StudiVersum 41

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STUDI VERSUM NUMMER 41  | 2011.11 International DIE KUNST DER GUTEN REDE 09 DER WEG ZUM PROF 28 SEMESTRA.CH FEIERT JUBILäUM! 30

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International

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STUDIVERSUM

NUMMER 41 | 2011.11

InternationalDIE KUNST DERgUTEN REDE 09 DER WEg zUM PRof 28 SEMESTRa.ch fEIERT jUbIläUM! 30

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Würden Sie Ihren besten Freund kastrieren?Wir schon.Streunerhunde brauchen Hilfe.

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3 STUDIVERSUM | 2011.11

04 LIEBLINGSDING

WaRUM Ich MEINE gITaRRE lIEbE

05 UMFRAGE

WaS WIllST DU Noch lERNEN?

06 AUS DEM LEBEN

WE No SPEaK EcoNoMIcaNo

08 ATELIER

MaNUfaKTUR – MoN aMoUR

09 WISSENSCHAFT

REDEN IST golD?

10 DAS UNIKAT

go foR ThE ThEME!

28 UNIPOLITIK füR IMMER PRof?

30 REPORTAGE DaRE To TRy!

32 UNTERHALTUNG IMPRESSUM, DENKSPIEl

33 DIE FLOTTE 3ER-WG SPoNTaNITäT IST lERNbaR

34 WIE ANNO DAZUMAL

KEIN fRUST IM fRoST

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Erasmus’ Nachkommen

Zoll – Douane – Dogana

Sprachen in Mode

Reisefieber grassiert

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Würden Sie Ihren besten Freund kastrieren?Wir schon.Streunerhunde brauchen Hilfe.

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Moin moin, liebe Leserinnen und Leser, so grüssen übrigens die Hamburger. Aber wirklich viel «Hamburgisch» hab ich in mei-nem Erasmussemester eigentlich nicht ge-lernt. «Geschnackt» (geschwatzt) haben wir vor allem auf Englisch, obwohl viele durch-aus gut Hochdeutsch sprachen. «Hambur-gisch» ist übrigens auch das Titelbild dieser Ausgabe.

Heitere kulturelle und sprachliche Miss-verständnisse gab es im Erasmussemester zuhauf. Eines Abends in unserem Irish Pub erlaubt sich Mike (aus Australien) ei-nen kleinen Scherz mit mir: «Weisst du, in Australien sagen wir beim Anstossen ‹Up yours!›.» Hier soll angefügt werden, dass ich sehr müde war und nicht wirklich nachdachte. In voller Überzeugung jetzt al-so «Prost!» zu sagen, dreh ich mich zu Olly (aus England), heb mein Bier und sag: «Up yours!»…

Bis zum Ende des Semesters war das der Trinkspruch unserer fast zehnköpfigen Cli-que.

Auch Martina Zimmermann und Julia Krättli haben sich mit Erasmus – dem Hu-manisten und dem Austauschprogramm – auseinandergesetzt. Vier Studierende er-zählten ihnen von ihren Erfahrungen im Ausland.

Einige Missverständnisse erlebte auch einer unserer Redaktoren auf seiner Reise:

Filip Dingerkus erzählt von seinem So-lotrip durch China. Hundefleisch schmeckt dem Gourmand übrigens gar nicht!

Das andere Englisch? Im Trend sind ne-ben Englisch auch Sprachen wie Russisch und Chinesisch. Gibt es heute tatsächlich mehr Studierende, die diese Sprachen ler-nen wollen? Uli Hahn hat mit den Dozen-ten gesprochen.

Inter-Nationen – wer schmuggelt was? Melanie Keim führt mit einem Zollbeamten eine kleine Stichprobe am Flughafen Kloten durch und macht dabei eine spannende und zugleich erschreckende Entdeckung auf ih-rer Banknote.

Und dann noch etwas in eigener Sache: Diesen November feiert semestra.ch (ehe-mals StudiSurf.ch) sein 10-jähriges Beste-hen! In der Reportage gibt Nora Lipp einen spannenden Einblick in die Gründerjahre.

Dämfall wünschi oi vil Spass bim Läse und Entdeckä vo dä Sprache i däm Heft!Buon divertimento!La vostra, Raffaela Angstmann (Zürcherin und Süditalienerin)

EDITORIAL | INHALT

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«Ich liebe meine gitarre, weil sie mein perfekter begleiter ist. Denn durch Musik kann ich mit jedem reden und so auch viele interessante Menschen kennenlernen.»

Manuel Büchel, 23, studiert Jazz an der Hochschule Luzern

WaRUM Ich MEINE gITaRRE lIEbELIEBLINGSDING

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WaS WIllST DU Noch lERNEN?Ausgelernt hat man nie. Auch nach Bachelor, Master und Doktortitel gibt es für jeden und jede noch viel Neuland zu entdecken. Denn trockene Theorie alleine bringt keinen durchs Leben. StudiVersum hat an der PH Zentralschweiz und an der Hochschule Design & Kunst in Luzern nachgefragt, was die Zukunft noch lehrt. r Text und bild jonas frehner

«Ich möchte eine heilpädagogische ausbild- ung mit hunden machen. Dabei lerne ich gemeinsam mit dem Tier, Kindern und behin-derten Menschen zu helfen.»

Daria Naunheim, 19, Primarlehrerin

Olivia Konrad, 19, Primarlehrerin«Spanisch, weil ich mich für die Kultur und Menschen Südamerikas interessiere.»

«Salsa-Tanzen.»

«Damit es sich morgens nicht immer so schrecklich anhört, möchte ich lernen unter der Dusche fehlerfrei zu singen.»

Raphaela Häfliger, 22, Graphic Design

Luca Gräni, 21, Kunst & Vermittlung

«besser Pingpong zu spielen, um beim Rund-lauf während der Pause zu dominieren!»

«Da ich dazu neige, ungeduldig zu sein, möchte ich lernen grundsätzlich ein wenig geduldiger zu sein. In allen lebensbereichen.»

«Da sie ein gutes fundament ist, um andere Sprachen zu lernen und sich auch einfach gut anhört, will ich die spanische Sprache er-lernen.»

«Ich will lernen bei Velorädern die Speichen einzuspannen.»

«Ich will lernen als chaotin durch das Studium und leben zu kommen.»

«fliegen, weil ich es als eine grosse herausforderung ansehe und es mich schon seit längerer zeit fasziniert.»

Marco Spieser, 23, Graphic Design

Benedikt Steiner, 21, Materialdesign

Ramon Hungerbühler, 22, Kunst & Vermittlung

Thomas Probst, 19, Graphic Design

Tirza Matter, 20, Kunst & Vermittlung

Lucius Fekonja, 23, Illustration Non Fiction

UMFRAGE

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AUS DEM LEBEN

WE No SPEaK EcoNoMIcaNoIssue Manager, Fraud Analyst, Human Ressource Developer – wenn man beim Stelleninserat nur Bahnhof versteht und sich nach den guten alten Zeiten sehnt, die auch nicht besser waren.

Als Studentin solch zukunftsnebulöser Stu-dienrichtungen wie Germanistik und Philo-sophie ist die Stellensuche generell schon schwierig. Gesucht wird hauptsächlich nach BWL-Abgängern, Jusstudenten oder Inge-nieuren – Romantiker und Weltverbesse-rer: unerwünscht.

Doch sieht man grosszügig von dieser einen Schwierigkeit ab, bleibt dennoch ein grosses Problem: Wie nur soll man verste-hen, welche Stellen überhaupt angeboten werden? Dass fast alle Berufsbezeichnun-gen in Englischer Sprache sind, kann man schlucken, schliesslich klingt der Job so ein-fach wichtiger. Doch selbst wenn man die Titel übersetzt hat, ist man nachher nicht schlauer. Soll ich mich nun besser für die Stelle als Key Acount Manager (Schlüs-selberichtschefin), Supply Chain Manager (Angebotskettenverwalterin) oder doch als Medical Liaison Manager (medizinische Li-ierungsleiterin) bewerben?

Wirft man einen Blick ins Telefonbuch des Kantons Zürich aus dem Jahr 1964, so wird einem nach den Wirren der heutigen Berufsbezeichnungen richtig wohlig ums Herz. «Amacker, Erika: Serviertochter» steht da, «Wiedergrün, Agnes: Glätterin». Auch beim «Eberle, Arno: Gürtler» kann man sich vorstellen, was dieser beruflich machte. Verlockend erscheint auch Bru-no Canepas Beruf als Bierführer. Da wusste man wenigstens noch, was man war!

Doch beim Weiterblättern verschwin-det diese Klarheit plötzlich, mysteriöse Be-rufe tauchen auf, wie der Galvaniseur oder der Kalkulator. Unklar ist mir zum Bei-spiel, wo genau Ernst Häberlis Arbeitsort als Ofenarbeiter war. Ebenso bleibe ich im Ungewissen, ob die Naef Annemarie, mit Beruf Stepperin, nun eine brave Näherin oder ein Kind der Bühne war. Gar nicht wei-ter komme ich aber beim Ammann Arnold. Seine Berufsbezeichnung: Clichés. Was die-ser den lieben langen Tag trieb, kann ich mir partout nicht vorstellen. Vielleicht war er aber auch einfach seiner Zeit voraus und wusste schon damals, wie man sich wichtig

macht. Ich bin auf jeden Fall froh, dass ich die Stellensuche noch etwas herausschie-ben kann, bis zu meinem Studienabschluss in zwei Jahren. Pardon, ich meinte Master of Arts (Meister der Künste).

Text Melanie Keim

«StockStar, Personal Stock Manager» – die Bezeichnung selber überrascht mich nicht im Geringsten. Ich habe genügend Wirt-schaftsvorlesungen besucht, um zu erah-nen, worum es sich bei einem «Stock Ma-nager» handeln könnte. Es wird eine Soft-ware sein, welche die Entwicklung des Aktienportfolios übersichtlich darstellt und mit den gewünschten Kennzahlen aus-schmückt. Nur: Warum befindet sich diese Bezeichnung auf einem konservenbüchsen-ähnlichen Behälter – und vor allem: Warum steht dieser Behälter prominent im Bade-zimmer? Ich habe mich verlesen. Die eng-lischsprachigen finanzwissenschaftlichen Texte ziehen nicht spurlos an mir vorbei und beginnen schleichend meinen Alltag zu infiltrieren. «Personal Sockmanager» al-so. Leider bin ich jetzt auch nicht schlau-er, will endlich wissen, was dahinter steckt – was darin steckt. Ich öffne die Dose und weiche sogleich vor einem penetranten La-vendelduft zurück. Darin stapeln sich fla-

che Plastikclips, deren Form mich entfernt an das US-Wappentier, den Weisskopf-seeadler, erinnert. Hat Lavendel eine hal-luzinogene Wirkung? Ein stolzer Brust-korb, zwei kraftvoll geschwungene Flügel und ein zur Seite gerichteter Kopf mit spit-zem Schnabel. Die Gebrauchsanleitung gibt Aufschluss: Mit diesen violetten Designer-dingern lässt sich das Leben wesentlich ef-fizienter gestalten. Bevor die dreckigen So-cken in den Waschkorb wandern, sollen sie vom Benützer zwischen den Flügeln festge-clippt werden. Beim Waschgang bleiben so Herr und Frau Socke zusammen, das Sortie-ren nach der turbulenten Wäsche entfällt. Schwupps, und schon klammert sich der Adler mit seinem Schnabel an die Leine, un-ter ihm baumeln die Socken. Es ist ein Ge-schenk, wie sich später herausstellt. Nicht für mich, denn wer mich kennt, der weiss: Ich habe meine Socken unter Kontrolle. Weil sie alle identisch aussehen: schwarz. Ohne weissen Kopf.

PERSoNal STocK MaNagER

Text Dominic Illi

Der Weisskopfseeadler aus der Dose analysiert keine Aktienkurse. Dafür riecht er nach Lavendel und hilft beim Waschen.

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AUS DEM LEBEN

«A Dangerous Method»: Eine Geschichte über den Schweizer Arzt Carl Gustav Jung, seine russischen Patientin und den Mentor Sigmund Freud. Die psychisch kranke Sabi-na Spielrein, gespielt von Keira Knightley, verdreht dem Psychologen Jung (Michael Fassbender) den Kopf und sie beginnen ei-ne gefährliche Liebschaft. Knightley fällt zwar gegen die beiden männlichen Haupt-darsteller ab, «stört» aber weniger als sonst. Ein gekonnt inszenierter Film von Kultre-gisseur David Cronenberg.Kinostart: 10. November 2011

«Melancholia»: Der Filmtitel ist Dreh- und Angelpunkt dieser vielschichtigen Produk-tion. Aufhänger der Geschichte ist der dro-hende Weltuntergang durch eine Kollision mit einem anderen Planeten namens Me-lancholia. Der Film beginnt mit einer ausge-lassenen Hochzeit – die Gäste ahnen nichts vom drohenden Unheil. Justine (Kirsten Dunst) sollte als Braut eigentlich glücklich sein, sie ist jedoch der Melancholie verfal-len und so ein düsterer Vorbote. Mit Bil-dern, inspiriert von Künstlern wie Caspar David Friedrich, zeichnet Lars von Trier ei-ne bedrückende Stimmung und schafft ei-nes der intelligentesten Werke des Jahres. Kinostart: 17. November 2011

«Drive»: Wie Lars von Trier ist auch Nico-las Winding Refn dänischer Abstammung, was womöglich die Fähigkeit erklärt, sich mit skandinavischer Leichtigkeit den lang-samen und schwerverdaulichen Themen anzunehmen und einen Film über einen vermeintlich gefühlskalten und wortkar-gen Stuntfahrer (Ryan Gosling) zu drehen. Dieser begibt sich auf einen beispiellosen Rachefeldzug, bleibt dabei aber immer die personifizierte Coolness. Gosling verzieht keine Miene – brillant interpretiert. Die fil-mische Orientierung Refns an David Cro-nenbergs visuellen Umsetzungen ist unver-kennbar. Brutal, stylish, eindrücklich.Kinostart: 05. Januar 2012

Es schliesst sich der Kreis um das Regietrio, das mit diesen Werken abgründige Figuren

porträtiert, die ganz besondere Charakterei-genschaften aufweisen. Ein leichtes Frös-teln im Nackenbereich auszulösen, bleibt hingegen bloss «Melancholia» vorbehalten.

INTERN KolDT – INNERE KälTE

Text filip Dingerkus

Wer den Herbst für zu lau hält und sich gelangweilt nach rauherem Klima sehnt, dem bietet das Winterkino gleich drei emotionale Leckerbissen.

dem «Nivea Natural Oil for Dry Skin» treu. Und dies nicht etwa, weil es «for Dry Skin» ist, sondern weil es einfach soooo gut riecht.

Verzeihung – roch! Was hat sie um Him-mels willen dazu veranlasst, den Geruch ei-nes Duschöls demjenigen eines Badezim-merputzmittels anzunähern? Gab es Test-personen? Und wenn ja: Weshalb riechen die gerne nach einem frisch geputzten Plat-tenboden? Waren die auch wirklich reprä-sentativ ausgewählt? Und – denken Sie dar-an, ich sitze frierend vor meinem Computer – ist es möglich, dass Sie das «Natural Oil» wieder in seinen ursprünglichen Geruchs-zustand versetzen?

Für den Fall, dass meine letzte Frage ver-neint werden sollte, möchte ich Sie bitten, mir die Restposten des alten Duschöls zu-kommen zu lassen. Die sind ja sicher noch in einer solchen Menge vorhanden, dass ich einige Jahre versorgt wäre und Sie könnten sich die Entsorgung sparen. Was sagen Sie?

Freundliche GrüsseJulia Krättli

PS: Wird das Öl mit der Zeit ranzig?

Liebes Nivea-EntwicklungsabteilungsteamIch komme gerade aus der Dusche. Und zwar so gerade, dass ich noch nicht einmal angezogen bin. Eingewickelt in ein Bade-tuch (es ist kalt!) und mit tropfenden Haa-ren (kalt tropfend!) sitze ich nun also vor meinem Computer, um diese E-mail zu schreiben. Ich schildere ihnen meine Situa-tion, damit sie sich ungefähr vorstellen kön-nen, in welcher Gemütsverfassung ich mich befinde und vor allem wie dringlich die gan-ze Angelegenheit ist.

Nun, ich stand also unter der Dusche und freute mich darauf, diese frisch duf-tend wieder zu verlassen. Dieses Gefühl er-füllte mich aber wohlgemerkt, bevor ich zu einer neuen Flasche «Nivea Natural Oil for Dry Skin» griff.

An dieser Stelle sollte ich nun meine langjährige Beziehung zu diesem Dusch-gel beziehungsweise -öl offenlegen: Es ist tatsächlich so, dass ich dieses seit sieben Jahren benutze. Ausschliesslich dieses! Im Unterschied also zu anderen Kunden, die immer mal wieder Duschgelhopping betrei-ben – wahrscheinlich weil sie noch nicht ihr Traumduschgel gefunden haben –, war ich

VERSPäTET, abER IMMERhIN

Text julia Krättli (zur hälfte nordseetauglich, ch/D)

Gewisse Briefe sollte man einfach schreiben und abschicken, anstatt sie nur in der Vorstellung zu schreiben. Ein nachgeholter Brief:

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ATELIER

MANuFAKTuR – MON AMOuR

SARINA PFLUGERS HäNDE SPRECHEN MIT DEM MATERIAL, FORMEN ES ZU GEBRAUCHS-GEGENSTäNDEN UND KUNST-OBjEKTEN.

Als Gymnasiastin besucht Sarina Pfluger einen Keramikkurs und formt eine lebens-grosse Figur. Danach beginnt sie ein Medi-zinstudium in Fribourg. Der praktische Teil in der Anatomie sagt ihr am meisten zu. Sie wechselt nach Bümpliz, entdeckt im gestal-terischen Vorkurs Ton als Material und tritt nach bestandener Aufnahmeprüfung in die Fachklasse Keramikdesign in Bern ein.

Vor zwei Jahren hat sich Sarina Pflu-ger in Gänsbrunnen (Kanton Solothurn) ein Atelier eingerichtet. Sie nimmt private Aufträge entgegen, stellt auf Wunsch vom Service über die Vase bis zum Kunstobjekt alles her. Sie betreut aber auch regelmässig Menschen in schwierigen Lebenssituatio-nen und bringt ihnen ihr Handwerk bei. Der Respekt der betreuten Personen vor dem plastischen Material erinnert sie an ihre an-fängliche Scheu.

Sarina mag das sinnliche Material, wagt vieles mit ihm. Manches gelingt ihr sofort, anderes nach langem Experimentieren. Sä-gemehl, Fasern von Osternestchen, Holz-schnitzel, sogar Kakteendornen vereint sie mit Ton, der eigens für dieses Vorhaben ent-wickelt wurde. Die Cellulose verbrennt bei 600 Grad, zurück bleiben die Struktur und die Spuren des einst Vorhandenen. Einfach ist es nicht, Keramik schwindet beim Brand, Holz oder andere Magerungsstoffe reagie-ren anders, verursachen Risse. Ihre Formen seien gewöhnungsbedürftig, kommentier-te ein Dozent einst ihre Arbeit. Sarina sieht darin ihre Sprache. Aus dem Spiel mit Pro-portionen entstehen spannende Kunst-objekte. Sie hängen zum Beispiel an der Wand, hinterfragen das Innen und Aussen.

Mit grossem Respekt vor Material und Handwerk kreiert Sarina Pfluger Produk-te mit «Seelenwert» und einer eigenen Ge-schichte. Sie kommen frisch daher und la-den den Betrachter ein, zum Staunen und Anfassen. rText Martina zimmermann (Mal da- mal dortheim), bilder Sarina Pfluger

PRojEKT VoNSaRINa PflUgER

bESUchENaktuelle ausstellung «Precious Products» von Sarina Pfluger & Steintopf im Keramikmuseum in Matzendorf (Kanton Solothurn) vom 5. bis 27. November 2011

SURfENwww.steintopf.ch

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9 STUDIVERSUM | 2011.11

Reden ist Gold?

Die Rhetorik hat ihren Ursprung im fünf-ten Jahrhundert vor Christus im antiken Griechenland. Damals mussten Konflikte zwischen zwei Personen wie beispielswei-se der Streit um ein Grundstück persönlich vor Gericht vorgetragen werden. Klar, dass

hier der bessere Redner am längeren Hebel sass, was dazu führte, dass sogenannte «Lo-gographen» angeheuert wurden, um Ge-richtsreden zu schreiben.

ursprung in der AntikeDass bis heute die Rhetorik, die «Kunst des Überzeugens», immer noch Teil unse-rer Gesellschaft ist, sieht man tagtäglich in den Medien. Aber: Die Rhetorik ist keines-falls nur Gegenstand der grossen Öffent-lichkeit, sondern auch in unserm Alltag all-gegenwärtig. «Jede Art von Kommunika-tion zwischen zwei Menschen beinhaltet Rhetorik», meint Laura Esser. Sie studiert Rhetorik im dritten Master-Semester an der Eberhard Karls Universität Tübingen und hat dort auch schon das Bachelor-Stu-dium mit dem Hauptfach Rhetorik absol-viert. Sie hat sich für dieses Studium ent-schieden, weil es für sie fast nichts Wich-tigeres gibt als die Kommunikation. Und rät jedem, zumindest einmal einen Rhe-torik-Kurs zu besuchen. «Reden ist immer mit Überzeugen verbunden. Und viele Per-sonen scheuen sich, öffentlich oder auch privat aufzutreten. Das kann eine einfa-che Entschuldigung sein oder der Versuch, die Zustimmung eines Publikums zu erlan-gen.»

Wichtigste Kategorie der Rhetorik –

SPITzENPolITIKERN SagT MaN Nach, gUTE RhE-ToRIKER zU SEIN. SIE VER-MögEN DaS VolK VoN IhRER MEINUNg UND SPäTER VoM gEgENTEIl zU übER-zEUgEN. DaSS gUTE RhETo- RIK MIT MEhR alS NUR UNSERER SPRachE zU TUN haT, ERKläRT DIE RhE-ToRIK-STUDENTIN laURa ESSER.

und schon im ersten Semester gelehrt – ist das «Aptum», die Angemessenheit. Zwar besteht die Kunst der Rhetorik nach Pro-tagoras darin, «das schwächere Argument zum stärkeren zu machen». Oft erleben wir aber zum Beispiel in der Politik, dass das schlechtere zum besseren Argument ge-macht wird. Der Rhetorik wird immer wie-der vorgeworfen, manipulieren zu wollen. Diesen Vorwurf relativiert Laura Esser in-sofern, dass die Rhetorik nur ein Mittel des Redners – zu Latein Orator – ist, der Vor-wurf also an ihn selbst gerichtet werden muss. Ein Streitpunkt, der von Vertretern der Disziplin unterschiedlich betrachtet wird. «Die einen sagen, Ethik und Moral haben nichts mit Rhetorik zu tun. Die an-deren meinen: ‹Das gehört in den Verant-wortungsbereich des Orators.›»

Natürlich redenNeben kommunikationswissenschaftli-chen Inhalten und geschichtlichem Hin-tergrundwissen sind Praxisseminare wich-tiger Bestandteil des Studiums. So ist jeder Student relativ frei, seine Schwerpunk-te zu setzen. Und natürlich: Die Semina-re verbessern die Fähigkeit, sich gut zu ar-tikulieren und Reden oder Geschichten zu schreiben. Laura verweist aber auch auf Ci-cero, nach dem man es nicht bis ins klein-ste Detail lernen kann, Redner zu werden. Es muss eine gewisse Naturanlage (ars na-turae) vorhanden sein. Nun ist aber nicht jeder der 25 in Tübingen zugelassenen Mas-ter-Studenten der geborene Redner. Doch das ist kein Grund, schlechte Berufsaus-sichten zu haben. Sie sind vielfältiger, als man denkt. Neben der Politik ist auch die Wirtschafts- oder Medienwelt ein mögli-ches Arbeitsfeld.

Aber: Die Rhetorik wird in anderen Ländern viel bewusster zum Einsatz ge-bracht. Speziell Deutschland hat durch sei-ne Vergangenheit einen schweren Stand. Walter Jens, Schriftsteller, Literaturhisto-riker und Gründer des Lehrstuhls für Rhe-torik an der Universität Tübingen fordert ein Umdenken: «Es wird Zeit, dass die Rhe-torik als alte und neue Königin der Wissen-schaften endlich auch in unserem Lande aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht und ihr Geschäft betreibt.» rText Uli hahn, Il-lustration Melanie Imfeld

Die Eberhard Karls Universität Tübingen ist die einzige hochschule Europas, an der Rhetorik als bachelor-hauptfachstudium angeboten wird. Das erklärt auch den hohen zulauf an Studierenden.

SURfENan der Universität zürich bietet ein Verein Rhetorik-Work-shops an. Weitere Infos siehe www.rhetorikforum.uzh.ch.

WISSENSCHAFT

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11 STUDIVERSUM | 2011.11

ERASMUS’ NACHKOMMEN

vence kein Online-Vorlesungsverzeichnis gibt, ich also zum Teil noch gar nicht ge-nau wusste, welche Vorlesungen ich wann und wo haben würde. Ausserdem kann-te ich mich im riesigen Gebäude der Fa-culté de Lettres nicht aus und wandelte et-was verloren durch die vielen Gänge. Zum Glück fand ich im internationalen Büro der Uni jemanden, der mir weiterhelfen konnte.»

Katrin wohnte in einem Wohnheim-zimmer in der Nähe der Fakultät, für wel-ches sie sich schon im Frühjahr bewor-ben hatte. Das Zimmer war klein und not-dürftig möbliert, allerdings kostete es auch dementsprechend wenig. Katrin erzählt, dass in den Duschen, Toiletten und Kü-chen, welche man sich mit anderen Studie-renden teilte, eher campingähnliche Ver-hältnisse herrschten. Für ein Semester sei das Wohnheim aber durchaus akzeptabel.

Aix ist nicht gross, jedoch gibt es im-mer wieder kleine Kulturevents wie Kon-zerte, Theater oder Märkte. Was das Nachtleben angeht, so hat man keine all-zu grosse Auswahl, dafür ein breites Kino-angebot und es findet sowieso immer ir-gendwo eine Erasmusparty statt. Am bes-ten hat Katrin die Weihnachtszeit gefallen. Die enorm kitschige Beleuchtung und die Weihnachtsmärkte in Aix, Marseille und Avignon, durch welche man bei proven-zalischen Temperaturen flanieren konnte, bleiben ihr besonders in Erinnerung.

Auch wenn Katrins erster Tag turbu-lent verlief, gefiel ihr der Aufenthalt so gut, dass sie auf jeden Fall noch ein Mal ein Se-mester in Aix verbringen würde. Die vie-len Erfahrungen rund ums Studium, das südfranzösische Leben und die neuen Be-kanntschaften bezeichnet sie als berei-chernd. Ausserdem sei Erasmus manch-mal so chaotisch und lustig wie im Film «L’auberge espagnole»...

Über 210'000 Studierende waren in den Se-mestern 2009/2010 innerhalb des Erasmus-Programmes in ganz Europa unterwegs, um an einer Gastuniversität zu studieren. Das waren so viele wie noch nie, die dieses seit über zwanzig Jahre bestehende Ange-bot genutzt haben. Jeder dieser Austausch-studenten hat wahrscheinlich auch Negati-ves erlebt, aber die schönen Erinnerungen scheinen deutlich zu überwiegen. Katrin, Hanna, Liv und Manuel erzählten uns von ihrer Zeit in der Provence, in Rom, in Ut-recht und in Stockholm.

Chaotique et drôle comme dans le film «L’auberge espagnole»Katrin, 23, studiert in Bern Linguistik. Das Herbstsemester 2010 hat sie an der Univer-sité de Provence Aix-Marseille I in Aix-en-Provence verbracht. Ihren ersten Tag be-schreibt sie folgendermassen:

«Mein erster Tag an der Uni war sehr chaotisch, da es an der Université de Pro-

WEGEN SEINER AUFENTHALTE IN GANZ EU-ROPA BENENNT MAN HEUTE ANDERE VAGABUNDEN NACH IHM: DIE ERASMUS-STUDENTEN. WIR STELLEN EUCH VIER DAVON VOR. ErasmuksEn jälkEläisEt ristiin rastiin Eurooppaa kiErtänEEn tiEdEmiEhEn mukaan nimitEtään tämän päivän yliopi-stomaailman kulkurEita Erasmus- opiskElijoiksi. mE EsittElEmmE tässä hEistä nEljä.

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12 STUDIVERSUM | 2011.11

In mezzo delle strade di RomaHanna, 25, studiert Kunstgeschichte und Geschichte an der Universität Basel und ging für zwei Semester nach Rom an die Università la Sapienza.

Los ging es im Herbst 2009 mit dem Nachtzug. In Rom kam Hanna gegen Mit-tag an und nahm vom Bahnhof ein Taxi zur Jugendherberge. «Da liess ich mich mit dem Preis gleich mal über den Tisch ziehen, aber immerhin zählte ich dann das Rückgeld ge-nau nach», erzählt sie lachend.

Nach der ersten Woche in der Jugend-herberge zog sie für zwei Wochen in eine Dreizimmer-Kellerwohnung ohne Fenster – zu sechst! – und fand danach eine schö-ne WG in Uninähe. Die Zimmersuche fand Hanna allerdings ziemlich schwierig, weil auch hier das Taxifahrerprinzip mit über-höhten Preisen zum Zug kam.

Und wie gefiel dir die Uni? «Allgemein war die Uni etwas enttäuschend, weil einer-seits das Niveau deutlich unter demjenigen der Universität Basel war und sie anderer-seits auch so gross war, dass es schwierig war, Anschluss zu finden. Römische Studie-rende der Gastuni habe ich nicht wirklich kennengelernt. Mein erster guter Freund war dann auch ein Italiener, den ich in der Metro kennengelernt habe. Mit ihm und seinem Freundeskreis haben ich und dann auch die Leute, die ich über Erasmus ken-nenlernte, häufig etwas unternommen. Wir machten Ausflüge in Rom und in die Um-gebung und abends waren wir in einer Bar oder assen Antipasti auf öffentlichen Plät-zen. Die Sommerabende draussen gefie-len mir überhaupt sehr gut.» Und was sonst noch? «Eine Fahrt im Sommer mit der Ves-pa quer durch Rom!», antwortet Hanna blitzschnell. «Es gab auch Amüsantes, wie zum Beispiel die Organisation der Prüfun-gen: Für die zehnminütige mündliche Prü-fung musste man den ganzen Tag an der Uni warten, ohne zu wissen, wann man aufgeru-fen würde.»

Würdest du anderen einen Erasmusaus-tausch empfehlen? «Auf jeden Fall. Um die Sprache zu lernen und die Sehenswür-digkeiten zu sehen, war Rom für mich als Kunsthistorikerin richtig. Den Ort sollte man aber gut auswählen. Wenn man viel lernen möchte, geht man zum Beispiel bes-ser nach England.»

Erasmus in utrecht: Te gek!Liv, 24, studierte an der FHNW Olten «In-ternational Management» und verbrachte während ihres Studiums fünf Monate an der Hogeschool in Utrecht.

«Den ersten Tag habe ich mir definitiv anders vorgestellt. Statt von Basel bin ich schliesslich mit einer Verspätung von acht Stunden ab Zürich geflogen. Um 21 Uhr end-

lich in Utrecht angekommen, hat mich mein Vermieter am Bahnhof abgeholt und net-terweise meinen etwas zu schweren Koffer gleich in den vierten Stock getragen. Ich ha-be in einem typischen holländischen Back-steingebäude gewohnt und mir eine Woh-nung mit einer Französin, einem Griechen und einem Holländer geteilt. Es hätte für Austauschstudierende aber auch die Mög-lichkeit gegeben, auf dem Campus etwas ausserhalb der Stadt zu wohnen.»

Was war im Nachhinein dein persönli-ches Highlight? «Es ist schwierig, ein einzi-ges aufzuzählen», meint Liv, «aber das Toll-ste war generell das Kennenlernen von so vielen anderen Erasmus-Studierenden und sicherlich nie vergessen werde ich den Aus-flug zu sechzehnt nach Polen.

Neben der Uni blieb überhaupt genug Zeit für Ausflüge, zum Beispiel in die um-liegenden Städte Utrechts. Die Hogeschool hat zudem ein eigenes Team, das die Aus-tauschstudierenden betreut und eine Or-ganisation, welche zum Beispiel einen ‹Kennenlerntag› oder einen Ausflug nach München ans Oktoberfest organisierte. Ansonsten hatte die Hogeschool ein riesi-ges Angebot an Sportaktivitäten und die Abende waren jeweils mit den wöchent-

lichen Studentenpartys schnell verplant. Den grossen Teil meiner Freizeit verbrach-te ich deshalb mit anderen Erasmusstuden-ten, aber durch Gruppenarbeiten lernte ich auch schnell holländische Studierende bes-ser kennen, mit denen ich zum Teil heute noch Kontakt habe.»

Würdest du wieder einen Austausch machen? «Ja, definitiv! Die Zeit in Utrecht war die beste des ganzen Studiums und noch heute habe ich regelmässig Kontakt zu den anderen Austauschstudierenden, von denen ich einige bereits besucht habe.»

Lappkärsberget: Mitt andra hem Seinen Erasmusaufenthalt in Stockholm im Herbstsemester 2008 beschreibt Manuel, 25, als die wohl beste und interessanteste Zeit seines Lebens. Von Mitte August bis Mitte Dezember habe er nicht nur viel erlebt und bereichernde Erfahrungen gemacht, er ha-be auch sich selbst besser kennengelernt.

Bereits vor seiner Abreise in den Nor-den hatte Manuel auf eigene Faust mit Hil-fe eines Lehrbuchs und einigen CDs etwas Schwedisch gelernt. Bei seiner Ankunft verstand er also schon einiges, konnte aber kaum sprechen. Da im Institut für Sprach-wissenschaft alle Kurse in der Landesspra-

aix-en-Provence

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13 STUDIVERSUM | 2011.11

Rom

Stockholm

Utrecht

che unterrichtet wurden, musste er seine Kenntnisse zwangsläufig vertiefen. Dank den universitären Sprachkursen für Eras-musstudierende und dem Tandem-Pro-gramm ist Manuel dies auch gelungen.

An seinem ersten Tag in Stockholm konnte Manuel an der Uni seinen Zim-merschlüssel abholen. Sein vorübergehen-des Zuhause befand sich in der Studenten-wohnsiedlung Lappkärsberget, welche sehr nahe am Campus liegt. Sein Zimmer be-schreibt Manuel als ziemlich geräumig. So-gar ein eigenes Bad mit Dusche gehörte da-zu und die wichtigsten Möbel waren auch vorhanden. Die Küche und einen Aufent-haltsraum teilte er sich mit rund einem Dut-zend anderen Studierenden, welche mehr-heitlich auch aus dem Ausland stammten.

Das akademische Jahr ist in Schweden anders organisiert als in der Schweiz. Nicht zuletzt weil der Sommer den Schwedinnen und Schweden heilig ist und sie ihn in vol-len Zügen geniessen wollen, gibt es keine

offiziellen Winterferien. Das Herbstsemes-ter dauert von Ende August bis Ende Janu-ar. Gleich darauf fangen die Kurse des Früh-lingssemesters an, die Anfang Juni enden. Während des Semesters muss man sehr in-tensiv arbeiten. Manuel meint, dass für den

Stoff, der in Bern in zirka zwölf Wochen be-handelt wird, in Stockholm etwa die Hälfte der Zeit zur Verfügung stand.

So richtig kalt wird es in Stockholm nie, beteuert Manuel, allerdings scheine die Sonne im Winter nur zwischen neun und 15 Uhr. Ihm hat der etwas andere Tagesab-lauf gefallen. Er empfiehlt aber Wintermuf-feln eher das Frühlingssemester in Stock-holm zu verbringen. rText julia Krättli und Martina zimmermann, bilder Manu-el Widmer, Katrin Rettich

Der niederländische humanist und Theologe Erasmus von Rotterdam wurde am 28.10.1467 als unehelicher Sohn eines Priesters und einer arzttochter in Rotterdam geboren. Nach dem Tod seiner Eltern wurde er ins augustinerkloster Steyn in gouda geschickt, besuchte ordensschulen und begann nach seiner Priesterweihe 1492 ein Theologiestudium in Paris. Dort befasste er sich mit der griechischen Sprache, wurde je länger kritischer gegenüber der erstarrten Scholas-tik. In England begann er das Neue Testament zu studieren. Von 1506 bis 1509 doktorierte er in Italien. Später verweilte er fünf jahre in london. Seine letzten lebensjahre verbrachte er in basel, wo er am 12.06.1536 starb. Durch seine rege Rei-setätigkeit förderte er den Wissensaustausch zwischen den Universitäten; nicht zuletzt deshalb trägt das EU-förde-rungsprogramm für den hochschulbereich seinen Namen.

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ten Ausgang wählen und uns fragen. So kann man nie etwas falsch machen», gibt Herr Strähl Auskunft. Seit einigen Mona-ten ist der rote Ausgang regelmässig ver-stopft, da die eingeführten Waren wegen der tiefen Dollar- und Eurokurse den er-laubten Höchstbetrag schnell einmal über-schreiten. Hat man im Ausland für umge-rechnet mehr als 300 Schweizer Franken eingekauft, so muss an der Zollkasse die Mehrwertsteuer von acht Prozent bezahlt werden. Dagegen erscheint die Verlockung gross, einfach durch den grünen Ausgang zu gehen. Für den Fall, dass man doch kontrolliert wird, hat man die Quittung des neuen iPads bereits nach Hause geschickt und die neuen Markenkleider mit der dre-ckigen Wäsche vermischt.

Während wir uns unterhalten, laufen wohl einige durch den grünen Bereich, die eigentlich Waren zu verzollen hätten. Er-staunlich ruhig lässt der Zollmitarbeiter am grünen Ausgang einen nach dem an-dern vorbei ziehen, ohne dabei eine Miene zu verziehen. Hätte er nicht schon längst eine Menge Zollabgaben eintreiben kön-nen und eine saftige Busse obendrauf?

Strähl erklärt: «Mit unseren Stichpro-ben können wir so oder so nie alle erwi-schen. Deshalb haben wir hier auch eher eine Erziehungsfunktion.» Der Betrieb im Reiseverkehr ist nämlich nur gerade kos-tendeckend, wirklich grosse Einnahmen werden mit Frachtwaren gemacht, durch welche die jährlichen Schweizer Zollein-nahmen auf 23 Milliarden Franken kom-men, was einen Drittel der jährlichen Bun-deseinnahmen ausmacht.

Doch das Eintreiben der Mehrwert-steuer ist nicht die einzige Aufgabe des Flughafenzolls. So soll durch die Kontrol-len ebenso verhindert werden, dass ge-fälschte Markenprodukte, Schmuck oder Medikamente auf den Schweizer Markt

ZOLL – DOUANE – DOGANA

Mittwochmorgen am Flughafen Kloten, Ankunft Terminal 2. Die Passagiere aus Istanbul und New York warten auf ihr Ge-päck, viele sind nach dem langen Flug mü-de und ungeduldig. Als das Gepäck endlich ankommt, wollen die meisten so schnell wie möglich nach Hause oder ins Hotel. Doch vor dem Ausgang gibt es noch eine letzte Hürde: die Zollkontrolle, wo ein be-sonders gemeiner, frustrierter Zöllner das gesamte Gepäck durchwühlen kann, wenn es ihm danach ist. Christophe Strähl ist an diesem Morgen Dienstchef des zehn-köpfigen Teams und alles andere als frust-riert oder gemein. Er ist bereits 21 Jahre im Dienst der Eidgenössischen Zollverwal-tung tätig und dies nicht aus sadistischen Trieben, sondern aus Freude an seiner Ar-beit. Denn diese ist alles andere als einsei-tig, wie sich bei meinem Besuch heraus-stellt.

Rot oder Grün ist hier die Frage Dort, wo man sich für den roten oder grü-nen Ausgang zu entscheiden hat, ob man Waren zu verzollen hat oder nicht, hängt ein Piktogramm mit einer Flasche und Zi-garetten darauf. Die Passagiere erfahren dadurch, welche Mengen Spirituosen und Zigaretten abgabefrei sind, weitere Infor-mationen finde ich auf den ersten Blick keine. «Wenn jemand unsicher ist, ob er etwas zu verzollen hat, so soll er den ro-

BESUCH BEI DER ZOLLKONTROLLE AM FLUG-HAFEN KLOTEN: EIN KUNSTSCHMUGGEL, GEFRORENE AFFEN UND WIE EINE STUDENTIN IHRE PARTyDROGEN UNBEMERKT VON BERLIN NACH ZüRICH BRACHTE.

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ZOLL – DOUANE – DOGANA

Dass Drogen oft im Körper transportiert werden, macht das Aufspüren für die Zollbeamten natürlich nicht einfacher.

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kommen und verbotene Waffen oder Seu-chen ins Land gelangen. Nicht zuletzt trägt die Stelle auch zur Bekämpfung des inter-nationalen Drogenhandels bei. Strähl er-klärt, wie so viele Bereiche abgedeckt wer-den können: «Zu Beginn der Schicht wer-den jeweils einige Flüge ausgewählt, die wir uns genauer anschauen wollen. Wie wir dann vorgehen, kommt immer drauf an, was wir finden wollen.» Findet in Hong-kong eine Schmuckmesse statt, so wird im Gepäck der Passagiere nach wertvollen Uhren gesucht, bei Flügen aus Südamerika ist die Chance hingegen grösser, auf Dro-gen zu stossen.

Kokain auf meiner BanknoteChristophe Strähl betont, dass die Suche nach Betäubungsmitteln aber sehr schwie-rig sei. Vor allem, weil die Schmuggler im-mer raffinierter vorgehen. Entscheidet sich einer der Zollmitarbeiter für die Suche nach Drogenschmuggler, so kann er seinen

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Platz am grünen Ausgang auch einmal ver-lassen, um sich an der Gepäckausgabe un-ter die Passagiere zu mischen. Verhält sich eine Person am Band besonders auffällig, hängt etwa beim Warten nervös am Tele-fon, so wird sie beim Ausgang ziemlich si-cher abgefangen. Da Drogen beim Röntgen oder Durchsuchen des Gepäcks jedoch oft übersehen werden, wird der Verdacht vor-erst durch Fragen überprüft. Weiss die Per-son keine klaren Angaben über ihren Ziel-ort zu machen oder ist ihr Reiseweg merk-würdig, das Flugticket womöglich von einer anderen Person gekauft, so geht die Suche bestimmt weiter.

Strähl führt mich in einen abgetrenn-ten Raum, wo sich ein Ionenspektrome-ter befindet, ein Gerät, mit dem kleinste Rückstände verschiedenster Drogen nach-gewiesen werden können. Normalerwei-se wird das Gepäck eines Verdächtigten mit einem kleinen Staubsauger ausgesaugt und die Rückstände im Filter auf Spuren von Drogen untersucht. An diesem Mor-gen untersuchen wir jedoch eine Note aus meinem Portemonnaie. Sie ist tatsächlich voller Kokain, was für Strähl jedoch vor-aussehbar war. Dass mein Telefon jedoch keine Spuren aufweist, kommentiert er nur leicht ironisch: «Sie bewegen sich also nicht in diesem Milieu.» Hätte ich das Tele-fon am Abend vorher auf eine Bartheke ge-legt, hätte das Resultat auch anders ausseh-en können.

Überraschungsei mit SpezialfüllungAls ich Dorothee* von meinem Besuch bei der Zollkontrolle erzähle, meint sie er-staunt: «Das war mir gar nicht bewusst, dass die an diesem Ausgang auch nach Drogen suchen. Zum Glück habe ich das nicht gewusst, sonst wäre ich am Ende noch nervös geworden.» Die Studentin aus Zürich war im Sommer an der «Fusion», ei-nem Festival in der Nähe von Berlin, wo Drogen gewissermassen zum Programm gehören. Einige Pillen Ecstasy und MDMA blieben übrig, erst auf dem Flughafen in Berlin wurde ihr bewusst, dass sie die Dro-gen besser nicht einfach so im Handgepäck mitführen sollte. «Irgendwie musste ein kleiner Behälter her, da kam mir das Kin-der Überraschungsei in den Sinn», erzählt sie von ihrem Einfall. So steckte sie kurz vor dem Abflug die kleine Plastiktüte mit den Pillen in das gelbe Plastikei, packte die-ses wiederum in ein Kondom ein, welches sie für die Reise in der Vagina versteckte. Sie hat Glück gehabt und wurde nicht er-wischt.

Dass Drogen oft im Körper transpor-tiert werden, macht das Aufspüren für die Zollbeamten natürlich nicht einfacher. Bo-dypacking, wie diese Methode genannt

wird, hat zwar den Vorteil, dass man von aussen nichts sieht, jedoch kann sie für den Überbringer lebensgefährlich sein, wenn etwa mit Drogen gefüllte geschluck-te Fingerlinge im Magen zerreissen. Gibt es einen begründeten Verdacht auf Bo-dypacking, so kann als letzter Schritt ein Röntgenbild des Verdächtigten gemacht werden. «Oft erweist sich ein Verdacht auch als Fehlalarm», meint Strähl.

Kunst aus Asien – unverzolltSträhl wird von einem seiner Kollegen in den Kontrollbereich gerufen, wo ei-ne Gruppe von Asiaten steht, allesamt mit einem Berg Kartonschachteln auf ih-rem Gepäcktrolley. Auf den ersten Blick ist für Strähl klar: «Das ist eine grössere Sache.» Die Stimmung im Raum ist ziem-lich chaotisch, da von der aus Korea stam-

menden Gruppe niemand Englisch zu sprechen scheint und die Kommunika- tion deshalb schwierig ist. Die Schachteln müssen einzeln ausgepackt werden, wo-bei sich herausstellt, dass die sechs Perso-nen Kunstwerke im Wert von mehreren 10‘000, wenn nicht 100‘000 Franken mit-führen – und den grünen Ausgang wähl-ten. Auf einer Preisliste steht auch das Ziel der Kunstwerke: die «Art International Zü-rich», eine Kunstmesse, die an diesem Tag ihre Tore öffnet.

Wer für eine Galerie Kunst transpor-tiert, ist sich normalerweise bewusst, dass auf die Kunstwerke eine Zollabgabe be-zahlt werden muss, die jedoch rückerstattet wird, falls die Kunstwerke wieder ausge-führt werden. Dieser Fall wird daher wohl schwerwiegende Konsequenzen haben und mit einer ziemlich hohen Busse

«Mit unseren Stichproben können wir so oder so nie alle erwischen. Deshalb haben wir hier auch eher eine Erzie- hungsfunktion»

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enden. Deshalb muss auch jedes Objekt fo-tografiert und aufgelistet werden. «Einen derart grossen Fall haben wir nur etwa ein-mal im Monat. Solche administrativen Ar-beiten erledige ich eigentlich am liebsten», meint Christophe Strähl, dessen Bild sich immer mehr vom Klischee des fiesen Spür-hunds entfernt.

Gruselkabinett im Terminal 1«Bevor Sie gehen, möchte Ihnen noch et-was im Terminal 1 zeigen», sagt Strähl und führt mich zu einer unscheinbaren Tür oberhalb der Restaurants und Duty-free-Shops. Dahinter befindet sich ein kleiner Raum, der einem Gruselkabinett gleicht: ausgestopfte Tiere, Schrumpfköpfe und Waffen hängen an den Wänden. Im klei-nen Showroom werden konfiszierte Wa-ren oder besonders raffinierte Schmuggel-methoden gezeigt, in den Vitrinen findet man von Elfenbeinstatuen über gefälsch-te Markenartikel oder kleine Krokodi-

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WEITERlESENMelanie Keim ist auch den Schmuggelmethoden und «halbschmuggelmethoden» nachgegangen. Die besten «Tipps» findest du unter www.semestra.ch/schmuggeln.

bESUchENDas Schweizerische zollmuseum in cantine di gandria (Tessin), im Volksmund «Schmugglermuseum» ge-nannt, ist einen besuch wert. Das Museum ist per Schiff von lugano erreichbar.

le alles Mögliche. Strähl zeigt mir ein Foto von einem Koffer, der mit gefrorenen Af-fen gefüllt ist und erklärt, dass Bushmeat gar nicht so selten eingeführt werde – zum Verzehr versteht sich. Ein anderes Foto zeigt einen Drogenkurier, dem die Drogen direkt auf die Kopfhaut geklebt wurden. Zu diesem tragischen Fall meint Strähl: «Der hat eigentlich Glück gehabt, dass wir ihn aufgegriffen haben und ihm der Stoff von einem Chirurgen entfernt wurde.» Was sonst mit seiner Kopfhaut passiert wäre, ist eine unschöne Vorstellung.

Als wir zum Terminal 2 zurückkom-men, gleicht der Raum einer Umzugswoh-nung; überall liegen Schachteln und Kunst-werke herum. Die Koreaner müssen sich gedulden. Für sie wäre der rote Ausgang de-finitiv der schnellere Weg gewesen – und der günstigere dazu. rText Melanie Keim, bilder Maya Wipf (Wunsch-französin)

*Name von der Redaktion geändert.

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SPRACHEN IN MODE

der Universität und ETH Zürich, verweist mit folgendem Beispiel auf das Verständ-nis von Höflichkeit in der russischen Kul-tur: «Während wir Bitten in höflichen Fra-gesätzen formulieren und diese mit einem Lächeln auf dem Gesicht begleiten, kann man sich in der russischen Sprache unter Umständen auch eines Imperativs bedie-nen.»

Auch die Tendenz, seinen Reichtum zu zeigen, durch teure Kleidung oder da-durch, sich beim Buffet à discrétion viel mehr auf den Teller zu schaufeln, als man tatsächlich essen wird, sieht ein Russe nicht gleich als dekadent an.

Will man also die russische Sprache er-lernen, führt kein Weg daran vorbei, sich auch der Kultur anzunehmen. «Die Zahl der Russisch-Lernenden wächst im Mo-ment stark», so Henseler. Die Beweggrün-de lassen sich aber keinesfalls auf die Wirt-schaft reduzieren. Zum einen reize Rus-sisch als Wissenschaftssprache für Physik oder Mathematik, zum anderen seien es ganz persönliche Gründe wie eine rus-sischsprachige Freundin. Dann gibt es bei-spielsweise auch Jus-Studenten, die im Russischen eine Chance sehen, potentielle Klienten, die in der Schweiz leben, als An-wälte zu bedienen.

Berechtigt ist hierbei die Frage, wieso es oft nicht möglich ist, sich auf Englisch mit Menschen aus russischsprachigen Ländern zu unterhalten. Was hierzulan-de fast eine Selbstverständlichkeit ist, wird in Russland und den umliegenden Staaten nicht einfach so vorausgesetzt. Das heisst aber nicht, dass sie faul im Erlernen neu-er Sprachen wären. «Viele Russen spre-chen eine Fremdsprache. Das muss nicht Englisch sein, sondern ist in vielen Fällen Deutsch, Französisch oder Spanisch», be-tont Henseler. Abgesehen davon wird Rus-sisch von so vielen Menschen gesprochen,

Vier Weltsprachen. Vier Dozenten. Neben Fragen zur Wichtigkeit und Schwierigkeit «ihrer» Sprache zeigen sie auf, mit welcher Motivation die Studierenden diese Spra-che lernen, was sie für Vorteile bringt und wieso es unmöglich ist, die Welt auf das Englische zu reduzieren.

Am reichsten?Russisch wird von etwa 275 Millionen Menschen gesprochen und ist Amtsspra-che in sieben Ländern. Auch wenn Russ-land und die angrenzenden Länder gerade einen Prozess der Modernisierung durch-laufen, sind es eher China und Indien, die als die boomenden Wirtschaftsmächte ge-handelt werden. Mit Russland und da-mit auch der russischen Sprache verbin-det man hier eher protzige Touristen in der Bahnhofsstrasse oder beim Skiurlaub in St. Moritz, deren Verhalten und die auf den ersten Blick grob wirkende Sprache kön-nen dann einen negativen Eindruck auf uns zurückhaltende Mitteleuropäer ma-chen. Dieser Umstand findet interessanter-weise seine Erklärung in der Sprache und der Kultur selbst. Dr. Daniel Henseler, Do-zent für Russisch am Sprachenzentrum

FREMDSPRACHENKOMPETENZEN WERDEN IMMER WICHTIGER IN UNSERER GLOBA-LEN GESELLSCHAFT. VIER WELTSPRACHEN MELDEN SICH ZU WORT.dominar línguas EstrangEiras chEga a sEr mais importantE na nossa sociEdadE global. Quatro «línguas univErsais» pEdEm a palavra.

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dass auch ein in beruflicher Hinsicht er-folgreicher Lebenslauf nicht zwingend englische Sprachkenntnisse voraussetzt.

Am wichtigsten?Chinesisch ist bekanntlich die Sprache mit den weltweit meisten Muttersprachlern. Diese Tatsache und die wirtschaftlich im-mer wichtiger werdende Rolle Chinas füh-ren zwangsweise zum Schluss: Chinesisch gehört zu den wichtigsten Sprachen der Welt. Mit Chinesisch ist in der Regel Mo-dernchinesisch gemeint, das an das in Pe-king gesprochene Chinesisch anknüpft und hier in Sprachschulen und Universitä-ten gelehrt wird. Während die Schrift und die Tonalität der Sprache für uns Europäer schwierig anmutet, ist die Sprache an sich nicht sehr schwierig zu lernen, weiss Dr. Brigitte Kölla, Dozentin für Modernchine-sisch an der Universität Zürich. «Es gibt

Die arabische Sprache ist rein vom Klang mancher Laute nicht so weit entfernt vom Deutschen, speziell vom Schwei-zerdeutschen.

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nesisch immer öfter als Freifach angeboten wird. Der Andrang sei aber nicht in ers-ter Linie durch wirtschaftliche Interessen der Teilnehmer begründet. Oftmals stecke schlicht das Interesse für Land und Kultur dahinter. «Die wenigsten, die ein philologi-sches Fach wählen, denken daran, nachher irgendein Business zu machen», so Kölla. «Viele Studenten und Schüler wollen sich herausfordern mit einer neuen, sehr unbe-kannten Sprache.»

Klar ist aber auch: Wer nun tatsächlich beruflich mit und in China zu tun haben möchte, kommt an der Sprache nicht vor-bei. Lediglich in der höheren Geschäfts-ebene sei ein «Geschäftsleben auf Eng-lisch» möglich, aber gerade für den Alltag ist der Verzicht auf Chinesisch nicht zu empfehlen.

Am vielseitigsten?Die arabische Sprache ist rein vom Klang mancher Laute nicht so weit entfernt vom Deutschen, speziell vom Schweizerdeut-schen. Dennoch dauert es einige Zeit, um der Sprache mächtig zu werden, aus der Wörter wie Admiral, Gitarre oder Magazin stammen. «Es braucht viel Zeit, bestimmt mehr als ein Jahr. Aber dann, wenn man den Aufbau der Sprache verstanden hat und Querverbindungen herstellen kann, explodiert es», weiss Dr. Eva Mira Grob, Dozentin für Arabisch am Sprachenzent-rum der Universität und ETH Zürich. Am Sprachenzentrum wird Hocharabisch ge-lehrt, die Sprache, die Al Jazeera und gene-rell die Massenmedien verwenden. Doch: Keiner spricht Hocharabisch, das seine Grundlage im Koran hat, als Mutterspra-che. Die Dialektvielfalt der arabischen Welt führt dazu, dass zum Beispiel ein Iraker und ein Marokkaner sich nur dann verständigen können, wenn sie das Hoch-arabische beherrschen oder auf einen ge-meinsam verständlichen dritten Dialekt ausweichen können. Bei der Schriftspra-che hingegen ist der arabische Raum durch das Hocharabische geeint.

Dass die Uni- und ETH-Studenten in Zürich die Sprachkurse für Hocharabisch überfüllen, liegt hauptsächlich am Interes-se für Kultur und Religion. Der Islam wie auch die mediale Präsenz der arabischen Länder gewinnen an Bedeutung in unserer Gesellschaft. «Viele Studenten wollen auch eine differenzierte Sicht auf die politischen Ereignisse bekommen», meint Grob. Man bekomme in den westlichen Medien oft nur eine Sicht der Dinge vorgesetzt. So er-staunt es nicht, dass nur wenige der Ara-bisch-Lernenden Verwandte oder Bekann-

keine Deklination oder Konjugation, son-dern die Wortstellung im Satzbau ist ent-scheidend.» Je nach Sprachbegabung und Motivation kann es durchaus gelingen, nach ein bis zwei Jahren akzentfrei Chine-sisch zu sprechen, wobei hierbei ein länge-rer Sprachaufenthalt in China unabding-bar ist. Den Sinologie-Studienanfängern – deren Zahl an der Universität Zürich seit einigen Jahren konstant bei circa 50 liegt – wird stets nahegelegt, nach dem ersten Studienjahr für einige Wochen nach Chi-na oder Taiwan zu reisen.

Während die Zahl der Sinologie-Stu-denten durchschnittlich weder steigt noch fällt, herrscht ein regelrechter Boom in Sprach- und sogar Mittelschulen, wo Chi-

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te mit arabischem Hintergrund haben oder aus wirtschaftlichen Gründen Arabisch lernen. Zumal gerade in den wirtschaftlich starken Golfstaaten Englisch wichtiger sei als Arabisch – begründet durch den hohen Ausländeranteil.

Dass Arabisch aber zur Modesprache tendiere, sei eher unwahrscheinlich, meint Grob. «Natürlich sind es sehr viele, die neu anfangen. Aber diejenigen, die nach zwei Semestern weitermachen, sind deutlich weniger.»

Am schwierigsten?Japanisch verfügt über das wahrscheinlich schwierigste Schriftsystem aller heute ge-sprochenen Sprachen. Es kombiniert die chinesische Schrift mit zwei Silbenschrift-systemen. So ist der Zeitaufwand, um al-lein Japanisch lesen und schreiben zu ler-nen, wesentlich höher als bei europäischen Fremdsprachen. «Es ist sehr zeitintensiv und erfordert eine gewisse Frustrationsto-leranz», bestätigt lic. phil. Guido Gefter, Ja-panisch-Dozent am Sprachenzentrum der Universität und ETH Zürich. Eine zu hohe Hemmschwelle scheint das für die Zürcher Studierenden jedoch nicht zu sein: Nur die Hälfte derer, die Japanisch lernen wollen, können auch wirklich zugelassen werden. Auch die Zahl der Japanologie-Studienan-fänger ist vor wenigen Jahren sprungartig von 40 auf 60 gestiegen. Das Interesse für die Sprache liegt dabei aber nicht haupt-sächlich in der Wirtschaft begründet. Viele seien fasziniert von der japanischen Pop-kultur mit ihren Manga-Comics und Ani-me-Zeichentrickfilmen, weiss Gefter.

Doch auch in Südostasien ist Japanisch eine beliebte Sprache. Auch deshalb, weil die Schwierigkeiten mit dem Japanischen zum Beispiel für Koreaner und Chinesen durchaus geringer sind als für uns Euro-päer. Viele Studierende gehen nach Japan, um an einer der hoch angesehenen Univer-sitäten – am besten noch mit Stipendium – zu studieren und ihr angeeignetes Wissen anschliessend im Heimatland einsetzen zu können.

Japan hat auch nach der Erdbeben-Ka-tastrophe nicht an Ansehen eingebüsst. Die Wirtschaftskraft und die Tatsache, dass Japan ein hochzivilisiertes Land ist, führen jedoch häufig zu dem Trugschluss, dass die englische Sprache im japanischen Alltag sehr gut verankert sei. Gefter be-tont aber: «Englisch reicht sicher nicht zur alltäglichen Kommunikation.» rText Uli hahn (hat um drei Monate die brasi-lianische Staatsbürgerschaft verpasst), bilder johanna Muther (Kanton übrig)

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REISEFIEBERGRASSIERT

ben geht mit der Abstinenz des Englischen einher und macht es umso attraktiver. Die 4000 Kilometer von Shenzhen im Süden nach Peking im Norden hinterlassen auf der Karte Chinas den Eindruck eines Kat-zensprungs. Wenn man im Reich der Mitte «aus der Nähe von Shanghai» kommt, kann es sich spielend um einen 600 Kilometer entfernten Ort handeln. Das entspricht der Distanz von Zürich nach Paris und verdeut-licht das divergierende Verständnis von Di-mensionen.

Wie bitte?Wer sich ohne eine gewisse Basis Chine-sisch auf den Weg macht, das Land im Al-leingang zu erkunden, wird gemeinhin als leichtsinnig bezeichnet. Mit Chinesisch meinen auch die Chinesen die Amtsspra-che Mandarin. Kantonesisch wird nur von rund fünf Prozent der Bevölkerung im Sü-den des Landes gesprochen. Um nicht als völliger Idiot dazustehen, lernt man dann während des Hinflugs schnell noch «Hal-lo» und «Danke». Für mehr ist meist keine Zeit. Sprachliche Schwierigkeiten werden zwangsläufig in beidseitiger Ratlosigkeit enden. Schon die erste Taxifahrt kann sich schnell zu einer Odyssee entwickeln, wenn man dem Fahrer den Zielort nicht in Chine-sisch mitteilen kann. Am besten eignen sich Visitenkarten oder fotografierte chinesi-sche Adressen auf dem Mobiltelefon. Ähn-lich verhält es sich beim Kauf eines Tickets: Wer in China Zug fahren möchte, sollte sei-nen Reise früh genug planen, denn dieses Transportmittel ist in diesem Land ständig ausverkauft. Wer aber am ersten Tag der chinesischen «Fünf-Tage-vor-Reiseantritt»-Regel bucht, hat eine kleine Chance seine Fahrkarte zu erhalten. Ob es die gewünsch-te ist, hängt nicht nur von der Verfügbarkeit ab, sondern auch von der Fähigkeit, sich am Schalter verständlich zu machen. Wieder-

Individualreisen erfreuen sich insbesonde-re bei der abendländischen Jugend und bei Studierenden grosser Beliebtheit. Backpa-cking hat sich zu einem florierenden Tou-rismussegment entwickelt und hat vor al-lem in Australien und Südostasien einen grossen Hype ausgelöst. In China ist dieser Trend noch im Kommen. Grössere Verstän-digungsschwierigkeiten und ein durch die Medien stark verzerrtes Image schrecken viele vor einer Reise ab. Zu Unrecht, denn die Volksrepublik ist wie jede Kultur weit-aus differenzierter, als es im vereinfach-ten westlichen Bild den Anschein erweckt. Der folgende Text erhebt jedenfalls nicht den Anspruch, die Komplexität zu steigern. Aber die Ansammlung einiger Anekdoten kann vielleicht neugierig machen oder end-gültig abschrecken. Zweiteres ist zwar nicht intendiert, auf Beschönigungen wird trotz-dem verzichtet.

Gesprengte DimensionenChina ist mit seinen fast zehn Millionen Quadratkilometern vergleichbar mit den USA, Kanada oder Europa. Besonders span-nend ist das abwechslungsreiche und weni-ger industrialisierte Landesinnere. Authen-tischer und traditioneller ist das Leben dort. Das Fehlen jeglicher lateinischer Buchsta-

KEINE BEGLEITUNG, KEIN CHINESISCH, KEINE CHANCE? EINE ABENTEUERLICHE DURCH-qUERUNG DER VOLKSREPUBLIK CHINA AUF DER SUCHE NACH EINER DIREKTEN BEGEG-NUNG MIT DEN MENSCHEN UND IHRER KULTUR – TROTZ GROSSER SPRACHLICHER DEFIZITE.

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um ist eine lokale Bekanntschaft sehr von Vorteil, um einen Zettel mit den präferier-ten Sitzklassen – es gibt zehn verschiedene Kategorien – für einen zu notieren. Danach muss man das Papierchen nur noch der Ti-cketverkäuferin vorweisen und mit etwas Glück händigt sie einem nickend den gül-tigen Fahrausweis aus. Aber auch kulturel-le Traditionen und Gepflogenheiten halten unterschiedlichste Fettnäpfchen bereit.

Bei TischIn China ist die möglichst geräuscharme Nahrungsaufnahme bekanntermassen kein erstrebenswerter Zustand. Und doch beein-flusst der chinesische Verhaltenskatalog das tägliche Leben weitaus umfangreicher als bei uns. Die Tischsitten sind zum mög-lichen Erstaunen einiger «Westler» kom-plexer als unsere. Bereits die Platzwahl am Esstisch birgt ein erhöhtes Risiko. Der Stuhl gegenüber der Tür ist bei Anlässen immer dem Gastgeber oder höchsten Statusträger vorbehalten. Gesäumt wird dieser von den rangfolgenden Gästen. Mit der ersten Tas-se Tee wird traditionellerweise das eigene

Geschirr ausgeschwenkt und symbolisch gereinigt. Die zweite ist dann für den eige-nen Genuss bestimmt. Tee ist das konven-tionelle Getränk zum Essen. Bestellt man Wasser, erhält man Tee. Auf nochmali-ges Nachfragen erhält man einen verdutz-ten Blick. Aussichtslos. Das verlangt nach härterem Geschütz, wie beispielsweise Bier in Literflaschen! Andere alkoholische Ge-tränke haben den Vorteil, meist in kleinen Gläsern serviert zu werden. Falls das Wort «Gambe» fällt, sollte der Trunk unverzüg-lich geleert werden. Übrigens wird in Chi-

na jeder Alkohol als Wein bezeichnet, was für einige Konfusion sorgen kann. Wünscht man sich, dass nachgefüllt wird, muss man mit dem Finger auf den Tisch tippen. Dies sollte nur mit einem geschehen, ausser man ist verheiratet, was zum gleichzeitigen Tip-pen mit Zeige- und Mittelfinger berechtigt.

Doch das ist erst der Anfang einer Reihe von mehr oder weniger verheerenden Fett-näpfchen, in die man garantiert treten wird. So sagen die Chinesen auch lachend, dass ein Ausländer kulturell eigentlich nie zu ei-nem vollwertigen Chinesen werden kann,

Dass es sich bei dem vermeint- lichen Schweinefleisch dann nicht doch um Hund handelt, ist hingegen nicht gänzlich ver-meidbar.

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da er unmöglich alle Eigenheiten und Bräu-che verstehen, geschweige denn kennen kann. Ob sie selbst alles kennen, sei dahin-gestellt. Nach diesem ersten schweisstrei-benden Abendessen mit seinen chinesi-schen Gastgebern kann man in leichten «Lernunmut» verfallen. Ganz so, wie wenn der Professor einen Monat vor der Prüfung eine Kiste voller prüfungsrelevanter Bücher überreicht und einem mit verschmitztem Grinsen viel Erfolg beim Lernen wünscht. Naja, einfach nicht so ernst nehmen. Nie-mand erwartet, dass man sich gänzlich den chinesischen Normen entsprechend ver-hält.

ÜberraschungsspeiseDie kleinen Strassenimbisse – vor denen die Phobiker ständig warnen – sind kuli-narisch meist sogar besser als viele Restau-rants. Und dazu noch viel günstiger. Zwi-schen 50 Rappen und zwei Franken kostet eine Mahlzeit. Einen Haken hat die Sache dann doch. Die kleinen Strassenrestaurants haben meist keine Karten mit Bildern, ge-schweige denn Übersetzungen ins Engli-sche. Man sagt deshalb: «Ich hätte gerne... ähm...» und zeigt mit dem Finger auf die dritte Zeichenfolge auf der Karte. Hoffent-lich wird es gut und nicht wieder ein unde-finierter gedämpfter Haufen Knochen! Wer nicht restlos auf Überraschungen steht, hat dagegen eine andere Möglichkeit zu bestel-len. Es ist gut, ein Restaurant zu finden, in dem bereits einige Personen mit vorgesetz-ten Speisen sitzen. Man zeigt dann einfach auf das entsprechende Essen am Nachbar-tisch, das einem optisch zusagt. Wer dann auch noch seine Nachbarn beim Bezahlen der Rechnung beobachtet, kann vermei-den, dass einem der fünffache Touristen-preis aufgedrängt wird – eine Variante, die sich einige Male bezahlt gemacht hat. Dass es sich bei dem vermeintlichen Schweine-fleisch dann nicht doch um Hund handelt, ist hingegen nicht gänzlich vermeidbar. Geschmacklich macht sich der Vierbeiner und bester Freund des Menschen jeden-falls deutlich bemerkbar, denn sein Fleisch hat einen sehr eigenen, unverwechselbaren Gout und Geruch. Spätestens dann weiss man: das ist kein glückliches Schweinchen, auf das man gerade beisst.

und es geht dochWirklich süss, im Vergleich zum Hündchen süss-sauer, sind die sprachlichen Mängel im Englischen, wenn man von morgens bis abends von den Einheimischen lediglich die Worte «Bamboo boat! Bamboo boat!» zu hö-ren bekommt, weil sich das Dorf auf Fluss-fahrten im Bambusboot spezialisiert hat.

Aber bei all den Widrigkeiten der Kom-munikation funktioniert die Hand- und

Übrigens wird in China jeder Alkohol als Wein bezeichnet, was für einige Konfusion sorgen kann.

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chINaS «UNaUfhalTSaMES» WachSTUMIm Westen hat china immer noch den Ruf des weltweit grössten billigproduzenten und Warenfälschers. Was das tatsächlich bedeutet, übersteigt hingegen die Vorstellungskraft – ähnlich den finanzbeträgen, mit denen in der Wirtschaftskrise jongliert wird. Erstaunt ist man auch, dass in china bereits seit längerem qualitativ hochwertige fertigung und Präzisionsmanufaktur möglich ist. Die Volksrepublik hat mittlerweile etwa 100 Städte mit über fünf Millionen Einwohnern. Sieht man jedoch den bauboom, das riesige Wirtschaftswachstum von jährlich konstanten acht Prozent, die industriellen Investitionen sowie die gesamte Errichtung von Reisbrettmetropolen wie Dongguan oder Suzhou, wird schnell klar, dass dies die logische Konsequenz ist. Shenzhen weist sogar ein jährliches ökonomisches Wachstum von 25 Prozent auf. Das begann in den 80er-jahren und ist bis heute mehr oder weniger stabil. In dieser art und Weise haben sich innerhalb der letzten 30 jahre, seit der wirtschaftlichen öffnung der Volksrepublik durch Deng Xiaoping, viele kleine oder inexistente orte zu Millionenstädten entwickelt.

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Ich komme mit dem Zug in einer Stadt an und habe keinen blassen Schimmer, wo die Bushaltestelle ist. Auf der vergeblichen Suche nach Hilfe, lande ich vor einem Ho-tel und überlege, ob möglicherweise dort ei-ne Auskunft zu finden sei. Plötzlich hält ein Bus am Strassenrand und mir wird klar, dass es sich hier wohl um eine Haltestelle han-deln muss. Den Fahrer anstarrend, nenne ich die Stadt, in die ich weiterfahren möch-te. Er grinst mich an, ich wiederhole den Na-men. Daraufhin winkt er mich ungeduldig zu sich, also steige ich ein. Nach knapp zwei Stunden kommt der Bus zu meiner Überra-schung tatsächlich in die gewünschte Ort-schaft, die viel grösser ist als erwartet. So-fort stellt sich mir die Frage, wie hier bloss die Jugendherberge zu finden sein soll, als plötzlich in einer Seitenstrasse ein Schild mit dem Namen des Hostels auftaucht. Ich rufe dem Fahrer etwas Unverständliches zu und er hält an. Ziel erreicht. Wer hätte ge-dacht, dass China zu bereisen so einfach ist. rText und bilder filip Dingerkus (gebür-tiger Pole)

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Der erste Schritt nach dem Studium ist erst mal das Doktorat mit Dissertation. So-weit so gut. In der Schweiz und in Deutsch-land ist die Habilitation bekannt, ausser-halb des deutschsprachigen Raumes gibt es sie nicht. Die Habilitation berechtigt nicht zum Tragen eines Titels und ist auch kei-ne Garantie für eine Professur. Gibt es kei-nen einheitlichen Werdegang? Der Reihe nach: Nach dem Studium beginnt die ers-te Zeit der Forschung, die mit der Disserta-tion endet. Mit dem Doktortitel in der Ta-sche spalten sich dann die Wege.

Berufen zur BerufungDer nächste Schritt, damit man – nach er-folgreich abgeschlossenem Doktorat – im akademischen System bleibt, ist eine Post-doc-Stelle. Nach einiger Zeit Forschung be-wirbt man sich auf eine Assistenzprofes-sur, während der man normalerweise die Habilitation schreibt. Die Habilitation ist die formale Berechtigung, an Hochschu-len zu unterrichten; sozusagen der Füh-rerschein für die universitäre Lehre. Von

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da an ist man Privatdozent, darf sich aber noch nicht Professor nennen. Hier ange-langt, fehlt noch der entscheidende Schritt: auf eine freie Professur berufen zu werden. Bei der Bewerbung hat man es aber oft mit mehr als 50 Mitbewerbern zu tun. Wichtig bei dieser Hürde ist nicht nur die Habilita-tion, sondern auch Forschungsergebnisse, die im besten Fall die Forschung von ande-ren beeinflusst, und natürlich Fachpubli-kationen.

So sieht der klassische Werdegang ei-nes Professors in der deutschsprachigen Schweiz, Deutschland und Österreich aus.

unterschiede zwischen den LändernDie Habilitation ist, wie gesagt, ausser-halb der deutschsprachigen Länder nicht von Nöten. Wie lange es dauert, bis man die Habilitationsschrift fertig gestellt hat, ist nicht festgesetzt und hängt von der ent-sprechenden Forschung ab. Der automa-tische Anspruch auf eine anschliessende Professur ist nicht gegeben.

Anders im angelsächsischen Raum: Da ist der Weg klarer strukturiert, aber nicht einfacher, trotz fehlender Habilitation. In den USA und Grossbritannien wird man nach der Promotion «Assistant Professor». Dabei erhält man den sogenannten «tenure track», der den Weg zur Professur sichert, die man später auch erhält und sich dann «Associate Professor» nennen darf. Am Anfang ist diese Stelle temporär, nach fünf bis sechs Jahren wird man «tenured» und hat diese Stelle theoretisch bis zur Pensio-nierung auf sicher.

In Frankreich und Italien hält man sich auch an die Begriffe «Assistant Pro-fessor» und «Associate Professor», Bewer-ber müssen aber vor jedem Schritt landes-weite Auswahlverfahren in Form von For-schungswettbewerben mitmachen.

Weitgehend scheint sich eine Präfe-renz für das angelsächsische Modell durch-zusetzen. Mittlerweile ist die Anforderung für eine Bewerbung auf eine Professur auch in unseren Breitengraden «Habilitati-on oder gleichwertige Qualifikation».

Wendy Shaw, Professorin für Kunstge-schichte an der Universität Bern, zeigt die Unterschiede deutlich. Sie darf sich seit ih-rem 29. Lebensjahr Professorin nennen.

Professor zu werden ist kein schnelles Unterfangen. allgemein sieht der Werdegang ungefähr so aus: Das Doktorat dauert drei bis fünf jahre. Danach forscht man als «Postdoc» oder juniorprofessor. Unter Um- ständen folgen längere forschungszeiten oder lehrstuhl-mitarbeit. bis zum ordinariat (berufung auf eine Pro- fessorenstelle) hat man im besten fall die 30, meistens aber die 40 schon überschritten.

Das ist zugegebenermassen auch für ame-rikanische Verhältnisse früh, wie sie selbst sagt, in Europa aber schlicht undenkbar. Da sich bei beiden Systemen der Aufwand je nach Fach und Forschungsvorhaben be-trächtlich unterscheidet, lässt sich nicht genau sagen, wie lange der Weg zur Profes-sorenstelle ist.

unterschiede heute und früherDie meisten Professoren, egal welchen Alters, beurteilen die Chancen für junge Akademiker ähnlich: Heute sei es einfa-cher und schwieriger zugleich, eine Profes-sur zu ergattern. Einfacher deswegen, weil mehr Forschungsmöglichkeiten, Institu-te und international vernetzte Projekte zur Auswahl stehen. Schwieriger, weil mit der steigenden Anzahl der Studenten auch die Zahl der Mitbewerber wächst.

Mit der Einführung des TTAP, was für «tenure track assistant professor» (nach dem angelsächsischen Modell) steht, kön-nen sich Jungprofessoren sicherer sein, ei-ne Professur auch zu bekommen. Früher bestand die Gefahr, dass Postdoktoranden nur unsichere und zeitlich befristete Stel-len hatten und manchmal keine Möglich-keit für eine Professur bestand. Dieses Risi-ko war vor allem dann hoch, wenn ein For-schungsgebiet immer unwichtiger wurde. Heute stehen dank der vielen Möglichkei-ten auch mehr Chancen offen.

Ein grosser Unterschied zu früher ist ausserdem, dass die Emeritierung zum grössten Teil abgeschafft wurde. Den Pro-fessoren-Titel darf man natürlich behalten. «Emeritierung» hiess ursprünglich, keine Vorlesungen mehr halten zu müssen, aber die Rechte als Professor zu behalten. Heut-zutage geht ein Professor einfach in Pen-sion. Heute sind ordentliche und ausser-ordentliche Professoren öffentlich-recht-lich angestellt; ihre Arbeitsverträge sind damit theoretisch kündbar, wie Iwar Wer-len, Professor für Sprachwissenschaft an der Universität Bern, weiss. Im englisch-sprachigen Raum gibt ist die Emeritierung immer noch. Dort nennt sich das «tenure» und wer das erreicht hat, hat eine unkünd-bare Anstellung. So kann es passieren, dass Leute über 80 noch publizieren und weit-erforschen. Weiterforschen ist auch der

Plan vieler Professoren hierzulande. Georg Kreis, emeritierter Professor für Ältere Ge-schichte an der Universität Basel, findet es ausserdem wichtig mit den jungen Kolle-gen im Austausch zu bleiben, schliesslich sei es das, was die Forschung weiterbringt.

Von Glück und ZufallDie wenigsten Professoren strebten ihren Werdegang schon während des Studiums an. Im Gegenteil – viele akademische Lauf-bahnen sind durch Zufälle entstanden. Bei-spielsweise wird Studenten von dem Pro-fessor, der die Masterarbeit betreut, eine Doktorandenstelle angeboten. Aus Man-gel an Alternativen und entdeckter Freude an der Forschung, sagt der Student zu. Ist eine Dissertation gut gelaufen und hat ein Doktorand erfolgreich promoviert, kann es sein, dass sich die Forschung ausweitet und in dem entsprechenden Gebiet weiter-geforscht werden kann. In den Naturwis-senschaften hängt auch vieles vom Glück ab. Läuft ein Experiment sehr gut, kann es passieren, dass sich in kurzer Zeit viel Fachliteratur darauf abstützt. Damit macht man sich natürlich einen Namen.

Auf die Frage, was Professoren ihren Studenten raten würden, wenn sie mit die-sem Berufswunsch auf sie zukämen, fällt die Antwort einstimmig aus: Fleiss, Lei-denschaft für die Forschung und gute Er-gebnisse schon während dem Studium. All das ist genauso unerlässlich wie inter-nationales Networking, denn viele For-schungsprojekte und somit auch die Mög-lichkeit in der «Uni-Hierarchie» eine Stufe aufzusteigen, entstehen durch Kon-takte. Sowieso sollte die Forschung im Mittelpunkt bleiben: «Es war kein Prob-lem sich in unserem System zu habilitie-ren, weil die Forschungsarbeit im Zent-rum stand. Der damit erworbene akademi-sche Grad war eine Nebenerscheinung.» Generell gesagt, ist Auslandserfahrung und Offenheit fundamental für angehen-de Professoren. Das lässt sich in unserer globalen Gesellschaft gerade in der For-schung sowieso nicht vermeiden. rText claudia Piwecki (in der Schweiz gebore-ne Deutsch-Italienerin), Illustration Me-lanie Imfeld

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werden – und ‹sofort› heisst: Am nächsten Morgen war das online», gibt Marc Isler ei-ne Anekdote aus den frühen Jahren zum Besten. Unisono meinen Mollet und Isler: «Keiner hätte je gedacht, dass daraus mal ein Unternehmen entsteht.» Doch der Zeitauf-wand lohnt sich, der Wind bläst günstig und das Unternehmen nimmt Fahrt auf.

Es wächst Die ersten Werbekunden buchen Banner auf der Webseite. Die drei Studenten mer-ken: Da steckt mehr in dieser Idee, als sie auf den ersten Blick dachten. «Oops, da lässt sich ja Geld verdienen», fasst Marc Is-ler die Erkenntnis, die sie damals hatten, ko-kettierend zusammen. Es geht also weiter. Während Patrick Mollet für sieben Monate in Australien weilt, lanciert Marc Isler die «Studi-WG des Jahres». «Ich habe ein Boo-klet entworfen, Sponsoren dafür gesucht, das Ganze drucken lassen und am Ende stieg dann diese Party», so Isler. Wenn die beiden Junggründer zurückblicken und er-zählen, klingt alles ganz einfach. Das hat nur beschränkt mit Koketterie zu tun, meis-tens meinen sie das so. Denn: Einen Anfang kann jeder machen. «Ideen hat ja jeder. Da-zu braucht es keine hundertseitigen Kon-zepte. Kreativität reicht. Entscheidend ist, dass man andere Leute davon überzeugen

schmunzelt Patrick Mollet, und Marc Isler spitzt seine Erinnerungen an diese Anfän-ge zu: «Alles was wir brauchten, war das In-ternet und einen Laptop.»

Kein Gedanke an später Blenden wir doch kurz zurück ins Jahr 2000: das Internet? Das Internet ist eine grosse Spielwiese, schreiend vor Möglichkeiten. Bis in die Vorlesungssäle der Universität Bern, wo die drei Gründer gemeinsam das Einführungsstudium in Betriebswirtschaft besuchen, dringt der Ruf. Eine «Metaplatt-form», wie Patrick Mollet sagt, auf der alles fürs Studentenleben Notwendige auf einen Klick zu finden ist – das müsste doch zu ma-chen sein.

Und zum Erstaunen der drei ist es tat-sächlich zu machen. «Man kann es ja mal probieren» –unter diesem Motto setzt das Projekt StudiSurf.ch Segel. Die Webseite programmieren die drei eigenhändig. «Un-ser Wissen reichte für das Wichtigste. Es gab ja auch nur einen Browser; eine Techno-logie, die man beherrschen musste», meint Marc Isler dazu. Die drei Solothurner, die sich schon von der Kantonsschule her ken-nen, arbeiten von zu Hause aus. «Manchmal kam uns während einer Party eine Idee, wie wir die Seite weiter ausbauen wollten. Die musste dann natürlich sofort umgesetzt

Am Anfang war da diese Idee. Sie hatten Spass an dieser Idee. Einen Businessplan hatten sie nicht. Erfolg aber, hatten sie trotz-dem. Die Rede ist von Fabian Gressly, Marc Isler und Patrick Mollet, den Gründern von StudiSurf.ch. Die Plattform von Studieren-den für Studierende ist Ahnin des heutigen semestra.ch und Ursprung der Agentur StudiMedia und des Verlags Campus Lab. «Gegründet ist eigentlich zu viel gesagt»,

ERKläRTES zIEl EINES jEDEN UNTERNEhMERS IST DER ERfolg. UM DIESEN zU ERREIchEN, MUSS MaN SIch SElbST abER aUch fEhlSchlägE ERlaUbEN. DIE gESchIchTE VoN SEMESTRa.ch zEIgT, DaSS EINEN aUSPRobIEREN ofT WEITERbRINgT alS (zU) laNgES gRübElN.

daRe to tRy!

REPORTAGE

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kann», erklärt Isler seinen Standpunkt. Eine Erfolgsgarantie ist das natürlich nicht: «Wir hatten viel Glück, waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Dafür gibt es keine Patent-rezepte. Wir haben wenig geplant, vieles ist gewachsen.» Genau aus diesem Grund spricht Patrick Mollet allen Studierenden Mut zu: «Das Studium ist der beste Moment, um das Unternehmertum auszuprobieren: Man hat sehr viel Zeit, tiefe Fixkosten und rundherum tummeln sich schlaue Köpfe. Wichtig ist, dass man das Ganze nicht mit Fremdkapital aufbläst. Und wenn das Pro-jekt scheitert, hat man mit Sicherheit etwas dazu gelernt.»

Von der Bieridee zum Büro Ihre Idee ist nicht zum Scheitern verurteilt. Im Gegenteil: Im Jahr 2004, drei Jahre nach dem Aufschalten von StudiSurf.ch, machen die drei Studenten ihr Projekt zur StudiMe-dia GmbH. Nun geht es Schlag auf Schlag. Aus einer Bieridee wird das deutschschwei-zerische Hochschulmagazin StudiVersum geboren. «Wir haben gesehen, dass es in Deutschland so etwas gibt. Da dachten wir uns: Eigentlich können wir das auch ma-chen.» Also gehen sie ans Werk, holen mit Valentin Handschin einen erfahrenen Jour-nalisten an Bord, suchen Redaktoren und Layouter. Fündig werden sie an einem na-heliegenden Ort: an der Universität. Die Studierenden amten als Journalisten und locken als Zielpublikum zahlungswillige Sponsoren an. «Es gab auch Stimmen, die sagten, das sei nie und nimmer möglich», lobt Marc Isler das Modell, das Studieren-de zu Mitarbeitern macht und heute noch funktioniert.

Doch mit den blühenden Ideen wächst auch der Aufwand. Patrick Mollet, Marc Is-ler, Fabian Gressly und Valentin Handschin haben ihren Abschluss in der Tasche. Sie stehen vor der Wahl: aufhören oder wei-termachen. Sie entscheiden sich mit Vorbe-halt für das Zweite. Patrick Mollet schreibt an seiner Doktorarbeit, die anderen wagen den Berufseinstieg, und so delegieren sie die Geschäftsführung an Robert Toth, der sich so als Werkstudent sein Studium finanziert. Ein Büro in Bern wird gesucht und «zum ersten Mal waren wir eine Firma, wie man sich das vorstellt. Wir hatten Büromöbel, Computer, ein Sitzungszimmer und: eine Kaffeemaschine», äussert sich Patrick Mol-let zur schleichenden Professionalisierung des Start-ups.

Potenzial wird genutztDie Grundsteine für ein «richtiges» Unter-nehmen sind also gelegt. StudiMedia wagt sich in tiefere Gewässer. Unter der Führung von Robert Toth steigt sie ins Hochschul-marketing ein. 2007, nach zwei Jahren, ist

das Unternehmen soweit gediehen, dass ei-ne erneute Umstrukturierung ansteht. Die 50 Stellenprozent von Robert Toth reichen nicht mehr aus, um StudiMedia zu füh-ren, er konzentriert sich auf die Mediapla-nung und die Finanzen. Patrick Mollet ent-scheidet sich, nach abgeschlossener Dok-torarbeit und ersten Berufserfahrungen, die Vollzeitstelle der Geschäftsführung zu übernehmen. Er sieht Zukunft darin: «Das Hochschulmarketing war eine Branche, die es so noch nicht gab. Wir haben uns selbst einen Markt erschaffen, das war ein sehr kreativer Prozess.» In dieser Zeit stösst Max Meister zu StudiMedia. Er sitzt im Ver-waltungsrat ein und übernimmt eine akti-ve Rolle bei der Strategieplanung: «Trotz der Krise hat StudiMedia funktioniert, und wir haben uns entschieden, das Modell vor-wärts zu treiben.» Das Unternehmen wird neu positioniert: Es zieht von Bern nach Zürich und mit der juristischen Trennung von Verlag und Agentur sind aus einem Un-ternehmen zwei geworden. Die Geschich-te von semestra.ch ist im Heute angelangt.

Weitreichende Lerneffekte Und der Gedanke ans Aufgeben ist nie auf-gekommen, Patrick Mollet? «Wir hatten auch mal renditelose Zeiten. Ernsthaft war das Aufgeben aber nie ein Thema. Natür-lich, wenn man kein Geld mehr verdient oder sogar verliert, dann fragt man sich:

Warum noch Energie investieren? Aber mir machte das Unternehmertum stets Spass und wir kriegten zu viele gute Reaktionen, um aufzuhören.» Die Verantwortung, die er heute für sich und seine acht festen Mitar-beiterinnen trägt, gehört für ihn zum We-sen des Selbstständigen: «Es bringt nichts, wenn man dauernd nur an das Risiko denkt, das blockiert doch nur.» Im Nachhinein seh-en die Gründer schon ein paar verpasste Chancen, doch das Nachhinein ist einfach, das zählt für sie nicht. Die Erfahrung, etwas aus dem Nichts aufgebaut zu haben, möch-ten sie nicht missen. Sie haben dabei viel gelernt: für spätere Jobs wie auch für sich selbst; über Mitarbeiterführung wie über Fi-nanzbuchhaltung. Sie sehen auch, dass heu-te vieles anders ist und doch raten sie Stu-dierenden sich ein Herz fürs Scheitern zu fassen. Als «eine eigentümliche Mischung aus Lockerheit und Durchhaltewillen», umschreibt Patrick Mollet den Unterneh-mergeist. Er rät: «Es braucht auch Flexibi-lität gegenüber dem eigenen Geschäftsmo-dell. Chancen soll man packen, auch wenn sie nicht der ursprünglichen Vorstellung entsprechen.» Ihre Idee ist gewachsen und Marc Isler sagt aus dieser Erfahrung her-aus: «Ideen sollte man für sich selbst und die Nutzer umsetzten. Auch wenn die Finanz- und Investorenwelt gerade anders tickt.» rText Nora lipp (Sehnsuchtsisländerin), bild Maya Wipf

KEINE PaTENTREzEPTEvon Max Meister (Verwaltungsrat von StudiMedia, Start-up-coach beim «Venture business Plan»-Wettbewerb von McKinsey, Dozent für Marketing und Kommunikation):

1. Mach vor allem das, was du gut kannst, alles andere vergib an Externe (z.b. buchhaltung). Viele reiben sich an diesen Dingen auf und vergeuden wertvolle Ressour cen, anstatt sich auf das Wesentliche zu fokussieren.2. hole nur Investoren rein, die etwas vom geschäft verstehen (sog. Smart Money). Sie sollen inhaltlich etwas zu deinem Unternehmen beitragen und echtes Interesse an seinem gedeihen haben.3. falls möglich, umgehe eine frühe fremdfinanzierung. faustregel: Mit dem geld, das du verdienst, musst du überleben können (sog. bootstrapping). gehe bei der geldbeschaffung lieber zuerst auf die drei «fs» zu: family, friends and fools.4. Setze dir einen Stichtag: Wenn das Unternehmen bis dahin nicht rentiert, lass es sein. 5. bewahre dir einen langen atem: Erfolg braucht zeit. Setze den Stichtag also nicht zu früh, vier bis sieben jahre musst du rechnen, bis das Unternehmen nach- haltig profitabel ist.

aNSchaUENzum 10-jährigen bestehen von semestra.ch haben Ivo Kuhn und filip Dingerkus Eindrücke von ehemaligen Studieren-den auf Video festgehalten: www.semestra.ch/10jahre.

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HERAUSGEBERIN:

Campus Lab AGEschenring 26300 Zug

CHEFREDAKTORIN:

Raffaela Angstmann

REDAKTOREN DIESER AUSGABE:

Raffaela Angstmann, André BählerFilip Dingerkus, Jonas FrehnerMario Fuchs, uli HahnDominic Illi, Melanie Keim Julia Krättli, Nora LippClaudia Piwecki, Martina Zimmermann

LAyOUT:

Aline Dallo

DESIGN:

Céline Beyeler, Maike Hamacher

BILDREDAKTION:

Johanna Muther, Maya Wipf

ILLUSTRATION:

Melanie Imfeld

FOTOGRAFIE:

Filip Dingerkus, Johanna Muther Katrin Rettich, Manuel WidmerMaya Wipf

LEKTORAT:

André Bähler

DRUCK:

Vogt-Schild Druck AG

KONTAKT:

Campus Lab AGLavaterstrasse 718002 ZürichTel: +41 44 201 16 57Fax: +41 44 201 16 [email protected]

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StudiVersum erscheint sechs Mal jährlich in einer Auflage von 25 000 Exemplaren an allen universitäten und Fachhochschulen der Deutschschweiz. Alle Rechte vorbehal-ten; Nachdruck, Aufnahme in Online-Dienste und Internet und Vervielfältigung auf Datenträgern wie CD-Roms etc. nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung der Herausgeberin.

IMPRESSUM | 2011.11 DENKSPIEl | BananiertesDer beste Kenner von Einöden muss der «Denksport-Ali» sein. Immer und immer wieder wird er von Gedankenjägern in die Wüste geschickt, vorwiegend alleine, mehrheitlich ein-zig, um ein Rätsel zu lösen. Aus Alis Sicht ist deshalb zur Abwechslung ein zu optimieren-der Bananen-Transport geradezu eine Erholung, selbst wenn sein Kamel auf dem Wüsten-trip fast sämtliche Bananen wegfrisst.

Die Oase, in die Ali möglichst viele Bananen bringen will, liegt hundert Meilen ent-fernt. Sein Kamel Rademort zollt der schweren Last Tribut. Pro zurückgelegte Meile ver-schlingt es eine Banane. Glücklicherweise verkraftet Rademort trotz grosser Hitze nebst Alis Gewicht eine Ladung von 150 Bananen. So kann Ali voll beladen mit 150 Bananen ab-reisen, 100 Bananen verfüttern und somit 50 Bananen in die Oase retten. Das grosse Pro-blem ist jedoch, mit nur 50 Bananen lässt sich selbst in einer abgelegenen Oase kein Ge-schäft machen. Ali entschliesst sich deshalb 450 Bananen in das Wüstenmanöver zu ste-cken. Das heisst, er startet mit 150 Bananen, macht in der Wüste ein Zwischenlager, kehrt zurück, holt weitere 150 Bananen, kehrt nochmals zurück und holt schliesslich die dritte Ladung ins Zwischenlager.

Verfolgen wir hierzu eine Variante: Ali errichtet sein erstes Zwischenlager nach 50 Mei-len. So muss er bis ins Lager 50 Bananen verfüttern, dort kann er 50 Bananen deponieren und mit 50 Bananen zum Verfüttern kehrt er ins Ausgangslager zurück. Das zweite Hin und Her liefert ihm weitere 50 Bananen. Dieses Mal kann er sogar 100 Bananen ins Zwi-schenlager bringen, da er nicht mehr zurückkehren muss. Voll bepackt mit 150 Bananen, begibt er sich auf die restlichen 50 Meilen und bringt so immerhin 100 Bananen in die Oase.

Ali wäre nicht der schlaue Ali, würde er nicht immerfort Optimales anstreben. Er will ein Maximum an Bananen in die Oase bringen, wobei durchaus noch ein zweites oder so-gar drittes Zwischenlager entstehen darf. An der Kapazität (150 Bananen) und am Futter (eine Banane pro Meile) gibt es indes nichts zu rütteln. Wie viele Bananen kann Ali maxi-mal in die hundert Meilen entfernte Oase bringen?

lösung der letzten ausgabe (Vermessen):Knoten mit einem oder drei Ausgängen sind «kritisch». Mit den vier schwarz gefärbten Zu-satzstrecken kann das Problem der kritischen Knoten gelöst werden. Die beiden schwar-zen Strecken mit den Längen 4 und 5 müssen doppelt benützt werden. Die gesamte Fehl-länge beträgt somit nur 11 (1, 1, 4 und 5), die gesamte Länge 86 (75 + 11).rKreation Peter hammer

7

5

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7

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4

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4

5

hausaufgabe: Polnisch auf Deutsch übersetzenGdy nie znasz języka danego państwa, podróż może być bardzo kłopotliwa, ale nie musi.

übersetzung: Wenn man der Sprache des Landes nicht mächtig ist, kann die Reise ungeahnt schwierig werden – muss sie aber nicht.

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Rebekka sitzt vor dem Computer und bemerkt nicht, dass Beat ihr über die Schulter schaut: «Du liest Kon-taktanzeigen, Rebekka? Du hast doch nun wirklich ge-nug Männerbekanntschaften!»

«Ich mache das für eine Seminararbeit in Sozial-psychologie. Ich untersuche, wel-che Charaktereigenschaften sich Partnersuchende beim zukünfti-gen Partner am häufigsten wün-schen.»

«Und? Was ist dein Resultat?»«An erster Stelle kommt

‹spontan›, an zweiter ‹humor-voll›.»

«Kein Wunder sind das ge-fragte Eigenschaften. Wenn ich morgens um sechs im Tram sitze, ist kein Einziger spontan und hu-morvoll.»

«Deine Studie ist auch nicht repräsentativ. Wie ich dich kenne, sitzt du pro Jahr höchstens drei Mal um sechs Uhr früh im Tram. Und zwar dann, wenn du spät von einer Party heimkommst.»

«Ja, ja. Aber im Ernst: Mich erstaunt, dass die Leute glauben, Spontanität sei eine derart wün-schenswerte Charaktereigen-schaft.»

«Wieso?»«Na, stell dir mal vor, deine

Hausärztin würde ganz spontan ein noch nicht zugelassenes Medikament an dir aus-probieren. Oder ein gelangweilter russischer General wirft spontan eine Atombombe über Washington ab.»

«Es ist ja wohl allen klar, dass das nicht so toll wä-re. Aber Spontanität kann doch auch sehr positiv sein.

Nimm als Beispiel John: der hat sich letzten Frühling ganz spontan entschlossen, nach Nepal zu reisen…»

«…und weil vor der Abreise keine Zeit mehr fürs Impfen blieb, hat er sich dort Hepatitis A geholt und noch Wochen später bei jedem Gang auf die Toilet-

te ganz spontane Schmerzens-schreie ausgestossen.»

«Trotzdem ist Spontanität al-les in allem ein wünschenswerter Charakterzug.»

«Ach, komm! Wer sagt, er sei spontan, versucht doch nur sei-nen Hang zu unbedachten Hand-lungen, als etwas Erstrebenswer-tes zu verkaufen.»

«Das ist doch völlig absurd. Was hast du eigentlich für ein Problem mit Spontanität?»

«Weisst du… bereits zwei Frauen haben mich verlassen, weil ich ihnen zu wenig spontan war.»

«Das tut mir leid, Beat. Leider zeigen verschieden Studien, dass es sehr schwierig ist, etwas daran zu ändern. Man kann ja nicht auf Knopfdruck plötzlich spontaner sein.»

«Nein, da hast du leider recht. Aber immerhin habe ich mittler-weile herausgefunden, wie man spontan wirkt.»

«Wie denn?»«Man macht ganz bewusst einen völlig unüberleg-

ten Scheiss.»

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Text: André Bähler (Alter Schwede)

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allTagSTIPPKein Frust im Frost

Dies, geschätzte Leser, ist für einmal ein Tipp, den euer guter Horst sich selber gibt. Denn das Leben hat mir übel mitgespielt, mich aufs Glatteis geführt und aufs Kreuz gelegt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Euer väterlicher Freund hat sich vor einigen Tagen guten Mutes auf eine Fahrradtour in den Jura begeben, nicht ahnend, dass in die-sen höheren Gefilden bereits Schnee liegt. Das Ergebnis meines jugendlichen Über-muts: ein geprellter Arm, ein gestauchtes Schlüsselbein und zwei Wochen Schon-haltung. Was habe ich also daraus gelernt?

Schneit es und der Schnee auf der Stras-se ist noch frisch, lässt sich meistens pro-blemlos radeln wie im wärmsten Sommer. Oft aber – wie etwa an besagtem Tag – liegt der Schnee bereits länger und ist gar vereist. Hier gilt es, aufzupassen, langsam zu fah-ren und vor allen Dingen in Kurven nicht zu treten und zu bremsen. Wer wie ich sturzanfällig ist, tut gut daran, seinen Sat-tel nach unten zu verstellen, um im Notfall mit den Füssen schneller am Boden zu sein. Auch empfiehlt sich, die Reifen möglichst schwach aufzupumpen – so haben sie mehr Bodenhaftung. Ich habe mich nach mei-nem Malheur ja dazu entschlossen, speziel-le Winterreifen mit so genannten «Spikes» zu kaufen. Diese Metallstifte im Pneu boh-ren sich bei der Fahrt in die eisige Fahrbahn und geben zusätzlichen Halt. Schliesslich wünschte ich mir, ich hätte meine Bremsen vor der Fahrt kontrolliert: Durch die tiefen Temperaturen waren die Bremszüge einge-froren und um ein Haar hätten sie gar nicht mehr funktioniert. Dann wäre ich bestimmt nicht so glimpflich davongekommen.

Fahrrad fahren im Winter ist an sich ei-ne bäumige Sache. Ich werde mich durch mein Stürzchen keinesfalls davon abhalten lassen, auch bei tiefsten Temperaturen mit meinem Drahtesel zur Uni zu fahren – aber ich weiss nun, wo Gott hockt, und ich will mich nicht mehr unnötig mit ihm anlegen.Horst

horst, 75, zweifacher Vater, ist allzeit bereit: ob im haus-halt oder in der garage, beim Einkaufen oder an der Uni, horst hilft! als hörer besucht er regelmässig Vorlesungen und weiss daher bestens bescheid, was den jungen von heute unter den Nägeln brennt. Seine Tipps sind längst schon keine geheimtipps mehr. Deshalb: horst ausschneiden, an den Kühlschrank oder die Pinnwand heften, dann kann nichts mehr schief-gehen!

WIE ANNO DAZUMAL

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