Steven Tyler - Does the Noise in My Head Bother You

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Wilde Drogenexzesse, sexuelle Eskapaden, grandiose Erfolge mit der Band Aerosmith und vier Kinder von drei Frauen – Steven Tyler hat nicht nur als Sänger und Frontmann Geschichte geschrieben. Sein Leben gleicht einer Achterbahnfahrt mit Höhen, Tiefen und mehrfachen Loopings. In „Does the Noise in My Head Bother You? Meine Rock’n’Roll Memoiren“ erzählt er seine aufregende Lebensgeschichte nun erstmals selbst. Dabei gibt er äußerst persönliche Ein­blicke in seine Jugend in der Bronx, den Aufstieg, Fall und Wiederaufstieg von Aerosmith, das Leben im Rampenlicht und in die wirtschaftlichen Hintergründe des Rockgeschäftes. Tyler spricht über seine Romanzen und die Beziehungen zu seinen Kindern ebenso offen wie über seinen immerwährenden Kampf gegen die Drogen. Seine Geschichte ist atem­beraubend, rasant, verrückt. Kurz: purer Rock’n’Roll!

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DOES THE NOISE IN MY HEAD BOTHER YOU?Meine Rock 'n' Roll MeMoiRen

mit David Dalton

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To the loving memory and the spirit of Susan Rey Blancha Tallarico

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Semiprolog 9

kapitel 1

Peripherer Seher 13

kapitel 2

Inmitten von Titten 45

kapitel 3

Die nie gespielte Flöte 83

kapitel 4

Mein roter Fallschirm (und andere Träume) 95

kapitel 5

Bekenntnisse eines Reimoholikers 135

kapitel 6

Little Bo Peep, die Glitzerkönigin und das Mädchen in der gelben Corvette 145

kapitel 7

Noise in the Attic (Schneetage) 161

kapitel 8

Ladies and Genitals … Ich bin kein böser Junge (sackdienlicher Hinweis) 184

kapitel 9

The Hood, the Bad, the Ugly … Hackedicht mit Hemingway 213

kapitel 10

Nahrungsmittelvergiftung beim Familienpicknick 227

Inhalt

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kapitel 11

Abhandenkommen auf dem Weg zur Mitte 263

kapitel 12

Wo du aufhörst und ich … wieder … anfange (Die Göttin) 272

kapitel 13

Probleme im Paradies (Das fantastische Leben nicht mehr im Griff) 282

kapitel 13,5

Die Hurengöttin vom Billboard 300

kapitel 14

Heiliger Rauch, die Suche nach dem großen Paschmina und die große Mutlosigkeit von zwanzig Sommern 320

kapitel 15

Nach Sansibar und zurück 348

kapitel 16

Falling in Love Is Hard on the Knees 377

kapitel 17

Hereinspaziert in meine Gedanken … 393

Dank an 399

Genehmigungen 401

Index 410

Bildnachweise 416

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Wenn du ein Hammer bist, sieht alles wie ein Nagel aus. Wenn du ein Sänger bist, sieht alles wie ein Song aus.

D as Leben ist kurz. Brich die Regeln, verzeih schnell, küsse bedäch-tig, liebe ehrlich, lache hemmungslos und bedaure niemals etwas,

was dich zum Lächeln bringt.« Wir sind nicht messbar; es gibt keine Skala der Begierde. Wenn die lodernden Flammen deines Herzens zu schwacher Glut herabgebrannt sind, könntest du feststellen, dass du deinen besten Freund geheiratet hast. Ahnung, Vermutung, Instinkt … blindes Vertrauen in was auch immer kann deinen Tod bedeuten und denk immer daran: Sing, als könnte dich niemand hören, lebe, als wäre hier der Himmel auf Erden. Damit will ich etwas Tiefes und Bedeu-tungsloses sagen, so was wie »Bleib dir stets treu«, aber in Wirklichkeit müssen wir als Erstes ALLE ANWÄLTE UMBRINGEN.

Als ich ein Kind und Mitglied einer Gang war, schlug mir mein so-genannter bester Freund, Dennis Dunn, auf den Arm und sagte: »Gib das weiter, Arschloch!« Also drehte ich mich zu Ignacio, schlug ihm auf den Arm und sagte: »Gib das weiter!« Ignacio wendete sich zu Foo-tie und schlug ihm auf den Arm, Footie schlug Raymond und der … schlug wieder mich. Nichts als Positionskämpfe. Später erkannte ich, dass es in einer Band kaum anders ist. Nur dass in meiner neuen Gang Brad Tom schlug, Tom darauf Joey, Joey Joe und Joe gab mir eins aufs

Semiprolog

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Maul, zartfühlender kann ich nicht beschreiben, was in jeder Band auf Erden vor sich geht (zumindest in jeder, die nach zehn Jahren immer noch besteht und einmal im Rampenlicht stand).

Ich weiß noch, was meine Mutter erwiderte, als ich ihr sagte, ich wolle wie Janis Joplin sein: »Wenn du im Rampenlicht stehst, machen dich die Leute zur Zielscheibe ihrer Ängste, Zweifel und Unsicherhei-ten. Und wenn du damit umgehen kannst, Steven, mein kleiner Skee-zix, dann liegt dir eine Blue Army zu Füßen.« Und wisst ihr was? Ich habs von allen Seiten abgekriegt! Ich möchte bei dieser Gelegenheit alle Nachbarn und gescheiterten Existenzen wissen lassen, dass mich der Lauf meines Lebens nie so weit gebracht hat, andere mit Dreck zu bewerfen, runterzumachen oder zu beschädigen … Deshalb merkt euch eins, IHR, die ihr mich gezaust habt und mir unrecht tatet, nur weil ich ein neugieriges Kind und eine nervige Künstlerseele war, dass für mich das Gleiche gilt wie für Mongo im Film Der wilde wilde Wes-ten: Wer auf Steven schießt, macht ihn nur zornig.

Wenn du jung bist, erlebst du alles zum ersten Mal, und weil es so geradeheraus passiert, ist es einfach da … und du kämpfst dich durch. Später im Leben stellst du jeden Scheiß infrage und verschwendest viel Energie mit all den Warums. Du suchst nach diesem Donnerengel, der dein inneres Feuer löscht, und du fängst an zu glauben, dass du sechs Jahrzehnte überstanden hast, weil dir ein Engel auf der Schulter saß.

Deshalb bin ich Songschreiber – weil ich hin und her geworfen wurde zwischen NICHTS wissen und ALLES wissen, und jetzt, mit 63, bin ich wieder beim GAR-NICHTS-Wissen angelangt. Und wenn dein Kopf unbehelligt ist von sogenanntem Wissen, bist du offen, deine Fantasie spielen zu lassen. Schon Albert Einstein sagte: »Fantasie ist wichtiger als Wissen.«

Im Radio läuft dein Song; die Melodie geht so ins Ohr, dass sie in die Zuhörer hineinkriecht und sie innendrin verändert. Sie beginnen sie zu singen! Du bist in ihr Innerstes vorgedrungen, ihr habt euch ge-liebt. Du warst in ihrer Seele … und umgekehrt. Es ist wie ein Vujà-dé und hier tritt das Wunder zutage … ein Austausch von Orten, Worten und Konsorten.

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Vater von vier Kindern (die großen Lieben meines Lebens), Song-schreiber mit einem Berkeley-Ehrendiplom und einem Ehrendoktor der University of Massachusetts in Boston, Dichter und Maler, Dro-genabhängiger und ein Mensch, der täglich etwas Neues lernt, ob im »Malibu Home for the Recently All Right« oder beim Dinner mit Scheich Nion in Abu Dhabi, und jetzt … Autor? Ihr macht wohl Witze! RoMANtiker. SeMANtiker. Exotisch, neurotisch, genau! Stört euch der Lärm in meinem Kopf … jetzt schon? Echt? Ich würde sagen, das ist schon mal ein guter Anfang.

S. t.

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Ich wurde am 26. März 1948 im Polyclinic Hospital in der Bronx gebo-ren. Kaum dass sie mich mitnehmen konnten, verließen meine Eltern

die Stadt Richtung Sunapee, New Hampshire, und fuhren zu den klei-nen Ferienhäuschen, die sie im Sommer vermieteten, so eine altmodi-sche Art Bed-and-Breakfast. Mich legten sie in ein Gitterbett neben dem Haus. Da kam ein Fuchs des Weges, dachte, ich wäre ein Welpe, schnappte mich am Zipfel meiner Windel und schleppte mich in den Wald. Ich wuchs mit den Tieren und Kindern des Waldes auf. Ich hör-te so viel in der Stille der Pinienwälder, dass mir klar wurde, später im Leben würde ich diese Leere auffüllen müssen. Meine Eltern wussten nur, dass ich irgendwo da draußen war. Eines Nachts hörten sie mich im Wald weinen, aber als sie die Stelle erreichten, sahen sie nur ein gro-ßes Loch im Boden, das sie für einen Fuchsbau hielten. Sie gruben und gruben, aber sie fanden nur einen Kaninchenbau, in den ich hineinge-fallen war – wie Alice.

Und wie Alice drang ich in eine neue Dimension vor: die sechste (die fünfte war schon belegt). Seither kann ich jederzeit an diesen Ort zurückkehren, denn ich kenne das Geheimnis der Kinder des Waldes; in der Stille steckt so viel, wenn du weißt, was du hörst – das, was zwi-schen der Psychoakustik zweier Noten tanzt und was zwischen den Zeilen steht, gleicht deinem Gegenüber, das du im Spiegel betrachtest. Mein ganzes Leben tanzte ich zwischen diesen beiden Welten: der jen-

kapitel 1

Peripherer Seher

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seitigen GOA-ZONE und der … BEDAUERLICHEN WIRKLICHKEIT. Kurz gesagt, ich bezeichne mich selbst als peripheren Visionär. Ich höre, was nicht gesagt wird, und sehe, was unsichtbar ist. Weil unser Sehsinn aus Stäbchen und Zäpfchen besteht, kann man nachts den dunklen Pfad vor sich nur erkennen, wenn man nicht hinschaut und ihn im peripheren Sehbereich betrachtet. Mehr dazu, wenn diese Ge-schichte vorwärts-, rückwärts- und abseitsschreitet.

Als ich schließlich aus dem Kaninchenbau herausgezogen wurde, holten mich meine Eltern in die dritte Dimension zurück. Wie alle El-tern machten sie sich Sorgen, aber ich wagte ihnen nicht zu sagen, dass ich mich niemals so wohl gefühlt habe wie damals in diesem Wald.

In Manhattan lebten wir an der Ecke 124. Straße und Broadway, nicht weit vom Apollo-Theater. Harlem, Mann. Wenn es stimmt, dass man nie mehr so viel wie in den ersten drei Jahren seines Lebens in sich aufnimmt, dann musste ich die Musik gehört und die Geräusche inha-liert haben, die aus diesem Theater drangen. Es hatte mehr Seele als der heilige Petrus.

Vor einigen Jahren war ich mal wieder beim Apollo und sah den Park, durch den mich meine Mutter im Kinderwagen spazieren fuhr. Meine erste visuelle Erinnerung ist DIESER PARK: Bäume und Wol-ken ziehen über meinem Kopf dahin, während ich über der Erde schwe-be. Das bin ich, ein zweijähriger Astralreisender. Ich erinnere mich, dass ich mit vier Jahren an der Hand meiner Mutter durch lauter Gän-ge im Keller unseres Hauses durch einen Tunnel in das angrenzende Gebäude ging, um mit zwei Vierteldollarmünzen am Automaten eine Flasche Milch zu kaufen. Ich dachte, ich wäre … weiß Gott wo. Ich hät-te genauso gut auf dem Mars sein können. Ah, das war die geheimnis-volle Welt der Kindheit, wo man dauernd von jemandem an der Hand durch einen dunklen Gang in eine nagelneue Welt geführt wird, die nur darauf wartet, dass die übersprudelnde Kinderfantasie anspringt.

Meine Mutter entzündete das Feuer, das mich mein ganzes wei-teres Leben wärmte. Sie las mir Parabeln vor, die Fabeln Äsops und die Genau-so-Geschichten von Rudyard Kipling. Märchen und Kinder-

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reime aus dem 18. und 19. Jahrhundert: »Hickory Dickory Dock«, Das Kinderreimbuch von Andrew Lang, Hans Christian Andersen, Little Black Sambo von Helen Bannerman. Fantastisch! Und erst »Die Gans, die goldene Eier legte«! Meine Mutter las mir diese Geschichte immer vor dem Schlafengehen vor. Aber eines Abends, da war ich ungefähr sechs, hörte sie damit auf.

»Du musst selbst lesen lernen«, sagte sie. Bis dahin hatte ich im-mer mitgelesen, wenn sie auf die Wörter zeigte. Monatelang ging das so, bis sie sicher war, dass ichs mehr oder weniger kapiert hatte. Und plötzlich war da keine Mom mehr, die mir über die Schulter schaute. Sie ließ das Buch einfach neben dem Bett liegen, das verstörte mich. »Mom, ich will die Geschichten hören. Wieso willst du sie mir nicht mehr vorlesen?!«, sagte ich. Eines Abends aber dachte ich: »Jetzt muss ich wohl schlau werden.« Ach nee … Ich werde einfach Musiker und schreibe meine eigenen Geschichten und Mythen … Aeromythen.

Mom erzählte mir von einem Mann, den sie 1956, als ich acht Jah-re alt war, in der Steve Allen Show gesehen hatte. Er hieß Gypsy Boots. Er war der erste Hippie, lebte in einem Baum, hatte Haare bis zur Hüfte und propagierte gesunde Ernährung und Yoga. Gypsy war der Ur hippie. Er hatte Anfang der Dreißigerjahre die Schule abgebrochen und war mit einem Trupp sogenannter Vagabunden nach Kalifornien gelangt. Er lebte von dem, was er fand, schlief in Höhlen und Bäumen und duschte unter Wasserfällen. Diese Art zu leben zog mich an. Boots’ Botschaft war: So primitiv seine Welt auch schien, die Leute sollten denken, dass er ewig lebt. Hey, und das hat er beinahe geschafft, er starb 1994, elf Tage vor seinem 90. Geburtstag.

Als Nächstes trat ein vagabundierender Komponist in mein Leben, Eden Ahbez, der das Lied »Nature Boy« geschrieben hat (das meine Mutter auf einer Platte von Nat King Cole hörte). Er zeltete draußen vor dem ersten L des Hollywood-Schriftzugs, studierte orientalische Mystik und lebte wie Gypsy Boots von Gemüse, Obst und Nüssen. Mei-ne Mutter sang mir dieses Lied vor dem Schlafengehen vor. Es löste in mir das Gefühl aus, ihr nature boy zu sein, was ich nie vergessen werde.

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Das Lied erzählt davon, wie ein verzauberter, umherstreifender Naturbursche – klug und scheu, mit traurigen, glitzernden Augen – einem Sänger über den Weg läuft. Sie sitzen am Feuer und reden über Philosophen, Kerle, Kohl und Könige. Bevor der Junge aufbricht, ent-hüllt er das Geheimnis des Lebens: Lieben und geliebt zu werden ist al-les, was wir wissen und wissen müssen. Mit diesen Worten verschwin-det der nature boy in die Nacht, so geheimnisvoll, wie er erschien.

Leider haben mir die Rechteinhaber von »Nature Boy« nicht ge-stattet, den Text des Songs hier abzudrucken (man kann ihn einfach googeln), aber ich verspreche, dass mich nichts davon abhalten kann, ihn auf meinem Soloalbum zu bringen.

Dann gab es Moondog. Eine großartige Persönlichkeit, ein blinder Musiker, der sich wie ein Wikinger kleidete, mit Hörnerhelm und dazu passendem Speer. Er trieb sich an der Ecke 56. Straße und Sixth Ave-nue herum. Ich sah und roch ihn jeden Morgen auf dem Weg zur Schu-le. Wirklich seltsam, er lebte draußen in der Bronx, irgendwo im Wald ein ganzes Stück hinter den Wohnhäusern, wo ich aufwuchs. War das Zufall oder wollte Gott mir insgeheim sagen: »Steven, du sollst der Moondog deiner Generation werden« oder zumindest der Leader einer Rock-’n’-Roll-Band?

Über Moondog hörte ich, er habe »Nature Boy« geschrieben, aber was weiß ich schon? Vielleicht ist Eden Ahbez einfach Moondog rück-wärts gelesen …

Meine Mutter wurde als Susan Rey Blancha geboren. Mit sechzehn ging sie zum Women’s Army Corps (wo Frauen in der US-Armee dien-ten). Während des Zweiten Weltkriegs begegnete sie meinem Vater, als beide in Fort Dix in New Jersey stationiert waren. Eines Abends hatte er ein Date mit der Frau, die mit meiner Mutter das Zimmer teilte. Die ließ ihn sitzen, stattdessen empfing ihn meine Mutter, die gerade am Klavier saß. Mein Dad ging zu ihr hin und sagte: »Sie spielen das falsch.« Es war Liebe auf den ersten Blick! Sie heirateten und bekamen die kleine Lynda, meine Schwester. Ich kam zwei Jahre später. Ha ha! Das ist meine Mutter, das ist mein Vater und deshalb bin ich so scheiß-detailverliebt – und so durchgeknallt. Ich habe ihre Merkmale geerbt,

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die guten und die, die ich nicht so gut finde. Als Nachkomme eignest du dir diese Züge unbewusst an. Falls ihr das noch nicht wusstet. Ihr werdet zu eurer Mutter!

So hat sich das 1948 ergeben, eine spezielle Mischung aus typi-schem Juilliard-School-Schüler und Pin-up-Boy vom Lande, ein We-sen, das auch noch aussah wie eine Kreuzung aus Jean Harlow und Marlene Dietrich mit einem Schuss Elly May Clampett. Und wenn Gott im Detail steckt – und wir alle wissen, dass Sie das tut –, dann bin ich die perfekte Kombination. Ich bin das N in der DNA meiner Eltern. Wenn also mal jemand sauer auf mich ist und sagt, ich wär ein Depp, dann weiß ich, damit ist eigentlich Fort Dix gemeint. Meine Tochter Chelsea dachte von Geburt an, Gott sei eine Frau. Es tat so gut, von einem Kind zu hören, dass Gott eine Frau sein musste, dass ich das nie infrage stellte. (Kein Wunder, dass ich noch immer Oprah einschalte.)

Mom war ein freier Geist, ein Hippie, ihrer Zeit voraus. Sie liebte volkstümliche Erzählungen und Märchen, aber sie hasste Star Trek. Sie sagte immer: »Warum schaust du das? Alle Geschichten stehen in der Bibel … was immer man sich nur vorstellen kann. Hol die Bibel!« Ich dachte: »Oh Mann, genau das fehlte mir noch zu dem Joint, den ich eben gebaut habe, um ihn mit Spock zu rauchen.« Und übrigens, ge-nau deshalb kommen dir die Teenager heute dauernd mit ihrem »Klar doch!« Aber wisst ihr was – und nur in den Cocktailstunden meines Lebens kann ich das zugeben –, SIE HATTE RECHT!!! Dort holten sie sich ihre Inspiration, Isaac Asimov für I Robot und Aldous Huxley für Schöne neue Welt. So wie der Sound von Elvis Presley von Sister Rosetta Tharpe (schaut euch das mal sofort auf YouTube an), Ernest Tubb, Bob Wills und Roy Orbison stammt. Und diese zeugten die Bea-tles, diese die Stones und diese wiederum Elton John, Marvin Gaye, Carole King und … Aerosmith. Kenne die Geschichte der Rockmusik, mein Sohn. Der Blues ist ihre Bibel.

*

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Ich war drei Jahre alt, als wir in die Bronx zogen, in einen Wohnblock, 5610 Netherland Avenue, genau in die Gegend, wo die beiden Comic-figuren Archie und Veronica leben sollten (das machte mich wohl zu Jughead). Wir wohnten dort, bis ich neun war – im obersten Stock-werk mit herrlicher Aussicht. In heißen Sommernächten stieg ich heimlich aus dem Fenster auf die Feuerleiter und stellte mir vor, Spi-der-Man zu sein. Das Wohnzimmer war ein magischer Ort. Eigentlich war es nur 2,5 mal 3,5 Meter groß ! Der Fernseher in der Ecke wurde vom großen Steinway-Flügel überragt. An ihm saß mein Vater und übte jeden Tag drei Stunden, derweil schuf ich mir unter seinem Kla-vier meine imaginäre Welt.

Es war ein Labyrinth aus Musik, in dem schon ein dreijähriges Kind in die Welt des Psychoakustischen entrissen werden konnte, wo sich ein Wesen wie ich tanzend zwischen den Noten verlaufen konnte. Ich lebte unter diesem Klavier und bis heute liebe ich es, mich unter der kosmischen Glocke aller Dinge zu verirren. Hinein zu gelangen. Jenseits aller Detailversessenheit will ich etwas wissen über das, was in der fifth (Quinte) eines Dreiklangs lebt … im Unterschied zum TRINKEN eines fifth (einer ganzen Flasche)! Also, psychomäßig habe ich es schon mal drauf … jetzt müsste ich es bloß akustikmäßig noch hinbekommen (auch wenn ich ein kleines Liedchen namens »Season of Wither« geschrieben habe).

Dort wuchs ich also auf, unter dem Klavier, und hörte und lebte zwischen den Noten von Chopin, Bach, Beethoven, Debussy. Da habe ich diese Harmonien für »Dream On« her. Dad ging auf die Juilliard School und schaffte es bis in die Carnegie Hall. Als ich ihn fragte: »Wie kommt man in die Carnegie Hall?«, sagte er wie ein italienischer Groucho: »Üben, mein Sohn, üben.« Das Klavier war seine Geliebte. Jede Taste des Instruments war für ihn von eigener persönlicher und emotionaler Bedeutung. Er spielte nicht wie einstudiert. Gott, jede Note war wie ein erster Kuss und er las die Musik, als wäre sie für ihn geschrieben worden.

Ich weiß noch, wie ich unter dem Klavier hervorkroch und meine Finger über den Resonanzkörper gleiten ließ, um ihn zu erspüren.

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Er war ein wenig staubig, und als ich aufsah, flog der Staub herum und in meine Augen – hundert Jahre alter Staub. Er fiel mir in die Augen und ich dachte: »Wow! Beethovens Staub – den hat er schon einge-atmet.«

Es war ein mächtiger Steinway-Flügel, kein kleines Klavier in der Ecke – ein großer, glänzender schwarzer Wal mit schwarzen und wei-ßen Zähnen, der auf dem Grund meines Geistes schwamm und aus großer Tiefe seltsame Töne von irgendwoher brummte. 20 000 Meilen unter dem Meer war gar nichts dagegen.

Später ging ich noch einmal in die 5610 Netherland Avenue. Ich klopfte an die Tür unserer alten Wohnung 6G. Viele Jahre waren seit-her vergangen und der Mann, der mir öffnete, war betrunken und in Unterwäsche.

»Dad?«, fragte ich. Er neigte seinen Kopf wie Nipper, der RCA-Hund.

»Hi, ich bin –«, begann ich.»Oh, ich weiß, wer du bist«, sagte er. »Aus dem Fernsehen … Was

machst du hier?«»Ich habe früher hier gewohnt«, antwortete ich.»Na, erhöhe schon meine Miete!«, sagte er.Ich trat ein und sah mich um. Die Wohnung, in der wir aufwuch-

sen, ist sie nicht in Wirklichkeit immer viel kleiner, als sie sich dreißig Jahre zuvor angefühlt hat? Mein Gott, die Küche war winzig, 1,20 mal 1,80! Das Zimmer, in dem meine Schwester Lynda und ich lebten, und das Schlafzimmer meiner Eltern auf den Hof hinaus – man hätte da drin nicht mal seine Meinung wechseln können, geschweige denn seine Klamotten. Wie zum Teufel hatte mein Vater einen Steinway-Flü-gel in dieses Wohnzimmer gekriegt? Seltsam, sich diese kleine Woh-nung vorzustellen, mit einem noch kleineren Schwarz-Weiß-Fernseher, vor dem ich gebannt mit großen Augen Sendungen wie Mickey Mouse Club sah oder The Wonderful World of Disney, das zum ersten Mal am 27. Oktober 1954 lief. Zwischen der Existenz des Dreijährigen unter dem Klavier und dem Erlebnis des Sechsjährigen, dessen schwarz-weiße Fernsehwelt plötzlich farbig wurde, wurde ich umfassend auf

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das Leben vorbereitet. Ich konnte kaum erwarten, mitten hineinzu-springen.

Mein Vater spielte seine Sonaten mit so viel Gefühl, dass es mich bis ins Mark erschütterte. Wenn du diese Musik jeden Tag von mor-gens bis abends hörst, setzt sie sich tief in deiner Psyche fest. Die No-ten klingen in den Ohren und im Gehirn nach und dein ganzes Leben hindurch können dann unbewusst Gefühle ganz leicht durch Musik ausgelöst werden.

Die meisten Menschen auf der Suche nach Gold – nach dem ek-statischen Moment – werden zuerst in ihrer eigenen Sexualität fündig; dann haben sie einen Orgasmus und, zack, wars das schon. Nun stell dir jemanden auf Forschungsreise vor, vielleicht auf der Suche nach seinem Schicksal. Er stößt auf eine Höhle und aus reiner Neugierde kriecht er hinein und sieht nach oben – alles glitzert und funkelt; und ich war zum ersten Mal in Supermans Kristallpalast am Nordpol und die Gebärschreie von Mutter Erde hallten wider von den Kristallen.

Ich wusste nicht, was ich hörte, und ich verstand damals nicht, wo das alles herkam. Es war egal. Ich wollte daran teilhaben. Ich war klein, auch mein Verstand. Es war reine Magie. Mein Dad brachte die-se kristallinen Momente hervor, wenn er die Noten der heiligen Sona-ten spielte. Es war wie eine Mischung aus Yma Sumac und den Gesän-gen der Buckelwale – diese göttlichen Klänge rieselten auf mich herab.

Neulich kam mein Vater zu mir zu Besuch – er ist jetzt 93 Jahre alt! Ich setzte mich neben ihn ans Klavier und er spielte Clair de Lune von Debussy. Es war so viel bedeutender als alles, was ich je gemacht habe und noch machen werde. Es ging derart tief und beschwor so vie-le frühe Gefühle herauf, die sich mit meinen Gefühlen als Erwachsener vermischten, dass ich wie ein Baby weinte. Ich erinnere mich, dass mir fast der Atem stockte, als ich es als Kind zum ersten Mal hörte. Manch-mal kannst du nicht ermessen, was für ein Glück du hast, bis du zu-rückschaust, einen Blick erhaschst auf das, was wirklich ist, und siehst, wie sich alles spiegelt in dem, was dich einmal geprägt hat. Dort fing alles an, deshalb bin ich heute hier. Mir scheint, wir sind alle hier … weil wir nicht alle dort sind.

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In Sunapee, New Hampshire, verbrachte ich als Kind den Sommer. Auf der Hinfahrt kamen wir an Bellows Falls vorbei und Mom sagte jedes Mal: »Bellows Falls? Fellow’s Balls!« So war meine Mutter. Mit ihrer Art brachte sie mich sogar dazu, meine Erbsen zu essen. »Mach was du willst, aber iss die bloß nicht!« Und ich lächelte sie froschig an.

Ein paar Jahre später, so um 1961, als ich von der anderen Seite des Hauses nach meiner Mutter rief, sagte Mom: »Hey! Wo bist du? Wo bist du hin?« Heute würde ich gerne wissen, wo sie ist. Sie war ein schönes Mädchen vom Land aus Philadelphia Darby Creek, das in die Stadt zog, um uns großzuziehen, mich in der Schule lange Haare tra-gen ließ, sich mit den Lehrern anlegte, uns zu den ersten Clubdates fuhr und mich liebte und hegte – ganz gleich, wer ich gerade war und/oder sein wollte.

In den Fünfzigerjahren brauchtest du sieben Stunden von New York nach New Hampshire, denn damals gab es nur Landstraßen und noch keine Highways. Aber die Fahrt rauf nach Sunapee war voller fan-tastischer Attraktionen. Ein riesiger Tyrannosaurus Rex aus Stein am Straßenrand, Bären aus Holz, »Abdul’s Big Boy«-Restaurants und das Doughnut Dip mit einem riesigen Betondoughnut vor dem Eingang.

Trow-Rico, unser Feriendomizil in New Hampshire, hieß nach ei-ner Kombination aus Trow Hill, einem örtlichen Wahrzeichen, und Tallarico, dem Namen meines Vaters. Die Häuschen lagen verstreut auf 144 Hektar Land mit nichts als Wäldern und Feldern rundherum. Mein Großvater Giovanni Tallarico hatte davon geträumt, als er 1921 mit seinen vier Brüdern aus Italien kam. Pasquale war der jüngste, ein Wunderkind am Klavier. Giovanni und Francesco spielten Mandoline, Michael Gitarre. In den Zwanzigerjahren waren sie als Band unter-wegs – sie vererbten meiner DNA die Reiselust. Ich habe Prospekte der Tallarico-Brüder gesehen – sie traten in riesigen Hotels mit gewaltigen Ballsälen auf, in Connecticut, Detroit und anderen Orten. Sie fuhren mit dem Zug von New York in diese Hotels im ganzen Land und spiel-ten ihre Musik für ihr Publikum. Klingt irgendwie vertraut, was?

Der Vater meiner Mutter – das war eine andere Geschichte. Um Haaresbreite konnte er aus der Ukraine flüchten. Der Familie gehörte

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eine Pferdezucht. Als die Deutschen einmarschierten, mähten sie die ganze Familie vor den Augen meines Großvaters mit Maschinengeweh-ren nieder. »Alle raus aus dem Haus!« Bb-r-r-r-r-a-t! Sie erschossen seine Mutter, seinen Vater und seine Schwester. Er entkam, indem er in einen Brunnen sprang, und später erwischte er den letzten Dampfer nach Amerika.

Bis ich neunzehn war, verbrachte ich jeden Sommer in Trow-Ri-co. Sonntags veranstaltete meine Familie ein Picknick für die Gäste. Onkel Ernie grillte Steaks und Hummer und wir mussten den Kartof-felsalat machen. Wir bedienten die Gäste – wie viele werden das gewe-sen sein? Acht Familien, so um die zwanzig Leute, in unseren Glanz-zeiten. Nach dem Essen, bei Sonnenuntergang, luden wir Heu auf den Anhänger, hängten ihn an unseren 49er-Willys-Jeep und fuhren die Gäste auf unserem Grundstück spazieren. Wir hatten einen Gemein-schaftsraum für die Mahlzeiten, wo sie Frühstück und Abendessen be-kamen, für das Mittagessen sorgten die Gäste selbst, und all das für rund 30 Dollar die Woche. Und wenn die Leute abreisten, schnappte sich die ganze Familie Töpfe und Pfannen aus der Küche und schlug sie aneinander. Und siehe, der Anlass deines ersten Be-in!

Kaum war ich alt genug, musste ich mitarbeiten. Zuerst musste ich Hecken schneiden. Als ich nörgelte: »Wozu soll das denn gut sein?«, sagte mein Onkel: »Machs ordentlich und halt den Mund.« Er nannte mich Skeezix. Fast die ganze Zeit des Zweiten Weltkriegs verbrachte er auf den Fidschi-Inseln, deshalb wusste er Bescheid in geschäftlichen Dingen und allem, was uns umtrieb. Ich half ihm, Gräben auszuheben, eine Wasserleitung eine Meile über den Berg zu legen und mit bloßen Händen einen Teich zu graben. Abends spülte ich Töpfe und Geschirr, und als ich alt genug war, einen Rasenmäher zu schieben, mähte ich den Rasen mit meinem Vater. Ich putzte Toiletten, machte Betten und las alle Kippen der Gäste auf.

Das Heu sammelten wir mit Heugabeln auf und brachten es in den unteren Teil der Scheune. Das Untergeschoss war leer, bis auf Eimer für Ahornsirup und hölzerne und metallene Sirupzapfhähne für Bäu-me, von einer Familie, die vor uns hier gelebt hatte. Es war ein Aben-

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teuer, dort hinunterzugehen, alles war voller Spinnennetze, Eimersta-pel, Glaskrüge und Zeug aus den Zwanziger- und Dreißigerjahren – all jene verstaubten, rostigen Sachen, mit denen Kinder gern spielen – ganz besonders ich.

Im oberen Stockwerk der Scheune gab es eine Tür, durch die man das Heu ein- und auslud. Dort kletterte ich hinauf und sprang von den Dachsparren. In dieser Scheune vollführte ich meinen ersten Rück-wärtssalto; weil das Heu so weich war, war es, als würde man auf, nun ja, Heu landen. Aber ich passte immer auf, ob nicht irgendwo Heuga-beln vergessen worden waren. Wäre ich auf einem dieser Scheißteile gelandet, hätte ich schreien gelernt, wie ich es heute kann … nur zwan-zig Jahre früher.

Mit den anderen Familien durfte ich erst an den Strand, wenn ich meine Aufgaben erledigt hatte. Nach einer Weile entwickelte ich einen Plan, der da hieß: früher aufstehen.

Während des Sommers spielte mein Vater jeden Dienstag, Don-nerstag und Samstag Klavier in der Soo Nipi Lodge mit Onkel Ernie am Saxofon. Sie hatten einen Trompeter namens Charlie Gauss, einen Kontrabassisten, Stuffy Gregory, und einen Schlagzeuger, der namen-los bleiben soll. Soo Nipi Lodge – die man heute Snoop Dogg Lodge oder so nennen würde – war so ein klassisches Hotel wie das in Shining: ganz aus Holz, prächtig und riesig, mit Speisesälen und Ve-randen mit Schaukelstühlen und Trennwänden. Eine Chill-out-Zone, nach heutigen Begriffen. Seit den 1870er-Jahren entstanden diese Fe-rienorte, als Pferde und Kutschen die Gäste vom Bahnhof zum Hotel brachten. Das Einzige, was noch fehlte, waren Musiker, die mit ihrem Spiel die Gäste unterhielten – wohl deshalb kauften die Brüder Talla-rico das Land dort.

Während der Prohibitionszeit kamen die Leute mit dem Zug aus New York nach Sunapee und der Schnaps kam aus Kanada. Manche tranken, andere nicht. Vielleicht kamen sie auch nur übers Wochenen-de rauf, um zu sehen, wie sich die Blätter verfärbten, aber ich stelle mir vor, sie hätten sich mal eben für einen Wochenendtrip in den Zug ge-setzt, um sich herumkutschieren zu lassen, in den großen Hotels zu

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logieren und auf den alten Dampfern zu fahren. Die, die heute im Ha-fen von Sunapee liegen, sind Nachbauten der Schiffe von vor hundert Jahren. Sehr idyllisch. Zehn Meilen weiter oben liegt New London, der originale Peyton Place, wo seltsamerweise Tom Hamilton geboren wurde. Aber so gesehen ergibt das inzwischen für mich einen Sinn.

Sonntagabends gab Dad Konzerte in Trow-Rico. Die Leute kamen von weit her angereist, um ihn zu hören, und meine Großmutter, mei-ne Mutter und meine Schwester spielten Duette. Alle Familien bei uns zu Gast hatten Kinder und Tante Phyllis polterte: »Na los, Steven, denen bieten wir eine Show!« Unter dem Klavierzimmer lag das Spiel-zimmer der Scheune: Tischtennis, eine Musikbox, eine Bar und natür-lich eine Dartscheibe. Über eine Ecke des Raums, die als Bühne diente, war ein großer Vorhang gespannt, dort brachte Tante Phyllis allen Kin-dern Fahrtenlieder wie »John Jacob Jingleheimer Schmidt« und »Ein Loch ist im Eimer« bei. Ich machte Pantomime zu einer alten 78er-Aufnahme von »Animal Crackers«. Es war ein Abend mit lagerartigem Varieté. Für das Finale hängten wir ein weißes Tuch vor einen Tisch aus zwei Sägeböcken und einem Brett. Jemand aus dem Publikum musste sich darauflegen und hinter ihm warf eine riesige Lampe Schat-ten auf das Tuch. Onkel Ernie führte an der Person eine Operation durch, wobei er vorgab, ihn in der Mitte durchzusägen und schließlich ein Baby herauszuholen – ziemlich furchteinflößend, aber zum Weg-schmeißen komisch. Alles geschah mit einem Augenzwinkern, das war der Anfang meiner Karriere.

Über die Jahre gaben wir bestimmt 150 Shows oder mehr. Es war richtiges Schmierentheater. Ich machte niedliche Dinge, die sich nur ein Kind erlauben konnte – besonders vor bewundernden Verwandten. Es war wie aus einem Mickey-Roonie-Film. Ich lernte den ganzen Text des Lieds »Kemo-Kimo«.

Keemo Kyemo stare o stareMa hye, ma ho, ma rumo sticka pumpanickleSoup bang, nip cat, polly mitcha cameoI love you