Kodieren in der Hausarztpraxis: Warum,

womit und wie? - Probleme des Status quo

und mögliche Lösungen

Thomas Kühlein

Zi, Berlin am 16. November 2017

Fachtagung: Kodierunterstützung für die vertragsärztliche Versorgung

Thomas Kühlein =

Hausarzt

Erster regulärer Professor für Allgemeinmedizin in

Bayern jemals

Ehemaliger Leiter des CONTENT-Projekts in

Heidelberg (www.content-info.org )

Sonderbeauftragter für Klassifikationsfragen der

DEGAM

Chair des Wonca International Classification

Committee

Delegierter der Wonca zum WHO-FIC Council

Hobbyecke

Die Meinung der Hausärzte:

Wozu kodieren?

Der einzige Grund?

Morbi-RSA

1) Sepsis / SIRS

2) HIV / AIDS

3) Infektionen durch opportunistische Erreger

4) Bösartige Neubildungen der Lippe, der Mundhöhle und des Pharynx

5) Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane

6) Bösartige Neubildungen der Atmungsorgane und sonstiger intrathorakaler Organe

7) Bösartige Neubildungen der Niere, der Harnwege und der Nebenniere

8) Bösartige Neubildungen der Knochen, des Stütz- und Weichteilgewebes

9) Bösartige Neubildungen der Brustdrüse

10) Bösartige Neubildungen der Genitalorgane

11) Bösartige Neubildungen des Auges, Gehirns und sonstiger Teile des Zentralnervensystems

12) Bösartige Neubildungen sekundärer, nicht näher bezeichneter oder multipler Lokalisation

13) Lymphome und Leukämien

14) Myeloproliferative/myelodysplastische Erkrankungen

15) Erworbene Anämien

16) Aplastische und sideroblastische Anämien

17) Koagulopathien, Purpura und sonstige hämorrhagische Diathesen

18) Diabetes mellitus

19) Schwerwiegende metabolische oder endokrine Störungen

20) Adipositas (mit Krankheitsbezug)

21) Demenz (einschließlich Alzheimer Erkrankung und vaskuläre Demenz)

22) Delir und Enzephalopathie

23) Schwerwiegender Alkohol- und Drogen-Missbrauch

24) Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen

25) Bipolare affektive Störungen

26) Depression

27) Chronischer Schmerz

28) Essstörungen

29) Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen

30) Tiefgreifende Entwicklungsstörung

31) Systematrophien, die vorwiegend das Zentralnervensystem betreffen

32) Morbus Parkinson und andere Basalganglienerkrankungen

33) Multiple Sklerose und andere demyelisierende Erkrankungen des ZNS

34) Epilepsie

35) Schlaganfall und Komplikationen

36) Schlafapnoe, Narkolepsie und Kataplexie

37) Neuropathien

38) Muskeldystrophie

39) Ausgeprägte schwere Lähmungen / Verletzungen des Rückenmarks / Angeb. Fehlb. Nervensyst.

40) Hydrozephalus und andere schwerwiegende Hirnschädigungen

41) Erkrankungen der Herzklappen

42) Hypertonie

43) Ischämische Herzkrankheit

44) Pulmonale Herzkrankheit und Erkrankungen des Lungenkreislaufes

45) Ventrikuläre Tachykardie / Arrhythmie, Herzstillstand

46) Vorhofarrhythmien und sonstige kardiale Erregungsleitungsstörungen

47) Herzinsuffizienz

48) Atherosklerose, periphere Gefäßerkrankung

49) Pneumonie und andere infektiöse Lungenerkrankungen

50) Mukoviszidose

51) Emphysem / Chronische obstruktive Bronchitis

52) Akutes Lungenödem und respiratorische Insuffizienz

53) Postinflammatorische und interstitielle Lungenfibrose

54) Sonstige Krankheiten der Pleura

55) Peptisches Ulkus, gastrointestinale Blutung und/oder Perforation

56) Chronisch entzündliche Darmerkrankung (Morbus Crohn / Colitis ulcerosa)

57) Ileus

58) Peritonitis

59) Leberzirrhose (inkl. Komplikationen)

60) Chronische Hepatitis

61) Bakterielle Hautinfektionen

62) Psoriasis und Parapsoriasis (inkl. Gelenkbeteiligung)

63) Hautulkus (ohne Dekubitalgeschwür)

64) Rheumatoide Arthritis und entzündliche Bindegewebskrankheiten

65) Osteoarthrose der großen Gelenke

66) Spinalkanalstenose

67) Osteoporose und Folgeerkrankungen

68) Entzündung / Nekrose von Knochen

69) Nephritis

70) Niereninsuffizienz

71) Neurogene Blase

72) Bestehende Schwangerschaft (einschl. Komplikationen)

73) Angeborene schwere Herzfehler (<18 Jahre)

74) Angeborene Fehlbildungen des resp. Syst. und des Magen-Darm-Tr. Kinder (bis max. 5 Jahre)

75) Schweres Schädel-Hirn-Trauma

76) Wirbelfraktur

77) Traumatische Amputation einer Extremität

78) Femurfraktur

79) Näher bezeichnete Kompl. bei Patienten bei chirurg. oder medizinischer Behandlung

80) Status nach Organtransplantation (inkl. Komplikationen)

Krankheiten mit „wesentlich“ hausärztl. Beteiligung (26)

Ist das ein Grund alle Hausärzte mit der gesamten ICD zu quälen?

Das Problem:

Von über 15.000 ICD-10-Kodes stehen rund 3.800 mit einer dieser Krankheiten

in Verbindung.

Ist die ICD-10 die richtige Klassifikation für diesen Anwendungszweck?

Wie kodieren Hausärzte?

ZFA 2011;87:84-88

65% der Kodes werden von den Hausärzten selbst eingetragen

Wie kodieren Hausärzte?

78% der Kodes werden über eigene „Cheat-Sheets“ erstellt

60% der Ärzte brauchen unter 30s, 84% der Ärzte brauchen unter 60s für die Kodierung

70% der Ärzte wären (theoretisch) gerne bereit auf einheitliche Liste umzustellen

Beratungsanlass: R05 (Husten)

0 100 200 300 400 500 600

R 71 Keuchhusten

R 72 Strepto ko kkeninfekt H als

R 74 Infekt io n o bere A temwege A kute

R 75 Sinusit is A kute/ C hro nische

R 76 T o nsillit is A kute

R 77 Laryngit is / T racheit is akute

R 78 A kute B ro nchit is / B ro nchio lit is

R 79 C hro nische B ro nchit is

R 80 Inf luenza

R 81 P neumo nie

R 82 P leuraerguß

R 83 A temwegsinfekt , anderer

R 84 B ö sart ige N eubildung Lunge/ B ro nchus

R 87 F remdkö rper N ase/ Larynx/ B ro nchus

R 90 Schwellung T o nsillen/ P o lypen

R 95 C hro nisch o bstrukt ive Lungenerkrankung

R 96 A sthma

R 97 H euschnupfen

R 99 A temwegserkrankung andere

17.1.2012

Beratungsergebnis: Resultierende Diagnosen

© www.content-info.org, date of issue: 2-May-2007, observation period: 1 OCT 2005 - 31 Mar 2007, N=46.780 patients

Prozess (hier: Verordnung bei akuter Bronchitis)

R05D Antitussiva, exkl. Kombinationen mit Expektoranzien (129)

J01F Makrolide, Lincosamide und Streptogramine (114)

J01A Tetracycline (80)

N02A Opioide (80)

R05C Expektoranzien, exkl. Kombinationen mit Antitussiva (73)

J01C Betalactam-Antibiotika, Penicilline (66)

J01M Chinolone (51)

N02B Andere Analgetika und Antipyretika (30)

……

Pharma-

kologische

Hauptgruppe

gemäß ATC-Code

Kodierqualität Diagnosen: Die 25 häufigsten Beratungsergebnisse in

der Hausarzpraxis

ICD-Code Bedeutung n

Bronchitis, nicht als akut/chronisch bezeichnet J40 724

Akute Infektion der oberen Atemwege, NNB J06.9 619

Harnwegsinfektion, Lokalisation NNB N39.0 529

Akute Tonsillitis, NNB J03.9 499

Nichtinfektiöse Gastroenteritis und Kolitis, NNB K52.9 459

Offene Wunde NNB T14.1 407

Otitis media, NNB H66.9 402

Essentielle Hypertonie, NNB: Ohne hypertensive Krise I10.90 367

Insektenbiss oder -stich (ungiftig) NNB lok. T14.03 337

Konjunktivitis, NNB H10.9 264

Kreuzschmerz M54.5 261

Sonstige und NNB Infektionskrankheiten B99 243

Übelkeit und Erbrechen R11 231

Akute Pharyngitis, NNB J02.9 220

NNBer Diabetes mellitus: Ohne Komplikationen E14.9 195

Fieber, NNB R50.9 178

Pneumonie, NNB J18.9 169

Herzinsuffizienz, NNB I50.9 166

Sonstige und NNBe Bauchschmerzen R10.4 163

Sonstige näher bezeichnete Krankheiten der Atemwege J98.8 154

Allergie, NNB T78.4 146

Asthma bronchiale, NNB J45.9 144

Virusinfektion, NNB B34.9 140

Chronische Sinusitis, NNB J32.9 140

Todeseintritt innerhalb von weniger als 24 Stunden nach Beginn der Symptome, R96.1 137

ICD-10 Code

ICD-10 Label

DIMDI- Thesaurus labels

Mapping auf ICPC-2

J06.9 Akute Infektionen an mehreren oder nicht näher bezeichneten Lokalisation den oberen Atemwege

Fieberhafte Infektion der oberen Atemwege Fieberhafter grippaler Infekt Fieberhafter Infekt der oberen Luftwege Grippale Atemwegsinfektion Grippale Infektion mit Infektion der Atemwege Grippale Infektion Grippale Virusinfektion Grippaler Infekt mit bakterieller Superinfektion Grippaler Infekt mit Infektion der Atemwege Grippaler Infekt mit Infektion der Luftwege Grippaler Infekt Hochfieberhafter grippaler Infekt Infekt der oberen Atemwege Infekt der oberen Luftwege Infektion der oberen Atemwege Virusinfektion der oberen Atmungsorgane a.n.k.

R74 Infektion obere Atemwege, akute

B99 Sonstige und nicht näher bezeichnete Infektionskrankheiten

Fieberhafte Infektion Fieberhafter Infekt Hochfieberhafte Infektion Hochfieberhafter Infekt Infekt, s.a. Infektion Infekt Infektionskrankheit Unklarer Infekt

A78 Infektiöse Erkrankung NNB, andere

J98.8 Sonstige näher bezeichnete Krankheiten der Atemwege

Atemwegsentzündung Atemwegsinfektion Infekt der Atemwege Infekt der Luftwege Luftwegsinfektion Respiratorische Infektion

R99 Atemwegserkrankung, andere

B34.9 Virusinfektion nicht näher bezeichnet

Fieberhafte Virusinfektion Hochfieberhafte Virusinfektion Virale Allgemeininfektion Virale Infektion Viraler Allgemeininfekt Virusinfekt Virusinfektion a.n.k.

A77 Virale Erkrankung NNB, andere

Die Antwort: Ein passender Thesaurus

Die Umsetzung:

Schlussfolgerung: Jede Klassifikation (Thesaurus…) ist nur so gut wie ihre Umsetzung

in einer Software

Das Problem: 172 Praxisverwaltungssysteme und offensichtlich wenig Kontrolle

Mission The foundation aims to make a significant and innovative contribution to education and research to improve the quality of general practice care by registering systematically and uniformly all presented morbidity, according to information from direct and indirect patient contacts. There is a specific focus on the evolution of morbidity, the influence of the medical act in this morbidity, and the context of the individual patient.

Transhis: Die ICPC Meister

(https://webapp.transhis.nl/charts-web/#/login )

Lösungen:

Definition der Elemente eines guten PVS

Bereitstellung geeigneter

Klassifikationen/Thesauren

Zertifizierung über einen entsprechenden Zuschlag

Einen Nutzen/Anreiz für die Hausärzte schaffen

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit