Tod einer iKone - von Marcel Huwyler · PDF filesteve jobs 1955–2011 Der tod lässt...

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44 SCHWEIZER ILLUSTRIERTE STEVE JOBS 1955–2011 Fotos Lea Suzuki / San Francisco Chronicle / Corbis, HO Seine Erfindungen sind re- volutionär, formschön und machen uns zu glücklichen Mac- und iGeräte-Nutzern. Apple-Magier STEVE JOBS ist tot. Zurück blei- ben seine Familie, Millionen Apple-Verzückte – und die Geschichte eines Visionärs. Moment der Ruhe und Innigkeit Steve Jobs, todkrank, und seine Frau Laurene nach der Apple- Präsentation in San Francisco im Juni 2011. Grosse Ehre 2010 fotografiert der Schweizer Marco Grob den Apple-Star Jobs für das «Time Magazine». Tod einer iKone

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Seine Erfindungen sind re-volutionär, formschön und machen uns zu glücklichen Mac- und iGeräte-Nutzern.

Apple-Magier Steve JobS ist tot. Zurück blei-

ben seine Familie, Millionen Apple-Verzückte – und die Geschichte eines Visionärs.

Moment der Ruhe und Innigkeit Steve Jobs, todkrank, und seine Frau Laurene nach der Apple-Präsentation in San Francisco im Juni 2011.

Grosse Ehre 2010 fotografiert der Schweizer Marco Grob den Apple-Star Jobs für das «Time Magazine».

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Text marcel huwyler

Er hat einfach nur ganz genau hingeschaut und beobachtet. Schliesslich erkannte Steve Jobs,

dass die Menschen im Grunde Kinder ge-blieben sind – im Herzen und mit den Fingern. So wie Kleinkinder mit dem Zei-gefinger auf Figuren in Bilderbüchern deuten und mit schwungvollen Patsch-bewegungen umblättern, tupfen wir Er-wachsene mit den Fingern verzückt auf Apple-Displays, schieben lustvoll farbige Icons herum, streicheln uns durch Listen und blättern und wedeln mit Wischbewe-gungen durch die digitale Welt.

Steve Jobs war nett zu den Men-schen. Weil seine iGeräte, seine Macs, iPhones, iPads, iPods uns nett behan-deln. Weil sie unseren Sinnen schmei-cheln, wir keine Gebrauchsanleitung studieren müssen, weil die Apple-Gerä-te einfach und sofort und logisch laufen und genau das tun, was wir wollen. So-gar böse Computerviren lassen nette Macs (meist) in Ruhe, und in vielen US-Spielfilmen – überprüfen Sies! – besitzen die Helden, die Guten einen Mac.

Steve Jobs ist letzte Woche, am 5. Oktober, 56-jährig an Bauchspeichel-drüsenkrebs gestorben. Zuletzt war er abgemagert, ausgemergelt, «aber noch voller Geist und Humor», erzählt Walter Isaacson, der bei Jobs am Krankenbett sass und mit ihm an einer Biografie feil-te. Mit diesem Buch wollte Jobs seinen Kindern «etwas Persönliches» hinterlas-sen. Er sei nicht immer für sie da gewe-sen, «ich will, dass sie besser verstehen, was ich gemacht habe».

mit seiner Frau, Laurene Powell, 47, Sohn Reed, 20, den Töchtern Eve, 14, und Erin, 16, sowie seiner Halbschwes-ter Mona Simpson, 54, lebt Steve Jobs in einer – für einen 8,3-Milliarden-Dollar-Mann – bescheidenen Reihenvilla im ka-lifornischen Palo Alto. Er liebt es, auf der Terrasse im Schaukelstuhl zu sitzen (dem gleichen Modell, das Präsident Kennedy bevorzugte) und seinen Wild-blumengarten zu bewundern. Oder er vergräbt sich in seinem Arbeitszimmer. Karg eingerichtet, mit weiss getünchten Backsteinmauern, hohen Sprossenfens-tern, hölzernen Bodendielen und einem vor Papier und Krimskrams überquellen-

«Verschwenden wir unsere Zeit nicht damit, das Leben anderer zu leben»Steve JobS

Töchter Eve, 14 (l.), und Erin, 16. Vater Jobs: «Ich habe die grossartigste Familie der Welt.»

den Bürotisch, auf dem zuoberst ein Mac-Bildschirm thront. Hier brütet Jobs neue Dinge aus. Neue, schöne Dinge. Zwar haben seine Apple-Geräte durch-designte Ecken und formvollendete Kan-ten, er selbst ist jedoch ein eher schwie-riger, cholerischer, oft tobender Chef.

Jobs verlangt von seinen Mitarbei-tern viel, alles, und noch mehr. Er lässt sie zwar aus seinen visionären Honigtöp-fen mitschlecken, «knüttelt» aber ihren Geist und ihre Nerven. Legendär sind Jobs Anrufe sonntags in aller Frühe, um sich über irgendein läppisches Detail der roten Lackfarbe eines neuen iPods zu informieren.

Steve Jobs wird am 24. Februar 1955 in San Francisco geboren. Seine unverheirateten Eltern, ein syrischer Politwissenschafter und eine amerika-nische Logopädiestudentin, geben den Sohn zur Adoption frei. Ein Ehepaar na-

mens Jobs nimmt sich des Kindes an, gibt ihm den Namen Steven Paul und lebt mit ihm in einer idyllischen Region, die Jahre später in Silicon Valley umge-tauft wird. Dass er adoptiert ist, wird Jobs erst mit 30 Jahren erfahren.

Der Rest ist die Legende eines cha-rismatischen Irrlichtes. Der Schulabbre-cher, Hippie, Frutarier, dann Veganer, dann Vegetarier, Buddhist, Drogenexpe-rimentierer, Beatles-Fan landet zufällig in einem Computerklub, tut sich mit ein paar Freaks mit seltsamen Brillen und noch seltsameren Haaren zusammen und gründet eine Firma. «Wir brauchen», soll Jobs in den Gründertagen gesagt ha-ben, einen anständigen Namen. «Sonst heisst der Laden … (er beisst eben in ei-nen Apfel) … Apple!» Das war 1976. Und die Geräte mit dem angebissenen Apfel als Logo beginnen die Welt zu verändern, zu erobern. Und zu verschönern.

Die letzten Tage Steve Jobs im Rollstuhl. Sein Sohn Reed, 20, und Ehefrau Laurene wissen, dass es mit ihm zu Ende geht.

Das Büro eines Genies Steve Jobs 2004 in seinem Arbeitszimmer in Palo Alto. Karg und chaotisch. Wurden hier die i-Ideen geboren?

Ruhepause für einen Getriebenen Steve und Laurene Jobs 1997 in ihrem Garten in Palo Alto. u

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steve jobs 1955–2011

Der tod lässt sich vor sieben Jahren zum ersten Mal blicken. Bei Jobs wird Krebs diagnostiziert, heilbar, heisst es, ein Jahr später gilt Jobs als geheilt. Ge-läutert und beseelt von diesem Schock hält er ein Jahr später eine Rede an der Uni Stanford, die heute als Steve Jobs’ «iPhilosophie» verbreitet wird. «Der Tod», doziert er damals, «ist möglicher-weise die beste Erfindung des Lebens. Er ist der Vertreter des Lebens für die Veränderung. Er räumt das Alte weg, um Platz zu machen für das Neue.» Zu wis-sen, bald tot zu sein, habe ihm gezeigt, worauf es wirklich ankomme, sagt Jobs. «Verschwenden wir unsere Zeit nicht damit, das Leben anderer zu leben.»

als uS-Präsident Barack Obama von Jobs’ Tod erfährt, sagt er: «Es gibt wohl keinen besseren Beweis für Steves Erfolg als den Fakt, dass ein Grossteil der Welt die Nachricht seines Todes auf jenen Geräten las, die er erfunden hat.»

Vor dem Haus der Familie Jobs wogt in diesen Tagen ein Meer aus Blumen, Kerzen und Abschiedsbriefen. Alte iPods liegen da wie kleine Grabsteine. Und Äpfel. Frische, rotbackige Äpfel – mit einer angebissenen Seite. Fo

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Marlène von Arx lebt und arbeitet als freie Journalistin in Los Angeles (USA).

marlène von arx, KorreSPonDe ntin Der Schweizer illuStrierten in loS angeleS, über ihr treFFen mit Steve JobS

«Ein Gefühl w ie als Kind vor dem Christbaum»

Text marlène von arx

Es war fast genau auf den Tag vor zehn Jahren. So präzis hätte ich mich nicht erinnert, aber meine

archivierte Agenda besagt, es war Sonntag, der 14. Oktober 2001, als ich mit ein paar anderen Journalisten zusammen zu einem Lunch mit Steve Jobs ins Business-Viertel Century City in Los Angeles eingeladen war. Jobs war damals noch CEO von Pixar und rührte die Werbetrommel für «Monsters, Inc.», Pixars drittem Film nach der digitalen Animations-Revolution, welche die Firma mit «Toy Story» losgetreten hatte.

Celebrity-Treffs gehören freilich zu meinem täglich Brot, da flippt man nicht jedes Mal aus, wenn ein VIP sich an den gleichen Tisch setzt. Nur ab und zu flackert ein Gefühl auf, das einen an die Kindertage vor dem Christbaum erin-nert – besonders wenn die hell strahlen-de Aura des Gegenübers aus einer Sparte kommt, mit der man es im Alltag weniger zu tun hat. Bei Steve Jobs war das sicher der Fall. Von Anfang an und bis heute ein Apple-User, war mir sehr wohl bewusst, dass er mit dem Gerät auf meinem Arbeitsplatz nicht nur meinen Desktop für immer umorgani-siert hatte. Die Aufregung war aber nicht nur von der angenehmen Art. Eine gewisse Nervosität kam auch von den Vorgaben: Den Journalisten wurde angetragen, ihn ausschliesslich nach «Monsters, Inc.» zu fragen. Fragen zu anderen themen wende-te er während des Interviews tatsäch-lich mehrfach ab: «Ich will nicht darüber reden», sagte er knapp und bestimmt. Nicht über die Attacken auf die Twin Towers, die die Welt einen Monat zuvor

erschüttert hatten. Nicht über das Alter seiner drei Kinder, für die er sich durch die Pixar-Filme bessere und «weniger zynische» Familienunterhaltung erhoff-te. «Sie sind sehr jung», sagte er nur. Immerhin liess er sich eine «monströse» Erinnerung aus seiner eigenen Jugend aus der Nase ziehen: «Während der Kuba-Krise war ich sieben oder acht Jahre alt. Das war keine gute Zeit. Ich ging jeden Abend mit dem Gedanken ins Bett, dass ich am nächsten Morgen möglicherweise nicht mehr aufwachen würde.» Selbst über apple mochte er sich damals nicht weiter äussern. Das Unter-nehmen hatte keine einfache Zeit hinter sich, und das Silicon Valley machte gerade eine Cleansing-Phase durch: «Viele Start-ups hatten halt keine Ideen, die grossartig genug für ein ganzes Unternehmen waren», so Jobs über die geplatzte Dotcom-Blase. Das hätte man ihm auch als Hochmut auslegen können. Aber er hatte ja recht. «Sie wurden teilweise nur auf einer Feature-Idee eines Produktes gegründet, um schnel-

les Geld zu machen. Die, die nur schnell reich werden wollten, sind nun wieder weg, und man findet wieder Parkplät-ze.» Dabei war Steve Jobs in Palo Alto oft mit dem Velo unterwegs – in Shorts und in Begleitung seines mitradelnden Sohnes soll er dort nicht selten den Apple-Laden besucht haben. was der für seine Geheimniskräme-rei bekannte Chefdenker während des freundlichen, aber auch distanziert nüchternen Gesprächs ebenfalls nicht verriet: Nur neun Tage später würde er den ersten iPod vorstellen. Der Rest ist Musikgeschichte.Ein paar Jahre später hätte ich Steve Jobs nochmals bei einer Tour der Pixar-Studios in Emeryville treffen sollen. Aber er sagte kurzfristig ab. Seine Tochter hatte sich am Morgen bei einem Sturz einen Zahn ausgeschlagen, und so ging er mit ihr zum Zahnarzt statt zum internationalen Pressetermin. Mit Steve Jobs verlor die Welt einen einmaligen Visionär, einen gefürchteten Geschäftsmann – und einen für sorg-lichen Vater.

Fruchtige Idee 1976 posiert Jobs mit einem Apfel. In diesem Jahr gründet er mit Steve Wozniak und Ronald Wayne die Computerfirma Apple – in einer Garage.

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