Under der linden -...

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Under der linden an der heide, dâ unser zweier bette was, dâ muget ir vinden schône beide gebrochen bluomen unde gras. Vor dem walde in einem tal, tandaradei, schône sanc diu nahtegal. Ich kam gegangen zuo der ouwe, dô was mîn friedel komen ê. Dâ wart ich enpfangen, hêre frouwe, daz ich bin sælic iemer mê. Kuster mich? Wol tûsentstunt, tandaradei, seht, wie rôt mir ist der munt. Dô het er gemachet alsô rîche von bluomen eine bettestat. Des wirt noch gelachet inneclîche, kumt iemen an daz selbe pfat. Bî den rôsen er wol mac, tandaradei, merken, wâ mirz houbet lac. Daz er bî mir læge, wessez iemen (nû enwelle got!), sô schamt ich mich. Wes er mit mir pflæge, niemer niemen bevinde daz, wan er und ich, und ein kleinez vogellîn - tandaradei, daz mac wol getriuwe sîn. Unter der Linde an der Heide, wo unser beider Bett war, da könnt ihr schön gebrochen finden Blumen und Gras. In einem Tal am Waldesrand, tandaradei, sang die Nachtigall lieblich. Ich kam gegangen zu der Au, dahin war mein Liebster schon gekommen. Dort wurde ich empfangen, edle Frau, dass ich für immer glücklich bin. Küsste er mich? Wohl tausendmal, tandaradei, seht, wie rot mir ist der Mund. Da hatte er aus Blumen ein prächtiges Bett bereitet. Darüber wird jetzt noch herzlich gelacht werden, wenn jemand diesen Weg kommt. An den Rosen kann er wohl, tandaradei, sehen, wo mein Kopf lag. Dass er bei mir lag, wüsste es jemand (das verhüte Gott!), so schämte ich mich. Was er mit mir tat, das soll nie jemand erfahren, außer er und ich und ein kleines Vögelein, tandaradei, das wird wohl verschwiegen sein. Stadtführungen Würzburg Thomas Kröhnert

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Under der lindenan der heide,dâ unser zweier bette was,dâ muget ir vindenschône beidegebrochen bluomen unde gras.Vor dem walde in einem tal,tandaradei,schône sanc diu nahtegal.

Ich kam gegangenzuo der ouwe,dô was mîn friedel komen ê.Dâ wart ich enpfangen,hêre frouwe,daz ich bin sælic iemer mê.Kuster mich? Wol tûsentstunt,tandaradei,seht, wie rôt mir ist der munt.

Dô het er gemachetalsô rîchevon bluomen eine bettestat.Des wirt noch gelachetinneclîche,kumt iemen an daz selbe pfat.Bî den rôsen er wol mac,tandaradei,merken, wâ mirz houbet lac.

Daz er bî mir læge,wessez iemen(nû enwelle got!), sô schamt ich mich.Wes er mit mir pflæge,niemer niemenbevinde daz, wan er und ich,und ein kleinez vogellîn -tandaradei,daz mac wol getriuwe sîn.

Unter der Linde

an der Heide,

wo unser beider Bett war,

da könnt ihr schön

gebrochen finden

Blumen und Gras.

In einem Tal am Waldesrand,

tandaradei,

sang die Nachtigall lieblich.

Ich kam gegangen

zu der Au,

dahin war mein Liebster schon gekommen.

Dort wurde ich empfangen,

edle Frau,

dass ich für immer glücklich bin.

Küsste er mich? Wohl tausendmal,

tandaradei,

seht, wie rot mir ist der Mund.

Da hatte er aus Blumen

ein prächtiges Bett

bereitet.

Darüber wird jetzt noch

herzlich gelacht werden,

wenn jemand diesen Weg kommt.

An den Rosen kann er wohl,

tandaradei,

sehen, wo mein Kopf lag.

Dass er bei mir lag,

wüsste es jemand

(das verhüte Gott!), so schämte ich mich.

Was er mit mir tat,

das soll nie jemand

erfahren, außer er und ich

und ein kleines Vögelein,

tandaradei,

das wird wohl verschwiegen sein.

Stadtführungen Würzburg Thomas Kröhnert

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Walther von der Vogelweide (ca. 1170 - ca. 1230)

Zu seiner Jugendzeit äußert sich der Dichter im Alter mit: „ze Ôsterrîche lernt ich singen unde

sagen“. Bis zum Tod des Babenbergers Herzog Friedrich I. von Österreich (1198) wirkte er an dessen

Hof in Wien. Es scheint ein glücklicher Lebensabschnitt gewesen zu sein.

Danach erhielt er ein ehrenvolles Engagement am Hof des staufischen Thronkandidaten Philipp

von Schwaben und machte wirkungsvolle Propaganda für ihn bzw. gegen den welfischen

Gegenkandidaten Otto (dem späteren Kaiser Otto VI.).

Am meisten weiß man über den Verlauf seines Aufenthalts am Hof von Landgraf Hermann I. von

Thüringen. Walther scheint in Thüringen auf Schwierigkeiten gestoßen zu sein. Er beklagt sich über

den Lärm betrunkener Ritter, die an Lyrik nicht interessiert seien.

Außerdem verlor er einen Rechtsstreit gegen einen Gerhart Atze aus Eisenach, der ein Pferd

Walthers erschossen hatte, vielleicht in der irrigen Meinung, dieses sei das Pferd gewesen, das ihm

einen Finger abgebissen hatte. „Atze behauptet, mein Pferd sei mit dem Gaul, der ihm den Finger

abbiss, verwandt gewesen; ich schwöre, dass die beiden Pferde einander nicht einmal kannten“.

Spätestens nach der Ermordung König Philipps (1208) scheint sich Walther dem Welfen Otto IV.

angeschlossen zu haben, der 1209 von Papst zum Kaiser gekrönt wurde. Das bedeutendste

dichterische Zeugnis der Verbindung mit Otto sind die drei „Herr Kaiser“-Sprüche von 1212.

Walther schalt den Geiz Ottos; dadurch wurde das Verhältnis beendet. Dies markiert den

Übergang Walthers zu dessen Gegner, dem Staufer Friedrich II.

Erst von Friedrich, aber noch vor dessen Kaiserkrönung (1220) erhielt Walther ein Lehen, das ihn

vom Zwang befreite, kurzfristig wechselnde Engagements suchen und das Leben eines fahren-

den Sängers führen zu müssen. „Jetzt fürchte ich nicht mehr den Februar an den Zehen“.

Man hält es für möglich, dass das Lehen in oder um Würzburg gewesen sein könnte, weil der

Würzburger Michael de Leone um 1350 berichtet, Walthers Grab sei in Würzburg in der Neumüns-

terkirche, und dabei eine Grabinschrift mitteilt, die er dort gesehen haben will.

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