Struktur, Wirkung und Anwendung des Lysergsäurediethylamid

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    Unter Bercksichtigung der Anwendung alsTherapeutikum in der Psychotherapie

    Fachbereichsarbeit aus Biologievorgelegt von:

    Gabriel MARESCH8C, Schuljahr 1997/98

    im September 2000

    Betreut von:Mag. Gnther MAUTZ

    Struktur, Wirkung und Anwendungdes Lysergsurediethylamid

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    VorwortEine Droge ist eine Substanz, die, wenn man sie einer

    Ratte injiziert, ein wissenschaftliches Papier zur Folge hat.Egerton Davis1

    In der hier vorliegenden Arbeit behandle ich eine Substanz, die man sich bei oberflchlicherBetrachtung wohl nur kaum als Gegenstand einer (vor)wissenschaftlichen Arbeit vorstellenkann. Als Verfasser einer Arbeit ber eine illegale Droge, begibt man sich a prioriin die Ge-fahr miverstanden zu werden. Zu leicht knnen Aussagen fehlinterpretiert und man in einEck gedrngt werden, dem man sich nun berhaupt nicht zugehrig fhlt. Deshalb mchte ich

    noch vor dem eigentlichen Vorwort klarstellen, da weder ich, noch, soweit ich davonKenntnis habe, irgendeine Person, die mir beim Fortgang meiner Arbeit behilflich gewesenist, illegalen Umgang mit einer der hier beschriebenen Drogen, namentlich LSD, hatte.Da eine solche Klarstellung berhaupt notwendig ist, ist bezeichnend fr das, einer gewissenSkurilitt nicht entbehrende, heutige Verhltnis zu Drogen wie LSD. Da das Wissen umPsychedelika nicht sehr gro ist, war mir bewut (die Informationen die einem Gymnasiastendarber im Chemie- und Biologieunterricht zugedacht sind, beschrnken sich zusammen auf

    ca. eine halbe Lehrbuchseite und nicht einmal diese ist frei von Fehlern); folgende Mitteil-ung lie mir aber der Primarius einer groen sterreichischen Klinik zukommen:

    Es wird ihnen wohl bekannt sein, da es sich bei LSD um eine illegale Drogehandelt, die zudem ein hohes Suchtpotential aufweist. Gerade in der Zeit derDesignerdrogen, hielte ich es verantwortungslos eine Arbeit, wie die von ihnengeplante durchzufhren oder zu untersttzen.2

    Zum einen ist es bedenklich, wie ein leitender Mediziner ber eine Substanz mit potentiellenEinsatzmglichkeiten in der Psychotherapie ein de facto Publikations- und Forschungsverbotausspricht, ungeachtet dessen, da die Begriffe Suchtpotential und Designerdrogen im Zu-sammenhang mit LSD vollkommen unsinnig sind; zum anderen verwundert es mich welcheBedeutung, der ich mich mir selbst offenbar gar nicht bewut war, meiner Arbeit beigemessen

    wird, obgleich ich nicht recht wei, ob ich dies als Ehre auffassen soll oder nichtDas Hauptaugenmerk dieser Arbeit liegt, wie schon aus der Zuordnung zum Fach Biologieersichtlich ist, auf physiologischen, pharmakologischen, neurologischen Aspekten. Darauf

    bezieht sich auch das vorangestellte Zitat: da die Aufarbeitung einer Substanz oft nur mitnaturwissenschaftlichen Methoden geschieht und andere Gesichtspunkte auer acht gelassenwerden. Auch bei mir sind es die Ergebnisse, die durch die Verabreichung einer Droge anRatten gewonnen, eine (vor)wissenschaftliche Arbeit zur Folge hatten. Doch glaube ich nicht,da diese Ergebnisse den Blick auf das Ganze trben sollten. Ich habe ihnen dennoch in vier-ten Kapitel und dem Anhang breiten Raum zugebilligt, gleichzeitig aber auch anderen Be-trachtungsweisen Platz eingerumt.Dem von mir gewhlte Thema kann man mit den verschiedensten Perspektiven begegnen, seies nun die Sichtweise eines Chemikers, Botanikers, Biologen, Physiologen, Psychologen,

    Psychiaters, Philosophen, Soziologen, Ethnologen oder Mystikers. Daraus folgt aber auch, daman sich notwendigerweise einschrnken mu, stets aber des ber das Eigentlich ber dieAufgabenstellung Hinausgehenden gewahr zu sein hat, um sicherzustellen, da das Thema inseiner Gesamtheit mehr zu bieten hat, als die Summe seiner Teilgebiete erahnen lt. Dieseberlegung habe ich auch dem formalen Aufbau meiner Arbeit zugrunde gelegt: Jedes Kapi-tel ist zwar auch eigenstndig lesbar darauf grndet sich meine Hoffnung, da diese Arbeitauch anderen, etwa als Grundlage fr ein Referat oder Spezialgebiet, ntzlich sein knnte fgt sich aber erst im Kontext mit den brigen Abschnitten zu einem Ganzen.

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    Ein groer Mangel meiner Arbeit ist, da sie hauptschlich auf der Bearbeitung von Fach-literatur beruht und eigene Erkenntnisse nur in sehr geringem Mae beinhaltet. Da Versucheund Experimente bei diesem Thema ausscheiden wrden, war mir klar; leider ergaben sichaber auch keine Mglichkeiten Interviews zu fhren. Man mu also stets bedenken, da ichber Dinge schreibe, die ich selbst nicht erlebt, sondern quasi aus zweiter Hand erfahren habe.Das bedeutet zwangslufig ein Defizit, welches auch durch eine noch so gewissenhafteLiteratursammlung und -sichtung nicht wettgemacht werden kann, oder um es durch den

    stndigen Kritiker Thomas Bernhard auszudrcken:Die Wahrheit, denke ich, kennt nur der Betroffene, will er sie mitteilen, wird erautomatisch zum Lgner. Alles Mitgeteilte kann nur Flschung und Verflschungsein, also sind immer nur Flschungen und Verflschungen mitgeteilt worden. DerWille zur Wahrheit ist, wie jeder andere, der rascheste Weg zur Flschung undVerflschung eines Sachverhalts.3

    Doch trotz dieser vernichtenden Erkenntnis und gerade das Eingestehen dieser Erkenntnisist unabdingbar, um die Aufrichtigkeit vor sich selbst und dem potentiellen Leser zu wahren ist vielleicht genau diese Distanz von den Dingen fr eine wissenschaftliche Bearbeitung un-erllich, denn:

    Was hier beschrieben ist, ist die Wahrheit und ist doch nicht die Wahrheit, weil es

    nicht die Wahrheit sein kann. Es kommt darauf an, ob wir lgen wollen oder dieWahrheit sagen und schreiben, auch wenn es niemals die Wahrheit sein kann,niemals die Wahrheit ist.4

    Ich hoffe, da dieser Wille zur Wahrheit in meiner Arbeit deutlich wird, auch wenn seineKonsequenzen, wie in den letzten beiden Kapiteln ausgefhrt, vielleicht ungewhnlich oderunangenehm erscheinen mgen.Obwohl ich mich nun in den vergangenen zwlf Monaten dem Thema LSD von den verschie-densten Richtungen genhert, dabei viele Hundert Seiten gelesen, teils Publikationen obskurerAutoren, teils englische Fachliteratur durchgearbeitet habe, bleibt mir doch nur zu bekennen:scio me nescireund, da ich, obgleich ich die quantitativen Grenzen, die im Rahmeneiner FBA mglich sind, voll ausgeschpft habe, doch nur an der Oberflche kratze und voneiner wirklich umfassenden Aufarbeitung sehr weit entfernt bin. Aus dem Unvermgen, das

    ich stellenweise der Wissenschaft anlaste, wenn sie nur punktuell beschrnkt agiert, darf ichmich selbst nicht ausnehmen, da ich doch in meinem eigenen Versuch, das Ganze zu erfassenebenso gescheitert bin. Ich bin mir dessen jedenfalls bewut und werde wohl auch ber dieseFBA hinausgehend versuchen, das Bekannte besser zu ergrnden und das Neues zuerschlieen.

    Gabriel Maresch, 4. Februar 1998

    DankBedanken mchte ich mich bei Dr. Gnther Schaller und Prim. Dr. Franz Thalhammer fr dieBereitstellung von Literatur, weiters bei meinem Betreuer Prof. Mag. Gnther Mautz, dem ichetliche wichtige Impulse verdanke. Besonderen Dank auch Dr. Torsten Passie fr sein Inter-esse an meiner Arbeit und sein Schreiben, durch das er mich motivierte.

    1aus: Die Zeit, Nr 1/53. Jahrgang vom 2. Jnner 19982Persnliche Korrespondenz3aus: Thomas Bernhard, Der Keller, S. 37

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    4aus: Thomas Bernhard, Der Keller, S. 39

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    Inhalt

    KAPITEL 1: ENTDECKUNG 6

    MUTTERKORN 6BOTANIK 6

    GESCHICHTE 6ALKALOIDE 7

    MUTTERKORNALKALOIDE 7VERSUCHSREIHEN DER SANDOZ AG 8ENTDECKUNG DER PSYCHEDELISCHEN FHIGKEITEN 8

    KAPITEL 2: STRUKTUR 12

    CHEMIE 12FORMEL UND AUFBAU 12SYNTHESE 13

    PHARMAKOLOGIE 14PHARMAKOKINETIK 14METABOLISIERUNG 15TOLERANZ 15

    PFLANZLICHE VERWANDTE DES LSD 15

    KAPITEL 3: KENNZEICHEN DER LSD-INTOXIKATION 18

    PHYSISCHE ASPEKTE 18MOTORISCHE STRUNGEN 18VEGETATIVE SYMPTOME 19VERNDERUNGEN DER WAHRNEHMUNG 19PHYSIOLOGISCHE ABWEICHUNGEN 20

    PSYCHISCHE ASPEKTE 21VERNDERUNG DES ZEITERLEBENS 21VERNDERUNG DES ICHBEWUTSEINS 22FLASHBACKS 22

    VARIABLEN UND VERLAUF 23SET UND SETTING 23EINTEILUNG IN PHASEN 23

    KAPITEL 4: MGLICHE WIRKMECHANISMEN 26

    BISHERIGE BERLEGUNGEN 26PRAESYNAPTISCHE HYPOTHESE 27POSTSYNAPTISCHE HYPOTHESE 27LSDUND TRAUM 27

    AKTUELLER FORSCHUNGSSTAND 29BETEILIGTE REZEPTOREN 29DAS SEROTONINSYNDROM 30

    DISKRIMINATIONSEXPERIMENTE 31AGONIST ODER ANTAGONIST 31MODULIERUNG DER WIRKUNG 32

    KAPITEL 5: DIE LSD-PSYCHOTHERAPIE 35

    FORMEN 35GRUNDLAGEN 36INDIKATION 38RAHMENBEDINGUNGEN UND VERLAUF 39

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    KAPITEL 6: GESELLSCHAFTLICHE SITUATION 41

    BEGRIFFSBILDUNG 41MEDIZINISCHE ANWENDUNG 41NICHT MEDIZINISCHE ANWENDUNG 42MIBRAUCHSPOTENTIAL 43AUSBLICK 44

    ANHANG A: DAS SEROTONINSYSTEM 46

    STRUKTURVERWANDTSCHAFT MIT LSD 46SEROTONINSYNTHESE UND -STOFFWECHSEL 47DAS SEROTONINERGE SYSTEM DES MENSCHEN 47

    ANATOMIE 47SEROTONINERGE BAHNEN 48NATRLICHE WIRKUNG 49

    REZEPTOREN 50SEROTONIN UND GEISTESKRANKHEIT 52

    BIOCHEMISCHE ASPEKTE DER DEPRESSION 52SEROTONINMODULIERENDE PSYCHOPHARMAKA 53

    ANHANG B: CHEMISCHE FORMELSAMMLUNG 55

    SEROTONINKREISLAUF - SYNTHESE UND ABBAU 55INDOLKERN IN SEROTONIN UND LSD 55ALKALOIDE DER LYSERGSURE-GRUPPE 2PARITELLE SYNTHESE DES D-LSD 55VERWANDTE PSYCHEDELIKA 56

    ANHANG C: ZUR PHYSIOLOGIE DES GEHIRNS 57

    ANATOMIE DES ZNS 57RCKENMARK 58RAUTENHIRN 58MITTELHIRN 59KLEINHIRN 59ZWISCHENHIRN 59

    GROHIRN 60DAS NEURON ALS FUNKTIONELLE EINHEIT 61

    DER ZELLKRPER 62DAS AXON 62SYNAPTISCHE TERMINALS 62DIE DENDRITEN 62DIE GLIAZELLEN 63

    SIGNALBERTRAGUNG IM GEHIRN 63DASNEURON IM RUHEZUSTAND 64ENTSTEHUNG EINES AKTIONSPOTENTIALES 64KOMMUNIKATION VIANEUROTRANSMITTER 64

    ANHANG D: BEILAGEN 66

    ERKLRUNG 66QUELLENNACHWEIS 66INDEX

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    Kapitel 1: Entdeckung

    MutterkornDie natrliche Komponente des halbsynthetischen LSD ist die Lysergsure. Dieser Stoffkommt zusammen mit einigen seiner Derivate im sogenannten Mutterkorn vor. Das Mutter-

    korn ist ein parasitrer Pilz, dessen Existenz dem Menschen schon lange bekannt ist unddessen Wirkungen eng mit der Geschichte der menschlichen Zivilisation, bereits seit der An-tike, verflochten sind. Dieser Aspekt soll nur gestreift werden, hat er doch nur indirekt mitdem LSD zu tun. Dennoch scheint es mir wichtig, auf die mannigfaltige Bedeutung desMutterkorns, sei es nun als Bestandteil von mystischen Trnken, als Auslser schrecklicherKrankheiten oder als Ausgangsprodukt von Arzneimitteln, hinzuweisen.

    BotanikBereits seit dem klassischen Altertum sind schmarotzende Schlauchpilze

    bekannt, die verschiedene Grser und Getreide befallen und welche meistals Gift betrachtet wurden. Diese Schmarotzerpilze gehren zur Claviceps-Gruppe, deren wichtigster von ca. sechs verschiedenen Vertretern derMutterkornpilz Claviceps purpurea ist. Er befllt meist Roggen oderWildgrser und bildet auf seiner Wirtspflanze durch die Aufzehrung desFruchtknotengewebes ein Dauermycel, das sogenannte Sklerotium. Esentwickeln sich anstatt der Getreidekrner schwarz-violette keulenfrmigeGebilde, die etwas grer als diese sind. Bei einem Querschnitt zeigt sichein Scheingewebe mit einer Vielzahl von stark verflochtenen Zellen(Pilzhyphen). Die Entwicklung der Pilze der Claviceps-Gruppe umfatzwei Lebenszyklen: eine Wachstumsperiode und eine Ruheperiode. DasMutterkorn ist dabei ausschlielich die berwinternde Form des Skleroti-ums in der Ruheperiode.1,2

    GeschichteDer Mutterkornpilz ist in den gemigten Zonen Europas, Asiens, Nordafrikas und Nord-amerikas verbreitet. Ausfhrlich dokumentiert ist aber nur sein Vorkommen in Mitteleuropa,meist im Zusammenhang mit Massenvergiftungen. Es gibt aber auch Hinweise, da Mutter-korn in der Kultur des Altertums bewut als Halluzinogen eingesetzt wurde.Im frhen Mittelalter traten in besonders feuchten und regenreichen Sommern, Bedingungendie die Entwicklung der Schmarotzerpilze frdern, oft epidemieartige Erscheinungen, infolgeeiner Verseuchung des Brotes durch Mutterkorn auf. Die Krankheit trat in zwei Formen auf:der Brandseuche (Ergotismusgangraenosus) und Krampfseuche (Ergotismus convulsivus).

    Die Erkrankung uerte sich zunchst in Form von starker Hitze, Kribbeln,Ameisenlaufen, Pelzigkeit und Taubheitsgefhl an den Fingern und Zehen. [] Imweiteren Verlauf traten am ganzen Krper Blasen auf, die sich infizierten und zum

    Albert Hofmann meint in [3] dazu:Es ist berliefert, da den [in den eleusischen Mythos] Einzuweihenden vor der letzten Zeremonie ein Trank, der, verabreicht wurde. Man wei auch, da Gerstensaft und Minze Bestandteile des waren.

    Religionswissenschaftler und Mythenforscher [] sind der Meinung, da dem eine halluzinogene Droge

    beigemischt war. Und weiter: In der Publikation Der Weg nach Eleusis wird die Mglichkeit erwogen, da essich dabei um ein Prparat aus Mutterkorn gehandelt haben knnte.

    Leider war es mir trotz intensiver Bemhungen nicht mglich, Zugang zu diesem Werk zuerhalten, so da dieser sicherlich beraus interessante Aspekt der Geschichte desMutterkorns in dieser Arbeit leider nicht gebhrend bercksichtigt werden kann.

    Abbildung 1:Mutterkorn

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    trockenen Gewebstod (schwarzer Brand) der betroffenen Krperteile fhrten. AlsFolge fielen Finger, Zehen, Nasenspitzen, Ohren und in schweren Fllen ganzeGliedmaen ab. [] Hufige Symptome der Vergiftung, die oft tdlich verlief,waren Delirien und Halluzinationen.3, 4

    Die Bezeichnungen ignis sacer, heiliges Feuer, und Antoniusfeuer verweisen auf die imMittelalter weit verbreitete religise Einstellung zu Krankheiten als Strafe Gottes. Tatschlichnahm sich nur der Orden des Heiligen Antonius der am Ergotismus Erkrankten an. Als im 17.

    Jahrhundert der Zusammenhang zwischen mutterkornhaltigem Brot und den Vergiftungser-scheinungen erkannt wurde, konnte die Seuche rasch durch bessere Kontrolle der Getreide-verarbeitung vermieden werden. Dennoch trat der letzte bekannte Fall von Ergotismus nochin den Jahren 1926/27 in Ruland auf.5Obwohl vorher schon von Hebammen angewandt, fand das Mutterkorn erst etwa zu Beginndes vorigen Jahrhunderts Eingang in die Schulmedizin. Auf die Verwendung in der Geburts-hilfe deutet ja bereits der NameMutterkorn hin. Anwendung fand es zuerst als Mittel zur Be-schleunigung der Geburt, da es gebrmutterkontrahierend wirkt. Wegen der Gefahren die eineunzuverlssige Dosierung mit sich bringt, werden Mutterkornprparate heute nur mehr zurStillung von Blutungen herangezogen. Grund dafr sind die gefverengenden Wirkungen derInhaltsstoffe des Mutterkorns, die bei zu hoher Dosierung zu Durchblutungsstrungen und

    Gewebstod, hnlich wie beim Ergotismus, fhren knnen.

    6, 7

    AlkaloideDie Wirksubstanzen einer Vielzahl von Pflanzen, so auch des Mutterkorns, gehren zurGruppe der Alkaloide. Es sind dies stickstoffhaltige Naturstoffe, die teils komplexe Ring-systeme bilden, aufgrund derer man sie chemisch nher klassifizieren kann. Viele dieserAlkaloide knnen heute, da ihre Struktur geklrt ist, auch synthetisch hergestellt werden. Siezeigen meist schon bei kleinen und kleinsten Dosen massive Wirkung, so da es nicht ver-wundert, wenn auch viele Drogen zu den Alkaloiden gerechnet werden.

    Alkaloid Ringstruktur Verwendung

    Nikotin Pyridin Genumittel

    Coniin Pyridin Gift des SchierlingsCocain Tropan Rauschgift, Lokalansthetikum

    Atropin Tropan Gift der Tollkirsche

    Morphin, Codein Isochinol teils in der Medizin, jedoch Suchtgefahr

    Ergot-Gruppe Indol vorwiegend in der Geburtshilfe

    Chinin, Coffein anregende Genumittel

    Tabelle 1: Einige bekannte Alkaloide

    MutterkornalkaloideDie Wirkung des Mutterkorns lt sich nicht einem einzigen Stoff zuordnen, so da es immerwieder gelang verschiedene Alkaloide zu beschreiben, die alle in der Ergot- bzw. Mutterkorn-Gruppe zusammengefat sind. Auch innerhalb der Mutterkorngruppe gibt es eine Unterschei-dung inLysergsure-Alkaloide und Clavine-Alkaloide; in dieser Arbeit werden aber aus-schlielich die verschieden Verbindungen der Lysergsure besprochen.Im Jahre 1875 wurde vom Franzosen Charles Tanret ein erstes Extrakt hergestellt, das erErgotinin nannte. Es darf eigentlich noch nicht zu den Alkaloiden gezhlt werden, da es einenach heutigen Mastben ziemlich unreine Substanz war. Auch das 1907 entdeckte Ergotoxinist kein einheitliches Prparat. Der Wortstamm toxindeutet bereits darauf hin, da es mehr diegiftigen, denn die erwnschten Wirkungen aufwies. Erst mit der Isolierung von Ergotamin,

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    dem ersten reinen Mutterkornalkaloid durch Arthur Stoll 1918, begann der Hhepunkt derMutterkornforschung. Dadurch konnte nmlich die Lysergsure als gemeinsamer undzugrunde liegender struktureller Baustein der pharmakologisch wirksamen Mutterkorn-alkaloide identifiziert werden. Innerhalb der nchsten 25 Jahre wurden alle weiteren bisher

    bekannten Alkaloide entdeckt.8,9

    Name Zugehrigkeit Entdeckung

    Ergotamin/Ergotaminin Ergotamin-Gruppe 1918Ergosin/Ergosinin dto. 1936

    Ergometrin/Ergometrinin Ergometrin-Gruppe 1935

    Ergokristin/Ergokristinin Ergotoxin-Gruppe 1937

    [,] Ergokryptin/Ergokryptinin dto. 1943

    Ergocornin/Ergocorninin dto. 1943

    Ergostin/Ergostinin dto.

    Tabelle 2: Natrlichen Mutterkornalkaloide der Lysergsuregruppe10

    Smtliche Mutterkornalkaloide weisen eine tetracyclische (aus vier Ringen bestehende)

    Struktur auf, die man als Ergolin bezeichnet. Diese komplex aufgebaute Gruppe besteht ausLysergsure-Tripeptiden, in denen stets Prolin vorhanden ist, das mit anderen Aminosure(derivate)n wie (-Hydroxy-)Valin verbunden ist.Neben den Alkaloiden mit der Endung -ingibt es auch deren Isomere mit der Endung -inin, die in der Regel aber unwirksam sind.11Istz.B. von Ergocornindie Rede, ist der wirksame Bestandteil gemeint, whrend bei Ergo-cornininsmtliche acht mglichen, aber ineffektiven Stereoisomere gemeint sind.

    Versuchsreihen der Sandoz AG1935 begann in den Laboratorien des Schweizer Pharmakonzerns Sandoz ein Projekt, das sichausfhrlich mit der Mutterkornchemie beschftigte. Der Leiter dieses Projektes war Dr. AlbertHofmann. Es gelang die Lysergsure als gemeinsamen Baustein der Alkaloide zuidentifizieren und isolieren. Ziel war es, durch die Verknpfung der Lysergsure mit basischen

    Resten, Substanzen zu synthetisieren, die gezielt therapeutische Wirkungen aufweisen sollten.Zu diesem Zweck wurde eine Vielzahl von Lysergsureverbindungen hergestellt.Die Verbindung mit Propanolamin ergab eine mit dem natrlichen Mutterkornalkaloid Ergo-metrin (synonym die Bezeichnungen Ergobasin und Ergonovin) identische Verbindung,whrend die Verbindung mit Butanolamin eine noch wirksamere Substanz (Methergin) ergab.Die insgesamt 25. Substanz in dieser Versuchsreihe war die Verknpfung mit Diethylamid.Man erwartete sich davon eine kreislaufstrkende Wirkung, da das damals bekannteAnaleptikum Coramin ebenfalls eine Diethylamidgruppe aufwies. 1938 erstmals synthetisiert,entsprach LSD-25, so die Laboratoriumsbezeichnung, aber nicht den pharmakologischen Er-wartungen, so da man dieser Substanz keine weitere Aufmerksamkeit schenkte.12

    Entdeckung der psychedelischen FhigkeitenIm Frhjahr 1943 fhrte Dr. Hofmann erneut eine Synthese des LSD durch. Bei der ber-fhrung des uerst instabilen Stoffs in ein stabileres weinsaures Salz (Tartrat) mu einBruchteil der Substanz unbeabsichtigt ber die Haut resorbiert oder eingeatmet worden sein.Dr. Hofmann bemerkte nach kurzer Zeit eigenartige Vernderungen, wie folgendem Berichtzu entnehmen ist:

    Vergangenen Freitag, 16. April 1943, mute ich mitten am Nachmittag meineArbeit im Laboratorium unterbrechen und mich nach Hause begeben, da ich von

    siehe auch die Strukturformel in Anhang B

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    einer merkwrdigen Unruhe, verbunden mit einem leichten Schwindelgefhl,befallen wurde. Zu Hause legte ich mich nieder und versank in einen nichtunangenehmen rauschartigen Zustand, der sich durch eine uerst angeregtePhantasie kennzeichnete. Im Dmmerzustand bei geschlossenen Augen dasTageslicht empfand ich als unangenehm grell drangen ununterbrochen

    phantastische Bilder von auerordentlicher Plastizitt und mit intensivem,kaleidoskopartigem Farbenspiel auf mich ein.13

    Ob dieser Wirkung erstaunt, beschlo er drei Tage spter einen gezielten Selbstversuch durch-zufhren, um der Sache auf den Grund zu gehen. Unerklrlich schien, wie eine Substanz, dienur in Mikrogramm hergestellt wurde, solche Auswirkungen haben konnte. Die verabreichteDosis betrug 250 g, was im Vergleich zu anderen Mutterkornprparaten uerst gering war,nach heutigem Wissen aber eine drei- bis fnffache berdosierung darstellt. Der folgendeBericht Dr. Hofmanns ist sehr bekannt und wird in beinahe jeder im Literaturverzeichnisangegebenen Publikation wiedergegeben. Aus Grnden der inhaltlichen Geschlossenheit sei erauch hier nicht vorenthalten:

    1620: 0,5 cc. von -promilliger wriger Tartrat v. Diethylamid peroral = 0,25 mgTartrat

    1700: Beginnender Schwindel, Angstgefhl. Sehstrungen. Lhmungen, Lachreiz. []

    siehe SpezialberichtHier hren die Aufzeichnungen im Laborjournal auf. Die letzten Worte konnten nurnoch mit Mhe niedergeschrieben werden. Ich bat meine Laborantin, mich nachHause zu begleiten, da ich glaubte, die Sache nehme den selben Verlauf wie dieStrung am Freitag. Aber schon auf dem Heimweg per Rad zeigte es sich, da alleSymptome strker waren als das erste Mal. Ich hatte bereits grte Mhe klar zusprechen und mein Gesichtsfeld schwankte und war verzerrt wie ein Bild in einemverkrmmten Spiegel. Auch hatte ich das Gefhl, nicht vom Fleck zu kommen,whrend mir nachher meine Laborantin sagte, da wir ein scharfes Tempo gefahrenseien. []Aber schlimmer als diese Verwandlungen der Auenwelt ins Groteske waren dieVernderungen, die ich in mir selbst, an meinem Innersten Wesen sprte. Alle

    Anstrengungen meines Willens, den Zerfall der ueren Welt und die Auflsungmeines Ich aufzuhalten, schienen vergeblich. []Soweit ich mich erinnern kann, waren whrend dem Hhepunkt der Krise, der

    bereits berschritten war, als der Arzt ankam, folgende Symptome amausgeprgtesten: Schwindel, Sehstrungen; die Gesichter der Anwesendenerschienen mir wie farbige Fratzen, starke motorische Unruhe, wechselnd mitLhmungen, abwechselnd betubt, dann wieder klares Erkennen der Lage, wobeiich zeitweise als auenstehender neutraler Beobachter feststellte, wie ich halbwahnsinnig schrie oder unklares Zeug schwatzte Sechs Stunden nach derEinnahme hatte sich mein Zustand weitgehend gebessert. Ausgeprgt waren nochdie Sehstrungen. []

    Bei geschlossenen Augen drangen stndig farbige, sehr plastische und phantastischeGebilde auf mich ein. Besonders merkwrdig war, wie alle akustischenWahrnehmungen, etwa das Gerusch eines vorbeifahrenden Autos, in optischeEmpfindungen transponiert wurden, so da durch jeden Ton und jedes Gerusch einentsprechendes farbiges Bild, in Form und Farbe kaleidoskopartig wechselnd,ausgelst wurde. Erschpft schlief ich dann ein und erwachte am nchsten Morgenerfrischt mit klarem Kopf, wenn auch krperlich noch etwas mde.14

    Diese Beschreibung der ersten LSD-Intoxikation am 19. April 1943 beschreibt die auftreten-den Symptome schon uerst klar. Dieser Bericht bildete die Grundlage fr die weiterenUntersuchungen, die zuerst innerhalb des Sandoz-Konzerns durchgefhrt wurden, ehe die Ent-

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    10Unkorrigierte Fassung Nur zur Durchsicht bestimmt

    deckung von LSD-25 bekanntgegeben wurde. 1947 wurde eine Beschreibung der ersten Ver-suche des Psychiaters W. Stoll, auf die in Kapitel 3: Kennzeichen der LSD-Intoxikation nochnher eingegangen wird, verffentlicht, der noch weitere Untersuchungen anderer Forscher-gruppen folgten.

    ZusammenfassungDie natrliche Komponente des LSD ist die Lysergsure; Sie ist Hauptinhaltsstoff vieler

    Alkaloide des schmarotzenden Mutterkornpilzes. Mutterkornvergiftungen sind geschichtlichbelegt, stehen aber mit Ausnahme des eleusischen Trankes nicht in Verbindung mit bewuterHervorrufung von Halluzinationen. Die Aufklrung der chemischen Struktur dieser Alkaloidefhrte zu vermehrter Forschung auf diesem Gebiet. Die Synthese des Lysergsure-Diethyl-amids war Teil eines von Dr. Albert Hofmann geleiteten Projektes der SchweizerischenSandoz AG. Die psychedelischen Eigenschaften des LSD wurden erst fnf Jahre spter durcheine versehentliche Intoxikation entdeckt und durch Selbstversuche verifiziert. Erst ab diesemZeitpunkt kann man von einer wissenschaftlichen Untersuchung dieser Substanz sprechen.

    Datum Ereignis

    1500 v. Chr. Eleusischer Kult

    600 v. Chr. Aufzeichnungen ber von Mutterkorn befallenen Roggen

    590 Auftreten der St. Antonius Krankheit (Mutterkornvergiftung)1582 Erste Erwgung der medizinischen Anwendbarkeit von Mutter-

    kornprparaten in Kruterbchern

    1676 Erkennen des Zusammenhangs zwischen Mutterkorn und demAuftreten von Ergotismus

    19 Jhdt. Wissenschaftliche Abhandlungen ber Einsatz in der Medizin

    1918 Isolierung des ersten reinen Mutterkornalkaloids

    1938 Erstmalige Synthese von Lysergsure und Diethylamid zu LSD

    1943 Entdeckung der psychedelischen Fhigkeiten des LSD

    Tabelle 3: Zeittafel der Geschichte des Mutterkorns und seiner Alkaloide15

    Literaturverzeichnis[1] Die Pflanzen der Gtter, Albert Hofmann/Richard E. Schultes

    AT Verlag Aarau. Schweiz 1996[2] Giftpflanzen, Frhne/Pfnder

    Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft. Stuttgart 1981[3] LSD Mein Sorgenkind, Albert Hofmann

    Klett-Cotta/dt Verlag. Mnchen 1979[4] Gifte in unserer Umwelt, Otfried Strubelt

    Deutsche Verlags Anstalt. Stuttgart 1989[5] Introduction Early History of LSD, in: LSD a Total Study, D.V. Sivar Sankar

    PJD Publications Westbury. New York 1975

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    11Unkorrigierte Fassung Nur zur Durchsicht bestimmt

    [1] Rmpps Chemie Lexikon, Otto-Albrecht NeumllerFranksche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1983

    1vgl. [1], S. 392vgl. [2], S. 193 p.3cit. [4], S. 1974cit. [1], S. 1035vgl. [1], S. 102 p.6vgl. [3], S. 187vgl. [4], S. 1988vgl. [3], S. 19 pp.9vgl. [5], S. 43 pp.

    10leicht verndert nach [5], S. 5211vgl. [6], Stichwort Ergot-Alkaloide12vgl. [3], S. 22 pp.13cit. [3], S. 2714cit. part. [3], S. 29 pp.15einige Daten aus [1], S. 102

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    12Unkorrigierte Fassung Nur zur Durchsicht bestimmt

    Kapitel 2: Struktur

    ChemieDie Struktur des LSD, auch die rumliche, ist weitgehend gesichert. Obwohl heute die Formeldieser Substanz in jedem Lexikon zu finden ist, beruhte der Weg zu dieser Erkenntnis vor

    allem auf komplizierten Experimenten. Dieser Abschnitt sollte darauf hinweisen, ohne An-spruch auf vollstndige Erluterung, und die wichtigsten dabei angewandten Methodennennen. Die im Literaturverzeichnis angefhrten Publikationen sind allerdings wahrscheinlichnur fr Chemiker ganz verstndlich.

    Formel und AufbauLSD ist ein komplexes organisches Molekl, so da die An-wendung einer Summenformelnicht sinnvoll ist. Stattdessen findet man in der Literatur fast ausschlielich dievereinfachte Strukturformel. Gebruchlich ist dabei die Ein-teilung in vier Ringsysteme und vier Reste. Ring A und C

    sind homocylische, Ring B und D heterocylische Verbindun-gen, wobei das Heteroatom stets Stickstoff ist. An den Posi-tionen (15,16) des Benzolringes A geht dieser eine Bindungmit Ring B ein, einem stickstoffhaltigen 5-Ring. Ring B ent-spricht dem Pyrrol, weist aber nur eine Doppelbindung auf(Dihydropyrrol). Ring C ist ein Cyclohexan, also ein Benzol-ring ohne Doppelbindungen, und steht ber Position (11,16)mit Ring A bzw. mit (3,16) mit Ring B in Verbindung. RingD ist wieder heterocyclisch, hnelt dem Pyridin besitzt aberwie Ring B nur eine Doppelbindung (Tetrahydropyridin).Ring D ist nur mit einem Ring, nmlich Ring B ber die Po-sitionen (5,10) verbunden. Die Reste R1und R2an Ring B

    bestehen im Falle des LSD nur aus H-Atomen, R3am hetero-genen Stickstoffatom in Ring D aus Methyl (CH3) und R4be-steht aus der fr die Bezeichnung charakteristischen Diethyl-amidgruppe (CH2CH3)2.Beim LSD-Molekl existieren zwei Asymmetriezentren,nmlich an den Atomen C5 und C8. Jedes Asymmetriezen-trum steht fr zwei mgliche stereoisomere Formen, so dainsgesamt vier Mglichkeiten zur Verfgung stehen: zweirechtsdrehende Formen (d-LSD und d-Iso-LSD) und zwei

    linksdrehende (l-LSD und l-Iso-LSD). Die einzige pharmakologisch signifikant wirksameSubstanz ist das korrekt so bezeichnete d[exter]-L[yserg]S[ure]D[iethylamid]. Wenn

    verkrzt von LSD die Rede ist, meint man dabei immer diese Form.Durch gezielte Verndern des Molekls knnen Derivate hergestellt und Zusammenhngezwischen Struktur und Wirkung gewonnen werden. Diese Vernderungen beziehen sich meistauf den Amidrest R4, das berfhren der Doppel- in Dreierbindungen und Substitution anverschiedenen Positionen der Ringsysteme.1Solche berlegungen sind allerdings nur von

    In Ermangelung allgemein verstndlicher Artikel zur Chemie des LSD, mute ich diesenAbschnitt auf jene Bereiche krzen, die in Kenntnis des Oberstufen-Chemiestoffesnachvollziehbar sind.

    sie lautet C20H27ON3und weist ein Molekulargewicht von 325,4 aus.

    Abbildung 2: Bezeichnungen derRinge, Reste und Atome bei LSD

    Abbildung 3: Strukturformel des LSDmit den angegebenen Resten.

    R1: HR2: HR3: CH3R4: (CH2CH3)2

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    13Unkorrigierte Fassung Nur zur Durchsicht bestimmt

    theoretischem Interesse, hchst spezifisch und nur schwer verstndlich, da sie hohes Wissenspeziell auf dem Gebiet der organischen Chemie voraussetzen.Von Bedeutung ist auch die dreidimensionalen Struktur des LSD, die nur auf experimentellem

    Wege ermittelt werden konnte.Die dabei angewandte Methodeist die Rntgen-Kristall-Strukturanalyse, bei der das

    Lysergsurediethylamid durchNeutralisiation in ein Salz ber-gefhrt wird. Anschlieend kn-nen anhand der Beugungsmusterdie Atomschwerpunkte ausge-macht und ein rumliches Modellerstellt werden. Daneben gibt esnoch die Mglichkeit mittelsOrbital- bzw. Hybridmethoden(PCILO, EHT, INDO) Energie-niveaukarten anzulegen, um so

    auf die Lage und Beziehung derAtome zueinander im Raumschlieen zu knnen.2Diese Me-thoden sind aber ebenfalls zuspeziell und komplex, um sie hier

    behandeln zu knnen.Interessant ist aber das Ergebnis,da nmlich unter allen vorhan-

    denen mglichen Varianten, die Winkel des LSD-Molekls so gewhlt sind, da sie demSerotoninmolekl am nchsten kommen. Auerdem existiert das sogenannte Synder-Modell,das besagt, da unter der Annahme, da LSD das hchst wirksame Halluzinogen ist, alleanderen Halluzinogene hnlichkeiten mit dessen Struktur aufweisen mten. Tatschlich lt

    sich zeigen, da Stoffe die zur Gruppe der Indolalkylamine oder Phenylethylamine (z.B.Mescalin) gehren, mit der rumlichen Struktur des B und C Rings des LSD bereinstimmen.3

    SyntheseDie klassische Synthese, nach der auch Albert Hofmann LSD erzeugte, basiert auf derCurtiusschen Reaktion. Dabei werden Carbonsuren durch Einwirkung von stickstoffhaltigenSuren zu Amiden abgebaut. Im ersten Schritt mu dabei ein Lysergsureradikal vom Aus-gangsstoff, meist einem Mutterkornalkaloid, abgespalten und anschlieend stabilisiert werden.Danach wird die so gewonnene Verbindung gem der Curtius-Reaktion in eine Diethylamid-Verbindung umgewandelt und im dritten Teil in gelster Form in ein Tartrat bergefhrt. Diesgeschieht vereinfacht nach folgendem Schema.

    Tatschlich beruhen diese Untersuchungen hauptschlich auf den Arbeiten von Dr. AlbertHofmann, der ja der Entdecker des LSD ist.

    Es sei angemerkt, da aufgrund dieser Beschreibung niemand im Stande sein kann, LSDanzufertigen, da nur der reaktionsmige Verlauf wiedergegeben ist. Angaben ber Art,Menge und Konzentration der Lsungsmittel, sowie Hinweise die Arbeitstechnik oderZeitangaben betreffend, wurden bewut ausgelassen. Im brigen glaube ich kaum, da dientigen Ausgangsmaterialen ohne besondere Befhigung berhaupt zu beschaffen sind.Wenn jemand also unbedingt an LSD gelangen mchte, so geschieht dies sicherlich nichtdurch die hier beschriebene Synthese .

    Abbildung 4: Dreidimensionale Struktur des LSD-Molekls [ in pm]

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    14Unkorrigierte Fassung Nur zur Durchsicht bestimmt

    1. Ein Alkaloid wird mittels Hydrazid gespalten.Es kommt dabei durch Erhitzen zur Iso-merisation und Entstehung einer Lsung ausIsolysergsurehydrazid. Dann werden sie inSalze der rechts- bzw. linksdrehenden Wein-sure bergefhrt und danach in die entspre-chende Form der Lysergsure konvertiert.

    2. Das Gemisch aus Lysergsurehydrazid bzw.Iso-Lysergsurehydrazid wird wiederum ge-lst und Diethylether beigegeben. Dabei bin-det ein Ethylrest an das erste Stickstoffatom,der andere durch Absprengen der restlichenAminogruppe (NH2). Nach Extrahieren undFiltrieren knnen d-LSD und d-Iso-LSD ge-trennt werden.

    3. Nach dem Mischen des uerst instabilenreinen d-LSD mit Weinsure und Methanolsetzen sich groe, weie nadelfrmige

    Kristalle ab. Diese stabile Form wirdgelegentlich die Laborbezeichnung LSD-25zum Ausdruck gebracht.4

    Spter wurden auch andere Verfahren zur Syn-these entwickelt, unter ihnen eines, bei demselbst die an sich natrliche Lysergsure imLabor synthetisiert wird.

    PharmakologiePharmakologische Untersuchungen mit LSD wurden an einer Vielzahl von Tierarten und, so-weit dies mglich war auch am Menschen durchgefhrt. Da die pharmakologisch wirksameMenge von LSD sehr gering ist, sind alle Angabe nur von bedingter Genauigkeit, zumal sie

    von Individuum zu Individuum variieren knnen. Pharmakodynamische Aspekte, also dieWechselwirkung zwischen Ligand und Rezeptor betreffend, werden hier nicht behandelt,sondern werden, in einem eigenen Kapitel (siehe Seite 26 pp.) gesondert besprochen.

    PharmakokinetikLSD wird blicherweise oral appliziert und ber den Magen resorbiert. Bei dieser Verab-reichung liegt die Latenzzeit, also jene Zeit, die verstreicht bis erste Symptome bemerkbarsind, bei ca. 20-30 Minuten. Will man die Resorption im Magen-Darm-Trakt umgehen undinjiziert LSD intravens, tritt die Wirkung sofort bzw. maximal nach etwa 10 Minuten ein.LSD ist sehr gut fettlslich und berwindet rasch die Blut-Hirn Schranke. Obwohl das ZNSrasch mit LSD-Moleklen berflutet wird, verlagert sich nach kurzer Zeit (etwa 10 Minuten)die hchste Konzentration zur Leber hin. Das bedeutet, da schon nach weniger als einer

    Viertelstunde nach Erreichen das Gehirn kein neues LSD mehr erhlt und nur eine ver-hltnismig noch viel geringere Menge der ursprnglichen Substanz die psychischen Ver-nderungen auslst.5Die Dosierung liegt beim Menschen unter normalen Umstnden bei ca. 50 - 500 g.Geht

    Ein Lsen ist nur in organischen Verbindungen mglich, in Wasser sind alle LSD-Isomerenahezu unlslich.

    sieheKapitel 4: Mgliche Wirkmechanismenbzw.Anhang A: Das SerotoninsystemDas entspricht etwa 1/1.000-

    5/1.000Gramm pro Kilogramm Krpergewicht

    MUTTERKORNALKALOID

    HYDRAZIDNH2NH2

    D,L-ISOLYSERSURE HYDRAZID

    d,l-R CONHNH2

    D,L-LYSERGSURE HYDRAZIDd,l-R CONHNH2

    DIETHYLETHER

    C4H10O

    d,l-R [Ethylamid] NH2+ CH3CH2OHd,l-R [Diethylamid] + NH2OH

    d-Lysergsure-Diethylamid

    WEINSURE, METHANOLC4H6O6, CH3OH

    LSD-25 TARTRAT

    R=Lysergsure R=Iso-Lysersure

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    15Unkorrigierte Fassung Nur zur Durchsicht bestimmt

    man von einer letalen Dosis von 15.000 g aus, dann ergibt sich eine therapeutische Breitevon 300, das heit erst eine 300fache berdosierung htte eine tdliche Wirkung zur Folge.6Vergleicht man diesen Wert (bei Antidepressiva etwa im Bereich von 30 bis 50), so ist LSDeine sehr sichere Substanz.

    MetabolisierungDie Eliminationshalbwertszeit, also jene Zeitspanne, in der die Hlfte eines Stoffes abgebaut

    wird, betrgt beim Menschen etwa 175 Minuten. Der Abbau findet hauptschlich in Leber undGalle statt, wo sich auch die hchste Konzentration im Krper findet. Die Wirkung hlt etwaacht Stunden an, der Abbau ist aber erst nach acht Halbwertszeiten abgeschlossen, was unge-fhr 24 Stunden entspricht. Etwa bis zu diesem Zeitpunkt kann man den LSD-Konsum auchnoch mittels hochempfindlichen Radio-Immun-Assay nachweisen.

    Nur ca. 1% des LSD wird unverndert wieder ausgeschieden, der Rest wird metabolisiert undber Urin (ca. 15%) und Fzes (ca. 80%) abgegeben. Es gibt vermutlich drei wasserlslicheHauptmetaboliten: 2- ,12- und 13-Hydroxy-LSD.Auerdem mssen noch Abbauproduktevorhanden sein, die C-Atome abspalten, da bei Experimenten mit radioaktivem LSD in gerin-

    gen Spuren14

    CO2in der Atemluft gefunden wurde.7

    ToleranzIn der Fachliteratur wird bereinstimmend die Meinung vertreten, da die Verabreichung vonLSD nicht zu krperlicher Abhngigkeit fhrt. Dafr spricht zum einen das Fehlen von Ent-zugserscheinungen und zum anderen die nicht vorhandene Selbstverabreichung bei Labor-tieren.8,9Wohl aber kann man eine starke Gewhnung gegenber der Substanz feststellen.

    Eine Toleranz kann innerhalb weniger Tage, inExtremfllen auch schon nach einer Verabrei-chung, auftreten. Ein mgliches Ma dafr ist dieZunahme von anorganischen Phosphaten imSerum, die nach jeder LSD-Applikation auftritt. Jefter die Verabreichung, desto geringer die Zu-nahme, und der Effekt. Die Art dieses Zusammen-

    hangs ist aber ebenso wie die tatschlichen Vor-gnge an den Rezeptoren noch unbekannt. DieRckbildung der Toleranz geht ebenso rasch vorsich wie ihre Entstehung. Daneben gilt auch dieKreuztoleranz. Ist ein Individuum gegen LSD re-sistent, bleibt auch bei Verabreichung von

    Mescalin eine Wirkung aus, da gegen LSD aber offensichtlich eine hhere Toleranz notwen-dig ist, verhindert im umgekehrten Fall eine Toleranz gegenber Mescalin nicht die Wirkun-gen des LSD. Grundstzlich gilt zwischen LSD und anderen Psychedelika, insbesondere sero-toninergen, Kreuztoleranz. Definitiv ausgeschlossen ist diese wechselseitige Toleranz abergegenber Amphetaminen und Cannabinoiden.10

    Pflanzliche Verwandte des LSDObwohl LSD eine knstliche Substanz ist, gibt es Pflanzen, die Stoffe produzieren, die ihm inStruktur oder Wirkung so hnlich sind, da man sie als natrliche Verwandte bezeichnenkann. Zwei mchte ich hier anfhren, ansonsten sei auf das Literaturverzeichnis verwiesen.

    Nicht bercksichtigt sind natrlich Todesflle, deren Ursache zwar im Einflu von LSDliegt (Suizid), aber nicht direkt auf die toxische Wirkung zurckzufhren sind.

    Das bedeutet, da sich an Positon 2, 12 bzw. 13 am LSD-Molekl eine OH-Gruppebefindet.

    Toleranz

    0,00

    0,20

    0,40

    0,60

    0,80

    1,00

    1 3 5 7 9 11 13 15

    Anzahl der Verabreichunge n

    Zunahmeder

    Phosphate

    Graphik 2: Toleranzentwicklung

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    16Unkorrigierte Fassung Nur zur Durchsicht bestimmt

    Ololiqui: Die Wirkstoffe der Samen dieser Windengewchse (Convolvulaceae) sind Lyserg-sureamid und Lysergsurehydroxyethylamid und damit der Struktur des LSD sehr hnlich.Dennoch sind sie etwa um ein Zehntel weniger wirksam. Ololiqui ist hauptschlich inindianischen Kulturen verbreitet und war schon in vorkolumbianischer Zeit bekannt. Einge-setzt wird es vor allem in Form verschiedener Zauber- bzw. Heiltrnke.Psilocybe-Pilze: Eine Reihe verschiedener, teilweise auch in unseren Breiten heimischer, Pilze

    bildet die psychoaktiven Substanzen Psilocybin bzw. dessen Abbauprodukt Psilocin. Wie

    LSD und Ololiqui gehren sie zu den serotoninergen Psychedelika und weisen strukturelleGemeinsamkeiten auf. Eingenommen werden die Pilze in frischem oder getrockneten Zu-stand, was Einflu auf den Wirkstoffgehalt hat.11

    Substanz effektive Dosis tdliche Dosis Breite Potenz

    LysergsureDiethlyamid 0,05 mg 15 mg x 300 100 %

    LysergsureAmid 0,50 mg 10 %

    Psilocybin/Psilocin 5,00 mg 1.500 - 2.000 mg x 400 1 %

    Tabelle 4: Pharmakologische Daten von LSD und verwandten Substanzen12

    Zusammenfassung

    LSD ist ein komplexes organisches Molekl, dessen rumliche Struktur nur langwierig aufexperimentellem Wege ermittelt werden konnte. Die Synthese basiert auf der CurtiusschenReaktion und geht von Mutterkornalkaloiden aus. Die beim Menschen wirksame Dosis be-trgt etwa 1/20.000Gramm. Obwohl sich rasch eine Toleranz bildet, kommt es zu keiner Ab-hngigkeit. Die Halbwertszeit ist mit knapp drei Stunden relativ lange. LSD wird zu 99% me-tabolisiert, vor allem in Hydroxy-LSD. Neben LSD existieren auch verwandte natrliche Sub-stanzen. Am hnlichsten ist der Wirkstoff des Ololiqui, das Lysergsureamid (LA-111).

    Literaturverzeichnis[1] The Chemistry of LSD (A. Hofmann), in: LSD a Total Study, D.V. Sivar Sankar

    PJD Publications Westbury. New York 1975[2] Stereoelectronic Characteristics of LSD (C. Johnson), in: LSD a Total Study, D.V. Sivar

    Sankar PJD Publications Westbury. New York 1975[3] Metabolism of LSD, in: LSD a Total Study, D.V. Sivar Sankar

    PJD Publications Westbury. New York 1975[4] Pharmacological Aspects, in: LSD a Total Study, D.V. Sivar Sankar

    PJD Publications Westbury. New York 1975[5] Drogen und Psychopharmaka, Robert M. Julien

    Spektrum Akademischer Verlag. Heidelberg, Berlin, Oxford 1997[1] Die Pflanzen der Gtter, Albert Hofmann/Richard E. Schultes

    AT Verlag Aarau. Schweiz 1996

    1vgl. [1], S. 126 p.2

    vgl. [2], S. 201 pp.3ibd.4vgl. [1], S. 115 pp.5vgl. [3], S. 2616vgl. [5], S. 335 p.7vgl. [3], S. 255 pp.8vgl. [5], S. 3379vgl. [4], S. 565 pp.

    10ibd.

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    17Unkorrigierte Fassung Nur zur Durchsicht bestimmt

    11vgl. [6], S. 66 pp.12einige Daten aus [5], S. 339 p.

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    18Unkorrigierte Fassung Nur zur Durchsicht bestimmt

    Kapitel 3: Kennzeichen der LSD-Intoxikation

    Vorbedingung fr eine LSD-Intoxikation ist logischerweise die Einnahme der Droge. Um mitden auerordentlich kleinen Dosierungen, die im Mikrogrammbereich liegen, besser umgehenzu knnen, bedient man sich der Einnahmeper os, meist in Form einer wrigen Lsung. DieReaktionen knnen von Individuum zu Individuum stark schwanken. So knnen bei einerPerson schon geringe Mengen dramatische Wirkungen zur Folge haben, whrend bei eineranderen selbst eine massive berdosierung nahezu wirkungslos ist.Auerdem spielen zahl-reiche auerpharmakolgische Faktoren, wie etwa die Einstellung zur Droge, die Erwartungenund die Umgebung eine entscheidende Rolle.1Sie werden an anderer Stelle noch genauer be-handelt. Der BegriffKennzeichenin der berschrift soll zum Ausdruck bringen, da der Ver-lauf einer LSD-Intoxikation nicht als konstanter Ablauf drogenspezifischer Wirkungen (wiez.B. die Analgesie bei Morphinen) verstanden werden darf. Es gibt jedoch eine Zahlverschiedener Symptome, die von LSD besonders massiv hervorgerufen zu werden scheinenund hier, ohne Anspruch auf Vollstndigkeit, besprochen werden.

    Physische Aspekte

    Der LSD-Rausch ist zwar in erster Linie von psychischen Vernderungen bestimmt, dennochtreten meist auch bestimmte krperliche Symptome auf. Sie sind zwar mit einer gewissenHufigkeit, jedoch nicht zwangslufig vorhanden. Man kann also von keinen konstantenSymptomen sprechen, die unabhngig von anderen Einflssen nur durch pharmakologischeWerte beeinflut werden. Der Psychiater S. Grof kommt dabei gar zu folgender Erkenntnis:

    Bei der Auswertung von fast fnftausend Protokollen von LSD-Sitzungen fand ichnicht ein einziges Symptom, das in allen Fllen absolut konstantaufgetreten wreund damit als tatschlich invariant htte betrachtet werden knnen2

    Auerdem ist festzuhalten, da zwischen verabreichter Dosis, sofern sie im blichen Bereichliegt, und Hufigkeit bzw. Strke der Symptome kein nachweisbarer Zusammenhang be-steht. Es mu daher auch in Betracht gezogen werden, da einige krperliche Symptomevielleicht nur Reaktionen auf psychische Vernderungen darstellen. Nichts desto trotz gilt

    beispielsweise die Vernderung der Pupillen als zuverlssiges Anzeichen fr noch bestehen-den Drogeneinflu.3Auch darf die hnlichkeit von LSD zu Serotonin, das ja muskel-kontrahierend wirkt, bei Vernderungen besonders im vegetativen Bereich nicht auer Achtgelassen werden.

    Motorische StrungenVernderungen der Muskel von vlliger Lockerung und Entspannung bis hin zu starkenKrmpfen und Verspannungen wurden beobachtet. Komplizierte Verrenkungen sind mglich,aber selten. Meist sind die Symptome auf leichtes Zittern und Beeintrchtigungenverschiedener Bewegungen beschrnkt. Der Gang wird breit und ausgreifend. Zeige- undGreifversuche milingen, wie berhaupt die Koordinationsfhigkeit und Feinmotorik

    herabgesetzt scheinen. Die Sprache wird undeutlich, auch das Schriftbild verndert sich undwird fahrig.4,5

    Ein berhmtes Beispiel gibt ein Bericht, demzufolge ein indischer Guru auf zwei extremhohe Dosen LSD, nmlich 900 bzw. 1200 g nicht ansprach. Auch gibt es unterPsychiatrie-Patienten einige, die bis zu einer Dosis von gar 1500 g resistent bleiben.

    Bei Tierversuchen werden ungleich hher Dosen, bezogen auf g LSD pro kgKrpergewicht, verwendet, so da hier meist sehrwohl eine Korrelation vorliegt.

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    19Unkorrigierte Fassung Nur zur Durchsicht bestimmt

    Vegetative SymptomeVegetative Beschwerden treten vornehmlich kurz nach Einnahme des LSD auf und uernsich zumeist in belkeit und allgemeinem Unwohlsein. Diese Anzeichen knnen entwederdem sympathetischen oder parasympathetischen System zugeordnet werden.Sympathetische Symptome: beschleunigter Puls, erhhter Blutdruck, starkes Schwitzen,Kltegefhl, Struben der Krperhaare, Speichelabsonderung, Verschwimmen derSeheindrcke.Parasympathetische Symptome: verlangsamter Puls, abgesenkter Blutdruck, Trnenflu, teilsheftiges Erbrechen, abwechselndes Frieren und Hitzegefhl, Erschpfung.6

    Vernderungen der Wahrnehmungnderungen die sinnliche Wahrnehmung betreffend gehren zu den hufigsten Symptomenwhrend einer LSD-Intoxikation. Am strksten sind dabei visuelle Erscheinungen, wobei manzwischen dem Zustand, in dem die Versuchspersonen die Augen geschlossen halten oder sichin dunklen Rumen aufhalten, und dem in welchem sie die Augen geffnet haben und Gegen-stnde fixieren. Bei Dunkelversuchen treten vor allem Elemantarhalluzinationen auf. Charak-teristisch ist eine Vielzahl bunter, sich stndig wiederholender und in Bewegung befindlicherObjekte, die oft geometrisch gegliedert sind. Folgende Bilder nennt W. Stoll:

    Flackern, Flirren, Glitzern, Sprhen, Regnen, schnelles und langsames Flieen,wandernde Punkte; Grne und rote Nebel, gelbe Streifen, Strahlen, Schlieren,Schleier, Bgen, Ringe, bunte Kreise, Ellipsen, rasende Strudel, Spiralen, Gitter,

    Netze, glnzende Vakuolen, Ornamente; Buchstaben, Spinnetze, Schneeflocken,Muscheln, Uhrfedern, sich teilende Chromosomen; Benzolringe, Schmetterlinge,Pfauengefieder, Fensterreihen, Dnenlandschaften, Dchermeere, Fratzen, Buddhas,Bltenkelche.7

    Kennzeichnend sind Bewegung, Farbe und Mehrzahl der Gebilde, so da hufig der Vergleichmit einem Kaleidoskop gezogen wird. Eine nderung des intraokulren Drucks vermag Formund Farbeder Halluzinationen zu verndern, etwa durch Druck auf die Augpfel oderlngeres Anhalten des Atems.8Beim Wechsel von offenen zu geschlossenen Augen knnen

    Nachbilder auftreten, die mehrere Minuten lang anhalten knnen und dann verwischen.Auch bei Erscheinungen im Hellen treten Elementarhalluzinationen auf, allerdings nur beimBetrachten gleichmiger bzw. diffuser Flchen und Gegenstnde und ungleich schwcher als

    Das Erkennen von Formen als Vakuolen, Chromosomen oder Benzolringen geht wohl aufdie naturwissen-schaftliche Beobachtungsweise der Versuchsperson zurck.

    In [4] findet sich ein interessanter Verweis des Autors auf Johann Wolfgang von GoethesFarbenlehre, gem der die Farben Gelb, Gelbrot, Zinnober zur Plusseite gehren, Blau,Rotblau, Blutrot aber zur Minusseite. In der Tat kann man einigen Erfahrungsberichteneine Verbindung zwischen Farben und Gefhlslage entnehmen.

    Abbildung 5: Vernderung der Handschrift unter LSD-Einflu links: nach 45 Minutenmitte: nach 125 Minutenrechts: normale Handschrift

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    20Unkorrigierte Fassung Nur zur Durchsicht bestimmt

    im Dunkeln. Ansonsten erfolgt auch hier eine starke Geometrisierung und Ornamentalisierungdes Gesichtsfeldes. Menschen und Dinge erscheinen wie kubistische oder impressionistischeGemlde, auch erscheinen Farben und Kontraste ungleich strker. Die Wahrnehmung istinfolge der stndig auftretenden Nachbilder verschwommen, so da verschiedene Stadien einund derselben Bewegung gleichzeitig gesehen werden knnen. Wird der Blick auf unbelebteoder weiter entfernte Gegenstnde gelenkt, werden diese illusorisch verkannt. So knnenFlecken am Boden als Tiere oder Gesichter gesehen werden, Gruben zu Bergen. Durch

    perspektivische Fehlleistungen erscheinen Raum und eigener Krper bizarr verzerrt undunproportioniert. Am hufigsten sind Mikropsie bzw. Makropsie, bei denen die Umwelt alsriesen- oder zwergenhaft wahrgenommen wird.9,10Viel weniger spezifisch sind die Vernderungen bei anderen sensorischen Reizen. Geruschewerden mitunter migedeutet und als subjektiv lauter empfunden. Monotones Rauschen kannals Musik wahrgenommen werden. Viel strker als die perzeptuelle Vernderung von Tnenist aber die emotionelle, so da manche Versuchspersonen von einem tieferen Verstndnis frMusik im Zustand der LSD-Wirkung sprechen. Dieses Phnomen ist aber eindeutig nicht

    physischen Aspekten zuzuordnen. Gelegentlich treten auch Strungen im Bereich des Ge-schmacks- oder Geruchssinnes auf, wobei meist eine herabgesetzte Unterscheidungsfhigkeitoder das Vorherrschen eines bestimmten Geruches auftritt. Im Bereich des Tastsinns kann

    mitunter eine teilweise Gefhllosigkeit vorhanden sein.

    11

    Viel hufiger werden sogenannte Synsthesien beobachtet, d.h. ein eingehender sensorischerReiz wird mit der Reaktion eines anderen Sinnesorgans beantwortet. Schon Albert Hofmannfiel auf, da akustische Reize in optische Empfindungen umgewandelt werden konnten (sieheSeite 8). Die Art der Synsthesien kann verschiedene Formen annehmen und ist nicht festge-legt, so da es nicht nur mglich ist Tne zu sehen, sondern auch Farben zu schmecken oderSchmerzen zu hren. Auf welche Weise LSD und andere Psychedelika wie Mescalin diesePhnomene genau erzeugen, kann jedoch noch nicht schlssig gezeigt werden.12Die Zuordnung von Wahrnehmungsvernderungen zu den physischen Aspekten ist zwargrundstzlich problematisch, da man zurecht einwenden kann, da insbesondere bei derWahrnehmung psychische Faktoren eine gewichtige Rolle spielen.,13Ich habe mich dennochdazu entschlossen, da elementare Trugbilder auch durch mechanischen Druck auf die Bulbi,

    durch Einatmen eines Gemischs aus Sauerstoff und Kohlensure oder durch stroboskopischesLicht hervorgerufen werden knnen. Des weiteren kann nicht von eigentlichen Visionen oderHalluzinationen gesprochen werden, da die Versuchspersonen in dieser Phase fast immer umdie Unwirklichkeit der Erscheinungen wissen.

    Aus den bunten, zuflligen Tischflecken wurden springende, flchtendeSalamander auf dunklem Grund und prachtvoll schillernde Schmetterlinge. Ich fandes nicht einmal grotesk, obwohl ich wute, da es nur eine armselige Tischplattemit Flecken war.14

    Solche Pseudohalluzinationen lassen sich zumeist durch chemische Reizung der jeweiligenSinnesorgane erklren und beruhen auf deren besonderen physiologischen Eigenschaften.15Fr gewhnlich sind unter ihnen optische Erscheinungen vorherrschend.

    Physiologische AbweichungenManchmal wird die Vermutung geuert, LSD knne zu nderungen im Chromosomenbe-stand, insbesondere zum Chromosomenbruch und zu Mutationen fhren, wenn es ber einenlngeren Zeitraum eingenommen werde. LSD wrde die Phosphationen neutralisieren und sodie DNA-Helix zerstren. Tatschlich ergaben Experimente, da fr das Binden von LSD anDNA bzw. RNA eine Temperatur von mindestens 100 F oder 38 C notwendig ist.

    So ist fr das Auftreten von visuellen Halluzinationen eine funktionierene Retina nichtzwangslufig notwendig, wie Versuche mit blinden Probanden ergaben.

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    21Unkorrigierte Fassung Nur zur Durchsicht bestimmt

    Mutationen wurden erst bei einer Konzentration von 2-10 mg LSD pro ml Blut beobachtet.Das entspricht einer Gesamtdosis von 12-60 g pro Person, was etwa der 1.000fachen tdlichenDosis gleichkommt.16Wenn dennoch Chromosomenanomalien beobachtet werden knnen,liegt das vermutlich an der Zusammensetzung des verwendeten LSD, welches am illegalenMarkt oft stark, mit zum Teil hochgiftigen Substanzen wie Strychnin, verunreinigt ist, so daL.L. Judd et.al. zu folgendem Schlu kommen:

    They could not find significant differences in chromosome breakage rates among

    heavy users of LSD who discontinued the drug, heavy users of LSD who havecontinued to use it, and drugfree control subjects.17

    Einen gewissen Einflu bt LSD auch auf die Schlafphasen aus. So wird zwar das Einsetztenvon Trumen verzgert, die Gesamtdauer der REM-Phasen aber ber einen Zeitraum voneinigen Tagen nach Einnahme des LSD verlngert. Auch kann in nicht paradoxen Schlaf-

    phasen kurzzeitig REM-Aktivitt auftreten. Vernderungen im Schlafmuster sind jedoch in-dividuell zu unterschiedlich, um sie als einheitliches Symptom auffassen zu knnen.18

    Psychische AspekteEine Beschreibung der psychischen Faktoren mu zwangslufig Einschrnkungen vornehmen,da jeder unter LSD-Einflu erlebte Zustand, strker noch als die krperlichen Wirkungen,individuell variiert. Grundstzlich treten diese Phnomene bei hherer Dosierung vermehrtauf. Geht man davon aus, da Wahrnehmungsvernderungen nur die oberste Schicht des unterLSD-Einwirkung Erlebten ausmachen, sind Vernderungen die Zeit bzw. die Persnlichkeit

    betreffend die nchsten Stufen. Ein geeignetes System zur Klassifizierung und Erklrung derauftretenden Erscheinungen kann aber nur die Theorie der LSD-Psychotherapie, wie sie etwavon S. Grof vertreten wird, bringen.

    Vernderung des ZeiterlebensEine der tiefgreifendsten Erfahrungen, die whrend einer LSD-Intoxikation auftreten knnenist ein verndertes Erleben der Zeit, das bis hin zu deren Verschwinden gehen kann. Meist er-folgt eine Dehnung der Zeit, so da Sekunden subjektiv als Minuten oder Stunden erlebtwerden knnen. Eine mgliche Erklrung ist, da durch die berflle der eingehenden Reize

    das psychische Moment verringert wird, um alle Empfindungen noch verarbeiten zu knnen.Damit geht eine subjektive Verlngerung der Zeitspanne einher. Psychologische Testverfahrenergaben aber, da solcherart eine maximale Vernderung nur etwa um den Faktor 4 mglichist.19Andererseits finden sich in Versuchsprotokollen Situationen beschrieben, in denen dieZeit vollkommen aufgehrt hat zu existieren.

    Es wird so still! aber anders als sonst so unheimlich still. Die Zeit steht still die Zeit ist weg. Es gibt keine Bewegung. Die Ewigkeit nein das ist etwasGrauenhaftes! Man mu ein Ende sehen.20

    Da diese extremen Phnomene auch auftreten, wenn etwa durch Augenschirme und Ohren-schtzer uere Reize vermieden werden, kann eine Vernderung des psychischen Momentshier nicht mehr ausschlielich als Erklrung herangezogen werden. Solche Erlebnisse ent-ziehen sich weitgehend einer zufriedenstellenden psychologischen Ableitung. Sie werden

    meist mit Stillstand und Apathie in Zusammenhang gebracht, in welchen eine berschreitungder Zeitlichkeit mglich ist.

    Ich habe gar nicht das Gefhl, es komme ein nchster Moment wie wenn alles zugleicher Zeit in einem Punkt wre. So anspruchslos es dnkt mich, der letzteMoment sei anderswo. Nein, Angst habe ich nicht. Angst hat man vor etwas daskommt aber es ist kein Moment hinter dem andern.21

    Dennoch treten auch Vernderungen in die entgegengesetzte Richtung auf, wenn also eineZeitspanne krzer als objektiv gemessen erlebt wird. Im Vergleich zur Zeitdilatation tritt die

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    22Unkorrigierte Fassung Nur zur Durchsicht bestimmt

    Zeitkontraktion aber seltener auf. Auch fallen diese Abweichungen nicht so stark aus und be-wegen sich in einem mit oben angefhrter Theorie vereinbaren Rahmen.

    Vernderung des IchbewutseinsEine Vernderung der Persnlichkeit wird meist als uerst unangenehm erlebt. Versuchs-

    personen berichten von einem Verlust sowohl der Krperlichkeit als auch der Seele. Oft istdieser Zustand auch verbunden mit Strungen des Krperschemas. Begriffe wie Leblosigkeit,

    Entfremdung oder Leere werden assoziiert, die Umwelt und Mitmenschen als automatenhaftund wie von selbst ablaufend angesehen.Ich kann mich wie in einem Spiegel stndig kontrollieren, sehe meine Fehler unddie Strungen ein, habe aber nicht die Mglichkeit zu korrigieren.22GrenzenloseGleichgltigkeit und Leere Gefhl als ob ich nicht selber redete, sondern eineandere Person.23Ich bin zwei und schaue mir selbst zu ich hre eine Stimme, abersie ist fremd.24

    Gleichzeitig wird von einem Schwinden des Kontaktes zur Auenwelt und einer emotionalenEntleerung, die bis zum vllig Verlust der Persnlichkeit geht, berichtet. Oft geuerte Bildersind leblose Krper, Hampelmnner, Marionetten und Pappfiguren, welche an die Stelle vonMenschen getreten sind. Der Zustand des Vegetieren und Siechens scheint unabnderlich, wieauch ein Weiterleben als sinnlos erachtet wird. In dieser Situation knnen Selbstmordge-danken entstehen, die insbesondere dann gefhrlich werden, wenn der Proband nicht mehr ge-wahr ist, da er noch unter LSD-Einflu steht.

    Ich habe nicht mehr das Gefhl, unter Lysergwirkung zu stehen das ist nicht dasLSD, das bleibt so, das ndert sich nicht.25Der Suicid eines Schizophrenen in der Depersonalisation ist ohne weitereseinfhlbar, insbesondere, wenn der Zustand Vergleiche mit der frherenPersnlichkeit erlaubt.26

    Auffallend whrend einer LSD-Intoxikation sind auch die dabei auftretenden teilweise be-trchtlichen Stimmungsschwankungen. So knnen klar depressive Phasen pltzlich in vonHochgefhlen geprgte Stimmungen umschlagen, wenngleich Wechsel von einem Extrem insandere eher selten sind. Euphorie im Zusammenhang mit Persnlichkeitswandel und Deper-

    sonalisation tritt dann in mystischen Dimensionen auf, etwa als Manifestation der Vereinigungvon Individuum und dem Weltganzen oder als Wiedergeburtserlebnis. Solche Erlebnissewerden aufgrund ihrer therapeutischen Wirksamkeit zum Teil in der LSD-Psychotherapie an-gestrebt. Wie bereits erwhnt, ist es aber wahrscheinlich nur mit Hilfe psychotherapeutischer

    bzw. psychoanalytischer Methoden mglich, solche Phnomene zu erklren.

    FlashbacksIn einigen Fllen knnen Wochen oder Monate, mitunter sogar noch Jahre nach der eigent-lichen Intoxikation sogenannte Rckblenden auftreten, in denen das Erlebte meist in negativerForm wiedererlebt wird. Erklrbar ist dieses Phnomen nur mittels psychischer Abwehr-mechanismen, die zwar oberflchlich stark genug sind um ein Erlebnis im Unbewuten zuhalten, bei einer Schwchung aber die Episode wieder ins Bewutsein dringen lt.

    Das Erleben setzt sich nun fort, nicht aufgrund einer anhaltendenpharmakologischen Wirkung des LSD, sondern wegen der emotionalen Besetztheitdes freigewordenen unbewuten Materials.27

    Faktoren, die Flashbacks provozieren sind neben der Einnahme anderer psychoaktiver Stoffewie Alkohol, Marihuana oder Antidepressiva Zustnde krperlicher Schwchung wie z.B. an-

    Smtliche LSD-Versuche, aus deren Protokollen hier zitiert wird, fanden unter rztlicherAufsicht statt. In [4] schreibt W.A. Stoll ausdrcklich:Von Bedeutung ist die Tatsache, da recht merkbare Anklnge von Suizidalitt bestanden; die rztliche berwachungder Versuche ist daher unbedingt notwendig!

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    23Unkorrigierte Fassung Nur zur Durchsicht bestimmt

    haltender Schlaf- oder Nahrungsentzug. Stadien physischer Ermdung, besonders die Peri-oden zwischen Wachen und Schlafen begnstigen weniger dramatische Flashbacks. Be-sonders aber Alltagssituationen, in denen hnliche Elemente vorkommen, wie sie whrend desLSD-Erlebens aufgetaucht sind (z.B. das Betreten dunkler Rume) knnen Rckblendenhervorrufen.28

    Variablen und VerlaufArt und Verlauf einer LSD-Intoxikation hngen neben der Dosierung noch von anderen Fak-toren ab, die im wesentlichen in der Persnlichkeit des Probanden begrndet liegen. Dennochkann man die LSD-Intoxikation in gewisse Phasen einteilen.

    Set und SettingBestimmende auerpharmakologische Faktoren sind die Persnlichkeitsstruktur und geistigeGesundheit. So ist das LSD-Erleben von Psychiatriepatienten deutlich von deren unterbe-wuten Konflikten geprgt. Whrend bei Menschen mit hysterischer Persnlichkeit sehrschnell Halluzinationen auftreten, erweisen sich etwa Neurotiker als extrem resistent.29Weiters sind die Einstellung zu LSD und die daran geknpften Erwartungen entscheidend.Ebenso spielen Zielsetzung (etwa im Rahmen einer Therapie oder eines nichtmedizinischenSelbstversuches) und Kenntnis um die Situationund nicht zuletzt Fachwissen eine Rolle. All

    diese Aspekte fat man unter dem Begriff Erwartungsrahmen odersetzusammen.Als Einnahmesituation odersettingversteht man die unmittelbare Umgebung und die kon-kreten Umstnde, wie sie zur Zeit der Verabreichung vorherrschen.30Dazu gehren vor allemuere Umweltreize akustischer und visueller Natur, da sie zum Ausgangsmaterial der Il-lusionen und Halluzinationen werden.

    Einteilung in PhasenUnter Wahrung individueller Unterschiede erscheint folgendes Schema den zeitlichen Verlaufeiner LSD-Intoxikation zu beschreiben am zweckmigsten:1. SomatischePhase: Sie beginnt mit der Verabreichung des LSD. Sie ist gekennzeichnet von

    vegetativen Symptome und dauert bis zum Einsetzen der vollen Wirkung an.

    2. PerzeptuellePhase: Pseudohalluzinationen und Wahrnehmungsvernderungen treten auf.3. PsychischePhase: Sie umfat den Hhepunkt der Wirkung und dauert zusammen mit derperzeptuellen Phase bis zu acht Stunden. Sie schliet Stimmungsschwankungen von De-pression zu Euphorie, echte Halluzinationen und Auflsung von Zeit und Persnlichkeit ein.

    4. RekurrentePhase: Das normale Erleben dringt wieder ins Bewutsein vor.31,32

    ZusammenfassungDer Einflu von LSD uert sich in massiven Vernderungen von Psyche, aber auch Physis.Zu eindeutig krperlichen Symptomen gehren neben motorischen Fehlleistungen vor allemvegetative Strungen. Wahrnehmungsvernderungen oder Pseudohalluzinationen, die insbe-sondere im visuellen Bereich auftreten, nehmen eine Mittelstellung ein, da sie zwar physio-logisch bedingt, aber von psychischen Faktoren abhngig sind. Psychische Aspekte des LSD-Erlebens differieren bei jedem Individuum. Kennzeichnend sind allerdings dramatische Ver-nderung im Bereich der Zeit und Persnlichkeit, die bis hin zu deren Verschwinden gehenknnen. Negative Nachwirkungen eines bad trip knnen Rckblenden darstellen, in welchen

    S. Grof bezeichnet das Verabreichen von LSD an eine Person ohne deren Wissen undEinverstndnis, wie dies etwa bei frhen psychologischen Untersuchungen oder whrendder Hippie-Kultur gang und gbe war, aber auch von Geheimdiensten als Mittel zurGehirnwsche erwogen wurde, als kriminellen Erwartungsrahmen, da er die geistige undkrperliche Gesundheit der betroffenen Person nachhaltig schdigen kann.

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    24Unkorrigierte Fassung Nur zur Durchsicht bestimmt

    mitunter Monate spter, das ursprnglich Erlebte wieder unvermittelt ins Bewutsein rckt.Schlielich knnen noch auerpharmakologische Variablen den Charakter der LSD-Wirkungvor allem ber den Erwartungsrahmen und die Einnahmesituation entscheiden beeinflussen.

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    25Unkorrigierte Fassung Nur zur Durchsicht bestimmt

    Literaturverzeichnis[1] Topographie des Unbewuten, Stanislav Grof

    Klett-Cotta. Stuttgart 1993[2] LSD-Psychotherapie, Stanislav Grof

    Klett-Cotta. Stuttgart 1983[3] Drogen und Psychopharmaka, Robert M. Julien

    Spektrum Akademischer Verlag. Heidelberg, Berlin, Oxford 1997[4] LSD - Ein Phantastikum aus der Mutterkorngruppe, W.A. Stoll

    in: Schweizer Archiv fr Neurologie und Psychiatrie, Nummer 60[5] Physiological and Genetic Investigations, in: LSD a Total Study, D.V. Sivar Sankar

    PJD Publications Westbury. New York 1975[6] General Effects of the Use of LSD, in: LSD a Total Study, D.V. Sivar Sankar

    PJD Publications Westbury. New York 1975[7] Manipulation of Time and Space (R. Fischer), in: LSD a Total Study, D.V. Sivar Sankar

    PJD Publications Westbury. New York 1975[1] Zur Psychopathologie der Lysergsurediethylamidwirkung, A.M. Becker

    in: Wiener Zeitschrift der Nervenheilkunde, Nummer 2

    1vgl. [2], S. 64 p.2cit. [2], S. 613vgl. [2], S. 62 p.4vgl. [4], S. 2855vgl. [1], S. 306ibd.7cit. part. [4], S. 2878vgl. [1], S. 55 pp.9ibd.

    10vgl. [4], S. 289 p.11ibd.

    12vgl. [2], S. 26313vgl. [6], S. 29714cit. [4], S. 28915vgl. [1], S. 6116vgl. [5], S. 486 pp.17cit. [5], S. 47818vgl. [5], S. 464 p.19vgl. [7], S. 364 pp.20cit. [8], S. 43421cit. [4], S. 293 p.22cit. ibd.23cit. [8], S. 42724cit. [8], S. 43225cit. [8], S. 42626cit. [8], S. 43127cit. [2], S. 25128vgl. [2], S. 252 p.29vgl. [2], S. 7230vgl. [2], S. 13231vgl. [3], S. 33632vgl. [6], S. 287

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    26Unkorrigierte Fassung Nur zur Durchsicht bestimmt

    Kapitel 4: Mgliche Wirkmechanismen

    Schon relativ bald nach Verffentlichung der endgltigen Strukturformel des LSD fiel diehnlichkeit dieser Droge mit dem gerade erst als Neurotransmitter identifizierten HormonSerotonin auf. Forscher in England und Amerikasahen einen Zusammenhang zwischen derWirkung des Serotonins, oder besser gesagt dessen Fehlens, und den fr LSD typischenSymptomen, was zur Aufstellung erster Vermutungen und zu einer nheren Untersuchung derLSD-Serotonin Wechselwirkung fhrte. Da heute nach allgemein anerkannter Auffassung diekritischeWirkung ber die Serotoninrezeptoren ausgebt wird1, werden auch in den meistenneueren Verffentlichungen auf die Serotoninwirkung beschrnkte Hypothesen besprochen.Wie spter gezeigt werden soll, ist diese Reduktion auf die serotoninerge Komponente derWirkung von Psychedelika zwar immer noch nicht frei von Ungereimtheiten, aber dennochein durchaus brauchbarer Ansatz, um die Drogenwirkung zu erklrenIn den ber fnfzig Jahren, in denen LSD nun Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungengewesen ist, ist es nicht gelungen, schlssig zu erklren wie es seine Wirkung entfaltet. Eswurden zwar unzhlige Vermutungen geuert, doch gibt es bis heute keine in sichgeschlossene, widerspruchsfreie Theorie, die alle Phnomene zu erklren imstande wre.

    Die heute vorliegenden Verffentlichungen fallen in zwei Gruppen. Die einen knnen zwarrelativ anschaulich und berzeugend erklren wie die halluzinogene Wirkung entstehenknnte, basieren in wesentlichen Teilen aber auf Vermutungen und Spekulationen, dieexperimentell nicht ausreichend verifiziert werden knnen. Auerdem bergen sie die Gefahrvon nicht zulssigen Simplifikationen in sich, so da sie zwar als Modelle durchaus tragbarsind, den Ansprchen, die an eine exakte Erklrung gerichtet werden, aber nicht in allenPunkten gerecht werden knnen. Die andere Gruppe, und das ist die heutige Tendenz,konzentriert sich auf Forschungen auf molekularer Ebene, und versucht so, gendertesVerhalten infolge der Applikation von LSD bei Labortieren zu erklren. DieseVerffentlichungen sind aber aufgrund der strengen naturwissenschaftlichen Vorgangsweisenur in der Lage ein einzelnes Phnomen, ein kleines Detail, das womglich nur unter

    bestimmten Voraussetzungen auftritt, zu erklren. Obwohl viele einzelne Studien vorliegen,ist es nahezu unmglich diese alle zu berblicken, um daraus eine gesamte widerspruchsfreieTheorie zu formen. Dieses Versteifen der Forschergruppen auf Details, bei gleichzeitigemFehlen eines groen Ganzen, deutet fr mich auch auf eine gewisse Hilflosigkeit derWissenschaft bei diesem Thema hin.

    Bisherige berlegungenBereits diesen lteren Hypothesen liegt die Annahme zugrunde, da aufgrund derStrukturverwandtschaft das LSD auf irgendeine Weise mit dem Serotonin im Gehirninteragiert. Man nahm an, da aufgrund der blockierenden Wirkung von LSD im peripherenGewebe, auch die zentralnervse eine inhibierende sein msse und formulierte eine Theorie,gem der LSD psychotische Zustnde auslse. Da die Serotoninblockade aber keinesfalls

    der Grund fr die Wirkung des LSD sein konnte, zeigten die Experimente mit Brom-LSD(BOL), einem LSD-Molekl, dem ein einzelnes Brom-Atom angehngt wurde. Brom-LSD istnmlich in Gewebsproben nicht von normalem LSD zu unterscheiden, hat aber keinehalluzinogenen Effekte. Der Grund dafr knnte vielleicht in der mangelnden Affinitt vonBrom-LSD fr die Serotoninrezeptorsubtypen im Gehirn liegen; verlliche Arbeiten zudiesem Thema liegen allerdings nicht vor. Diese Entdeckung machte jedenfalls aufdramatische Weise klar, wie unzulssig der Schlu von Periphere auf Gehirn ist, so da die inanfnglicher Euphorie verffentlichten Erklrungen betrchtlich modifiziert werden muten.

    J.H. Gaddum et.al. und D.W. Wooley et.al.

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    27Unkorrigierte Fassung Nur zur Durchsicht bestimmt

    Praesynaptische HypotheseDieser Hypothese liegen erstmals Untersuchungen am Gehirn selbst zugrunde. BeiVerabreichung von LSD wurde dabei ein um ca. 24 % erhhter Serotoninspiegel festgestelltwhrend Brom-LSD nicht in der Lage war, nderungen herbeizufhren. Gleichzeitig sank dieKonzentration des Serotoninabbauproduktes 5-HIAA, was auf eine Hemmung derserotoninergen Neurotransmission hindeutet. Bei Versuchen mit narkotisierten Ratten konnte

    dann gezeigt werden, da nach einer LSD-Injektion im Bereich der Raphe Nuclei tatschlichdie Serotoninneuronen, und nur diese, ihr sonst periodisches Feuern stoppen. AlsWirkmechanismus wurde eine Blockade der Serotoninneuronen direkt am Zellkrper oderAxon angenommen. Das wrde die geringere Menge des Metaboliten und die hhereKonzentration des Botenstoffes, der sich infolge der Blockade innerhalb des Neuronsangesammelt htte, erklren.2Leider hat diese Hypothese einige gewichtige Nachteile. Wenn nmlich LSD seine Wirkungausschlielich praesynaptisch entfalten wrde, dann drften keine Effekte feststellbar sein,wenn die Serotoninneuronen vorher zerstrt worden sind (Depletion). Genau das Gegenteil istaber der Fall, wie im Tierversuch gezeigt wurde. Ebenfalls gegen die praesynaptischeHypothese spricht, da viele LSD-induzierte Verhaltensweisen die Hemmung derSerotoninneuronen berdauern und die gedmpfte Aktivitt der Neuronen auch dann noch

    nachweisbar ist, wenn infolge einer Toleranzentwicklung berhaupt kein Effekt mehrbeobachtet werden kann.

    Postsynaptische HypotheseDiese Hypothese klrt einige der entstanden Ungereimtheiten. Wenn LSD nmlich auch ber

    postsynaptische Rezeptoren wirkt, stellt ein Zerstren der serotoninergen Neuronen keinenWiderspruch mehr dar. In einem solchen Fall, bilden sich nmlich auf den Dendriten desnachgeschalteten Neurons vermehrt Rezeptoren (Proliferation), die zudem empfindlicher frSerotonin sind, quasi um einen Ausgleich herzustellen. Auch die Toleranzerscheinungen sindmit dieser Hypothese erklrbar, da bei hufiger Verabreichung von LSD aufgrund desberangebotes die Zahl der Rezeptoren automatisch sinkt, was auch durch Studien mitradioaktiv markierten Partikeln bewiesen werden konnte.

    LSD und TraumDie berlegung, da die Effekte des LSD mit traumhaften Erleben in Verbindung stehen,wurde 1979 publiziert und stellt, da die Vermutungen auch experimentell untermauert werdenkonnten, einen beraus spannenden Aspekt der LSD-Forschung dar.Das Serotoninsystem mit seinen vielen Verzweigungen ist geradezu prdestiniert dafr, Schlafund Wachheit zu steuern. So wirken diese periodisch feuernden Neuronen auch als eine ArtRegler des Wachheitsgrades. Gerade diese Periodizitt vermag aber in beide Richtungenverndert zu werden. Eine Modulierung nach oben hat gesteigerte Aufmerksamkeit zur Folge,whrend eine Depression der Neuronen mit den verschiedenen Schlafphasen einher geht.Wenn die Neuronen ganz zu feuern aufgehrt haben, befindet sich das Individuum im

    REM-Schlaf, jener Phase in der Trume entstehen und Unbewutes ins Bewutsein aufsteigt.Eine spezielle Apparatur, die die Entladungen einzelner Neuronen ber lngere Zeit auf-zeichnet und auch an wachen und ansonsten sich frei bewegenden Tieren angebracht werdenkann, wurde herangezogen, um zuerst diese Korrelation von Schlaf und Feuern derserotoninergen Neuronen zu verifizieren. Anschlieend wurde den Versuchstieren LSDappliziert und wiederum die Neuronenttigkeit aufgezeichnet. Es konnte gezeigt werden, daLSD hnliche Muster im Feuern der Neuronen bewirkt, wie sie in der REM-Phase auftreten.Beginn und Hhepunkt der Drogenwirkung stimmten dabei weitgehend mit der neuronalennderung berein.3Das Stoppen des Feuerns der Serotoninneuronen setzt sofort nachApplikation der Droge ein und erreicht nach etwa einer Stunde den Tiefstwert mit ca. 20-25%

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    28Unkorrigierte Fassung Nur zur Durchsicht bestimmt

    der ursprnglichen Strke. Dann setzt das Feuern wieder langsam ein. Der Ausgangszustandist nach frhestens sechs bis acht Stunden wieder hergestellt zu diesem Zeitpunkt sind die

    Symptome der LSD-Wirkung aberimmer noch feststellbar. Die folgenden

    beiden Fragen knnen dadurch aberdennoch nicht beantwortet werden:1. Warum die LSD-induzierte

    Depression der serotoninergenNeuronen im Schnitt nur sechsStunden dauert, dieVerhaltensnderungen bei denVersuchstieren aber bedeutendlnger.

    2. Warum eine erneute Gabe von LSDzwar die gleichen Effekt auf dieserotoninergen Neuronen ausbt,aber keine Verhaltensnderung zurFolge hat.

    Die postsynaptische Hypothese bietetauch hier einleuchtende Erklrungsanstze. Wenn das Serotoninsystem nur als Auslserfungiert und die eigentliche Wirkung erst an den nachgeschalteten Neuronen zum Tragenkommt, bedeutet die Aufhebung der Blockade an den Serotoninneuronen nur, da derBotenstoff wieder ausgeschttet werden kann und sich das Gleichgewicht an den einzelnenRezeptoren wieder herstellen kann. Erst ab diesem Zeitpunkt wre also ein echtes Abklingender Drogenwirkung zu erwarten. Auch die verhltnismig lange Zeitspanne, die zwischendem Ende dieser Blockade und dem vlligen Aussetzten der Symptome, kann erklrt werden,wenn man bedenkt, da LSD ein hochaffiner Stoff ist, dessen Verdrngen von den

    postsynaptischen Rezeptoren durch den krpereigenen Neurotransmitter einige Zeit dauernkann, bis das ursprngliche Gleichgewicht wieder hergestellt ist. Auch das PhnomenToleranz kann mit der postsynaptischen Hypothese gut verstanden werden, da infolge des

    hochpotenten LSD die Sensibilitt der postsynatischen Neuronen schnell und starkherabgesetzt wird.Nach einigen Tagen ohne LSD-Gabe verliert sich diese Toleranz aberebenso rasch wieder.Dieses Modell kann auch dahin erweitert werden, da man die Rolle des Serotoninsystems alsUmschaltstelle fr eingehende Reize genauer beleuchtet. In jedem Fall bewirkt nmlich dieAufhebung der inhibitatorischen Serotoninnetzwerke ein Einstrmen verschiedenster Ein-drcke, wie sie unter gewhnlichen Umstnden selten oder nie auftreten, da sie die ver-schiedenen physiologischen und psychischen Filterinstanzen hier nicht passieren knnen.

    Eine der spekulativen Vorstellungen ber Art und Weise, wie Halluzinogene dieeindrucksvolle nderung von Stimmung, Wahrnehmung und Denken bewirken, istdie, da die Raphe [Mittellinie] der Brckenregion im Hirnstamm, ein

    Hauptzentrum der Serotoninaktivitt im Gehirn, gleichsam als Filterinstanz freinstrmende sensorische Stimuli dient. Sie durchmustert die Flut derEmpfindungen und Wahrnehmungen und unterdrckt solche, die unwichtig,

    belanglos oder stets wiederkehrend sind. Eine Droge wie LSD kann diesenAuswahlvorgang beeintrchtigen, so da eine Menge sensorischer Information insBewutsein dringt und die neuronalen Schaltkreise im Gehirn berldt.Deshabituation, also der Zustand, in dem das eigentlich vertraute vllig neuartigerscheint, ist eine typische LSD-Wirkung. Auch sie kann dadurch verursacht

    vergleiche dazu auch den BegriffDepletionauf Seite 27

    Depression der Serotoninneuronen

    0%

    20%

    40%

    60%

    80%

    100%

    0 1 2 3 4 5 6Zeit in h

    Aktivitt

    Impulsstrke

    Graphik 3: Hemmung der Neuronenaktivitt4

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    29Unkorrigierte Fassung Nur zur Durchsicht bestimmt

    werden, da ber eine Hemmung der Raphe-Aktivitt die sensorischen Schrankendurchlssiger werden.5

    Verblffenderweise entspricht dieses Zitat, das einer neuen Publikation entnommene wurde,im wesentlichen jener Erklrung, die der britische Philosoph und Schriftsteller Aldous Huxleyin seinem berhmten Essay Die Pforten der Wahrnehmung bereits in den 50er Jahren alleinaufgrund seiner Selbsterfahrungen abgegeben hatte.Das hier vorgestellte Modell, ist imGrunde das einzige, das die LSD-Wirkung einheitlich erklren kann. Es ist zwar nicht

    imstande innerzellulre und innerneuronale Vorgnge zu beschreiben, bietet dafr abersowohl Erklrungsanstze fr die vernderte Wahrnehmung als auch fr das Auftreten vonunbewuten Erlebnisinhalten ins Bewutsein, ein Vorgang der vor allem in der LSDuntersttzten Psychotherapie zum Tragen kommt. Abschlieend kann gesagt werden, dadiese Theorie tatschlich wichtige Punkte des psychedelischen Erlebens schlssig zu erklrenvermag.

    Aktueller ForschungsstandIn diesem Abschnitt werden vor allem einzelne, teilweise widersprchliche Experimente

    beschrieben und kurz die Mglichkeiten errtert, wie sie sich in das Bild einer einheitlichenTheorie fgen wrden.

    Beteiligte RezeptorenUm zu bestimmen an welche Rezeptoren und mit welcher Affinitt LSD und anderePsychedelika binden, bedient man sich einer Technik, die in der Literatur alsReceptor-

    Binding-Assaybezeichnet wird. Dabei wird ein fr einen bestimmten Rezeptor als Inhibitordefinierter Stoff radioaktiv markiert und verabreicht. Nach einiger Zeit, in der die Liganden andie Rezeptorkomplexe binden, kann die Radioaktivitt der gebundenen Molekle gemessenwerden. Nun wird die zu untersuchende Substanz appliziert und die nun festellbareRadioaktivitt in einem Diagramm gegen die Konzentration des neuen Liganden aufgetragen.Jene Konzentration, die ntig ist, um die Hlfte der radioaktiven Inhibitormolekle von ihrenBindestellen zu verdrngen, ist charakteristisch fr eine Substanz und wird durch densogenannten KI -Wert angegeben.

    Substanz Potenz [mg] ED 50[mg/kg] KI-Wert [nM]1 LSD (+) 0,1 0,05 2,5

    2 DOB (-) 0,5 0,1 60

    3 DOM (-) 1,75 0,21 60

    4 N-Me DOM (+) 1,22 390

    5 TMA (+) - 2 ,4 ,5 20 3,59 1.650

    6 PMA nicht halluzinogen 33.600

    Tabelle 5: Pharmakologische Werte ausgewhlter Substanzen6

    Huxley wute dabei natrlich nicht von der Rolle des Serotoninsystems und den RapheNuclei, sprach aber von einem Ventil, das eingehende Reize, die fr das berleben nichtwichtig wren abhalten wrden und psychedelische Substanzen dieses Ventil zu offnen imStande wren.

    Potenz angeben fr den Menschen, in absoluten Werten (mg)ED50gibt jene Menge an, die ntig ist um bei der Hlfte einer Population signifikante

    Wirkungen zu erzeugen

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    30Unkorrigierte Fassung Nur zur Durchsicht bestimmt

    In einer im Jahr 1984 durchgefhrten Messung, bei der [3H]Ketanserinals Inhibitor fr den5-HT2Rezeptor verwendet wurde, fand man einen engen Zusammenhang zwischen derAffinitt von Psychedelika fr diese Bindestelle, und ihrer halluzinogenen Potenz.7Die tatschlichen Ergebnisse liegen mit hoher Korrelation (r = 0,924) um den gezeichnetenGraphen. Ein groer Wert auf der Abszisse bedeutet, da eine geringe Menge des Stoffes freine halluzinogene Wirkung gengt (hohe Potenz). Ein hoher Wert auf der Ordinate weist aufeine hohe Affinitt (kleiner KI -Wert) fr 5-HT2Rezeptorenhin. LSD kommt in diesem

    Graphen ganz rechts oben zu liegen, da es affiner und potenter als jeder andere bekannte Stoffist. Nichthalluzinogene Stoffe wiePMA erreichen so negative Werte, dasie gar nicht mehr dargestellt werdenknnen.In der Tat scheint also die auerge-whnlich hohe Affinitt des LSD fr5-HT2Rezeptoren ein Schlssel frden Wirkmechanismus zu sein, so dadie Folge dieser Studie sein knnte,die LSD-Wirkung auf diesen Re-

    zeptorsubtyp zu reduzieren. Dem ent-gegen steht, da in dieser Verffent-lichung nur die 5-HT1und 5-HT2Sub-typen untersucht wurden, und inner-halb der Klassen keine Unterschei-dungen vorgenommen wurden.

    Auerdem kann man Zweifel an der ausschlielichen Affinitt des Inhibitors fr 5-HT2hegen. Es wre also durchaus mglich, da LSD auch an andere Rezeptoren, wie etwa den5-HT1CRezeptor bindet, was aber in diesem Versuch nicht als eigene Bindestelle identifizierthtte werden knnen. Auch mu man sich vor Augen halten, da eine Bindestelle nichtgleichbedeutend mit einem Rezeptor sein mu, da auch Enzyme und Proteine die Ligandenaufnehmen knnen.

    Das SerotoninsyndromEine grundstzliche Schwierigkeit besteht darin, da bei vielen LSD-ForschungsreihenTierversuche durchgefhrt werden mssen und somit das Auftreten von Halluzinationen nichtmehr gesichert bestimmt werden kann. Es existieren allerdings eine Reihe von verschiedenenVerhaltensweisen die bei den Versuchstieren (meist Katzen) nur dann auftreten, wenn ihnen

    Serotonin oder bestimmte verwandte Substanzen verabreichtwerden. Neben allgemeinen Anzeichen von Unruhe undVerwirrung wird vor allem ein abnorm hufiges Putzen der Pfoten(limb flick) beobachtet. Serotoninerge Psychedelika wie LSD, aberauch DOM lsen dieses Syndrom ebenfalls aus, whrendcannabinoide Stoffe wie THCoder ausschlielich dopaminergeSubstanzen keine Wirkung zeigen. Die Anzahl der limbflickskannauch quantitativ zur Bestimmung der Potenz des Psychedelikumsherangezogen werden, wobei bei Applikation von LSD diehchsten Werte gemessen wurden.9

    Es ist blich das radioaktive Atom in eckigen Klammern anzugeben. Bei den meisten,relativ einfachen, organischen Moleklen kommt dafr nur das Tritium in Frage.

    THC, kurz fr -TetraHydroCannabinol, ist der Wirkstoff des Marijuana.

    Potenz - Affinitt

    -4

    -3

    -2

    -1

    0

    -3 -2 -1 0 1

    log (1/Potenz) mM

    log(1/KI-Wert)

    Graphik 4: Halluzinogne Potenz8

    Abbildung 6: Limb flick

    1!

    2!3!

    4!

    5!

  • 7/24/2019 Struktur, Wirkung und Anwendung des Lysergsurediethylamid

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    31Unkorrigierte Fassung Nur zur Durchsicht bestimmt

    Wie dieses Syndrom auf molekularer Ebene zu erklren ist, ist noch nicht vollstndig geklrt.Es tritt auch bei Tieren auf, deren serotoninerge Neuronen durch Neurotoxine (Nervengifte)zerstrt worden sind (meist sogar verstrkt), so da man eine postsynaptische Wirkungfolgern mu. Die Tatsache, da bei einer vorherigen Inhibition der Serotoninsyntheseebenfalls die Verhaltenseffekt verstrkt werden, liee sich damit erklren, da an bestimmtenSubtypen durch das fehlende Serotonin nun Bindestellen LSD frei werden. Die Blockierungdieses Syndroms durch Serotonin-Antagonisten mute sich eines hnlichen Mechanismus

    bedienen. Warum aber ausgerechnet die weniger affinen Antagonistenmolekle diehochaffinen Psychedelika von den Rezeptoren verdrngen sollten, kann nicht schlssiggezeigt werden. Zweifel, ob das Serotoninsyndrom auch wirklich nur mit halluzinogenemErleben in Zusammenhang steht sind bei solchen Untersuchungen aber stets in Betracht zuziehen.10,11

    DiskriminationsexperimenteDieser Art von Versuchen werden benutzt, um die Gemeinsamkeiten oder Unterschiede von

    bestimmten Substanzen zu bestimmen. Dabei wird Labortieren (meist Ratten) eine bestimmteVerhaltensweise, zum Beispiel das Drcken eines Hebels, um Futter zu erhalten antrainiert.Anschlieend wird den Tieren die training drugverabreicht, die im Falle eines Halluzinogenseine etwa 20mintige Pause im Drcken des Hebels bewirkt. Wird aber eine Salzlsungappliziert bleibt diese halluzinogene Pauseaus, das Tier kann also diese beiden Stoffeunterscheiden. Jetzt wird je eine der training drughnliche Substanz gegeben; aufgrund derReaktion im Verhalten knnen infolge der unterschiedlichen Spezifitten derAnfangssubstanzen Rckschlsse auf gemeinsame Wirkmechanismen gewonnen werden.12,13

    Training Drug Testsubstanz Antwort

    5-HT Agonist LSD, DOM, positiv

    5-HT2Agonist LSD, DOM, positiv

    LSD nichtselektive 5-HT Agonisten positiv

    LSD THC negativ

    Tabelle 6: Generaliserungseffekt zwischen verschiedenen HalluzinogenenDie in Tabelle 6 aufgefhrten Ergebnisse entsprechen also auch im wesentlichen den andernin diesem Kapitel beschrieben Erkenntnissen.

    Agonist oder AntagonistEine sehr kontroversielle Frage ist, ob LSD als Agonist oder Antagonist an denSerotoninrezeptoren wirkt. Da eine rein antagonistische Wirkung eher unwahrscheinlich ist,zeigen ja bereits die Erkenntnisse mit Brom-LSD, dennoch scheinen einige Punkte, wie z.B.die Depression der Serotoninneuronen nur mit einer blockierenden Wirkung erklrbar. EineUntersuchung aus dem Jahre 1990 versuchte diese Widersprche zu klren und kam zu demSchlu LSD msse als partieller Agonist wirken, was in manchen Fllen die antagonistischeReaktion erklren knnte.14Es wurden dabei verschiedene, bereits bekannte 5-HT2 induzierte

    Ereignisse nochmals im Tierversuch nachvollzogen, um die These des partiellen Agonismustesten zu knnen. Es ergaben sich dabei folgende pharmakologische Erkenntnisse:1. Der Agonismus des LSD ist nur etwa 25% so stark wie der des Serotonins. Dieser Wert

    stimmt sehr gut mit der maximalen Depression der serotoninergen Neuronen berein. Zubedenken ist allerding