumlnnen die Kinder raten oder versuchen zu erkennen welche Sprache gerade erklingt

Stille Post mit den Sprachen unserer Klasse spielen

Kleine Sprachschule ndash jeweils ein Kind bringen dem Rest der MitschuumllerInnen einfache Saumltze und nuumltzliche Worte bei

Mehrsprachigkeit im oumlffentli-chen Raum ndash wir begeben uns auf Entdeckungsreise und suchen Orte wo wir unter-schiedliche Sprachen houmlren und sehen

Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

bdquoKennst du viele Sprachen ndash hast du viele Schluumlssel fuumlr ein Schloszligldquo[Voltaire franzoumlsischer Philosoph und Schriftsteller]

38 39

Kapitel 7

EmpfehlungenLektuumlreempfehlungen zur Vertiefung Zahlreiche Links die weitere Anwendungsideen fuumlr die Praxis bieten aber auch vielseitige Artikel zum Thema

Weiterfuumlhrende Literatur

Krumm Hans-JuumlrgenthinspthinspReich Hans H 2011 Curriculum Mehrsprachigkeit Online im Internet

Montanari Elke 2013 Mit zwei Sprachen groszlig werden Mehrsprachige Erziehung in Familie Kindergarten und Schule Muumlnchen Koumlsel

Montanari ElkethinspthinspPanagiotopoulou Julie 2019 Mehrsprachigkeit und Bildung in Kitas und Schulen UTB

Schader Basil 2013 Sprachenvielfalt als Chance Handbuch fuumlr den Unterricht in mehrsprachigen Klassen Zuumlrich orell fuumlssli

Hilfreiche Institutionen

Kinderbuumlcherei der Weltsprachen gehoumlrt zu den Staumldtischen Buumlchereien wwwkirangoat Veranstaltungen zu Lesefoumlrderung fuumlr Schulen und Kindergaumlrten Teil der Buumlcherei Wien

wwwbaobabat BAOBAB ndash GLOBALES LERNEN vielseitige Arbeitsmaterialen und Literatur

Links

wwwlanguage-diversityeu ndash Arbeitsblaumltter Lehrmaterial Unterrichtsideen Schwerpunkt auf Minderheitensprachen in Europa

wwwpapperlapappcoat ndash Bilinguale Kinderzeitschrift wwwmultilingual-familieseu ndash Materialen fuumlr mehrsprachige Erziehung wwwderstandardatr2000023362091Linguamulti ndash monatlicher Blog zu Mehrsprachigkeit und Spracherwerb

wwwschule-mehrsprachigat ndash Kinder- und Jugendbuumlcher in vielen Sprachen Infos zum Muttersprachenunterricht

wwwfacebookcomlinguamulti ndash taumlglich Inhalte zum Thema Mehrsprachigkeit und Interkulturalitaumlt

Anschuumltzgasse 1 2 Stock 1150 WienTel +43 1 524 25 09-0 Fax +43 1 524 25 09-30officebildung-wienat wwwbildung-wienat

IMPRESSUMMedieninhaber und fuumlr den Inhalt verantwortlich BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbHAnschuumltzgasse 1 1150 Wien | Firmensitz Wien | FN502272k | Handelsgericht WienKonzeption Redaktion Text Zwetelina Ortega Linguamulti ndash wwwlinguamultiat (unter Mitwirken von BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbH)Fotos C Pertramer (S 5) J Zinner M Possert (S8)Grafik Gerald Waibel effundweat

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28 29

Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein

42 Wenn Kinder Sie in Ihrer Erstsprache ansprechen

Viele FreizeitpaumldagogInnen der BiM ndash Bildung im Mittelpunkt haben selbst unterschiedliche und vielfaumlltige kulturelle und sprachliche Kompetenzen Und diese betrachten wir als wertvoll Sehen Sie Ihre Sprachkompetenz deshalb als Berei-cherung und Chance Denn Sprache ist mehr als Kommunika-tion es geht nicht nur darum dass die Kinder von Ihnen Deutsch lernen sie haben auch eine Bindung zu Ihnen aufge-baut oder sind gerade dabei Sich uumlber eine gemeinsame Sprache auszutauschen kann Vertrauen schaffen Manchmal wollen die Kinder einfach zeigen was sie alles koumlnnen

Wenn ein Kind tatsaumlchlich noch kein Deutsch spricht und versteht koumlnnen Sie mit Ihrer Sprachkompetenz eine gute Bruumlcke schlagen und das Kind dabei unterstuumltzen sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden durch kleine Erklaumlrungen oder indem Sie auf die Ausfuumlhrung des Kindes reagieren Ihre sprachliche Unterstuumltzung erleichtert dem Kind vor allem sich in der neuen Situation einzuleben Auch in der Kommunikation mit den Eltern koumlnnen Sie Ihre Sprachkenntnisse nutzen

PRAXIS die eigenen Sprachkompetenzen nutzen

Kurze Erklaumlrungen Wenn Sie bemerken dass sich ein Kind aus sprachlichen Gruumlnden in einer Situation ganz und gar nicht zurechtfindet und Sie haben eine andere gemeinsame Sprache koumlnnen Sie diese nutzen um dem Kind zu erklaumlren was gerade passiert oder was zu tun ist Beispielweise wenn es darum geht dass Sie gemeinsam in den Park gehen wollen und sich die Kinder anstellen sollten oder Aumlhnliches Danach koumlnnen Sie wieder auf Deutsch switchen Sie koumlnnen auch den restlichen Kindern kurz erklaumlren dass Sie in einer anderen Sprache gesprochen haben um dem Kind zu helfen besser zu verstehen was passiert So fuumlhlen sich die Kinder nicht ausgeschlossen und erleben dass Sprachgebrauch vielseitig sein kann und sein darf

Gespraumlch mit Eltern Wenn Sie bemerken dass es den Eltern schwer faumlllt auf Deutsch zu kommunizieren und Sie wissen sie haben eine andere gemeinsame Sprache in der es ihnen leichter fallen wuumlrde koumlnnen Sie es den Eltern behutsam und mit dem notwendigen Fingerspitzengefuumlhl anbieten So schaffen Sie eine leichtere Basis fuumlr Kommunikation sowie Austausch und Vertrauen

bdquoWir wohnen nicht in einem Land sondern in einer Spracheldquo[Emil Cioran rumaumlnischer Philosoph]

bdquoGelebte Zweisprachig-keit ist eher selten aumlqui-valent sondern asymmetrisch oft hierarchisch und bisweilen konfliktivldquo [Georg Kremnitz deutscher Romanist]

30 31

43 Wenn Kinder offensichtlich ungute Dinge zu jemanden in einer Sprache sagen die Sie nicht verstehen

Wenn man Kindern die Moumlglichkeit einraumlumt ihre Erstsprachen zu verwenden haben Paumldago-gInnen manchmal Angst sie koumlnnten dies dafuumlr nutzen um Schimpfwoumlrter oder andere respekt-lose Ausdruumlcke zu verwenden In den seltensten Faumlllen ist es so Ihre Intuition wird Ihnen zeigen sollte tatsaumlchlich respektlos miteinander umgegangen werden Dazu braucht man nicht jedes Wort zu verstehen denn Kommunikation passiert auch auf nonverbaler Ebene Dabei ist natuumlrlich der respektlose Umgang zu hinterfra-gen Auch in diesem Fall ist ein Deutschgebot das die Verwendung anderer Sprachen unter-bindet nicht zielfuumlhrend Denn einerseits wuumlrde man dadurch die Kinder die respektvoll mitein-ander umgehen auch sanktionieren und ander-seits wird dadurch das Problem des fehlenden Respekts nicht geloumlst Viel wichtiger ist es einen respektvollen Umgang miteinander zu foumlrdern unabhaumlngig davon welche Sprache dabei gesprochen wird

44 Wenn SchuumllerInnen die in Deutsch noch schwach sind ausgegrenzt werden

Fehlende Sprachkompetenz kann auch ausgrenzend wirken Das Kind kann sich nicht verstaumlndigen bei Spielen und Gesprauml-chen nicht mitmachen und wird vielleicht von den Mitschuumller-Innen nicht in die Gruppe integriert Das kann zu einer Nega-tiv-Spirale fuumlhren denn die eingeschraumlnkten sozialen Kontakte schraumlnken auch den sprachlichen Kontakt ein und Kinder lernen besonders viel von- und miteinander In solch einer Situation kann es hilfreich sein dass Sie thematisieren wie es einem geht wenn man eine neue Sprache lernt Dazu gibt es zahlrei-che kindgerechte Uumlbungen ZthinspB ausgeruumlstet nur mit einem

Woumlrterbuch in einer ganz fremden Sprache etwas erklaumlren muumlssen oder auch selbst daruumlber reflektieren wie geht es mir beim Fremdsprachenlernen zthinspB Englisch Wenn man sich besinnt wie herausfordernd der Weg ist hat man auch mehr Verstaumlndnis fuumlr den neuenthinspthinspdie neue MitschuumllerIn

Helfen kann auch die Kinder von Anfang an als Stuumltze und Hilfe fuumlr das neue Kind einzubinden So fuumlhlen sie Verantwor-tung und koumlnnen selbst etwas fuumlr den guten sozialen Klassen-verband beitragen

Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein

bdquoMehrsprachige Kompetenz ist nicht nur Ein - sprachigkeit in mehreren Sprachen sondern ist als eine ganzheit-liche Sprach-kompetenz aufzufassen und zu foumlrdernldquo [Elisabeth Allgaumluer-Hacklthinspthinsp Ulrike Jessner in Mehrsprachig-keitsunterricht aus mehrsprachiger Sicht Zur Foumlrderung des metalinguistischen Bewusstseins]

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Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren Argumente und Darstellungen fuumlr Gespraumlche und Fragen mit denen Sie Ihre Position Mehrsprachigkeit zu foumlrdern erklaumlren und staumlrken koumlnnen

51 Ein Erklaumlrungsversuch ndash warum die Foumlrderung und Anerkennung sprachlicher und soziokultureller Diversitaumlt in Frage gestellt wird

Uumlber Mehrsprachigkeit wird schon seit langem geforscht denn Gesellschaften in denen mehrere Sprachen zusammenkom-men hat es seit jeher gegeben Die wissenschaftlichen und empirischen Ergebnisse aus der Mehrsprachigkeitsforschung zeigen allesamt dass die Foumlrderung der individuellen und gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit allen zugutekommt Zum Beispiel schadet es nicht dem Erlernen und Erwerben des Deutschen wenn Kinder auch in ihren anderen Erstsprachen gefoumlrdert werden Genau das Gegenteil ist der Fall Kinder entwickeln sich insgesamt sprachlich besser Und viele weitere positive Argumente wurden formuliert

Diese gesellschaftliche Mehrsprachigkeit und Plurikulturalitaumlt verlaumluft aber in den seltensten Faumlllen konfliktfrei Die Konflikte sind meist das Ergebnis von politischen Maszlignahmen die bestim-men SprecherInnengruppen mehr Macht und staumlrkere Positionen einraumlumen Das fuumlhrt auch dazu dass im oumlffentlichen Diskurs ndash in den Medien in Debatten und Stellungnahmen usw ndash manche Menschen die Position vertreten nur die anerkannte Amtsspra-che Deutsch sei foumlrdernswert und von Nutzen Die anderen Sprachkompetenzen werden als Problem angesehen Diese Haltung ist eine ausgrenzende die Menschen diskriminiert Diskriminierung fuumlhrt in keinem Fall zu einem besseren Schul-erfolg oder zur besseren Integration Auffaumlllig bei dieser Haltung ist dass die Sprachen selbst bewertet werden Beispielsweise wird das Erwerben von Englisch als positiv bewertet und eine Deutsch-Englisch Bilingualitaumlt auch Wenn es um migrationsbe-dingte Mehrsprachigkeit geht wird diese als Hindernis einge-

bdquoSchule muss bilinguale Kinder auch als solche wahrnehmen und nicht versuchen sie in die Passform des einsprachigen Kindes zu pressenldquo [Zwetelina Ortega]

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Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

stuft Wie steht es um die Erstsprachen die durch Migration nach Oumlsterreich gelangt sind Wie ist ihr Image Eine entscheidende Rolle spielt der Status der SprecherInnen Um mit Robert Walser zu sprechen Money rules the world Ist die Gruppe der Sprech-erInnen wirtschaftlich stark hat ihre Sprache gesellschaftlich hohe Anerkennung Uumlbt die Vielzahl einer SprecherInnengruppe jedoch niederqualifizierte und schlecht bezahlte Jobs aus ist sie wirtschaftlich schwach so hat ihre Sprache ein schlechtes Image in der Gesellschaft Diese Situation ist in allen Einwanderungsge-sellschaften aumlhnlich die Sprachen sind auswechselbar

Tatsache ist dass sich falsche und diskriminierende Argumente immer noch halten und dass Ihnen vielleicht Menschen begeg-nen werden die versuchen werden gegen die Foumlrderung von Mehrsprachigkeit zu argumentieren

Es gibt keinen Grund der Diskriminierung und Ausgrenzung zulaumlssig macht Das Ziel einer gelungenen paumldagogischen Arbeit ist es alle Facetten des Kindes anzunehmen und sie als Teil des paumldagogischen Alltags zu integrieren

52 Argumentationslinien und moumlgliche Positionen im Austausch mit KollegInnen Eltern KlassenlehrerInnen und DirektorInnen

Um Ihre Position zu staumlrken dass alle Sprachen und Sprach-kompetenzen gleichberechtigt und wertvoll sind und Sie sie deshalb in Ihrer Arbeit beruumlcksichtigen und foumlrdern haben wir einige Argumente fuumlr Sie ausgearbeitet

Familiaumlrer Kontext

Voraussetzung fuumlr eine gute Lernumgebung sind Menschen die viel und richtig mit dem Kind sprechen Eltern die meinen ihrem Kind etwas Gutes zu tun indem sie mit ihm Deutsch sprechen obwohl sie die Sprache nicht auf Muttersprachen-niveau beherrschen koumlnnen damit der kindlichen Sprachent-wicklung manchmal mehr schaden als helfen

Wichtig ist dass mit den Kindern viel gesprochen erzaumlhlt gelesen und vorgelesen wird Die Sprache die die Eltern dabei verwenden sollte eine sein in der sie sich wohl und sicher fuumlhlen und vielseitig ausdruumlcken koumlnnen Uumlblicherweise ist dies die Erstsprache der Eltern Kinder koumlnnen dann generell besser mit Sprache umgehen ndash auch mit Deutsch

Paumldagogischer und schulischer Kontext

Durch sprachsensible paumldagogische Arbeit die auch die Mehrsprachigkeit der Kinder beruumlcksichtigt wird das Verinner-lichen der sprachlichen Inhalte vor allem auch der bildungs-sprachlichen verbessert Der Aufbau von Bildungssprache ist Grundlage fuumlr Wissenserwerb Diese Faumlhigkeit die Sie den SchuumllerInnen vermitteln wird sie langfristig dazu befaumlhigen auch in ihren weiterfuumlhrenden Ausbildungen besser voranzu-kommen Dadurch werden auch die Bildungschancen aller SchuumllerInnen erhoumlht und zum Teil werden ungleiche Bildungs-bedingungen uumlberwunden

Beim doppelten Spracherwerb also bei Kindern die bilingu-al aufwachsen beeinflussen sich beide Sprachsysteme gegen-seitig positiv in ihrem Wachstum Das ist wissenschaftlich erwiesen Der Erhalt der Erstsprache gefaumlhrdet in keiner Weise den guten Erwerb des Deutschen im Gegenteil

bdquoEs ist doch ein groszliger Unter-schied ob einem gesagt wird dass Sprachen gleichwertig sind und man alles in jeder ausdruumlcken kann oder ob man es tutldquo [Elke Montanari deutsche Sprach- wissenschaftlerin]

bdquoDer Mensch ist Mensch nur durch Spracheldquo[Johann Gottfried von Herder deutscher Dichter und Uumlbersetzer]

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Wer sein Wissen aus den vorab erworbenen oder erlernten Sprachen einbringen kann der erfaumlhrt einen Motivationsschub der sich positiv auf das weitere Sprachenlernen auswirken kann

Die Anerkennung einer Herkunftssprache im schulischen Kontext kann zu einer positiven Persoumlnlichkeitsentwicklung der SchuumllerInnen fuumlhren Deren Aufwertung gibt den Kindern Selbstvertrauen und Sicherheit die sich auf den gesamten Lernerfolg gut auswirken

Eines der Ziele die sich die Europaumlische Union gesetzt hat ist es dass jeder Buumlrgerthinspthinspjede Buumlrgerin seinethinspthinspihre Mutterspra-che sowie mindestens zwei weitere Sprachen beherrscht Diesem Ziel ruumlcken wir naumlher wenn wir die vorhandenen Sprachkompetenzen der Kinder nutzbar machen

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen dass bei einer Foumlrderung der durchgaumlngigen Sprachbildung und lebenswelt-lichen Mehrsprachigkeit von Kindern die narrative Schreibfauml-higkeit und die schriftliche Kompetenzentwicklung gestaumlrkt werden und die bildungssprachlichen Elemente im Deutschen zunehmen

Es gibt noch viele weitere Argumente warum Mehrsprachigkeit immer ein Vorteil ist und nicht als Problem gesehen werden sollte Weitere Argumente werden Sie bestimmt in Ihrer eigenen Arbeit und Erfahrung mit den Kindern selbst finden Trauen Sie sich selbstbewusst zu Ihrer Position zu stehen und lassen Sie diskriminierende Haltungen nicht unkommentiert Wenn Sie die Moumlglichkeit haben nutzen Sie Ihre eigenen vielseitigen Sprachkompetenzen seien es Fremdsprachen oder weitere Erstsprachen sei es im spielerischen Umgang oder wenn Sie etwas erklaumlren Gemeinsam koumlnnen wir dazu beitra-gen dass mehrsprachige Kinder positiv wahrgenommen werden

Kapitel 6

Weitere Uumlbungs- und Anwendungsideen In diesem Kapitel finden Sie viele praxisnahe Uumlbungen fuumlr den spielerischen Umgang mit Mehrsprachigkeit in der Freizeitpaumldagogik

Wenn Sie solche oder aumlhnliche Uumlbungen mit den Kindern ausprobieren werden Sie vielleicht selbst oder gemeinsam mit ihnen viele neue Ideen entwickeln wie man Mehrsprachigkeit spielerisch und mit Freude in der Freizeitbetreuung aufgreifen kann Probieren Sie es aus Es wird allen SchuumllerInnen be-stimmt gefallen Das sind die Erfahrungen die wir bisher gemacht haben Hier einige Ansaumltze fuumlr Sie

Die Herkunft der Vor- und Nachnamen ndash wir erkunden die Bedeutungen unserer Namen

Radio aus aller Welt ndash wir houmlren in Online-Radiosender in verschiedenen Sprachen hinein Dabei koumlnnen die Kinder raten oder versuchen zu erkennen welche Sprache gerade erklingt

Stille Post mit den Sprachen unserer Klasse spielen

Kleine Sprachschule ndash jeweils ein Kind bringen dem Rest der MitschuumllerInnen einfache Saumltze und nuumltzliche Worte bei

Mehrsprachigkeit im oumlffentli-chen Raum ndash wir begeben uns auf Entdeckungsreise und suchen Orte wo wir unter-schiedliche Sprachen houmlren und sehen

Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

bdquoKennst du viele Sprachen ndash hast du viele Schluumlssel fuumlr ein Schloszligldquo[Voltaire franzoumlsischer Philosoph und Schriftsteller]

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Kapitel 7

EmpfehlungenLektuumlreempfehlungen zur Vertiefung Zahlreiche Links die weitere Anwendungsideen fuumlr die Praxis bieten aber auch vielseitige Artikel zum Thema

Weiterfuumlhrende Literatur

Krumm Hans-JuumlrgenthinspthinspReich Hans H 2011 Curriculum Mehrsprachigkeit Online im Internet

Montanari Elke 2013 Mit zwei Sprachen groszlig werden Mehrsprachige Erziehung in Familie Kindergarten und Schule Muumlnchen Koumlsel

Montanari ElkethinspthinspPanagiotopoulou Julie 2019 Mehrsprachigkeit und Bildung in Kitas und Schulen UTB

Schader Basil 2013 Sprachenvielfalt als Chance Handbuch fuumlr den Unterricht in mehrsprachigen Klassen Zuumlrich orell fuumlssli

Hilfreiche Institutionen

Kinderbuumlcherei der Weltsprachen gehoumlrt zu den Staumldtischen Buumlchereien wwwkirangoat Veranstaltungen zu Lesefoumlrderung fuumlr Schulen und Kindergaumlrten Teil der Buumlcherei Wien

wwwbaobabat BAOBAB ndash GLOBALES LERNEN vielseitige Arbeitsmaterialen und Literatur

Links

wwwlanguage-diversityeu ndash Arbeitsblaumltter Lehrmaterial Unterrichtsideen Schwerpunkt auf Minderheitensprachen in Europa

wwwpapperlapappcoat ndash Bilinguale Kinderzeitschrift wwwmultilingual-familieseu ndash Materialen fuumlr mehrsprachige Erziehung wwwderstandardatr2000023362091Linguamulti ndash monatlicher Blog zu Mehrsprachigkeit und Spracherwerb

wwwschule-mehrsprachigat ndash Kinder- und Jugendbuumlcher in vielen Sprachen Infos zum Muttersprachenunterricht

wwwfacebookcomlinguamulti ndash taumlglich Inhalte zum Thema Mehrsprachigkeit und Interkulturalitaumlt

Anschuumltzgasse 1 2 Stock 1150 WienTel +43 1 524 25 09-0 Fax +43 1 524 25 09-30officebildung-wienat wwwbildung-wienat

IMPRESSUMMedieninhaber und fuumlr den Inhalt verantwortlich BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbHAnschuumltzgasse 1 1150 Wien | Firmensitz Wien | FN502272k | Handelsgericht WienKonzeption Redaktion Text Zwetelina Ortega Linguamulti ndash wwwlinguamultiat (unter Mitwirken von BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbH)Fotos C Pertramer (S 5) J Zinner M Possert (S8)Grafik Gerald Waibel effundweat

Page 16: Unsere Schule spricht viele Sprachen · Unsere Schule spricht viele Sprachen Leitfaden für die Freizeitpädagogik. 2 3 Inhalt ... Es ist unsere gemeinsame Aufgabe im Bildungsbereich,

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43 Wenn Kinder offensichtlich ungute Dinge zu jemanden in einer Sprache sagen die Sie nicht verstehen

Wenn man Kindern die Moumlglichkeit einraumlumt ihre Erstsprachen zu verwenden haben Paumldago-gInnen manchmal Angst sie koumlnnten dies dafuumlr nutzen um Schimpfwoumlrter oder andere respekt-lose Ausdruumlcke zu verwenden In den seltensten Faumlllen ist es so Ihre Intuition wird Ihnen zeigen sollte tatsaumlchlich respektlos miteinander umgegangen werden Dazu braucht man nicht jedes Wort zu verstehen denn Kommunikation passiert auch auf nonverbaler Ebene Dabei ist natuumlrlich der respektlose Umgang zu hinterfra-gen Auch in diesem Fall ist ein Deutschgebot das die Verwendung anderer Sprachen unter-bindet nicht zielfuumlhrend Denn einerseits wuumlrde man dadurch die Kinder die respektvoll mitein-ander umgehen auch sanktionieren und ander-seits wird dadurch das Problem des fehlenden Respekts nicht geloumlst Viel wichtiger ist es einen respektvollen Umgang miteinander zu foumlrdern unabhaumlngig davon welche Sprache dabei gesprochen wird

44 Wenn SchuumllerInnen die in Deutsch noch schwach sind ausgegrenzt werden

Fehlende Sprachkompetenz kann auch ausgrenzend wirken Das Kind kann sich nicht verstaumlndigen bei Spielen und Gesprauml-chen nicht mitmachen und wird vielleicht von den Mitschuumller-Innen nicht in die Gruppe integriert Das kann zu einer Nega-tiv-Spirale fuumlhren denn die eingeschraumlnkten sozialen Kontakte schraumlnken auch den sprachlichen Kontakt ein und Kinder lernen besonders viel von- und miteinander In solch einer Situation kann es hilfreich sein dass Sie thematisieren wie es einem geht wenn man eine neue Sprache lernt Dazu gibt es zahlrei-che kindgerechte Uumlbungen ZthinspB ausgeruumlstet nur mit einem

Woumlrterbuch in einer ganz fremden Sprache etwas erklaumlren muumlssen oder auch selbst daruumlber reflektieren wie geht es mir beim Fremdsprachenlernen zthinspB Englisch Wenn man sich besinnt wie herausfordernd der Weg ist hat man auch mehr Verstaumlndnis fuumlr den neuenthinspthinspdie neue MitschuumllerIn

Helfen kann auch die Kinder von Anfang an als Stuumltze und Hilfe fuumlr das neue Kind einzubinden So fuumlhlen sie Verantwor-tung und koumlnnen selbst etwas fuumlr den guten sozialen Klassen-verband beitragen

Kapitel 4

Mehrsprachigkeit kann auch herausfordernd sein

bdquoMehrsprachige Kompetenz ist nicht nur Ein - sprachigkeit in mehreren Sprachen sondern ist als eine ganzheit-liche Sprach-kompetenz aufzufassen und zu foumlrdernldquo [Elisabeth Allgaumluer-Hacklthinspthinsp Ulrike Jessner in Mehrsprachig-keitsunterricht aus mehrsprachiger Sicht Zur Foumlrderung des metalinguistischen Bewusstseins]

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Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren Argumente und Darstellungen fuumlr Gespraumlche und Fragen mit denen Sie Ihre Position Mehrsprachigkeit zu foumlrdern erklaumlren und staumlrken koumlnnen

51 Ein Erklaumlrungsversuch ndash warum die Foumlrderung und Anerkennung sprachlicher und soziokultureller Diversitaumlt in Frage gestellt wird

Uumlber Mehrsprachigkeit wird schon seit langem geforscht denn Gesellschaften in denen mehrere Sprachen zusammenkom-men hat es seit jeher gegeben Die wissenschaftlichen und empirischen Ergebnisse aus der Mehrsprachigkeitsforschung zeigen allesamt dass die Foumlrderung der individuellen und gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit allen zugutekommt Zum Beispiel schadet es nicht dem Erlernen und Erwerben des Deutschen wenn Kinder auch in ihren anderen Erstsprachen gefoumlrdert werden Genau das Gegenteil ist der Fall Kinder entwickeln sich insgesamt sprachlich besser Und viele weitere positive Argumente wurden formuliert

Diese gesellschaftliche Mehrsprachigkeit und Plurikulturalitaumlt verlaumluft aber in den seltensten Faumlllen konfliktfrei Die Konflikte sind meist das Ergebnis von politischen Maszlignahmen die bestim-men SprecherInnengruppen mehr Macht und staumlrkere Positionen einraumlumen Das fuumlhrt auch dazu dass im oumlffentlichen Diskurs ndash in den Medien in Debatten und Stellungnahmen usw ndash manche Menschen die Position vertreten nur die anerkannte Amtsspra-che Deutsch sei foumlrdernswert und von Nutzen Die anderen Sprachkompetenzen werden als Problem angesehen Diese Haltung ist eine ausgrenzende die Menschen diskriminiert Diskriminierung fuumlhrt in keinem Fall zu einem besseren Schul-erfolg oder zur besseren Integration Auffaumlllig bei dieser Haltung ist dass die Sprachen selbst bewertet werden Beispielsweise wird das Erwerben von Englisch als positiv bewertet und eine Deutsch-Englisch Bilingualitaumlt auch Wenn es um migrationsbe-dingte Mehrsprachigkeit geht wird diese als Hindernis einge-

bdquoSchule muss bilinguale Kinder auch als solche wahrnehmen und nicht versuchen sie in die Passform des einsprachigen Kindes zu pressenldquo [Zwetelina Ortega]

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Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

stuft Wie steht es um die Erstsprachen die durch Migration nach Oumlsterreich gelangt sind Wie ist ihr Image Eine entscheidende Rolle spielt der Status der SprecherInnen Um mit Robert Walser zu sprechen Money rules the world Ist die Gruppe der Sprech-erInnen wirtschaftlich stark hat ihre Sprache gesellschaftlich hohe Anerkennung Uumlbt die Vielzahl einer SprecherInnengruppe jedoch niederqualifizierte und schlecht bezahlte Jobs aus ist sie wirtschaftlich schwach so hat ihre Sprache ein schlechtes Image in der Gesellschaft Diese Situation ist in allen Einwanderungsge-sellschaften aumlhnlich die Sprachen sind auswechselbar

Tatsache ist dass sich falsche und diskriminierende Argumente immer noch halten und dass Ihnen vielleicht Menschen begeg-nen werden die versuchen werden gegen die Foumlrderung von Mehrsprachigkeit zu argumentieren

Es gibt keinen Grund der Diskriminierung und Ausgrenzung zulaumlssig macht Das Ziel einer gelungenen paumldagogischen Arbeit ist es alle Facetten des Kindes anzunehmen und sie als Teil des paumldagogischen Alltags zu integrieren

52 Argumentationslinien und moumlgliche Positionen im Austausch mit KollegInnen Eltern KlassenlehrerInnen und DirektorInnen

Um Ihre Position zu staumlrken dass alle Sprachen und Sprach-kompetenzen gleichberechtigt und wertvoll sind und Sie sie deshalb in Ihrer Arbeit beruumlcksichtigen und foumlrdern haben wir einige Argumente fuumlr Sie ausgearbeitet

Familiaumlrer Kontext

Voraussetzung fuumlr eine gute Lernumgebung sind Menschen die viel und richtig mit dem Kind sprechen Eltern die meinen ihrem Kind etwas Gutes zu tun indem sie mit ihm Deutsch sprechen obwohl sie die Sprache nicht auf Muttersprachen-niveau beherrschen koumlnnen damit der kindlichen Sprachent-wicklung manchmal mehr schaden als helfen

Wichtig ist dass mit den Kindern viel gesprochen erzaumlhlt gelesen und vorgelesen wird Die Sprache die die Eltern dabei verwenden sollte eine sein in der sie sich wohl und sicher fuumlhlen und vielseitig ausdruumlcken koumlnnen Uumlblicherweise ist dies die Erstsprache der Eltern Kinder koumlnnen dann generell besser mit Sprache umgehen ndash auch mit Deutsch

Paumldagogischer und schulischer Kontext

Durch sprachsensible paumldagogische Arbeit die auch die Mehrsprachigkeit der Kinder beruumlcksichtigt wird das Verinner-lichen der sprachlichen Inhalte vor allem auch der bildungs-sprachlichen verbessert Der Aufbau von Bildungssprache ist Grundlage fuumlr Wissenserwerb Diese Faumlhigkeit die Sie den SchuumllerInnen vermitteln wird sie langfristig dazu befaumlhigen auch in ihren weiterfuumlhrenden Ausbildungen besser voranzu-kommen Dadurch werden auch die Bildungschancen aller SchuumllerInnen erhoumlht und zum Teil werden ungleiche Bildungs-bedingungen uumlberwunden

Beim doppelten Spracherwerb also bei Kindern die bilingu-al aufwachsen beeinflussen sich beide Sprachsysteme gegen-seitig positiv in ihrem Wachstum Das ist wissenschaftlich erwiesen Der Erhalt der Erstsprache gefaumlhrdet in keiner Weise den guten Erwerb des Deutschen im Gegenteil

bdquoEs ist doch ein groszliger Unter-schied ob einem gesagt wird dass Sprachen gleichwertig sind und man alles in jeder ausdruumlcken kann oder ob man es tutldquo [Elke Montanari deutsche Sprach- wissenschaftlerin]

bdquoDer Mensch ist Mensch nur durch Spracheldquo[Johann Gottfried von Herder deutscher Dichter und Uumlbersetzer]

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Wer sein Wissen aus den vorab erworbenen oder erlernten Sprachen einbringen kann der erfaumlhrt einen Motivationsschub der sich positiv auf das weitere Sprachenlernen auswirken kann

Die Anerkennung einer Herkunftssprache im schulischen Kontext kann zu einer positiven Persoumlnlichkeitsentwicklung der SchuumllerInnen fuumlhren Deren Aufwertung gibt den Kindern Selbstvertrauen und Sicherheit die sich auf den gesamten Lernerfolg gut auswirken

Eines der Ziele die sich die Europaumlische Union gesetzt hat ist es dass jeder Buumlrgerthinspthinspjede Buumlrgerin seinethinspthinspihre Mutterspra-che sowie mindestens zwei weitere Sprachen beherrscht Diesem Ziel ruumlcken wir naumlher wenn wir die vorhandenen Sprachkompetenzen der Kinder nutzbar machen

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen dass bei einer Foumlrderung der durchgaumlngigen Sprachbildung und lebenswelt-lichen Mehrsprachigkeit von Kindern die narrative Schreibfauml-higkeit und die schriftliche Kompetenzentwicklung gestaumlrkt werden und die bildungssprachlichen Elemente im Deutschen zunehmen

Es gibt noch viele weitere Argumente warum Mehrsprachigkeit immer ein Vorteil ist und nicht als Problem gesehen werden sollte Weitere Argumente werden Sie bestimmt in Ihrer eigenen Arbeit und Erfahrung mit den Kindern selbst finden Trauen Sie sich selbstbewusst zu Ihrer Position zu stehen und lassen Sie diskriminierende Haltungen nicht unkommentiert Wenn Sie die Moumlglichkeit haben nutzen Sie Ihre eigenen vielseitigen Sprachkompetenzen seien es Fremdsprachen oder weitere Erstsprachen sei es im spielerischen Umgang oder wenn Sie etwas erklaumlren Gemeinsam koumlnnen wir dazu beitra-gen dass mehrsprachige Kinder positiv wahrgenommen werden

Kapitel 6

Weitere Uumlbungs- und Anwendungsideen In diesem Kapitel finden Sie viele praxisnahe Uumlbungen fuumlr den spielerischen Umgang mit Mehrsprachigkeit in der Freizeitpaumldagogik

Wenn Sie solche oder aumlhnliche Uumlbungen mit den Kindern ausprobieren werden Sie vielleicht selbst oder gemeinsam mit ihnen viele neue Ideen entwickeln wie man Mehrsprachigkeit spielerisch und mit Freude in der Freizeitbetreuung aufgreifen kann Probieren Sie es aus Es wird allen SchuumllerInnen be-stimmt gefallen Das sind die Erfahrungen die wir bisher gemacht haben Hier einige Ansaumltze fuumlr Sie

Die Herkunft der Vor- und Nachnamen ndash wir erkunden die Bedeutungen unserer Namen

Radio aus aller Welt ndash wir houmlren in Online-Radiosender in verschiedenen Sprachen hinein Dabei koumlnnen die Kinder raten oder versuchen zu erkennen welche Sprache gerade erklingt

Stille Post mit den Sprachen unserer Klasse spielen

Kleine Sprachschule ndash jeweils ein Kind bringen dem Rest der MitschuumllerInnen einfache Saumltze und nuumltzliche Worte bei

Mehrsprachigkeit im oumlffentli-chen Raum ndash wir begeben uns auf Entdeckungsreise und suchen Orte wo wir unter-schiedliche Sprachen houmlren und sehen

Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

bdquoKennst du viele Sprachen ndash hast du viele Schluumlssel fuumlr ein Schloszligldquo[Voltaire franzoumlsischer Philosoph und Schriftsteller]

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Kapitel 7

EmpfehlungenLektuumlreempfehlungen zur Vertiefung Zahlreiche Links die weitere Anwendungsideen fuumlr die Praxis bieten aber auch vielseitige Artikel zum Thema

Weiterfuumlhrende Literatur

Krumm Hans-JuumlrgenthinspthinspReich Hans H 2011 Curriculum Mehrsprachigkeit Online im Internet

Montanari Elke 2013 Mit zwei Sprachen groszlig werden Mehrsprachige Erziehung in Familie Kindergarten und Schule Muumlnchen Koumlsel

Montanari ElkethinspthinspPanagiotopoulou Julie 2019 Mehrsprachigkeit und Bildung in Kitas und Schulen UTB

Schader Basil 2013 Sprachenvielfalt als Chance Handbuch fuumlr den Unterricht in mehrsprachigen Klassen Zuumlrich orell fuumlssli

Hilfreiche Institutionen

Kinderbuumlcherei der Weltsprachen gehoumlrt zu den Staumldtischen Buumlchereien wwwkirangoat Veranstaltungen zu Lesefoumlrderung fuumlr Schulen und Kindergaumlrten Teil der Buumlcherei Wien

wwwbaobabat BAOBAB ndash GLOBALES LERNEN vielseitige Arbeitsmaterialen und Literatur

Links

wwwlanguage-diversityeu ndash Arbeitsblaumltter Lehrmaterial Unterrichtsideen Schwerpunkt auf Minderheitensprachen in Europa

wwwpapperlapappcoat ndash Bilinguale Kinderzeitschrift wwwmultilingual-familieseu ndash Materialen fuumlr mehrsprachige Erziehung wwwderstandardatr2000023362091Linguamulti ndash monatlicher Blog zu Mehrsprachigkeit und Spracherwerb

wwwschule-mehrsprachigat ndash Kinder- und Jugendbuumlcher in vielen Sprachen Infos zum Muttersprachenunterricht

wwwfacebookcomlinguamulti ndash taumlglich Inhalte zum Thema Mehrsprachigkeit und Interkulturalitaumlt

Anschuumltzgasse 1 2 Stock 1150 WienTel +43 1 524 25 09-0 Fax +43 1 524 25 09-30officebildung-wienat wwwbildung-wienat

IMPRESSUMMedieninhaber und fuumlr den Inhalt verantwortlich BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbHAnschuumltzgasse 1 1150 Wien | Firmensitz Wien | FN502272k | Handelsgericht WienKonzeption Redaktion Text Zwetelina Ortega Linguamulti ndash wwwlinguamultiat (unter Mitwirken von BiM ndash Bildung im Mittelpunkt GmbH)Fotos C Pertramer (S 5) J Zinner M Possert (S8)Grafik Gerald Waibel effundweat

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Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren Argumente und Darstellungen fuumlr Gespraumlche und Fragen mit denen Sie Ihre Position Mehrsprachigkeit zu foumlrdern erklaumlren und staumlrken koumlnnen

51 Ein Erklaumlrungsversuch ndash warum die Foumlrderung und Anerkennung sprachlicher und soziokultureller Diversitaumlt in Frage gestellt wird

Uumlber Mehrsprachigkeit wird schon seit langem geforscht denn Gesellschaften in denen mehrere Sprachen zusammenkom-men hat es seit jeher gegeben Die wissenschaftlichen und empirischen Ergebnisse aus der Mehrsprachigkeitsforschung zeigen allesamt dass die Foumlrderung der individuellen und gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit allen zugutekommt Zum Beispiel schadet es nicht dem Erlernen und Erwerben des Deutschen wenn Kinder auch in ihren anderen Erstsprachen gefoumlrdert werden Genau das Gegenteil ist der Fall Kinder entwickeln sich insgesamt sprachlich besser Und viele weitere positive Argumente wurden formuliert

Diese gesellschaftliche Mehrsprachigkeit und Plurikulturalitaumlt verlaumluft aber in den seltensten Faumlllen konfliktfrei Die Konflikte sind meist das Ergebnis von politischen Maszlignahmen die bestim-men SprecherInnengruppen mehr Macht und staumlrkere Positionen einraumlumen Das fuumlhrt auch dazu dass im oumlffentlichen Diskurs ndash in den Medien in Debatten und Stellungnahmen usw ndash manche Menschen die Position vertreten nur die anerkannte Amtsspra-che Deutsch sei foumlrdernswert und von Nutzen Die anderen Sprachkompetenzen werden als Problem angesehen Diese Haltung ist eine ausgrenzende die Menschen diskriminiert Diskriminierung fuumlhrt in keinem Fall zu einem besseren Schul-erfolg oder zur besseren Integration Auffaumlllig bei dieser Haltung ist dass die Sprachen selbst bewertet werden Beispielsweise wird das Erwerben von Englisch als positiv bewertet und eine Deutsch-Englisch Bilingualitaumlt auch Wenn es um migrationsbe-dingte Mehrsprachigkeit geht wird diese als Hindernis einge-

bdquoSchule muss bilinguale Kinder auch als solche wahrnehmen und nicht versuchen sie in die Passform des einsprachigen Kindes zu pressenldquo [Zwetelina Ortega]

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Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

stuft Wie steht es um die Erstsprachen die durch Migration nach Oumlsterreich gelangt sind Wie ist ihr Image Eine entscheidende Rolle spielt der Status der SprecherInnen Um mit Robert Walser zu sprechen Money rules the world Ist die Gruppe der Sprech-erInnen wirtschaftlich stark hat ihre Sprache gesellschaftlich hohe Anerkennung Uumlbt die Vielzahl einer SprecherInnengruppe jedoch niederqualifizierte und schlecht bezahlte Jobs aus ist sie wirtschaftlich schwach so hat ihre Sprache ein schlechtes Image in der Gesellschaft Diese Situation ist in allen Einwanderungsge-sellschaften aumlhnlich die Sprachen sind auswechselbar

Tatsache ist dass sich falsche und diskriminierende Argumente immer noch halten und dass Ihnen vielleicht Menschen begeg-nen werden die versuchen werden gegen die Foumlrderung von Mehrsprachigkeit zu argumentieren

Es gibt keinen Grund der Diskriminierung und Ausgrenzung zulaumlssig macht Das Ziel einer gelungenen paumldagogischen Arbeit ist es alle Facetten des Kindes anzunehmen und sie als Teil des paumldagogischen Alltags zu integrieren

52 Argumentationslinien und moumlgliche Positionen im Austausch mit KollegInnen Eltern KlassenlehrerInnen und DirektorInnen

Um Ihre Position zu staumlrken dass alle Sprachen und Sprach-kompetenzen gleichberechtigt und wertvoll sind und Sie sie deshalb in Ihrer Arbeit beruumlcksichtigen und foumlrdern haben wir einige Argumente fuumlr Sie ausgearbeitet

Familiaumlrer Kontext

Voraussetzung fuumlr eine gute Lernumgebung sind Menschen die viel und richtig mit dem Kind sprechen Eltern die meinen ihrem Kind etwas Gutes zu tun indem sie mit ihm Deutsch sprechen obwohl sie die Sprache nicht auf Muttersprachen-niveau beherrschen koumlnnen damit der kindlichen Sprachent-wicklung manchmal mehr schaden als helfen

Wichtig ist dass mit den Kindern viel gesprochen erzaumlhlt gelesen und vorgelesen wird Die Sprache die die Eltern dabei verwenden sollte eine sein in der sie sich wohl und sicher fuumlhlen und vielseitig ausdruumlcken koumlnnen Uumlblicherweise ist dies die Erstsprache der Eltern Kinder koumlnnen dann generell besser mit Sprache umgehen ndash auch mit Deutsch

Paumldagogischer und schulischer Kontext

Durch sprachsensible paumldagogische Arbeit die auch die Mehrsprachigkeit der Kinder beruumlcksichtigt wird das Verinner-lichen der sprachlichen Inhalte vor allem auch der bildungs-sprachlichen verbessert Der Aufbau von Bildungssprache ist Grundlage fuumlr Wissenserwerb Diese Faumlhigkeit die Sie den SchuumllerInnen vermitteln wird sie langfristig dazu befaumlhigen auch in ihren weiterfuumlhrenden Ausbildungen besser voranzu-kommen Dadurch werden auch die Bildungschancen aller SchuumllerInnen erhoumlht und zum Teil werden ungleiche Bildungs-bedingungen uumlberwunden

Beim doppelten Spracherwerb also bei Kindern die bilingu-al aufwachsen beeinflussen sich beide Sprachsysteme gegen-seitig positiv in ihrem Wachstum Das ist wissenschaftlich erwiesen Der Erhalt der Erstsprache gefaumlhrdet in keiner Weise den guten Erwerb des Deutschen im Gegenteil

bdquoEs ist doch ein groszliger Unter-schied ob einem gesagt wird dass Sprachen gleichwertig sind und man alles in jeder ausdruumlcken kann oder ob man es tutldquo [Elke Montanari deutsche Sprach- wissenschaftlerin]

bdquoDer Mensch ist Mensch nur durch Spracheldquo[Johann Gottfried von Herder deutscher Dichter und Uumlbersetzer]

3736

Wer sein Wissen aus den vorab erworbenen oder erlernten Sprachen einbringen kann der erfaumlhrt einen Motivationsschub der sich positiv auf das weitere Sprachenlernen auswirken kann

Die Anerkennung einer Herkunftssprache im schulischen Kontext kann zu einer positiven Persoumlnlichkeitsentwicklung der SchuumllerInnen fuumlhren Deren Aufwertung gibt den Kindern Selbstvertrauen und Sicherheit die sich auf den gesamten Lernerfolg gut auswirken

Eines der Ziele die sich die Europaumlische Union gesetzt hat ist es dass jeder Buumlrgerthinspthinspjede Buumlrgerin seinethinspthinspihre Mutterspra-che sowie mindestens zwei weitere Sprachen beherrscht Diesem Ziel ruumlcken wir naumlher wenn wir die vorhandenen Sprachkompetenzen der Kinder nutzbar machen

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen dass bei einer Foumlrderung der durchgaumlngigen Sprachbildung und lebenswelt-lichen Mehrsprachigkeit von Kindern die narrative Schreibfauml-higkeit und die schriftliche Kompetenzentwicklung gestaumlrkt werden und die bildungssprachlichen Elemente im Deutschen zunehmen

Es gibt noch viele weitere Argumente warum Mehrsprachigkeit immer ein Vorteil ist und nicht als Problem gesehen werden sollte Weitere Argumente werden Sie bestimmt in Ihrer eigenen Arbeit und Erfahrung mit den Kindern selbst finden Trauen Sie sich selbstbewusst zu Ihrer Position zu stehen und lassen Sie diskriminierende Haltungen nicht unkommentiert Wenn Sie die Moumlglichkeit haben nutzen Sie Ihre eigenen vielseitigen Sprachkompetenzen seien es Fremdsprachen oder weitere Erstsprachen sei es im spielerischen Umgang oder wenn Sie etwas erklaumlren Gemeinsam koumlnnen wir dazu beitra-gen dass mehrsprachige Kinder positiv wahrgenommen werden

Kapitel 6

Weitere Uumlbungs- und Anwendungsideen In diesem Kapitel finden Sie viele praxisnahe Uumlbungen fuumlr den spielerischen Umgang mit Mehrsprachigkeit in der Freizeitpaumldagogik

Wenn Sie solche oder aumlhnliche Uumlbungen mit den Kindern ausprobieren werden Sie vielleicht selbst oder gemeinsam mit ihnen viele neue Ideen entwickeln wie man Mehrsprachigkeit spielerisch und mit Freude in der Freizeitbetreuung aufgreifen kann Probieren Sie es aus Es wird allen SchuumllerInnen be-stimmt gefallen Das sind die Erfahrungen die wir bisher gemacht haben Hier einige Ansaumltze fuumlr Sie

Die Herkunft der Vor- und Nachnamen ndash wir erkunden die Bedeutungen unserer Namen

Radio aus aller Welt ndash wir houmlren in Online-Radiosender in verschiedenen Sprachen hinein Dabei koumlnnen die Kinder raten oder versuchen zu erkennen welche Sprache gerade erklingt

Stille Post mit den Sprachen unserer Klasse spielen

Kleine Sprachschule ndash jeweils ein Kind bringen dem Rest der MitschuumllerInnen einfache Saumltze und nuumltzliche Worte bei

Mehrsprachigkeit im oumlffentli-chen Raum ndash wir begeben uns auf Entdeckungsreise und suchen Orte wo wir unter-schiedliche Sprachen houmlren und sehen

Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

bdquoKennst du viele Sprachen ndash hast du viele Schluumlssel fuumlr ein Schloszligldquo[Voltaire franzoumlsischer Philosoph und Schriftsteller]

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Kapitel 7

EmpfehlungenLektuumlreempfehlungen zur Vertiefung Zahlreiche Links die weitere Anwendungsideen fuumlr die Praxis bieten aber auch vielseitige Artikel zum Thema

Weiterfuumlhrende Literatur

Krumm Hans-JuumlrgenthinspthinspReich Hans H 2011 Curriculum Mehrsprachigkeit Online im Internet

Montanari Elke 2013 Mit zwei Sprachen groszlig werden Mehrsprachige Erziehung in Familie Kindergarten und Schule Muumlnchen Koumlsel

Montanari ElkethinspthinspPanagiotopoulou Julie 2019 Mehrsprachigkeit und Bildung in Kitas und Schulen UTB

Schader Basil 2013 Sprachenvielfalt als Chance Handbuch fuumlr den Unterricht in mehrsprachigen Klassen Zuumlrich orell fuumlssli

Hilfreiche Institutionen

Kinderbuumlcherei der Weltsprachen gehoumlrt zu den Staumldtischen Buumlchereien wwwkirangoat Veranstaltungen zu Lesefoumlrderung fuumlr Schulen und Kindergaumlrten Teil der Buumlcherei Wien

wwwbaobabat BAOBAB ndash GLOBALES LERNEN vielseitige Arbeitsmaterialen und Literatur

Links

wwwlanguage-diversityeu ndash Arbeitsblaumltter Lehrmaterial Unterrichtsideen Schwerpunkt auf Minderheitensprachen in Europa

wwwpapperlapappcoat ndash Bilinguale Kinderzeitschrift wwwmultilingual-familieseu ndash Materialen fuumlr mehrsprachige Erziehung wwwderstandardatr2000023362091Linguamulti ndash monatlicher Blog zu Mehrsprachigkeit und Spracherwerb

wwwschule-mehrsprachigat ndash Kinder- und Jugendbuumlcher in vielen Sprachen Infos zum Muttersprachenunterricht

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Anschuumltzgasse 1 2 Stock 1150 WienTel +43 1 524 25 09-0 Fax +43 1 524 25 09-30officebildung-wienat wwwbildung-wienat

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Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

stuft Wie steht es um die Erstsprachen die durch Migration nach Oumlsterreich gelangt sind Wie ist ihr Image Eine entscheidende Rolle spielt der Status der SprecherInnen Um mit Robert Walser zu sprechen Money rules the world Ist die Gruppe der Sprech-erInnen wirtschaftlich stark hat ihre Sprache gesellschaftlich hohe Anerkennung Uumlbt die Vielzahl einer SprecherInnengruppe jedoch niederqualifizierte und schlecht bezahlte Jobs aus ist sie wirtschaftlich schwach so hat ihre Sprache ein schlechtes Image in der Gesellschaft Diese Situation ist in allen Einwanderungsge-sellschaften aumlhnlich die Sprachen sind auswechselbar

Tatsache ist dass sich falsche und diskriminierende Argumente immer noch halten und dass Ihnen vielleicht Menschen begeg-nen werden die versuchen werden gegen die Foumlrderung von Mehrsprachigkeit zu argumentieren

Es gibt keinen Grund der Diskriminierung und Ausgrenzung zulaumlssig macht Das Ziel einer gelungenen paumldagogischen Arbeit ist es alle Facetten des Kindes anzunehmen und sie als Teil des paumldagogischen Alltags zu integrieren

52 Argumentationslinien und moumlgliche Positionen im Austausch mit KollegInnen Eltern KlassenlehrerInnen und DirektorInnen

Um Ihre Position zu staumlrken dass alle Sprachen und Sprach-kompetenzen gleichberechtigt und wertvoll sind und Sie sie deshalb in Ihrer Arbeit beruumlcksichtigen und foumlrdern haben wir einige Argumente fuumlr Sie ausgearbeitet

Familiaumlrer Kontext

Voraussetzung fuumlr eine gute Lernumgebung sind Menschen die viel und richtig mit dem Kind sprechen Eltern die meinen ihrem Kind etwas Gutes zu tun indem sie mit ihm Deutsch sprechen obwohl sie die Sprache nicht auf Muttersprachen-niveau beherrschen koumlnnen damit der kindlichen Sprachent-wicklung manchmal mehr schaden als helfen

Wichtig ist dass mit den Kindern viel gesprochen erzaumlhlt gelesen und vorgelesen wird Die Sprache die die Eltern dabei verwenden sollte eine sein in der sie sich wohl und sicher fuumlhlen und vielseitig ausdruumlcken koumlnnen Uumlblicherweise ist dies die Erstsprache der Eltern Kinder koumlnnen dann generell besser mit Sprache umgehen ndash auch mit Deutsch

Paumldagogischer und schulischer Kontext

Durch sprachsensible paumldagogische Arbeit die auch die Mehrsprachigkeit der Kinder beruumlcksichtigt wird das Verinner-lichen der sprachlichen Inhalte vor allem auch der bildungs-sprachlichen verbessert Der Aufbau von Bildungssprache ist Grundlage fuumlr Wissenserwerb Diese Faumlhigkeit die Sie den SchuumllerInnen vermitteln wird sie langfristig dazu befaumlhigen auch in ihren weiterfuumlhrenden Ausbildungen besser voranzu-kommen Dadurch werden auch die Bildungschancen aller SchuumllerInnen erhoumlht und zum Teil werden ungleiche Bildungs-bedingungen uumlberwunden

Beim doppelten Spracherwerb also bei Kindern die bilingu-al aufwachsen beeinflussen sich beide Sprachsysteme gegen-seitig positiv in ihrem Wachstum Das ist wissenschaftlich erwiesen Der Erhalt der Erstsprache gefaumlhrdet in keiner Weise den guten Erwerb des Deutschen im Gegenteil

bdquoEs ist doch ein groszliger Unter-schied ob einem gesagt wird dass Sprachen gleichwertig sind und man alles in jeder ausdruumlcken kann oder ob man es tutldquo [Elke Montanari deutsche Sprach- wissenschaftlerin]

bdquoDer Mensch ist Mensch nur durch Spracheldquo[Johann Gottfried von Herder deutscher Dichter und Uumlbersetzer]

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Wer sein Wissen aus den vorab erworbenen oder erlernten Sprachen einbringen kann der erfaumlhrt einen Motivationsschub der sich positiv auf das weitere Sprachenlernen auswirken kann

Die Anerkennung einer Herkunftssprache im schulischen Kontext kann zu einer positiven Persoumlnlichkeitsentwicklung der SchuumllerInnen fuumlhren Deren Aufwertung gibt den Kindern Selbstvertrauen und Sicherheit die sich auf den gesamten Lernerfolg gut auswirken

Eines der Ziele die sich die Europaumlische Union gesetzt hat ist es dass jeder Buumlrgerthinspthinspjede Buumlrgerin seinethinspthinspihre Mutterspra-che sowie mindestens zwei weitere Sprachen beherrscht Diesem Ziel ruumlcken wir naumlher wenn wir die vorhandenen Sprachkompetenzen der Kinder nutzbar machen

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen dass bei einer Foumlrderung der durchgaumlngigen Sprachbildung und lebenswelt-lichen Mehrsprachigkeit von Kindern die narrative Schreibfauml-higkeit und die schriftliche Kompetenzentwicklung gestaumlrkt werden und die bildungssprachlichen Elemente im Deutschen zunehmen

Es gibt noch viele weitere Argumente warum Mehrsprachigkeit immer ein Vorteil ist und nicht als Problem gesehen werden sollte Weitere Argumente werden Sie bestimmt in Ihrer eigenen Arbeit und Erfahrung mit den Kindern selbst finden Trauen Sie sich selbstbewusst zu Ihrer Position zu stehen und lassen Sie diskriminierende Haltungen nicht unkommentiert Wenn Sie die Moumlglichkeit haben nutzen Sie Ihre eigenen vielseitigen Sprachkompetenzen seien es Fremdsprachen oder weitere Erstsprachen sei es im spielerischen Umgang oder wenn Sie etwas erklaumlren Gemeinsam koumlnnen wir dazu beitra-gen dass mehrsprachige Kinder positiv wahrgenommen werden

Kapitel 6

Weitere Uumlbungs- und Anwendungsideen In diesem Kapitel finden Sie viele praxisnahe Uumlbungen fuumlr den spielerischen Umgang mit Mehrsprachigkeit in der Freizeitpaumldagogik

Wenn Sie solche oder aumlhnliche Uumlbungen mit den Kindern ausprobieren werden Sie vielleicht selbst oder gemeinsam mit ihnen viele neue Ideen entwickeln wie man Mehrsprachigkeit spielerisch und mit Freude in der Freizeitbetreuung aufgreifen kann Probieren Sie es aus Es wird allen SchuumllerInnen be-stimmt gefallen Das sind die Erfahrungen die wir bisher gemacht haben Hier einige Ansaumltze fuumlr Sie

Die Herkunft der Vor- und Nachnamen ndash wir erkunden die Bedeutungen unserer Namen

Radio aus aller Welt ndash wir houmlren in Online-Radiosender in verschiedenen Sprachen hinein Dabei koumlnnen die Kinder raten oder versuchen zu erkennen welche Sprache gerade erklingt

Stille Post mit den Sprachen unserer Klasse spielen

Kleine Sprachschule ndash jeweils ein Kind bringen dem Rest der MitschuumllerInnen einfache Saumltze und nuumltzliche Worte bei

Mehrsprachigkeit im oumlffentli-chen Raum ndash wir begeben uns auf Entdeckungsreise und suchen Orte wo wir unter-schiedliche Sprachen houmlren und sehen

Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

bdquoKennst du viele Sprachen ndash hast du viele Schluumlssel fuumlr ein Schloszligldquo[Voltaire franzoumlsischer Philosoph und Schriftsteller]

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Kapitel 7

EmpfehlungenLektuumlreempfehlungen zur Vertiefung Zahlreiche Links die weitere Anwendungsideen fuumlr die Praxis bieten aber auch vielseitige Artikel zum Thema

Weiterfuumlhrende Literatur

Krumm Hans-JuumlrgenthinspthinspReich Hans H 2011 Curriculum Mehrsprachigkeit Online im Internet

Montanari Elke 2013 Mit zwei Sprachen groszlig werden Mehrsprachige Erziehung in Familie Kindergarten und Schule Muumlnchen Koumlsel

Montanari ElkethinspthinspPanagiotopoulou Julie 2019 Mehrsprachigkeit und Bildung in Kitas und Schulen UTB

Schader Basil 2013 Sprachenvielfalt als Chance Handbuch fuumlr den Unterricht in mehrsprachigen Klassen Zuumlrich orell fuumlssli

Hilfreiche Institutionen

Kinderbuumlcherei der Weltsprachen gehoumlrt zu den Staumldtischen Buumlchereien wwwkirangoat Veranstaltungen zu Lesefoumlrderung fuumlr Schulen und Kindergaumlrten Teil der Buumlcherei Wien

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Wer sein Wissen aus den vorab erworbenen oder erlernten Sprachen einbringen kann der erfaumlhrt einen Motivationsschub der sich positiv auf das weitere Sprachenlernen auswirken kann

Die Anerkennung einer Herkunftssprache im schulischen Kontext kann zu einer positiven Persoumlnlichkeitsentwicklung der SchuumllerInnen fuumlhren Deren Aufwertung gibt den Kindern Selbstvertrauen und Sicherheit die sich auf den gesamten Lernerfolg gut auswirken

Eines der Ziele die sich die Europaumlische Union gesetzt hat ist es dass jeder Buumlrgerthinspthinspjede Buumlrgerin seinethinspthinspihre Mutterspra-che sowie mindestens zwei weitere Sprachen beherrscht Diesem Ziel ruumlcken wir naumlher wenn wir die vorhandenen Sprachkompetenzen der Kinder nutzbar machen

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen dass bei einer Foumlrderung der durchgaumlngigen Sprachbildung und lebenswelt-lichen Mehrsprachigkeit von Kindern die narrative Schreibfauml-higkeit und die schriftliche Kompetenzentwicklung gestaumlrkt werden und die bildungssprachlichen Elemente im Deutschen zunehmen

Es gibt noch viele weitere Argumente warum Mehrsprachigkeit immer ein Vorteil ist und nicht als Problem gesehen werden sollte Weitere Argumente werden Sie bestimmt in Ihrer eigenen Arbeit und Erfahrung mit den Kindern selbst finden Trauen Sie sich selbstbewusst zu Ihrer Position zu stehen und lassen Sie diskriminierende Haltungen nicht unkommentiert Wenn Sie die Moumlglichkeit haben nutzen Sie Ihre eigenen vielseitigen Sprachkompetenzen seien es Fremdsprachen oder weitere Erstsprachen sei es im spielerischen Umgang oder wenn Sie etwas erklaumlren Gemeinsam koumlnnen wir dazu beitra-gen dass mehrsprachige Kinder positiv wahrgenommen werden

Kapitel 6

Weitere Uumlbungs- und Anwendungsideen In diesem Kapitel finden Sie viele praxisnahe Uumlbungen fuumlr den spielerischen Umgang mit Mehrsprachigkeit in der Freizeitpaumldagogik

Wenn Sie solche oder aumlhnliche Uumlbungen mit den Kindern ausprobieren werden Sie vielleicht selbst oder gemeinsam mit ihnen viele neue Ideen entwickeln wie man Mehrsprachigkeit spielerisch und mit Freude in der Freizeitbetreuung aufgreifen kann Probieren Sie es aus Es wird allen SchuumllerInnen be-stimmt gefallen Das sind die Erfahrungen die wir bisher gemacht haben Hier einige Ansaumltze fuumlr Sie

Die Herkunft der Vor- und Nachnamen ndash wir erkunden die Bedeutungen unserer Namen

Radio aus aller Welt ndash wir houmlren in Online-Radiosender in verschiedenen Sprachen hinein Dabei koumlnnen die Kinder raten oder versuchen zu erkennen welche Sprache gerade erklingt

Stille Post mit den Sprachen unserer Klasse spielen

Kleine Sprachschule ndash jeweils ein Kind bringen dem Rest der MitschuumllerInnen einfache Saumltze und nuumltzliche Worte bei

Mehrsprachigkeit im oumlffentli-chen Raum ndash wir begeben uns auf Entdeckungsreise und suchen Orte wo wir unter-schiedliche Sprachen houmlren und sehen

Kapitel 5

Eigene Position staumlrken und richtig argumentieren

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EmpfehlungenLektuumlreempfehlungen zur Vertiefung Zahlreiche Links die weitere Anwendungsideen fuumlr die Praxis bieten aber auch vielseitige Artikel zum Thema

Weiterfuumlhrende Literatur

Krumm Hans-JuumlrgenthinspthinspReich Hans H 2011 Curriculum Mehrsprachigkeit Online im Internet

Montanari Elke 2013 Mit zwei Sprachen groszlig werden Mehrsprachige Erziehung in Familie Kindergarten und Schule Muumlnchen Koumlsel

Montanari ElkethinspthinspPanagiotopoulou Julie 2019 Mehrsprachigkeit und Bildung in Kitas und Schulen UTB

Schader Basil 2013 Sprachenvielfalt als Chance Handbuch fuumlr den Unterricht in mehrsprachigen Klassen Zuumlrich orell fuumlssli

Hilfreiche Institutionen

Kinderbuumlcherei der Weltsprachen gehoumlrt zu den Staumldtischen Buumlchereien wwwkirangoat Veranstaltungen zu Lesefoumlrderung fuumlr Schulen und Kindergaumlrten Teil der Buumlcherei Wien

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Kapitel 7

EmpfehlungenLektuumlreempfehlungen zur Vertiefung Zahlreiche Links die weitere Anwendungsideen fuumlr die Praxis bieten aber auch vielseitige Artikel zum Thema

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Montanari ElkethinspthinspPanagiotopoulou Julie 2019 Mehrsprachigkeit und Bildung in Kitas und Schulen UTB

Schader Basil 2013 Sprachenvielfalt als Chance Handbuch fuumlr den Unterricht in mehrsprachigen Klassen Zuumlrich orell fuumlssli

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Kinderbuumlcherei der Weltsprachen gehoumlrt zu den Staumldtischen Buumlchereien wwwkirangoat Veranstaltungen zu Lesefoumlrderung fuumlr Schulen und Kindergaumlrten Teil der Buumlcherei Wien

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Anschuumltzgasse 1 2 Stock 1150 WienTel +43 1 524 25 09-0 Fax +43 1 524 25 09-30officebildung-wienat wwwbildung-wienat

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