Termine · Author: user Created Date: 3/1/2011 1:42:05 PM
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Stadtteilbegehungen in Innsbruck –
Wilten und Olympisches Dorf
im Rahmen des EIF-Projekts „Integrationsindikatoren und -monitoring im regionalen
Kontext - Schwerpunkt Wohnen in Tirol“ des ZeMiT - Zentrum für MigrantInnen in Tirol
Einleitendes zum Projektaufbau
Im Jahr 2010 führte das ZeMiT - Zentrum für MigrantInnen in Tirol mit Fördermitteln aus dem
Europäischen Integrationsfonds (EIF) und Kofinanzierungen des Bundesministerium für Inneres
(BMI) und des Landes Tirol (Fachbereich Integration, Abteilung Soziales) ein Projekt mit dem
Themenschwerpunkt Wohnen durch.
Dabei war es für das Projektteam vor allem interessant, zum einen die Wohnsituation von Menschen
mit Migrationshintergrund zu analysieren und zum anderen die Wohnungsvergabepraxen
ausgewählter Gemeinden in Tirol zu dokumentieren. Dadurch entstanden im Projektzeitraum zwei
Studien, die auf der Homepage des IMZ – Informations- und Monitoringzentrum für Migration und
Integration in Tirol unter folgenden Link zum Download bereitstehen:
http://www.imz-tirol.at/leitbilder-artikel-interviews-uvm.html#Wohnen
Außerdem organisierte das ZeMiT im November 2010 eine Fachtagung mit dem Titel„Wohnen
und Migrationsgesellschaft in Tirol“, in welcher über die Praxen der öffentlichen
Wohnungsvergabe und deren Auswirkungen aus die sozialräumliche Verteilung von Menschen mit
Migrationshintergrund diskutiert wurde. Erfreulicherweise war das Interesse vor allem seitens der
für die Wohnungsvergabe zuständigen BeamtInnen in den einzelnen Gemeinden sehr groß. Dadurch
entwickelte sich die Tagung zu einer interessanten und praxisnahen Veranstaltung. Die
Tagungsdokumentation findet sich ebenfalls zum Download auf der IMZ-Homepage (s.o).
Stadtteilbegehungen in Innsbruck – Wilten und Olympisches Dorf; ZeMiT 2010 1
Stadtteilbegehungen
Zusätzlich zu den beiden Projektstudien und der Fachtagung wurde auch das Konzept der
Stadtteilbegehung als ergänzendes Instrument in das Projekt mit aufgenommen. Quartiers-
begehungen bzw. Stadtteilbegehungen können zu einer vertiefenden Analyse von sozial-räumlicher
Verteilungen unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen herangezogen werden und sind durch ihren
induktiven Blick „von unten“ auch eine für den wissenschaftlichen Prozess sinnvolle Ergänzung zu
statistisch-objektivierenden Datenmaterial. Der Fokus der meisten sozial-räumlichen Analysen liegt
dabei auf (ethnischer) Segregation und soziale Benachteiligung. In der bundesdeutschen
Sozialraumforschung haben sich dafür verschiedene Bezeichnungen etabliert: benachteiligte
Quartiere, soziale Brennpunkte, marginalisierte Quartiere etc.
Außerdem stellen manche WissenschafterInnen einen Konnex zwischen dem Leben in sozial
benachteiligten Stadtteilen (hohe Armutsgefährdung und Erwerbsarbeitslosenzahlen, wenig
öffentliche Investitionen, schlechte Wohn- und Gebäudequalität) und den daraus entstehenden
benachteiligenden Strukturen für die BewohnerInnen her (Häußermann 2004, 162).
Eine Studie des ZeMiT über die sozial-räumliche Verteilung von Menschen mit
Migrationshintergrund sowie über die öffentliche Vergabepraxis von Gemeindewohnungen in Tirol
hat gezeigt, dass in Tirol bzw. Innsbruck nur marginale bis kaum vorhandene
Segregationstendenzen entlang ethnischer Zugehörigkeit als auch nach sozio-ökonomischen
Kriterien festzustellen sind (Moser/Masuch 2010, 27-28).
Für das laufende Projekt des ZeMiT konnte aufgrund der anderen Schwerpunkte nur eine sehr
reduzierte Variante der Stadtteilbegehungen gewählt werden. An drei Tagen im Dezember 2010
wurden die beiden Innsbrucker Stadtteile Wilten und das Olympische Dorf (O-Dorf) mithilfe eines
Leitfadens und einer Fotokamera „ergangen“. Als Grundlage für den Leitfaden diente die sehr
umfassende Studie von Janßen/Polat (2006), die als Dissertation an der Carl von Ossietzky
Universität Oldenburg eingereicht wurde.
Eine Begründung zur Auswahl dieser beiden Stadtteile sowie demografische Informationen dazu,
findet sich auf den nächsten Seiten.Daran anschließend sind die Ergebnisse der Begehungen
(Fotos, PassantInnen-Gespräche und gesammelte Eindrücke) als Fotocollage mit beschreibenden
Texten zu finden.
Stadtteilbegehungen in Innsbruck – Wilten und Olympisches Dorf; ZeMiT 2010 2
Stadt Innsbruck – Demografische Informationen
In der Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck lebten mit Jahresbeginn 2010 etwas mehr als 120.000
Menschen mit Erstwohnsitz. Die EinwohnerInnen-Zahl hält sich seit den 1960er Jahren konstant
über 100.000 Menschen. Insgesamt zogen in den letzten Jahren mehr Menschen zu als abwanderten.
Rund ein Sechstel der Wohnbevölkerung ist bis 20 Jahre alt, ein Viertel ist über 60 Jahre alt und
knapp 70.000 Menschen sind im Haupterwerbsalter zwischen 20 und 60 Jahren. 52 % der
Bevölkerung ist weiblich (Stadtstatistik Innsbruck 2010).
Der Anteil von Menschen ohne österreichische Staatsangehörigkeit liegt in Innsbruck bei rund 17 %
(20.000) und ist damit einer der höchsten in ganz Tirol. Das hängt zum einen damit zusammen, dass
generell mehr Menschen mit Migrationshintergrund in städtischen Ballungszentren leben als am
Land. Zum anderen ist Innsbruck eine StudentInnen-Stadt, in der viele junge Menschen aus dem
(EU)-Ausland zuziehen. Wird „nicht-österreichische Staatsangehörigkeit“ nach EU-BürgerInnen
und Drittstaatsangehörigen ausdifferenziert, so ergibt sich folgendes Bild: Rund 55 % der in
Innsbruck lebenden Personen haben eine Nicht-EU-Staatsangehörigkeit, 45 % sind BürgerInnen
eines der 26 EU-Mitgliedsstaaten.
Wesentliche Unterschiede ergeben sich allerdings, wenn die einzelnen Herkunftsländer detaillierter
betrachtet werden: 4.700 Menschen sind deutsche StaatsbürgerInnen, 3.700 Menschen haben eine
Staatsangehörigkeit eines jugoslawischen Nachfolgestaates (in der Reihenfolge: Serbien, Bosnien-
Herzegowina, Kroatien) knapp 3.000 Menschen haben eine türkische und 2.100 Menschen eine
italienische Staatsangehörigkeit. Insgesamt leben in Innsbruck Menschen aus über 145
verschiedenen Herkunftsstaaten.
Die sozial-räumliche Verteilung von Menschen mit nicht-österreichischer Staatsangehörigkeit
variiert in den 20 verschiedenen Stadtteilen von Innsbruck unterschiedlich stark. 60% aller
Personen ohne österreichische Staatsangehörigkeit wohnen in den sechs (westlichen) Stadtteilen
Wilten, Pradl, Höttinger-Au, Hötting-West, Innenstadt und Hötting. Die mit Abstand wenigsten
Menschen mit Migrationshintergrund leben in den Stadtteilen Vill, Arzl, Reichenau, Hungerburg
und Amras. Eine ausführliche Darstellung zu den einzelnen Stadtteilen findet sich in der
nachstehenden Grafik.
Stadtteilbegehungen in Innsbruck – Wilten und Olympisches Dorf; ZeMiT 2010 3
Die bevölkerungsstärksten Stadtteile Innsbruck sind (siehe Abbildung) Pradl mit fast 20.000
Menschen, Wilten mit 13.500 sowie die Höttinger Au und Hötting West mit je 12.000 Menschen.
Allein in diesen vier Stadtteilen leben fast die Hälfte der gesamten Wohnbevölkerung Innsbrucks.
Die zahlenmäßig meisten Menschen mit nicht-österreichischer Staatsangehörigkeit leben in Wilten
(2.800), Pradl (2.600) und Höttinger Au (2.300).
Quelle: Sekundäranalyse zur Migration in Nordtirol. Statistisches Jahrbuch zur Migration in
Nordtirol 2009 (unveröffentlicht). MigrAlp-ZeMiT. Stadtstatistik Innsbruck. Stand: 31.12.2008.
Wenn die Kategorie „nicht-österreichische Staatsangehörigkeit“ nach einzelnen Herkunftsländer
aufgeschlüsselt wird, zeigt sich, dass in Wilten die mit Abstand meisten Menschen aus Deutschland
und in Pradl innsbruckweit die meisten Menschen aus der Türkei leben. Auch bei Personen aus
Italien und Bosnien-Herzegowina liegt Wilten an der Spitze (siehe nachstehende Abbildung).
Stadtteilbegehungen in Innsbruck – Wilten und Olympisches Dorf; ZeMiT 2010 4
Staatsangehörigkeit
Stadteil Österreich Nicht-Österreich Zusammen
Innenstadt 3.996 1.324 5.320
Mariahilf - St. Nikolaus 2.598 884 3.482
Dreiheiligen - Schlachthof 3.275 583 3.858
Saggen 5.180 714 5.894
Wilten 10.700 2.829 13.529
Sieglanger/Mentlberg 1.997 325 2.322
Pradl 17.308 2.576 19.884
Reichenau 9.360 762 10.122
Hötting 5.032 1.014 6.046
Höttinger Au 10.002 2.313 12.315
Hötting West 10.223 1.412 11.635
Hungerburg 787 94 881
Mühlau 1.701 466 2.167
Gewerbegebiet Mühlau/Arzl 1.545 505 2.050
Arzl 3.469 357 3.826
Olympisches Dorf 6.238 735 6.973
Amras 4.331 528 4.859
Gewerbegebiet Roßau 78 224 302
Vill 495 39 534
Igls 1.891 332 2.223
insgesamt 100.206 18.016 118.222
Quelle: Sekundäranalyse zur Migration in Nordtirol. Statistisches Jahrbuch zur Migration in
Nordtirol 2009 (unveröffentlicht). MigrAlp-ZeMiT. Stadtstatistik Innsbruck. Stand: 31.12.2008.
Für die Stadtteilbegehungen wurden die beiden Stadtteile Wilten und das Olympische Dorf (O-
Dorf) ausgewählt, da sich beide Gebiete sehr unterscheiden. Wilten liegt sehr zentrumsnah und ist
durch einen hohen Bestand an Altbauwohnungen (max. 4 Stockwerke) und einem hohen
Kleingewerbeanteil gekennzeichnet. Das O-Dorf hingegen wurde während der beiden Olympischen
Winterspiele in Innsbruck 1964 und 1976 gebaut und erweitert. Es liegt sehr peripher am östlichen
Ende der Stadt und ist durch die vielen Wohnhochhäuser von weitem sichtbar. Verkehrstechnisch ist
das O-Dorf trotzdem sehr gut angebunden.
In der medialen und gesellschaftlichen Wahrnehmung gilt das O-Dorf ob seines (behaupteten)
hohen AusländerInnen-Anteils als Problembezirk. Vor allem in der lokalen und regionalen Presse
sind die Volks- und Hauptschulen im O-Dorf immer wieder Gegenstand integrationspolitischer
Diskussionen. Demgegenüber wird der Stadtteil Wilten, obwohl dort statistisch mehr Menschen
ohne österreichische Staatsangehörigkeit leben, selten bis gar nicht als Negativbeispiel für
„Integrationsprobleme“ thematisiert.
Die Stadt Innsbruck besteht aus insgesamt 9 Katastralgemeinden (Innsbruck, Pradl, Wilten, Amras,
Hötting, Vill, Igls, Arzl und Mühlau), die früher alle eigenständige Gemeinden waren und ab 1904
nach Innsbruck eingemeindet wurden. Weiters wird die Stadt in in 20 Stadtteile, 42 statistische
Bezirke und 178 statistische Zählsprengel unterteilt.
Im Stadtteileplan der Stadt Innsbruck auf der nächsten Seite sind alle 20 Stadtteile Innsbrucks
farblich unterschiedlich nummeriert. Die dunkelgelbe Fläche im Süden mit der Nummer 5 zeichnet
die Fläche des Stadtteils Wilten nach, die etwas hellere gelbe Fläche im Nordosten mit der Nummer
16 ist die Umrahmung des flächenmäßig um sehr vieles kleineren Olympischen Dorfs (O-Dorfs).
Stadtteilbegehungen in Innsbruck – Wilten und Olympisches Dorf; ZeMiT 2010 5
Staatsangehörigkeit
Deutschland Türkei ItalienIn % In % in% In %
649 17,5 366 13,2 355 18,5 271 22,3 101 13,7 418 11,2 557 20,1 244 12,7 215 17,7 116 15,7
Reichenau 101 2,7 229 8,2 96 5,0 40 3,3 38 5,2 310 8,3 81 2,9 154 8,0 28 2,3 24 3,3 427 11,5 311 11,2 241 12,6 172 14,2 93 12,6 346 9,3 156 5,6 170 8,9 72 5,9 52 7,1
Hungerburg 47 1,3 1 0,0 12 0,6 2 0,2 0 0,0 101 2,7 35 1,3 38 2,0 17 1,4 39 5,3
Olympisches Dorf 57 1,5 259 9,3 32 1,7 54 4,4 59 8,0
StadteilBosnien und Herzegowina
Serbien und Montenegro
abs. abs. rel. abs. abs. abs.WiltenPradl
HöttingHöttinger AuHötting West
Mühlau
Die 20 Stadtteile der Stadt Innsbruck
Quelle: http://www.innsbruck.at/io30/download/Dokumente/Content/Statistik/RaeumlichesBezugssystem/innsbruck-stadtteile.pdf?disposition=inline
Wilten – zwischen Bergisel und Innenstadt
Im südlich gelegenen Innsbrucker Stadtteil Wilten leben rund 13.500 Menschen. Begrenzt wird der
im Jahr 1904 eingemeindete zweitgrößte Stadtteil im Westen durch den Inn, im Osten durch die Sill,
und im Süden durch den Bergisel. Die beiden wichtigsten Nord-Süd-Straßen durch Wilten sind die
Bürgerstraße und die Leopoldstraße, die bei der Triumphpforte in die Maria-Theresienstraße
einmündet. Auf der Südseite durchschneidet der so genannte Südring, die Hauptverkehrsstraße mit
über 40.000 Fahrzeugen täglich, den Stadtteil. Entlang der B174, wie der Südring offiziell
bezeichnet wird, sind vorwiegend gewerbliche Gebäude südseitig sowie mehrgeschossige
Wohngebäude nordseitig zu finden.
Der „Südring“ mit Blick Richtung Graßmayr-Kreuzung, ein Nadelöhr im Innsbrucker Stadtverkehr.
Rund 40.000 Fahrzeuge werden jeden Tag auf diesen 5 Kilometer langen Straßenabschnitt gezählt.
Alle in dieser Publikation verwendeten Fotos stammen vom ZeMiT-Team und unterliegen daher dem UrheberInnen-Recht.
Stadtteilbegehungen in Innsbruck – Wilten und Olympisches Dorf; ZeMiT 2010 7
Die Triumphpforte bildet die Grenze zwischen Wilten und der Innenstadt. Südlich davon führt die
Leopoldstraße über das Wiltener Platzl zum Stift Wilten. Entlang der Leopoldstraße sind sehr viele
kleingewerbliche Betriebe (Gastronomie, Handyläden, Modegeschäfte, Erotikläden usw.) zu finden.
Stadtteilbegehungen in Innsbruck – Wilten und Olympisches Dorf; ZeMiT 2010 8
Das Areal des Hauptbahnhofs liegt zu einem Großteil ebenfalls in Wilten. Die Südbahn führt über
den Brenner nach Italien, die Westbahn nach Vorarlberg. In der Nähe des Hauptbahnhofes hat sich
wie in vielen anderen größeren Städten eine „migrantische“ Unternehmenskultur entwickelt, die
von Restaurants und Imbissen über Handygeschäften bis zu Reisebüros usw. reicht. Einer Studie
der Tiroler Wirtschaftskammer aus dem Jahr 2010 zufolge haben 43 % der „ausländischen“
UnternehmerInnen in Tirol die türkische Staatsangehörigkeit (WK Tirol 2010).
Stadtteilbegehungen in Innsbruck – Wilten und Olympisches Dorf; ZeMiT 2010 9
Die Gebäude in Wilten sind oft nicht reine Wohnanlagen, sondern ein Mix aus Geschäftslokalen,
Büros oder Vereinslokale im Erdgeschoss und Wohnungen in den oberen Stockwerken. Die
Gebäude entlang der eher östlich gelegene Straßenzüge Speckbacherstraße, Schöpfstraße, Franz-
Fischer-Straße und der kleineren Seitenstraßen haben meistens nicht mehr als 4 Stockwerke.
Stadtteilbegehungen in Innsbruck – Wilten und Olympisches Dorf; ZeMiT 2010 10
Der gesamte Stadtteil Wilten ist als Kurzparkzone ausgewiesen. Durch die Nähe zur Innenstadt und
zur Universität nützen viele BewohnerInnen das Rad als Fortbewegungsmittel oder gehen zu Fuß.
Abgesehen von der Straßenbahnlinie 1 (Richtung Bergisel) und einiger anderer Busverbindungen
der lokalen Verkehrsbetriebe (IVB) ist der Stadtteil mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur sehr
eingeschränkt erreichbar.
Auffallend ist auch der sehr gute bauliche
Zustand (soweit von außen erkennbar) der
meisten Gebäude in Wilten. Wenig bis gar keine
Zerstörungen an Hausfassaden, Hauseingängen
oder Müllinseln.
Die in den letzten Jahren
rasant gestiegene Anzahl
von Wettlokalen ist ein zu
beobachtendes Phänomen,
sowohl im O-Dorf als
auch in Wilten. Allein in
der Nähe der südlichen
Leopoldstraße sind in
geringer räumlicher
Distanz sieben Wettlokale
zu finden.
Stadtteilbegehungen in Innsbruck – Wilten und Olympisches Dorf; ZeMiT 2010 11
Am (süd)östlichen Ende von
Wilten verändert sich die
Architektur merklich. Im Bild zu
sehen sind die über 10
Stockwerke hohen Wohnanlagen
an der Freiburger Brücke. Die
Hochhäuser stehen in
unmittelbarer Nähe der
Karwendelbahn, einer
eingleisigen Eisenbahnstrecke
über Seefeld nach Garmisch-
Partenkirchen und weiter nach
München. Etwa 500 Meter weiter
südlich liegt die Westbahn und
die Autobahn A12 nach
Vorarlberg.
Links unten: Satellitenschüsseln
an fast jedem Balkon
Rechts unten: Berufsschule
Stadtteilbegehungen in Innsbruck – Wilten und Olympisches Dorf; ZeMiT 2010 12
Viele der Gebäude in unmittelbarer Nähe zur Eisenbahnstrecke (entlang des Südringes, Egger-
Lienz-Straße) wurden in den Weltkriegsjahren 1939-45 von den Allierten zerstört. An vielen
Häuserfassaden finden sich solche Tafeln, die an den Wiederaufbau nach der Befreiung vom
nationalsozialistischem Terror-Regime in den 1950er und 1960er Jahre erinnern.
Stadtteilbegehungen in Innsbruck – Wilten und Olympisches Dorf; ZeMiT 2010 13
Im Wilten ist sowohl die
regionale Stelle des AMS-
Arbeitsmarktservice als auch die
Landesgeschäftsstelle zu finden.
In unmittelbarer Nähe liegen
auch die Arbeiterkammer sowie
verschiedene Institute der
Innsbrucker Universität.
Während in der „Mitte“ von
Wilten private Atlbauwohnungen
dominieren, sind in der Nähe des
Südringes vermehrt öffentliche
Stadtwohnungen zu finden. In
diesen Wohnungen leben
häufiger Menschen mit
Migrationshintergrund.
Gründe dafür sind neben den
hohen Mietpreisen bei
Privatwohnungen auch
diskriminierende Verhaltensweisen von VermieterInnen beim Zugang zu privatem Wohnraum.
Die beiden Fotos unten zeigen stadteigene Wohnhausanlagen in der Speckbacherstraße. Wie so
viele Straßen in Wilten, erinnert die Namensgebung an die Tirol Freiheitskämpfe im Jahr 1809
(Andreas-Hofer-Straße, Haspingerstraße)
Stadtteilbegehungen in Innsbruck – Wilten und Olympisches Dorf; ZeMiT 2010 14
Abgesehen vom Beselepark und dem Pechepark sowie der Innpromenade finden sich in Wilten
kaum Grünflächen oder Parks – mit Ausnahme der meist privaten Innenhöfe in den Wohnhaus-
anlagen. Mit nur 11 öffentlich zugänglichen Erholungs- und Spielanlagen auf einer Gesamtfläche
von weniger als 5 Hektar leben die Menschen in Wilten auf sehr dicht bebauten Gebiet. Zum
Vergleich: In Pradl stehen 23 Spielanlagen auf 14 Hektar zur Verfügung (ein Gros davon macht der
Rapoldipark aus), in Hötting sind es sogar 26 Anlagen auf 23 Hektar. (Stadtstatistik Innsbruck)
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in Wilten eine sehr hohe soziale Durchmischung auf sozio-
ökonomischer, generationaler und „ethnischer“ Ebene vorzufinden ist. Junge, urbane Studierende
leben ebenso im Stadtviertel wie Angehörige der ersten und zweiten „Gastarbeitergeneration“ aus
der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien. Ein Indiz dafür ist die im Vergleich zu anderen
Innsbrucker Stadtteilen sehr niedrige PensionistInnen-Quote und die – für in universitärer
Ausbildung stehende Menschen erwartbare – ebenfalls niedrige Kinderquote. 40 Prozent der
Wiltener Bevölkerung ist zwischen 20 und 40 Jahre alt, der höchste Wert in ganz Innsbruck.
Außerdem ist Wilten zusammen mit dem O-Dorf der einzige Stadtteil Innsbrucks, in denen in den
Jahren 2008 und 2009 kein einziges Gebäude neu errichtet wurde. (Stadtstatistik Innsbruck)
Stadtteilbegehungen in Innsbruck – Wilten und Olympisches Dorf; ZeMiT 2010 15
Das Olympische Dorf – das größte Dorf Tirols
Im nordöstlich gelegenen Innsbrucker Stadtteil Olympisches Dorf, im alltäglichen Sprachgebrauch
besser als O-Dorf bekannt, leben rund 7.000 Menschen. Direkt angrenzend auf der nördlichen Seite
ist der Stadtteil Gewerbegebiet Mühlau-Arzl, besser bekannt unter dem Namen „Neu-Arzl“, wo
ebenfalls rund 2.000 Menschen leben. Die meisten davon leben allerdings südlich der Bundesstraße
B171, der Tiroler Bundesstraße. Im Süden wird das O-Dorf durch den Inn begrenzt, im Osten geht
es nahtlos in den Ortsteil Neu-Rum über, welcher zu der 9.000 EinwohnerInnen-Gemeinde Rum
gehört. Die Hauptdurchzugsstraße im O-Dorf bildet die rund 1,5 Kilometer lange, von West nach
Ost verlaufende Schützenstraße. Entlang der 4-spurigen B171 findet sich auf nördlicher Seite ein
großes Gewerbegebiet. Das O-Dorf ist Innsbrucks jüngster Stadtteil, der in den 1960er und 1970er
Jahren durch die Olympischen Spiele gleichsam neu errichtet wurde. Die Infrastruktur ist daher
nicht über Jahrzehnte gewachsen, wie in anderen historischen Stadtteilen, sondern wurde geplant.
Blick von der Grenobler Brücke, der Verbindung zwischen Neu-Arzl und Reichenau auf die
markanten Hochhäuser des Olympischen Dorfes entlang des Inn.
Stadtteilbegehungen in Innsbruck – Wilten und Olympisches Dorf; ZeMiT 2010 16
Entlang der Schützenstraße finden sich einige eingeschossige Kleingewerbeläden (Friseurläden,
Cafés, Imbisse, Restaurants, Wettlokale, Versicherungsunternehmen) sowie am Anfang Wohnhäuser
mit maximal 4 Stockwerken. Im Gegensatz zu Wilten befinden sich im gesamten O-Dorf (fast)
keine Kurzparkzonen für PKWs.
Stadtteilbegehungen in Innsbruck – Wilten und Olympisches Dorf; ZeMiT 2010 17
Das Ende der Schützenstraße geht direkt in Serlesstraße über, die schon zur Marktgemeinde Rum
(Ortsteil Neu-Rum) zählt. In Neu-Rum gibt es unzählige große Einkaufsmärkte und sonstige
Gewerbebetriebe, wie den Hinweisschildern auf dem Foto zu entnehmen ist. Die räumliche Nähe zu
diesen Einkaufszentren ist auch ein Grund dafür, dass für die rund 7.000 BewohnerInnen im O-Dorf
als Nahversorger nur ein Supermarkt am zentralen DDr.-Alois-Lugger-Platz, benannt nach dem
langjährigen Innsbrucker Bürgermeister, in dessen Amtszeit die beiden Olympischen Winterspiele
1964 und 1976 fielen, zur Verfügung steht.
Stadtteilbegehungen in Innsbruck – Wilten und Olympisches Dorf; ZeMiT 2010 18
Prägend für das Erscheinungsbild des O-Dorfes sind die Wohnhochhäuser mit meist mehr als 10
Stockwerken. Entlang der An-der-Lan-Straße, der Josef-Kerschbaumer-Straße, der Kajetan-Sweth-
Straße und dem Kugelfangweg befinden sich die meisten Wohnanlagen. Im Gegensatz zu
Wohngebieten in Wilten oder Pradl, befinden sich meist auch Grünanlagen, Spielplätze oder kleine
Parks im Umfeld der Hochhäuser.
Stadtteilbegehungen in Innsbruck – Wilten und Olympisches Dorf; ZeMiT 2010 19
Neben der Volksschule Neu-Arzl, hier im Bild mit dem Fussballplatz im Vordergrund, gibt es im O-
Dorf noch eine Doppelhauptschule (Neue Mittelschule und Musikhauptschule). Im O-Dorf leben im
Vergleich zu anderen Stadtteilen weniger Kinder unter 15 Jahren. Auf der anderen Seite ist der
Anteil an PensionistInnen an der Wohnbevölkerung in keinem Stadtteil so hoch wie hier. Mehr als
ein Drittel der Bevölkerung ist über 60 Jahre alt.
Stadtteilbegehungen in Innsbruck – Wilten und Olympisches Dorf; ZeMiT 2010 20
Die Sepp-Grünbacher-Promenade, benannt nach einem SP-Gemeinderat aus dem O-Dorf, führt
entlang des Inns von der Grenobler bis zur New-Orleans-Brücke, die direkt zum künstlich
angelegten Baggersee in der Rossau führt. Ebenfalls auf Höhe der New-Orleans-Brücke befindet
sich das städtische Hallenbad. Dort endet am Kugelfangweg auch das bebaute Innsbrucker O-Dorf
und weiter östlich liegen schon die Felder von Rum (siehe Bild unten rechts).
Stadtteilbegehungen in Innsbruck – Wilten und Olympisches Dorf; ZeMiT 2010 21
Migrantische Unternehmen sind
im O-Dorf – auch aufgrund der
geringen Zahl an Gewerbe-
treibenden – sehr wenige zu
finden. Kleine Greislerläden in
der Schützenstraße sind
PassantInnen- Gesprächen
zufolge in den letzten Jahren und
Jahrzehnten immer weniger
geworden, was nicht zuletzt an
der Nähe zum Neu-Rumer
Gewerbegebiet liegt.
(siehe Bild rechts unten)
Es ist bezeichnend, dass die drei
im O-Dorf angesiedelten Banken
in einem Radius von 100 Metern
entlang der Schützenstraße zu
finden sind. (Bild links unten)
Ebenfalls interessant war die Aussage einer O-Dorf-Bewohnerin, dass sich in den letzten Jahren vor
allem die Zahl der Wettlokale erhöht habe.
Stadtteilbegehungen in Innsbruck – Wilten und Olympisches Dorf; ZeMiT 2010 22
Der Kugelfangweg am östlichen
Ende des Olympischen Dorf
trennt die beiden Gemeinden
Innsbruck und Rum. Auf diesem
Bild ist eine Tafel der
Marktgemeinde Rum abgebildet,
auf der linken Straßenseite sind
Wohnanlagen auf den
Gemeindegründen von Rum, auf
der rechten Straßenseite jene der
Stadt Innsbruck.
Aufgrund des schnellen
Wachstums dieses Stadtteils
befinden sich rund 400
Wohnungen, die vom Wohnungs-
referat der Stadt Innsbruck
vergeben werden auf Rumer
Gemeindegebiet. Dies
führte in der Vergangenheit zu
einigen Auseinandersetzungen zwischen dem Bürgermeister von Rum und der für die
Wohnungsvergabe zuständigen Stadträtin von Innsbruck.
Unten sind zwei Fotos abgebildet, die beide am Kugelfangweg gemacht wurden. Links sind
Wohnanlagen auf Rumer, rechts auf Innsbrucker Gemeindegebiet zu sehen.
Stadtteilbegehungen in Innsbruck – Wilten und Olympisches Dorf; ZeMiT 2010 23
Die verkehrstechnische An-
bindung des Stadtteils O-Dorf
an Innsbruck ist einerseits durch
ein sehr gut ausgebautes
öffentliches Bus-Netz der lokalen
Verkehrsbetriebe (Linie O)
gewährleistet. Andererseits ist es
vor allem der Individualverkehr,
mit dem die meisten Menschen
zur Arbeit über die Grenobler
Brücke fahren (siehe Bild).
In den nächsten Jahren wird
zudem die die Straßenbahnlinie 3
zwischen den westlich gelegenen
Stadtteilen Hötting-West
(Technik West) und dem östlich
gelegenen O-Dorf ausgebaut.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Olympische Dorf in erster Linie ein Stadtteil mit einer
hohen Dichte an Wohnhausanlagen ist und sich sehr wenig (Klein)Gewerbebetrieben dort befinden.
Trotzdem ist durch die räumliche Nähe zum Gewerbegebiet Neu-Rum die gesamte alltägliche
Basis-Infrastruktur (Lebensmittel, Kiosk, Trafiken) sowie die Möglichkeiten der Kinderbetreuung
und Jugendarbeit vorzufinden. Während der Stadtbegehung an einem Freitag vormittag waren
auffällig viele ältere Menschen im öffentlichen Straßenbild zu sehen, was mitunter auf die im
Vergleich zum restlichen Innsbruck höchste PensionistInnen-Quote zurückzuführen ist.
Außerdem hervorzuheben sind die vielen – teilweise privaten - Grünflächen entlang des Inns und
die Spielanlagen (Fußball und Spielplätze), die das Bild einer „betonierten Wohnsiedlung“
kontrastieren.
Bei den Gemeinderatswahlen 2006 war die Innsbrucker SP im O-Dorf stimmenstärkste Partei (30
%). Überdurchschnittlich stark waren auch die beiden rechtsnationalen Listen der FP und Liste
Federspiel mit zusammen mit fast 25 Prozent. Im Gegensatz dazu waren in Wilten die Bürger-
meisterInnen-Liste „Für Innsbruck“ mit 26 Prozent, vor den Grünen (23 %) und der SP (20 %) die
stimmenstärksten Parteien. Die beiden rechtsnationalen Parteien erhielten weniger Stimmen als im
Gesamtdurchschnitt. (Stadtstatistik Innsbruck)
Stadtteilbegehungen in Innsbruck – Wilten und Olympisches Dorf; ZeMiT 2010 24
Literatur
Häußermann, Hartmut / Siebel, Walter (2004). Stadtsoziologie. Eine Einführung. Frankfurt/Main.
Hopfgartner, Marlene / Garbislander, Stefan / Achatz, Bernhard / Murat, Silvia (2010).
UnternehmerInnen mit Migrationshintergrund in Tirol. Tiroler Regionalpolitische Studien Nr. 47.
Wirtschaftskammer Tirol, Innsbruck.
Janßen, Andrea / Polat, Ayça (2005). Zwischen Integration und Ausgrenzung – Lebensverhältnisse
türkischer Migranten der zweiten Generation. Dissertation an der Carl von Ossietzky Universität
Oldenburg.
Moser, Andrea / Masuch Laura (2010). Wohnungsmarkt, Wohnsituation und Wohnungsvergabe in
ausgewählten Tiroler Gemeinden. Studie des ZeMiT - Zentrum für MigrantInnen in Tirol.
Online: http://www.imz-tirol.at/leitbilder-artikel-interviews-uvm.html#Wohnen
Abgerufen am 17. Februar 2011.
Stadtstatistik Innsbruck
Online: http://www.innsbruck.gv.at/io30/browse/Webseiten/Content/Statistik
Abgerufen am 15. Dezember 2010.
Sekundäranalyse zur Migration in Nordtirol. Statistisches Jahrbuch zur Migration in Nordtirol 2009
(unveröffentlicht). MigrAlp-ZeMiT.
Stadtteilbegehungen in Innsbruck – Wilten und Olympisches Dorf; ZeMiT 2010 25